8 5 88
mächtigung der dur ission des Réparations vertretenen alliierten und assoziierten Mächte ausgeführt oder darüber verfügt wird, in völliger Uebereinstimmung.
12) Die alliierten und assoziierten Staaten, die auf Seite 53 der Denkschrift sich bereit erklärt haben, die Auskünfte und Beweise entgegen zu nehmen, die die Deutsche Regierung bezüglich interessierter oder betrügerischer Manöver, die sich mit der Ses ee des deutschen Eigentums in den alliierten und assoztierten Staaten beauftragte Personen haben zuschulden kommen lassen, werden gegen diese Personen strafrechtlich gemäß ihrer eigenen Gesetzgebung vor gehen, und wenn es statthaft ist, Strafmaßnahmen, die in allen den Dispositionen ihres nationalen Rechts entsprechen, er⸗ greifen.
„Diejenigen der oben gegebenen Auslegungen, welche laut den alliierten und assoziierten Mächten als eine Verpflichtung bildend betrachtet werden können, wurden in dem beiltegenden Protokoll, welches die alliferten und assoziierten Mächte dem Vertrage an⸗ zugliedern gewillt sind, aufgenommen.
Genehmigen Sie, Herr Vorsitzender, den vorzüglichen Hochachtung.
Ausdruck meiner
Clemenceau. Protokoll.
Um die Bedingungen zu präzisieren, unter denen gewisse Klauseln des am heutigen Tage unterzeichneten Vertrages ausgeführt werden müssen, wüd zwischen den hohen vertragschließenden Teilen vereinbart, daß:
1) eine Kommission von den hauptsächlichen alliierten und assoziierten Mächten ernannt werden wird, um die Zerstörung der Be⸗ sestisungen von Helgoland in Gemäßbeit des Vertrages zu über⸗ wachen. Dieser Ausschuß wird die Eigenschaft besitzen, um zu ent⸗ scheiden, welcher Teil der die Küste gegen die Erosionen der See schützenden Arbeiten erhalten, und welcher Teil zerstört werden soll.
.2) Die Beträge, die Deutschland seinen Staatsangehörigen wird zurück ahlen müssen, um sie für die Interessenanteile zu entschädigen, die sie in den im zweiten Absatz des Artitels 156 angeführten Eisen⸗ bahnen und Bergwerken besitzen können, werden Deutschland auf die Beträge zugute gebracht, die es als Wiedergutmachungen schaldet. 3) Die Liste der Personen, die Deutschlaud gemäß dem
Artikel 228, Absatz 2, den alliserten und assoziierten Mächten aus⸗
liefern muß, wird der Deutschen Regierung innerhalb des Monats
nach dem Inkrafätreten des Vertrags zugestellt werden.
4) Die im Artitel 240 und in den Paragraphen 2, 3 und 4 der Anlage 1V vorgesehene Commission des Réeparasions wird die Preis gabe von Fabrikgeheimnissen und anderen vertraulichen Austuünften nicht verlangen können.
5) Sofort nach Vertragsunterzeichuung und in den darauf
folgenden vier Monaten wird Deutschland die Möglichkeit haben,
den alliierten und assoziierten Mächten Urkunden und Vorschläge zur Prüfung vorzulegen zum Zwecke, die Arbeit hinsichtlich der Wieder⸗ gutmachung schneller zu gestalten, die Untersuchung dadurch abzu⸗ kürzen und die Beschlüsse zu beschleunigen.
6) Die Personen, die sich, was die Liquidierung deutschen Eigen⸗ tums anlangt, einer strasbaren Handlung schuldig gemacht haben,
werden strafrechtlich verfolgt werden, und die alliterten und assoziterten Moͤchte werden die Aus künfte und Beweise entgegennehmen, die die
Deutsche Regierung in dieser Hinsicht vorlegen wird.
— Das „Reutersche Büro“ meldet, daß Clemenceau, Wilson und Lloyd George gestern abend folgende Er⸗ widerung auf die deutsche Note, die um 7 Uhr Abends in Paris eintraf, abgesandt haben. Die alliierten und aßoziierten Mächte haben die Note der deutschen Delegation vom gleichen Datum erwogen und fühlen, daß es in Anbetracht der Kürze der verbleibenden Zeit ihre Pflicht ist, sofort zu (hier fehlt im Reutertelegramm das Zeitwort; es wird heißen: antworten). Von der Zeit, innerhalb welcher die deutsche Regierung ihren endgültigen Beschluß bezüglich der Unterzeichnurg des Friedens fassen muß, verbleiben weniger als 24 Stunden. Die alliierten und assoztierten Regierungen haben alle bisher von der deutschen Regierung mit Bezug auf den Vertrag ge⸗ machten Vorstellungen ernstlichst erwogen. Sie haben mit aller Offenheit darauf geantwortet und haben die Konzessionen, die zu machen sie für richtig hielten, gemacht. Die gegenwärtige Note der deutschen Delegation bietet keine Argumente oder Erwaͤgungen, die nicht schon geprüft worden sind. Die alltierten und assoziierten Mächte fuhlen sich daher genötigt, zu erklären, daß die Zeit für Erörterungen vorbei ist. Sie können keine Ein⸗ schränkung und keinen Vorbehalt annehmen oder anerkennen und müssen von den deutschen Vertretern den unzwei⸗ deutigen Beschluß verlangen bezüglich ihrer Absicht zu unterzeichnen und den Frieden als Ganzes, wie er endgültig sormuliert worden ist, anzunehmen oder nicht zu unterzeichnen. Nach der Unterzeichnung müssen die alliierten und assoztierten Mächte Deutschland für die Durchführung jeder Bedingung des Vertrags verantwortlich machen. — In der Sitzunr dr Deputiertenkammer am 20. Juni verlangte der Abgeordnete Cachin über Dokumente zu interpellieren, die ein Komplott zwischen der deutschen Regierung und einigen Mitgliedern des französischen Parla⸗ ments beträfen. Der Minister des Auswärtigen Pichon er⸗ klärte der „Agence Haoas“ zufolge namens der Regierung, daß er niemals Kenntnis von solchen Dokumenten gehabt habe. Uebrigens hätte die Regierung, wenn dies wuklich der Fall gewesen märe, diese der Kammer unterbreitet. Pichon ügte hinzu, es sei nicht zu bezweifeln, daß deutscherseits in dieser Hinsicht Versuche unternommen worden seien. Das er⸗ loaube aber nicht, irgend jemand anzuklagen. Cachin erklärte sich für befriedigt, und der Zwischenfall war damit erledigt. —— Der Senat erörterte vorgestern die Vorlage über die Wahlreform. Im Namen der Regierung bekämpfte Pams die in der Vorlage vorgesebene Verhältniswahl. Trotz⸗ dem wurde die Vorlage mit 120 gegen 90 Stimmen an⸗ nonmmne 1“ “ 8— Rußland.
G Der bolschewistische Volkskommissar für ausmwärtige An⸗ gelegenheiten Tschitscherin hader finnischen Regierung nach einer Meldung der „Times“ eine Note übersandt, die den Charakter einer Kriegserklärung nägt. Die Note enthält zahlreiche Beleidigungen Englands, Frankre chs und auch Finnlands und schließt mit der Versicherung, daß die Sowjetregierung zum Kciege mit Finnlan) bereit ist.
8 1“¹“
Italien. Die Sozialistenpartei und der allgemeine L gewerkschaftsverband Italiens haben einen Aufruf eerllassen, in dem sie vor den Gefahren reaklionärer Machen⸗ schaften warnen, die dem Lande eine Politik gegen den Willen des Parlaments auf wingen wollen. Die sozialistische Partei sei überzeugt, daß es sich nicht um eine Regierungskrise sondern um eine allgemeine politische und soz'ale Krise handele und sie verlange daher, daß die Kammer ihre Souveränität bei der Lösung der Krise sicherstelle. Die Partei richtet an das Pro⸗ letariat einen Appell, die Parteileitung zu unterstützen
Niederlande.
Dem „Korrespondenzbüro“ zufolge sind diplomatische Be⸗ ziehungen zwischen den Niederlanden und Finnland an⸗ geknüpft worden.
88
8 Schweden.
Die Regierung hat durch ihren Gesandten in Helsingfors eine Antwortnote auf die Note der finnischen Regierung vom 6. Juni überreichen lassen. In der Note wird dem Wolffschen Telegraphenbüro zufolge hervorgehoben, daß für Schweden der Kern der Alandsfrage die gerechte, auf den Grundsatz des Selbstbestimmungsrechts der Völker ge⸗ gründete Forderung der Bevölkerung ist, selbst über ihr Schicksal bestimmen zu dürfen. Schweden halte es demnach nicht für möglich, den Antrag Finnlands auf Verhandlungen zwischen den Re⸗ aierungen nur über die militärpolitischen Interessen Schwedens auf Aland anzunehmen. Eine Unterdrückung der Wünsche der Bevötkerung der Alandsinseln könne auf die freundschaftliche Zusammenarbeit zwischen Schweden und Finnland störend ein⸗ mirken. Schweden halte an den Grundsätzen der Lösung der Alandsfrage fest, die in der Note vom 19. November 1918 angegeben seien. Wenn Finnland diese Grundlage unmittel⸗ barer Verhandlungen nicht annehmen könne, halte die schwedische Regierung es für das glücklichste, daß die Frage von der Friedenskonferenz entschieden werde. 8
Statistik und Volkswirtschaft.
Die Steigerung des Wohlstandes in Norwegen in den Kriegsjahren.
Der in „Tidens Tegn“ wiedergegebenen offiziellen Statistik der norwegischen Sparkassen für das Jabr 1917 entnimmt die „Spar⸗ kasse“, daß die gesamten Einlagen bei den 65 Stadt⸗ und 467 Land⸗ sparkassen belrugen
1900 8 300 Millionen Kronen,
1910 8 500 . 8
1915 . 720 28 „
1916 695 „ 8 8 1917 „„ fast 1 ¼ Milliarde Kronen. Diese Ersparnisse bedeuten aber noch nicht die Ersparnisse des ge⸗ samten Landes, sondern gewaltige Spargelder sind auch bei den Banken angelegt.
Die Anzahl der Einleger bei den Sparkassen betrug im Jahre 1917 1 4952 227, so daß — statistisch gesehen — jeder zweite Nor⸗ weger ein Guthaben von durchschnittlich 868 Kronen hat, gegen durch⸗ schnittlich 713 Kronen im Jahre 1916, 594 Kronen im Jahre 1915 und 543 Kronen im Jahre 1914. Auf den Kopf der ganzen nor⸗ wegischen Bepölkerung entfielen 1917 472 Kronen, gegen 374 Kronen im Jahre 1916. Die Zinsen, die diese Spargelder getragen haben, beliefen sich 1910 auf eiwa 18 Millionen, 1914 auf nahezu 26, 1915 auf beinahe 29, Fronee
Zur Arbeiterbewegung.
Nach einer von „W. T. B.“ übermittelten Reutermeldung aus London ist der Versuch, den Allgemeinausstand in den Baumwollfabriken von Lancashire, an dem über 300 000 Arbeiter beteiligt sind, auf einer Besprechung in Manchester beizulegen, völlig mißglückt. Der Abrbeitsminister hat schiedsrichterliche Entscheidung vorgeschlagen. — Laut „Nieuwe Rotterdamsche Courant“ sind in den Kohlenbergwerken von Glanmorgan in Wales 3000 Bergarbeiter aus⸗ ständig.
Kunst und Wissenschaft.
In der am 15. Mai unter dem Vorsitz des Sekcctars Herrn Diels abgehaltenen Gesamtlitzung der Preußis chen Akademie der Wissenschaften sprach Kerr Einstein über eine Veranschaulichung der Verhältnisse im sphärischen Raum, ferner über die Feldgleichungen der allgemeinen Relativitätstheorie vom Stand⸗ punkt des kosmologischen Problems und des Problems der Konstilution der Materie. Der Vortrag war im wesentlichen ein Referat über die Abhandlung des Ver⸗ fassers „Spielen Gravitalionsfelder im Aufbau der materiellen Elementarteilchen eine wesentliche Rolle?“. Sodann legte Herr Norden den zweiten, die plautinische Ueberlieferungsgeschichte be⸗ treffenden Teil der Abhandlung des Herrn Professors Dr. H. Dege⸗ ring in Berlin „Ueber ein Bruchslück einer Plautus⸗ handschrift des 4. Jahrhunderts“ vor. Die Handschrift, der das erhaltene Blatt angehörte, entstammt einer Ueberlieferung, die der palatinischen nahe verwandt war. Der Wert ist für die Erkenntnis der alten Handschriftenfiliation der plautinischen Stücke beträchtlich. Herr Penck legte eine im Geographischen Institut der Berliner Universität bearbeitete Karte über die Ver⸗ breitung der Deutschen und Polen längs der Warthe⸗Netze⸗Linie und der unteren Weichsel vor. Die Karte ist im Maßstabe 1: 100 000 entworfen und gibt die Zahl der Deutschen und Polen in den einzelnen Siedlungen durch farbige Punkte an. Sie gestaltet, mit einem Blicke deren absolute Zahl und ihr gegenseit’ges Verbältnis zu überblicken. Die 18 bisher gedruckten Karten zeigen deutlich, daß sich eine deutsche Brücke von der Mark Brandenburg nach Ostpreußen zieht. Die Darstellung läßt ferner erkennen, daß eine vom Ingenicur Jakob Spett entworfene Natio⸗ nalitätenkarte der östlichen Provinzen des Deutschen Reichs, verlegt bei Moritz Perles in Wien, gedruckt bei Justus Perthes in Gotha, nicht das ist, was sie vorgibt, nämlich nach den Ergebnissen der amt⸗ lich n Volkszählung vom Jahre 1910 bearbeitet zu sein. Sie gibt vielmehr das Prozentverhältnis von Deutschen zu Polen in zahlreichen Fällen zu klem und die Gebiete für polnische Ortschaften zu groß an. Sie erzielt dadurch ein für die Polen äußerst günstiges Bild, das als eine dreiste Fälschung bezeichnet werden muß. Herr Dragendorff überreichte sein Buch „Weftbe mnsc, Hanr zur Römerzeit“. .
In der Sitzung der philosophischehistorischen Klasle der Akademie am 22. Mai las Herr Groot über die Pagoden in China, die vornehmsten Heiligtümer der Mahajana⸗Kirche. Die Pagode war Grabmonument, wurde Heiligtum zur Beisetzung von Reliquien Buddhas, Sitz seines Geistes und Mittel zur Auͤsstrahlung seines Lichts und seiner Lahre, folglich Heiligtum der allerhöchsten Ordnung. Ferner berichtete Herr Sachau über „syrische und arabische Literatur, die sich auf die Klöster des christ⸗ lichen Orients bezieht“ und sprach speziell über das Klosterbuch von Alsabusti, das wegen einer größeren Zahl kulturgeschichtlich merkwürdiger Erkurse besondere Beachtung ver⸗ dient. Das Leben in Bagdad, im Zentrum des abbasidischen Kalifats, besonders im 9. christlichen Jahrhundert, am Hofe wie in der höchsten Gesellschaft, erhält durch diese Exkurse vielfoche Auft ärung, die man in den eigentlichen Geschichtswerken vergebens sucht. Herr Meinecke legte der Akademie die Denkechrift über die „Geschichte der linksrheinischen Gebiersfragen“ vor, die er im Auftrag des Auswärtigen Amtes für die Friedens⸗ verhandlungen ausgearbeitet hat.
1 In der Sitzung der physikalisch⸗mathematischen Klasse der Akademie von demselben Tage überreichte Herr Haber einen Beitrag zur Kenntnis der Metalle. Er zeigte, daß aus Atomvolumen und Zusammen⸗ drückbarkeit der einwertigen Metalle beim absoluten Nullpunkte die Summe von Jonisierungsenergie und Verdampfungswärme richtig
916 auf 35 und 1917 auf über 50 Millionen
bezugevorstellung. Zauberflöte. Text von Emanuel Schikaneder. Spielleitung: Karl Holy.
bezugsvorstellung. Gyunt von Henrik Ibsen. tragung für die deutsche Bühne gestaltet von Dietrich Eckart. Musik von Edward Grieg. Spielleitung: Dr. Reinhard Bruck.
und Freiplätze sind aufgehoben. von Richard Wagner.
Freiplätze sind aufgehoben. Akten von 7 Uhr.
des Vortragenden als Gitter aus Jonen und Elektronen angesehen werden. Diese Auffassung wurde weiter gestützt durch die Darlegung, daß sich aus der Gittervorstellung der Metalle der Charakter des selektiven Photoeffektes als einer Metalleigenschaft zugleich mit dem numerischen Werte eines beschleunigenden Voltapotentials an der Metalloberfläche ergibt, dessen Wert im Falle des Kaliums das gelegentlich beobachtete Verschwinden des Effektes verständlich macht.
Verkehrswesen.
Nach neue ren Anordnungen der amerikanischen Besatzungsbehörde ist das Höchstgewicht für Pakete, die zwischen dem unbe⸗ setzten Deutschland und der amerikanischen Zone der besetzten deutschen Rheingebiete ausgetauscht werden, für beide Richtungen auf 25 kg festgesetzt worden. Die Versendung von Bargeld sowie von deutschen, alliierten und neutralen Wertpapieren aus dem besetzten Gebiet nach dem urbesetzten Deutschland ist ver⸗ boten. Diesem Verbot sind aber gewisse Banken nicht unterworfen, die besondere Erlaubnis von der interalliierten Firanzkommission in Mainz erhalten haben. Die Pakete dürfen keine schriftlichen Mit⸗ teilungen enthalten.
Uebertretungen dieser Bestimmungen haben die Beschlagnahme der betreffenden Pakete zur Folge; außerdem können gegen die dafür Verantwortlichen in den besetzten Gebieten von den Kriegsgerichten der Alliierten Strafen bis zu 6 Monaten Gefängnis und 5000 Franken Geldbuße verhängt werden. Der Paketverkehr kann be⸗ sonderen Beschränkungen infolge Beförderungsschwierigkeiten unter⸗ liegen.
Ferner sind aus der britischen Besatzungszone nach dem unbesetzten Deutschland im Postscheckverkehr telegraphische Zahlungsanweisungen erlaubt.
Die belgische Besatzungsbehörde hat eine Ver⸗ ordnung über die Zensur und die Einführung von Büchern und Veröffentlichungen vom unbesetzten Deutschland in die belgische Be⸗ satzungszone veröffentlicht.
Fortan können gewöhnliche Briefe und Postkarten nach dem ehemalig österreichischen Küstenland (Triest, Görz und Gradiska, Istrien) auf Gefahr des Absenders zur Post⸗ beförderung angenommen werden.
8
Theater und Musik.
Im Opernhause wird morgen, Dienstag, „Die Zauberflöte“, mit den Damen Hansa, von Granfelt, Engell, Hafgren⸗Waag, Stein⸗ wegals Gast von Scheele⸗Müller, Marherr Escher, Mancke und den Herren Hecht, Schlusnus, Habich, Schorn, Philipp, Krasa und Sommer be⸗ setzt, gegeben. Den Sarastro singt Herr Walter Eckard vom Stadt⸗ theater in Nürnberg als Gast auf Anstellung. Musikalischer Leiter ist der Kapellmeister Urack. Anfang 7 Uhr.
Im Schauspielhause wird morgen „Peer Gynt“ in der gewohnten Besetzung unter der Spielleitang von Dr. Bruck wieder⸗ holt. Anfang 7 Uhr.
Zur Frage der Ernennung der künftigen Leite der beiden Berliner Staatstheater erfährt „W. T. B.“ von zuständiger Stelle: Die Personale wurden vom Ministerium für Wissenschaft, Kunst und Voltsbildung ersucht, in unverbindlicher Weise eine Reihe von Personen zu bezeichnen, die als Leiter das Vertrauen der Angestellten besäßen. Ein Wahlrecht wurde damit nicht anerkannt oder eingeräumt, da hierüber erst in der künftigen Satzung der Staatstheater entschieden wird. Es ver⸗ bleibt also an sich bei der Ernennung der Bühnenleiter durch die Regierung. Mit der Ernennung sind Besetzungsfragen anderer Art eng verknüpft. Die Vorbereitungen für die endgültige Regelung der Verfassungsfrage sind übrigens soweit gedichen, daß mit dem baldigen Erlaß dieser für die Verfassung der Staatstheater maßgebenden
Satzung zu rechnen ist. 8
(Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten Beilage.)
Opernhaus. (Unter den Linden.) Dienstag: 161. Dauer Dienst⸗ und Freiplätze sind aufgehoben. Die Oper in vier Akten von Wolfgang Amadeus Mozart. r. Muslklalische Leitung: Otto Urack. Anfang 7 Uhr.
Schauspielhans. (Am Gendarmenmarkt.) Dienstag: 173. Dauer⸗ Pienst⸗ und Freiplätze sind aufgehoben. Veer (In zehn Bildern.) n sreier Ueber⸗
Musikalische Leitung: Paul Steinhausen. Anfang 7 Uhr.
Mittwoch: Opernhaus. 162. Dauerbezugsvorstellung. Dienst⸗ Tristan und Isolde in drei Akten
Anfang 6 ½ Uhr. Schauspielhaus. 174. Dauerbezugsvorstellung.
Sonnenfinsternis. Spielleitung: Albert
Dienst, und Tragödie in fünf
Arno Holz. Patry. Anfang
Familiennachrichten.
Verlobt: Frl. Isolde Freyptag mit Hrn. Hauptmann Andreos
Hillmer (Breslau). — Frau Erika von Frankenberg und Proschlitz, geb. vn Hügel, mit Hrn. Hauptmann Raimund Uhrn. von Gleichen gen. von Rußwurm (Dessau). — Frl. Hildegard Oemisch mit Hrn. Leutnant Wilhelm Engelhard (Diemitz b. Halle — Berlin).
Verohelicht: Hr. Rechtsanwalt und Notar Otto Hanke mit Frl.
Maric Siegert (Bauerwitz).
Gestorben: Hr. Gymnasialoberlehrer a. D., Professor Paul Jahn
(Bunzlau). — Verw. Frau
1 Oberlandesgerichtsrat Elfriede Schmidt, geb. Goebell (Breslau). 8
berechnet werden kann, wenn die Metalle nach früherer Vorstellung
Verantwortlicher Schriftleiter: J. V.:
Weber in Berlin.
Verantwortlich für den Anzeigenteil: Der Vorsteher der Geschäftsstelle,
Rechnungsrat Mengering in Berlin. Verlag der Geschäftsstelle (Mengerina) in Berlin.
Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlagsanstalt, Berlin, Wilhelmstraße 32.
Fünf Beilagen r (einschließlich Börsenbeilageh) r .2 21„2 und Erste, Zweite, Dritte und Vierte 2
Zentral⸗Handelsregister⸗Beilage. 14 12 III
b zum Deutschen Reichsanzeiger und Preußi
E 138.
Deutsche Nationalversammlung 40. Sitzung vom 22. Juni 1919.
Am Ministertisch: die Reichsminister Bauer, Erz Ferer, Muülkler, Noske, Schlicke, Dr. Bell, Dr. Mayer, Schmidt, Giesberts, Wissell, Dr. David, die einzelstaatlichen Minister Hirsch, Blos, Weiß und Gradnauer.
Präsident Fehrenbach eröffnet die Sitzung kurz nach 1214 Uhr. Das Haus ist stark besetzt, die Tribünen sind über⸗ füllt. Auf der Tagesordnung steht die Entgegennahme ei ner Erklaärungder neuen Reichsregierung.
Reichsministerpräsident Bauer: Der Reichspräsident hat mich mit der Bildung des neuen Kabinetts an Stelle der zurückgetretenen Regierung Scheidemann betraut. Als Mitglied der bisherigen Re⸗ ierung kann ich deren Tätigkeit keine Anerkennung zollen, wohl aber kann ich den ausscheidenden Mitgliedern, insbesondere dem Minister⸗ präsidenten Scheidemann, Worte warmen Dankes für ihre hingebende und aufopferungsvolle Tätigkeit nicht versagen. (Beifall links.) In diesen Dank soll auch die Arbeit der Friedensdelegation eingeschlossen sein. (Erneuter Beifall.) Der Rücktritt des Kabinetts Scheidemann ist erfolgt, weil eine einheitliche Haltung gegenüber dem uns vor⸗ geschlagenen Friedensentwurf nicht mehr vorhanden war. Vielmehr standen sich die Ansichten im Kabinett hierüber scharf gegenüber, aber nicht getrennt nach Parteien, sondern getrennt nach dem Verantwort⸗ lichkeitsgefühl jedes einzelnen Ministers. Der Zwiespalt ging mitten durch die Reihen der Regierungsparteien. Die Antwort, die man auf die Frage gab, was für das deutsche Volk unerträgkicher sein würde: die Annahme oder Ablehnung, war innerhalb der Parteien im Kabinett ganz verschieden. Es war für jeden von uns, der der früheren Regie⸗ xrung angehört hat, ein bitterer und schwerer Kampf zwischen empörtem Gefühl und kühler Ueberlegung. Unendlich schwer war für uns alle der Entschluß, der neuen Regierung beizutreten, deren erste und schnellste Aufgabe es sein muß, den Unrechtfrieden abzuschließen. Die Not von Land und Volk hat uns zusammengeführt. Wir durften unsere Mitarbeit nicht versagen, wenn wir nicht Gefahr laufen wollten, Deutschland einem regierungslosen, chaotischen Zustand zu überlassen, aus dem es keine Rettung mehr gegeben hätte. Wir stehen nicht aus Parteiinteresse und noch weniger — das werden Sie mir glauben — aus Ehrgeiz an dieser Stelle. Wir stehen hier aus Pflichtgefühl, aus dem Bewußtsein, daß es unsere verdammte Schuldigkeit ist, zu retten, was zu retten ist. Daß die Deutsche demokratische Partei ge⸗ glaubt hat, mit der Stellung der Mehrheit ihrer Mitglieder eine Teilnahme an der Regierung nicht vereinbaren zu können, bedauern wir außerordentlich. Unsere demokratischen Kollegen in der bisherigen Regierung waren uns loyale und wertvolle Mitarbeiter in dem Kampfe um eine neue Staatsform und eine neue lebendige Staatsidee. Die Regierung, deren Präsidium zu übernehmen ich die Ehre habe, setzt sich zusammen aus Zentrum und Sozialdemokraten. Das Programm des neuen Kabinetts wird dasselbe bleiben, das der Regierung Scheide⸗ mann zugrunde gelegen hat. Seine Besetzung ist folgende: Prä⸗ sidium: Bauer, Auswärtiges: Hermann Müller, Inneres: Dr. David, Reichsfinanzminister: Er berger (Aha⸗Ruf rechts, Ruf im Zentrum: Ruhe!), Wirtschaft: Wissell, Arbeitsministerium: Schlicke, Schatz⸗ ministerium: Mayer⸗Kaufbeuren, Post: Giesberts, Verkehrsminister: Bell, Reichswehrminister: Noske, Ernährungsminister: Schmidt. Das Reichsjustizministerium bleibt vorläufig unbesetzt. Und nun die erste Frage: Wi ht das Kabinett, wie stehen diese Männer zu dem Problem des Friedensschlusses? Was ist die Antwort: Ja oder nein? Die Reichsregierung kann es nur zu gut verstehen, wenn angesichts der Friedensbedingungen unserer Gegner eine helle Empörung den einzelnen
und die Gesamtheit fortreißt, und wenn diese Empörung sich Luft zu machen sucht.
2
Aber wenn ich bei der Uebernahme meines schweren Amtes eine Bitte aussprechen darf, so ist es die: Lassen Sie die Frage, Annahme oder Ablehnung, nicht zur Parteisache werden. Glauben Sie auf der einen Seite nicht, daß die Befürworter der Ablehnung volks⸗ fremde Chauvinisten oder Interessenpolitiker seien, die einen Vorteil aͤhrer Klasse oder des Geldbeutels mit der Verweigerung der Unter⸗ schrift verfolgten. Glauben Sie aber auf der anderen Seite auch nicht, daß die Frauen und Männer, die sih notgedrungen und unter Selbst⸗ überwindung zur Annahme durchgerungen haben, feige oder schlapp seien und kein Gefühl für nationales Rechtsbewußtsein hätten. Wer sich ernsthaft mit der Frage: Unterzeichnung oder Nichtunterzeichnung deschäftigt hat, weiß ganz genau, wie ungeheuer schwer diese Ent⸗ scheidung ist. Auf beiden Seiten stehen gewichtige Gründe, die kein verantwortlicher Mensch übersehen kann. Heute ist zu entscheiden nach der einen oder anderen Seite hin. Die Zeit der Erwägungen und Abwägungen ist vorüber, die Stunde des Handelns ist gekommen und damit die Stunde der Verantwortung. An dieser Verantwortung trägt jeder von Ihnen sein Teil. Die Reichsvregierung ist sich voll⸗ kommen bewußt, daß die Zustimmunga Ihrer Mehrheit sie wohl in demokratischem Sinne entlasten kann, daß sie im Geiste der parlamen tgrischen Verfassung handelt, wenn sie der Vollstrecker Ihrer Mehrheit ist, aber sie weiß ebenso, daß sie trotz aller Vertrauenskundgebungen vor Volk und Geschichte nur eine wahrhafte Rechtfertigung haben kann, wenn sie rückhaltlos nach Prüfung der Sachlage und Verant⸗ wortung entscheidet, und nicht nach Parteistimmungen schielt. (Beifall.) Glauben Sie mir, wir hoffen, in diesem Sinne geprüft und ent⸗ schieden zu haben angesichts unserer Gegenwart und Zukunft unseres Volkes und unter der notwendigen Berücksichtigung des Willens der Nationalversammlung. Wie immer jeder einzelne von Ihnen zur Frage der Annahme oder Ablehnung steht, in einem sind wir alle einig: in der schärfsten Verurteilung des uns vorgelegten Friedensvertrages, zu dem wir unter unerhörtem Zwangag unsere Unterschrift geben sollen. Als wir zum ersten Mase diesen Enbwurf lasen, kam aus dem ganzen Volke wie aus einem Munde der Protest der Empörung und Ab⸗ lehnung. Wir haben die Stimmen von einzelnen und Parfeien gebört, wir haben geharnischten Widerspruch vernehmen müssen, daß wir wehrlos den Interessen anderer Völker geopfert werden, wir haben Gegenvorschlöge gemaht und sind opfer⸗ bereit wie noch nie ein anderes Volk gewesen. Die Wirkung aller dieser Proteste, die Wirkung unssrer Bereitschaft, wiederanteumachen weit über jede Billigkeit hinaus, war, daß, im Verhältnis zum ganzen verschwindende Abmilderungen von Bedrohungen und Beschimpfungen begleitet wurden. Am Montagabend soll der Krieg aufs neue beginnen, wenn nichk unser Ja gegeben wird. Es soll der Vormarsch beginnen, zu dem jedes Mordinstrument bereit steht, gegen ein wehrloses und waffenloses Volk, das nur zwei Gebote kennt: nach außen wieder aut zu machen und nach innen seine im Zusammenbruch errungene Freiheit auszubauen. In dieser Stunde wuif Leben und Tod unter drohendem Einmarsch erhebe ich zum letzten Male in einem freien Deutschland Protest gegen diesen Vertrag der Gowalt und Vernichtung, Protest gegen die Verhöhnung des Selbst⸗ bestimmungsrechts, gegen diese Nerknechtung des deutschen Volkes, gecen diese neue Bedrobung des Weltfriedens unter der Maske eines Friedenspertrages. Wer kann sich noch Demokrat oder Sozialist nennen, und erbebt sich nicht gegen diese Ausbeufung? Wer kann sich noch Pazifist nennen vund kämpft nicht bis zum Lohten gogen diesen Friedensvertrag, vegen diese Kriegserkläruna? Keine Unterschrift entkräftet diesen Protest, den wir für alle Zukunft erheben und be⸗ schwören. (Beifall.) Ihr „Letztes Wort“ hat die Entente ihren
Berlin, Maͤntag, den 23. Juni
A
Vorschlag vom 16. Juni genannt. Die Reichsregierung hat davon abgesehen, aus der fast unabsehbaren Reihe mehr oder minder uner⸗ träglicher Bedingungen eine oder die andere noch abzuhandeln: dieser Vertrag verliert seinen vernichtenden Charakter nicht durch Ver⸗ änderungen in den Einzelheiten. (Sehr richtig!) Aeußerungen der Parteien der Nationalversammlung lassen keinen Zweifel, daß eine Minderheit die Zukunft unseres Volkes durch die Annahme schwerer efährdet glaubt, als durch die Ablehnung. Die Regierung muß dem Rechnung tragen, daß sie das Volk nicht in 48 Stunden vor eine neue Krise stellen kann, denn die Ablehnung wäre keine Abwendung des Vertrages (sehr richtig!), ein Nein wäre nur eine kurze Hinaus⸗ schiebung des Ja. (Sehr richtig!) Unsere Widerstandskraft ist ge⸗ brochen. Ein Mittel der Abwendung gibt es nicht. Wohl aber gibt der Vertrag selbst uns eine Handhabe, die wir uns nicht entreißen lassen können; ich denke an die feierliche Zusage der Entente in ihrem Memorandum vom 16. Juni, daß die Revision des Vertrages von Zeit zu Zeit eintreten und er den neue eintretenden Verhältnissen angepaßt werden kann. Das ist eins der wenigen Worte, die in diesem Friedensvertrag wirklich Friedensgeist atmen.
Im Namen der Reichsregierung habe ich zu erklären, daß in Würdigung aller dieser Umstände und vorbehaltlich der Ratifikation durch die Nationalversammlung die Regierung sich entschlossen hat, den uns vorgelegten Friedensvertrag unterzeichnen zu lassen, daß sie diese Vollmacht gibt, indem sie den Gegnern unumwunden erklärt: kein Volk und auch keine der alliierten und assoziierten Mächte können dem deutschen Volke zumuten, einem Friedensinstrument aus innerer Ueberzeugung zuzustimmen, durch das ohne Befragung der Bevölkerung lobendige Glieder vom Reich abgetrennt, die deutsche Staatshoheit dauernd verletzt und dem deutschen Volke unerträgliche wirtschaftliche und finanzielle Lasten auferlegt werden sollen. Wenn sie jedoch unter Vorbehalt unterzeichnet, so betont sie, daß sie der Gewalt weicht in dem Entschluß, dem unsagbar leidenden deutschen Volke einen neuen Krieg, die Zerreißung seiner nationalen Ein⸗ hbeit durch weitere Besetzung deutschen Gebietes, entsetzliche Hungersnot für Frauen und Kinder und unbarmherzige längere 98 rückhaltung der Kriegsgefangenen zu ersparen. Sie erwartet in Ansehung der ge⸗ waltigen Lasten, die das eutsche Volk übernehmen muß, daß sämtliche deutschen Kriegs⸗ und Zivilgefangenen mit Beginn vom 1. Juli an in ununterbrochener Folge und in kurzer Frist zurückgegeben werden. Deutschland hat die feindlichen Kriegsgefangenen in zwei Monaten zurückgeführt. Die Regierung der deutschen Republik verpflichtet sich, die Deutschand auferlegten Friedensbedingungen zu erfüllen. Sie vill sich jedoch in diesem feierlichen Augenblick mit rückhaltloser Klar
it äußern, um jedem Vorwurf einer Unwahrhaftigkeit, der Deutsch⸗
d jetzt oder später gemacht werden könnte, von vornherein entgegen⸗
t Die auferlegten Bedingungen überschreiten das Maß dessen,
8 Deutschland talsächlich leisten kann. Wir fühlen uns daher zu der Erklärung verpflichtet, daß gir alle Vorbehalte machen und jede Ver⸗ antwortung ablehnen gegenüber den Folgen, die über Deutschland ver⸗ hängt werden könnten, wenn die Undurchführbarkeit der Bedingungen auch bei schärfster Anspannung des deutschen Leistunasvermögens in Er⸗ scheinung treten muß. Wir legen weiterhin den größten Nachdvuck auf Deutschland fondert, sich als alleinigen Urheber des Krieges zu bekennen, nicht annehmen können und durch die Unterschrift nicht decken. Ebenf wenig kann es ein Deutscher mit seiner Würde und Ehre vereinbaren, die Artikel 227 bis 230 anzunehmen und auszuführen, in denen Deutsch⸗ land zugemutet wird, Angehörige des deutschen Volkes, die von den allijerten und assoziterten Mächten der Verletzung internationaler Ge⸗ setze und Vornahme von Handlungen gegen die Gebräuche des Krieges bezichtigt werden, zur Aburteilung auszuliefern. (Beifall.) Wir nehmen an, daß es den alliierten und assoziierten Regierungen erwünscht ist wenn wir offen reden, sowohl was unseren guten Willen, wie auch was unsere Vorbchalte betrifft. Daher werden wir die Vollmacht zur Unterzeichnung in folgender Form geben: „Die Regierung der
2 27 sl 3 G IS o ErS 8 4 on Deulschen Republik ist bereit, den Friedensvertrag zu unterzeichnen,
„ 0 5
ü —
Lnn 19n B 8. — — 8 2 2 ohne jedoch damit anzuerkennen, daß das deutsche Volk der Urheber des Krieges sei und ohne eine Verpflichtung nach Artikel 227 bis 230 des
Friedensvertrages zu übernehmen“. — Meine Damen und Herren! 8
Ich bin am Ende. Wer so über die düsterste Stunde im Leben seines Volkes sprechen muß, der scheut sich fast vor dem Vorwurf der Schön⸗ färberei, wenn er seinen Glauben an eine Aufhellung, an die endliche Verwirklichung einer besseren Zukunft zum Ausdruck bringen will. Aber ich bin überzeugt: In der deutschen Republik könnte keiner im Amt oder im Erwerbsleben, in Politik und in der Wissenschaft mehr eine Hand rühren, wenn ihm der Glaube an das deutsche Volk nicht geblieben wäre. Wir stehen vor Arbeitsjahren für fremde Rechnuna, wie nie ein Volk vor uns. Wir haben vor unseren Kindern und Enkeln die Verpflichtung, Deutschland zusammenzuhalten, soweit es uns geblieben ist. Wir müßten in der Verwirrung dieser Zeit, die außer Rand und Band geraten ist, Ordnung und Regel der neuen Freiheit sicherstellen, unbekümmert darum, ob uns Schwärmer und Wirrköpfe in diesen wahr⸗ haft demokratischen Bestrebungen verstehen oder nicht. Nur dank einer Vertragstreue bis zur Grenze unseres Könnens, nur aus aller Ent⸗ schlossenheit zum Zusammenbleiben in der deutschen Schicksalscemein⸗ schaft, nur zum Willen zur Arbeit in allen Schichten, nur mit Disziplin, so schlimm das Wort heute vielen klingt, und Pflichtbewußtse
aus dieser Stunde noch eine Zukunft für uns erwachsen. Es gi
Wundermittel und keine Märchen für die Gesundung eines Volkes. Selbst die Weltrevolution kann der Krankheit nicht abhelfen, an der wir hinsiechen. Nur der Revolution unseres sittlichen Bewußtsein wird und muß es gelingen, aus Nacht und Finsternis zu einer besseren Zu⸗ ; (Beifall.)
es Funft emporzusteigen.
Präsident Fehrenbach: Es sind zwei Anträge eingogangen. Der erste Antrag Schulz (Soz.)⸗Gröber (Zentr.) lautet: Die National⸗ versammlung billigt die Erklärung der Regierung und spricht ihr das Vertrauen aus. Der gweite Antrag: Die Nationalvesammlung billigt das Verhalten der Regierung in der Frage der Unterzeichnung des Friedensvertrages.
Abg. Loebe (Soz.): Der Standpunkt der sozialdemokratischen Fraktion in der großen Schicksalsfrage, die wir zu entscheiden haben, ist niedergelegt in folgender Erklärung: Die Not Deutschlands drückt uns alle, so sehr wir voneinander abweichen in der Beurteilung des fürchterlichsten aller Kriege, des trostlosesten aller Friedensverträge. Einig sind wir in der tiefsten Bedrückung unserer Gefühle, gequält wie das ganze deutsche Volk empfindet die Nationalversammlung, daß der traurigste Abschnitt deutscher Geschichte nun anheht. Ob die den Bescheuß der Nationalversammlung bestimmen, die die neue Reichs⸗ regierung beauftragen, die Unterfertigung des Friedensinstruments anzuordnen, oder ob die die Entscheidung geben, die diesen Friedens⸗ vertrag weit von sich weisen und erklären: Komme was da wolle, wir unterfertigen diesen Friedensvertrag nicht, in jedem Falle beginnt eine Epoche äußerster Verarmung und nationalen Elends. Wir haben für jeden dieser Standpunkte Verständnis. Wir haben Verfechter beider Ansichten in unseren Reihen. Wie aber auch die Nationalversammlung entscheidet, nicht nur uns, sondern auch unseren Kindern und Kindes⸗ kindern wird ein bitteres Schicksal beschieden sein. Materiell ver⸗ armt, moralisch niedergedrückt, geistig gefesselt geht das deutsche Volk durch das Tor des Friedensvertrages in die dunkelste Zukunft voller Sorgen und Leiden. Niemals wird die Schuld an diesem Kriege aus⸗
gelöscht werden, fürchterliche Gewissensqualen werden die quälen, die
an diesem Kriege schuld waren. (Sehr wahr!) Wir, die wir stets die Kriege bekämpft, und die während des fürchterlichsten Krieges
niemals die Pflicht der Versöhnlichkeit vergaßen, die wir in der Zeit des Siegesrausches stets für einen Frieden ohne Annexionen und Ent⸗ schädigungen eingetreten sind, wir sind uns, wie stets während des Krieges, auch heute nock, da der sehnfüchtig erwartete, aber dornen⸗ reiche Frieden von uns geschlossen werden soll, der gewaltigen Ver⸗ antwortlichkeit bewußt. Wenn wir dafür sind, daß dieser Friedens⸗ vertrag unterfertigt wird, so nur um deswillen, weil wir noch Fürchter⸗ licheres ahnen, falls er von uns abgelehnt wird. (Sehr richtig!) Mit schwerstem Herzen, nach unausgesetzten Verhandlungen, nach reiflichster Prüfung aller Folgen haben vwir uns doch zuletzt entschließen müssen, dieses Friedensinstrument birzunehmen. Wir wissen, daß wir damit vor der Weltgeschichte die Verantwortung tragen, wissen, daß wir die kommende Generation und nicht nur uns belasten, aber wenn einst unsere Kinder Rechenschaft verlangen werden für die Verpflichtungen, die wir ihnen und noch ihren Nachkommen auferlogen, so sagen wir ihnen schon heute, daß für all dieses Unglück nicht die verant⸗ wortlich sind, die jetzt dem fürchterlichsten aller Kriege ein Ende machen, sondern jene, die ihn herbeigeführt baben. (Sehr wahr! b. d. Soz.). Der Kapitalismus und der Imperialismus haben diesen Krieg heworgerufen. Sie schhagen der Arbeiterklasse Deutsckllands und der ganzen Welt den uns aufgegwungenen Krieg tiefe Wunden. Wir können jetzt nichts anderes. Aber über sein Können kann niemand verpflichtet werden. Jede Widerstandskraft gegen diesen Friedens⸗ vertrag fehlt uns, deshalb müssen wir ihn ertragen. Wir wissen, daß e beim b. len und beim eifrigsten Bemüben nicht möglich sein wird, die Bedingungen des Friedens auszuführen. Wir sind der leberzeugung, daß auch die Feinde zu der Erkenntnis gelangen werden, daß viele Friedensbedingungen nicht zur Tat werden können. Die sozialdemokratische Partei bat sich seit dem Zusammenbruch des alten Deutschlands der Erkenntnis nicht verschlossen, daß unser Volk große Opfer werde auf sich nehmen müssen, um zum Frieden zu gelangen. Die Reichsregierung hat alles getan, den gegnerischen Regierungen die Unausführbarkeit ihrer Friedensbedingungen nachꝛuweisen. Unsere Parteigenossen in Frankreich, England und Jalien und alle sonstigen freunde eines gerechten und desbalb dauernden Friedens in allen Ländern haben manch entschiedenen und urwiderlegbar begründeten Einspruch gegen die unmöglichen Friedensbedingungen erhoben. Aber alle diese Bemühungen beben nicht den erstrebetn Erfolg gehabt. Die sozialdemokratiche Partei hat stets die Zweideutigkeit der Staate⸗ männer des alten Schlags bekämpft. Jetzt, da wir in unserem jungen Freistaat auf der Grundlage des denkbar freiesten Wahlrechts die stärkste Paytei in der Nationalversammlung und in der Reicksregie⸗ ung gewm sind, verlanoen wir, daß die Regierung mit der früheren nwahrhaftigkeit im Verkehr der Völker endgültig bricht und nicht lediglich 2 rträge abschließt, um sie beiseite zu schieben, so⸗ äßig erscheint. Der neue Friedensvertrag soll also auch für uns, unbedingtes Gesetz, un⸗
Grundlage einer neuen Völkercemeinschaft werden.
icht einer offenen oder versteckten Nichtbeachtung sbedingungen darf niemals weder im deutschen Volke,
2 gierung auftauchen. Im schreienden Gegensatz zu unsern Grundsätzen bestehen die feindlicken Staatsmänner aus der Unter⸗ ferwigung dieses in wesentlichen Teilen undurchführbaren Friedens⸗ vertrags. uruf rechts: Na also!) Verweigern wir sie, so wird der wir einen Gewaltfrieden schlimmster Art unterschreiben, oder ob wir unser Land und unser Volk grausamen Kriegsleiden wehrlos ausliefern wollen. Gäbe es ein Mittel, die undurchführbaren Friedensbedin⸗ gungen von unserm Volke fernzuhalten — keiner von uns würde zögern, von ihm Gebrauch zu macken (sehr wahr! bei den Sozial⸗ ), aber es gibt keine Möglichkeit. Wir wollen und wir können unser Nolk nicht von neuem zu den Maffen rufen. — Unser Volk ist durch den langen Krieg und seine Wirkungen wirtschaftlich körperlich und seelisch zu sehr zermürbt, als daß wir auch nur auf kurꝛe Zeit der Uebermacht der Gegner würden standbalten können. Unsere Kriegsgefangenen Zeit in fremder
1 22 1
oem zufflammeoen Mir möüssen un
würden auf unabsehbare Hnechtschaft zu schmachten haben, weitere Hunderttausende von Men⸗ schen würden in den Tod getrieben, unser Land würde zu einer Wüste, die Ernte vernichtet, unsere Volkswirtschaft ihrer letzten Werte be⸗ raubt, die Zufuhr von Lebensmitteln würde abgoeschnitten, unsere wichtigsten Eisenbohnlinien lahmcgelegt, auch die Verfügung über unsere Lebensmittel im Inland zur Unmöglichkeit gemacht werden: unsere Geagner können urs unsere letzten Kohlen varßen und alle Betriebe stillegen. Einem solchen furchtharen Druck vermag unser Volk nicht lange standzuhalten. Jeder tätige Widerstand ober würde nach den brutalen Regeln des Krieasrechts zu unabsehbarem Blutvergießen und Zerstörungen führen. Nach kurzer Frist müßten wir uns bedingungs⸗ los unterwerfen und doch den Frieden unterschreiben, der noch hälter ihre Uebermacht zur Vernichtung auer Freiheiten, die die Revolution unserem Nolke gebracht bat, ausnutzen. Sie würden das Deutsche Reich völlig zerstückeln und der danernden Fremdherrschaft unterwerfen. Das arbeitende Volk würde unter den Lasten des sckärfsten Arbeitszwanges und des Hungers schrankensos ausgebentet werden. (Sehr richtig! bei den Sczialdemokraten.) Wenn wir aus diesen Er⸗ wägungen die Annahme des Friedensvertrages billigen, so sind wir bereit, alles zu tun, um die Bedingungen bis an die Grenze des Mög⸗ lichen dur hzuführen. Das ist die unvermeidlicke Folge des Kriegs⸗ canges. Was cCher undurchführbar ist, bleibt auch nach unsever Unter⸗ schrift undurchführbar. Ein entrechtetes verhungertes Volk ist arbeits⸗ unfäbio, ein vergewaltigtes Volk aber ist nicht nur um sesn eigenes Lebensglück betrogen, es betrügt auch seine Vergewalticer (sehr richtig!), desbalb muß, was an den Friedensbedinaungen unmöglich ist, in friedlicher Verbandlungen durch verständices Entoegenkommen be⸗ seitigt werden.. Will man das deutsche Volk befähigen, so viel von dem Friedensvertraa als überhaupt möalich ist. durchzuführen, donn darf man d'i† vweitaebende Sorglreform in Deutschland nicht vernichten und ibhre Wpyiterentwicklung aufbalten. Kapitalistische und impericlistische Geaner baben diese Forthildung der Sozialreform in Deutschland immer mit Furcht und Mißtrauen verfolgt, weil sie bren eicenen Arbeitern und Arbeiterinnen das versagen wollten, was die deutsche Sozigldemokratie und die Gewerkschaften zur Sickerung unserer Arbeiterklasse cegen die Nerelendung durch den Kapitolismus erzwungen haben. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten). Deutsch⸗ land wor den Staatsmännern der Entente stets verhaßt als Ursprungs⸗ und Zukunftsland des Sozialismus. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Der Krieg des Kapitalismus und Imverialis⸗ mus wird ahgoeschlossen durch Friedensbedinaungen, die der deuischen Arbeiterschaft den Weg zur Erfüllung des Sozialis⸗ mus versperren sollen. Es ist deshalb das bärteste Schicksal dor soziosdemokratischen Partei, der Vorkämpferin der Völkerversöhnunag und verbrüderung, für diesen Friedensvertraag stimmen zu müssen. Niemals mehr als in dieser Stunde empfinden alle Glieder unserer Partei, daß wir bei voller Treue zur Internatiomale, zu unserm Volke stehen, und daß wir bereit sind, für unser Nolk einzustehen und ihm alles zu opfern. (Beifall bei den Sozialdemokraten.) Im besetzten Rheinland haben sich die Arbeiter als die treuesten Hüter uyserer nationalen Gemeinschaft bewährt (Bravo! hei den Soztaldemokraten). in Not und Gefahr, ohne Furcht vor Kerker und Deporta'on sind sie eincetreten für bie Einheit des deutschen Volkes. Wie die aroßen Vorkämpfer unserer Sozialdemokratie, Marx und Engels, Bebel und Liehknecht, im Gegensatz zu Bismarcks Großpreußentum, so treten wir für ein
8 0 0
norFer;gon