1919 / 143 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 28 Jun 1919 18:00:01 GMT) scan diff

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vom g. November elne partielle geblieben ist. und die die Unzufriedenheit des Volkes damit aufstacheln, daß sich eigentlich nichts geändert habe, haben in gewissem Umfange objektiv recht. Wir wollten nicht die ganze Verwaltung plötzlich in Unordnung dringen und die ganze Rechtspflege über den Haufen weyfen, wie man es z. B, in Ungarn gemacht hat. Es wäre dadurch unsere ganze komplizierte rung des Ledebourprozesses fort. Als der Redner dem Minister Heine Staats⸗ und Wirtschaftsmaschine vollkommen unbrauchbar und ein Unwahrheiten vorwirft, erteilt ihm der Präsident Leinert einen Chaos geworden. Daher sind Verordnungen ergangen, die bestimmen, Ordnungsruf. Dann bemerkt der Redner: Wir begrüßen die Absicht 1“ 3 daß alle Beamten im Amte bleiben, alle weiter bestehen, und des Justizministers, die Berechtigung des Belagerunszustandes an noch das bisherige Preußen in Rechnung gestellt, haben abgesehe ö“ 8 he e, e venhe hüche eh 8 den Orten, in denen er besteht, zu untersuchen. Die außerordentlichen von den unmittelbaren und mittelbaren finanziellen Wirkungen Brbilschend⸗ e EIhn Fee bestwmmt⸗ daß Kriegsgerichte müssen verschwinden, die bisher ergangenen Urteile die der Friedensschluß auch auf unser Land ausüben wird. Wie sicht S

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Präsident Leinerl: Ich bitte um Ruhe, wenn das Glocken⸗ zeichen ertönt. Es ist so unmöglich, weiter zu verhandeln. Der ist fast nicht zu verstehen. Ich bitte Sie, Ihre Plätze ein⸗ zunehmen.

Abg. Dr. Rosenfeld fährt mit einer ausführlichen Schilde⸗

erteilt wurde, daß sie ihrerseits bestegt . ¹ 8 liefert würden, wenn sie versu 82 Lüeas dee . Handlung zu begehen. Obwohl der Ozean breit ist, wie s8 beh erscheinen. Es wird uns leichter fallen als bisher, uns gegen⸗ seitig zu verstehen, und mit unseren ständigen Husammenkünften 9 Zwecke des Zusammenwirkens wird sich dieser Verband zur Tat en wickeln und diese Tat unsere Gedanken und unsere Absichten 3 leuchten.“ Zum Schlusse trank Wilson auf die Wohlfahrt Fre reichs, ein immer engeres Zusammenwirken aller Völker und 2 Festigung aller Einflüsse, die den Geist und die Ziele der Menschhe erheben. 8 1 Der deutsche Gesandle von Haniel hat gestern im

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zu müssen, daß nicht daran gezweifelt werden kanmn, daß eine Anzahl türkischer Offittece und Mannschaften ihr Leben in der angegebenen Weise versoren haben. Die Sache wird von der britischen Delegation in Paris ernstlich untersucht, und ich glaube, daß die griechische Regierung die Ausschreitungen bedauert und alles tut, um eine Wiederholung zu verhüten. Die „Deily Mail“ berichtet, daß in Irland eine neue politische Beweaung eingesetzt hat. Sir Horace Plumkett hat Schritte zur Bilbung einer trischen Dominsonliga unternommen und findet dabei viel Unterstüpung. Dieser Bund

in zwei Monaten ist also eine Zunahme der schwebenden Schuld m 2 Millarden zu verzeichnen, so daß ich mit den mir bewilligten 2 redit 10 Milliarden nicht auskommen werde, sondern veranlaßt bin von Ihnen demnächst erneute Kredite von mindestens 4 Milliarde Während dieses Bild sich vor uns enthüllt, haben wir imme

Wünsche der Lchrer seien im großen und ganzen erfüllt, ähn⸗ iche Forderungen anderer Beamten würden die Staaiskasse it einer neuen Ausgabe von 179 Millionen Mark belasten.

Der Geschäftsorbnungsausschuß des Landtags beschloß gestern die Ermächtigung zur Strafverfolgung des bauernbündlerischen Abgeordneten Gandorfer zu erteilen, ver⸗ lanate aber, daß die gegen Gandorfer verhängte Schutzhast aufgehaben werde. Gandorfer ist wegen Hochverrats angeklagt usnd ist verdächtig der Aufreizung zum Klassenkampf und großer

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Die Norordnung po 5 jehn ngen in 2 llant Terllwe 8 Die YVerordnung vom nachgeprüft werden. chiehungen in Brillanten und Textilwaren

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Vor⸗

sämtliche Behörden und Beamten ihre Tätigkeit fortzusetzen e

m⸗ wandlung im Verwaltungs⸗ und Richterpersonal ist heute noch lange ü Unter den Berufs⸗ richtern ist fast keiner aus der Arbeiterklasse hervorgegangen; die Rich⸗ terschaft ist ausschließlich dem Bürgertum entnommen und widerspiegelt ß s über Klassenjustiz, die nie bedeuten sollten, daß jemand bewußt das Recht beugt, sondern

Erhaltung von Ruhe und Sicherheit beizutrvagen haben. Die

nicht so weit gediehen, wie wir gern wünschten.

ausschließlich dessen Geist. Daher die

Klagen

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daß er nach Abstammung und Lebenssphäre nicht fähig ist, sich in den Geist der Arbeiter, namentlich der kämpfenden Arbeiter, hineinzuver⸗ An diesem Zustand ist auf absehbare Zeit nichts zu ändern. Wir müssen daher fordern, daß kein Gericht ausschließlich mit Berufs⸗ richtern besetzt, kein Urteil ohne Zuziehung von Laien als Schöffen oder Geschworenen gefällt wird, wobei wir den letzteren den Vorzug zu geben durchaus geneigt sind. Der Readner begrüßt die Freisprechung Ledebours, der sich in der Vollversammlung der Berläner Arbeiter⸗ räte mit kräftigen, schönen Worten über den Versailler Frieden aus⸗ Schon im Reichstage, bemerkt er, hat Ledebour ent⸗

setzen.

gesprochen habe. S R. 1 nerkt schlossen die polnischen Ansprüche auf Westpreußen und Danzig ab

gelehnt. Die im Ledebourprozeß behauptete Theorie, als ob nun nach der Revolution ein jeder das Recht auf Revolution hätte, lehnen wir Die Revolution des 9. November war eine Jetzt haͤndelt es sich Der Staat kann das Recht nur schützen, wenn er anerkannt wird und nicht fortwährend

ganz entschieden ab.

Revolution des ganzen Volkes. (Lachen rechts.) 8 7 1 cC 4

nur um Putsche kleinerer oder größerer Gruppen.

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durch Gewaltangriffe bedroht ist. Wir leben jetzt in einem Zeitalter senberbrechen, (Zustimmung.) Bewaffnete Banden rau⸗ ben und plündern, IETöö Raub am lichten Tage sind Er⸗

unerhörter Mas

her nur nach Mexiko verlegten, und die jetzt in

scheinungen, die wir frü 3 Diese Zu⸗

Deutschland gang und gäbe geworden sind. (Sehr richtig!) stände

gegenwärtigen politischen Bewegungen. 8 ö 6 gegenwärtig von Plünderungen und Ausschreitungen schwerster Art be⸗ gleitet. Recht aber setzt Frieden voraus. Die größte Gefahr auch für

die Rechtspflege bietet eine Bewegung, die man Strolchewismus nennen

kann, die unter dem Deckmantel politischer Ziele auf nichts weiter ausgeht als auf Raub und Plünderung. (Sehr richtig!) Dem sollten alle Parteien entschieden enkgegentreten. Besonders aber diejenigen, denen am Aufstieg der Arbeiterklasse und an einer wirklichen Rechts⸗ pflege etwas liegt. Diese Bewegung bereitet der Reaktion den Weg.

Jede Diktatur ist Gewalt, Verneinung des Rechts. Wer sie predigt,

hat auch das Recht verloren, Forderungen an die Rechtspflege zu

stellen. (Lebhafter Beifall.)

Justizminister Dr. Am Zehnhoff: Dem Herrn Abgeordneten Heilmann gegenüber muß ich mein Bedauern darüber aussprechen, daß er dem Justizdienst nicht erhalten geblieben ist. Ich bin überzeugt, daß er eine Zierde geworden sein würde. Der von ihm berührte § 84 des Disziplinargesetzes bezieht sich nicht nur auf Justizbeamte, sondern überhaupt auf Referendare. Der Paragraph lautet:

Referendare, welche sich durch eine tadelhafte Führung zur Belassung im Dienste unwürdig zeigen, oder in ihrer Ausbildung nicht gehörig fortschreiten, können von dem vorgesetzten Minister nach Anhörung der Vorsteher der Provinzialbehörde ohne weiteres Verfahren aus dem Dienst entlassen werden.

Zurzeit ist also bezüglich der Justizreferendare die Rechtslage die, daß

auf Antrag des Präsidenten des Oberlandesgerichts der Justizminister

die Referendare entlassen kann. Ich gebe dem Herrn Abgeordneten Heil⸗ mann zu, daß es sich empfiehlt, hier ein anderes Verfahren einzuführen.

Wie das Rechtsverfahgen auszugestalten ist, wird zu prüfen sein in

Verbindung mit der Reform des Disziplinarverfahrens im allgemeinen.

Der Herr Abgeordnete kann überzeugt sein, daß die Anregung, die er

gegeben hat, Berücksichtigung finden wird.

Ebenso kann ich nur das Verlangen des Herrn Abgeordneten Heil⸗ mann als berechtigt anerkennen, daß die Tagegelder für die Schöffen und Geschworenen erhöht werden. Diese Tagegelder sind seinerzeit im Jahre 1913 mit Rücksicht auf den damaligen Geldeswert durch Ver⸗ ordnung des Bundesrats festgesetzt worden. Es sind schon Verhand⸗ lungen darüber im Gange, daß eine Erhöhung stattfinden soll, und es ist zu erwarten, daß das Staatenhaus, das jetzt die berufene Stelle ist, die gewünschte Erhöhung dieser Tagegelder beschließen wird.

8 Abg. Dr. Schreiber⸗Halle (Dem.): Die Revolution hat die

Organe der Rechtspflege zum Teil in eine traurige Lage gebracht. Das

Verantwortlichkeitsgefühl der Beamten wurde in Frage gestellt. Allein

es muß anerkannt werden, daß die Beamten der Justizverwaltung

ihre schwere Pflicht in vorbildlicher Weise durchgeführt haben. Die höheren Vorgesetzten müssen beachten, daß das Gefühl des Selbft⸗ bowußtseins in der Beamtenschaft seit der Revolution, die mit dem

Untertanengeist aufgeräumt hat, gestiegen ist, und sie als gleichberechtigte

Mitarbeiter anerkannt werden wollen. Wesentliche Ersparnisse würden

mit einer Vereinfachung des Beamtenrates zu erzielen sein, die nament⸗ ch an größeren Plätzen durch Zusammenlegung von Beamtenkörper⸗

schaften leicht möglich wäre. Die Schnelligkeit, mit der die Justiz⸗ werwaltung einzelnen Reformvorschlägen gefolgt ist, begrüßen wir. Ganz merkwürdig waren die Zusammenhänge, die unter der früheren Re⸗ gierung zwischen dem Sakrament der Taufe und der Verleihung des

Notariats bestanden. Die Wünsche der Anwaltskammern für die

Notariatserklärung müssen in erster Linie berücksichtigt werden.

8 Um 346 Uhr beschließt das Haus auf Vorschlag des Prä⸗ denten Leinert Vertagung. D

Der Präsident beraumt die nächste Sitzung auf Dienstag an. von f

1..“ erhält er einem Abgeordneten die Mitteilung, daß der Ministerpräsident noch eine Erklärung abgeben wolle. Der Ministerpräsident Hirsch befindet sich aber nicht im Hause. Auch der Justiz⸗ minister kann nicht angeben, wann der Ministerpräsident er⸗ scheinen wird.

Präsident Leinert: (Unruhe und Widerspruch.)

Der Präsident erteilt unter allgemeiner Unruhe dem nächsten Redner das Wort.

Abg. Dr. Rosenfeld (U. Soz.): Es wird mir schwer, über die Rechtspflege in einem Augenblick zu sprechen, in dem überall in so außerordentlichem Maße die Gewalt angewendet wird. (Andauernde große Unruhe, in der ein großer Teil der Rede untergeht.) Ver⸗ haftungen Unschuldiger finden im ganzen Reiche statt. (Lebhafte Zurufe: Weshalb sprechen Sie nicht von den Freiwilligenver ö“ in Hamburg!) Wir sind hier in Preußen! (Andauerndes Gelächter.) Der Erlaß Noskes gegen den Streik ist eine Provokation. (An⸗

haltender Widerspruch.) Es gibt eine Proskriptionsliste noch zu Verhaftender, die völlig unschuldig sind. Wir sind in ihrem Besitze. (Bewegung.) Sie beginnt mit den Namen: Haase, Rosenfeld, Hoff⸗ mann. (Große Heiterkeit. Rufe: Glauben wir Ihnen nicht. Unanständiges Agitationsmanöver!) Ein Beispiel für die mangel⸗

Dann müssen wir eben weiter tagen!

stehen im Zusammenhang mit der tiefen Demoralisation, die der Krieg hervorgerufen hat, aber auch im Zusammenhang mit den Fast jeder politische Streik ist

werden können, muß man sie wenigstens formieren: des⸗ halb halten wir unseren Antrag auf Einführung der Berufung aufrecht. Justizminister Dr. am Zehnhoff: Meine Damen und Herren, ich behalte mir vor, am nächsten Dienstag auf einige der Ausführungen des Herrn Vorredners zu antworten. Ich möchte aber doch die heutige Sitzung nicht verlassen, ohne mit aller Energie Widerspruch zu erheben gegen die bedauerlichen Angriffe, die der Herr Vorredner gegen meinen Kollegen Heine unternommen hat. Die Gerechtigkeitsliche und Ehrenhaftigkeit des Ministers Heine ist über allen Zweifel erhaben. (Widerspruch bei den Sozialdemokraten.) Ich bedauere, daß der Herr Vorredner sie hier in Zweifel gezogen hat. (Unruhe und Zurufe bei den unabhängigen Sozialdemokraten.) Die Etatsberatung wird hierauf abgebrochen. Finanzminister Dr. Südekum: Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Rosenfeld hat sich, wie mir mitgeteilt worden ist, in heftigen Worten gegen den Erlaß des Reichswehrministers über die streikenden Arbeiter und Beamten in den Eisenbahnbetrieben aus⸗ gesprochen und dabei geäußert, von Recht und Gerechtigkeit dürfe man in diesem Reiche nicht sprechen, solange so etwas gemacht werde. Ich selbst war bei seinen Ausführungen nicht amresend und konnte nicht anwesend sein, weil ich an den Verhandlungen mit den Eisenbahner⸗ organisationen teilnehmen mußte, die, wie ich Ihnen zu meiner Freude mitteilen kann, einmütig das planlose und undisziplinierte Verhalten der Arbeiter und Beamten verurteilen, sie mit klaren Worten aufge⸗ fordert haben, zu ihrer Arbeit zurückzukehren und darüber auch eine bündige Erklärung in der Presse erlassen werden. (Lebhaftes Bravo.) Mit seinen Ausführungen gegen den Erlaß des Reichswehr⸗ ministers stehen Herr Abgeordneter Rosenfeld und seine engeren Freunde in diesem Hause allein. Alle anderen Parteien sehen mit den Leitern der Organisationen und der Staatsregierung ein, daß das Schicksal unseres Vaterlandes, das in hohem Maße von der Aufrecht⸗ erhaltung des Verkehrs abhängt, nicht den zufälligen Beschlüssen mehr oder weniger erregter Versammlungen anvertraut werden kann, die zum Teil unter zweifelhafter Führung (Lebhaftes Sehr richtigl), ent⸗ gegen dem Willen ihrer eigenen Organisation und deren Leiter, in wilde Streiks einzutreten immer bereit sind. Wie die Führung der Organisationen, so richtet auch die Staats⸗ regierung von dieser Stelle aus, sicherlich im Einverständnis und unter Billigung der übergroßen Mehrheit dieses Hauses (Zustimmung), an Beamte und Arbeiter der Eisenbahnen die dringende Mahnung, ihren Dienst, der Dienst am Vaterlande ist, alsbald wieder aufzu⸗ nehmen und sich nicht, während die Verhandlungen zwischen den Organisationen und der Staatsregierung einem gedeihlichen Ende entgegengeführt werden, zu Unbesonnenheiten hinreißen und politisch mißbrauchen zu lassen. (Sehr richtig!) Die Beamten im besonderen werden dabei nicht außer acht lassen dürfen, daß sie sich durch Eintreten in den Streik oder durch Verharren in einem Streik eines schweren Vergehens schuldig machen. (Sehr richtig!) Ich weise nicht nur darauf hin, daß das Disziplinargesetz die eigenmächtige Entfernung vom Dienst unter schwere Rechtsfolgen stellt, sondern ich weise nament⸗ lich mit Nachdruck darauf hin, daß eine länger andauernde Lahm⸗ legung unserer Verkehrseinrichtungen durch einen Streik die Finanzen des Staats so sicher und so gründlich zerrütten muß, daß an eine Weiterleistung der Gehaltszahlungen, der Pensionen und der Bezüge für die Hinterbliebenen nicht mehr zu denken sein würde. (Lebhafte Rufe: Hört, hört!) In der schwersten Stunde unseres Landes das Land zu verlassen, ist nicht Sitte preußischer Beamten gewesen und darf nicht Sitte preußischer Beamten sein (Lebhafte Zustimmung), und es ist sicherlich nur eine Verirrung oder, was viel wahrscheinlicher ist, eine Irreführung (Sehr richtig), daß ein Teil von ihnen ihre Pflicht in dem Maße hat verkennen können, wie es der Fall gewesen ist. Die Regierung erkennt die schwere Notlage, in sich viele Arbeiter und namentlich viele untere und mittlere Beamte der Staats⸗ eisenbahn befinden, voll an. Sie ist auch bereit, sofern der Betrieb wieder aufgenommen worden ist und die Organisationen ihre Mit⸗ glieder wieder fest in der Hand haben, zu helfen, soweit sie zu helfen überhaupt in der Lage ist. Darüber wird Ihnen der Herr Minister der öffentlichen Arbeiten noch näheres mitteilen. Die Maßnahmen, die wir beschlossen haben und die die Befrie⸗ digung, wie ich sagen darf, auch der Organisationen der Eisenbahn arbeiter und der Eisenbahnbeamten heworgerufen haben, legen dem Preußischen Staat voraussichtlich eine finanzielle Last von mindestens 500 Millionen Mark für die nächsten drei Monate auf. (Hört, hört!) Das ist das äußerste, was wir leisten können, ja, das ist eigentlich, vom rein finanziellen Standpunkt gesehen, weit mehr, als wir leisten können. Aber die Methode, unter der wir es gewähren, wird die gute Folge haben, daß damit eine erneute Bevorzugung einer bestimmten Arbeiterschicht oder einer bestimmten Beamtenklasse vermieden wird, sondern daß die zu gewährenden Erleichterungen allen notleidenden Volkskreisen zugute kommen werden. (Lebhafter Beifall.)

Ich habe seit Monaten den Monatsabschlüssen der Eisenbahnver⸗ waltung nur mit Zagen entgegensehen können. Während wir nach Er⸗ höhung der direkten Steuern und nach Erhöhung der Eisenbahntarife glauben durften, mib einem Defizit von eltwa 800 Millionen Mark unsern Etat abschließen zu können, liegen die Dinge heute so, daß allein die Staatsbahnen in diesem Jahre, wenn die Verhältnisse sich in dem zreiten Halbjahr nicht ganz wesentlich von denen des e

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1I ersten Halb jahres unterscheiden, mit einem Fehlbetrag von mindestens 3800 bis 4300 Millionen Mark abschließen werden. diesen Umständen eine geordnete Finanzverwaltung nicht aufrecht er halten werden kann, ist selbstverständlich, da es ein Grundsatz aller staatlichen Finanzverwaltungen sein muß, daß die Betriebsverwaltungen ihre eigenen Ausgaben zum mindestens decken mrüssen (sehr richtig!) wenn sie nicht so weit gebracht werden können, daß sie zu den allge meinen Staatsausgaben durch Ueberschüsse erleichternd mithelfen können. Dieser Etatansatz zeigt, vom Stardpunkt des Schuldenmachens ge⸗ sehen, folgendes Bild: Ende April hatten wir eine schwebende Schuld

(Hört, hört!) Daß unter

hafte 8.S.b. ist vor allem guch der Prozeß Ledebour. (Lang⸗

anhaltender lärmender Widerspruch. Rufe: Leider freigesprochen!)

Wenn die im Augenblick nicht

Verhältnisse gestalten werden, ist noch ganz unübersichtlich; aben eine steht fest: wir verlieren wertvolle, reiche Gebiete unseres ndes, wir velieren den unmittelbaren Zugang zu einem erheblichen ile unserer Kohlen⸗ und Eisenschätze, wir verlieren ein großes⸗ berschußgebiet an landwirtschaftlichen Produkten; wir werden aben dafür eine große Zahl von Beamten und Arbeitern, die aus den ah zutretenden Gebieten vertrieben sind, mit allen Lasten auf unserer Etat zu übernehmen haben. (Sehr richig!) Wir haben also erheblich weniger Einnahmen zu gewärtigen und schmerzliche Steigerungen unserer Ausgaben bei einer empfindlich geschwächten Volkswirtschaft Meine verehrten Damen und Herren, daß unter solchen Umstände

die zum Teil weit über das Erwartete hinausgehenden Forderungen der Beamten und Arbeiter der Staatsbahnen nicht voll haben erfüllt werden können, wird Ihnen nicht verwunderlich, sondern vielmehrn (Sehr richtig!) Aber wenn wir in

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selbstverständlich erscheinen. einem solchen Augenblick der finanziellen Zerrüttung unsere Augen auf die Zukunft richten, auf das, was vor uns liegt, brauchen wir dennoch nicht zu verzweifeln und ich bin der letzte, der seinen Optimismus verleugnen würde —, wenn nur die eine Vorbedingung gewährleistet ist, das heißt, wenn unser Volk wieder zur Ruhe kommt und mit der Ruhe auch jene Arbeitsfreudigkeit wieder gewinnt, die uns freilich als einziger Weg des Aufstiegs bleibt. Wenn das nicht der Fall ist, dann werden die Eisenbahner, die heute so ungestüms Forderungen stellen, Forderungen, die aus ihrer Lebenslage heraus zum Teil wohl begreiflich sind, sich selbst und ihren Arbeitsklassen⸗ genossen bald nur noch den einen Dienst leisten können, nämlich daß sie demnächst Millionen von ihren Volksgenossen zu den Häfen hin⸗ müssen. (Sehr richtig!)

Hierauf nimmt der Minister der öffentlichen Arbeiten Oese r das Wort, dessen Rede wegen verspäteten Eingangs des Stenogramms in der nächsten Nummer d. Bl. im Wort laute wiedergegeben werden wird.

bg. Brandenburg (Soz.): Bei der Durchsicht der For⸗ derungen der Eisenbahner muß man die Frage aufwerfen, ob überhaupt vorher überlegt ist, welche großen Anforderungen durch sie an den Staat gestellt werden. Wie soll die Deckung geschafft werden? Das war die Hauptfrage, die sich die Regierung gestellt hat. Neue Steuern, Ersparnis an Material, an Personen, Tariferhöhungen, kamen nicht in Frage, da sie ungeheure Belastungen bedeutet oder unsozial gewirkt hätten. Unsere Volkswirtschaft wäre durch die Bewilligung der For⸗ derungen glatt erschlagen worden. Das Wort von der Hochkonjunktur in Kindersärgen wäre zu einer schrecklichen Wahrheit geworden. Wen man auch die Notlage der Eisenbahnarbeiter zugeben muß, so muß man doch auch die Wahrheit aussprechen dürfen, daß sie während der letzten Monate nicht am schlechtesten dagestanden haben; es gibt Berufe, die sich in weit drückenderer Lage befanden und die doch ihre Pflicht getan haben, weil sie wissen, daß wir ein armes Volk geworden sind und unsere Volkswirtschaft endlich in ruhigen Bahnen verlaufen muß. Der durch die Eisenbahnerforderungen bewirkte Abbau der Lebensmittel preise, der den Arbeitern ja immer die Hauptsache gewesen ist, beträgt wöchentlich für eine fünfköpfige Familie 140 ℳ. Das ist eine ganz beträchtliche Erleichterung. Die Eisenbahner sollten sich die Folgen des Eisenbahnstreiks wohl überlegen und sich die verantwortungslosen Hetzer genau ansehen. Sie müssen dann zu der Ueberzeugung kommen daß wir die schädlichen Folgen des furchtbar harten Friedensvertrages nur durch Disziplin und eiserne Pflichterfüllung überwinden können. Lebhafter Beifall.)

Abg. Dr. Frentzel (Dem.): Im Namen meiner Freunde habz ich unsere Zustimmung zu den Ausführungen der beiden Minister zumß Ausdruck zu bringen. Wer den Verhandlungen beigewohnt hat, weiß ß die Staatsregierung mit größter Sorgfalt und Gründlichkeit und mit einem außerordentlichen sittlichen Ernst an die Prüfung der Forderungen herangetreten ist. Sie sah von unnötigen Versprechungen ab, weil nicht in letzter Linie die Antragsteller am schlechtesten beim Zusammenbruch des ganzen Landes fahren würden. Möge es den Ar⸗ beitervertretern gelingen, ihre Berufsgenossen davon zu überzeugen, daß geschehen ist, was irgend geschehen konnte, mögen wir Ruhe und Frieden behalten und mögen sich die Eisenbahnarbeiter mit dem Gefühl trösten, daß ihr Kampf erhebliche Vorteile in der Nahrungsmittelversorgung für die ganze Bevölkerung gebracht hat. Wir vertrauen darauf, daß die Eisenbahner ihre glänzende Pflichterfüllung, die sie immer ausge⸗ zeichnet hat, auch in dieser schwersten Stunde betätigen werden. Abg. D. Klingemann (Deutschnat.): Ich erkläre die Zu⸗ stimmung meiner Freunde zu der Erklärung der beiden Minister und hoffe, daß die verhängnisvolle Verkehrsstockung dank der Besonnenheit und des Pflichtgefühls der Eisenbahner vermieden wird. (Beifall.) Abg. Garnich (D. Vp.) erklärt die Zustimmung der Deutschen Volkspartei zu den Ausführungen der Minister und sagt für die Ein⸗ führung der Demokratisierung in der Eisenbahnverwaltung ernsthafte Mitarbeit zu.

Abg. Paul Hoffmann (U. zu spät.

Abg. Brust (Zentr.): Im Hauptausschuß haben alle Parteien

bei der Löfung dieser Frage mitgewirkt, nur Herr Paul Hoffmann hat geschwiegen. (Lebhaftes Hört, hört!) Minister der öffentlichen Arbeiten Oeser dankt der großen Mehrheit des Hauses für ihre Zustimmung zu dem Vorgehen der Regierung und spricht auch den Organisationen der Arbeiter und Beamten seinen Dank aus.

Um 349 Uhr wird ein Schlußantrag angenommen.

Nächste Sitzung: Dienstag, 12 Uhr. (Anfragen, kleit Vorlagen, Haushaltsplan der Justizverwaltung.)

Soz.): Diese Zusicherung kommt

Richtamtliches.

8 Bayern.

Bei der Beratung des neuen Lehrergesetzes im Land⸗ tage entrollte der neue Finanzminister Speck laut Bericht des „Wolffschen Telegraphenbüros“ ein Bild der trostlosen Finanzlage Bayerns und warnie vor weiteren erhöhten Forderungen, ohne daß deren Deckung gesichert sei. Die 27 Millionen für die Lehrervorlage seien bis jetzt nicht vor⸗ handen. Bayern werde am Ende dieses Jahres eine schwebende Schuld von 800 Millionen Mark haben. Die Steuereinnahmen betrügen nur 115 Millionen Mark, daher müßten neue Einnahmen geschaffen werden, und die Steuervorlagen müßten die Voraussetzung bilden für weitere Ausgaben. Es sei kaum

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von rund 6 Milliarden, Ende Juni eins solche von rund 8 Milliarden;

möglich, alle Lasten des Volksschulgesetzes zu übernehmen. Die

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Hamburg. estern früh ist die Reichswehr, die unter dem des Generalmajors Matthias aus Lübeck sieht, in g einmarschiert. Bis 9 Uhr Morgens waren cuppen, die bedentende Verstärkungen erhalten hatten, von her bis zur Alster vorgerückt Auf der Westseite erfolgt orm von Bahrenfeld aus. Die Besetzung ging, Wolffs Telegraphenbüro“ meidet, ohre Störung in Ruhe vor sich. Der Vormavsch erfolgte, rgschaften für die Ausführung der getroffenen Abmachungen vorhmnden waren. Der Stab ist außerdem der Ansicht, daß die Abmachungen bereits vorgestern richt voll eingehalten worden sind, und verweist auf die in der Nacht vom Donnerstag bewaffnet vorgenommenen ahndungen auf Führer der Einwohnerwehr und der Bahrenfelder Freiwilligen. Ferner besteht die Taisache, daß gefangen genammene Bahrenftilder Freiwillige nicht be⸗ dingungslos freigegeben wuden, vielmehr diejenigen in Haft blieben, die sich weigerten, nicht mehr zu den Waffen zu greifen. Dies trifft namentlich auf sämtliche Chargierte zu. Es wird auch mit Recht geltend gemocht, daß e8 nicht möglich sei, die gemachte Bewaffnung rückgängig zu machen. Ebenso wurden kommunistische Verstärkungen aus Dresden, Leipzia und Bremen festgestellt die sich unter Vor⸗ legung ihrer Mitgliedsbücher bei der Volkswehr anzumelden suchten.

Gestern nachmittag wurde der Hauptbahnhof von der Reichs⸗ behr besetzt. Die dort postierten schwachen Kräste wurden von der sich ansammelnden Menschenmenge zurückgedrängt, ein Teil wurde entwaffnet. Die Führer beschlossen, um nicht mit aller Schärfe vorgehen zu müssen, vorläufig die Truppen zurück⸗ zunehmen. Der Bahnhof wurde dementsprechend wieder geräumt. Nachdem die Vertreter der Arbeiterschaft bestimmte Garantien für die Erfüllung der von den Regierungstruppen gestellten Bedingungen gegeben hatten, sind die Truppen versuchs⸗ suchsweise aus dem hamburgischen Staatsgebiet zurückgezogen worden. Bis zum Nachmittag sind allein in den Bezirken St. Pauli und Neustadt von der Volkswehr 900 Gewehre, 22 Maschinengewehre sowie große Mengen Munition und Handgranaten gefunden und abgenommen

worden. 8 Bei der Wiederherstellung gesetzmäßiger Zustände in Ham⸗ burg ist nach dem ergänzenden Befehlldes Reichswehrministers, ebenso, wie gegen die Unruhestifter und Plünderer, mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln gegen die Wucherer und Lebensmittelschieber einzuschreiten. Die der Division Lettow⸗ Vorbeck übertragene Aufgabe wird planmäͤßig durchgeführt

Auf Grund des Drahtungswechsels zwischen dem General Pellé und dem magyarischen Volksbeauftragten Bihm sind, wie das „Tschechoslowakische Pressebüro“ meldet, die Feind⸗ seligkeiten an der flowakischen Front am 24. Juni

um 5 Uhr früh eingestellt worden.

Laut Meldung des Blattes „Vörös Ujsag“ war am 19. Inni in Kalocsa eine Gegenrevolution ausgebrochen. Ehemalige Offiziere bildeten aus der Landbevölkerung der Umgebung eine Weiße Garde und entwaffneten mit deren Hilfe die dort befindliche Rote Wache. Der Arbeiterrat wurde verhaftet und der Präsident der Partelorganisatton in Kaloesa erschossen. Die waffenfähige ZBevölkerung wurde gezwungen, sich der Weißen Garde anzu⸗ schließen. Am Sonnabend traf der Volksbeauftragte Sza⸗ muely in Kun⸗Szent⸗Miklos ein, um die Aktion zur Unter⸗ drückung der Gegenrevolution zu leiten, was ihm auch nach dreitägigen Kämpfen gelang. Besonders erbittert war der Widerstand der Weißen Garde in Dunapataj, wo sie über zwei Kanonen und fünf Maschinengewehre verfügte. Erst nach fünfstündigem erbittertem Nahkampf gelang es, die Weiße Garde zu besiegen, welche 300 Tote auf dem Kampfplatz ließ. Die Ueberlebenden flüchteten nach Kalocsa, wo die Rote Armee am Dienstag ohne Kampf einzog. Die Anführer der Weißen

Garde sind üher die Demarkationslinse zu den Serben ge⸗ flüchtet.

Der italienische Oberstleutnant Romanelli, Chef der Budapester italienischen Delegation, hat an den Volks⸗ beauftragten für answärtige Angelegenheiten Bela Khun ein Schreiben gerichtet, in welchem er dem „Wolffschen Tele⸗ graphenbüro“ zufolge die Forderung ausspricht, daß das Leben der bei den letzten Ereignissen in die Hände der ungarischen Räteregierung gefallenen Geiseln und polilischen Cesangenen sowie auch derjenigen, die mit der Waffe in der Hand in Ge⸗ fangenschaft gerieten, untedingt geschont werde. Er mache den Volksbeauftragten und jedes Mitglied der Räteregierung darauf aufmerksam, daß sie alle gemeinsam und jeder für seine Person für die strikte Durchführung dieser Forderung verant⸗ wortlich seien. In seiner . Drohung mit Entrüstung zurück. Er werde gegen die „gegen⸗ revolutionären Banditen“ gemäß den ungarischen Gesetzen ver⸗ fahren und erhebe gegen jedwede unberufene Einmischung, die für das innere Leben der ungarischen Räterepubtik Gesetze vor⸗ schreiben wolle, Einspruch.

Großbritannien und Frland

In der Sitzung des Unterhauses am 24. Juni erklärte der Unterstaatssekretär im Auswärtigen Amt Harmsworth bezüglich der Liquidierung der Deutsch⸗Asiatischen Bank in Schanghai, wie die „Times“ meldet, daß die aus⸗ ländischen und chinesischen Angestellien der Bank entlassen, die Grundstücke und Gebäude der Bank verkauft und ihre Organi⸗ sation in Schanghai völlig aufgelöst worden seien.

In Beantwortung einer Anfrage über den Bericht, daß die Griechen in Smyrna angesichts der alliierten Kriegsschiffe ihre Gefangenen niedergemetzelt hätten, sagte Harms⸗ worth in der vorgestrigen Sitzung dem „Reuterschen Bure“ zufolge:

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Antwort weist Bela Khun jede

will die irische Frage auf dem Wege ven Homerule, wie die Dominions sie haben, lösen.

Die Arbeiterkonferenz in Southport hat eine Ent⸗ schließung angenommen, in der nach einer Reutermeldung die rasche Aufnahme Deutschlands in den Völkerbund und die sofortige Revision der Bestimmungen des Friedensvertrags ver⸗ langt werden, ferner wird gefordert, im Einvernehmen mirder Inter⸗ nationale eine energische Aktion zu beginnen, um die Unterstützung

der Völker für diesen Zweck zu gewinnen, außerbem wird dem so⸗

Gewerkschaftskongreß und dem Dreibund empfohlen, eine fortige industrielle Aktion zu unternehmen, um die Dienstpflicht

in Großbritannien abzuschaffen. In der Sitzung am vor⸗ gestrigen Nachmittag behandelte die Konferenz die Frage der nationalen Geldmittel und sprach sich für eine ausgiebige Ab⸗ gabe von den großen Vermögen zur Verminderung der Staals⸗ schuld, für die Begründung einer Nationalbank durch die Regie⸗ rung und für die Verstaatlichung der Produktionemittel aus. Renaudel erklärte, er hoffe, daß die englische Arbeiterpartei in einigen Jahren die Regierung werde übernehmen können. Der Friedensvertrag und der Vöskerbund entsprächen nicht den An⸗ schauungen und Bestrebungen der arbeitenden Klassen Frank⸗ reichs und Englands. Sie müßten so chgeändert werden, daß sie eine Garantie für die Dauer des Friedens bilden. Es sei die Pflicht der Sezialisten, ungeschehen zu machen, was in Ver⸗ sailles schlecht gemacht worden sei. Der Versailler Frieden sei kein Friede, und die Deutschen würden durch ihn in jeder Hinsi t den anderen Völkern gegerüber in Nachteil gesetzt. Augenblickli seien alle Länder Europas voll ven „Preußen“. Der Sekretär des fran⸗

zösischen Allgemetnen Arbeiterverbands Jouhaux sogte, der Friedens⸗ vertrag sei das Gegenteil von dem, worauf die Völker gehofft und was die Regierungen versprochen hätten. Er könne leicht zu eirem neuen Kriege führen.

Die Blälter verössentlichen eine amtliche Meldung der britischen Admiralität über die Vorgänge auf dem britischen Kriegsschiff „Revenge“ nach der Ver⸗ senkung der S Flotte. Danach hielt der englische Admiral Freemantle am Sonntag eine Rede an die auf dem Kriegeschiff aufgestellten deutschen Seeoffiziere, in der er von eirer verräterischen Handlung sprach. Der deutsche Konter⸗ admiral von Reuter erwiderte, daß er aleein verantwortlich sei. Er habe das getan, was jeder britische Seemann unter den gleichen Umständen getan haben mürde, und er würde es jederzeit wieder tun. Die deutschen Offhiere und Matrosen marschlerten sfingend und, wie die er glischen Blätter melden, „hochmütig“ inmitten der sie bedrohenden Bevölkerung in das

Frankreich.

Vorgestern fand im Elysee zu Ehren Wilsons und aller Mitglieder der alllierten und assoziierten Friedensdelegation ein Festmahl statt, bei dem der Präsident Poincaré einen Trinkspruch ausbrachte, in dem er, wie „Wolffs Tele⸗ graphenbüro“ meldet, vor allem anf die Tätigkeit Wilsons bei der Friedenskonferenz auf die Hilfeleistungen Amerikas während des Krieges und die unverbrüchliche Freundschaft zwischen Amerika und Frankreich hinwies.

Alle alliierten und assoziierten Bölker, führte Poincaré aus, hätten verstanden, daß der Fortbestand ihrer freundschaftlichen Be⸗ ziehungen für jedes von ihnen die erste Bürgschaft für ihre Freibeit und Sicherheit sei. Nach dem Vertrage mit Deutschland müsse man jetzt Verträge mit den übrigen feindlichen Ländern ausarbeiten, und auch hier müsse man ebenso geschlossen bleiben, wie man bisher war. Seien diese Verträge einmal unterzeichnet, so müßten sie auch gänzlich durchgeführt werden, und für diese Durchführung sei die unveränderte Einigkeit aller Alltierten auch weiterhin notwendig. „Die Dele⸗ gierten der siegreichen Länder“, fuhr der Präsident fort, „haben sich nicht monatelang versammelt, noch die Delegierten des besiegten Deutschlands nach Versailles berufen, um nur ein Stück Papier in den Händen zu behalten. Wie Sie, Herr Präsident, wollen wir alle, daß der Friede nicht ein leeres Wort, eine flüchtige Hoffnung, ein vor⸗ übergehendes Licht sei, sondern daß die Gesellschaft der Nationen wohltätige Wirklichkeit werde und daß alle Klauseln, welche unsere gestrigen Feinde unterzeichnen werden, loyal und ohne Hintergedan en, ohne Ausflüchte eingehalten werden.“ Auf die Versenkung der deut⸗ schen Schiffe in Scapa Flow, die Verbrennung der französischen Fahnen in Berlin und die angeblichen Vorbereitungen gegen Polen anspielend, erklärte Poincaré6, daß diese Verletzungen eines Ver⸗ trages noch bevor er unterschrieben sei, den Alliierten die Pflicht auferlegten, sorgfältig darüber zu wachen, daß verbrecherische Hände nicht plötzlich wieder Brandherde anzündeten, welche zu er⸗ sticken die Entente bemüht gewesen wäre. Ein wahrer Friede werde erst aus dem fortgesetzten Zusammenwirken der alliierten und affo⸗ ziierten Völker hervorgehen. Der Vertrag, der jetzt unterzeichnet werden sollc, bedeute nur wenig, wenn es nicht gelinge, ihn durch den Geist der Eintracht, in welchem er abgefaßt sei, ständig lebendig zu halten. Er erhebe sein Glas und trinke auf die Unsterblichkeit der französischen und amerikanischen Freundschaft, auf die unzerstörbare Einheit aller alliierten und assoziierten Nationen. 1

Der Präsident Wilson drückte in seiner Ermwiderung auf den Trinkspruch Poincarés zunächst sein Bedauern darüber aus, daß er Frankreich verlassen müsse, und sagte dann:

Sein Aufentbalt in Frankreich und die enge Fühlungnahme mit seinen Führern habe bewirkt, daß er jetzt besser als vorher die Grund⸗ sätze begreite, aus denen heraus diese große Nation handle. In den langmonatigen Konferenzarbeiten habe er geseben, daß alle Mit⸗ glieder durch eine immer tiefer werdende Sympalhie und größeres gegenseitiges Verständnis in Freundschaft verbunden worden seien. „Wir trennen uns nicht“, fuhr Wilson fort, „nach beendigtem Werk, aber wir werden ein Werk zurücklassen, dessen einer Teil beendigt, dessen anderer nur skizziert ist. Die Friedensausarbeitung baben wir beendet, aber wir haben einen Plan der Zusammenarbeit erst begonnen, der, wie ich glaube, sich in den kommenden Jahren ausbreiten und festigen wird, so daß die Hände, die wir heute

drücken, sich niemals wieder loslassen werden. Auch weiterhin werden wir Kameraden und Mitarbeiter sein an einem Werke, das allen gemeigaschaftlich ist, und uns n. gemeinschaftlicher Auf⸗ fassung von der Pflicht und den Rechten der Menschen aller Rassen und Läünder führen wird. Ist dies erfüllt, dann wird in Wahr⸗ heit ein großes Werk vollendet sein. Früher haben die Natjonen untereinander Verträge abgeschlossen, aber niemals Assoziationen

gebildet. Sie haben sich zeitweilig, aber niemals ständig assoziiert. ¹Das Uebel dieses Krieges war sehr groß, aber er hat der Welt die große moralische Notwendigleit segfige, die zwischen den Menschen notwendige Einigung zu vervollständigen, damit ein solches Uebel sich niemals wiederholen kann. Es genügt nicht, eine Nation zu besiegen, die einmal Uebles tat. Wichtig ist eben, daß alen Nationen, die sich anschickten, ihr uschzuahmen, eine Warnung

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Auftrage des Reichsministers des Auswärtigen dem sitzenden der Friedenskonferenz Clemenceau zustellen lassen. In der ersten Note erklärt die deutsche Re⸗ gierung laut Meldung des „Wolffschen Tel:graphenbüros“, si habe aus der Note vom 21. Juni entnommen, daß die alliterten und assoziierten Regierungen auch diejenigen in ihrem Memorandum vom 16. d. M. enthaltenen Zusagen als verbindlich ansehen, die nicht ausdrücklich in die Bestimmungen des Friedensvertrages aufgenommen sind. Sie Bedenken dagegen, daß zur Vermeidung von Mißverständ⸗ mssen ein Teil dieser Zusagen in einem Schlußprotokoll des in der Note vom 21. d. M. vorgeschlagenen Inhalts nieder⸗ gelegt mird.

In der zweiten Note erklärt die deutsche Regierung, daß sie gemäß Artikel 432 des Friedensvertrags sich nicht für ver⸗ pflichtet hält, das von den alltierten und assoziierten Mächten ausgearbeitete Abkommen über die Rheinlande ohne weiteres als bindend anzuerkennen. Ferner würde es nach Ansicht der deutschen Regierung im belderseitigen Interesse liegen, wenn der mitgeteilte Entwurf, dessen Bestimmungen den praktischen Bedürfnissen nicht entsprechen, zum Gegenstand besonderer Ver⸗ handlungen gemacht würde Die deutsche Regierung, welche bie Unterzeichnung des Abkommens zu verweigern nicht in der Lage ist, hält es für unter allen Umständen notwendig, daß alsbald nach Unterzeichnung Bevollmächtigte beider Vertrags⸗ varteien zusammentreten, um die Bestimmungen des Ab⸗ kommens zu ergänzen und zu berichtigen.

Der Gesandte von Haniel rreicht Fe.

gestern ferner noch folgende Note: Herr Präsident!

Im Verfolg 1 Note, betreffend die Verh ast ung eines Mitglieds 8 161““ 18 deutschen Delegation, beehre ich mich, folgendes zu bemerken:

Ir dem Echbibere das der Unterstaatssekrelär für Militärjustiz Herr Ignace unter dem 26. d. M. an Eure Erzellenz gerichtet bat, sagt dieser, daß der betreffende Journalist keinerlei diplomatische Immunität genieße. Es wird ferner darin erklärt, daß der Minister der auswärtigen Angelegenheiten diese Rechtsauffassung teile, und daß ein späteres gerichtliches Vorgehen gegen den Bez uldigten. vor behalten werde. Ferner hat der Oderstaatsanwalt dem verhafteten Herrn Scheuermann bei dessen Vernehmung erklärt, daß lediglich den sechs bevolmächtigten Delegierten und den Kurieren epterritoriale Rechte zuerkannt werden können. Außerdem siad der Delegation private Nachrichten zugegangen, veneh . hiches Ein⸗ schreiten gegen weitere Mitglieder unmittelbar bevorfteht. 3 Demgegenüber habe 85 zu erklären, daß sümtliche Personen, die sich in Begleitung der sechs bevollmächtigten Delegierten befanden und nunmehr zu meiner Begleitung gehören, Mitglieder der deutschen Friedenbdelegation sind, die sich auf ausdrückliche Einladung der alliierten und assoztierten Regierungen und nach vorberiger namenk⸗ licher Benennung jedes einzelnen Teilnehmers nach Versailles begeben hat, daß daher nach allgemein anerkanntem Völkerrecht die Exterritori⸗ alität sich auf sämtliche Teilnehmer erstreckt. Indem ich daher erneut Einspruch gegen die Verhaftung des Herrn Scheuermann erhebe, bitte ich gleichzeitig um eine alsbaldige Erklärung, daß sämtlichen hier an⸗ wesenden oder noch eintreffenden Mitgliedern der deutschen Friedens⸗ delegation die ihnen zustehenden erterritorialen Rechte, insbesondere freies Geleit, zugesichert werde.

Genebhmigen Sie, Herr Präsident, den gezeichneten Hochachtung.

Der Präsident der Friedenskonferenz Clemenceau hat im Namen der Konserenz dem Vorsitzenden der türkischen Delegation eine Antwortnote zukommen lassen, in der er daran erinnert, daß die Türkei gemäß der Denkschrift der türkischen Delegation keinen Grund zu dem Konflikt mit den Ententemächten hatte und lediglich als gefügiges Werkzeug Deutschlands in den Kriez gezogen set. Clemencecu erklärt, daß die These der türkischen Delegatien, wonach die Verantwortlichkeit für erbarmungslose

Ausdruck meiner aus⸗ von Hanlel.

die Kriegführung und die hihehh Greuel und Metzeleien den jetzigen Führern des türkischen Volkes nicht zur Last gelegt werden dürften, für die Alliierten unanehmbar sei. Auch müsse die Türkei die Folgen des verlorenen Krieges auf sich nehmen. Die völlige territoriale Wiederherstellung der Türkei sei gleich⸗ falls unmöglich, da die Türken sich stets unfähig er⸗ wiesen hätten, fremde Völker, welche sie beherrschten, friedlich weiterzuentwickeln. In allen Gebieten, die die Türkei mit den Waffen erobert habe, sei die materielle Wohlfahrt und Kultur gesunken. Auch das Argument der türkischen Delegation, wonach das islamitische türkische Reich unverändert erhalten werden müsse, weil es der Träger des religiösen Gedankens des Islams sei, könne von den Alliierten nicht angenommen werden. Die ganze Kriegsgeschichte zeige, daß dieses Argument auf nichts beruhe. Welches könne denn die religiöse Bedeulung eines Krieges sein, in dem das protestantische Deutschland und das katholische Oesterreich, das orthodoxe Bulgarien und die mohammedanische Türkei sich ver⸗ bündeten, um ihre Nachbarn auszuplündern. In dieser ganzen Angelegenheit seien die auf Befehl der türkischen Regierung erfolgten Armeniermetzeleien die einzige Gelegenhtit gewesen, bei welcher man den mohammedanischen Fanamismus als Grundlage finden könnte.

Der Rat der Vier hat Polen die Erlaubnis erteilt, die Armee Haller und alle anderen Truppen zu verwenden, um Ruhe in Ostgalizien herzustellen und Bandilen aus dem Lande zu weisen.

Der Senat hat Blättermeldungen zufolge die Vorlage über die Wahlreform in der bereits gemeldeten Fassung vorgestern endgültig mit 129 gegen 4 Stimmen bei 85 Stimm⸗ enthaltungen angenommen.

Die Kammer hat mit 383 gegen 94 Stimmen das Haushaltzwölftel für Juli angenommen.

Wie die „Humanité“ meldet, hat der Fändige Admini⸗ strativausschuß der sozialistischen Partei Frankreichs den Nationalrat der sozialistischen Partei auf den 13. und 14. Juli nach Paris einberufen, um die Haltung der Partei gegenüber dem Friedensvertrag festzulegen. Ferner beschloß der ständige Administrativausschuß, den ständigen Berner Aus⸗ schuß aufzufordern, den internationalen sozialistischen

Kongreß auf spätestens den 1. November einzuberufen.