1919 / 230 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 08 Oct 1919 18:00:01 GMT) scan diff

um dort ein Vorwegnehmen der Entscheidung zu verhindern, wo nach dem Friedensvertrag eine freie, unbeeinflußte Volksabstimmung über das künftige Schicksal deutscher Landesteile entscheiden soll. (Sehr richtig!) Daß uns diese zweite Aufgabe immer noch obliegt und mibi⸗ tärische Kräfte verlangt, ist nicht unsere Schuld (sehr richtig! bei den Mehrheitsparteien), sondern beruht auf der immer neuen Verzögerung der Ratifikation des Friedens durch die Parlamente der Entente. (Zu⸗ stimmung bei den Mehrheitsparteien.) In der Annahme, daß die Ratifizierung des Friedens durch drei gegnerische Mächte mindestens zum Oktober erfolge, hatten wir einen Plan aufgestellt, nach dem zum 1. Oktober die Herabsetzung der Stärke der Truppen auf 250 000 Mann durchgeführt werden sollte und dann allmählich, dem Friedens⸗ vertrag entsprechend, bis zum Ablauf von zwei Monaten nach dem Inkrafttreten des Vertrages auf 200 000 Mann. Diese Pläne sind der Entente längst bekannt geworden. Werbungen finden natürlich seit geraumer Zeit nicht mehr statt. Aber vor dem Inkrafttreten des Friedensvertrags ist auch die Herabminderung des Heeres auf die vor⸗ geschriebene Mindeststärke nicht möglich. So haben wir heute noch rund 200 000 Mann im Innern und fast ebensoviel an den östlichen Grenzen stehen, eine Zahl, die unseren früheren, bis an die Zähne noch bewaffneten Feinden wahrhaftig nicht gefährlich werden könnte (Beifall), selbst wenn es in Deutschland Narren gäbe, die das schwache Instrument in einem neuen Kampf schwingen wollten. Solche Narren gibt es aber nicht, wenigstens nicht im Kreise der Männer, die über die Politik des Reiches zu entscheiden haben. Aber es ist auch nicht die Zahl der Soldaten, die uns besonders in den letzten Debatten in der französischen Kammer über die völlige Entwaffnung Deutschlands als Hauptargument entgegengehalten wurde, sondern der angebliche Geist, der in den Truppen herrschen soll: der Monarchismus und der Militarismus.

Meine Damen und Herren! Wie alle unsere Einrichtungen, so befindet sich auch die Reichswehr in einem Uebergangsstadium, einem Zustand, den man als den der Umbildung bezeichnen muß, einem Zu⸗ stand der Anpassung an die junge Republik. Sie mußte aus Trümmern aufgebaut werden, aus den Trümmern einer Armee, die mehr als irgendeine Institution des alten Reiches monarchistisch und kaiser⸗ lich war. Daß da Personen und das muß offen zugegeben werden mil Anschuungen in das neue Gebilde übergegangen sind, die mon⸗ archistisch und kaiserlich sind, das ist selbstverständlich. (Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Es war aber die Aufgabe des Reichswehr⸗ ministers und wird sie bei der durch den Friedensvertrag auferlegten Verkleinerung erst recht sein, jeden Mißbrauch der Reichswehr in vieser Hinsicht zu vermeiden (sehr richtig! bei den Sozialdemokraten), Elemente, die auf einen solchen Mißbrauch hinarbeiten, auszumerzen (lebhafte Zustimmung bei den Sozialdemokraten) und den Männern mehr und mehr Einfluß zu verschafsen, die nicht nur widerwillig, sondern aus Ueberzeugung auf dem Boden der heutigen Staatsordnung stehen. (Erneute lebhafte Zustimmung bei den Sozialdemokraten.) Dabei soll aber keiner Gesinnungsschnüffelei und keiner Parteibevor⸗ zugung das Wort geredet werden. (Zuruf rechts: Na, nal) Wer seine Stellung nicht seinerseits parteipolitisch mißbraucht, ist in der Reicheehr der Republik willkommen.

% Heerr Abgeordneter Schiele, Sie werden mir zugeben, daß gerade der Reichswehrminister am allermeister bestrebt ist, diesem Grundsatz Geltung und Anerkennung zu verschaffen.

Wer aber die militärische Disziplin, wer das Vorgesetzten⸗ und Untergebenenverhältnis zu Hetzereien gegen Republik, Regierung und gegen die mißliebigen Parteien benutzt, der das kann ich Ihnen im Namen der gesamten Regierung versichern darf fernerhin keinen Platz mehr in der Reichswehr haben. (Lebhafter Beifall bei den Soojaldemokraten.)

Wir wollen keine weiße, aber auch keine rote Garde. Eine Volks⸗ wehr, das ist unser Ziel, die in den Wirrnissen unserer ungeklärten Zeit das Volk manchmal vor sich selbst, in den meisten Fällen aber vor den Abenteuern einiger weniger bewahrt.

Auf was stützt sich nun das Märchen vom angeblichen deutschen Militarismus? Wie kommen wir dazu, die unter allen in Betracht kommenden Staaten nicht nur wlativ, sondern absolut das kleinste Heer haben, ohne schwere Artillerie, ohne alle die Maschinen, ohne die der moderne Krieg unmöglich ist, als Militaristen verschrien zu werden? Es ist zuzugeben: das Ausland kann sich nicht so schnell in die veränderte Gesinnung hineindenken oder vielmehr in die Tatsache, daß die immer vorhandene pazifistische Gesinnung in Deutschland die Oberhand gewonnen und die Führung an sich gerissen hat.

Aber das Schlimmere ist, daß dem Ausland aus Deutschland selbst, von rechts und von links, das d der Republik gefälscht wird Cehr richtig! bet den Sozialdemokraten), daß von den Deutschnationalen wirklich der Eindruck eines erstarkenden Nationalismus mit Willen angestrebt wird (sehr richtig! bei den Sozialdemokraten), während die Unabhängigen sich nicht genug tun können in Verdächtigungen der Regierung, als züchte sie absichklich oder durch schwächliche Duldung peaktionäre Triebkräfte. (Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.)

Meine Damen und Herren, hier ist ein eindeutiges, unbedingt klares Wort am Platz! Ich erkläre daher mit aller Deutlichkeit und mit allem Nachdruck: es ist unser Bestreben, den Friedensvertrag nach Kräften und in allen Teilen zu halten und zu erfüllen; in ganz besonderem Maße gilt das aber von den militärischen Bedingungen des Vertrages. Zwei Monate nach der Ratifizierung soll das deutsche Heer nur noch 200 000 Mann betragen; also wird es nur 200 000 Mann betragen, nicht einen mehr! Wir werden auf keinem Wege anstreben, versteckte Vergrößerungen dieser Zahl unter irgendeiner Maske zu erzielen. (Sehr gutl bei den Sozialdemokraten.) Weder mit Krümpersystem, noch mit einem vertragswidragen Ausbau der Einwohnerwehren, die nichts sind und sein wollen als freiwillige Polizeiorgane für Tage terroristischer Unruhen, werden wir den Artikel des Vertrags umgehen. Wir stehen auf dem Standpunkt, daß das Einschmuggeln von ein paar tausend Mann uns nicht stärker, sondern erheblich schwächer machen würde (lebhafte Zustimmung bei den Sozialdemokraten), weil es mit dem Mißtrauen der ganzen Welt erkauft werden müßte. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Wir haben die Aufgabe, moralische Eroberungen zu machen (Lachen rechts) allen Verleumdungen zum Trotz, die uns auferlegten Be⸗ dingungen zu erfüllen. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Wenn wir uns daran nicht mit reinen Händen machen, sind wir von vornherein verloren. (Sehr gutl bei den Sozialdemokraten.) Dem Inland und dem Ausland sage ich: die deutsche Regierung kennt keine heimlichen Vorbehalte, sie will von dem Grundsatz „Not kennt kein Gebot“ nichts wissen, sve erfüllt, was immer sie erfüllen hann, feldst

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1 —238* 2 1 —“ Uritbenese illsges, den die

unter der Last dieses * gLsif

Sozialisten mit Recht ein schlechtes Geschäft und eine schlechte Tat

genannt haben. (Sehr gutl bei den Deutschen Demokraten.)

Aber die Unabhängigen haben der Regierung auch die Vorgänge im Baltikum aufs Schuldkonto geschrieben und daraus vor aller Welt den Vonwurf imperialistischer oder gar monarchistischer Umtriebe und Neigungen des Kabinetts abgeleitet. (Hört, hört! hei den Sozial⸗ demokraten.) Was alles hat in den unabhängigen Blättern gestanden und ist von da in die französische Presse übergegangen! (Hört, hört! bei den Sozialdemokraten.) Dort oben sollten die Armeen der Gegen⸗ revolution aufgestellt werden. General von der Goltz sollte der neue Yorck sein. Die deutsch⸗russische Heilige Allianz sollte in Mitau und Schaulen aufs neue begründet werden, ja der Weltkrieg durch die dort versammelten Söldnerscharen noch einmal aufgerollt und zugunsten Deutschlands entschieden werden. Meine Damen und Herren! Auch wenn wir die lächerlichsten Uebertreibungen wegstreichen, was die un⸗ abhängigen Blätter in ihren Artikeln leider nicht getan haben, es bleibt der unerfreuliche Tatbestand, daß in einem fremden Lande, mit den Gedankengängen einer längst als verderblich erkannten Rand⸗ staatenpolitik, ein Söldnerheer lagerte, das von der Bevölkerung, die es anfangs dringend gerufen hatte, als lästig empfunden wurde und immer mehr in Gegensatz zur litauischen und auch zur deutschen Politik geriet. Versuche, die angeworbenen Reichsdeutschen auf gütlichem Wege zur Heimkehr zu veranlassen, scheiterten. Die Gefahr eines Entente⸗Ultimatums kam immer näher, um so mehr, als rechtsstehende Kreise aus einer verstiegenen Baltenromantik sich nicht in die harten Notwendigkeiten zurückfinden konnten, die einem besiegten Volke wie dem unsern obliegen. So verfügte die Reichsregierung bereits am 25. September, also drei Tage vor dem Eintreffen des Entente⸗ Ultimatums, die schärfsten Maßregeln, die gleichzeitig zur Kenntnis der Entente gebracht wurden. Die Grenze wurde gesperrt; auf Aben⸗ teurer, die dennoch nach dem Baltikum vordringen wollten, sollte scharf geschossen werden; Munitionszufuhr war schon gesperrt, jetzt wurde die Sperre der Löhnung angeordnet. General von der Goltz,

der in den Augen der Welt als Träger des östlichen Expansions⸗

gedankens, wenn auch meiner Ueberzeugung nach zu Unrecht, gilt. wurde abberufen. Nach dem Ultimatum wurden diese Befehle noch⸗ mals in schärfster Form zusammengefaßt und der Uebertritt in russische Dienste unter die Strafe des Verlustes aller deutschen Ansprüche gestellt.

Meine Damen und Herren! Das ist die baltische Politik der Reichsregierung. Heraus wollen wir, mit allen Mitteln, selbst um den Preis der Aufopferung von Kriegsgerät und ähnlichem, heraus aus einem Land, wo wir nichts zu suchen haben. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Der Aufruf der Regierung an die Truppen im Baltikum hat, so denke ich, eine deutliche Sprache gesprochen. Ich bin überzeugt, unsere Maßnahmen werden zu einem Erfolg führen, um so schneller, wenn die Entente unseren Vorschlag annimmt, eine Kommission mit uns zu bilden, deren Aufgabe es wäre ich hebe das noch einmal nachdrücklich hewor, damit diese Kommission nicht mit den bekannten begutachtenden und damit verschleppenden Kommissionen verwechselt werde —, nach Prüfung der Sachlage die Maßnahmen zur schleunigen Durchführung zu treffen, zu überwachen und durch⸗ zusetzen.

Ich habe gesagt: drei Tage vor Eintreffen des Ultimakums hatte die Reichsregierung bereits die entscheidenden Maßnahmen getroffen und sie der Entente mitgeteilt. Dennoch kam das Ultimatum mit der fürchterlichen Drohung, den Krieg gegen unsere Frauen und Kinder aufs neue zu eröffnen, den unmenschlichen Blockadekrieg, und zwar fast in gleichem Augenblick, in dem die französische Kammer den Friedensvertrag von Versailles ratifiziert hat. (Hört, hört! bei den Sozialdemokraten.) Ist je ein Friede im Moment einer solchen Kriegs⸗ erklärung geschlossen worden? (Sehr richtig! bei den Deutschen Demo⸗ kraten.) Kann man das Friedensschluß nennen, und was für Aussichten eröffnen sich uns für die Dauer und die Art eines solchen Friedens? (Sehr richtig! bei den Deutschen Demokraten.) Die Reichsregierung hat die schärfste Verwahrung dagegen eingelegt, daß aufs neue solche unmensch⸗ lichen Kriegsmaßnahmen gegen die Zivilbevölkerung angewendet werden. Von dieser Stelle aus nehme ich diesen Protest noch einmal auf, um vor den vom langen Kriegselend verhärteten Ohren der ganzen Welt den einfachen Tatbestand festzustellen. (Sehr gut! Bravo!) Weil außerhalb des Machtbereichs der Republik, die mit allen Mitteln militärisch ohnmächtig gemacht wurde, Söldner ihrer egoistischen Abenteurerpolitik nachgegangen sind, Söldnery die man erst flehentlich gebeben hat, in das Land zu kommen, und denen man die weitestgehen⸗ den Versprechungen für die Zukunft gemacht hat. Ich sage: wegen dieser Tatsache soll aufs neue der deutschen Frau und dem deutschen Kinde das bißchen Fett und Milch abgedrosselt werden, das unser ver⸗ armtes Vaterland außerhalb der Grenze kaufen kann! (Rufe: Uner⸗ hört!) So haben wir uns den Anbruch der Aera des Völkerbundes nicht gedacht. (Tebhafte Zustimmung links. Lachen und Zmwufe rechts.)

Wir haben den Vertrag mit den Polen mit Freuden begrüßt, weil wir zwischen zwei Völkern, deren Beziehungen nicht einfach und nicht reibungslos sind, der verhondlungsmäßige Weg des Ausgleichs gefunden und mit Erfolg begangen worden ist. Es wäre das ist meine feste Ueberzeugung ein Glück für die ganze Welt, wenn unsere bisherigen Gegner auf diesem Wege nachfolgen würden.

Meine Damen und Herren, der vom ganzen Volke so lange er⸗ sehnte Rücktransport unserver Kriegsgefangenen hat endlich begonnen. Außerordentlich schmerzlich aber ist es, daß er erst so geringe Fort⸗ schritte gemacht hat. Wie furchtbar lang sind diese ganzen Monate noch den Kriegsgefangenen da draußen und ihren Angehörigen hier ge⸗ worden! Seit einem Jahre ruhen die Waffen, und noch sind viele Hunderttausende fern der Heimat. Ein unbeschreibliches, unausdenk⸗ bares Leiden geht dort vor sich. Wehe denen, die das Gefühl dafür verloren haben! Mit Bitterkeit denken wir an die Leichtigkeit, mit der man über dieses Leid bei unsern Gegnern zur Tagesordnung über⸗ geht. Wir wollen gern anerkennen, daß mancher auch unter den Führenden dort ein warmes Herz für die Kriegsgefangenen zeigt, aber eine große Bewegung der Menschlichkeit, die zu großen Entschlüssen geführt hätte, haben wir vergeblich erwartet.

Allen, die sich an der Rückführung unserer Gesangenen mit helfen⸗ der Hand und Liebe betenigen, gilt unser herzlichster Dank, ganz be⸗ sondens den Angehörigen der neutvalen und feindlichen Stooten, die sich in den Dienst dieser Sache gestelli Haben. (Beifall.) 8

Der furchtbare Friedensvertrag legt uns unübersehbare, schmerz⸗ liche Lasten auf. Am schmerzlichsten aber ist es, daß zahlreiche Volks⸗ genossen von uns gerissen und das andere gehindert werden, sich uns anzugliedern. (Lebhafte Zustimmung.)

Aber auch das müssen wir tragen, denn wir wollen den Friedens⸗ vertrag durchführen, und zwar loyal durchfühven. Was uns aber kein Friedensvertrag nehmen kann, ist das Gefühl der nationalen Zusammen⸗ gehörigkeit (Bravo), und was uns niemand verbieten kann, ist die Pflege dieses Gefühls. (Erneutes Bravol) Unsere deutschen Stammesgenossen, die künftig von uns getrennt sind und getrennt bleiben, sollen wissen, daß wir an sie denken und auf den Gebieten, die uns der Vertrag übrig läßt, für sie sorgen. Nicht politisch, aber sprachlich und menschlich sollen diese Beziehungen um so herzlicher sein. (Beifall.) Auf allen Gebieten der Kultur, im Reiche der Wissenschaft, auf sozialem Ge⸗ biete, soweit die persönlichen Verhältnisse und der gesellschaftliche Ver⸗ kehr in Frage kommen, wollen wir diese unsere Gemeinsamkeit be⸗ taligen und das Gefühl der Zusammengehörigkeit pflegen. (Bravo!) Das ist eine kulturelle Aufgabe des Deutschen Reiches.

Meine Damen und Herren, ich habe gesagt, daß die Reichs⸗ regierung und mit ihr die überwältigende Mehrheit des Voldes beseelt sei vom Willen des friedlichen Aufstiegs und daß alle unsere aus⸗ wärtigen Beziehungen unter einem vergiftenden Mißtrauen in diesen friedlichen Willen leiden. Ich habe dargelegt, daß nach unserer Ansicht von unabhängiger Seite zu Unrecht zu diesem Mißtrauen beigetragen worden ist. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.)

Ich muß aber zum Schluß auf den Anteil zurückkommen und ich glaube, es ist der Löwenanteil —, den die Deutsch⸗Nationalen an dieser Weltvergiftung haben (sehr richtig! links und in der Mitte), die uns bei jedem Schritt hemmt und schädigt. (Sehr wahr! links und in der Mitte.) Im Ausland hat man sich jahrzehntelang davan gewöhnt, in den Aeußerungen der Rechten, die für die Reichs⸗ politik maßgebende Stimme zu hören; daß macht ihre Auslassungen so bedeutugnslos sie für den Kurs der Republik auch sind so überaus gefährlich. Ich beschränke mich auf ein paar Proben aus den letzten Tagen; sie werden zur Kennzeichnung dieser Art von Presse genügen. Da heißt es bei der Beschreibung eines Ganges durch die Siegesallee und einer Begegnung mit englischn Soldaten:

Ein Arbeiter, einen Genossen treffend, sagte haßerfüllt: „Wie die hier so auftreten und sich breitmachen!“ „Ein anderer, der gevade an mir vorüberging, brummte wütend in seinen Bart: „Ver⸗ hauen müßte man die Brut!“ Es wird der Tag kommen, wo alle Deine Genossen denken so wie Du: Verhauen müßte man die Brut! der Tag, an dem das ganze deulsche Volk die Worte des Dichters befolgen wird: „Schlagt sie tot, das Weltgericht fragt euch nach den Gründen nicht!“

Lebhafte Rufel links: Hört! hört! Zuruf rechts: wo steht das? In der Deutschen Zeitung. (Zuruf rechts: Ist nicht unser Partei⸗ organ! Widerspruch links.) Und ein paar Tage darauf in einem Artikel: „Was ist Frankreich?“:

Frankreich ist ein hoffnungsloser Fall. Sein Körper trägt über⸗ all die Spuren der Verwesung: er riecht. Es ist der selbst herbei⸗ geführte Mavasmus, der sich breit macht, und das Stammeln des Siegeswahnsimnnigen erinnert lebhaft an den Ton des Bordells. Frankreich weiß, daß es ein Nichts ist ohne seine Raubgesellen. Seine ganze hundsgemeine Banditennatur (Pfuirufe links) —, der ganze Zuhältergeist seiner Stoetseinrichtung der Apachen (erneute Pfui⸗Rufe linke) kommt in der „Verwaltung de besetzten Gebiets“ zum Ausdruck.

Meine Damen und, Herren, ich gehe über das hysterische Revanchegeschrei hinweg. Ich sehe in diesem Zusammenhang ab von der Aufforderung zu Gewalttätigkeiten, wenn nicht Totschlag, wie sie der erste Artikel enthält. Die französische Mission hat ihn zum Gegen⸗ stand einer nur zu berechtigten Beschwerde gemacht. (Hört, hört! links.) Ich sehe ab von dem hysterischen Stammeln, das sich in Schimpfworten nicht genug tun kann, und das beste Anzeichen für eine krankhafte Schwäche ist. (Sehr wahr! links.) Aber ich frage die Herren von der Rechten: Können und wollen Sie die Verantwortung für diesen gefährlichen Wahnsinn übernehmen, ist das überhaupt noch Politik oder nur noch Irrenhaus? (Sehr wahr! links und in der Mitte.) Eine angebliche Vaterlandsliebe, die sich so äußert, die dem Gegner solche Waffen in die Hand drückt, die das sage ich Ihnen mit aller Offenheit und allem Nachdruck die darf man nicht frei herumlaufen lassen. (Cebhafte Zustimmung links. Unruhe rechts.)

Meine Damen und Herren, mögen Sie uns, wie ein anderes nationalistisches Blatt „Statthalter der Entente“ und „Landvogt der Alliierten“ nennen, oder wie das in den letzten Tagen, nach einen Bericht im „Berliner Lokal⸗Anzeiger“, von dem ehrenwerten Mit⸗ glied dieses hohen Hauses, Herrn Laverrenz, geschehen ist, „Verbrecher⸗ gesindel“. Wir dulden nicht, daß anonyme Schmierfinken das deutsche Volk in neue Fährlichkeiten bringen und seinen Leumund vor der ganzen Welt aufs neue untergraben. Wer sich zu diesen Artikelschreibern und vor sie stellt, der ist für uns ein Feind des deutschen Volkes! Ich möchte sehen, wer sich ausschließt von der ungeheuren Mehrheit der Deutschen, wenn die Reichsregierung, getreu ihrem außen⸗ politischen Programm, den Ruf ergehen läßt: für den friedlichen Auf⸗ bau, für die Völkewerständigung, gegen die gewissenlose Brunnenver⸗

gifter des Chauvinismus! (Lebhafter Beifall links und in der Mitte.

Zischen rechts. Erneuter Beifall links und in der Mitte.) Abg. Dr. Petersen (Dem): Wenn wir nur ggitatorische Er⸗

folge und Gewinnung neuer Parteianhänger erstrebt hätten, wäre unser Wiedereintritt in die Regierung Bedenken unterworfen heneen Stimmungs⸗ und gefühlsmäßig sprechen manche Tatsachen dagegen, aber sie dürfen für eine Partei nicht entscheidend sein, wenn die allge⸗ meinen Interessen des Vaterlandes den Eintritt in die Rogierung ge⸗ bieterisch fordern. Wir hoffen, daß die große Menge unserer Parten diese Gründe würdigt und anerkennt. Es gilt, den demokratischen Auf⸗ bau unserer Verfafsung zu erhalten und zu vertiefen, um dem deutschen Vosk im Innern Ruhe und Ordnung, nach außen durch die Festigkeit der Regierung diejenige Kraft und Würde zu geben, die nötig ist, damit wir uns in der Welt als Voff behaupten und dem Menschheitsgedanken und dem Völkerbund dienen können. (Zustimmung links.) Wir danken es dem Mimster Noske und seinen Mitarbeitern, daß sie ohne Ve⸗ denken aus den Trümmern ein gchhmogebietendes Heer geschaffen haben, das die Erfüllung unserer Aufgaben gewährleistet. Wir haben das trauen, daß Herr Noske auch ferner mit Ruhe und Kraft diese Macht einsetzen wird, wo es nötig ist, um der Gewalt⸗ und Geses⸗ losigkeit entgegenzutreten. Wir sind mit dem Reichskanzler gegen lere⸗ Pokrisierung der Armee. Ekemente, die dagegen verstoßen, müssen aus der Armee zusscheiden. In der Krise unseres Vaterlandes konnte die Nationalversammlung nichts andeves tun, als Oel auf die Wogen.. gießen, jevtt aber gilt es, wisder das Steuer zu fassen und das n auf Kuvs zu setzen. Unsare Verfassung meß nut dem 9

Es kommt ein Tag .“

Arbeitknehmer müssen das Mitbestimmungsrecht bei

gefüllt werden, der das Deutsche Reich zur Blüte bringt. Die Kräfte dazu sind da. Ein Volk mit den Leistungen des Friedens, mit dieser

ntelligenz, Tüchtigkeit und Fleiß, ein Volk, das vier Jahre diesen rieg ausgehalten und technisch so Großes geleistt hat, will und muß wieder hoch kommen. Aber dam gehört freiwillige Einordnung in den verfassungsmäßigen Rahmen, Ausgleich der Interessen aller Wirt⸗ schaftskräfte, gegenseitge Achtung aller Konfessionen, Berufe und Par⸗ teien. Das nur kann die Arbeitsfreudigkeit wieder herstellen und uns in eine bessere Zukunft führen, die wir erreichen können und erreichen müssen. Die Deutsch⸗Demokratische Partei hat guten Willen, und deshalb wollen wir aus vaterländischen Gründen wieder in die Re⸗ Fierung eintreten. (Bravo! links.) Weder das Bekenntnis zur Ver⸗ fassung, noch zum Gemeinsinn sind Gemeingut des deutschen Volkes. Auch bei den Regierungspartoien muß in dieser Beziehung noch vieles hebessert werden. Auch hier muß Gemeinsinn, Duldsamkeit und Unterordnung in Partei, Fraktion und Presse erheblich gefördert werden, soll der Block der regierenden Verfassungsparteien die Stärke und Würde aufweisen, die nötig sind, um in Deutschland und in der Welt Vertrauen und damit Popularität zu gewinnen. Von rechts und links wird heute rücksichtslose Opposition, ungerecht und zersetzend, getrieben, die wenig Verantwortlichkeitsgefühl gegenüber der Not des Vaterlandes zeigt. (Sehr vichtig! links.) In dem letzten Sonntagsartikel des Grafen Westarp wird be⸗ hauptet, die Regierungsparteien hätten die Revolution gewollt und gemacht, all unser Unglück und Elend komme ausschließlich von dieser Revolution, wäre sie nicht gewesen, hätten wir heute die Zustände der Zeit vor dem Kriege (Lachen links). Durch Vexvallgemeinerung bedauerlicher Einzelfälle werden große Teile unseres Volbes in ver⸗ hetzender Weise verleumdet und verächklich gemacht. Die Deutsch⸗ nationalen hätten alle Veranlassung, jetzt mit ihrer Kritik zurück⸗ zuhalten (Sehr gut! links, Lachen rechts). Sie könmen mich nachber widerlegen, mit Lachen werden so ernste Fragen nicht aus der Welt geschafft. Meine Partei hat die Revolution nicht gewollt und nicht gemacht (Sehr richtig! links). Wir halten die Revolution für ein großes Unglück und hätten gewünscht, daß wir durch organische Ent⸗ wicklung m demokratischen Zuständen gekommen wären. Die konser⸗ vative 2 war es, die diese Zustände herbeigeführt hat, sie hat Ausnahmegesetze gegen die stärkste Partei im Lande aufrecht erhalten, sie hat wie Aenderung des Dreiklassenwahlrechtes bis weit in den Krieg hinein unmöglich gemacht, sie hat die Sozialdemokvetie von Regierung und Verwaltung ferngehalten, sie hate sozalbemokratische Wähler gemaßregelt. Dgamit verhinderte sie die Heranbildung von Führern dieser Partei, während die Konsewativon seit Jahrhunderten allein die Regierenden waren und deshalb die Regjerungshunst besser gelernt hatten. Ein Zurückhalten in der Kritik wäre da angemessen. Ihr Parteikollege v. Delbrück hat hier ellt, daß man in der deutschen Regierung gewußt⸗ habe, daß die Zustände geändert werden müßten. So haben auch die Konservativen seinerzeit größere Zurück⸗ haltung geübt und den Grafen Westarp und Herrn v. Heydebrand nicht wieder kandidieren lassen, weil sie wußten, daß es nicht gut gehen würde (Abg. v. Gräfe mft: Auch auf der linken Seite fehlt mancher!). Gewiß, wir haben Männer gehabt. die sich nicht so vest⸗ los zur Verfügung stellten. Sie hätten aber nach 9 oder 10 Monaten nicht aus Ihrer Zurückhaltumg hevaus⸗ und zur scharfen Kritik über⸗ gehen dürfen. Sie wären verpflichtet gewesen, auch weiter Zurück⸗ haltung zu üben, das hieße deutschnatiomale Politik treiben. Wenn man Bilder veröffentlicht wie die „Deutsche Tageszeitung“, in denen Volksmänner wie Ebert, Bauer und Noske in unerhört verhetzender Weise dem alten Kaiser, Moltke und Bismarck gegenübergestellt werden, so ist das keine sachliche Kritik in der gegenwärtigen Not des Waterlandes. Wir erkennen unbedingt an: Es ist richtig, daß einzelne Mitbürger jüdischen Glaubens wie 9 Angehörvige anderer Kon⸗ fessionen sich während des Krieges bereichert haben, und daß jetzt Juden als Arbeiterführer auftreten, die nicht dam geeignet sind:; aber die vevallgemeinerte Verhetzung sollte in dieser Zeit des Elendes mit Rücksicht auf das In⸗ und Ausland unterbleiben, denn wir haben alle Vevanlassung, nach dem Zusammenbruch unserer Macht moralische Eroberungen in der Welt zu machen. Wir müssen aus nationalen Gründen von der deutschnationelen Partei fordenn, daß sie sich un⸗ zweideutig auf den Boden der Verfassung stellt und sich auf berechtigte Kritik beschränkt. Der äußersten Anken genügt die Revolution, die wir gehabt haben, noch nicht, sie wünscht sie weiter zu treiben trotz der tvostlosen Lage, in der sich unseve Wirtschaft befindet. Sie tut es teilweise mit der ausgesprochenen Absicht, unsere Wirt⸗ schaft zu zerstören, sie spielt zum mindesten sehr leichtsinnig mit dem Glück des Volkes. Ihre Kampfmittel sind persönliche Verdächtigung, Terrorisierung anders Denkender, Appell an die Gewalt anstatt an die Ueberzeugung. Es wird ämmer wieder die Erwartung in der Oeffentlichkeit ausgesprochen, daß ein großer Mensch, ein großer Ge⸗ danke uns aus dem Elend der Zeit in das Glürk der Zukunft hinaus⸗ führen soll. Wenn wir auf diesen Mann oder diesen Gedanken warten, so sind wir verloren. Weder das eine, noch das andere wird uns helfen, hier kann es nur heißen: Deutsches Volk hilf dir selber, der kategorische Imperativ der Pflicht muß wieder Geltung erhalten, soll unser Volk nicht untergeben. ß., Rachesucht sind aus ihren Höhlen gekrochen und haben eine furchtbare Herrschaft angetreten gegen das Edle, Hilfreiche und Gute; der Friede von Versailles ist ein schlüssiger Beweis dafür. Aber wir brauchen nicht zu ver⸗ zweifeln; das Gute wird sich in einem guten Volke durchsetzen. Wir erfüllen nur eine Pflicht gegen die Allgemeinheit, wenn wir uns der Regierung zur Vetfügung stellen. Wir wollen aber ein kräftiges Wort mitsprechen und erwarten von unsern Vertretern, daß sie sich durchsetzen werden. Wir erkennen grundsätzlich das Streikrecht an, verlangen aber Verhinderung jedes wirtschaftlich nicht notwendigen, jedes politischen Streiks. Die obligatorischer Einigungs⸗ ämter, deren gesetzliche Regelung rsteht, begrüßen wir. Die Mkkordarbeit kann nicht mehr entbehrt werden, wir verlangen Auf⸗ bebung ihres Verbots. Das System ist aber zu verbessern, und die - Festsetzung der Akkordlöhne bekommen. Die Euwerbslosenfürsorge, eine besonders soziale Pflicht, muß revidiert werden. Jede für den Betreffenden mögliche Arbeit muß bei Verlust der Unterstützung angenommen werden. Wir verlangen ferner Schutz gegen jeden Terrorismus. Die Zwangswirtschaft muß soweit wie möglich aufgehoben werden; wenn sie auch bei einer Reihe notwendiger Waren noch beibehalten werden muß. Wir ermahnen unsern Handel, die Konjunktur nicht zu eigenem Nutzen auszubeuten, Auswüchsen muß mit rücksichtsloser Strenge entgegengetreten werden. (Bravo!) Wir warnen auch vor Epperimenten dem Gebiete der Soziali⸗ jerung, sobald sie nicht die Sicherheit des Gelingens in sich bergen. UUe Krteien mit Einschluß der Unabhängigen sind sich darüber einig, daß die kapitalistische Wirtschaftsordnung zurzeit nicht entbehrt werden kann, wenn sie auch einer Aenderung bedarf, so muß sie doch immerhin Anspruch auf gerechte Würdigung behalten. Durch unsern Zusammenbruch müssen wir uns besonders vereinigen zu inniger Eebe zum deutschen Vaterland, zu deutscher Kultur und Art. Wir haben eingesehen, datz das System, wie es bei uns bestand, verfehlt war, wir haben aber keinen Grund, uns unserer Vergangenheit zu schämen, wir müssen anerkennen, was Deutschland Großes und Gutes geleistet hat, dies S-. wir in Ehren halten. bhaftes Bravo!) Dies gilt auch für die Männer, die gefehlt haben mögen, die aber stets ihre Pflicht für das Vaterland getan haben. (Wieder⸗ holter Beifall.) Unsere Regierung wird Würde und Kraft zu wahren haben, ohne die Rechte anderer Nationen zu schmälern. Bleiben wir uns unserer Pflicht gegen unser Vaterland, unsern Staot und gegen die Welt bewußt, so werden wir wieder hoch kommen, das ist die feste Se. unserer Partei, das verpflichtet uns als deutsche Demokraten, Regierung verantwortlich mit zu über⸗ nehmen. (Beifall links.)

Abg. Scheidemann (Soz.): Von meiner bei beauftragt, hier zu sprechen, will ich die Gelegenheit nicht 1. lofen.

als Mensch zu Mensch den Reichskanzler Bauer zu begrüßen, der in schwerster Zeit das schwere Amt auf seine S eon genommen hat.

Er mußte sich, As der unterscheicben werden mußte,

schnell entschließen. dem das S. n 1 Irgend welche Meinungsverschiednheit zwischen ihm und mir hat es nicht Die Unterzeichnung des Friedensvertrages war welt⸗ geschicht iche Politik, und gegen die Weltgeschichte polemisiert man nicht. Jetzt handelt es sich darum, einen Weg aus den gegebenen Tatsachen zu finden, der uns von dem Sturz wieder aufwärts bringt. Auf diesem Wege können sich auch diejenigen finden, die bei der Unterzeichnung mit ihrer Meinung ihr entgegenstanden. Ich freue mich, daß die demokratische Partei den Weg zur positiven Anteilnahme an den Regiervungsgeschäften zurückgefunden hat. Selbst⸗ verständlich wäre mir eine rein sozialistische Regierung lieber (Heiter⸗ keit), aber eine solche Regierung wäre erst dann möglich, wenn das Volk durch seinen Mehrheitswillen uns die Vollmacht dazu ausstellt. Würden die Herren von der äußersten Linken es für richtig halten, wenn die sozialistische Partei gewaltsam die Macht an sich risse und gegen den Volkswillen regiere? Ohne Belagerungszustand würde es nicht abgehen, dieser Belagerungszustand würde noch ganz anders aus⸗ sehen als der bisherige. Oder sollen wir uns beiseite stellen und den bürgerlichen Parteien die Regierungsbildung überlassen? Sollen die Herren von der gbn Rechten die Führung übernehmen? Das wäre ein schöner Anfang für die deutsche Republik, wenn sie von deutschen Monarchisten regiert würde. (Heiterkeit und Beifall.) Hätten wir so gehandelt, hätte man uns mit Recht vonwerfen können, wir spielten das Spiel der Gegenrevolution. Ich begrüße das Wieder⸗ eintreten der Demokraten in die Regierung, weil diese vor allem stark sein muß gegen rechts. Ich billige das Regierungsprogramm. Die Demokraten werden alle Maßregeln unterstützen, um die Republik zu kräftigen. Es gibt keine höhere Aufgabe als die Festigung jetzigen Staatsform. Her ie zerstört, begeht ein Verbrechen. Jeder Deutsche muß heute Vernunftrepublikaner sein, wenn er nicht überhaupt von der Vernunft verlassen ist. Es ist unsinnig, neue Kämpfe um die Staatsform heraufzubeschwören. Haben die Herren auf der Rechten nichts aus der Geschichte gelernt? Sie haben über das Kaiserreich gemurrt und sohnten sich nach dem alten Preußen zurück, jetzt schimpfen sie über die Republik. Sie müssen immer mindestens um einen Post⸗ tag hinter der Geschichte zurück sein. Ich halte die nationale Propa⸗ ganda für das gestrige nicht nur für närrisch, sondern für gefährlich. Wenn ein Offizier sich als leidenschaftlicher Reaktionär bekennt, so muß sich das Volk fragen, wohin die Reife gehen soll. Wer als Offizier freiwillig den Rock der Republik trägt, soll provozierende Redensarten gegen die Republik unterlassen, sonst kennt er seine Pflicht nicht, und sein Ehrbegriff schwankt bedenklich. (Sehr richtig!) Die Offiziere müssen ü ihre verfassungsmäßige Pflicht aufgeklärt werden. Wer nicht die Rpublik schützen will, kann nicht Offizier sein. Ich hoffe, daß sich die Energie meines Freundes auch nach dieser Uschn. hen erfolgreich betätigen wird. Noske will „fernerhin“ gegen antirepubs⸗ sche Gesinnung eingreifen; wäre das schon bisher nügend gehen, wäre uns mancher Schade erspart geblieben. ffiziere, die den Geist der Truppen verwirren, müssen entlassen werden. (STehr wahr! links.) Truppen, die der monarchistischen Propaganda untsrliegen, müssen an der Republik irre werden. Der „Temps“ nennt Noske einen Imperialisten und spricht von nationalistischen und monarchzstischen Tendenzen in unserm Heere! Gerade weil wir die Reichswehr gegen Bedrohungen von rechts und links brauchen und weil wir Noske stärken wollen in seiner Aufgabe, deshalb mache ich diese Ausfüchrungen. Monarchismus und Spartakismus brauchen ein⸗ ander, die narchisten fördern den Spartakismus und umgekehrt. Die Monarchisten entdecken überall spartakistis zutschversuche, und dadurch kann sich die Reichswehr auf falsche nen locken lassen. Diejenigen, die von spartakistischen Umsturzbestrebungen ihre Existenz fristen, haben direkt entgegengesetzte Interessen gegen uns. Unsinnige Streiks müssen vermieden werden; damit würde unsere Aufgabe, ganz bedeutend erleichtert. Der Belagerungszustand ist ein uns aufgedrängter Notstand, daran sollte die Regierung denken, und wir dürfen ihn nicht über die Gebühr ausdehnen. Wird der Belagerungszustand heute aufgehoben und fließt dann Blut, dann muß er morgen wieder ein⸗ gell rt werden. Das Volk muß sehen, daß die Demokratie nicht loß eine Fassahe für die alte Klassenherrschaft sein soll, sondern ein Mittel zum Aufstieg. Der Feind steht rechts. Aber nicht nur rechts. Die Herren auf der 5 Linken sprechen von den gegenrevolutio⸗ nären Bestrebungen. rum denken sie nicht daran, daß das beste Mittel segen die Einigung der Arbeiterklasse sein würde. Ich wende mich an Sie (zur außersten Linken) mit ernstem Appell. Wir wehren uns die Selbstzerfleischung der Arbeiter⸗ klasse. (Sehr richtig; bei den Sozialdemokraten.) Zwei eigentlich auf demselben Boden stehende Parteien sollten sich nicht behandeln, wie zwei Konkurrenz⸗Abzahlungsgeschäfte sich gegen⸗ seitig behandeln. Die Interessen der Arbeiterklasse über die Interessen der Fraktion! (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Wie traurig wäre es um uns bestellt, wenn in diesem Hause 165 Scheinsozialisten und muer zwanzig richtiggehende Sozialisten säßen. Wer sollte dann . Vertrauen zur Arbeiterklasse haben? Wie lange glauben Sie no

gebrauchen (zur äußersten Linken), um durch Ihre Methode zur 8 gelangen? Mit Methoden kann es nicht besser, sondern

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nur 85 schlechter worden. Glaubt man denn, daß ög. in dieses us eine reine sozialiftische Mehrheit einziehen kann? In Sachsen öͤnnte unsere Partei eine Mehrheit mit den Demokraten oder den Unabhängigen bilden. ur Verbindung mit den Demokraten hatte sie keine Neigung, aber die Unabhängigen brachten die Verhandlungen mit ihnen selbst zum Scheitern. Lede⸗ bour nannte das einmal mit Recht eine Komödie. In der unabhängigen Presse hat einmal gestanden: Man muß Forderungen stellen, die die anderen gar nicht erfüͤllen können. (Lebhafter Wider⸗ zuch des Abg. Haase. Andauernder Lärm auf der Linken.) Die Anabhängigen haben unsere Genossen in Sachsen än die Situgtion mit den Demokraten gezwungen. Der Weg, den die Unabhängigen noch immer nicht verlassen wollen, führt unrettbar zum Ruin der Arbeiter⸗ klasse. Das Kurpfuschertum, das unser Volk mit Pferdekuren be⸗ handeln will, hat sich zuw der Heilslehre durchgemausert, daß es dem Arbeiter um so besser gehe, je weniger und je schlechter gearbeitet werde. Die Sabotage soll den Kapitaliomus töten. Das ist gemein⸗ gefährlicher Unsimn. Wir haben den Mut, den Arbeitern zu sagcen, daß auf dem neuen Boden mit Vorsicht vorzugehen ist. Wir haben uns den Grundsatz der Mediziner angeeignet, daß zum mindesten kein Schaden verursacht werden darf. Die Unternehmer sollten es be⸗ grüßen, wenn die Arbeiter sich selbst darüber unterrichten wollen, was einem Unternehmer zugemutet werden kann. Das Betriebsrätegesetz wird die Unternehmer umbilden aus einem ausbeutenden zu einem führenden und von den Geführten kontrollierten Faktor. Das Mit⸗ bestimmungsrecht der Arbeiter ist für uns von entscheidender Bedeutung und wir lassen uns davon um keinen Schritt abdrängen. Daß die Existenz der Industrie vernichtet werde, das ist noch bei jeder sozial⸗ politischen Maßregel behauptet. Die Industrie wird noch bestehen, wenn auch der letzte Rest des alten Geistes aus ihr getilot ist. Wir setzen Hoffnungen auf den internationalen Arbeiterkongreß in Washington, wir brauchen aber noch best’'mmtere Zusagen über unsere Inlassung deort. Wenn dort der Geist des Siegers herrschen soll, dann ist dort nicht der Boden für internationale Ver⸗ handkvngen der Arbeiter, und wir haben dann dert nichts mm suchen. Es ist unverantwortlich, wenn die Truppen im Baktikum Widerstand gegen ihre Rückkehr leisten. Durch die Widerspenstigkeit der Truppen ist eine internationale Krise hervorgerufen worden und die Meinung entstanden, als stecke die Regierung mit den Truppen unter einer Decke. Dieser Verleumdung muß durch Toten entgegengetreten werden. Ich fordere die Soldaten in Kurland auf, ihrer Soldatenpflicht und ibrer Pficht als Volks⸗ genossen bewuft zu sein und nicht ihren persönlichen Zielen das ganze olk um Opfer m bringen. Es wäre übrigens besser, wenn der Militarismus n mehr üblich wäre als bei uns. Aber unsere Genossen in anderen Läͤndern werden den Standpunkt festhalten, daß der Sieg guch dem Sieger Pflichten auferleat. Wir bleiben ein einiges Volk, weder List noh Gewalt wird uns trennen. Weite Ge⸗ Bieie müssen sich emscheiden, ob sie weiter zu uns gebören wollen. Wir erwarven, dabei jeder Deutsche seipe icht tut. Die deutlchen Arbeiter

hen fost zu throm Volke, währand der vaierlande⸗ milbel

Er hat seitdem das Steuer in fester Hand gehabt./ lose Kapitalismus sich itber die Grenzen flüchtet. Wir vergessen auch

Deutschösterreich nicht, es ist Fleisch von unserem Fleisch und Blut von unserem Blut. Einer Deklaration des Artikels 61 Absatz 2 der Verfassung hätte es nicht bedurft, weil wir nicht mehr tun können, als wir schon aus Zwang getan haben. Die Zukunft wird zeigen, daß es unmöglich ist, zwei deutsche Staatswesen von einander fern zu halten. Die Unterdrückung des Selbstbestimmungsrechtes Oesterreichs wird immer ein Unrecht bleiben. Ich habe der Unterzeichnung in Versailles nicht zugestimmt. Unser Ziel ist der Ausbau des Völkerbundes im Sinne internationaler Gerechtigkeit zum Wohle aller Völker. Wir glauben an den internationalen Aufstieg der Arbeiterklasse. Während bisher alle Völker mit Gewalt zurückzugewinnen suchten, was ihnen mit Gewalt genommen war, erwarten wir eine Revision des Friedens auf friedlichem Wege durch den neuen Geist der Gerechtigkeit. Die sozialistische Konferenz in Luzern im Sommer hat sich einstimmig dafür entschieden, daß auf die Repision des Friedensvertrages in allen

Ländern hingearbeitet werden soll. Wir sehen nicht wie Clemenceau

in dem die Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln. Erst durch einen neuen Geist werden wir Frieden bekommen. Wenn man uns Utopisten schilt, weil wir an dem Gedanken der Versöhnung sthalten, so ist ein Siegfrieden, der einem Volk für alle Zeit die lebermacht über andere Völker verleiht, eine noch unwahrscheinlichere Utopie. henn Frankreich den Ruhm in Anspruch nimmt, Sieger zu sein, weil es als Letzter die Wahlstatt verlassen hat, so sind wir, wenn wir den Ruhm haben, auf anderem Wege den Frieden erkämpft zu haben, die Sieger. Wenn wir den Gedanken an die Gewalt für alle Zeit preisgeben, so tun wir das im Interesse aller. Alle haben ein gleiches Recht auf Freiheit. (Lebhafter Beifall bei den Soz.) Abg. Graf von Posadowsky (D. Nat.): Auf die Koalitzons⸗ regierung läßt sich das Shakespeavesche Wort von dem wunderlichen Bettgenossen anwenden. Sollte diese so heterogen zusammengesetzte Regierung eine gemeinsame klare und zielbewußte Politik verfolgen können, das ist noch unmöglicher als seinerzeit die Politik des seligen Bülow⸗Blocks. Eine solche Regierung kann nur eine Zickzack⸗Poli tik treiben. Wir sehen jetzt die Schattenfeiten der parlamentarischen Regierung den fortgesetzten Wechsel der Persönlichkeiten. Die tat⸗ sächliche antwortung für das, was geschieht, tragen eigentlich die pachgeordneten Organe, die Herren Minister besorgen das parlamen⸗ Larische Geschäft. Die Minister haben keine Kenntnis von ihrem Amt und keine Zeit, sich einzuarbeiten (Sehr richtig! vechts). Wir hatten schon vor dem November eine latente Revolution, als man die Einführung der parlamentarischen Regierungsform erzwang. Die Demokvaten haben durch ihre ibeologischen Theoret !er dazu bei⸗ getragen, die monarchische Verfassung zu schwächen und der Revo⸗ lutzon die Wege zu ebnen (Sehr wahr! vechts). Herr Scheidemam 23 in Cassel wie heute keinen Zweifel gelassen, daß er den Ein:

r Demokvaten in die Regierung mor als vorübergehenden Notbehel ansieht. Die übrigen Parteien in der Regierung gelten nur als Platzhalter für die Zeit, wo die Sozialdemokratie in diesem Hause die Mehrheit haben wird. Herr Scheidemann meint, die Revolution sei mit den Trägern des alten Regimes großmütig verfahren wie noch nie eine Regierung, und er hat daran eine undeutliche Drohung ge⸗ knüpft. Glaubt er, daß mit den Trägern des alten Regimes, mit den Beamten und Offizieren, die kraft ihres Diensteides die Mo⸗ narchie vertreten haben, die Revolution so verfahren könnte wie die Jakobiner, von denen Taine sagt: „Die Jakobiner bestanden aus Verbrechern, aus Narven und aus hysterischen Frauen.“ Schaut er mit seiner Dvohung nach berühmten Beispielen vielleicht noch höher? Unsere monarchische Ueberzeugung ist eine staatsrechtliche Ueber⸗ zeugung, ganz abgesehen von der Person des einzelnen Monarchen. Wir glauben, daß die konstitutionelle Monarchie den sicheren Gang der Staatsmaschine am besten gewährleistet. Den Gedanken der konstitutionellen Monarchie verdanken wir die Demokratie. Diese hat in einer Fülle von Büchern nachgewͤesen, daß die konstitutionelle Monarnchie die beste Staatsform ist. Die schweren Schattenseiten des parlamentari⸗ schen Regimes treten jetzt erschreckend in die Erscheinung. Es war nie⸗ mals eine einheitliche Regierung. Am 23. Juli hat der Reichskanzler Bauer in der Nationalversammlung gesagt, ein jedes Handwerk braucht seine Lehre, und das Regieren erst recht. (Hört! Hört! rechts). Es ist ein Fehler, wenn ein Laie z. B. an die Spitze eines Verkehrs⸗ ministeriums tritt, das jahrehange Erfahrungen vporaussetzt. Die Post Egeen ganz so verwickelt, aber es wäre auch da besser gewesen, einen Mann an die Spitze zu stellen, der aus dem Ressort hervor⸗ gegangen ist. Das deutsche Volk lechzt nach Ruhe und Ordnung, wie sie zur Zeit der Monarchie herrschte. Das Volk glaubt, daß mit der Monarchie Ruhe und Ordnung wiederkehren würde. Der Reichspräsident sagte, die Monarchie werde memals wieder eingeführt werden. Man soll an verantwortlicher Stelle nicht solche bestimm⸗ ten Erklärungen abgeben. Daß die Monarchie nicht wiederkehven wird, das möchte ich nicht unterschreiben. Es hann auch einmal in diesem Hause eine monarchische Mehrheit sein. Die Monarchie in der alten Form ist allerdings nicht möglich, sie würde manchez übernehmen müssen von dem, was inzwischen geschehen 18 Solche Tollköpfe gibt es bei uns nicht, die angesichts unserer schm lichen Wehrlosigkeit an einen gewaltsamen Umsturz denken. Wenn Sie uns derartige Pläne in die Schuhe schieben, so tun Sie es, weil Sie einen Sündenbock brauchen. Gegen das Zentrum können Sie nicht gut polemisieren, deshalb reiben Sie sich an der Opposition von der Rechten. Wir sind davon überzeugt, daß die Regierung bemüht ist, die Ordnung wieder herzustellen. Dieses Bedürfnis hat jede Regierung; für die gegenwärtige ist es sehr schwer, nachdem man jahrzehntelang mit der See S. gegen die bestehende Autorität vorgegangen ist, sich nun der Mittel zu bedienen, deren sich jeder Staat bedienen muß, zumal sie durch ihre Vergangenheit viel zu sehr belastet ist. Es gibt eben keine Kirche ohne Priester und keinen Staat ohne Gendarm Zwischen rechts und links, zwischen Scylla und Charybdis hindurch⸗ zukommen, ist für die jetzige Regierung außerordentlich schwer. Man kann sich nicht an seinen eigenen Haaren aus dem Sumpfe heraus⸗ ziehen. (Heiterkeit.) Zu meiner Freude hat der Herr Ministerpräsident sich heute auch gegen die fortgesetzten wilden Streiks gewendet. Eine neue Erscheinung haben uns die letzten Tage gebracht, und das sind die Beamtenstreiks. Ein Beamtenstreik ist eine Unmöglichkeit, j streikende Beamte müßte seines Amtsverhältnisses verlustig erklärt werden. Wöhrend man zu Beginn der Revolution für die Tacelohn⸗ arbeit schwärmte, kommt man jetzt dazu, daß ihre Aufrechterhaltung unmöglich ist. Es ist unausführbar, die Leute so zu beaufsichtigen, daß der Träge und der Fleißige die gleiche Arbeit leisten. Das Schlag⸗ wort „Akkordarbeit Mordarbeit“ trifft für deutsche Verhältnisse nicht zu. Der fleißige Arbeiter muß aber in der Lage sein, mehr zu verdienen als der krage. Hier findet der Grundsatz Anwendung: Jever Arbeiter ist seines Lohnes wert. Die Sicherheltszustände in Deutsch⸗ land sind auf einem Tiefstand angelangt, wie wir ihn noch nicht kannten. Diebstahl und Gewalt sehen wir allenthalben, andererseits finden wir eine ungeheure Kapitalflucht ins Ausland. Der Jugend⸗ schutz auf dem Gebiete der Schaubühnen und des Kinos müßte auf das ganze Volk ausgedehnt werden. Die Grenzschutzkontrolle scheint gän zu sein; denn auf der einen Seite werden wir durch die Hapitalfluckt gescheödigt, auf der anderen Seite strömen aus Russisch⸗ Polen und Galizien Massen von Einwanderern herein, die größtenteils auf sehr niedriger Kulturstufe stehen und auch vielfach verbrecherische Elemente umfassen. Angesehene Glaubensgenossen dieser wilden Ein⸗ wanderer hegen dieser Erscheinung gegenüber ernsteste Besorgnis. Aus Rußland kommen bolschewistische Agitatoren zu uns Das kann un⸗ möcglich so weiter gehen, namentlich bei dem Wohnungsmangel und bei den Ernährungsschwierigkeiten, die ungezöhlte Deutsche zur Aus⸗ wanderung zwingen. Jedenfalls muß ihrer Einbürgerung bei uns vor⸗ gebeugt werden. Ob die Zwangswirtschaft noch lange wird aufrecht erhalten werden können, will mir zweife haft erscheinen. Wir sind f weit gekommen, daß sich an die Vorschriften eigentlich niemand me⸗ kehrt, sogar notwendige Lebensmittel werden noch leichtsinnig a⸗ Deutschland ausgeführt (Hört, hört!), Schiebertum und verächtlic Wucherfystem bestehen weiter. Wenn man über die Landwirtfct klagen hört, so muß man bedenken, daß sie für Stickstoff und Fut.

eᷓves. 8n! 4 an

Preise beahlen muß. Gegenüber d.