1919 / 182 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 13 Aug 1919 18:00:01 GMT) scan diff

Bekanntmachung.

1 e Frau An na Leonhardt, geb. Dülsner, hier, ist auf Grund der Verordnung vom 23. September 1915, betr. die Ferabaltung unzuverläfsiger Personen vom Handel, die weitere Ausübung des Handels mit Milch unters

Halle, den 7. August 1919. Die Polizeiverwaltung. Glauert. ““ öq Die Molkerei Hofsmann in Tunnischken ist wegen Un⸗ zuverlässigkeit geschlossen worden. . Heinrichswalde, den 5. Außust 1919. Der Landrat. J. V.: Poll, Gerichtsassessor.

Michtamlliches, Deutsches Reich.

Gestern fand in Weimar eine Kabinettssitzung unter dem Vorsitz des Ministerpräsidenten Bauer statt, in der die Kommission für den Wiederaufbau, die in Versailles verhandelt hatte, Bericht erstattete. Die bisher erzielte An⸗ näherung zwischen der dentschen Anschauung und der der Ge⸗ genseite und die großen Schmierigkeiten, die dem Wiederauf⸗ bau noch entgegenstehen, wurden eingehend besprochen. Die Kommission fährt heute abend nach Verlin, wo in den nächsten Tagen die Einzelbesprechungen sortgesetzt werden.

Gestern vormittog begaunen im Gebäude des Bergbau⸗ lichen Vereins in Essen Nerhandlungen des Ausschusses zur Prüfung der Arbeitszeit im Berghau, der auf Grund einer Verordrung des Reschsarbeitsministeriums vom 18 Juni 1919 gebildet worden ist. Cröffnet wurde die Vor⸗ besprechung durch eine Ansprache des Vertreters des Reichs⸗ arbeitsmimsters, Ingenirus Luedemann, worauf Professor Francke den Vorsitz übervohm. Der Kommission gehören je sechs Vertreter der Arheitgeber und Arbeitnehmer und sechs Sachyerstänhdige an Nach eingehenden Verhandlungen wirde Tazegg beute ve mittag im Städtischen Sgalbau eine öffent⸗ liche Sitzung abzuhelten mit folgender Tagesordnung: Er⸗ öffnungsonsprache des Vertreters des Reichgarbeitsministers über Zweck, Aufgabe, Rechte und Pflichten der Kammission. Es schießt sich je ein Berich“ des Vertreters der Arbeitgeber und desjenigen der Arbeitnehmer über die Arbeitszeit im Berobau an. Dann wird über das Arbeitsprogramm des Aus⸗ schusses berichtet werden.

Fundsachen. Die 35. Nummer der Lise „Unermittelie Heeresangehörige, Nachlaß⸗ und Fundsachen“ ist am 1. Nugust 1919 ols Beilage zur „Deutschen Verlustliste“ erschienen. Vervollständigt wird die Liste durch ein Namensverzeichnis von Gefallenen und Vermißten, deren Angehörige nicht zu er⸗ mitteln waren. Eine Bildertafel liegt der Liste diesmal nicht hei. Die Liste kann zum Preise von vierteljährlich 50 durch die Post bezogen werden. Einzelexemplore (zum Prelse von 20 einschl. Porto) sowse 6 ältere Nummern nach freier Wahl des Bestellers (zum Preise van 60 einschl. Porto) können, soweit der Vorrat reicht, gegen Voreinsendung des Betrages von der Norddeutschen Buchdruückerei in Berlin, Wilhelmstroße 32, bezogen werden.

e 1 8 4 Unermittelte Heeresangehörige, Nachlaß⸗ und e 4

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Zahlreiche Famili ei

n sind aus den hesetzten oder abzutretenden Gebi

de: en nach dem Innern Deutsch⸗ lauds geflüchtet. Mancher heimkehrende Kriegs⸗ gefaugene wird seiye Angehörigen nicht finden, wenn er nach ihtem fräheren Wohnort reist. Um den Heimgekehrten unnötige Reisen zu ersparen, wird den in Frage kdmmenden Familien geraten, ihren jetzt nech in Gefangenschaft befind⸗ lichen Angehörigen den neuen Aufenthaltsort umgehend

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mitzuteilen.

Preußen.

In der Eisenbahnabteilung des Ministeriums der öffentlichen Arbeiten in Berlin fand vorgestern abend eine Sitzung der Vertreter sämtlicher Beamtenfachverhände stalt, die der Minister aus Anlaß der letzkten Erfurter Vorgänge zusammenagerufen hatte. Minister Oeser sührte laut „W. T. B.“ den Erschienenen den ungeheuren Ernst der Lage des deutschen Wirtschaftslebens und die sich daraus ergebenden schweren Aufgaben für die Eisenbahnverwaltung und ihre Beamtenschaft vor Augen; unter voller Anerkennung der Tatsache, daß der weitans überwiegende Teil der Beamten bieher seine Pflicht tren erfüllt habe, wies er auf das Unverantwortliche der Machenschaften hin, die von einer kleinen Zahl von Männern betrieben werden. Er betonte, daß er stelts für eine Demokratisierung zu haben sei, die darin hestehe, daß Männern. die durch Leistungen und Können aus⸗ gezeichnet seien, der Weg zu allen Stellen geöffnet werde; durch die Errichtung von Fachschulen wolle er jedem Beamten

die Möglichkeit geben, sich die dazu erforderlichen Kenntnisse anzueignen. Zugleich aber wies er es unter lebhaftestem Beifall der gesamten Versammlung weit von sich, agitatorische Betätigung zu unterstützen oder durch Beförderungen zu be⸗ lohnen. Aus der Versammlung heraus wurden die Erfurter Vorgänge scharf verurteilt und einstimmig zum Ausdruck age⸗ bracht, daß die Fachverbände und ihre Mitglieder jede Ge⸗ meinschaft mit derartigen Bestrebungen ablehnten.

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Sämtliche Behörden, Landratsämter, Stadtverwalkungen, Ortsporstände ꝛc. werden gebeten, alle aus der Gefangen⸗ schaft oder Internierung zurückkehrenden Militär⸗ personen, die sich bei ihnen melden und nicht mit einem von einem Durchgangslager ausgestellten Entlassungsschein ver⸗ sehen sind, unter Angabe folgender Punkte an das Zentral⸗ Nachweisebüro des Kriegsministeriums, Berlin NW. 7, Dorotheenstraße 48, zu melden: 8 1. Aus welcher Gefangenschaft ist der Gefangene usw. zurück⸗ gekehrt. 2. Truppenteil, bei dem der Zurückgekehrte bei seiner Ge⸗ fangennahme gestanden hat. 3. Dienstgrad. 4. Familien⸗ und Vor⸗ 5. Zivilberuf. 6. Ort und Tag der Gefangennahme.

dresse, unter welcher den Zurückgekehrten Nachrichten erreichen.

Statistik und Volkswirtschaft. Arbeitsstreitigkeiten. Aus Kattowitz wird dem „W. T. B.“ durch die Presseslelle des Staatskommissariats gemeldet: Der Streik im ober⸗ schlesischen Kohlenrevier greift immer weiter um sich. Man kann den Ausstand auf gut 60 vH des gesamten oberschlesischen Kohlenbergbaues bemessen. Sehr be⸗ dauerlich ist wieder der Schaden, der der deutschen Volkswirtschaft durch diesen neuerlichen politischen Streik erwächst. Nach nur oberflächlicher Berechnung dürfte der Lohnausfall dieser beiden Streiktage etwa eine Million Mark betragen, der Wert der aus⸗ gefallenen Kohlenförderung aber etwa vier Millionen Mark. Die bereits genannten Gruben streiken noch weiter. Hinzugekommen sind: Gräfin Laura und Richterschächte von der Vereinigten Königs⸗ und Laurahütte, Carstenzentrum, Berginspektion 4, Knurow, Branden⸗ burg⸗ und Heinitzgrube. Auf Deutschland⸗ und Schlesiengrube ist kein Mann vorhanden. Die Notstandsarbeiten werden notdürftig von Stelgern und Beamten ausgeführt. Auf den übrigen Gruben werden die Notstandsarbeiten von übertägigen Arbeitern und Arbeite⸗ rinnen auch nur notdürftig ausgeführt. Der Ausstand ist rein politisch. Oekonomische Forderungen sind überhaupt nicht gestellt worden. Ein sogenannter De egsertenverband hat fol⸗ gende Forderungen formuliert: „Um der ernsten Gefahr eines Generalstreiks vorzubeugen, wird um Durchführung nachfolgender Forderungen ersucht: 1) Restlose und sofortige Einstellung derjenigen Arbeiter, denen gekündigt worden ist, beziehungsweise die bereits ent⸗ lassen sind. 2) Zu der Einstellung der Grenzschutzleute in ihr früheres Arbeitsverhältnis kann erst dann Stellung genommen werden, wenn zu Punkt 1 sämtliche entlassenen Arbeiter eingestellt sind. 3) Ent⸗ lassung der politischen Gefangenen. 4) Une ngeschränkte An⸗ erkennung des Delegiertenverbandes der Obleute Oberschlesiens als vertragsmäßigen Stand. 5) Volle Garantie für ungestörtes Tagen der Delegierten und unentgeltliche Zurverfügungstellung eines Raumes und von Büroräumen nebst dem dazu gehörigen Inventar. 6) Volle Entschädigung derjenigen Delegierten, die die Interessen der Arbeiterschaft vertreten. Es werden vier bis fünf Personen in Betracht kommen, die künftig ihren Sitz in den geforderten Räumen haben werden. 7) Aufbebung der Grenzsperre und des Belagerungszustandes.“

Wie „W. T. B.“ ferner erfährt, sollte gestern noch versucht werden, Verhandlungen einzuleiten.

Zum Ausstand der Kalibergarbeiter in Mittel⸗ deutschland wird der „Berliner Börsenzeitung“ gemeldet, daß in den Revieren des mitteldeutschen Braunkohlen⸗ gebietes keine Neigung besteht, in einen Sympathie⸗ streik einzutreten. Die vom Bezirksbergarbeiterrat in Halle ein⸗ berufene Sitzung der Vertreter ausständiger Kalt⸗ arbeiter hat mit 23 gegen 20 Stimmen die sofortige Wie deraufnahme der Arbeit beschlossen. Tatsächlich haben die streikenden Belegschaften gestern vormittag auch bereits die Arbeit wieder aufgenommen.

Zum Bankbeamtenausstand in Hamburg erfährt die „Berl. Börsenztg.“, daß am heutigen Mittwoch Vermittlungs⸗ verhandlungen, an denen ein Vertreter des Reichsarbeitsministeriums teilnimmt, beginnen sollten. Von der Zentralstreikleitung wird dem „W. T. B.“ faitgeteilt, daß auch der gestrige Tag eine Klärung der Lage nicht gebracht habe. Nachmittags waren Vertreter der Streikleitung zum Demobilmachungskommissar geladen. Die Ver⸗ handlungen hatten jedoch nur informatorischen Charakter. Auch in Chemnitz und Dresden spitzt sich die Lage zu. Die Ber⸗ liner Bankan 9 estellten sollten heute in zwei Versammlungen zum Hamburger Ausstand und der Haltung der Berliner Bank⸗ leitungen Stellung nehmen.

In Nürnberg ist der Ausstand der Angestellten im Buchdruck⸗ und Zeitungsgewerbe, „W. T. B.“* zufolge, gestern vormittag beendet worden.

Nach einer von „W. T. B.“ übermittelten Meldung des holländischen Blattes „Telegraaf“ aus London, hält der Aus⸗ stand in Yorkshire noch immer an, ohne daß Anzeichen vor⸗ handen sind, die auf eine baldige Beilegung hinweisen. Die Folgen dieses Ausstands sind aus einer im Parlament gegebenen Mittei⸗ lung ersichtlich, wonach die Erzeugung der englischen Bergwerke in der letzten Juliwoche 2 357 854 Tonnen betrug gegen 4 806 933 Tonnen in derselben Woche im Jahre 1918.

Aus HBasel meldet die „Schweizerische Depeschen⸗Agentur“, daß der Vorstand des sozialdemokratischen Arbeiterbundes bekannt gibt, 8 über Basel die allgemeine Sperre für alle Berufe verhängt winrd; sie soll solange dauern, bis alle Maß⸗ regelungen feitens der Unternehmer zurückgezogen sind.

Einer Havas⸗Reutermeldung aus Brüssel zufolge hat der Nationalkongreß der belgischen Eisenbahn⸗, Post⸗, Telegraphen⸗ und DTelephonangestellten heschlossen, im Falle eines Ausstands der Regierung Arbeiter zur Ver⸗ fügung zu stellen, die für die Bewachung des Materials und die Aufrechterhaltung des geregelten Eisenbahnbetriebs sorgen sollen, damit die Versorgung des Heeres und der Bevölkerung mit Lebens⸗ mitteln nicht beeinträchtigt wird.

Zur Angestelltenbewegung in der Berliner chemi⸗ schen Industrie (vgl. Nr. 177 d. Bl.) teilt der „Berl. Börsen⸗ Courier“ mit, daß in einer am Montagabend abgehaltenen Ver⸗ sammlung von Angestellten folgende Entschließung ge⸗

faßt wurde: „Die Versammlung erklärt die Angebote der Arbeitgeber in dezug auf Entlohnung der Angestellten für unan⸗ nehmbar. Besonders vermissen die Angestellten die Bewilli⸗ gung der Wirtschaftsbeihilfen. Als unerläßliche Bestimmung des Tarisvertrags betrachten sie das Mitbestimmungsrecht der Angestellten. Sie beauftragen die Arbeitsgemeinschaft freier Angestelltenverbände, schleunigst den Schlichtungsausschuß unter Mitwirkung des Reichs⸗ arbeitsministeriums anzurufen. Sie setzen eine Frist bis zum 18. d. M., in der eine Entscheidung über den Tarisvertrag getroffen werden muß, andernfalls sie in den Ausstand treten.“

Nr. 73 des „Amtsblatt“ des Reichspostministeriums vom 7. August 1919 hat folgenden Inhalt: Verfügungen: Leitun der Briefsendungen für, die Vereiniagten Staaten von Amerika; Post⸗ verkehr mit Lektland; Neunter Nachtrag zum Verzeichnis teurer Orte usw.: Ermäßigung der Zeitungsgebühr und des Bestellgelds für Verlagsstücke bei kürzerer als einmonatiger Lieferung; Postverkehr mit dem Ausland; Aenderung der Verordnung über die Tagegelder, die Fuhrkosten usw. der Reichsbeamten; Postverkehr mit Elsaß⸗ Lothringen. Nachrichten.

Theater und Musik.

Am 11. d. M. starb in Berlin der Tenorist, Kammersänger Heinrich Ernst, der in den Jahren 1875—1890 dem hiesigen Opernhause als eines ihrer hervorragendsten Mitglieder angehörte.

1“ Mauuigfaltiges.

Die Zentralstelle für Berufsberatung und Lehrstellenvermittlung hat ihre Räume vom Koöllnischen Park 3 nach der Königgrätzer Str. 28 (Amt Nollendorf 832, 833, 834) verlegt. Die Zentralstelle bittet die gewerblichen Arbeitgeber sowie die Handwerksmeister aller Berufe, ihren Bedarf an männlichen und weiblichen Lehrlingen schon jetzt anmelden zu wollen, auch wenn augenblicklich noch kein Bedürfnis vorliegen sollte, da zahlreiche ge⸗

eignete Knaben und Mädchen mit guten Zeugnissen, die zum Herbst

1 * 8 5 aus der Schule entlassen werden, ihre Bewerbung bei der Zentral⸗ stelle eingereicht haben. Sprechstunden sind vom 1. Auguft bis 31. Oktober werktäglich von 10 5 ½ Uhr, in den übrigen Monaten von 9 —- 3 Uhr.

Bei den Luftkämpfen auf dem Armeesportfest im Deut⸗ schen Stadion im Grunewald am Freitag und Sonnabend werden die besten deutschen Kampfflieger im Schulfliegen und in Geschwaderkampf ihre Leistungen vorführen. Unter den neun aus⸗ gewählten Fliegern besitzen 6 die höchste deutsche Auszeichnung, den Orden Pour le Mérite. Es werden teilnehmen: Hauptmann Loerzer, Oberleutnant Freiherr von Boenigk, Oberleutnant Greim, Leutnant Jakobs, Leutnant Büchner, Leutnant Blume, Dahlmann, Mai, Bussenye. Die Luftkämpfe finden gegen Schluß des reichhaltigen Programms, das die sportliche Auslese des deutschen Heeres zeigt, tatt. Die Flieger treten, wie schon mitgeteilt wurde, auch bei der Nachrichtenstaffel in Tätigkeit. Die Kämpfe beginnen täglich 4,30 Uhr, die Borkämpfe am morgigen Donnerstag 3 Uhr. Die Preise der Plätze betragen am Donnerstag 1 ℳ, an den beiden anderen Tagen: Loge 6 ℳ, Eintritt für alle Sitz⸗ und Stehplätze 2AML..

Aus New York wird dem „W. T. B.“ berichtet: „Das amerikanische Hilfswerk für Deutschland hat nach Anfrage beim Zentralkomitee des Roten Kreuzes in Berlin von diesem unter enger Mitarbeit des Reichsgesundheits⸗ amts und des Reichsernährungsamts die folgenden Sachen zur bald⸗ möglichsten Verschiffung nach Deutschland empfohlen erbalten: 400 000 Kisten süßer kondensierter Milch von je 48 Dosen, 300 Tonnen Lebertran, 1000 Tonnen reines Fett, 100 000 Gros Eier für bedürftige Kinder, Kranke und alte Leute. Sodann eine möglichst große Anzahl Frauen⸗ und Kinderunterzeug und Wolljacken.“ Da das amerikanische Liebesunternehmen sehr großzügig aufgebaut ist, so beabsichtigt das Rote Kreuz von Zeit zu Zeit berechtigte Wünsche nach den Vereinigten Staaten weiterzugeben, die ihm etwa von geeigneter Seite nahegelegt werden. Um nun den in Deutschland bestehenden Bedürfnissen bei der Verwaltung dieser amerikanischen Hilfssendungen wunschgemäß zu entsprechen, ist ein Reichsehrenausschuß in der Bildung begriffen, der den be⸗ stehenden Stellen des Roten Kreuzes beratend zur Seite treten seoll, und war werden dabei die verschiedenen Landesteile gleichmäßig berücksichtgt. Die Namen der Mitglieder dieses Ehrenausschusses werden in Kürze bekanntgegeben.

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Kiel, 12. August. (W. T. B.) Heute vormittag sind in der Kieler Reichswerft durch eine Explosion auf einem Minenprahm sechs Personen getötet, vier verletzt worden. Außerdem haben auf der benachbarten Germaniawerft zwei Arbeiter durch umherfliegende Trümmer Verletzungen erlitten. Durch den gewaltigen Luftdruck sind bis weit in die Stadt hinein zahlreiche Fensterscheiben zertrümmert.

Dresden, 12. August. (W. T. B.) Die General⸗ direktion der sächsischen Staatseisenbahnen teilt mit: Da neuerdings wiederum in den oberschlesischen Koblen⸗ bezirken Ausstände der Arbeiter eingetreten sind, wird die ohnebin außerordentlich ungünstige Versorgung der sächsischen Stsats⸗ eisenbahnen mit Kohlen so verschlechtert, daß bereits für die nächsten Tage mit einer weitgehenden Einschränkung des Zug⸗ verkehrs, insbesondere der Personenzüge, gerechner werden muß. G

London, 11. August. (W. T. B.) Die Arbeiten zur Bergung des Dampfers „Laurentic“, der während des Unterseebooikrieges an der Küste von Donegal versenkt wurde, förderten, wie „Reuters Büro“ meldet, eine Million Pfuud Sterling in Goldbarren zutage. 1

Paris, 12. August. (W. T. B.) Die Lebensmittel⸗ teuerung verursacht jeden Tag neue Zwischenfälle. In der entralhalle kam es am Montagmorgen zu erregten Szenen, da die leinhändler des Eier⸗, Butter⸗ und Käsehandels die festgesetzten Preise für zu hoch fanden. Die Kleinhändler schlossen sich zusammen, um gegen die seit einigen Tagen in verschiedenen Stadtvierteln eschaffenen Ueberwachungskomitees Einspruch zu erheben, deren Tätigkeit sie nicht für geeignet halten, die Verkaufspreise festzusetzen.

(Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten Beilage.]

Am 9. d. Mts. verschied nach längerem schweren Leiden, im besten Mannesalter stehend, das Mitglied unserer Kammer

Herr Kommerzienrat Wilhelm Fühndrich

Inhaber der Firma C. W. Fähndrich und Fähndrich & Co., Tuchfabriken in Luckenwalde⸗Elsthal.

Der Verstorbene, der in der Pflege der wirtschaftlichen Interessen seines Heimatskreises eine führende Stelle ein⸗ genommen hat, hat auch uns mit seiner Erfahrung und wohlüberlegtem Rat zur Seite gestanden und hat durch seine lebenswürdige, herzliche und lautere Art in unserem Kreise viel Freundschaft gegeben und gefunden. Wir werden uns seiner steis in Dantbarkeit erinnern. [49865]

Die Handelskammer zu Berlin. von Mendelssohn.

v. ₰â2 . . 7 2 1 1„* †*.; ö

Verlobt: Frl. Dorotheg Heinze mit Hrn. Gerhard Frhru. von Kittlitz (Brieg). Frl. Margarete Mackensen mit Hrn. Haupt⸗ mann Eberhard von Mackensen (Geglenfelde).

Gestorben: Hr. Oberstleutnant a. D. Fritz von Hertell (Cassel). Hr. Major z. D. Lou's von Koseritz (Dessau). Hr. Major Hosemann (Ruhden, Ostpr.). Hr. Kammerherr Curt von Bülow (Dieskau).

Verantwortlicher Schriftleiter: Direktor Dr. Tyrol, Charlottenburg.

Verantwortlich für den Anzeigenteil: Der Vorsteher der Geschäftsstella. Rechnungsrat Mengering in Berlin.

Verlag der Geschäftsstelle (Mengering) in Berlin. Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlagtanstall. Berlin, Wilhelmstraße 32. 8 Drei Beilagen d (eiinschließlich Vörsenbeilage)8ef. und Erste. Zweite und Dritte Zentral⸗Handelsregister⸗Beilage,

sowie die Inhaltsangabe Nr. 32 zu Nr. 5 des Bffeutlichen Anzeigers

„kundige Entstellungen der Tatsocken

Ne

Deutsche Nationalversammlung

in Weimar. .Sitzung vom 12. August 1919, 3 Uhr Nachm. †☚. (Bericht ven Wolffs Telegraphenbüro.)

Am Regierungstische: die Reichsminister Müller, Erzberger, Dr. Bell.

Präsident Fehrenbach eröffnet die Sitzung um 3 Uhr 15 Min. Anfragen.

Abg. D. Mumm (D. Nat.) fragt, unter. Bezugnahme auf eine Reihe von Einzelfällen, in denen selbst unter Ausnutzung der Portofreiheit speziell durch die „Zentrale für Heimatdienst“ sozia⸗ istische Literatur verbreitet worden sei, wieviel Steuergelder bisher für diese Zwecke verwandt worden seien, und ob die Regierung die schuldigen Beamten zur Rechenschaft ziehen und ersatzpflichteg. machen wolle.

Geh. Regierungsrat Weber erwidert, daß über die in der Anfrage behaupteten Vorgänge Feststellungen angeordnet seien, die aber noch nicht zum Abschluß gelangt seien.

Abg. v. Graefe (D. Nat.) fragt, unter Bezugnahme auf Pressenachrichten, nach denen in englischen und amerikanischen Ge⸗ fangenenlagern den deutschen Kriegsgefangenen mitgeteilt worden set, daß ihre beschleunigte Heimkehr nach Deutschland seitens der deutschen Regierung nicht gewünscht, ja sogar durch die Weigerung der deutschen Regierung, die Vorbereitungen zum Abtransport in die Wege zu leiten, verhindert werden: Ist die Reichsregierung bereit, darüber Auskunft zu geben, welche Vorbereitungen tatsächlich zu einer raschen Rückkehr getroffen, namentlich welche diplomatischen Schritte unternommen worden sind, um der weiteren Zurückhaltung der Kriegsgefangenen ein Ende zu machen?

Reichsminister des Acußeren Müller: In einem Teil der Presse ist in den letzten Tagen wiederholt die Behauptung aufge⸗ stellt worden, die Regierung habe nicht alles getan, was möglich war, um die schleunige Heimbeförderung der deutschen Kriegsgefan⸗ genen zu ermöglichen. Diese und ähnliche Behauptungen haben sic zu Angriffen auf die Regierung verdichtet, die zur Rechtfertigung ich auf Aeußerungen aus englischen Gefangenenlagern berufen. So bringt die „Deutsche Zeitung“ vom 6. August 1919 ein Bruchstück zus dem Briefe eines in einem englischen Gefangenenlager befindlichen deuischen Vizefeldwebels, in welchem bebauptet wird, de folgender Befehl zur Bekanntmachung an die deutschen Gefangenen vorgelesen wurde: „Die britische Regierung wünscht allen Kriegs⸗ gefangenen bekanntzugeben, daß trotz wiederholter Aufforderung an die deutsche Regierung noch keine Delegierten eingetroffen sind, um über Maßregeln der Rückbeförderung der Kriegsgefangenen zu be⸗ raten. Bevor diese Delegierten nicht eintreffen, um Vorkehrungen für den Transport zu treffen, kann nichts getan werden.“ Nach anderen Nachrichten sollen die englischen Behörden in Malta den Gefangenen erklärt haben, die Schuld an der Hinausschiebung ihrer Heimkehr liege ausschließlich bei der deutschen Regierung, die in pflichtwidriger Weise Schöffe zur Abholung schicke. Die deutsche Regierung kann es vorerst nicht glauben, daß sich derartige offen⸗ Tats in offiziellen Befehlen und Be⸗ kannimackungen der englischen Lagerbehörde befinden: sie hat unvarzüglich: Schriite unternommen, um den Sachverhalt klären und um Abhilfe zu schaffen. Im übrigen stellt Regierung feost: Bei Abschluß des ersten Waffenstillstandes und fortlaͤufend während darauffolgenden Verhandlungen bis zum Beginn der Fried in Venrsailles ist unablässig versucht worden, die Heimkehr⸗ Kriegsgefangenen zu veranlassen, wie ja auch wir uns im Waffenstillstand zu sendung sämtlicher feindlicher Kriegsgefangenen verpflichtet Anerkennung der selbstverständlichen Pflicht, die Kriegsgefangense nicht zur Sklarerei ausarten zu lassen, findet sich im Artikel 215 Friedensbertrages, welcher lautet: „Die Heimschaffung der deutschen Ktiegsgefangenen und Zivilinternierlen wird gemäß den in Artikel 214

festgesetzten Bedingungen durch einen gemischten Ausschuß veranlaßt,

der aus Vertretern der alliierten und assoziierten Mächte einerseits und der deutschen Recierung andererseits besteht. Für jede der alliierten und assozlierten Mächte regelt ein Unterausschuß, der sich nur aus Vertretern der beteiligten Siaaten und Abgeordneten der deuischen Re gisrung zusammensetzt, die Einzelbeiten der Heimschaffung der Kriegs gefangenen.“ Arlikel? setzt ausdrücklich fest, daß die Heimschaffung der Krlegsgefangenen nach Inkrafttreten des Friedensvertrages erfolgen soll. Der Vertrag tritt aber erst in Kraft, wenn er von drei der geg⸗ nerischen Hauptmächte ratifiziert ist. Bisher ist die Ratifikation in diesem Unfange noch nicht erfolgt. Der Vertrag ist also noch nicht in Kraft getreten und darauf können die alliierten und assoziierten Mächte formell ihre Weigerung stützen. Gleihwohl war die deutsche Regie⸗ rung unablässig lemüht, das Los der Gefangenen zu lindern und ihre frühere Heimschaffung zu ermöglichen. In einem Teil der seindlichen

gen aufgestellt worden, die Kriegsgefangenen zum Wiederaufbau zubebalten. Dagegen hat Graf Rantzau be⸗ reits in der Rede, bei der Ueberreichung des Entwurfs des Friedensvertrages am 7. Mai in Versailles hielt, protestiert. Am 10. Mai 1919 überreichte er ferner eine Note, in der vorgeschlagen wuͤrde, die kommissarischen Beratungen zur Klärung aller Vorfragen des Abtransporis schon jetzt, getrennt von dem übrigen Fragenkompler, krainnen zu lassen. Im weiteren Verlauf der Note wurde verlangt, daß alles geschehen müsse, um die seelische und körperliche Verfassung der Heimkehrenden zu heben und die Erieg

Presse war das Verl

efongenen beim Heim transport auf Kosten der deutschen Regierung mit neuer Unter⸗ und Zivi!⸗Oberkleidung sowie mit Schuhzeug zu versehen. Auf eine aus⸗ sreichende Antwort vom 20. Mai erfolgte scitens der Friedensdelegation unter dem 25. Mai eine weitere Note, in der ausgeführt wurde: „Die Weigerurg der alliierten und assoziierten Mächte, durch eine Aenderung der einschlägigen Bestimmungen das Los der Krieosgefangenen und Zivilgsfangenen sofort zu verbessern, ist auf das tiefste zu bedewern. Wenn die deutsche Note vom 19. Mai danon abgesehen hat, bestimmte Anregungen in dieser Richtung zu geben, so geschah dies mit Rüclsicht auf den darin enthaltenen Vorschlag, unverzüglich eine Kommission zur Prüfung der den Kriegs⸗ und Zivilgefangenen zu gewährenden Er⸗ leichkterungen zu ernennen. Diese Kommission, deren Einsetzung leider

der Weigerung der alliierten und assoziterten Mächte gescheitert ist,

2 u. a. den Zweck, den Postverkehr der Kriegs⸗ und Zivitgekangenen

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4

ihren Familien, der den einzigen seelischen Trost in ihrem Unglück 1

büldete, zu eulcichtern. Tatsächich erhalten die den

Zivilgefangenen in Eurcpa die Post mit einer Ve

destens 4 bis 5 Wochen, abcesehben von den zahlreichen Fe 84

Post beraubt eintrifft oder überhaupt verloren geht. Es sind unzählige

Fölle nachzuweisen, in denen deutsche Kriegsgefangene seit Ab⸗

schauß des Waffenstillstandes ohne jede Verbindung mit der Heimat 1.

ischen Kriegs⸗ und rspã

892

Fällen, wo die 1

tung von min⸗ 889

L

sind (Hört! Hört!). Weiter wäre es ganz allgemein die Aufgehe der Kommission geweien, Mittel und Wege zu finden, um durch höhere

Entlobnung bessere Unterbringung und Kost, erweiterte Bewegungs⸗ freiheit, Gewährloistung der Sonntagsruhe usw. die Lage der Kriegs⸗ urd Zivilgefonacnen in jeder Hinsichst zu heben und diese so vor dem völligen seelischen Zusammenbruch zu retten.“

Jse⸗ 1

sind, nachdem Deutschland restlos auch jene feindlichen Kriegsgefan⸗

In der Note wurde dann weiter gefordert, daß auch die Gefangenen ausgeliefert werden sollen, die wegen Verfehlungen aller Art mit Strafen belegt worden

ch, den

genen freigegeben hat, die wegen krimineller Verbrechen, in einem Falle sogar wegen Doppelmord, zur Strafe verurteilt worden waren. Am 28. Juni bat sodann der Gesandte von Haniel um Auskunft darüber, wann die im Artikel 215 vorgesehene Hauptkommission zusammentreten könne. Als keine Antwort erfolgte, richtete der Vorsitzende der deut⸗ schen Friedensdelegation an Herrn Clemenceau am 21. Juni die folgende Note: „In der Note Eurer Exzellenz vom 26. Mai 1919 ist mitgeteilt worden, daß die Vertreter der alliierten und assozijerten Mächte mit größter Bereitwilligkeit eine Kommission zum Zwecke der⸗ Heimschaffung der deuschen Kriegsgefangenen einsetzen werden, sobald der Friede unterzeichnet sei. Die deutsche Regierung hat den Frieden unterzeichnet und bereits ratisiziert. Sie ist indessen noch ohne Ant⸗ wort auf ihre Note vom 28. v. M., worin die Einsetzung der in Rede stehenden Kommission beantragt worden ist. Die deutsche Regierung darf um baldige Mitteilung über die Zusammensetzung und den Zeit⸗ punkt des Zusammentritts der Kommission zur Heimbeförderung der Kricgsgefangenen bitten. Als Vorsitzender der Kommission auf deutscher Seite wird Major Draudt bezeichnet, der sich bereits in Versailles befindet.“ Die deutsche Abordnung zu der im Artikel 215 vor⸗ gesehenen Hauptkommission weilt bereits seit Beginn der Friedensver⸗ handlungen in Versailles. Es ist also nicht wahr, daß die deutsche Regierung ihre Vertreter für diese Kommission noch nicht entsandt hätte; wahr ist im Gegenteil, daß die alliierten und assoziierten Mächte ihre Vertreter noch nicht ernannt haben. Solange diese Haupt⸗ kommission ihre Tätigkeit noch nicht aufgenommen hat, ist der Ab⸗ transport der Kriegsgefangenen nicht möglich. Die Schuld kann un⸗ möglich die deutsche Regierung treffen. Jetzt wird von Kreisen, die die Leiden unserer Kriegsgefangenen politisch auszuschlachten bestrebt⸗

sind, und die sich zur Aufgabe gestellt haben, aus der Zurückbehaltung der Kriegsgefangenen Agitationsstoff gegen die Regierung zu formen, immer wieder behauptet, die Regierung lasse es an dem nötigen Noch⸗ druck fehlen, obwohl diesen Kreisen ganz genau bekannt sein muß, daß die Regierung keinerlei Mittel in der Hand hat, um die gegnerischen Regierungen zu zwingen, die Herausgabe der Kriegsgefangenen zu be⸗ schleungen. Mit den Angehörigen der Kriegsgefangenen, mit dem ganzen deutschen Volke weiß sich die deutsche Regierung einig in der schärfsten Verurteilung der Zurückhaltung der Kriegsgefangenen, aber die Regierung verfügt nicht über die Macht und nicht über die Mittel, um die Leidenszeit der Kriegsgefangenen abkürzen zu können. Noch weniger wäre dazu natürlich cine private Vereinigung in der Lage, der überhaupt jede Möglichkeit fehlt, mit den Gefangenen in Verbindung zu kommen. In einer Sitzung, die am 1. August mitVertretern der alliierter und asso⸗ zlierten Mächte in Paris stattfand, hat der deutsche Vertreter, Frecherr von Lersner, neuerlich darum gebeten, endlich auf die Hriegsgefangenen⸗ frage einzugehen. Minister beur hat wrsprochen, dem Präsidenten menceau sofort Vortrag 1 hoalten. Die Reichsregierung wird nach wie vor aufs äußerste bestrebt sein, den hundenttausenden unglücklicher Familien ihre Väter, Männer und Söhne so schnell wie möglich wiederzugeben. Sie hofft auf die Einsicht unserer kriegs⸗ gefangenen Landsleute, daß sie sich nicht von den Irreführungen der Hetzpresse in den Ländern ihrer Gesoangenschinft rerführen lassen, solche Ungeheuerlichkeiten zu glaub s läge der Reichsregierung nichts an Partei⸗ und Finanzstandpunkt in dieser Frage des Blutes, diese Er⸗ kenntmnis wünscht die Reichsregierung cber auch denen, die sich nicht geschämt haben, parteipolitische Agitationen mit dem Leiden und dem schicksal unserer Kriegsgefangenen zu treiben. (Lebhafter Beifall und Zustimmung bei der Mehrhett.) Mit dem Schmerze verzweifelter Angehöriger will sie nicht rechten, so ungerecht diese Ausbrüche manch⸗ mal sind; aber politische Ausschlachtung dieses nationalen gemeinsam⸗ zu tragenden Unglücks weist sie mit Entrüstung von sich und weiß sich darin einig mit all den Kreisen dee Volkes, denen das Schicksal unserer Kriegsgefangenen warm und uneigennützig am Herzen liegt. (Stürmischer Beifall bei den Mehrheitsparteien.)

Abg. v. Graefe (D. Nat., zur Ergänzung der Anfrage): Der Herr Reichsminister Müller hat in Beantwortung meiner lediglich zu dem Zwecke gestellten Frage, die er selbst in seinen Schluß⸗ bemerkungen erwähnt hat, nämlich zur Beruhigung unserer Ge⸗ fangenen und weiter Bevölkerungskreise, die durch die aus dem Aus⸗ land gekommenen Nachrichten tief erschüttert sind, es für nötig ge⸗ halten, in seiner Antwort 3

Präsident Fehrenbach (unterbrechend): Herr Abgeordneter, es gibt bei den kleinen Anfragen nur das Wort zur Ergänzung der Anfrage. f

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(

(Abg. v. Graefe: Das ist keine Frage, die in der Weise —) Sie haben nur das Wort zur Ergänzung der Anfrage, zu irgend einer kritischen Bemerkung haben Sie das Wort nicht; § 31 sieht das ausdrücklich vor.

Abg. v. Graefe: Dann richte ich die Frage an den Reichs⸗ minister Müller, wen er damit gemeint hat, wenn er von Leuten gesprochen hat, die diese Frage parteipolitisch ausnutzen wollten. (Ge⸗ lächter und Zurufe: Sie! Sie! bei den Soz.) 1

Reichsminister Müller: Ich meine damit so schamlose Blätter wie die „Deutsche Zeitung“, die in ihrer Ausgabe vom 3. August mit der fetten Ueberschrift „Eine schwere Anklage gegen die Reichs⸗ regierung“ und mit der Unterschrift „Ihre Regierung will sie ja gar nicht“ solche Behauptungen bringt und diejenigen Kreise, die sich mit diesen schamlosen Verleumdungen identifizieren. (Lebh. Beifall links, große Unruhe rechts.)

Es folgt die zweite Beratung des Entwurfs eines Zündwarensteuergesetzes.

Die §S§ 1 bis 3 werden bei der Besprechung zusammen⸗ gefaßt. § 1 unterwirft bis zum Inkrafttreten eines Hersteller⸗ monopols, das spätestens bis zum 31. März 1921 in Kraft treten muß, die Zündwaren der Verbrauchsabgabe (Zünd⸗ warensteuer). Ein Antrag Kempkes (D. V.) will die Worte „das spätestens bis zm 31. März 1921 in Kraft treten muß“ streichen. Ein Antrag Arnstadt (D. Nat.) schlägt eine andere Fassung vor, die auf dasselbe hinausläuft. Im §3 hat der Ausschuß die Kontingentierung der Zündwaren durch einen Steuerzuschlag für die über eine bestimmte Menge hinaus erzeugten Zündwaren gestrichen und nur den Steuer⸗ zuschlag von 10 Prozent für die erst nach dem 30. September 1914 entstandenen Fabriken nach dem Vorschlag der Regierung bestehen lassen.

Die Abgeordneten Kempkes und Genossen (D. V) und ebenso die Abgg. Nuschke und Genossen (Dem.) beantragen die Wiederherstellung der Kontingentierung nach der Regierungsvorlage. Die Abgg. Arnstadt und Genossen (D. Nat.) schlagen eine andere Fassung der Regierungsvorlage vor.

Abg. Thöne (Soz.) spricht gegen den Antrag Kempkes, da er die Verneinung des Monopols bedeute. Seine Partei wolle das Monopol. Der Hinweis auf die Eisenbahnen für die Begründung einer Ablebnung von Monopolen sei nicht stichhaltig; für die schlechte fijanzielle Lage der Eisenbahnen seien nicht nur die Arbeiterlöhne, sondern auch andere Gründe maßgebend. Für die Zündwaren empfehle sich das Monopol, weil dabei die Vernichtung von Existenzen nicht in Frage komme. Die Arbeiter könnten weiterarbeiten, Unter⸗ nehmer und Beamte in die Monopolverwaltung eintreten.

Abg. Dr. Becker⸗Hessen (D. V.) spricht für den Antrag Kempkes. Die Kontingentierung empfehle sich mit Rücksicht auf die Kleinbetriebe

en Staatsan

Abg. Nuschke (Dem.) wünscht ebenfalls die Beibehaltung der Die Vorlage bringe nicht das Monopol, sondern nur die Androhung des Monopols. (Zustimmung.) Für die Zeit der Unsicherheit bis 1921 sei der Schutz der Kleinbetriebe notwendig. Gegen eine Ueberproduktion sprächen Mangel an Rohmaterial und Kohlenmangel. . 4 So Fee⸗ hrens (D. V.) begründet den Antrag Arnstadt und stellt fest, daß das Monopol weder im Interesse der Reichsfinanzen noch in dem des Allgemeinwohls liegt. Das Monovol wird nichts einbringen und teure Zündhölzer zur Folge haben. 8

Abg. Andre (Zentr.): Hinausschiebung des Monopols ist mit Rücksicht auf die Vorarbeiten notwendig. Die Kontingentierung hätte nur eine Berechtigung, wenn wir ein langfristiges Gesetz schafften.

Abg. Laukant (U. Soz) tritt für sofortige Monopolisierung ein, da die Vorarbeiten nicht so lange Zeit in Anspruch nehmen könnten. Die Regierung hat aber offensichtlich keine Eile. Die Monopolisierung genügt uns aber nicht, wir wollen die Sozialisierung; weil das Gesetz eine Verbrauchssteuer enthält werden wir dagegen stimmen. 1 . 1 Das Gesetz wird unter Ablehnung der erwähnten Abänderungsanträge mit geringfügigen Aenderungen in der Ausschußfassung angenommen.

Das Spielkartensteuergesetz wird in zwei⸗ ter Beratungohne Erörterung angenommen.

Es folgt die erste Beratung der großen Finanzgesetze.

Präsident Fehrenbach: Ich nehme an, daß das Gesetz zur vorübergehenden Verstärkung der ordentlichen Betriebsmittel in zweiter und dritter Lesung angenommen, das Gesetz über das Reichsnotopfer dem zehnten, die Abgabenordnung dem elften und die Umsatzsteuer dem zwölften Ausschuß überwiesen werden wird. Nur der erste Teil der

Reichsabgabenordnung, der die Organisation der Steuerbehörden usw.

behandelt, wird noch in diesen Tagen erledigt werden müssen. Der elfte Ausschuß hat daher sofort seine Beratung zu beginnen, zweckmäßig schon morgen früh, um die Möglichkeit zu schaffen, wenigstens diesen Teil noch in dieser Woche zu erledigen. Die vier Gesetze werden 2 Tage in Anspruch nehmen, wenn der Redner der ersten Rednerfolge 5 Minuten, der der zweiten 30 Minuten braucht. Am Freitag und Samstag könnten dann das Kohlengesetz und die Kohleninterpellation und außerdem kleinere Vorlagen erlediat werden. In der nächsten Woche wäre dann Zeit übrig für die Zollaesetze und zweite und dritte Lesungen kleinerer Gesetze. Von der nächsten Woche an nach Beendi⸗ gung der Ausschußarbeiten wird dann Vormittags und Nachmittags getagt werden können, vorausgesetzt, daß ich genügend unterstützt werde. Dann könnten bis zum 20. sämtliche Vorlagen, die jetzt noch erledigt werden follen, zu Ende kommen. Trotz der kolossalen Arbeit, die das Haus mit Fleiß und Ausdauer leistet, und die nur im höchsten Maße anerkannt werden kann, muß doch bis zu diesem Tage ein beschluß⸗ fähices Haus ermöglicht werden. Wir würden keinen angenehmen Eindruck hinterlassen, wenn der Abschied von Weimar vor leeren Bänken vor sich ginge.

Reichsfinanzminister Erzberger: Das Haus und das deutsche Volk haben ein Recht, mehrere Fragen beantwortet zu hören: Was ist und was muß und wie wird es werden? Was ist?: das größte Finanzelend, das die Welt je zu sehen bekam! Was werden muß?: baldige Ordnung unseres gesamten Finanzwesens in Reich, Ländern und Gemeinden und Gleichcewicht zwischen Einnahmen und Ausgaben im großen und kleinen. Wie soll es werden?: wir müfsen Abschied nehmen von manchem alten Liebgewonnenen, ein durchdachtes Steuer⸗ system aufstellen, einheitliche Erfassung aller Steuerquellen, Gerechtig⸗ keit auf der einen Seite, Gewissenhaftigkeit auf der anderen. Nurx unter diesen Noraussezungen ist Hoffnung und Möglichkeit, daß Deutschland erhalten bleibt und vor dem schwersten Unglück, dem Staatsbankrott, der hier ein Volksbankrott ist, bewahrt wird.

Der Redner gibt dann einen Ueberblick über die Finanzlage, wie sie sich in Deutschland von 1913 bis 1918 entwickelt hat. Die ungeheuren Zahlen rufen mehrfach Bewegung und das Hört, hört! auf allen Seiten des Hauses hervor.

Das Kennzeichen der deutschen Wirtschafts⸗ und Finanzlage, so faßt er die Darlegungen zusammen, ist die ungeheure Flüssigkeit des deutschen Nolksvermögens. Zwei Forderungen müssen noch erfüllt werden, die finanziell und wirtschaftlich von größter Bedeutung sind. Wir müssen sofort mit aller Beschleunigung an die Schaffung einer deutschen Handelsflotte herangehen in enaster Zusammenarbeit mit den Personen und Gesellschaften, die hier bisher bahnbrechend waren. Hier dorzugehen in freier Selbstverwaltung unter genügender Kontrolle des Staates ist dringendes Gehot für die deutsche Volks⸗ wirtschaft. Wir müssen sodann ebenfalls mit größter Beschleunigung unseren Auslandsdeutschen mit Reichsvorschüssen zu Hilfe kommen: Schon die nächste Woche wird eine betveffende Vorlage an die National⸗ versammlung bringen. (Beifall.) Endlich muß unser Anleihenstand erleichtert werden. Das Höchstmaß, welches ein Kriegsjahr an An⸗ leibePaufbrachte. war 25 Milliarden: dieses Höchstmaß muß jetzt das Volk Jahr für Jehr an Steuern aufbringen, um zu gesunden. Von einem Staatsbanfrott würden cerade die untersten Schichten des Nolkes am allerhärtesten betroffen werden; bei einem vollendeten Staatsbankrott würden aut zwei Drittel des gesamten Privatver⸗ mögens vernichtet werden und die gesamte Wirtschaftsmaschine zum Stillstand kommen. Wie grauenvoll die Zustände in Deutschland⸗ werden würden ist gar nicht ausmmmalen. Darum wird die Reform kommen, weil sie kommen muß. Daru gehört auch eine vollkommene Umgestaltung der Steuerveranlagung im Sinne höchster Gerechtigkeit. Finanzpolitisch ist der Krieo noch immer nicht abgeschlossen; noch⸗ imwer zahlen wir für die großen Kriegsaufwendungen und dazu treten die Riesenkosten für die Domobilisierung und für die Entschädigungen in der Heimat. Auch dieses Problem muß bewältiat werden. Ich werde nicht ruhen und rasten. Ich werde nicht ruhen und rasten, um am 1. Oktober einen geordneten Etat vorzulegen. Ich habe mit den Ressorts schwer darum ꝛu kämpfen, besonders mit dem Krieasministe⸗ rium. Regierung und Parlament müssen mit Hochdruck arbeiten, um Ordnung in das Chaos der Liaäuidation des zusammengebrochenen Kriegsumternehmens zu bringen. Die Liquidation muß möglichst bald abgewickelt werden. Wir haben auch aus dem Friedensvertrag sehn schwere Pflicht übernommen, denen wir mit ehrlichem Willen nach⸗ inkommen haben. Die Lösung des Problems wurde geknüvft an das Wort: „Arbeit im Dienste des Gemeinwohls.“ Zunächst gilt es die schwebende Schuld zu beseitigen oder herabzumindern. Früher, als sie vielleicht eine Milliarde betrug, bedeutete es schon schwere Sorge für die Inlandsverwaltung. Heute sind 2s8 76 Milliardem jede Ver⸗ mehrung der schwebenden Schuld muß ausgeschlossen sein, also Schaffen neuer Einnahmen. Jeder Tag. in dem die Erbschaftssteuer später in Kraft tritt, bedeutet“ 2 Millionen Ausfall. Neben den neuen Einnahmen aber gilt es überall Svarsamkeit walten zu lassen. Es wird natürlich nicht gelingen, am 1. Oktober einen balancierenden Etat ohne Anleibe vorzulegen. Zur Herabdrückung des Erfordernisses erwarten wir erhebliche Einnahmen aus der Krieagsabgabe und der Zuwachsabgabe für 1919, auch aus dem Reichsnotopfer kann etwas eingenommen werden, aber alles in allem werden wir die schwere Schuld damit auf höchstens 46 Milliarden ermäßigen. Drei Anleibebeträge würden uns zur Verfügung stehen: freie An⸗ leihe oder Prämienanleihe oder Zwangsanleihe. Der letztere Weg würde von geradezu verhängnisvoller Wirkung für unser Wirtschafts⸗ leben sein. Er muß also unter allen Umständen vermieden werden.

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Ob und wann wir den Weg der freien Anleihe beschreiten können,