Abg. Seger (U. Soz.): Der Reichswehrminister hat mir per⸗ nlich niederträchtigste Schandwirtschaft vorgeworfen, als wenn ich ie dort begangen hätte. Wenn er jetzt von Verhetzung redet, so tut er nichts anderes, als daß er die elenden Verleumdungen der bürger⸗ lichen Presse wiederholt. (Präs. Fehrenbach: Solche Ausdrücke sind unzulässig, ich muß sie rügen!) Wollte ich sein Verhalten richtig kennzeichnen, so müßte ich das noch ganz anders fassen. Wenn in Leipzig die Noske⸗Leute nicht eingezogen wären, dann wäre Leipzig die einzige Stadt, wo nicht, gestohlen würde. (Minutenlang an⸗ dauerndes Gelächter, Präsident Fehrenbach rührt fortgesetzt die Glocke.) Solange in Leipzig der Arbeiterrat wirkte, ist keinem bürgerlichen
Herrn oder Gegner auch nur ein Haar gekrümmt worden. Das . egenteil soll er uns erst nachweisen. Wenn Noske den Mut hat,
en Erprefferprozeß heranzuziehen, so beweist er, daß er entweder nicht unterrichtet ist oder aber — was mir richtiger erscheint, er weiß es, und jedes Mittel zur Verleumdung der unabhängigen Sozial⸗ demokratie ist ihm recht. (Lärmender Beifall b. d. U. Soz. Unruhe. — Präs. Fehrenbach: Wegen des Ausdrucks rufe ich Sie zur Ordnung.)
Preuß. Kriegsminister Reinhardt: Die Armee ist nicht gegen das Volk gerichtet, sondern ist für das Volk da. Darin sind wohl alle Deutschen mit mir einig, daß der Heldentod auf dem Schlacht⸗ felde vom Massenmord soweit entfernt ist, wie der Terror von der Freiheit. (Sehr richtig!) Wir alten Offiziere haben geglaubt und glauben heute noch, daß der Offizierberuf wie jeder Beruf im Dienste des Vaterlandes ein Beruf für das Volk ist. An dieser Auffassung werde ich festhalten. Meine mehrere Monate lange Zusammenarbeit mit der Mehrheit des Hauses, die sich auf ehrliches Streben und ehr⸗ liches Arbeiten gründet, hat in mir die Ueberzeugung nur gefestigt.
Wirr halten deshalb den Beruf nicht für verfehlt. Der Gesetzentwurf wird an die Kommission verwiesen. Es folgt die dritte Beratung des Reichssiedlungs⸗ gesetzes.
Abg. Boehme (Dem.): Wir stehen vor dem Abschluß des be⸗ deutungsvollsten Agrargesetzes, das seit hundert Jahren die Gesetz⸗ eebung beschäftigt hat⸗ Es wird, wenn es loyal durchgeführt wird,
heränderungen in der Grundbesitzverteilung herbeiführen, die auf Jahrhunderte hinaus das deutsche Wirtschaftsleben beeinflussen werden. Vorbedingung ist allerdings, daß die Landsiedlungsgesellschaften das Gesetz loyal durchführen, und daß ein etwaiger Widerstand der Land⸗ lieferungsverbände gebrochen wird. Bei der Durchführung sollten die Kriegsteilnehmer berücksichtigt und zur Hergabe von Land die Kriegs⸗ gewinnler herangezogen werden. Sollte in gewissen Kreisen ein Widerstand gegen das Gesetz vorhanden oder beabsichtigt sein, so mag man sich gesagt sein lassen, daß dieser Widerstand unter allen Um⸗ ständen gebrochen werden würde. ““
Abg. Hampe (D. Nat.): Durch die von der Kommission be⸗ schlossenen Aenderungen bezw. durch Wiederherstellung der ursprüng⸗ lichen Fassung werden die Staatsdomänen vor dem Privatgrundbesitz in unerhörter Weise bevorzugt. Wir werden zwar dem Gesetz im ganzen zustimmen, aber diese Aenderungen lehnen wir ab. Von der braun⸗ schweigischen Regierung ist gestern erst ein Telegramm eingegangen, daß, wenn diese Aenderungen Gesetz werden würden, für Braunschweig jede Möglichkeit einer Siedlungstätigkeit ausgeschlossen sei.
Abg. Löbe (Soz.): Nicht der Staat allein soll bei der Hergabe von Land der Leidtragende sein, sondern der Großgrundbesitz selbst soll dazu herangezogen werden, deshalb sind die von der Kommission ge⸗ troffenen Aenderungen durchaus berechtigt. Der Einspruch der braun⸗ schweigischen Regierung gründet sich offenbar nur darauf, weil es in Braunschweig an Großgrundbesitz fehlt. Aber nichts hindert ja die braunschweigische Regierung, ihren Domänenbesitz für Siedlungszwecke zur Verfügung zu stellen.
Damit schließt die allgemeine Besprechung.
In zweiter Beratung wird das Gesetz mit den Be⸗ schlüssen der Kommission angenommen, ebenso eine Kesolution, welche Maßnahmen zum Schutze der Kleinpächter gegenüber Grundbesitzern verlangt, die, weil⸗ sie Land hergeben müssen, die Pachtverträge aufheben könnten. Nachdem Arbeiteminister Schlicke erklärt hat, daß die Regie⸗ rung eine Verordnung im Sinne dieser Resolution erlassen werde.
Es folgt die zweite Beratung des Entwurfeseiner Kleingarten⸗ und Kleinpachtlandordnung.
- Der Berichterstatter des Hentsgek ne606 Stel⸗ king (Soz.) empfiehlt die Vorlage in der 2 usschuffassung. Das Gesetz richte einen Schutzwall gegen die wucherische Ausbeutung der Kleingartenbesitzer auf und schaffe Organisationen, die die Interessen der Kleingartenbesitzer wahrnehmen würden.
Abg. Dr. Neumann⸗Hofer erklärt die Zustimmung seiner Freunde zu dem Gesetz. 8 ““
Abg. Hampe (D. Nat.): Um dem Gesetze keine Schwierig⸗ keiten zu machen, würden seine Freunde trotz Bedenken dafür stimmen.
Der Gesetzentwurf wird darauf in zweiter und sofort auch in dritter Lesung angenommen. Die noch auf der Tagesordnung stehende Interpellation der Deutschnationalen und der Deutschen Volkspartei über Beamtenfragen wird nach einer Geschäftsordnungsdebatte ab⸗ gesetzt.
Schluß gegen 1 ½ Uhr. Nächste Sitzung Montag 3 Uhr. Verfassungsentwurf.
62. Sitzung vom 21
— 4.
Juli 1919. (Bericht von „Wolffs Telegraphenbüro“.)
Präsident Fehrenbach eröffnet die Sitzung um 3,20 Uhr. Eingegangen ist ein Gesetzentwurf zur Abänderung des Gesetzes über die Regelung der Kohlenwirt⸗ schaft vom 23. März 1919. Die zweite Beratung des Ver fassungsentwurfs wird bei dem fünften Abschnitt der
zrundrechte und das Wirtschaftsleben Artikel 148—162 fort⸗ esetzt.
Abg. Sinzheimer erstattet den Bericht über diesen Ab⸗ schnitt. Dieser Teil der Verfassung behandelt das Wirtschaftsleben. Einen seiner Hauptgrundsätze bildet die rechtliche Anerkennung des Eigentums. Von größter Bedeutung ist die in dem Abschnitt ent⸗
haltene Regelung des Arbeitsrechts, für dessen Gesamtgebiet die Ver⸗ einheitlichung angestvebt wird. Endlich bringt dieser Teil der Grund⸗ rechte die Regelung der Rätefrage; dabei wird von dem Gedanken ausgegangen, daß die wirtschaftlichen Kräfte nicht frei und ungebunden wirken dürfen, sondern organisatorisch festgelegt werden müssen, nach denen sich die Entwicklung der Wirtschaftskräfte abspielen soll.
Artikel 148 gewährleistet im wesentlichen die wirtschaft⸗ liche Freiheit des Einzelnen und die Handels⸗ und Gewerbe⸗ freiheit.
5 1 Unabhängigen Sozialdemokraten Frau Agnes und Genossen beantragen, die Artikel 148 und folgende, die sich auf die Wirtschaftsordnung beziehen, zu streichen und dafür die Umbildung der kapitalistischen Wirt⸗ schaftsordnung in die sozialistische auszusprechen und bis zur Verwirklichung des Sozialismus dem Reiche die Fürsorge zum
Schutze der Gesundheit und Arbeitsfähigkeit und gegen die
wirtschaftlichen Folgen von Alter, Schwäche und Wechselfällen des Lebens zu übertragen.
Abg. Henke (U. Soz.): Diese Verfassung soll so demokratisch sein wie keine andere auf dem Erdball. Von einem Siege der Re⸗ volution und der proletarischen Weltanschauung aber findet man darin kiss Srur. (Sebhr wahr bei den Unabhängigen Sozialdemokraten.)
Festsetung der Höhe der Enteignungssumme den Rechtsweg offen
Die Verfassung wird kein langes Leben haben, an ihre Stelle tritt der Sieg des Sozialisnfus und die Diktatur des Proletariats. Artikel 148 wird in der Fassung des Ausschusses an⸗ genommen. G Artikel 150 gewährleistet das Eigentum. Enteignet kann nur zum Wohl der Allgemeinheit und auf gesetzlicher Grundlage gegen angemessene Entschädigung werden. Der Gebrauch des Eigentums soll zugleich Dienst für das Gemein⸗
beste sein. Dazu liegt ein Antrag Heinze (D. Vpt.) vor, bei
zu halten, und ein Antrag Beyerle, daß Enteignungen gegen⸗ über Ländern, Gemeinden und Verbänden nur gegen Ent⸗ schädigung vorgenommen werden können. 88 Abg. Dr. Heinze (D. Volksp.): Die Art, wie Entschädigungen festgesetzt werden, beweist, wie diese Dinge dauernd mit Rechtsfragen verquickt sind. Letzten Endes muß die Entscheidung doch die Gerichts⸗ behörde treffen. Das Zivilrecht wird durch diese Fragen stark in Anspruch genommen. Die Anregung, daß auch Länder entschädigt werden sollen, nehmen wir an. 11““ Reichskommissar Dr. Preuß: Dagegen, daß in Fällen der Enteignung der Rechtsschutz der Gerichte eintritt, ist im Grunde ge⸗ nommen nichts einzuwenden. Dagegen erscheint es bedenklich, ange⸗ sichts der Folgen, die der Friedensvertrag haben kann, eine Bestim⸗ mung aufzunehmen, die geeignet ist, der künftigen Gesetzgebung einen Riegel vorzuschieben. Die Möglichkeit muß offen gehalten sein, die Enteignungsfrage durch ce 2 regeln. Derselbe Einwand zilt auch gegenüber dem Antrag Beverle. Aüc ge cht (Zentr.): Der Antrag Beyerle will, daß hbei Ent⸗ eignungen gegen Länder, Gemeinden und gemeinnützige Verbände in jedem Falle Entschädigung erfolgen soll. Enteignungen geschehen im Interesse der Allgemeinheit, Länder, Gemeinden und gemein⸗ nützige Verbände sind aber bereits ein quantitatiw geringer Teil der Allgemeinheit oder stehen in ihrem Dienste. b Württembergischer Ministerialdirektor Nüßlein empfiehlt im Namen sämtlicher einzelstaatlicher Regierungen die Annahme des Antrags Beyerle. Er verlangt nichts Unbilliges, sondern schützt die an sich . F sec Wir ebiegeigtiche 88 befindlichen Länder vor neuer Schwächung ihrer finanziellen Kraft.
Damit schliett die Besprechung. Der Artikel 150 wird unter Ablehnung des Antrags Heinze und Annahme des An⸗ trags Beyerle angenommen. .
Artikel 151 (Gewährleistung des Erbrechtes) wird angenommen.
Präsident Fehrenbach bittet mit Rücksicht darauf, daß die bisherigen Verhandlungen über Artikel, die eigentlich kaum Gegen⸗ stand eines ernsten Streites gewesen seien, schon zwei Stunden in Anspruch genommen hätten, sich größter Kürze zu befleißigen.
Nach Artikel 152 soll die Verteilung und Nutzung des Bodens jedem Deutschen, besonders kinderreichen Familien, Wohn⸗ und Wirtschaftsheimstätten sichern, unter besonderer Be⸗ rücksichtigung der Kriegsteilnehmer. Grundbesitz kann zur Be⸗ friedigung des Wohnungsbedürfnisses, zur Förderung der Siedlung und Urbarmachung oder zur Hebung der Landwirt⸗ schaft enteignet werden. Die Fideikommisse sind aufzulösen. Die Bodenbearbeitung ist Pflicht des Grundbesitzers. Die Wert⸗ steigerung des Bodens, die ohne eine Arbeits⸗ oder Kapitalauf⸗ wendung auf das Grundstück entsteht, ist der Gesamtheit zuzu⸗ führen. Alle Bodenschätze und Naturkräfte stehen unter Auf⸗ sicht des Staates. .
Ein Antrag der Deutschnationalen Arnsta dt und Genossen will die Auflösung des Fideikommisses streichen und die Wertsteigerung des Bodens ohne Arbeit und Kapital⸗ aufwendung „durch Besteuerung für die Gesamtheit nutzbar machen“.
Ein Antrag der Demokraten Hartmann und Genossen will statt „der Gesamtheit zuzuführen“ sagen: „für die Gesamtheit nutzbar zu machen.“ ““
Abg. Waldstein (Dem.) beantragt, statt „Naturkräfte zu sagen: „wirtschaftlich nutzbare Naturkräfte.“ 8
Die Sozialdemokraten Auer und Genossen be⸗ antragen Alle Bodenschätze und Naturkräfte sind in Gemeineigentum über⸗
zuführen, pkivate Regale und Mutungsrechte sind aufgehoben.
Abg. Osteroth (Soz.) begründet den Antrag Auer. Unser Antrag will lediglich den Rechtszustand wieder herstellen, der vor Ein⸗ führung der Bergfreiheit bestand; er will vor allen Dingen es auch den ausländischen Kapitalisten unmöglich machen, deutsche Naturschätze auszubeuten. Die Aufhebung der Mutungsrechte und Regale ist eine Forderung der Gerechtigkeit und Billigkeit. Nachdem wir die regie⸗ renden Fürsten entthront und ihre Zivillisten gestrichen haben, geht es nicht an, nichtregierenden Fürsten und Magnaten Rechte zu lassen, aus denen ihnen Millionen auf Kosten der Allgemeinheit zufließen.
Abg. Hampe (D. Nat.) wendet sich gegen die Auflösung der Fideikommisse. Die Bindung des Grundbesitzes, die sich nicht bloß auf den Großgrundbesitz beschränkt, sondern in Form des Höferechts auch auf kleineren Grundbesitz übergreift, verkörpert einen außerordent⸗ lich gesunden, urgermaniscken Rechtsgedanken. Eine Reform des Fideikommißrechts mag angezeigt erscheinen, die glatte Aufhebung des gebundenen Grundbesitzes würde mehr Nachteile als Vorteile im Ge⸗ folge haben. (Beifall echts.) 3 3
Abg. Bruckhoff (Dem.) empfiehlt den demokratischen Antrag. Es empfiehlt sich, die Nutzbarmachung der Wertsteigerung nicht nur in Form der Besteuerung, sondern, wie unser Antrag will, auch in anderer Form zu ermöglichen.
Abg. Dr. Billig (D. Nat.) bezeichnet die Rede des Abg. Henke als „russischen Salat mit Erfurter Aromatique“. (Heiterkeit.) Es war ein Durcheinander von Gedanken aus der russischen Revolution und aus dem Erfurter Programm. (Sehr gut! rechts und Gelächter bei den U. Soz.) Dem Gedanken der sogenannten Bodenreform steht meine Fraktion wohlwollend gegenüber, aber geteilter Meinung ist sie, wie weit die Bodenreform gehen soll. Die Fassung der Vorlage halten wir für bedenklich, weil sie selbst konfiskatorische Eingriffe zulast würde. Aus denselben Gründen lehnen wir selbstverständlich den sozialdemokratischen Antrag ab.
Abg. Dr. Becker⸗Essen (D. Vp.): Nicht nur Grundstück⸗ unterliegen der fideikommissarischen Bindung, sondern beisvielsweise auch Kunstsammluncen, und bei grundsätzlicher Aufhebung jeder Bindung würde die Gefahr bestehen, daß zahlreiche Kunstwerke ins Ausland abwandern. —
Abg. Dr. Raschig (Dem.): Nachdem wir eben erst die Gewör leistung des Eigentums beschlossen haben, ist es nicht möglich, die Bodenschätze ohrne weiteres zu beschlagnahmen oder in Gemeineigentum zu überführen. Auch praktisch ist es undurchführbar, und in verstärktem Maße ailt beides von den Naturkräften.
Reichskommissar Dr. Preuß: Der beimstättenoesetzes ist im Reichsjustizministerium fertig und den Stagtsministerien mit der Bitte um möglichste Beschleunigung der Rückäußerung übergeben worden. Sobald diese erfolgt, werden die weiteren Vorarbeiten sofort aufgenommen werden.
Abg. Henke (U. Soz.): Wenn die Regierungssozialisten sagen, sie bauen auf, so tun sie es nur, indem sie ihre Grundsätze preisgeben.
Abg. Katzenstein (Soz.): Wir legen die Fideikommisse als Bestrebungen konservativer, ja reaktionärer Art ab. Regalien und Mutungen in den Händen Privater sind nichts als vom Staate ver⸗ schenkte Hobeitsrechte. Die mit grammoyhonmäßiger Regelmäßigkeit
Enfwurf eines Kriecer⸗
ihnen zugeschriebene Aufgabe nicht mehr. will, den Tücht für alle Fälle sicher.
nicht eine so rindslederne Hirnrinde habe wie der Abg. ich doch noch mit 15 000 Mark im voraus lqiiudiert.
neten nicht sagen, daß er eine rindslederne Hirnrinde Heiterkeit.)
Die Fideikommisse erfüllen die Anstatt, wie die Demokratie den Untüchtigen
Abg. Dr. Waldstein (Dem.):
Tüchtigen freie Bahn zu schaffen, stellen sie
Wenn ich auch Henke, so habe (Heiterkeit!)
dürfen von einem Abgeord⸗
hat. (Großs
In der Abstimmung wird Artikel 152 unter Ab⸗ lehnung aller übrigen Anträge nur mit der Aenderung ange⸗ nommen, daß bei Wertsteigerungen der Boden für die Ge⸗ samtheit nutzbar zu machen, nicht der Gesamtheit zuzuführen ist, und daß statt „Naturkräfte“ gesagt wird: „wirtschaftli nutz⸗ bare Naturkräfte“. Nur über die Aufhebung der Mutungs⸗ rechte wird morgen namentlich abgestimmt werden. 1 Artikel 153 (VPergesellschaftung) wird in der Aus⸗ schußfassung nebst einem Zusatzantrag der Sozialdemokraten angenommen: Die Erwerbs⸗ und Wirtschaftsgenossenschaften und deren Vereinigungen sind Träger der Gemeinwirtschaft. Die Artikel 154 (Schutz der Arbeitskraft und einheit⸗ liches Arbeitsrecht), 155 (Schutz der geistigen Arbeit), 156 (Ver⸗ einigungsfreiheit zur Wahrung und Förderung⸗ der Arbeits⸗ und Wirtschaftsbedingungen), 157 (Sicherung der freien Zeit zur Wahrnehmung staatsbürgerlicher Rechte), 158 (Arbeiterper⸗ sicherungswesen), 159 (zwischenstaatliche Regelung der Rechh⸗ verhältnisse der Arbeiter) und 160 (Arbeitspflicht und Ar⸗ beitsrecht) werden ohne Erörterungen in der Ausschußfassung angenommen. .“ , Artikel 161 (Schutz des Mittelstandes gegen Aus⸗ beutung und Aussaugung) wird mit dem Austausch des Wortes „Ausbeutung“ gegen „Ueberlistung“ in der Ausschuß⸗ fassung angenommen. 6 “ Artikel 162 (Räteartikel) bestimmt im wesentlichen: Arbeiter und Angestellte wirken mit den Arbeitgebern an den Lohn⸗ und Arbeitsbedingungen und der gesamten wirtschaft⸗ lichen Entwicklung der produktiven Kräfte mit. Die Organi⸗ sationen und ihre Vereinbarungen werden anerkannt. Arbeiter und Angestellte erhalten gesetzliche Vertretungen in Betriebs⸗ Arbeiterräten, Bezirksarbeiterräten und einem Reichsarbeiter⸗ rat. Die Bezirksarbeiterräte und der Reichsarbeiterrat bilden mit den Vertretungen der Unternehmer und sonst ve⸗ teiligter Volkskreise Bezirkswirtschaftsräte und einen Reichs⸗ wirtschaftsrat, in denen die wichtigsten Berufsgruppen ver⸗ treten sind, grundlegende sozialpolitische und wirtschaftspoli⸗ tische Gesetzentwürfe sind dem Reichswirtschaftsrat zur Begut⸗ achtung vorzulegen. Dieser kann solche Gesetze selbst beim Reichstag beantragen. Seine Vertreter können an den Reichs⸗ tagsverhandlungen darüber teilnehmen.
Die Abgg. Haußmann (Dem.) und Genossen beantragen, daß die Reichsregierung, auch wenn sie den vom Reichswirtschaftsrat beantragten Gesetzesvorlagen nicht zu⸗ stimmt, diese trotzdem unter Darlegung ihres Standpunktes beim Reichstag einzubringen haben. 8
Ein Antrag Schneider (Sachsen) Ha ußm ann (Dem.) will nben den Betriebsarbeiterräten ausdrücklich auch die Angestelltenräte aufgeführt sehen. 1 Abg. Delius (Dem.) beantragt, daß nicht „die wichtigsten Berufsgruppen“, sondern „alle wichtigen Berufs⸗ gruppen“ in den Wirtschaftsräten vertreten sein sollen.
Die Abgg. Arnstadt (deutschnat.) und Geno ssen beantragen, an Stelle des Entwurfs die Errichtung eines nach allen Berufsständen gegliederten Reichswirtschaftsrates als öffentlich⸗rechtlicher Vertretung des gesamten, Wirtschafts⸗ lebens; er hat grundlegende sozialpolitische und wirtschaftliche
(Soz.):
Zersönlich bemerkt Abg. Osteroth.
Vizepräsident Haußmann: Sie
Reichstag beantragen. 1. In einem Artikel 162 sehen die Antragsteller die Mitwirkung der Arbeiter und Angestellten mit den Unter⸗ nehmern an den Lohn⸗ und Arbeitsbedingungen und an der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung der Produktionskräfte vor. Organisationen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer wer⸗ den anerkannt. Arbeiter und Angestellte erhalten in den Be⸗ trieben Vertretungen (Arbeiterausschüsse, Angestelltenaus⸗ schüsse, Betriebsarbeitnehmerräte) durch ein besonderes Reichs⸗ gesetz. In den öffentlich⸗rechtlichen Wirtschaftskörperscha ten erhalten die Arbeiter und Angestellten eine gesetzliche Ver⸗ tretung. ; Unabhängige Frau Agnes und Genossen be⸗ antragen die Wahl von Betriebsräten durch die Arbeiter und Angestellten, die an der Leitung der Betriebe entscheidend mit⸗ wirken und die Sozialisierung fördern sollen. Die Arbeiter⸗ rüte sollen die Verwaltung in Reich, Staat und Gemeinde be⸗ aufsichtigen und haben das Recht des entscheidenden Einspruchs gegen gesetzliche Maßnahmen. 1 Abg. Dr. von Delbrück (D. Nat.): Der Rätegedanke, dem wir eine weittragende Bedeutung zusprechen, wird den Gärungs⸗ prozeß in unserer Verfassung noch längere Zeit aufrechterhalten. ist der einzige neue politische Gedanke, den die Revolution bis jetzt zutage gefördert hat, aber er ist nicht bei uns geboren, sondern er ist ein Kind der russischen Revolution. Er war dort gedacht als ein Mittel zur Durchführung der Revolution und er hat in seiner Wir⸗ kung zu einer Vernichtung der Intelligenz und des Kapitals geführt. In der Form der Arbeiter⸗ und Soldatenräte, wie er bei uns sich ausgestaltet hat, fand er bald in den weitesten Kreisen eine lebhafte Gegnerschaft, auch bei der Regierung, und erst einem starken, Drucke von links folgend, hat sich die Regierung zur „Verankerung“ des Gcdankens in der Verfassung entschlossen. Der Artikel 162 enthält eine Reihe von Bestimmungen, die für uns unannehmbar sind, trotzdem liegt in dem Gedanken eine Tendenz, die auch bei uns Anklang gefunden hat, wenn sich die Ent⸗ wicklung namentlich als Gegengewicht gegen eine Ueberspan⸗
berufsständischen Kammer bewegt, in der die Vertreter des gesamten schaffenden Volkes vertreten sind. Diese Entwicklung wird, mit oder ohne unser Zutun, eintreten. Mit der Schaffung eines Reichswirtschaftsrats führen wir ein drittes Parlament zin unsere Ver⸗ fassung ein; dieses Parlament wird aber das natürliche Bestrehen haben müssen, seine Zuständigkeit zu erweitern, und das bedeutet den Beginn eines Kampfes zwischen Reichstag und Reichsrat auf der einen und dem Reichswirtschaftsrat auf der anderen Seite, wobei unserer Ueber⸗ zeugung nach eines schönen Tages der Reichswirtschaftsrat als Erbe an die Stelle des Reichsrats treten wird. (Hört, hört! kinks.) Auf der anderen Seite sind wir gern bereit, den Wünschen der Arbeiter und Angestellten in Fragen des Arbeiter⸗ und Angestelltenréchts Rechnung zu tragen. Zu dem Zwecke sehen wir in einem Artikel 162a die Schaffung eines besonderen Arbeitnehmerrates vor. Dringend war⸗ nen müssen wir vor jedem Versuch, die Beamten in all diesen Fragemn den Angestellten gleichzustellen. (Beifall rechts.)
Abg. Erkelenz (Dem.): Wir stehen dem Rätzsystem grund⸗ sätzlich sympathisch gegenüber, wenn wir die Art und Weise auch be⸗ dauern, wie es in die Verfassung hineingekommen ist, nämlich unten dem Druck der Straße. Wir lehnen es aber ab, diesen Räten irgende
erhobenen Vorwürfe der Unabhäugigen lassen uns kalt.
wis gegr litische Rechte Und wir lehnen es ebenit
Gesetzentwürse zu begutachten und kann solche selbst beim
deren Lösung die Angestellten unter sich sein müssen.
nung des Parlamentarismus in der Richtung der Schaffung einer
seben zu, daß die Sozialisierung gegenwärtig undurchführbar ist.
ab, sie allgemein als Kontrollorgane einzusetzen. Wir k als Kontrollorgane der Demokratie nicht anerkennen. Wir sind da⸗ gegen für die Arbeiterräte als Organe der sozialen Selbstbestimmung. Die Arbeiter sollen eine Mitverantwortung in den Betrieben erhalten. Bisher hatten wir nur eine bürokratische Sozialgesetzgebung. Sie muß in die Selbstverwaltung der Unternehmer und Arbeiter gelegt werden. Es mag bedenklich erscheinen, in dieser Zeit der Streiks den Arbeitern neue Rechte zu geben, aber der deutsche Arbeiter ist sonst der zahmste und willigste Arbeiter der Welt. Und der größte Teil der Arbeiter ist auch jetzt noch nicht von dieser Krankheit angesteckt. Wer werden wieder zu einer Gesundung und zu einem gesunden Verhältnis zwischen Unternehmern und Arbeitern kommen. Grundsätzlich wollen wir uns also an dem Ausbau des Rätegedankens beteiligen. Den Reichswirtschaftsrat als besonderes Parlament neben dem Reichstag wünschen wir nicht, aber wir wollen ihm das Recht geben, Gesetze einzubringen, auch wenn die Reichsregierung diesen nicht zustimmt. In desem Falle muß der Wirtschaftsrat seine Vorlagen selbst vor dem Reichstag vertreten können. (Beifall bei den Demokraten.)
Abg. Koenen (U. Soz.): So, wie die Regierung den Räte⸗ gedanken in den Generalstreiktagen des März versprochen hatte, hat sie ihn nicht ausgeführt. Diese Vorlage wird keine Beruhigun schaffen. Die Arbeiter wollen ein schpeleres Tempo sehen. Dure den Krieg sind auch die Eisenbahnarbeiter aufgerüttelt worden. (Ruf rechts: durch Hetze.) Wenn eine Hetze gewesen wäre, hätte sie nicht wirksam sein können, wenn sie den Boden der Unzufriedenheit nicht vorbereitet gefunden hätte. Beklagen Sie si bei sich selbst, nicht bei uns. Auch die Landarbeiter verlangen jetzt Befriedigung. Die jungen Leute, die als politisch indifferent in den Krieg gingen, sind durch den Feäie zu Trägern des revolutionären Gedankens geworden, und gegen die e kommt auch die alte Sogzialdemokratie nicht auf. (Lachen bei den Sozialdemokraten.) Die Rechtssozialisten vertreten nicht mehr die Rechte des Proletariats. Durch das Rätesystem wird nur der Anfang mit der Gleichberechtigung der Arbeiter gemacht. Wir wollen nicht Arbeitskammern, sondern Arbeiterkammern. (Vize⸗ präsident Haußmann macht den Redner darauf aufmerksam, daß seine Redezeit abgelaufen sei.) Unser Antrag begnügt sich vorläufig mit der Kontrolle, die Arbeiterräte sollen aber schließlich in alle Ver⸗ FEitsscis eindringen. (Beifall bei den Unabhängigen Sozialdemo⸗
aten. — Reichsarbeitsminister Schlicke: Gewiß wäre es zweckmäßiger gewesen, wenn die Vorlage uns früher beschäftigt hätte. Aber die Partei der Unabhängigen hat zu der Verspätung wesentlich beige⸗ tragen. (Lärmender Widerspruch bei den Unabhängigen Sozialdemo⸗ kraten.) Die Vorlage geht auch ganz wesentlich über das hinaus, was die Regiexung versprochen hatte. Allerdings hat sie niemals ver⸗ Frochen, daß sie politische Arbeiterräte schaffen will. (Sehr richtig!) Das Rätesystem arbeitet nicht überall vollkommen, wie man aus nächster Nähe aus ihrer Herrschaft etwa in München sehen konnte. (Erregter Widerspruch bei den Unabhängigen Sozialdemokraten.) (Rufe: Lächerlich! es waren ja die Mehrheitssozialisten!) Sie haben sich nicht vollkommen vom Kapitalismus losgesagt, es gibt überhaupt nicht eine einzige Partei im Hause, die nicht Kapitalisten unter sich hätte und Kapitalisten ablehne. Wesenlich ist, daß die Arbeiter sic nicht von den Kapitalisten übertölpeln lassen. Danach sollen aber die Unabhängigen in ihrer eigenen Partei nachfragen. Abgeordneter Ehrhardt (Zentr.): Etwas Berechtigtes liegt in dem Rätesystem. Aber die damit verbundene Agitation kann bedenk⸗ lich stimmen. Man tut so, als ob mit der Einsetzung von Räten alles Uebel beseitigt und der Tisch gedeckt sei. Der Sozialismus hat ein halbes Jahrhundert von sich reden gemacht, aber als er zur Regierung kam, machte die praktische Arbeit ihm sehr viel Schwierigkeiten. Auf dieselben Schwierigkeiten würden auch die Räte stoßen. Wenn wir von diesen Leuten regiert werden, dann allerdings würden uns allen die Haare zu Berge stehen. (Heiterkeit.) Die große Mehrzahl der Arbeiter will auch von ihnen nichts wissen, sie sind aber nur eine Minderheit. Kommt die Diktatur, dann wenigstens mit einem Diktator, der einen Kopf hat und eine Persönlichkeit ist, etwas bedeutet und den Willen hat, etwas zu tun, aber das Unmöglichste bleibt die Diktatur eines verschwommenen, unklaren Kopfes. (Zurufe: Haase! Heiterkeit.) Nun wollen Sis alles kontrollieren. Wir wissen doch, auch die Räte sind gegen blaue Lappen nicht unempfindlich. (Hört, hört!) Vielfach ist die Arbeit mechanisiert gewesen, und der Arbeiter fühlte sich nur als Objekt der wirtschaftlichen Entwicklung. Jetzt ist es an der Zeit, die Persönlichkeit des Arbeiters zur Geltung kommen zu lassen, dafür zu sorgen, daß er als Mensch behandelt wird. Damit werden wir die Arbeitsfreudigkeit beleben. Dem Antrage der Demokraten stimmen wir zu. Hoffentlich kommt bald die Zeit, wo wir uns bei innerem Frieden zu gemeinsamer Arbeit zusammenfinden. (Lebhafter Beifall im Zentrum.) .. — Abg. Schneider⸗Sachsen (Dem.) begründet seinen Antrag. Die Angestellten dürfen nicht nach denselben Gesichtspunkten behandelt werden wie die Arbeiter. Nicht etwa weil sie glauben, daß sie mehr feien als die Arheiter, sondern weil es zahlreiche Fragen gibt, bei ng die ten unt 1 Es muß dafür gesorgt werden, daß auch die geistigen Leistungen der Angestellten Be⸗ achtung finden. Die Unabhängigen wollen, daß erst einmal alles proletarisiert wirnd. (Zuruf des Abg. Koenen: Hat der Krieg schon getan.) Auf diesem Wege gehen die Angestellten nicht mit, die bleiben auf dem Boden der demokratischen Republik. (Beifall.) Abd. Dr. Hugo (D. Vp.): Der Ausbau des Arbiterrchts und damit die Ueberwindung des Klassengegensatzes zwischen Unternehmern und Arbeitern ist eine Voraussetzung für den Wiederaufbäau unserer Wirtschaft. Und dabei fällt in die Reihe der zu dem Zweck zu schaf⸗ fenden Organisationen dem Wittschaftsrat eine außerordentlich wich⸗ tige Rolle zu. Desbalb wünschen wir, daß ihm die Möglichkeit gegeben wird, jederzeit im Reichstag seine Sachkunde zur Geltung zu bringen. Die Bezirksräte sollen nach unserer Auffassung nicht aus den Betriebs⸗ räten heraus, sondern durch allgemeine Wahlen regional gebildet wer⸗ den. Auf seiten der Arbeiterschaft wird man sich vor allen Dingen zu der Erkenntnis durchdringen müssen, daß die Arbeit des Kopf⸗ arbeiters für den Betrieb mindestens ebenso wichtig ist wie die des Handarbeiters. Rieichsarbeitsminister Schlicke: Die Arbeiterausschüsse in den Betrieben werden aufgehoben werden. In einem Betrieb zwei Körper⸗ schaften mit denselben Aufgaben zu betrauen, erschien nicht angängig. Wie die Arbeitgeber vertreten sein sollen, darüber kann ich mich heule noch nicht äußern. Es kommt darauf an, die beiden Kreise, die ver⸗ sciedene Interessen zu haben glauben. zur Zusammenarbeit zu bringen. Dos würde nur Linem gemeinschaftlichen Rate gelingen. Damit ist die Möglichkeit, daß jeder Teil für sich berät, nicht ausgeschaltet. Sie würden, etwa wie die Fraktionen des Hauses, vorher gesondert Stellung nehmen können. Die Trennung wollen wir nicht durch die Verfassung oder das Gesetz porschreiben, sondern sie den Bedürfnissen entsprechend den Parteien überlassen. Eine Majorisierung dürfte ausgeschlossen sein. Das Wesentlichste ist, daß die beiden Gruppen sich verstehen kernen. Differenzen braucht es nur auf sozialem Gebiet zu geben, und hier sind Majorzsierungen ausgeschloss en. sich Abg. Dr. Sinzheimer (Soz.): Eigentümlicherweise berühren düc. in dieser wichtigen Frage die Rechte und die äußerste Linke. Augenscheinlich wollen sie die Demokratie schwächen, wenn nicht zer⸗ stören. Die äußerste Linke sieht hier den Weg zur Diktatur frei und damit zu jeder Gewalttat. — Die besten Theoretiker der raa ang e. . as Ergebnis dieser Beratung muß sein, daß die Massen wieder Vertrauen sim Staat und zur Wirtschaftsentwicklung gewinnen. Das wird ge⸗ Beenn man die Arbeiter als Menschen behandelt. (Lebhafter RNeichskommuͤssar Dr. Preuß empfiehlt aus technischen Gründen, dem Antrag Haußmann zu folgen. Die Mehrheitssozialdemokratie
1 Abg. Koenen (U. Soz.): weigert sich, dem Kapitalismus den Dolchstoß in den Rücken zu ver⸗ en. Wir wollen aber über die Diktatur der Arbeiterschaft zu einer 5 ren Form der Demokratie. (Gelächter.) Die Verfassung ist 8 durch die Konzessionen der Mehrheitssozialisten an den Kleri⸗ alismus und Kapitalismus überholt. BIöö 1 EEE168 8 87 8 2 . * 1
1 81
unen die Räte
Menge von Dingen antworten.
Reichsarbeitsminister Schlicke: Die Wahl 8 ’t : Die Wahlen werden in sonderen Wahlkörpern der Angestellten vorgenommen werden. Abg. Brauns (Zentr.): Wie sollen die Angestellten besonderen Wünsche vorbringen? Reichsarbeitsminister Schlicke: Selbstverständlich können sie solche unter sich verhandeln und vertreten, wie auch die Arbeitgeber. 1 Abg. Brauns (Zentr.): Es soll da also ein einheitlicher Betriebs⸗ rat zustande kommen? Da müßten wir unsere Stellung zu dem Gesetz nochmals prüfen. In sozialen Angelegenheiten werden sie doch aber Beschlüsse fassen können? (Der Minister nickt.) Das ist eine Be⸗ ruhigung.
Abg. Dr. Singheimer (Soz.): Aus der höheren F. d Demokratie bei den Unabhängigen wi d. sns boher Fekazer — ti . gen wird nur ein ganz h iktator verasx . 11“
Abg. Schneider (Dem.): Darauf kommt es an, w Laß
1 Sch der (Dem.): Dar s an, welches Ma die Vertretung der Angestellten erhält. Werden ihre Ausschüsse 8 sei 2 9 werden 8 d entrechtet. Das ist eine Karikatur von
etzgebung. Die Angestellten in ihrer Gesamtheit haben die gleiche Bedeutung wie die Arbeiterschaft. .
8 Arbeitsminister Schicke: Die Wahlen spielen hier überall eine Rolle, aber in den meisten Fällen werden die guten Gründe entscheiden. Herenfalle müften beide Teile den Willen haben, zusammenzuarbeiten Wir sind damit einverstanden, daß der Entwurf noch weitere Ver⸗ besserungen im Sinne der Angestellten und Arbeiter erhält.
Abg. Gieb 6 1 (Soz.): Angestellte und Arbeiter sind darauf an⸗ gewiesen, in den Betriebsräten gegen den Kapitalismus zusammen⸗ zustehen. Die Angestellten wollen auch gar nicht isolierte Betriebsräte
nicht schlecht dabei fahren, wenn sie
für sich, denn sie wissen, daß sie gar organisierten Arbeiter des Betriebs mit vor ihren Wagen spannen.
be
ihre
die E11 der Industrie es, wenn auf der einen Seite ie Unternehmer, auf der anderen Seite die Kopf⸗ und Handarbeiter “ 1 8 bg. Andre (Zentr.) erklärt, daß nach der Ausle 8 . (Zentr.) e t, de r slegung des An⸗ trages Schneider ein Teil seiner Freunde nicht für Resen Antrag d. d g Amgerdegte nicht ebensoviele Vertreter im Betriebsrat haben wie 2000 Arbeiter. Arbeiter und Anaestellte nehs6ß “ ““ Abg. Schneider bemerkt, daß sein Antrag den Ange
4 eid merkt, daß sei ac ggestellten nu eine Vertretung für ihre besonderen Angelegenheiten 8 * Damit schließt die Besprechung; um 1034 Uhr vertagt das Haus die weitere Beratung auf Dienstag, 10 Uhr pünktlich.
Preußische Landesversammlung. Nachtrag.
„Die Rede, die der Minister des Innern Heine in der berfsitngg am 18 d. M. hielt und die bereits auszüglich 1b “ Bl., Erste Beilage) mitgeteilt wurde, hat folgen⸗ Gn Damen und Herren! Ich muß Sie um Entschuldigung bitten, daß ich gestern überhaupt nicht anwesenid war und heute bei Beginn der Sitzung fehlte. Ich war gestern in Weimar absolut un⸗ entbehrlich, und heute war ich bei einer Sitzung, die hier im Hause stattfand, und durch irgendein Versehen ist uns nicht gemeldet worden, daß der Etat des Innern unerwartet früh zur Spracke kam. Als ich es erfuhr, bin ich sofort hierher gekommen. Es ist vielerlei von den Herren Rednern angeführt worden, und ich muß auf eine ganze b “ tct. Deshalb bitte ich Sie um Ent⸗ schuldigung, wenn das alles nicht allzu ordentlich disponiert ist, sondern wenn ich die Punkte greife, wie ich darauf stoße. ist von Personalfrage n die Rede gewesen. Ich 8 schon einmal vor diesem Hause auseinandergesetzt, wie ich mir die Bef etzung der Aemter denke, und daß ich nicht die Absicht habe, Tüchtigkeit des Könnens ersetzen zu lassen durch Tüchtigkeit der Gesinnung, und daß für mich immer die Voraussetzung ist, daß jeder dem Amt, für das er bestimmt wird, gewachsen ist. Ich darf ferner betonen, daß die Verwaltungsreform, die ja im großen und ganzen hier schon vorgetragen ist und die Billigung von verschiedenen Seiten des Hauses erfahren hat, über die ich auch noch näher in dem Ausschuß gesprochen habe, einen großen Teil der Rechte auf Besetzung von Stellungen aus den Händen der Regierung in die Hände der Wähler zurüchlegt. Wenn wir, wie es unser Plan ist, die Landräte zu gewählten Beamten der Kommunalverbände machen, ist die Re⸗ gierung nicht mehr imstande, nach ihrem Willen in die Bezirke Land⸗ räte hineinzusetzen, die dort so regiern, wie früher regiert worden ist. Der Landrat soll der Vertrauensmann des Volkes in seinem Kreise sein, und wir richten bei der Besetzung von Stellen jetzt schon unser Augenmerk darauf, daß dies der Fall sei.
Ich will aber nicht weiter auf diese Besetzungsfrage eingehen, sondern hier nur die einzelnen Punkte erörtern, die noch erwähnt worden sind, zunächst das, was der Herr Vorredner über den Falll des Landrats Wachs in Meldorf erwähnt hat. Der Herr Vorredner war nicht genau unterrichtet.* ¶ Der Landrat Wachs gehört zu den Leuten, die sich durch eine gewisse Hartnäckigkeit auszeichnen, und so war er durchaus nicht zu bewegen, mit dem Beigeordneten in Frieden zu verkehren. Ich bin nicht der Meinung, daß man in solchen Sachen gleich Krach machen soll, und habe versucht, ihn durch gütliche Ein⸗ wirkung zur Ruhe und Vernunft zu bringen. Es hat aber nicht geholfen, und so habe ich ihn schließlich bitten müssen, Urlaub zu nehmen. Und da kam das Weitere, daß er nachher tatsächlich in seinem Hause wohnen blieb, was sein gutes Recht war, daß er aber hierbei in die Bureaus ging und mindestens den Anschein erweckte, weiter zu regieren. Ob er es wirklich getan hat, weiß ich nicht. Jedenfalls bekam der Beigeordnete nach wie vor keinen Zutritt. Der Streit artete nachgerade in das Kindische aus. Schließlich habe ich auf Empfehlung des Herrn Oberpräsidenten Kürbis angeordnet, daß der Beigeordnete Fröhlich kommissarisch mit der Venvaltung dieses Kreises betraut wurde, und daß der Herr Wachs wirklich abreiste. Da begab sich folgendes. Ehe dieser Beschluß zur Durchführung gekommen war, kam es in Meldorf zu Unruhen. Wie sie im einzelnen verlaufen sind, darüber habe ich bis jetzt keinen Eindruck. Es schwebt eine gerichtliche Untersuchung, und ich kann und will ihr hier nicht vor⸗ greifen, schon deechalb — — (lebhafte Rufe bei den Unabhängigen Sozialdemokraten: Hört, hört!) — Warten Sie nur, die damaligen Akten kannte ich; die Akten aus Meldorf kenne ich noch nicht, also kann ich jetzt nicht davüber reden. (Hört, hört! bei den Unabhängigen Sozialdemokraten.)
Aber nachdem mir die Behauptung vorgetragen worden war, daß der Herr Fröhlich bei einem Landfriedensbruch als Rädelsführer beteiligt wäre, und daß deshalb eine Untersuchung gegen ihn schwebte, war ich natürlich außer Lage, ihn ohne weiteres als Kommissarius in Meldorf einzusetzen. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Es trifft den Oberregierungsrat Volkert keine Schuld in dieser Be⸗ ziehung. Ich übernehme die Verantwortung, daß ich die Bestellung des Herrn Fröhlich sistiert habe. Inzwischen habe ich den Ober⸗
präsidenten gebeten, einen anderen Herrn als Kommissarius dor! hinzuschicken, und hoabe mir über die scwebende Untersuchung Bericht erbeten.
Wenn sich herausstellt, was nach den Angaben des Herrn Kürbis
das Wahrscheinlicke ist, daß Herrn Fröhlich keinerlei Schuld trifft,
wird er natürlich nachher meiner früheren Anordnuna gemäß als Kommissarius eingesetzt; aber ich muß selbstverständlich den Ausgang einer solchen Untersuchung abwarten.
Der Herr Abgeordnete Leid hat gestern aus einer Provinzzeitung Anspielungen auf ein oder zwei in meinem Ministerium beschäftigte Herren wiedergegeben. Ich weiß nicht, was diese Provinzzeitung zu diesem Vorstoß gegen den einen Herrn, der bei mir beschäftigt ist, veranlaßt hat, Sachkenntnis sicher nicht. Der Herr, den dies Blatt angreift, ist gerade derselbe, der den anderen Herrn, den das Blatt so sehr lobt, in mein Ministerium eingeführt hat. (Hört, hört!) Der von Herrn Leid zum Gegenstand seiner Anspielung gemachte Herr in meinem Ministerium, der übrigens nur vorübergehend mit der Bearbeitung von Personalien beschäftigt war, ist ein Herr, auf den keine Kennzeichnung schlechter paßt als die eines „verknöcherten Geheimrats“, er ist ein Mann, der allerdings nie geheuchelt hat, Sozialdemokrat zu sein, der aber absolut nicht reaktionär ist und in keiner Weise etwa engherzig am Alten hängt. Dagegen berichten mir die von meinem Parteigenossen, die nach der Revolution längere Zeit mit ihm zusammen gearbeitet haben, daß seine soziale Gesinnung echt und tief wäre, und sie haben das feste Vertrauen zu der Wahrheit seiner Ueberzeugung. Dieser Herr besitzt außerordentliche Kenntnisse und besitzt eine außergewöhnliche Gabe, mit Menschen umzugehen und x anderer Parteien zu verständigen. Also riese ganze! ig ging von falschen Voraussetzungen aus und war so überflüssig wie manches andere.
Ich muß dem Abgeordneten Dr. Leidig, der mich nach dem Ab⸗ geordneten Leid interpelliert hat, auf seine Frage nach den Ar⸗ be iterräten antworten. Die Arbeiterräte sind ins Leben gerufen worden als Organ der Kontrolle bei den alten Behörden und ferner als Verbindungsorgan zwischen den Beamten und dem Publikum, um das Zusammenwirken und das darauf beruhende Vertrauen herzustellen, das leider dem früheren System gefehlt hat, und dessen Mangel nicht wenig dazu beigetragen hat, daß das alte System zusammenbrach. Das war die Schwäche des alten Systems, daß bei aller Tüchtigkeit der Behör⸗ den an vielen Orten (nicht überall) eine Verständigung und ein Zu⸗ sammenarbeiten zwischen Publikum und Behörden fehlte, daß schließlich die einen in eine wahre Wut gegen alle Behörden und die anderen in eine wahre Wut gegen alle Oppositionsparteien gerieten. Auf die Art kann kein Staat gedeihen und keine Beamtenschaft arbeiten, und diee Schwäche des alten Systems sollte beseitigt werden.
Nun haben wir ein neues demokratisches Wahlrecht für die kom⸗ munalen Körperschaften eingeführt, auf Grund dessen demokratische Selbstvenvaltungsorgane gechaffen worden sind. Nunmehr steht das Kontrollrecht diesen Selbstverwaltungsorganen zu. Dieses Organ ist dann die Stelle, durch die der Wille des Volkes sich bereits geäußert hat und durch die das Vertrauen oder Mißtrauen des Volkes dauernd zum Ausdruck zu bringen ist. Deshalb kann eine nach demokratischem Wahlrecht neugewählte Stadtverordnetenversammlung dieses ihr ob⸗ liegende Kontrollrecht nicht mit einem anderen Organ teilen, sondern ist verpflichtet, dies Kontrollrecht selbst auszuüben. Ebenso kann eine solche Versammlung sich nicht durch eine andere Instanz, die nicht auf dem Wege der demokratischen Wahl zustandegekommen, kontrollieren lassen. Deshalb sind die neugewählten Stadtverordnetenversammlun⸗ gen völlig im Recht, wenn sie es ablehnen, für Räte bei der Kom munalverwaltung weiter Ausgaben zu bewilligen oder gar diesen Räte Sitz und Stimme in den kommunalen Körperschaften einzuräumen wie es mehrfach verlangt worden ist. Die demokratisch verwaltete Stadt verordnetenversammlung kontrolliert sich selbst (Sehr richtig! rechts und kann sich nicht kontrollieren lassen; sie kontrolliert den Magistrat und kann nicht den Magistrat durch einen Dritten kontrollieren lassen, auf den sie keine Einwirkung hat. (Sehr wahr! rechts und im Zen⸗ trum.) Bei dem Kreistage liegt es so wie bei den Stadtverordneten versammlungen, so weit es sich um die Angelegenheiten der Krei kommunalverwaltung handelt. Hier sind die Kreistage die gesetzlichen Kontrolleure des Landrats in seiner Eigenschaft als Leiter des Kreis⸗ kommunalverbandes, und sie üben diese Kontrolle durch den Kreisaus schuß aus. So weit aber der Landrat Angelegenheiten der Staats verwaltung erledigt, habe ich bisher dem Weiterbestehen der Kontrolle durch Beigeordnete keinen Widerspruch entgegen gesetzt. Es liegt aber in der Natur des demokratischen Staates und der der Landesversammlung verantwortlichen parlamen⸗ tarischen Regierung, daß die Regierung auf die Dauer ihre Verant⸗ wortung nur tragen kann, wenn die politischen Beamten nur der Regierung verantwortlich sind und von der Regierung kontrolliert werden. (Sehr richtig! rechts.) Je weiter die Durchführung der demo⸗ kratischen Grundsätze im Verlaufe der Verwaltungsreform vorschreiten wird, um so weniger Platz wird für eine solche Nebenkontrolle durch nicht von der Regierung bestellte und nicht der Regierung verantwort⸗ liche Organe vorhanden sein. Würde ich mich auf einen anderen Standpunkt stellen, so würde ich nichb nur mein Recht, sondern ich würde das Recht dieser hohen Versammlung preisgeben, als deren Beauftragter ich hier stehe, der ich verantwortlich bin, und deren Beschlüsse ich durchzuführen habe. Nun lassen sich die Donge im praktischen Leben nicht nach einer theoretischen Schablone durchführen, sondern in unruhigen, noch in Gärung und im Werden begriffenen Zeiten wird man in solchen Dingen lieber einmal fünf gerade sein 8 lassen und möglichst darauf sehen, daß die Verhältnisse sich praktisch ruhig und vernünftig abwickeln, anstatt daß man mit dem Kopfe durch die Wand gehen will und Theorien, mögen sie die richtigsten von der Welt sein, mit aller Gewalt durchzusetzen sucht. Das ist mein prak⸗ tischer Standpunkt zu diesem Problem.
Herr Abgeordneter Leid hat dann eine Anzahl Angriffe gegen das Ministerium des Innern als das Polizeiministerium gerichtet. Er hat unter anderm ausgeführt, da wäre ein Polizeioberst Fröhlich, der die Schutzleute knechte. Polizeioberst Fröhlich ist längst nicht mehr im Polizeipräsidium; von Sachkenntnis waren die Aeußerungen des Herrn Leid nicht getragen. (Abg. Dr. Rosenfeld: Aber beim Ober⸗ präsidium in Potsdam!) — Aber hier handelt es sich um die Schutz⸗ leute beim Polizeipräsidium. Es ist ja doch ganz gleichgültig, ob ein Mann, wenn er eine andere Tätigkeit ausübt — — — (Zuruf von den Unabhängigen Sozialdemokraten: Die übliche Verdrehung!) — Das ist
guch nicht einmal wahr, Herr Abgeordneter, der Sie von Verdrebhung“
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