1919 / 224 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 01 Oct 1919 18:00:01 GMT) scan diff

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die Vertreter dieser Blätler, die die Korrespondenz benutzt haben; (jehr richtig! linke) strafrechtlich, wenn man davon reden wollte, aber noch mehr moralisch, sind sie dafür verantwortlich. Und was den Ton anlangt, verehrte Anwesenden: ich nenne eine Katze eine Katze, (sehr gut! links) und wozu hat die deutsche Sprache die kräftigen Ausdrücke, wenn man sie in einem solchen Fall nicht verwenden sollte. (Zuruf rechts: Wozu der Lärm?) Wenn Sie jetzt noch nicht begriffen haben, welche sachliche Bedeutung meine Abwehr hatte, (Lebhafte Zustimmung, lünks) dann verzichte ich darauf, bei diesem Herrn nun ausgerechnet Verständnis für meine Worte und Hand⸗ lungen zu finden. 2

Nun beklagt sich namentlich die „Post“ darüber, daß ich sie und die „Tägliche Rundschau“ allein zum Gegenstand meines Angriffs gemacht hätte. In beiden Fällen lagen die Verhältnisse ganz beson⸗ ders. Aber bevor ich darauf eingehe, will ich sagen: natürlich richtet sich meine Anklage gegen alle Blätter, die diese Notiz gebracht haben,

(Ahal rechts) ganz gleichgültig, welche Parteizugehörigkeit sie haben.

(Widerspruch rechts.) Jawohl! Soviel ich festgestellt habe, war es außerdem die „Berliner Börsen⸗Zeitung“ und war es „Der Tag“. Aber bei dem „Tag“ ist es so: „Der Tag“ hat diese Notiz doch sehr viel vorsichtiger als die anderen eingeleitet, nämlich mit den Worten: „Eine Korrespondenz will erfahren haben“, woraus für einen verständigen Zeitungsleser schon hervorgeht, daß selbst die Redaktion dieses Blattes, das übrigens auch zur Rechten zählt, Zweifel in die Lahrheit dieser Erzählung gesetzt hat. Die „Berliner Börsen⸗ Zeitung“ habe ich an dem Morgen gar nicht gelesen; hätte ich sie gelesen, so würde ich sie an dem Tage genau so genannt haben, wie die „Post“ und die „Tägliche Rundschau“. Diese besonders zu nennen, hatte ich aber deshalb besonders Veranlassung, weil ich die „Post“ an dem Tage beinahe in der Minute, als ich sie gelesen hatte, an⸗ gerufen und sie auf die⸗Qualität ihres Berichts hingewiesen habe, und die „Tägliche Rundschau“, weil ich mit ihr, wie ich neulich schon aus⸗ ührte, vor wenigen Monaten ganz genau dasselbe Erlebnis gehabt habe.

Nun die „Tägliche Rundschau“! Der Artikel, den sie überschreibt: „Warum so aufgeregt?“, der Spitzartikel ihres Parlamentsberichts ist eines jener Musterbeispiele, die uns zeigen, wie notwendig die Kritik der Presse im Parlament ist, während umgekehrt sonst meistens das Parlament Gegenstand der Kritik der Presse ist. (Sehr gut! links.) Die Spitzberichte der „Täglichen Runeschau“ haben eine Geschichte. Vor Jahr und Tag wunden sie von einem ganz ungewöhnlich witzigen und klugen Mann geschrieben, der, das merkte jeder Freund und Feind, sden er mit seinem philoketiscken Pfeil scharf zu treffen wußte, nur ein Bestreben hatte: immer die Dinge auf ihren Kern zu verfolgen, immer auf die Sachlichkeit in unserem politischen Leben hinzuwirken. Der Mann, von dem ich spreche, hatte das Zeug zu einem deutschen Juvenal in sich. Joder wußte, selbst, wenn er angegriffen war, daß der Witz und die Laune, mit denen er den Gegenstand und die Personen zu behandeln pflegte, emporwuchsen aus einem tief tragischen Ethos und Pathos. Dieser Mann, Wilhelm Petrenz, er hat seine Liebe zum deutschen Volke auch mit dem Tode auf dem Schlachtfelde bezahlt. Von dem konnte man sich so etwas gefallen lassen, weil es immer frisch, immer aus der Natur des Mannes herausgeboren war.

Die „Tägliche Rundschau“ hat sich dann nachhher einen Petrenz⸗ ersatz angeschafft, kümmerlich wie jeder Kriegsersatz, der arbeitete nach den ältesten Klischees. (Große Heiterkeit rechts. Zurufe: Auch Ersatz!) Ich bin Ersatz, wieso? (Zuruf links: Als Minister!) Ach so, ach Gott, wenn Sie meine Ministerqualität angreifen, wollen, dann müssen Sie doch schon ein bißchen etwas Derberes sagen als „Ministerersatz“, das glaubt Ihnen keiner. Dann kommen die alten Klischees gegen mich persönlich wieder zum⸗ Vorschein, die mich aber nun gar nicht berühren, die imaginären Millionen, über die ich verfügen soll, die Krawatten, die Lackstiefel ich kann es mir schon denken: Leute seines Schlages werden, wenn meiner Tages Zahl einmal abgelaufen sein wird, sicherlich noch in den Nekrologen kommen⸗ den Geschlechter zur Erbauung und zum Beweise der abgrundtiefen Verworfenheit menschlicher Natur mitzuteilen wissen, daß in meinem Machlaß sogar ein paar Lackstiefel vorhanden sind. (Gvoße Heiterkeit.) (Damit begnügt sich dieser Mann, der da glaubt, er könnte das Erbe

Petrenz dadurch verwalten, daß er an die Stelle frohen Spottes die flüsternde Verlemmdung und an die Stelle eines offenen Hiebes die hinterlistige Verunglimpfung setzt. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Da glaubt dieser Mann, er müsse in die Debatte eine politische Verdächtigung hineinwerfen, und sagt: nein, der Finanz⸗ minister hat sich nicht über unsere Notiz aufgeregt, somern er ist böse darüber, daß wir verhindert haben, daß er mit Noske und irgend noch einem anderen ein diktatorisches Triumoirat aufgerichtet hätte. Nur damit ihm auch jeder Vorwand genommen wird, weiter mit diesen Märchen in der Welt hausieren zu gehen, stelle ich also fest, daß nie der Gedanke von mir geäußert, gedacht oder an mich herangetragen worden ist, irgend etwas derartiges Politisches zu unternehmen. Damit kann ich ja wohl diesen Herrn verlassen.

Die „Post“ fragt nun: ja, soll man und darf mon denn nicht bei üuns von Staatsbankerott sprechen, darf man nicht sagen, daß die ver⸗ antwortlichen Finanzminister darüber nachgedacht bätten, wie der Staatsbankerott zu vermeiden wäre? Ich kann ihr auf diese Frage mit dem ganz offenen Geständnis antworten, daß ich sre selbstverständ⸗ lich bejahe. Selbstverständlich kann und darf man sich Gedanken darüber machen, wie wir einen Staatsbankerott bei uns überwinden, vermeiden können; aber es ist etwas ganz anderes, ob in dem Kreise berufener und sachkundiger Mönner darüber eine Bevatung gepflogen worden ist, oder ob in einer mißleitenden, irreführenden, erlogenen W ise aglarmierende Nachrichten darüber in die Oeffentlichkeit geschleudert (Sehr richtig! bei der Soz. Partei.) Ueber die Frage des

werden. . und seiner Vermeidung wird noch weiter zu

Staatsbankerotts sprechen sein. . Emdlich muß ich aber nun noch eins richtig stellen, damit ich mich nicht etwa dem Vorwurf aussetze, als ob ich ebensowenig mit der Wahrheit gut Freund wäre wie die Herrschaften, mit denen ich mich zu beschäftigen hatte. Es ist nämlich Klage darüber erhoben worden, ich hätte den Zeitungen, die die Korrespondenz abgedruckt haben, den Vorwurf, mindestens den versteckten Vorwurf spekulativer Ab⸗ sichten gemacht. Nein, dieser Vorwurf richtete sich nicht gegen die⸗ jenigen Blätter, die die Notiz abgedruckt haben; aber es war die Möglichkeit vorhanden, daß die Hintermämner jener Korrespondenz, von denen ich doch nicht voraussetzen kann, daß sie die Mitteilung nur abgefaßt haben, um das Zeil uhonorar zu schinden (Heiterkeit), aller⸗

dings spekulative Absichten gehabt haben. Diese Möglichkeit mußte angedeutet werden, und ich habe sie mit Gebühr angedeutet.

Nun, meine verehrten Anwesenden, lassen Sie mich zu dem finanziellen Teil der Ausführungen meiner Herren Vorredner über⸗ gehen.

Die Finanzlage Preußens ist gespannt. Wir haben hart zu kämpfen. Es ist wahr, daß das Steueraufkommen in diesem Jahre eine erfreuliche Vermehrung zeigt, so daß wir nicht unerheblich über die Voranschläge werden abrechnen können. Aber diese Vermehrung hat eigentlich nur eine nominelle Bedeutung. Es sind lebhafte Mahnungen an mich gerichtet worden, ich möchte mit strenger Sparsamkeit darauf achten, daß die Staatsaufgaben nicht die Staatseinnahmen überwuchern. Diese Mahnungen stoßen bei mir auf volles Verständnis. Aber die Klagen, die ich bisher aus dem Hause gehört habe, haben sich nie in der Richtung bewegt, daß ich zu wenig, sondern nur, daß ich zu sehr sparsam gewesen sei. Ich muß leider seststellen, daß auch diejenigen Parteien, die eine so leb hafte Mahnung zur Sparsamkeit an mich richten, mit dem zweiten Wort jedesmal wieder eine neue Forderung stellen ssehr richtig! un Heiterkeit links und im Zentrum); sie sagen: sparsam mußt du sein allerdings diese eine Forderung muß natürlich unter allen Um⸗ ständen doch noch bewilligt werden. (Sehr wahr! im Zentrum.) Tatsächlich liegen die Dinge so: wir müssen heute einstweilen wenigstens alles von uns abweisen, was nur zweckmäßig oder wünschbar ist, und uns ganz streng auf das absolut Notwendige be⸗ schränken, und auch dieses können wir heute aus den Aaufenden Einnahmen des Staates noch nicht voll decken. Das liegt in erster Linie daran, daß die Eisenbahnen wie ein fressender Krebs und eine offene Wunde am Staatskörper haften. (Hört, hört! rechts.) Solange wir täglich zehn, zwölf, fünfzehn Millionen Fehl⸗ betrag bei der Eisenbahn haben, ist es ausgeschlossen, daß unsere Finanzen wieder in Ordnung kommen.

Wenn ich mir aber sonst die Finanzen vorstelle, sehe ich keinen Grund zu einer übertriebenen Verängstigung. Als ich mein Amt über⸗ nahm und mich bemühte, mir eine klare Vorstellung von den finan⸗ ziellen Möglichkeiten und Aussichten Preußens zu machen, konnte ich von einer ganz anderen Voraussetzung ausgehen als heute. Damals war der Friede noch nicht geschossen; damals konnte man noch damit rechnen, daß unsere Feinde, die sich im Waffen⸗ stillstandsvertrag auf die vierzehn Punkte Wilsons festgelegt hatten, ihr Wort halten würden. Wäre diese Voraussetzung Wirklichkeit ge worden, so hätte ich die Finanzlage Preußens etwa folgerdermaßen ein geschätzt. Auf Grund der 14 Wilsonschen Punkte war Vorausset keine Kriegsentschädigung, sondern nur Wiederherstellung des zerstörten Gebietes; keine Gebietsabtremnung außer dort, wo das Sacbst bestimmungsrecht der Völker in Kraft tritt und einige fremdsprachige Splitter vom Körper des Deutschen Reiches und des preußischen Staates abgehen; ferner eine erhebliche Reduzierung unseres Millitär⸗ wesens auf Grund völkerrechtlich bindender Abmachungen, und was der gleichen Dinge mehr sind. Wenn diese Voraussetzungen Wirklichkeit geworden wären, urd füge ich noch die andero hinzu, daß es möglich wäre, was nicht zu bezweifeln ist, daß unser Volk wieder zu einer treuen Pfichterfüllung zurückkehrt, daß wieder Ordnung in unser wirtschaftliches und staatliches Leben heneinkommt, dann könnte man sagen: in weniger als einem Menschenalter hätte Preußen die finanziellen Folgen dieses Krieges sicher überwunden. Denn beinahe unerschöpflich ist die Kraft dieses Volkes, so spärlich die Natur ihm ihre Reichtümer in den Schoß geworfen hat; so unerschöpflich ist der Auftrieb dieser Massen von Menschen, daß es möglich gewesen wäre, in die richtigen Bahnen ge lenkt, aus dieser Kraft wieder das Wohlergehen der Nation hervorzu⸗ zaubern.

Aber das ist nun alles durch die unerhört grausamen, beinahe aber⸗ witzigen finanziellen Bestimmungen des Friedens vertrages zerschlagen worden. Ich habe mich im Ausschuß üben die finanziellen Wirkungen dieses Friedensvertrages ausführlich aus⸗ gelasfen, der Bericht darüber ist in Ihrer aller Hände; ich habe nicht nötig, darauf noch näher einzugehen. Aber das muß doch gesagt werden, und Herr Hergt hat es mit scharfen Worten angedeutet: die finanziellen Bedingungen des Friedensvertrages sind so, daß sie uns vor die unmittelbare Frage stellen: wird es möglich sein, sie zu erfüllen, ohne daß das ganze Reich darüber in Stücke geht? Die Reichs⸗ vegierung hat sich verpflichtet, soweit wie menschliche Kräfte reichen, den Friedensvertrag zu erfüllen; die Länder sind verpflichtet, sich dieser Erklävung und diesem Willen anzuschließen. Aber wenn ich mir vorstelle, wie französische Staatsmänner ihren noch immer angst⸗ gepeitschten und vor der Zahlung eigener Steuern nach altfranzösischer Methode weit und ängstlich zurückschauernden Abgeordneten Phantasie⸗ gemälde vormalen mit Hunderten von Milliarden, die wir Deutschen im nächsten Menschenalter zaͤhlen müßten, dann kann ich freilich sagen: wenn das uns aufgezwungen wird, dann ist für uns jede Hoffnung verloren. Das können wir nicht leisten, das ist ganz ausgeschlossen; nur eine abenwitzige Furcht und eine aberwitzige Phantasie kann so etwas überhaupt ersinnen. Dort drüben braucht man offenbar Stimulans und variiert in immer neuen Formen die Melodie, die in Frankreich jetzt die populärste ist: Le boche payera. Deutschland muß alles bezahlen. Ganz gleich, was es ist, ob es direkte Zahlungen für die Wiederherstellung sind, ob es Abtragungen der dortigen Staats⸗ schulden, ob es Versorgung der dortigen Verstümmelten und sonstigen Kriegsverletzten oder Hinterbliebenen ist: Le boche payera, le boche payera. Le boche ne payera pas, was er nicht zahlen kann. (Sehr richtig! rechts.) Denn darüber haben wir auch ein Wort mitzureden; das liegt nicht allein in den Händen aufgeregter Franzosen, sondern darüber haben auch noch andere Menschen mitzusprechen. (Zurufe rechts und Gegenrufe.) Das steht gar nicht zur Diskussion, das könnte gus unserer Erörterung auch ganz ausscheiden, ob es richtig oder falsch gewesen sei, diesen Friedensvertrag zu unterzeichnen, ob man mit irgend einer Macht der Erde den Frieden überhaupt in einer anderen Form hätte abschließen können. Das alles kann uns gar nicht berühren. Wir haben jetzt mit dem Friedensvertrag zu tun, und damit müssen wir uns zunächst abfinden. Aber ich bin der festen Ueber⸗ zeugung: so, wie noch kein anderer Baum in den Hilfmel gewachsen ist, wird auch der Baum der Entente nicht in den Himmel wachsen. (Sehr richtig!) Und wenn die aufgeregten Franzosen sich heute in einer überhitzten Phantasie daran ergötzen, wie sie uns ausbluten könnten bis zum Tode, und sich noch weiden wollen in sadistischer Wollust an unseren Todeszuckungen, so kann ich nur wiederholen, was ich eben sagte: dabei haben auch noch andere ein Wörtchen mitzureden.

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*Es sind hier am vorigen Freitag über die Gestaltung der

Reichsfinanzen schr ernste Worte gefallen. Es ist nicht meine Aufgabe, darauf einzugehen; ich darf annehmen, daß der Reichsfinanz⸗ minister das, was er etwa zu sagen für nötig hält, in der National⸗ versammlung antworten wird. Aber es ist ganz richtig: wir in der Situation der preußischen Regierung, namentlich der zreußischen Finanzverwaltung, müssen uns bei allen unseren Maßnahmen und um so mehr, je abhängiger wir von der Gestaltung der Reichsfinanzen werden die Frage vorlegen: ist das Reich zahlungsfähig, und kann es zahlungsfähig bleiben?

Wir geben die eigene Steuerhoheit auf; morgen. Das ist ein sehr ernster Schritt, aber ein Schritt, der unbedingt notwendig war, und die preußische Staatsregierung, dabei der Zustimmung der hohen Versammlung sicher, mit der wir in jedem Siadium der Ver⸗ handlungen Verständigung gesucht und gesunden haben, ist sich voll der Notwendigkeit und der Tragweite der Maßnahme bewußt, die Steuerhoheit an das Reich abzutreten. Bei den unabsehbaren Lasten, die auf uns ruhen, ist die Vereinheitlichung des Steuer⸗ wesens, auch der Steuerbverwaltung, ein zwingendes Gebot des Augenblicks, und sie öffnet uns die Wege in eine hoffentlich lichte Zukunft. 1

Aber wenn so die Aufgabe der eigenen Steuerverwaltung und des Steuerhoheitsrechts zwingend notwendig waren, so durften wir auf gewisse Sicherungen nicht verzichten. Das war uns als Leit⸗ gedanke aus diesem hohen Hause mitgegeben worden, entsprach auch durchaus unserer eigenen Auffassung von den Dingen. Diese Siche⸗ rungen haben wir gesucht und gefunden im § 46 der Reichs⸗ abgabhenordnung, der Gegenstand einer ziemlich einschneidenden Kritik meines verehrten Amtsvorgängers, des jetzigen Herrn Abg. Hergt geworden ist. Wir haben die doppelte Sicherung im § 46 für ins gewonnen, daß wir mindestens so viel aus der Einkommensteuer in Zukunft erhalten werden, wie der durchschnittlichen Belastung der Jahre 1917, 1918 und 1919 entspricht, und wir haben außerdem noch eine Sicherung, nämlich daß dieses Aufkommen mindestens so wiel ausmachen muß, wie das Jahr 1919 gebracht hat Plus 6 % Zuschlag für jedes folgende Jahr, 6 % von der jeweilig erreichten Summo natürlich.

Herr Abg. Hergt meint, diese Sicherung sei noch nicht genügend gewesen. Namentlich vermißte er eine weitergehende Sicherung für die Gemeinden, denn für die Gemeinden gilt diese Siche⸗ rung auch, aber keine weitergehende. Nun muß ich sagen, verehrte Anwesende, ich durfte mein Schifflein nicht allzuschr überlasten, wenn ich es sicher in den Hafen steuern wollte. § 451, der jetzige § 46 der Reichsabgabenordnung, hat in Weimar sehr schwere Kämpfe aus⸗ gelöst, und es ist mir namentlich auch aus den Kreisen meiner eigenen Parteigenossen, soweit sie in der Nationalversammlung sind, geradezu verübelt worden, daß ich schließlich das schwere Geschütz des Artikels 74 der Reichsverfassung habe auffahren und erklären lassen: entweder bekommen wir diese Sicherung oder die ganze Sache muß scheitern⸗

Diejenigen, die mich dafür angegriffen haben, wissen offenbar nicht voll zu würdigen, warum wir so gehandelt haben, warum wie diese Sicherungen verlangen mußten. Die Preußische Staatsregierung steht grundsätzlich auf dem Standpunkt des Einheitsstaates, sie will das einheitliche Deutsche Reich und mit ihr die ganze Preußische Landesversammlung, vielleicht mit einigen wenigen Ausnahmen. Aber wie die Dinge heute liegen, ist sie fest davon überzeugt, daß der Weg nicht über eine Zertrümmerung Preußens, sondern über das Aufgehen des starken in sich gefestigten und fest zusammenhaltende Preußen in das Reich liegt. (Sehr richtig!t) Dieser Weg kann nur dem Ziel führen, welches wir vor uns aufgesteckt sehen, wenn wir die finanziellen

Sicherungen für ein Weiterbestehenbleiben Preußens fanden, und die haben wir gefunden, diese Sicherungen sind da; nach dem Urteile aller Sachverständigen reichen sie, mindestens was den Staat anbelangt, vollkommen aus, auch Hergt hat das nicht bestritten.

Beiben noch die Gemeinden. Da muß ich sagen, Herr Dr. Fried⸗ berg hat mit⸗Recht darauf aufmerksam gemacht, daß die Gemeinden die Urzelle unseres politischen Daseins bilden. Die Gemeinden sind und bleiben, wie auch die übrige staatliche Form gewechselt haben mag, noch steben; die Mauern Städte, die schon in vorrömischer Zeit gelegt worden sind, werden, so hoffe ich, noch in eine Zeit hinein⸗ ragen, die weit in unabsehbarer Ferne vor uns liegt. Das deutet auf eine immanente Kraft der Gemeinden wie auf eine Lebenskraft, die selbst durch schwere Schicksalsschläge der übergeordneten politischen Verbände nicht erschüttert werden kann. Dieser allgemeine Grund beruhigt mich schon über das Schicksal unserer deutschen Gemeinden. Es kommt aber noch im besonderen hinzu, daß für die Gemeinden in Preußen erstens die Ertragsteuern nach wie vor bleiben, die in vielen Gemeinden sehr wohl ausbaufähig sind, das zweitens die Gemeinde⸗ betriebe, wenn erst einmal unsere Zustände sich etwas mehr konsolidiert haben werven, auch wieder zu Neberschußquellen für die Gemeinden werden können. Ist das der Fall, dann kann man über das finanzielle Schicksal der Gemeinden ganz beruhigt sein.

Bleibt nur noch die eine Frage: wie soll das finanzielle Verhält⸗ nis zwischen Staat und Gemeinde geordnet werden? Da ist uns die allgemeine Richtlinie gegeben durch den Grundgedanken dieser ganzen großen steuerlichen und steuerverwaltungsmäßigen Umgruppierung, nämlich: Steueroasen darf es nicht mehr in Deutschland geben, das muß ausgeräumt werden. Ist das der Fall, so muß die nächste Auf⸗ gabe in der Regelung des finanziellen Verhältmisses von Staat und

Gemeinde in Preußen die sein, daß wir einen Lastenausgleich über das ganze Land schaffen. er im einzelnen gestaltet seir soll, ob er ein alles umfassender oder ein in verschiedene Teile zerlegter Lastenausgleich, auf der einen Secite für die Schullasten, auf der anderen Seite für die Verwaltungskosten, Polizeikosten usw., sein sell, darüber sckweben noch die Erwägungen. Sie sind nicht ab⸗ geschlossen, sie können nicht abgeschlossen werden, bevor wir nicht die Reichseinkommensteuer mit ihren Ausführungsbestimmungen kennen,

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Denn es wird unser eigener Lastenausgleich von ihnen in vielen Be⸗ ziehungen abhängen. Ferner bleibt zu erwägenzebewir die staatlich veranlagten, aber

für die Gemeinden in Rechnung zu setzenden Ertragsteuern in diesen astenausgleich miteinbeziehen können oder ob es besser ist, diesen Teil ganz herauszulassen. Das alles sind Fragen, die bisher nicht t werden konnten, aber ihre Wichtigkeit wird nicht verkonnt, ihre Bearbeitung ist in vollem Gange. 8

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AHiensaeene. (Fortsetzung in ber Zweiten Beilage.] MNA.5.82n

(Fortsetzung aus der Ersten Beilage.) arasls 22— -Nun weiter! Wenn wir unser Steuerrecht aufgeben mußten und infolgedessen in Zukunft nur noch über das verfügen können, was das Reich uns abgibt, auf Grund des § 48 der Reichsabgabenordnung und auf Grund anderer Gesetze, die noch kommen werden, dann entsteht die Frage: was wird aus unseren Staatsschulden? Herr Abgeordneter Hergt hat ganz richtig geahnt, daß es meine Absicht ist und diese Absicht hat in der Finanzministerkonferenz in Bamberg auch allgemeine Zustimmung gefunden —, die Frage des Eisenbahn⸗ übergangs, das heißt des Uebergangs des wertvollsten Bestandteils unseres Staates auf das Reich, mit der Frage der Regelung unserer fundierten und unfundierten staatlichen Schulden zu verbinden. Mit

anderen Worten: die staatlichen Schulden sind restlos auf das Reich zu übernehmen, und es wird nunmehr Sache unserer finanziellen

und technischen Unterhändler sein, diese Auseinandersetzung mit dem Reich so zu gestalten, daß für uns mindestens sage ich, um ganz bescheiden zu sein keine Schädigung doraus entstehen wird. Ich slaube, Ihnen sagen zu können, daß wir in der Beziehung auch wohl auf dem richtigen Wege sind. Wir wollen nämlich nicht nach einem harben und manche Schultern vielleicht wund scheuernden Schema den Uebergang der Eisenbahnen auf das Reich vollziehen lassen, sondern sind uns ganz klar darüber, daß die Frage, ob bewertet werden soll nach Anlagekapital oder nach Ertragswert, ganz verschieden zu beant⸗ worten ist für ein Land, welches wesentlich Gebirgsbahnen zu bauen berpflichtet war, die keine Rente abwerfen, womöglich auch noch einen Zuschuß, auch in besten Jahren, erfordern und wieder für ein Land, das über ganz weite Gebiete mit den lebhaftesten Industriegegenden

sehr rentable Bahnen bauen konnte mit verhältnismäßig geringem Aufwand. Die Frage wird also sehr verschieden zu beurteilen sein, und die Grundlage des Vertrages zwischen dem Reich und den Ländern beim Uebergang der Eisenbahnen wird in den verschiedenen Ländern vermutlich ganz verschieden gestaltet sein. Aber für uns ist eine ganz klare Richtlinie gegeben: bei der Gelegenheit müssen wir natürlich unseren gesamten Schuldenstand los werden, denn es wäre unerträg⸗ lich, bei gebundenen Einnahmen eine hohe Schuldenlast weiter zu tragen.

Herr Abgeondneter Hergt hat dann weiter auf den anderen Staats⸗ besitz hingewiesen und der Befürchtung Ausdruck gegeben, daß nament⸗ lich auf dem Gebiete der Forstverwaltung heute Rauhbaun getrieben wülde. Ich glaube, ich kann ihn darüber ganz beruhigen: es wird auf dem Gebiete des Forstwesens heute in Preußen kein Raubbau getrieben. Allerdings muß die Durchforstung

in anderer Weise erfolgen als bisher, weil der Notstand viel größer

ist; und wenn heute aus dieser Durchforstung sich bedeutende Erträge für die Staatskasse ergeben, so sollte man das ganz gewiß nicht be⸗ klagen. Grund zu Befürchtungen läge nur dann vor, wenn auch nur in einem einzigen Falle gesagt werden könnte, daß wir die Zukunft auf Kosten der Gegenwart vorweg belasten. Das ist in unserer Forst⸗ wärtschaft nicht der Fall, und damit unterscheidet sie sich einigermaßen von unserer allgemeinen Volkswirtschaft. Denn unsere allgemeine Volkswirtschaft, so, wie sie sich unseren betrübten Blicken heute dar⸗ stellt, lebt ja leider doch zum Teil von dem, was wir von den Vätern everbt haben, zum Teil aber von dem, was unsere Nachfahren erst schaffen sollen. Das ist der große Schmerz, der immer wieder nament⸗ lich auch den Finanzminister durchzittert, daß wir im Augenblick nicht imstande sind, aus eigener Kraft unser wirtschaftliches und Staatsleben aufrecht zu erhalten. Aber es wird besser. Nach allen Berichten, die mir aus den Provingen vorliegen, nach allen Berichten auch der sach⸗ kundigsten Männer des Wirtschaftslebens zeigt sich ein deutlich merk⸗ barer Aufstieg. Man soll das Urteil nicht trüben lassen durch Vor⸗ gänge in einzelnen großen Städten und an besonders heißen Punkten des Industriereviers; im großen und ganzen ist in den letzten Monaten eine entschiedene Besserung zu verzeichnen gewesen, die sich auch in unserm Steueraufkommen durchaus fühlbar macht und die uns zu der

Hoffnung berechtigt, daß wir in absehbarer Zeit doch anders dastehen

werden, als es heute leider erst noch der Fall ist.

Nun, meine verehrten Amwesenden, sagte ich: wir stehen unmittelbar am Vorabend großer organisatorischer Ver⸗ änderungen in unserer Steuerverwaltung, über die ich mir noch einige Worte zu sagen erlauben möchte. Morgen, am 1. Oktober 1910, geht die Veranlagung und Verwaͤltung der direkten

eichssteuern und der preußischen direkten Staatssteuern von den preußischen Behörden auf eigene Reichsfinanzbehörden über. Alle preußischen Staatsbeamten, die mit der Verwaltung und Veranlagung der direkten Steuern befaßt sind, verlassen den preußischen Staats⸗ dienst und treten in den Reichsdienst ein. Nur die Ertragssteuern, die Grund⸗, Gebäude⸗ und Gewerbesteuern, die vom Staate veranlagt werden, deren Erträgnis aber den Gemeinden zugewiesen ist, werden in Zukunft noch⸗ preußischen Dienststellen unterstellt sein. Die Maß⸗ nahme ist eine Folge davon, daß der früher festgehaltene Grundsatz, die direbten Steuern und deren Aufkommen seien den Einzelstaaten vor⸗ zubehalten, aus den vorhin entwickelten Gründen nicht mehr aufrecht erhalten werden konnte. Mit dem Uebergang der Steuerveranlagung auf Reichsbehörden kommt auch eine Entwicklung zum Abschluß, die in Preußen schon seit längerer Zeit beabsichtigt war, aber noch nicht zur vollen Durchführung gebracht werden konnte, nämlich die Loslösung der Steuergeschäfte von den Behörden der Allgemeinen Landesver⸗ waltung, von den Landräten und den Provinzialregierungen. In der kurzen Zeit, in der ich dem preußischen Finanzministerium vorstehe, sind noch die letzten landrätlichen Veranlagungskommissionen abgeschafft und an ihre Stelle Steuerämter mit hauptamtlichen Veranlagungs⸗ kommissaren gesetzt worden. Eigene Provinzialbehörden besitzt die preußische Verwaltung der direkten Steuern nicht, an ihre Stelle ttreten jetzt die Abteilungen der vom Reich einzurichtenden Landes⸗ finanzämter.

Die Fülle von Arbeit, die von den preußischen Steuerveranlagungs⸗ behörden Kleistet worden ist, und ihre guten Erfolge erkennt man am besten an der kväftigen Entwicklung, die die staatlichen Personalsteuern in Preußen genompen haben. Auf diesem Gebiete besitzt Preußen ein

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Zweite B

Berlin, Mittwoch, den 1. Oktober

einheitliches, für den ganzen Staat geltendes Steuersystem erst seit dem Jahre 1820. Damals wurde die Klassensteuer eingeführt, die die Steuerpflichtigen in fünf Klassen einreihte und die ein jährliches Auf⸗ kommen von 6,2 Millionen Talern ergab. Im Jahre 1851 kam der große bemerkenswerte Fortschritt der reinen Klassensteuern zur klassifi⸗ zierten Einkommensteuer für alle Steuerpflichtigen mit einem Ein⸗ kommen von über 1000 Talern, und das Jahr 1891 brachte Preuße

unter dem Minister Miquel die noch heute geltende Einkommensteuer. Die klassifizierte Einkommensteuer und die Klassensteuer hatten im letzten Jahre ihres Bestehens ungefähr 80 Millionen erbracht, und in diesem leettzten Jahre 1919 ist das Aufkommen aus der Einkommensteuer auf 1,19 Milliarden Mark veranschlagt worden. Das Ergebnis hat sich

in 27 Jahren beinahe verzehnfacht. Die Zahl der Steuerpflichtigen ist gestiegen von 1892 bis 1918 von 2,4 auf 7,8 Millionen Zensiten; die Zahl der juristischen Personen darunter hat sich mehr als versechsfacht von 2280 auf 12 426. Das veranlagte Einkommen ist in der gleichen Zeit gewachsen von 5 auf 23,3 Milliarden und das veranlagte Ein⸗ kommen in den Städten von 3,8 auf 15,7, auf dem Lande von 1,8 auf 7,8 Milliarden Mark.

Einschneidender als die Verwaltung der direkten Steuern ist die der Zölle und indirekten Steuern für die Geschichte des deutschen Einheitsstaates gewesen. Die preußische Verwaltung der Zölle und indirekten Steuern ist durch die Motz⸗Maaßensche Zoll⸗ und Verbrauchssteuergesetzgebung von 1818 geschaffen worden, sie konnte also im vorigen Jahre auf ein hunderrjähriges Bestehen zurückblicken. Die Aufgaben, die ihr gestellt waren, haben mannigfach gewechselt. Aber schon von allem Anfang an hat die preußische Zollverwaltung und Ver⸗ waltung der indirekten Steuern klar ein großes Ziel vor Augen gehabt, nämlich Vereinheitlichung der Zölle und indirekten Steuern, Vergröße⸗ rung des Gebietes, auf das diese Zölle und indirekten Steuern ange⸗ wendet werden. Und weit vorausschauend war die preußische Zollver⸗ waltung in ihren Bemühungen, die von 1819 an datieren, und ihren Höhepunkt erreicht haben durch den Abschluß jener Verträge, die am 1. Januar 1834 zur Begründung des deutschen Zollvereins geführt haben. Weit vorausschauend deehalb, weil damit in einer Zeit tiefsten politischen Elends unseres Vaterlandes auf einem wichtigen Gebiete die Fundamente gelegt wurden für das spätere Reich, auf denen auch die Republik Deutschland heute noch beruht.

Der finanzielle und wirtschaftliche Bau des Reiches war aber auch noch in den Zeiten seines Höhepunktes unvollendet, so lange das Reich die Verwaltung seiner Zoll⸗ und Steuereinnahmen noch durch die einzelstaatlichen Verwaltungen als Kommissionäre besorgen ließ. Nunmoehr nimmt das Reich, Erbe einer großen Vergangenheit, diese Verwaltung selbst in die Hand und damit kommt die im Zoll⸗ verein von 1834 angebahnte Entwicklung zum folgerichtigen Abschluß und die preußische Zollverwaltung geht in die Reichszollverwaltung über.

Ich weiß, daß bei vielen alten und verdienten Beamten dieser Wechsel ein schmerzliches Gefühl auslösen wird. Aber diese Männer werden sich damit trösten müssen, daß auch dieses Opfer notwendig ist, um das Reich auf eigene Füße zu stellen und für die schweren Aufgaben der Zukunft leistungsfähig zu machen. Die preußische Zoll⸗ verwaltung hatte eine historische Mission. Sie hat diese historische Sendung erfüllt und tritt nun mit berechtigtem Stolz auf eine ruhm⸗ reiche Vergangenheit vom Schauplatz ab.

Als vor noch nicht zehn Jahren das preußische Finanzministerium als Ganzes das Jubiläum des hundertjährigen Bestehens feierte, da durften Chef und Mitglieder und Beamte auf eine lange segensreiche Tätigkeit und Arbeit zurückblicken, die von dieser wichtigen Zentral⸗ behörde in einer hundertjährigen Zeitspanne gelöst worden war. Das preußische Finanzministerium als Zentralbehörde ist eingerichtet worden in der Zeit der größten Not des Vaterlandes nach Abschluß und mit der förmlichen Auflösung des deutschen Reichsverbandes im Jahre 1806 und der dem mit dem Tilsiter Frieden von 1807 abschließenden Unglücksjahre Preußens, und mit Recht durfte diese Behörde für sich den Ruhm in Anspruch nehmen, daß es nicht zum wenigsten ihrer hingebenden Treue und nie rastenden Arbeit zu danken war, daß die Aufrechterhaltung und Fortführung der traditionell gewordenen Solidität und Festigkeit der Finanzen Preußens in dem auf den Trümmern des alten gegründeten neuen Einheitsstaat ebenso gesichert bleiben wie in den vorangegangenen Zeiten, die von den Tagen Friedrich Wilhelms I. bis zu den Tagen Friedrich Wilhelm III. reichen. Heute trennen uns nur noch wenige Jahre von dem Zeit⸗ punkt, wo das preußische Finanzministerium nicht ein hundert⸗, wo es sogar ein zweihundertjähriges Jubiläum feiern könnte, nämlich die Wiederkehr des Tages, an dem Friedrich Wilhelm I. in dem General⸗ Oberfinanz⸗Kriegs⸗ und Domänendirektorium oder, wie man es kurz nannte, in dem Generaldirektorium den eigentlichen Grund zu dem preußischen Beamtenstaat, der heute durch den Volksstaat abgelöst ist, gelegt hat. Indes, wir werden ja nun nicht mehr in die Lage kommen, den 19. Januar des Jahres 1923 zu feiern, wie es hätte geschehen können, wenn nicht der Uebergang der erheblichen Ab⸗ teilungen 2 und 3 des Finanzministeriums auf das Reich jetzt vollzogen werden müßte.

Preußen wird auch das müssen wir uns vor Augen halten, wir können nicht darüber hinwegsehen dann noch schwer an den Folgen der furchtbaren Niederlage und des baradffolgenden wirtschaft⸗ lichen Zusammenbruchs zu leiden haben. Mit schmerzlicher Er⸗ innerung wird man dann wohl in der Behörde auch des Tages ge⸗ denken, an dem, wie ich schon sagte, ihre wichtigsten Teile auf das Reich übergehen mußten. (Sehr richtig!) Gewiß, der Geschäfts⸗ kreis des preußischen Finanzministeriums wird auch nach dieser Los⸗ trennung noch verhältnismäßig groß sein. Die erste Abteilung des Ministeriums, die Abteilung für Etats⸗, Kassen⸗ und Rechnungs⸗ wesen, der im Jahre 1848 nur zwei Räte vorstanden, umfaßt heute, abgesehen von dem Unterstaatssekvetär, einen Stab von nicht weniger als 2 Direktoren, einem Dirigenten, 17 Räten und 5 Hilfsarbeitern,

die von ihr zu leistenden Aufgaben und die ihr obliegenden Verant⸗

zum Dentschen Reichsanzeiger und Preußischen Staa

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wortungen werden auch nach der Abtrennung anderer Teile des Finanzministeriums nicht geringer, vielleicht sogar noch schwieriger werden. Mit den Abteilungen 2 und 3, mit der Abteilung für direkte teuern und für die Zölle und die ündirekten Steuern, werden abe doch gerade diejenigen Gebietszweige von dem Ministerium losgelöst, auf denen die hervorragendsten Chefs der Behörde ich nenne nur Namen wie vorhin schon, Motz, Maaßen, Miquel ihren Ruhm begründet haben. Die Bedeutung der morgen sich vollziehenden Venderung in dem Bestande des preußischen Finanzministeriums wird vielleicht weiteren Kreisen unseres Volkes kaum zu vollem Bewußtsein kommen. Es ist keine bloß technisch⸗organisatorische Aenderung, nein, hier handel es sich um Wertungen und Wirkungen von höchster politischer Art In Wirklichkeit ist diese Abtrennung und die organisatorische Um formung das weithin sichtbare, äußere Zeichen für das Ende der Finanzhoheit Preußens; es leitet in der Tat den Beginn einer all⸗ mählich sich anbahnenden Mediatisierung der Länder ein. Darüber ist man sich in der Nationalversammlung bei der Verabschiedung des Gesetzes über die Reichsfinanzverwaltung nicht im Zweifel gewesen; in diesem Hause noch weniger. Das preußische Staatsministerium wie die preußische Landesversammlung haben den Schritt getan. Sie haben mit großem Wurf der Zukunft unseres Reiches ein großes Stück der eigenen Selbständigkeit geopfert, weil sie es zur Sicherung der lebensnotwendigen Bedingungen für Reich, Land und Gemeinde für unerläßlich hielten. 8 Der ungeheuren Not unseres Vaterlandes müssen wir dieses schwere Opfer, das schwerste, welches einem souveränen Staat zu gemutet werden kann, bringen, und wir bringen es willigen Herzens. Möge nun auch di Opfer aber nicht umsonst gebracht sein! Möge die Neuordnung inge zum Wohl des Reiches wie zum Wohl lieben Preußens ausschlagen, das heute so viel weil so wenig gekannt ist (lebhafte Zustimmung), Verdienste um die deutsche Einheit und Größe richti

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geschmäht, Preußens, dessen zu würdigen, einer leidenschaftslose ren Beurteilung kommender Ge

schlechter vorbehalten bleiben möge. (Sehr richtig!)

Im Kastanienwäldchen wird sich morgen die schwarzweiße Fahnt des Finanzministeriums wehmütig senken, wird hinübergrüßen zu der schwarzrotgoldenen Fahne auf dem Gebäude des Reichsfinanz⸗ ministeriums, und ihr letzter Gruß wird den scheidenden Mitgliedern des Amtes gelten, die, wie ich mit einem letzten Wort des Dankes auch noch sagen will, mir treu zur Seite gestanden haben in diesen schweren, schweren Wochen und Monaten, die wir zusammen arbeiteten, die nur das eine Ziel kannten, das unser aller Ziel sein muß, unser inneres und unser weiteres Vaterland aus den Nöten dieser Tage einer besseren Zukunft zuzuführen. (Bravo!)

Abg. Brust (Zentr.): Nach dem verlorenen Krieg und infolge der Revolution haben sich die Verhältnisse im Reiche und in den Bundes⸗ staaten derart verändert, daß wir ohne den deutschen Einheitsstaat nach meiner Ansicht nicht mehr auskommen können. Wir müssen ihn mit allen legalen Mitteln zu erreichen suchen. Zrinächst möchte ich dem Herrn Finanzminister einige dringende Wünsche vortragen. Es handelt sich um Zurückverlegung des Oberpräsidiums von Kiel nach Schleswig. Eine solche Zurückverlegung wäre mit unbedeutenden Kosten verbunden. Ich möchte den Herrn Finanzminister bitten, der Bitte Folge zu leisten. Des weiteren ersuche ich den Herrn Finanz⸗ minister, recht hald eine Gesetzesvorlage zu machen, welche eine Er⸗ höhung des Ruhegehalts der alten preußischen Beamten vorsieht. Das Ruhegehaltswesen in Preußen muß unbedingt in gleicher Weise geregelt werden wie im Reich. Auch die Gemeinden müssen unter allen Umständen die gleichen Maßnahmen treffen. Ferner soll eine Neuorganisation der Reichsfinanzverwaltung, die sog. Finanzämter und Hilfsstellen eincerichtet werden. Bezüglich der Ausführungen des Herrn Finanzministers Dr. Südekum wäre es vielleicht vorteilhafter gewesen, so scharfe Ausführungen in der jetzigen Zeit zu vermeiden. Die Frage der Reichsbesteuerung hier eingehend zu behandeln, würde zu weit führen. Es ist Sache der Nationalversammlung, die richtige Form zu schaffen. Die beiden Herren Vorredner Hergt und Dr. Fried⸗

berg haben erklärt, daß sie sich mit der Reichsabgabenverordnung ab⸗

finden werden, haben allerdings noch einige Bedenken.“ Auch meine politischen Freunde teilen diese Bedenken. Wir haben im Staats⸗ haushaltsausschuß ausdrücklich erklärt, daß wir nur dann auf die Steuerhoheit Preußens verzichten können, wenn sämtliche Gliedstaaten auf ihre Steuerfreiheit verzichten. Ich glaube, man kann die Ordnung der Dinge der Nationalversammlung ruhig überlassen. Dem Wunsche der beiden Herren Voredner, von den besitzenden Klassen müßten Opfer gebracht werden, schließe ich mich namens meiner politischen Freunde an. Herr Dr. Friedberg sprach dann davon, daß nach seiner Ansicht in der Einbringung der Vorlage ein Leichtsinn und ein blutiger Dilettantismus zu erblicken sei. Es kann keinem poeifel unterliegen, daß sich die scharfen Vorwürfe der beiden Herren gegen den Reichs⸗ finanzminister Erzberger richten. Obgleich ich nicht der Anwalt des Herrn Erzbeger bin, muß ich doch sagen, Herr Erzberger hat eine überaus traurige Erbschaft antreten müssen. (Sehr richtig!) Sein Vorgänger im Reichsfinanzministerium hat den Karren in den Dreck gefahren und ihn ruhig darin stecken lassen. (Sehr richtig!l) In England sind während des Krieges bedeutend mehr Steuern auf⸗ gebracht worden, als in Deutschland. Besonders sind dort die Kriegs⸗ gewinnler aufs schärfste zur Steuer herangezogen. In Deutschland dagegen hat das namentlich der frühere Reichsschatzsekretär, Herr Dr. Helfferich, unterlassen. Ich frage Herrn Hergt, ist diese Unterlassungs⸗ sünde des Herrn Helfferich nicht ein Leichtsinn von ihm? Weshalb hat er nicht Herrn Dr. Helfferich ernstlich ermahnt, seine Pflicht zu tun und eine Reichsfinanzreform rechtzeitig in Angriff zu nehmen? Herr Erzberger ist jedenfalls jetzt im Begriff, die Reichsfinanzreform zu lösen. Die Folgen des unglückseligen Krieges dürften sich noch auf lange Zeit hinaus bemerkbar machen. Mit den schönen Redensarten, das Reichs otopfer muß gebracht werden usw., kommt man nicht vor⸗ wärts. Es muß einmal energisch zugegriffen werden. Hinsichtlich der vorhandenen Arbeitsunlust der unlteren Volksschichten glaube ich auf Grund eigener Anschguung sagen zu können, so lange nicht eine gründliche Reichsfinanzreform gemacht wird, und die besitzenden Klassen auch gründlich zu den Steuern herangezogen werden, wird die alte Arbeitslust in den underen Volksschichten nicht mehr zurückkehren. Die Ausführungen Herrn Dr. Friedbergs über den Schweizer Auf⸗ enthalt Erzbergers sind nach meinem Empfinden ein Gefühl des Ge⸗ schmackes. Jedenfalls wünsche ich keinem unter ähnlichen Verhält⸗ nissen eine Schweizer Reise unternehmen zu müssen. Nur die Svar⸗ samkeit aller Schichten der Bevölkerung, auch der Arbeiterschaft, ver⸗ mag uns wieder hochzubringen. Die Einrichtungen der Wohnungen für die Minister, die doch früher kleine Leute waren, dürfen nicht so