1919 / 181 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 12 Aug 1919 18:00:01 GMT) scan diff

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Deutsche Nationalversammlung in Weimar. v5. Sitzung vom 11. August 1919. Vorm. 10 Uhr. * (Bericht von Wolffs Telegraphenbüro.)

Am Regierungstisch die Reichsminister Erzberger, Schmidt.

Präsident 10 ½¼ Uhr. 8 1

Zur zweiten Beratung steht der Entwurf eines Grund⸗ wechselsteuergesetzes. IB“

§ 1 hat nach den Beschlüssen des 11. Ausschusses folgende Fassung erhalten: „Beim Uebergange des Eigentums an in⸗ ländischen Grundstücken wird eine Grunderwerbssteuer erhoben. Dem Uebergange des Eigentums steht gleich der Erwerb von herrenlosen Grundstücken.“ Dieser Fassung entsprechend ist auch die Ueberschrift geändert worden in: „Entwurf eines Grunderwerbssteuergesetzes.“

. Abg. Sollmann (Soz.): Unsere Bedenken gegen die Vorlage lind durch die Ausschußberatung nur zum Teil ausgeräumt worden. Die Befürchtung bleibt bestehen, daß diese hohe Steuer ganz oder teilweise auf die Mieter abgewälzt werden wird. Dieses Bedenken ist aber für uns nicht ausschlaggebend, weil die Mietspreise, wie auch die Grund⸗ und Bodenpreise überhaupt, von ganz anderen Faktoren als von dieser Steuer bestimmt werden. Andererseits handelt es sich bei der Vorlage immerhin um einen wesentlichen Fortschritt. An⸗ nehmbar ist uns der Entwurf nur unter der Bedingung, daß bei aller Rücksichtnahme auf die Finanznot des Reiches auch die Finanznot der Gemeinden nicht afißer acht gelassen wird. In dieser Beziehung haben wir bis zu einem gewissen Grade im Ausschuß Erfolg gehabt. Ferner muß alles gemeinnützige Grundeigentum von dieser Steuer befreit bleiben. Nicht gelungen ist es uns, im Ausschuß eine Ab⸗ stufung der Steuer nach der Leistungsfähigkeit zu erreichen. Im ganzen sehen wir das Gesetz als eine immerhin erträgliche Steuer⸗ quelle für das Reich an. Wer sie ablehnt, hat die Verpflichtung, andere Wege der Besteuerung zur Behebung der Finanznot des Reiches zu weisen. Darüber, ob es nicht besser ist, die gewerbsmäßige Ver⸗ äußerung von Grundstücken einem besonderen Gesetze vorzubehalten, und darüber, ob die Steuerfreiheit für das Erbbaurecht gesichert ist, erwarten wir noch eine Erklärung der Regierung.

Abg. Henke (U. Soz.): Für uns wiegt das Bedenken, daß die Grunderwerbssteuer auf die Mieter abgewälzt werden wird, schwer genug, um das ganze Gesetz abzulehnen. Die Abwälzbarkeit wird in naher Zukunft noch dadurch gefördert, daß wir mit einer beispiellosen Wohnungsnot in Deutschland zu rechnen haben werden, unter der ganz besonders die Arbeiterschaft der Großstädte zu leiden haben wird.

Abg. Waldstein (Dem.): Der Entwurf verfolat in erster Linie einen fiskalischen Zweck und erscheint uns überhaupt nur unter dem Gesichtspunkt annehmbar, daß das Reich in seiner Notlage ungeheure Einnahmen braucht. Ob der Entwurf wirklich die erwarteten Mehr⸗ einnahmen bringen wird, ist uns aber mehr als fraglich: jedenfalls hat die Regierung in der Begründung eine Milchmädchenrechnung aufgemacht, die wir als falsch erkannt haben und nicht mitmachen.

Fehrenbach eröffnet die Sitzung nach

Nach unserer Ueberzeuqung wird das Gesetz eine außerordentliche Ver⸗

mninderung des Umsatzes und somit eine außerordentliche Verminde⸗ rung der Einnahmen aus dem Umsatzstempel mit sich bringen. Wir werden deshalb nicht aus Steuerscheu, sondern um das Erträgnis der neuen Steuer einigermaßen sicherzustellen, dem von deutschnationaler Seite gestellten Antrag, den Sleuersatz von 4 auf 3 zu ermäßigen, zu⸗ timmen. Abg. Dr. Becker⸗Hessen (D. V.): Wir stimmen dem Entwurf bu, aber mit schwerem Herzen. Wir können uns von der Befürchtung nicht freihalten, daß der Umsatz durch eine so hohe Stempelbelastung schwer beeinträchtigt werden kann, daß andererseits der hohe Steuer⸗ satz, zumal in Verbindung mit den Zuschlägen der Länder und Kom⸗ munen, sehr leicht die Mietspreise hochtreiben wird. Sehr erwünscht wäre es, den Umsatz in Grundstücken von geringem Wert etwas zu erleichtern, um den kleinen Mann möglichst zu schonen, und wir bitten schon jetzt, dem betreffenden von uns zu einem späteren Para⸗ graphen gestellten Antrage zuzustimmen. Sehr bedauern wir, daß der Ausschußbeschluß den Gemeinden auf diesem Gebiete ihre bis⸗ herige Bewegungsfreiheit nimmt. Wir hätten doch allen Grund, die Finanzkraft der Gemeinden zu stärken. Die ganze Steuergesetz⸗ ebung des Reiches bewirkt eine Erschwerung der Finanzgebarung der Bemeinden. Wird den Ländern gestattet sein, nach dem Uebergang des Grunderwerbsstempels auf das Reich noch eine besondere Ge⸗ ühr zu erheben? Abg. Baerecke (D. Nat.): Die Kommissionsberatung hat eine

Reihe von Erleichterungen und Verbesserungen gebracht, aber diesen Vorteilen steht eine so große Reihe von Nachteilen gegenüber, daß wir uns nur schweren Herzens entschließen können, diesem Geset uzustimmen. Unsere Hauptbedenken richten sich gegen die Höhe er Steuer und die Benachteiligung der Gemeinden. Die Steuer

wird vom gemeinen Wert erhoben. Sie nimmt also keinerlei Rücksicht

fetwaige Schulden, die auf dem Grundstück lasten, und ist somit die roheste Form der Steuer, die sich überhaupt denken läßt. Anderer⸗ seits wird den Gemeinden eine Steuer genommen, die sie bis jetzt gehabt haben; sie würden, wenn die vom Reichsfinanzminister ge⸗ plante Verteilung der Steuern auf Reich, Länder und Gemeinden

Gesetz wird, auch bei dieser Steuer Kostgänger des Reichs werden; wir verlangen deshalb, daß ihnen auch fernerhin wenigstens ein fester Anteil an dem Ertrag der Steuer gewährleistet wird. Dankbar würden wir für eine Erklärung sein, wie sich das Verhältnis dieser Steuer zu anderen Steuern, zur Umsatzsteuer, Wertzuwachssteuer und Grundsteuer, gestalten wird.

Geheimer Regierungsrat Dr. Popitz erwidert, daß über diese Frage im Rahmen der Reichsabgabenordnung zu verhandeln sein erde. 8

§ 1 wird in der Fassung des Ausschusses angenommen und demgemäß auch die Ueberschrift geändert. Die §§ 2 bis 6 werden ohne Erörterung angenommen.

§7 behandelt die Fälle, in denen die Grundwechselsteuer

nicht erhoben wird. Dazu beantragen als § 7a die Abgeord⸗

neten Siehr, Waldstein und Genossen (Dem.) eine Er⸗ mäßigung der Steuer bis zur Hälfte, wenn der steuerpflichtige

Betrag bei bebauten Grundstücken 20 000 Mark und bei un⸗ bebauten Grundstücken 5000 Mark nicht übersteigt. Damit wird die Beratung des § 20„ und eines von dem Abgeordneten Dr. Becker⸗Hessen beantragten § 20b verbunden. Nach dem letzteren kann die Oberbehörde aus demselben Grunde wenn der steuerpflichtige Betrag die genannte Höhe nicht über schreitet, die Steuer ermäßigen.

Abg. Siehr (Dem.): Der Antrag, den § 7a einzuschalten, hat ein soziales Gesicht. Er hilft dem platen Lande, woran wir alles Interesse haben, kommt auch den Kriegsteilnehmern zugute und be⸗ rücksichtigt den Siedelungsgedanken. C1“

Abg. Simon (Soz.): Die Anträge schaffen Begünstigungen und geben vor allem dem Gesetz einen agrarischen Einschlag. Solchen Einseitigkeiten, die den Schwachen nicht zugutekommen, können wir nicht zustimmen.

Abg. D. Mumm (Dnat.): Die beantragten Bestimmungen gelten gleichmäßig für Stadt und Land. Wenn letzteres davon Vorteil haben sollte, wäre es gur zu begrüßen. Ohne solche Er⸗ mäßigungen würde es im Lande Mißtrauen geben. Merkwürdigerweise steht hier die Sozialdemokratie gegen die Regierung.

Reichsfinanzminister Erzberger: Das Mißtrauen gegen die Behörde entspringt doch nur den früheren Zuständen unter dem alten Regime. Nicht die Sozialdemokratie, sondern die Rechte ist gegen die Regierung. Die Anträge sind bei der Finanznot des Reiches ab⸗ zulehnen. Wenn hier eine Kleinigkeit gestrichen würde, so müßten an deren Stelle höhere Einnahmen bewilligt werden. Das Reich

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braucht 25 Milliarden; wird bei der Umsatzsteuer etwag abgestrichen, so muß die Reichserbschaftssteuer erhöoht werden. Ist die Rechte dazu bereit? Die Finanzgesetze müssen so, wie sie vorliegen, perabschiedet werden. Die Anträge sind auch teilweise undurchführbar, da die Grundlagen für die nötigen Veranlagungen fehlen; bei den ungemein großen Schwierigkeiten ist ein Ersatz nicht leicht beschafft. Im übrigen kann die Umsatzsteuer mehr aufbringen. Mit auf Anregung der Rechten wurden bei der Finanzreform von 1909 21 Millionen von der Erbschaftssteuer auf den Grundwechselstempel umgelegt. Eine geringe Erhöhung der Steuer, etwa von 5 auf 6 Prozent, ergibt heute keine Steuerreform mehr, es muß ganz anders durchgegriffen werden. 8 , ““ Abg. Dr. Becker⸗Hessen (D. B.): Nichts ist einfacher, als an der Hand der Steuerzettel das Einkommen festzustellen. Wir haben keine einheitliche Veranlagung, aber in allen Staaten haben wir eine Veranlagung zur Einkommensteuer, die hier und da Un⸗ stimmigkeiten aufweisen mochte, doch im Ganzen so gut war, daß eben noch auf ihr eine so enorm hohe Steuer wie das Mehreinkommen⸗ gesetz aufgebaut wurde. Das könnte auch bei diesem Gesetz geschehen. Beim Reichsstempelgesetz hat auch niemand behauptet, daß die Ver⸗ anlagung zu großen Schwierigkeiten geführt habe. Hoffentlich wird der Finanzminister einmal recht behalten, daß seine behördliche Organisation bei der Bevölkerung wegen ihrer sachlichen Beurteilung und Betätigung nicht auf Mißtrauen stößt, Immerhin, wir können abwarten, ob sie besser arbeitet als die frühere des alten Regimes es in den Einzelstaaten getan hat. Der Finanzminister will keine Aus⸗ fälle haben. Wo soll man denn Steuern nachlassen, wenn nicht bei kleinen Leuten und Gesetzen, die gerade diese so hoch belasten? Außer⸗ dem hat der Ausschuß mit einer Bestimmung des § 7 für die Besiede⸗ lung des platten Landes und die Schaffung gesunder Kleinwohnungen denselben Grundgedanken bereits als richtig anerkannt, wenn auch unter gewissen Voraussetzungen. In den Anträgen liegt ein sozialer Gedanke. Die Sozialdemokratie aber will gegen sie nicht nur stimmen, sondern spricht sich auch in einer längeren Rede dagegen aus, d. h. gegen eine Begünstigung der kleinen Leute und der kleinen Einkommen. Wenn ihre Rede einmal unter dem verrotteten alten System von der anderen Seite gehalten worden wäre, um eine solche Ablehnung zu rechtfertigen, dann hätte die Sozialdemokratie gar nicht Töne laut genug finden können. Heute sind wir die Sozialdenkenden. (Unruhe und Widerspruch bei den Sozialdemekraten.) Wir müssen ihr das soziale Gewissen schärfen. (Sehr richtig rechts, Unruhe bei den Sozial⸗ demokraten.) Und der Grund ist kezn anderer, als weil sie sich bei der Regierung beliebt machen will. Von sozialem Empfinden ist soviel die Rede, aber es sollte hier praktisch betätigt werden.

Abg. Burlage (Z.): Wenn wir den vorliegenden Anträgen zustimmen, schaffen wir für Stadt und Land verschiedenes Recht. Deshalb lehnen wir sie ab. Wenn Sie sozial wirken wollen, dann versteifen Sie sich nicht Kleinigkeiten, die mehr Arbeit machen, als dabei herauskommt. 1

Abg. Waldstein (Dem.): Wir gehen mit dem Gesetze hinter den Grundsätzen sozialer Gesinnung zurück, die schon unter der alten Regierung geherrscht haben. Auch der Reichsfinanzminister ist früher für die von uns gewünschten Bestimmungen eingetreten. Wir ver⸗ missen auch eine Antwort des Reichsfinanzministers auf den Einwurf daß der hohe Steuersatz leicht prohibitiv wirken kann, sich also die dem Reich erwünschten Einnahmen nicht einstellen können.

Abg. Sollmann (Soz.): Wir sind bereit gewesen, die Minder⸗ bemittelten von der Steuer zu befreien, aber wieder davon abgekommen, weil dann eine Sondervergütung für das platte Land geschaffen worden wäre. 1 8

Abg. D. Mumm (D. Nat.): Die hohe Besteuerung wird namentlich die Envicklung zum Kleinhaus, die wir doch alle vertreten, 8

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in empfindlicher Weise stören. Die Wendung des Reichsfinanz⸗ ministers: „Ich brauche Geld!“ reicht nicht zur Rechtfertigung aller Maßnahmen aus. Wir verlangen auch eine sachliche Begründung. Die Bemerkung des Reichsfinanzministers: „Ich habe Mißtrauen gegen die gegenwärtigen Behörden“ weisen wir auf das schärsste zurück, weil dadurch die Arbeitsfreudigkeit der Beamten gelähmt werden muß.

Reichsfinanzminister Erzberger: Ich habe das genaue Gegen⸗ teil von dem gesagt, was mir der Abg. Mumm in den Mund gelegt hat. (Widerspruch rechts.) Ich habe nicht von Mißtrauen gegen die Beamten, sondern gegen die Organisationen gesprochen. Der Abgeordnete Mumm ist alt genug, diesen Unterschied zu begreifen Die Beamten nehme ich in Schutz, aber die Organisationen verwerfe ich; deshalb schaffe ich eine Neuorganisation. Den Abgeordneten Waldstein bitte ich bei bei seiner Kritik zu berücksichtigen, daß das Gesetz von seinen Fraktionsgenossen Dr. Dernburg und Dr. Schiffer gemacht worden ist, und daß uns die ungeheure Notlage einen ver änderten Standpunkt zur Durchführung der praktischen Politik auf⸗ erlegt, die das Reich braucht.

Abg. Dr. Becker⸗Hessen (D. V.): Wir erkennen an, daß die gegenwärtige Finanznot des Reiches uns zu einer veränderten Betrachtungsweise zwingt, den durch unsern Antrag eintretenden Ausfall kann das Reich aber doch ertragen.

Abg. Bahr (Dem.): Die gegen unseren Antrag vorgebrachten Einwände einer übermäßigen Begünstigung des platten Landes werden durch die Praxis widerlegt. Wer sich gegen unsern An trag wendet, schädigt vor allem das Siedlungswesen und die Wohnungspolitik, durch die wir namentlich den Arbeitern billige Wohnungen schaffen wollen.

Abg. Henke (U. Soz): Es ist ein Widerspruch, wenn die Antragsteller erst den antisozialen Charakter des Gesetzes an⸗ erkannt haben, ihm dann aber doch zustimmen und dann für eine hestimmte Gruppe von Interessenten wieder in ihr soziales Empfinden einsetzen wollen. (Große Unruhe.)

Abg. Simon (Soz.): An den beantragten Vergünsti gungen würden weder die städtischen noch die ländlichen Ar⸗ beiter Teil haben.

Damit schließt die Besprechung.

Abg. Mumm (Dt. Nat.): Persönlich: Meine Auffassung der Ausführungen des Reichsfinansministers über das Mißtrauen gegen die Beamten wird auch von anderen Mitgliedern des Hauses geteilt. Der Minister hat mich aber gehindert, das unkorrigierte Stenogramm einzusehen. Als der Redner auf einen ähnlichen früheren Fall eingehen will, unterbricht ihn Präsident Fehren⸗ bach, worauf der Redner die Tribüne verläßt mit dem Hinweis, daß er bei einer späteren Gelegenheit auf die Sache zurückkommen wolle.

Die Abstimmung ergibt die Annahme des § 7 und die Ablehnung der §8 7 a (Antrag der Demokraten) und 20 b (Antrag der Deutschen Volkspartei)

§ 20 a wird angenommen. v1“

§ 8 bestimmt, daß die Steuer auch erhoben wird, wenn bei inländischen Grundstücken, die im Besitz der toten Hand oder im Eigentum von Personenvereinigungen, Anstalten oder Stiftungen aller Art, oder für diese im Eigentum einer natür⸗ lichen Person zu treuen Händen stehen, zwanzig Jahre seit der Gründung oder dem Erwerbe oder dem letztmaligen Eintritt der Steuerpflicht nach dieser Vorschrift verflossen sind.

Reichsfinanzminister Erzberger erklärt, daß eine Vor⸗

lage, betreffend die einheitliche Regelung der Besteuerung der toten Hand in der Ausarbeitung begriffen ist und im Herbst an die Nationarversemmlung delangen wird. Abg. Waldstein (Dem.) hält es nach dieser Erklärung für das Zweckmaßtaste, § 8 in dem Entwurf gänzlich zu streichen, da die Aufrechterhaltung des bisherigen Zustandes bis zum Herbst noch erträglich sein würde.

Reichsfinanzminister Erzberger: §8 muß stehen bleiben, weil zwar die Vorarbeiten für die angekündigte Vorlage in Gange sind und diese selbst an das Haus gelangen wird, ich aber nicht weiß, ob das Haus sie auch verabschiedet.

Abg. Waldstein beantragt hierauf, formell den § 8 ganz zu streich eventuell das Wort „Personenvereinigungen“ zu

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streichen oder durch „juristische Personen“ zu ersetzen. Zur Be⸗ gründung führt er aus, daß unter den Begriff Personenver⸗ einigungen alle Gesellschaften, Aktiengesellschaften, Gesellschaften mit beschränkter Haftpflicht, offene Handelsgesellschaften, Gewerk⸗ schaften, Genossenschaften usw. fallen. Ueber dieses „und so weiter“ und dessen Tragweite muß unter allen Umständen bis zur dritten Lesung Klarheit geschaffen werden. Es ist durchaus ungerechtfertigt, alle offenen Handelsgesellschaften wie die Tote Hand zu behandeln. Die Behauptung, daß auch die Grundstücke im Besitz der offenen Handelsgesellschaft nicht länger als Einzel⸗ rundstücke in der Hand der Eigentümer verbleiben, ist in der

gründung gänzlich beweislos aufgestellt. Die Bestimmung wirkt wie eine Prohibition für Gesellschaftsgründungen. Sämt⸗ lichen Grundstücksgesellschaften, auch denen, die für die städtische Ansiedlung unentbehrlich sind, wird dadurch mit einem Schlage der Garaus gemacht. Unter den Begriff würden auch z. B. sämt⸗ liche Gewerkschaftshäuser fallen, die durch die Rechtsprechung als gemeinnützige Institute nicht anerkannt werden.

In der Abstimmung wird die Streichung des § 8 mit knapper Mehrheit abgelehnt, ebenso die Streichung oder Er⸗ setzung des Wortes „Personenvereinigungen“. § 8 gelangt un⸗ verändert zur Annahme.

§ 16 setzt die Steuer auf 4 Prozent fest. Ein Antrag der Deutschnationalen, der sie auf 3 Prozent ermäßigen will, wird vom

Abg. Baerecke (D. Nat.) damit begründet, daß diese Herab⸗ setzung um so mehr notwendig sei, je mehr alle sonstigen Versuche,

n Entwurf zu verbessern, mißglückt seien, auch wo kaum ein Staat oder eine Gemeinde auf die Zuschläge verzichten würde, es sich alss in Wirklichleit nicht um vier, sondern um sechs Proz. handeln würde. Redner polemisiert dann im Anschluß an die Ausführungen des Abgeordneten Mumm gegen den Reichsfinanzminister und nimmt die preußischen Veranlagungsbehörden gegen den Vorwurf mangelnder Leistung in Schutz.

Reichsfinanzminister Erzberger ersucht dringend um Ableh⸗ nung des deutsch⸗nationalen Antrages. Sodann betont er wieder⸗ holt, daß er von einem Mißtrauen gegen die Steuerbehörden und Steuerbeamten nicht gesprochen habe, sondern von einem Mißtrauen gegen die Behördenorganisation. Ein süddeutscher Finanzmann habe ihm gesagt, daß die erste Kriegsabgabe nicht 5,7 sondern. mindestens 9 Milliarden ergeben haben würde, wenn in Norddeutschland nach denselben Grundsätzen wie im Süden veranlagt worden wäre. (Hört, hört!) Eine so offenkundige Tatsache wie die, daß das in Norddeutschland übliche Veranlagungs⸗ system den Ansprüchen der Gerechtigkeit und Gleichmäßigkeit nicht genügen, solle man doch heute nicht noch in Abrede stellen. Man sei ja auch langsam dazu übergegangen, den Landrat durch den be⸗ sonderen Veranlagungskommissar zu ersetzen. Hier aber habe man den weiteren Fehler begangen, eine Reihe von Landratsbezirken zusammen⸗

egen und damit den betreffenden Kommissaren eine unmöglich zu he⸗ wältigende Arbeit aufzubürden. Daß Leute mit großem Vermögen überhaupt keine Einkommensteuer bezahlten, z. B. in Pommern, sei doch zu bekannt, als daß man noch Namen zu nennen nötig hätte.

Abg. Waldstein (Dem.): Wenn der Minister meint, mit der Herabsetzung auf drei Prozent würde dem Reiche der vierte Teil des Ertrages geraubt, so ist in dieser Allgemeinheit seine Auffassung durchaus hinfällig. Die Höhe der Steuer beeinträchtigt doch den Umsatz und liefert also Ausfälle, sonst hätte ja der Minister den Satz auf 7 Prozent heraufsetzen können.

Reichsfinanzminister Erzberg er bleibt bei seiner Auffassung stehen. Was den Vorschlag von zehn Prozent betreffe, so habe doch auch wohl der Abgeordnete Waldstein schon etwas von einer Er⸗ drosselungssteuer gehört.

§ 16 wird unverändert angenommen. gewerbsmäßigen

22 8 18, der für den handel die Steuer um zwei Prozent höher ansetzt, wird in einer

redaktionell etwas veränderten Fassung angenommen.

Grundstück⸗

Nachdem Abg. Panzer (Soz.) noch besonders den Kommissionsvorschlag empfohlen hat, wonach die Vergütung des Unterschieds zwischen der erhöhten Steuer und dem Nor⸗ malsteuersatz ganz erfolgen soll, wenn der erste Erwerber des weiterveräußerten Teils das Teilgrundstück zur Begrün⸗ dung oder Abänderung einer selbständigen Ackernahrung oder zur Kleinsiedelung verwendet. Um den Güterschlächtern das Handwerk zu legen, reiche Para⸗ graph 18 nicht aus, dazu würden andere gesetzgeberische Maß⸗ nahmen nötig sein. Bei § 25, wonach im Falle des § 8 (Be⸗ steuerung der Grundstücke der toten Hand) die Inhaber dieser Grundstücke mindestens 2 Monate vor Ablauf des zwanzig⸗ jährigen Zeitraums der Steuerbehörde Anzeige erstatten müssen, bittet Abg. Gerstenberger (Zentr.) die Finanzämter anzuweisen, die Rücklagen, die von den Inhabern solcher Grundstücke gemacht werden, nicht als steuerpflichtigen Gewinn zu betrachten, denn diese Beträge seien doch nichts weiter als ein Teil der notwendigen Be⸗ triebsausgaben.

Unterstaatssekretär Moesle: Es ist unzweifelhaft sachlich ge⸗ rechtfertigt, derartige Rücklagen zu den Betriebskosten hinzu⸗ zurechnen. Nach der jetzigen Rechtslage ist die Frage aber zweifelhaft und sie wird erst bei der Reichseinkommensteuer endgültig gelöst werden.

Abg. Waldstein (Dem.): In Preußen steht die Steuerpflich⸗ tigkeit dieser Rückstellungen außer allem Zweifel.

5 25 wird unverändert angenommen, ebenso (soweit sie nicht von der Kommission gestrichen worden sind) die §s 26 bis 37. Nach § 38 erhält vom Ertrag der Steuer das Reich die Hälfte. Ueber die Verwendung des anderen Teils

trifft die Landesregierung Bestimmung.

Ein von der Kommission neu eingefügter § 38a bestimmt, daß den Gemeinden unter allen Umständen bis zum 31. März 1925 der bisherige Durchschnittsertrag der Steuer zugewiesen werden soll, und zwar soll der Durchschnittsertrag nach dem Reineinkommen der letzten sechs Jahre festgesetzt werden.

Abg. Riedmiller (Soz.) begründet den sozialdemokratischen Antrag, wonach der Durchschnittsertrag nach den letzten drei Jahren festgestellt werden soll, weil damit den Gemeinden voraussichtlich ein höherer Ertrag garantiert werde.

Abg. Mumm (D. Nat.) will demgegenüber festgestellt wissen, daß den Gemeinden unter allen Umständen mindestens die Hälfte des Ertrages gesichert wird, und zwar ohne zeitliche Begrenzung.

Abg. Burlage (Zentr.): Ueber die Frage, ob die Gemeinden bei drei Jahren oder bei sechs Jahren besser fahren würden, kann man verschiedener Meinung sein. Aber wir haben nichts dagegen, den Durchschnittsertrag nach den letzten drei Jahren festzusetzen. Dagegen bitten wir, an der zeiklichen Begrenzung der Zuweisung des Durchschnittsertrags an die Gemeinden festzuhalten. Bis zum 31. März 1925 werden sich wahrscheinlich so viele Veränderungen voll⸗ zogen haben, daß eine Nachprüfung notwendig sein wird.

Damit schließt die Besprechung.

§ 38 wird unverändert, § 38a in der von der Kommission vorgeschlagenen Fassung mit der Maßgabe angenommen, daß der Durchschnittsertrag nach dem Reineinkommen der letzten drei Jahre festgesetzt werden soll.

Die §8 39 und 40 werden unverändert angenommen.

Bei § 40a (Ausführungsbestimmungen) sagt auf An⸗ regung des Abgeordneten Panzer (Soz.) der Reichsminister

9 bewilligen.

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Erzberger zu, daß bei Erlaß der Ausführungsbestimmungen der Städtetag zugezogen werden soll.

Bei § 41 (Uebergangsbestimmungen und Inkrafttreten des Gesetzes) beantragt Abgeordneter Siehr (Dem.) Strei⸗ chung des Absatzes 4, der den Einzelstaaten und den Ge⸗ meinden die Möglichkeit gibt, in der Uebergangszeit gewisse Steuererleichterungen oder Befreiungen wieder zu beseitigen. Weiter beantragt er die Hinzufügung eines neuen Absatzes, wonach für Veräußerungsgeschäfte, die vor dem 1. Juli 1919 abgeschlossen, aber erst später beurkundet worden sind, eine Be⸗ freiung von der Steuer eintreten soll.

Abg. Burlage (Zentr.): Für die Streichung des Absatzes 4 senes uns gewichtige Gründe vorzuliegen. Wir werden dafür timmen. Dagegen haben wir Bedenken gegen die Hinzufügung eines neuen Absatzes. Das Gesetz hat seine Schatten schon lange voraus geworfen. Man wußte in den Interessentenkreisen schon vor dem 1. Juli 1919, daß etwas im Werke sei, und man hat in dieser Vor⸗ ahnung schleunigst noch eine ganze Reihe von Geschäften unter Dach und Fach gebracht. Einmal muß ein Schritt gemacht werden, und gewisse Ungerechtigkeiten, die dabei unterlaufen können, muß man in Kauf nehmen.

Abg. Waldstein (Dem.): Ich habe beruflich viel mit Grund⸗ stücksgeschäften zu tun, aber auf mich trifft das, was der Abgeordnete eben gesagt hat, nicht zu. Ich war in dieser Beziehung ein ganz ahnungsloser Engel (Heiterkeit). Ich habe eben den Kollegen Gothein gefragt, der hat auf mich geahnt. (Erneute Heiterkeit.) Es ist in jedem Falle bedenklich, Steuergesetze mit rückwirkender Kraft zu machen.

Damit schließt die Besprechung. Absatz 4 wird gestrichen. Dagegen wird der Antrag Siehr (Dem.) auf Einfügung eines neuen Absatzes abgelehnt. Damit ist das große Erwerbs steuergesetz erledigt.

Hierauf wird die Weiterberatung auf nach⸗ mittag 4 Uhr vertagt. Schluß nach 2 Uhr.

Nachmittagssitzung.

Am Regierungstische: der Reichsfinanzminister Erz⸗ berger.

Präsident 4 Uhr 1

Das Haus tritt in die zweite Beratung des Ent wurfs eines Tabaksteuergesetzes ein.

Abg. Wetzlich (D. Nat.): Wir haben gegen das Gesetz ernst⸗ hafte Bedenken, da es die Existenzmöglichkeit des Tabakgewerbes ge⸗ fährdet. Durch so unerträglich hohe Steuersätze wird der Schmuggel und der Schleichhandel nur zu größerer Blüte gelangen. Wir wenden uns dagegen, daß die Steuergesetze in so unbverantwortlicher Weise durchgepeilscht werden. Die Banderole findet nur den Beifall eines kleinen aber mächtigen Kreises der Großkapitalisten. Sie begünstigt die Ausbreitung des Markensystems. (Beifall rechts.)

Abg. Schlüter (Soz.): Dieses Gesetz ist nicht leichtfertig zu stande gekommen, sondern von der Industrie und den Gewerkschaften mitgedacht und ausgearbeitet. (Beifall.) Die Vorlage bedeutet aller⸗ dings eine sehr starke Belastung der Tabakindustrie. Sie geht an die alleräußerste Grenze dessen, was geschehen darf, wenn die Industrie lebensfähig bleiben soll. Die Prüfung der Monopolfrage hat uns

ezeigt, daß für die Ve ung der Zigarrenindustrie noch jede

Cza Ptag⸗ fehlt. Anders liegen die Verhältnisse bei der Zigaretten⸗ industrie, weil diese überwiegend Maschinenarbeit hat und gelernte Arbeiter nicht in dem Umfange wie die Zigarrenindustrie benötigt. Die Verstaatlichung würde uns viele Jahre kein Geld bringen, sondern Zuschüsse aufnötigen. Die Banderele liegt sowohl im Interesse der Konsumenten wie in dem der Arbeiter, sie schützt den Konsumenten vor Uebervorteilung und eröffnet für den Arbeiter den Weg zu Tarif⸗ verträgen, da sie die Kontrolle der Fabriken möglich macht. Die Markenbildung haben wir ausgeschlossen durch Einführung der Ano nymität der Banderole. Tabakgewerbe hat sich zu dem Opfer das ihm die Vorlage auferlegt, bereitgefunden, um seinen Teil zur Hebung der Notlage des Reiches beizutragen. Meine Partei behält sich die endgültige Stellungnahme zu dem Entwurf bis zur dritten Lesung vor. Wir machen sie von der Gestaltung der Besitzsteuer ab⸗ hängig. (Lebhafter Beifall bei den Sozialdemokraten.)

Abg. Nacken (Zentr.): Die Belastungsfähigkeit des Tabaks wird schwer aber nicht unerträglich in Anspruch genommen. Wir sind nicht grundsätzlich gegen ein Monopol, hier treffen aber namentlich angesichts der Zeitverbältnisse die Voraussetzungen für ein soölches nicht zu. Das Tabakgewerbe hat im freien Wettbewerb außerdem seine hohe Stellung errungen. Auch ein Kleinhandelsmonopol lehnen wir nach dem erfreulichen Vorgang des Finanzministers ab. Es bleibt für uns nur eine Fabrikatsteuer übrig, für diese ziehen wir aber die Banderole der Fakturenwertsteuer vor. Zur Zollfrage werden wir erst bei der dritten Lesung Stellung nehmen können. Im ganzen werden wir dem Entwüurf in der vorliegenden Form zustimmen können.

Abg. Kempkes (D. V.): Die Sätze der Vorlage sind zweifel⸗ los sehr hoch, aber sie gehen nicht über das Maß dessen hinaus, was die Industrie ertragen kann. Was die Form der Steuererhebung be⸗ trifft, so erscheint uns die Banderolesteuer trotz mancherlei Ver besserungen sehr bedenklich, und die Befürchtung wird nicht beseitigt, daß sie zum Markensystem führen kann, was den Zusammenbruch oder doch eine schivere Gefährdung vwieler mittlerer Betriebe und Händler bedeuten würde. Wir bitten also das Haus noch jetzt, die Banderole⸗ steuer durch die Fakturenwektsteuer zu ersetzen. Da es darauf an⸗ kommt, dem Reiche in allernächster Zeit sehr erhebliche Erträgnisse zuzuführen, und da auch wir fragwürdige Monopolexpperimente ab lehnen, für die die jetzige Zeit die allerungeeignetste ist, werden wir uns entschließen, der Vorlage zuzustimmen, wenn sie nicht noch in unserem Sinne erheblich verschlechtert werden sollte.

Abg. Raute (U. Soz.): Noch bei jeder Steuervorlage hat besonders der Tabak bluten müssen. Keine Industrie hat so rücksichts⸗ lose Behandlung zu erzulden gehabt wie die Tabakindustrie. Es vwäre richtiger, die Zigarrenindustrie zu verstaatlichen. Gerade jetzt ist dafür der günstiaste Moment. Die Folge der Banderole wird nicht ein offizielles, wohl aber ein Privatmonopol einzelner aroßer Fabriken sein, wie es jetzt für die Zigaretten schon besteht. Wir lehnen die Vorlage ab, bitten aber auch, die Enlschließung abzulehnen, die von deutschnationaler Seite beantragt ist und die Aufhebung der Beschlag⸗ nahme des inländischen Rohtabaks fordert.

Abg. Nuschke (Dem.): Wir erkennen an, daß die gegenwärtige

Fehrenbach eröffnet die Sitzung um

Tabaksteuervorlage eine außerordentlich schwere Belastung der In⸗

dustrie darstellt, auch daß sie einen gewissen Sprung ins Dunkle be⸗ deutet. Die Industrie ist bereit, um auch ihrerseits Opfermut zu be⸗ weisen, auf den Boden der Vorlage zu treten. Dieses Entgegen⸗ kommen der Industrie wird die Regierung in den Ausführungs⸗

bestimmungen anerkennen müssen. Die Gefahr, daß die mittleren

und kleinen Betricbe ohne Entschädigung sozialisiert werden könnten, würde aber durch entsprechende Ausführungsbestimmungen abzulenken

sein. Mit Genugtuung begrüßen wir, daß die Sozialdemokratie selbst

für die weitverzweigte Tabakindustrie ein Monopol nicht für angezeigt und möglich hält. Außerordentlich trübe haben sich für den Tabak⸗ handel die Verhältnisse im Westen gestaltet. Hier sollte energisch durchgegriffen werden. Der Herr Reichsfinanzminister hat im Aus⸗ schuß erklärt, daß die Einführung eines Kleinhandelmonopols nicht in Aussicht genomen sei. Er hat aber in früheren Auslassungen Wen⸗ dungen gebraucht, die die in weiten Kreisen entstandene Beunruhigung durchaus verständlich erscheinen läßt. Ich würde es daher begrüßen, wenn die Negierung noch einmal eine strikte Absage hier, aus⸗ sprechen möchte. (Beifall.) Im übrigen ist meine Fraktion bereit, unter dem Drucke der Zeit und der Not indirekte Steuern zu

LI. Nn

Geheimer Recierungsrat Saemisch tritt für die Bandemsten⸗

steuer ein und sagt für die Ausarbeitung der Ausführungsbestim⸗ mungen, insbesondere bezüglich des Paragraphen 45, die möglichste Berücksichtigung des Handels zu.

Damit schließt die Besprechung.

Vor der Abstimmung über § 1 wird ein Kompromiß⸗ antrag Dr. Blunck (Dem.) und Gen. angeonmmen, im ganzen Gesetz den Ausdruck „Reichsminister der Finanzen“ durch „Reichsfinanzministerium“ zu ersetzen, und die Bezeichnung „Staatenausschuß“ durch die Bezeichnung „Reichsrat“ zu er⸗

51 wird hiernach unverändert angenommen. Ebenso § 2. 11“ 83 handelt von der Verwendung und Besteuerung von Tabakersatzstoffen und bestimmt u. a., daß Tabakersatzstoffe nur nach näherer Bestimmung des Reichsfinanzministeriums ver⸗ wendet werden dürfen.

Abg. Dr. Philipp (D. Nat.) begründet einen Antrag statt „Reichsfinanzministerium“ zu sagen „Reichsrat“. Die Gründe, war⸗ um wir das Reichsfinanzministerium bzw. den Reichsfinanzminister auslassen wollen, sind durchaus nicht persönlicher Natur. Wir halten es aber für bedenklich, einem einzelnen Reichsminister eine so weit⸗ gehende Vollmacht zu geben, solange wir im Deutschen Reich einen

Bundesstaat haben. 8

Abg. Blunck (Dem.): Ich glaube die Herren (zu den Deutsch⸗ nationalen) schießen mit Kanonen nach Spatzen. Wir haben doch ge⸗ rade unabhängige Reichsminister geschaffen, um nicht den Reichsrat mit allen möglichen Kleinigkeiten zu belasten, und um eine solche handelt es sich hier. Namens meiner politischen Freunde bitte ich Sie, dem § 3 einen neuen Absatz hinzuzufügen, wonach jede aus Tabakersatzstoffen hergestellte Zigarette den Aufdruck „Ersatzstoff“ und jede aus Tabak unter Mitverwendung von Ersatzstoffen herge⸗ stellte Zigarette den Aufdruck „Mischware“ zu tragen hat.

Damit schließt die Besprechung.

Der deutschnationale Antrag wird abgelehnt.

Der Antrag Dr. Blunck (Dem.) wird angenommen und mit dieser Aenderung der ganze § 3, ebenso der § 4.

§ 5 behandelt die Steuertarife.

Abg. Arnstadt (D. Nat.) begründet dazu einen Antrag seiner Partei mit niedrigeren Tarifen für Zigarren und höheren für Ziga⸗ retten, ferner für niedrigere Besteuerung der Rauchtabake.

Abg. Stock (Soz.): Die in der⸗Ausschußfassung enthaltenen Vorschläge sind das Ergebnis einer sehr verwickelten Arbeit; menn einzelne Teile, wie die Deutschnationalen es wollen, geändert werden, wird das Ganze auseinandergerissen.

Unter Ablehnung sämtlicher Abänderungsanträge wird da⸗ nach § 5 in der Ausschußfassung mit großer Mehrheit ange⸗ nommen.

Das Gesetz wird darauf ohne weitere Debatte angenommen.

Präsident Fehrenbach schlägt vor, die Verhandlungen auf morgen nachmittag 3 Uhr zu vertagen, um den Rest der heutigen Tagesordnung unter Einfügung des Umsatzsteuergesetzes zu erledigen. Zur Geschäftsordnung bemerkt

Abg. Dr. Schiele (D. Nat.): Seine Partei erhebt Einspruch gegen die Verdoppelung. Diese Vorlage und die Umsatzstever müssen bei der Wichtigkeit der Materie einen besonderen Punkt der Tages⸗ ordnung bilden. Höchstens ließe sich letztere mit der Beratung der Reichsnotopfer verbinden.

„Abg. Dr. Schiffer (Dem.): Daß umfangreiche Gesetze kommen würden, war bekannt, und ebenso, daß diese Gesetze rasch erledigt werden müssen. Ohne gemeinsame Beratungen sind wiederum auch Wiederholungen unvermeidlich.

Abg. Loebe (Soz.): Wir bitten doch die Umsatzsteuer morgen abzusetzen. 1

Abg. Dr. Philipp (D. Nat.): Wir sind nur gegen die Ver⸗ koppelung, denn es erscheint unmöglich, über die Umsatzsteuer und die Abgabenordnung gleickzeitig zu sprechen.

Abg. Becker⸗Hessen (D. V.): Der Vorschlag des Präsidenten ist richtig. Die Verkoppelung ist insofern unbedenklich, als die Gegenstände auf die einzelnen Fraktionsredner verteilt werden können.

Abg. Groeber (Zentr.): Die Reichseinkommensteuer wird und muß kommen. Die Sozialdemokratie soll doch kein Mißtrauen gegen ihre eigenen Minister haben, daß sie eine Einkommensteuer ein⸗ bringen, die der sozialistischen Anschauung nicht entspricht.

Abg. Schiffer (Dem.): Die Umsatzsteuer ist von sozialdemo⸗ kratischen Ministern ohne die Einkommensteuer eingebracht worden. Die Beratung präjudiziert auch durchaus nicht die Erledigung. In den Widerstreit zwischen der Sozialdemokratie im Hause und in der Regierung mich einzumischen, habe ich keine Veranlassung.

Abg. Loebe (Soz.): Wir hegen nicht Mißtrauen gegen unsere Minister, sondern ein kleines Mißtrauen gegen die Mehrheit in diesem Hause. (Bewegung.) Damit müssen wir über den Endausfall der Abstimmung Klarheit zu gewinnen suchen.

Reichsminister Erzberger: Als Abgeordneter ist mir bekannt, daß zu einem Mißtrauen gegen die Regierung keine Veranlassung vor⸗ liegt. (Heiterkeit.) Die Einführung einer Reichseinkommensteuer wäre dringend. Bis Ende September oder Anfang Oktober wird die Garantie für die Reichseinkommensteuer gegeben sein, und bis dahin wird die Umsatzsteuer noch lange nicht verabschiedet sein, wird aber die letztere morgen nicht in erster Lesung erledigt, dann vperlieren wir mindestens einen kostbaren Monat. Mit diesen Erklärungen, die nicht ohne Information aus Regierungskreisen abgegeben werden (Große Heiterkeit), können Sie sich begnügen.

Das Ergebnis der Abstimmung über den Vorschlag des Präsi⸗ denten bleibt zweifelhaft. Es muß Auszählung erfolgen. Für den Vorschlag werden 103, gegen denselben 85 Stimmen abgegeben. Präsident Fehrenbach: Damit ist der Vorschlag des Präsi⸗ denten angenommen, aber gleichzeitig die Beschlußunfähigkeit des Hauses festgestellt. (Heiterkeit.) Es ist daher Sache des Präsidenten, ie Tagesordnung festzusetzen. (Gr. Heiterkeit.) Ich setze die nächste

Sitzung fest auf morgen nachmittag 3 Uhr mit der Tagesordnung: nfragen, Rest der heutigen Tagesordnung, Umsatzsteuer. 8

Schluß 81 4 Uhr.

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Die Korrespondenz Hoffmann meldet amtlich: Die bayeri⸗ sche Staatsregierung hat bei einer Anfrage nach der Rück⸗ kehr unserer Gefangenen neuerdings die Reichsleituna ersucht, alles daran zu setzen, die sofortige Rückkehr der Kriegs⸗ gefangenen zuermöglichen. Die Reichsleitung hatdarauf⸗ hin mitgeteilt, daß nahezu täglich bei der Entente in Versailles Vor⸗ stellungen wegen unserer noch zurückgehaltene Gefangenen erhoben würden. Die Entente nehme aber nach wie vor den Stand⸗ punkt ein, daß gemäß dem Friedensvertrage erst nach Rati⸗ fizierung die „baldmöglichste Rücksendung“ der deulschen Krieasgefangenen zu beginnen habe. Da von den Staaten der Entente die Ratifizierung erst anfangs September zu er⸗ warten sei, würden wir mit der Rückkehr der Gefangenen von Mitte September ab zu rechnen haben. Die bayerische Staatsregierung wird auch weiterhin nichts unversucht lassen, die baldigste Rückkehr der Gefangenen zu ermöglichen. Der Wille unserer Kriegsgegner ist allerdings letzten Endes ent⸗ scheidend 1 X“

Ungarn.

Gegenüber ausländischen Blätterstimmen, die zwar die Wendung in Ungarn als einzig mögliche Lösung bezeichneten, nichtsdestoweniger aber unter dem Gesichtspunkte der republika⸗ nischen Demokratie mit einer gewissen Besorgnis ansähen, da sie hinter dem Auftreten des Erzherzogs Josef als Gouverneur von Ungarn monarchistische Bestrebungen befürchteten, wünscht das „Ungarische Telegraphenkorrespondenzbüro“ die wahre Be⸗ deutung des Unternehmens des Erzherzogs Josef durch den Hinweis darauf klarzustellen, daß die vom Erzherzog Josef ernannte Regierung erklärt habe, den Erzherzog Josef als Gouverneur von Ungarn anzuerkennen, bis die Nation die Staatsform Ungarns auf konstitutionellem Wege fest⸗ gestellt haben werde. Ferner habe der Erzherzog im Amts⸗ blatte der Regierung über die Bedeutung seiner Aufgaben als Gouverneur eine amtliche Erklärung abgegeben und auf Be⸗ fragen erklärt, daß er nicht im Interesse der Monarchie arbeite, sondern in der geradezu trostlosen Lage Ungarns auf von allen Seiten an ihn gelangte Aufforderungen hin die Aufgabe über⸗ nommen habe, bis zur Wahl der Nationalversamm⸗ lung die Tätigkeit zur Rettung des Vaterlandes zu leiten und die freie und unheeinflußte Willensäußerung der Nation zu sichern, damit sie durch eine Vertretung auf Grund des allgemeinen Wahlrechts selbst über ihre Staatsform und über ihre Zukunft entscheide. So⸗ bald die Nationalversammlung zusammentrete, sei seine Tätigkeit von selbst zu Ende; die Entscheidung der Nationalbversammlung werde allen heilig sein. Somit erklärt das „Ungarische Tele⸗ graphen⸗Korresponden⸗Büro“ es als zweifellos, daß die freie Kundgebung des Willens der Nation gegen jedermann und jeden Einfluß zur Geltung kommen werde.

Laut Ungar. Tel⸗Korr.⸗Büro haben am Sonntag die Führer fast aller politischen Parteien Ungarns dem Erzherzog Josef ihre Anschauungen darüber dargelegt, was sie für wünschenswert halten, um das Land aus der gegen⸗ wärtigen schwirrigen Lage zu führen.

Wie die Blätter melden, fand am Sonntag in Fürsten⸗ feld eine Massenversammlung der Bevollmächtigten von 331 westungarischen Gemeinden statt, die eine Ent⸗ schließung annahm, in der gegen die Bestrebungen zur Schaffung einer westungarischen Autonomie Einspruch erhoben und behufs baldigen Anschlusses Deutsch⸗Westungarns an Deutsch⸗Oesterreich die Durchführung der Volksabstimmung unter neutraler Kouttolle gefordert wird. Die Entschließung wurde dem Staatskanzler Renner telegraphisch übermitlelt.

Frankreich. .“

Der Oberste Rat der Alliierten trat gestern Nach⸗ mittags zusammen, um sich mit den ungarischen Angelegen⸗ heiten zu beschäftigen, namentlich aber mit der an den Rat gerichteten Botschaft des Erzherzugs Joseph. Vormittags tagte die Kommission, die die Ausführung des Friedensvertrags mit Deutschland durchzuführen hat, unter Vorsitz von Tardieu. Es tagten ferner die polnische Kommission, um das Statut für Ost⸗ galizien festzusetzen, die Spitzbergenkommission und die Finanz⸗ kommission, die die österreichischen Gegenvorschläge auf den Friedensvertragsentwurf zu prüfen hat.

Schweiz. Die gestrige Volksabstimmung hat mit 195 135 Stimmen gegen 77 675 Stimmen für frühere Neuwahlen zum Nationalrat, und zwar Verhältniswahlen,

entschieden.

„Temps“ meldet aus Kairo: Mustafa Kemal Pascha hat sich geweigert, der Aufforderung der türkischen Regierung, nach Konstantmopel zurückzukehren, Folge zu leisten. Er hat sich für unabhängig von der Türkei erklärt und läßt überall bekanntmachen, die Konstantinopeler Regierung habe das Vater⸗ land verkauft. Ex fordert alle Anhänger des Islams und alle Freunde der Türkei auf, sich ihm anzuschließen. Mustafa ver⸗ fügt über zwei revolutionäre Dioisionen. Zahlreiche Freiwillige schließen sich ihm an. Die türkische Regierung hat zwei Minister zu Verhandlungen in die aufständischen Gebiete ent⸗ sandt. Sie wird voraussichtlich auch Gendarmerietrupp diese Gebiete schicken. v1“

Estland.

Die Vereinigten Staaten von Amerika haben, wie dem „W. T. B.“ aus Helsingfors gemeldet wird, Estland eine Anleihe von 50 Millionen Dollar gewährt.

Handel und Gewerbe.

Ueber die Aufgaben der Messe in Frankfurt a M. wird dem „W. T. B. mitgeteilt: Zu den wichtigen Fragen der Neugestaltung des deutschen Wirtschaftslebens gehört die der Neu⸗ belebung und des Wiederaufbaus eines geregelten Güteraus⸗ tausches zwischen Deutschland und seinen Nachbar⸗ staaten sowie den überseeischen Ländern. Im Dienste des Ge⸗ dankens, den internationalen Handel möglichst rasch wieder in Gang zu bringen, soll die Frankfurter Einfuhr⸗ messe wirfen. Sie will dem deutschen Kaufmann, dem industriellen Gewerbetreibenden usw. Gelegenheit geben, direkt beim ausländischen Lieferanten Rohstoffe, Halb⸗ fabrikate u. a. zu bestellen und auf die eigenen, in Mustern auf der Messe aufgestellten Erzeugnisse, Fertigfabrikate usw. Bestellungen entgegenzunehmen. Die Messe kann also vom Ausland und Inland beschickt werden. Für das Inland steht sie auch Luxusstoffen offen. Die Lage Frankfurts, in unmittelbarer Nähe des befetzten Gebiets. an den Hauptverkehrswegen der Eisen⸗ bahnen und Wasserstraßen gelegen, läßt dsese Stadt als besonders geeignet erscheinen, eine Messe mit den Aufgaben, wie sie kurz ge⸗ schildert wurden, aufzunehmen. Die große Frankfurter Fest⸗ halle, ein Riesenbau, bietet außerordentlich günstige Möglichkeiten für die Unterbringung der Messe. Der Messebesucher findet alles, was er sucht, an einer Stätte vereinigt, wodurch ihm alle unnötigen Gänge erspart bleiben. Aber auch die Wohnungs⸗ und Verpflegungs⸗ frage ist gut gelöst. Nach den bes jetzt vorliegenden Anfragen ist mit einer sehr lebhaften Beschickung der Messe zu rechnen.

Die Berliner Geschäftsstelle der Handels⸗ kammer zu Frankfurt a. Main hat ihr Büro nach Berlin W. 8, Charlottenstr. 56, Fernsprecher Am:t Zentrum 7927, verlegt.

Hamb urg, 11. August. (W. T. B.) Heute vormittag fand eine Versammlung der Bankleitungen in der Börse statt, in der die Girobanken beschlossen, ihrer Kundschaft bekanntzugeben, daß sie die Laufenden Aufträge in Wertpapieren für die Ham⸗ burger Börse infolge des Ausstands der Bankbeamten gestrichen

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