1919 / 230 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 08 Oct 1919 18:00:01 GMT) scan diff

Schwierigkeiten fängt allerdings die Landwirtschaft an, bei ihrer Pro⸗ duktion zu ermüden. Die Landwirtschaft meint schließlich, daß Getreide auf den Speichern, wenn es auch dem Mäusefraß ausgesetzt sei, immer noch wertvoller sei, als die jetzigen ungedeckten Banknoten. Wenn man an eine Finanzreform herangeht, so muß man einen Gesamtplan vorlegen. Die jetzigen Regierungsparteien haben bei früheren Gelegen⸗ heiten immer einen einheitlichen Steuerplan gefordert, jetzt legt man einfach ein Gesetz auf das andere; es entsteht ein babylonischer Turm und von einheitlichen Plänen ist keine Rede. Es fehlt auch an allen notwendigen volkswirtschaftlichen Erwägungen, die bei den einzelnen Steuergesetzen notwendig angestellt werden müßten, da sie immer wichtige Eingriffe in die Volkswirtschaft bedeuten. Das Reichsnotopfer wird eine ungheure Entwertung von Mobilien und Immobilien zur Folge haben, wird die Leistung gestundet, so wird bei der Stundungsgebühr von 5 Proz. der Betrag so unendlich ge⸗ steigert, daß er kaum zu leisten ist, man muß den ehemaligen Kapita⸗ listen noch das Letzte wegnehmen und ihn der Armenpflege anheim⸗ fallen lassen. Das gestundete Reichsnotopfer wäre nichts weiter als eine Einkommensteuer. Dann soll man es als solche auch bezeichnen und einziehen. Der Reichssrnanzminister soll auch noch andere Steuern planen, so eine Luxussteuer, eine Kapital⸗Rentensteuer, und die Zuwachssteuer will er zu einer dauernden Erscheinung mgachen. Durch diese Pläne wird jeder Anreiz, durch Sparsamkeit und leiß sein Kapital zu vermehren, beseitigt. Schon jetzt hört man: Weshalb soll ich sparsam sein, es wird mir ja doch alles genommen; die Unternehmungslust schnvindet vollkommen. Dieser Gefahr sind wir bereits sehr nahe. Wenn der Reichsfinanzminister eine Reichs⸗ abgabenordnung schaffen will, so hat er darin meine volle Unter⸗ stützung. Die Abfindung der Gemeinden ist dann allerdings neu zu ordnen. Ich kann mir allerdings von dem ungeheuren bürokratischen Apparat, der dazu notwendig wäre, noch kein Bild machen. Wir würden mit diesem System eine Zentralisierung erreichen, wie sie selbst das zentralisierte Frankreich nicht erlebt hat. Unsere Valuta ist so schlecht, weil vom Regierungstisch bedenkliche Aeußerungen über die Möglichkeit gefallen sind, unsere Verpflichtungen einlösen zu können, auch glaubt man noch nicht an die Stabilität unserer Ver⸗ hältnisse. Alle Milliardenbewilligungen für die Senkung der Lebens⸗ mittelpreise nützen nichts, dadurch wird der Notenumlauf nur noch vergrößert, und es ergibt sich eine Schraube ohne Ende. Der fran⸗ zoösische Finanzminister Klotz hat ausgerechnet, daß Deutschlands Schuld an Frankreich 436 Milliarden beträgt, an unsere Feinde überhaupt 900 Milliarden. Rechnet man unsere eigenen Schulden hinzu, so kommen wir auf 1100 Milliarden. Meine kalkulatorische Phenafe ist nicht stark genug, um diese Summen zu begreifen, das ist Wahnsinn und Jules Verne⸗Phantasie. Der Friedensvertrag ist in dieser Hinsicht ein Dokument für absolute T Unkenntnis, er ist undurchführbar, das müssen die vernünftigen Menschen auch bei unseren Feinden einsehen. Die Ausgaben der Ar⸗ beiter⸗ und Soldatenräte bedürfen eines genauen Nachweises. Da verlangen wir eine scharfe Kontrolle. Daß die Arbeiterräte Einfluß erhalten bei den Selbstverwaltungsbehörden, ist unbedenklich. Es darf aber nicht neben der geordneten Verwaltung der Arbeiterrat mit amtlichen Befugnissen stehen. Es würde aber zu weit gehen, wenn die Betriebsräte Einfluß auf den Gang des Betriebes gewännen. Wir haben die mnelesche Industrie überflügelt, weil wir den Eng⸗ ländern in der Freiheit der Methode überlegen waren. Bei den Beamten muß es Erbitterung schaffen, wenn in die höchsten leitenden Stellen Bewerber gesetzt werden, denen jede fachmännische Vor⸗ bildung fehlt. Es ist selbstverständlich, daß gegen die jeweilige Regierung von den Beamten nicht agitiert wird. Das durfte auch bei der monarchischen Regierung nicht sein. Gegen⸗ über den Ausführungen des Abgeordneten Scheidemann muß ich entschieden Verwahrung dagegen einlegen, daß die Rechtsparteien spartakistische Putsche fördern. Wir müssen es ablehnen, daß aus rein taktiischen Gründen, um uns verächtlich zu machen, uns solche Ausschreitungen zugeschoben werden. Wir müssen es auch ablehnen, daß wir immer mit der alten konservativen Partei⸗ identifiziert werden. (Sehr wahr! vechts. Unruhe links.) Ich habe ihr nie angehört und bin jetzt Vorsitzender der Fraktion. Gewiß haben wir ehemalige Konservative unter uns, sie find aber bereit, den neuen Dingen Rechnung zu tragen. Der Nationalversammlung werden vielfach Gesetze vorgelegt, die nicht in eine verfassunggebende Ver⸗ sammlung gehören. Unser Antrag, die Reichstagswahlen für Mitte Januar anzusetzen, ist leider abgelehnt worden. Wir müssen aber endlich wissen, wie lange noch die Nationalversammlung bestehen soll. Es gewinnt den Anschein, als ob die Regierung sich 1ee das von ihr gepriesene freieste Wahlrecht zu probieren, oder meint sie, daß sie bei den Neuwahlen den Dank des Volkes für die neuen Errungnschaftn erhalten wird? Leider gibt es immer noch gedankenlose Menschen bei uns, die immer noch kein Verständnis haben für unser sithliches und wirtschaftliches Glend, und die noch an ein Wunder glauben, das uns aus unserer Not herausbringen kann. Es wird aber kein Wunder zum Besten des deutschen Volkes geschehen, es sei denn, daß sich das deutsche Volk durch seine eigene Kraft wieder emporarbeitet aus diesem Unglück des Vaterlandes, und das ist unsere Aufgabe, die Aufgabe aller Parteien dieses Hauses. (Lebhafter Beifall rechts.)

Abg. Joos (Zentr.). Mit dem Eintritt der demokvnatischen Partei wird der Regierung ein zuverlässiger Block der Verfassungs⸗ parteien gesichert. s Parteigezänk düg. aufhören, nichts hat der Nationalversammlung so geschadet, wie dieses. Deutschland sehnt sich nach geordneten Verhältnissen. Um den Büggerkrieg zu vermeiden, sind wir mit den Sogialdemokraten zusammengegangen, unbeschadet der Verschiedenheit unserer Weltanschmuung. Uns beseelk der einzige Wille, unser Volk und Vaterland zu rettea, hart und mühsam und unabsehbar ist der Weg bis dahin, 8. und qualwoll war unsere Entschei⸗ dung für den Friedensvertrag. Unsere Kriegsgefangenen hatten wir früher zurückerwartet, Machtmittel fehlen uns, es bleibt uns nur der Appell an die Menschlichkeit und das Weltgewissen. Niemand kann ein Interesse daran haben, daß unsere Kriegsgefangenen nicht alsbald zurückkommen. Unter allen Umständen müssen die Transportmittel dafür beveitstehen. Unsere Behandlung bezüglich des Anscklusses von Deutsch⸗Oesterreich empfinden wir alle von der Rechten bis zur gußersten Linken einmütig als eine Demütigung und Kränkung. Die Frage Deutsch⸗Oesterreichs wird dadurch aber nicht aus der Welt geschafft, sie bleibt für die Zukunft bestehen. Die Beohandlung der Doutschen in Elsaß⸗Lothringen durch die Entente ist grausam, den vertriebenen deutschen Professoren ist nicht nur ihr Hausgerät, sondern ihr gesamtes wissenschaftliches Material zurückbehalten worden. Ich die Regierung auf, mit allen Kräften unsere Interessen in dieser Angelegenheit wahrzunehmen. Unseren vertraglichen Verpflichtungen müssen wir allerdings nachkommen. Wir glauben nicht an die reaktio⸗ näre Gegenrevolution, aber unsere Soldaten im Baltikum müssen bedenken, daß unser Volk eine neue Blockade nicht ertvagen könnte. Unsere Weltmachtträume alten Stils sind zu Ende, aber darum braucht das deutsche Volk nicht für alle Zeit eine Aschenbrödelrolle zu spielen. Unsere auswärtige Politik der Zukunft muß eine Kultur⸗ politik sein. Wir müssen jetzt den Kulturschatz, der in unserem Volke lebt, heben; mit der Kulturpolitik werden wir nicht abstoßen, sondern erzichen. Unser Nationglgefühl soll nicht negativ sein und Haß gegen

dere Völker atmen, sondem positiv aus der Freude an unserer Heimat, heworgehen und geläutert werden von den Schrecken der Ver⸗ gangenheit. Man entwirft nicht Gedanken vom Selbstbestimmungs⸗ recht der Völker, um sie dann beiseite stehen zu lassen. Ich begrüße die internationale Arbeiterkonferenz in Washington unter der Voraus⸗ setzung, daß die deutschen Arbeiter dort gleichberechtigt sein werden. Die Arbeiter haben die geschichtliche Sendung zu erfüllen, die ersten wuch⸗ tigen Hiebe zu führen gegen die Völkewernichtung durch den Krieg. In der inneren Politik meinen wir nicht, daß es noch schlimmer werden müsse, damit es besser werde. Die Streiks, auch die Streiks us politischen Gründen, sind zu verwerfen. Auch die Arbeiter sehnen ach Ruhe und Ordnung. Wir leiden unter der Demoralisierung

1 193 d g G G 7 urch den Krieg, und wenm mich eins vor einem neuen Krieg scheuen

zt, so ist es diese Demoralisierung, die nicht nur bei uns, sondern in anderen Lündern eingetreten ist. In England, Belgien usw.

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8 arbeitet man nicht, sondern spielt und amüsiert sich. Das in Ver⸗ gmügen sich wälgende Wuchen⸗ und Schiebertum ist ein alltägliches Aergernis. Da muß die Regierung rücksichtslos zugreifen. Unser Volk versteht es einfach nicht, daß die Regierung damit nicht fertig wird. Es müssen außerordentliche Maßnahmen dagegen getroffen werden. Es ist kein Unterschied gwischen einem Bolschewisten und einem Schieber und Wucherer; beide sind gleich verwerflich. Es ist ein ziviles Belagerungsgesetz erforderlich, nach welchem man diesen Herren mit rüchsichtsloser Schärfe an den Leib gehen kann. Mit moralischen Werten darf man nicht spielen. Das Reichswirtschafts⸗ ministerium muß schleunigst die Grenzen sperren gegen die Einfuhr von Luxuswaren. Die Leute, die kein Hemd auf dem Leib haben, umstehen die Berge von Schokolade, die auf den Straßen verkauft werden. Unsere Arbeiter werden aber nicht wieder mit Lust arbeiten können, wenn sie auch weiterhin eine Kluft von den anderen Ständen trennt. Die Unternehmer müssen Verständnis dafür gewinnen, daß alle Pläne von dem Wiederaufbau nur durchführbar sind mit den Arbeitern. Daher stimme ich den Ausführungen des Reichskanzlere über das Betriebsrätegesetz zu. Ich warne vor einer Hinter⸗ hältigkit, vor einem Bluff bei diesem Gesetz. Die Arbeits⸗ losenunterstützung muß abgebaut werden; wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen. Die Heimat muß erhalten bleiben, weil sie das Gefühl mit sich bringt, ein Stück eigen zu haben. Wir begrüßen das Schlichtungswesen und die Ersetzung des Faust⸗ rechts durch ein Gerichtsverfahren. Wir sind nicht, Sozialisten, aber wir wollen eine freiheitliche Politik. In der Planwirtschaft steckt ein richtiger Gedanke, wenn er nur richtig formuliert wird in der Rich⸗ tung einer planmäßigen Bewirtschaftung, einer planmäßigen Preis⸗ gestaltung usw. Dem kommenden Winter ist mit Besorgnis entgegen⸗ zusehen. Die Leute können sich nicht mehr bekleiden. Heraus mit den Wollvorräten, damit sie verarbeitet werden können! Das Autoritäts⸗ gefühl ist dem Volke verloren gegangen, ohne Autorität geht es aber nicht. Das Vertrauen zu den Beamten, zu ihrer Gerechtigkeit und Unbestechlichkeit muß wiederhergestellt werden. Die Beamten müssen aus dem Volke genommen werden, um mit dem Volke verwachsen zu sein. In Oberschlesien und in den Rheinlanden ist der ruhige Gang der Entwicklung wieder angebahnt worden; nun darf er aber nicht wieder durch die Behinderung der zu Unrecht geschmähten Selbstver⸗ waltung gestört werden. Ich habe meine ganze Jugend im Elsaß zu⸗ gebracht und kann sagen, dort ist eine volksfremde Politik durch das Preußentum infolge des Zwanges getrieben worden. Ich warne davor, eine solche Politik zu wiederholen. Gesetzgebung und Verwaltung müssen auf die seelische Stimmung des Volkes mehr Rücksicht nehmen als bisher. Wenn von diesem Parlament nicht eine starke siltliche Idee in das Volk hinausgeht, so wird das Volk gleichgültig bleiben gegen das Parlament, obwohl es ein Volksparlament ist. (Lebhafter Beifall im Zentrum.)

Gegen ½ 7 Uhr vertagt das Haus die weitere Beratung auf Mittwoch, 1 Uhr; außerdem Interpellation der Deutsch⸗ wegen des Schutzes der Jugend gegen Verwahr⸗ osun

Preußische Landesversammlung. 60. Sitzung vom Dienstag, den 7. Oktober 1919. (Bericht von „Wolffs Telegraphenbüro“.) Am Regierungstisch: Dr. Südekum. Vizepräsident Dr. Porsch eröffnet die Sitzung um 12,20 Uhr. bung

Auf der fragen. Auf eine Anfrage, welche die Schädigung der Vieh⸗ halter durch Abdeckereivorrechte zum Gegenstande hat, erwidert ein Vertreter der Staatsregierung, daß die Verwaltung solchen Schädigungen vorzubeugen bemüht sei; eine allgemeine Be⸗ seitigung der Abdeckereiberechtigungen könne nur im Wege der Gesetz⸗ 8,eg erfolgen. ine Anfrage der Sozialdemokraten lenkt die Aufmerksamkeit auf die ungeheuren Verschiebungen von Brotgetreide diesjähriger Ernte, welche an der rheinisch⸗holländischen Grenze, in Schleswig⸗Holstein und anderswo erfolgen und die Brot⸗ versorgung des deutschen Volkes schwer schädigen.

Die Regierung läßt erwidern, daß ihr diese Zustände in den besetzten Gebieten des Rheinlandes, in Schleswig⸗Holstein und an der Ostgrenze bekannt sind, sowie daß das aübel im Westen durch die Valutaverhältnisse und das Verhalten der Besatzungsbehörden noch verschlimmert wird. Abhilfe sei bis zu einem gewissen Grade möglich durch Verstärkung des Grenzschutzes und Verschärfung der Straf⸗ bestimmungen. Im Westen sei leider infolge der Besetzung unsere Zollgrenze nicht mehr lückenlos. Über die alte Zollgrenze seien mit der Entente Verhandlungen eingeleitet worden.

Auf eine Anfrage der Sozialdemokraten, weshalb mit dem Bau des Fischereihafens in Geestemünde noch immer nicht begonnen werde, wird vom Regierungstische erklärt, daß noch zeit⸗ raubende Vorarbeiten notwendig gewesen seien, die die Inangriff⸗ nahme des Baues selbst bisher verhindert hätten. Die erforderlichen Mittel seien durch Anleihe aufzubringen, der An Kihegesetzentwurf sei fertiggestellt.

Hierauf setzt das Haus die Beratung der Haus⸗ halte der direkten Steuern und, der Zölle und indirekten Steuern mit den dast gestellten An⸗ trägen fort.

„Abg. Dr. Moldenhauer (d. Vp.): Was die Verwaltung zunächst angeht, so muß diese vollständig neu eingerichtet werden, weil wir vor einer vollkommenen Revolutionierung auf diesem Ge⸗ biete stehen. Es sollen Ausbildungskurse eingerichtet werden. Der eine derselben bezieht sich auf die Privatwirtschaftslehre, der zweite auf die Voltswirtschaftslehre und der dritte auf das Steuerrecht. Es sollen nicht nur Theoretiter, sondern auch Praktiker dazu herangezogen werden. Ich möchte den Herrn Finanzminister bitten, die in Frage kommenden Herren auf kürzere Zeit abzukommandieren. Bei dieser Gelegenheit möchte ich Verwahrung einlegen gegen die Außerung des Herrn Höfler, daß die Vorbildung der mittleren Beamten derjenigen der höheren Beamten vollkommen gleichwertig sei. Eine solche generelle Gleichstellung ist sehr gefährlich. Man könnte ja dann auf jede akademische Vorbildung verzichten. Die Aeußerung meines Fraktionskollegen Herrn v. Richter bezüglich der 20jährigen Grünschnaͤbel ist einem Zitat aus der Etatsrede des Reichs⸗ wehrministers Noske entlehnt. Wir sind mit Herrn Dr. Friedberg der Auffassung, daß eine Finanzpolitik sehr vorsichtig gemacht werden soll, sobald sie die Ersparnisse angreift, die sich die Menschen seit langer Zeit zurückgelegt haben. Es besteht die große Gefahr, daß bei einer Operation die Fleißigen und Sparsamen ganz anders be⸗ troffen werden, als die Schieber, die immer wieder Mittel und Wege finden, um sich einer Besteuerung zu entziehen. Besonders gefährlich ist es aber, wenn sachliche Motive in die Steuergesetzgebung hineinspielen, wie das in neuerer Zeit der Fall ist. Die Abwande⸗ rung des Kapitals ins Ausland kann man nicht allein mit Zwangs⸗ maßregeln verhindern, man muß vielmehr das Vertrauen zu einer gesunden F1.“ im Lande zu stärten versuchen. Der Notenumtausch ist mit einer sehr großen Leichtfertigkeit vor⸗ bereitet worden, ohne sich zu unterrichten, ob und inwieweit ein solcher technisch überhaupt möglich ist. Der Notenumtausch hätte allein 20 000 t Papier erfordert, eine außerordentliche Menge von Schwefelsäure beansprucht und eine Kohlenmenge verlangt, mit der man den ganzen Winter Berlin haͤtte heizen können. Außerdem hat diese Ankündigung eine ungeheure Senkung der Valuta im Auslande herbeigeführt, wie mir in Stockholm führende Finanz⸗

Tagesordnung stehen zunächst kleine An⸗

manne mitgeteilt haben. dieser geplanten Maßnahme ist der ungünstige Eindruck nicht verwischt worden. Wir müssen Besitz und Einkommen unbedingt sehr schwer anspannen. Wer die Finanzgeschichte kennt, der weiß, daß alle diese Versuche nur zu einem Streik der Zenfiten führen. Wir leben in einer merkwürdigen Zeit, in der die Staatsregierung so schwach ist, wie nie zuvor. Ich möchte Sie bitten, den vorliegenden Antrag abzulehnen und alle Einkommen unter 3000 Mark von der Steuereinschätzung zu befreien. Es gibt nur wenige Schieber, die Masse des Volkes aber darbt. Wir hoffen ja nun auf eine Besserung all dieser Dinge durch die Ratifikation des Friedens. Vom 1. Oktober ab sollen die Zollsätze an der lothringischen Grenze ein⸗ eführt werden, aber man darf sich keinen übertriebenen Hoffnungen in dieser Beziehung hingeben. Es kann nämlich zollfrei erstens alles das eingeführt werden, was von der Besatzung, zweitens, was für das Personal der Besatzung bestimmt wird und drittens in den ersten fünf Jahren alle Waren, die aus Elsaß⸗Lothringen stammen. Man wird uns immer sagen: ihr habt Freiheit; aber de facto ist es anders. Solange die Besetzung im Westen dauert, wird Deutschland einen außerordentlich schweren Stand in der Durchführung unserer Ein⸗ und Ausfuhrverbote in der Erhebung von Zöllen haben. Es muß unter allen Umständen jede Zollschikane vermieden werden und die sogenannte wirtschaftliche Orientierung nach dem Westen durchgeführt werden. Bezüglich des Rheinlandes ist in der französischen Kammer unter anderen gesagt worden: es müssen alle notwendigen Maßregeln ergriffen werden, um die Beziehungen zwischen Frankreich und dem Rheinlande zu vertiefen. Diese Erklärungen müssen doch im Rhein⸗ lande endlich allen die Augen öffnen, und ihnen zeigen, wohin die Reise geht. Ich bitte, bei der künftigen Behandlung dieser Zollfragen im Westen alle von mir vorgetragenen Gedanken zu berücksichtigen. Im übrigen kann ich die Erklärung namens des Rheinlandes abgeben, weder Zuckerbrot noch Peitsche können uns Rheinländer von unserer nationalen Gesinnung abbringen.

Abg. Dr. Cohn (U. Soz.): Für unseren Antrag, der zunächst für 1919 ein Existenzminimum bis zu 3600 Mark gesetzlich steuerfrei lassen will, der Ermäßigungen für Steuerpflichtige bis 12 500 Mark Eintommen vorschlägt, soweit sie zur Unterhaltung von Familien⸗ angehörigen gesetzlich verpflichtet sind, der weiter für alle Zensiten die Deklarationspflicht unterschiedlos einführen, die Sonderbesteuerung der Konsumgenossenschaften aufheben und sämtliche Militärpersonen der Steuerpflicht unterwerfen will, kann ich mich auf keinen Geringeren als den jetzigen Ministerpräsidenten Hirsch berufen. Wir haben dann ferner beantragt, die Regierung zu ersuchen, möglichst bald eine organische Reform des Eintommensteuergesetzes vorzulegen, die von 3600 Mark Einkommen aufwärts eine zunächst schwach und dann immer stärker progressiv steigende einheitliche Einkommensteuer vor⸗ sieht. Wenn auch inzwischen Preußen eigentlich nur noch ein Rechnungsbeamter des Reichs auf steuerlichem Gebiet geworden ist, und der preußische Finanzminister als überflüssig sich bald ensionieren lassen kann, so wird doch immer noch von Preußen aus eine Einwirkung auf die Gestaltung der Verhältnisse im Reiche möglich bleiben. Deshalb halten wir diesen Antrag aufrecht. Mit den bisherigen Mitteln der Gesetzgebung und Verwaltung ist da nicht auszukommen. Während des Krieges hat uns namentlich Herr Helfferich, der sich mit den Falkenhayn, Ludendorff, Tirpitz usw. darum streiten kann, wer von ihnen der größte Verderver unseres Volkes gewesen ist, mit seinem Unverstand hineingeritten. Angesichts der Üüberlastung des Volkes mit indirekten Steuern darf jetzt auch nicht ein Pfennig neuer indirekter Steuern bewilligt werden. Deutsch⸗ land ist auf den Kredit des Auslandes angewiesen, wenn es weiter⸗ leben will; dazu bedarf es einer vertrauenerweckenden Allgemeinpolitik. Die unaufrichtige Politik der deutschen Regierung muß auch im Baltikum zu Ende kommen; eine vernünftige Politik Rußland gegeu⸗ über muß eingeschlagen werden. Eins der stärksten Hindernisse für die Wiederaufnahme der Arbeit ist der Belagerungszustand. Wir bedürfen einer wirkichen Demokratie in Deutschland, die wir jetzt nicht haben. Die Grundlage für eine wirtliche Gesundung ist die Sozialisierung, die Umwandlung der jetzigen Ordnung in die sozialistische Gesellschaftsordnung. Mit einer freundlichen Arbeits gemeinschaft der Unternehmer und Arbeiter ist das nicht zu machen (Zuruf rechts: Totschlagen!). Nein, nicht totschlagen, sondern un⸗ schädlich machen, pensionieren.

Ein Schlußantrag wird angenommen.

Die Abgg. Graef (Deutsch Nationale) und Dr. Leidig (Deutsche Volkspartei) erheben Einspruch gegen den Schluß der Debatte de gegen den Beschluß des Altestenrats herbeigefuhrt sei und eine Ver gewaltigung darstelle.

In der Abstimmung wird der Haushalt der direkten un der der Zölle und indirekten Steuern nach den Vorschlägen des Haushaltsausschusßfes bewilligt. schusses, die Regierung zu ersuchen, in möglichst weitem Um⸗ fange geeignete Steuersekretäre mit der Leitung der Zweig steuerämter zu betrauen, und als Vorsitzende der Veranlagungs kommissionen zu bestellen, und der Antrag, die Verordnung vom 31. Januar 1919 über Weitererhebung von Zuschlägen zur Einkommensteuer und zur Ergänzungssteuer für 1919 zu genehmigen, gelangen zur Annahme. Desgleichen der Antrag die Regierung zu ersuchen, für die unteren und mittleren Zoll beamten Aufstiegsmöglichkeiten in höhere Stellen zu schaffen Die Uranträge Gronowski (Zentrum) auf Steuernachlässe für kinderreiche

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steuer und der Antrag der Sozialdemokraten auf Einschränkung der Steuervorrechte, die aus Eingemeindungen herrühren, gehen an den Haushaltsausschuß. Es folgt die erste Beratung der Gesetzentwürfe, betreffend die vorläufige Regelung des Staats⸗ haushalts für 1919, sowie zweier Nachträge zu demselben. Abg. Dr. Leidig (d. Vp.): Es ist schon darauf hingewiesen worden, daß wir uns in einer völligen Umgestaltung der Staatsver⸗

waltung befinden. Ich selbst möchte auf die sprunghafte Entwicklung

unserer preußischen Finanzen in den letzten Monaten hinweisen und dem Finanzminister die Frage vorlegen, ob ihm denn nicht irgendwie bekannt gewesen ist, in welcher Weise sich die preußischen Finanzen notwendigerweise gestalten mußten. Der Finanzminister sagt, die üͤberführung der Steuerhoheit auf das Reich sei in engster Fühlung mit der Landesversammlung erfolgt. Meine Freunde haben im Gegenteil dagegen energischen Protest erhoben. Die Regierung stellt die Landesversammlung aber dauernd vor vollendete Tatsachen und diese akzeptiert sie dann.

sich die Steuerverwaltung bewährt, während sie in Preußen versagt habe, ist nicht richtig. 1 ministers erblicke ich eine Nichtachtung der Landesversammlung. Nachtragsetat für das Volkswohlfahrtsministerium hat für meine Freunde keine Bedenken. Im Gegensatz zu der Auffassung des Abg. Cohn, daß nur eine durchgreifende Sozialisierng zur Gesundung unserer Finanzen führen könne, stehen auf dem Standpunkte, daß der altpreußische Grundsatz der Spar⸗ samkeit, der Ehrlichkeit und der Ordnung auf allen Gebieten

der Staatsverwaltung durchgeführt werden muß. Erst dann ist die Am 1. Ok⸗

Grundlage für eine Besserung der Finanzlage geschaffen.

tober soll die Steuerhoheit Preußens aufgehört haben zu existieren.

Ich befürchte, daß damit auch das Ende unserer ruhmreichen preußi--

schen Selbstverwaltung gekommen ist. Die Ansicht des Finanz⸗ ministers, daß die Ertragssteuer als Grundlage 18 die Gemeinde⸗ finanzen betrachtet werden soll, scheint mir auch nicht richtig zu sein. Wenn die Entwicklung so weitergeht, dannn werden wir schließlich dahin gelangen, daß lediglich diejenigen entscheiden werden, die zu diesen Steuern keinen Pfennig selbst beitragen. Die Autonomie 6 3 ““

. (Fortsetzung in der Zweiten Beilage.)

Von dem neuen Voltswohlfahrtsministerium, das durch

übvernommen werden.

ist hier im Hause ganz unrichtig

beratung über

wir, wenn von der

Der Antrag desselben Aus⸗ 12

lich nichts anderes zu sagen.

monorchistischen Ideen glauben zu können.

amilien, Adolf Hoffmann u. Gen. (Unabhängige Sozialdemokraten) auf Umgestaltung der Staatseinkommen⸗

Die Behauptung, in Süddeutschland habe 8

In der Abwesenheit des Herrn Finanz. Der

wir

N 2 8 c-.

(Fortsetzung aus der Ersten Beilage.)

Obgleich das

der Gemeindesteuern darf nicht angelastet werden. gureizt, muß

System der Ueberweisung zur Verschwendung doch dasselbe in großzügiger Weise ausgebaut werden. Wir sind, im übrigen der leberzeugung, daß eine weitreichende v in nichts anderem führen würde, als zu einem beschleunigten völligen Zusammenbruche. Es müssen alle geistigen Kräste, die in unseren Unternehmen stecken, mitherangezogen werden. Gegen die Einrichtung der parlamentarischen Unterstaatssekretariate habe ich schwere Bedenken, denn diese sind keine Gehilfen des Mi⸗ nisters, wie in England, sondern man versteht darunter ganz etwas anderes. Es sind Mißtrauensräte, die die anderen. Parteien dem Minister auf die Nase gesetzt haben und sollen teilweise den Minister zu etwas anhalten, bzw. von etwas zurückhalten.

Abg. Schönwaͤlder (Soz.): Daß der Vorredner für die parla⸗;

mentarischen Unterftaatssekretäre nichts übrig hat, wundert uns nicht. Ais Anhänger des alten Systems ist er jeder Neuerung abhold und insbesondere jeder Mitwirkung der Volksvertretung in der Regierung. Wir hoffen im Gegenteil, daß auf diesem Wege ein enges Zusammen⸗ abeiten von Parlament und Regierung gewährleistet werden wird. uen Vol 2 den Nach⸗ tragsetat etatisiert wird, erhoffen wirsnamentlich tatkräftige Arbeit auf dem Gebiecte der Wohnungspflege. Abg. Haseloff (H. Nat.): Gegen die Ausfälle des Abg. Dr. Cohn auf Ludendorff, Tirpitz usw. als die größten Volksverderber 1

- erheben wir schärfsten Protest. Mit solchen Angriffen suchen die

Herren Unabhängigen bloß den Eindruck zu verwischen, daß sie selbst es gewesen sind, die die traurigen jetzigen Zustände durch vdie Zer⸗ störung des Heeres usw. herbeigeführt haben; daher die Märchen, di

sie uns immer wieder auftischen. Wir sind überzeugt, die Zeit tommt, wo wir bedeutend an einem starken Preußen werden mitarbeiten müssen, das ohne die starke Hohenzollernspitze gar nicht dentbar ist., (Ruf bei den Unabhängigen Sozialdemokraten: Wilbelm, kehre zurück!) Bedenken gegen die Ueberleiiung der preußischen Steuerhobeit auf das Reich haben wir auch deswegen, weil dadurch die Kommunen in ihren Berechtigungen sehr beschrenkt werden. Preußen hat für die, Stenererhebung und ⸗Verwaltung für das Reich 26 Millionen mehr ausgegehen, als es vom Reiche vergütet erhielt: da heffen wir jetzt auf eine entsprechende Entschädigung. Beim Uebergang der Beamten der Einzelstaaten auf die Reiebssteuerverwaltung muß die Parität strikte innegehalten werden es dürsen nicht ervwa im Verhaltnis mehr bayrische als preußische Beamte vom Reiche h ien Es ist heute Mode geworden, auf die Geheim⸗ räte zu schimpfen, wenn irgend wem irrgend etwas unbequem ist. Man soll sich doch klar machen, daß ohne ein System der Berechti⸗ gungen man auch in Zukunft nicht arbeiten kann. Es wäre eine

6 „H S 98 zvan⸗g SIT11 88 4 Degradierung des ganzen Beamtenstandes, wenn man die Bereckti⸗ gungen ohne weiteres wollie fortfallen lassen.

des Berusebeamtentums, speziell der Beamten der Zentralbehörden

Ohne die Unterstützung

ber allgememen Landesverwaltung, hätte die neue Regierung in den Novembertagen sich nicht zu behaupten vermocht, und das hat sie auch selbst loyval anerkannt. Die Steh ung der Deutschnationalen Volks⸗ partei und des früheren Finanzmtnisters Dr. Hergt zu den Beamten

ig beurteilt und dargestellt worden.

Gelingt es uns in der Beamtenschaft die Ordnung herzustellen, dann weroden wir auch im wirtschaftlichen Leben vorwärts kommen.

9 2

; K 8 8 8 1 2. Abg. Dr. Friedberg (Dem.): Formell kann dei der Etat⸗ r alle Fragen gerrbdet werden; etwas anderes ist es, ob man davon Gebrauch machen will. Wer balten es z. B. nicht für noͤtig, immer wieder auf die Frage zurückzukommen, welches die Ur⸗ sochen der Katastrophe von 1918 gewesen sind.

5 1 1 Ebenso verurteilen * Rechten die Demokratie immer wieder in. Gegen⸗ satz ge racht wird zu dem, was sie früher getan hat. So ist neulich

12 L 8

a der Abg. Dr. p. Richter gegen mich mit Ausführungen aufgetreten,

die er sich wirklich hätre sparen können. Abet er wußte wahrschein⸗ (Heiterkeit bei den Demotraten.) Ich November Monarchist gewesen, meine

bin tatfächlich bis zum 9.

Sympathien bleiben unverändert, aber unter der Macht der, Tat⸗

N

sachen bin ich dazu grkommen, nicht mehr an die Verwirklichung der n⸗. schen zu kön Wenn Herr v. Richter meinte, seine Freunde hätten diese „Schwenkung“ nach links nicht

mitmachen können, weil sie Monarchisten seien, so ist diese Be⸗ merkung durchaus irreführend und 8

unwahr. Ich bhabe schon zu einer eit, wo man noch nicht an die deutsche demokratische Partei dachte. usammen mit einem hervorragenden Führer der nationalliberalen Partei einen Programmaufruf aufgestellt, in dem es heißt: wir stellen ins auf den Boden der Republik. Also entreder kennt Herr p. Richter die Tatsache nicht, dann soll er nicht reden; oder er kennt

9 se, dann verlange ich eine wahrhafte Darstellung. (Beifall bei den

Hemotraten.) 88 Abg. Dr. Rosenfeld (U. Soz.): Einer Regicrung, die den Belagerungszustand oufrecht erhalt und die Bewegungsfreiheit der Arbeiter brutal unterdrückt, lehnen wir auch den Nachttagsetat ab. Die Vorlagen gehen an den Haushaltsausschuß. Es folgt die Berichterstattung über die Ausschußberatung von 14 in der Zeit vor dem 13. März 1919 durch die nach dem 9. November 1918 bestellte preußische Regie⸗ rung mit Gesetzeskraft erlassenen Verordnungen und Bekanntmachungen. 1 „Die Verordnung vom 4. Januar, betreffend öG der für die Bergwerke gewählten Sicherheitsmänner und Arbeiter⸗ ausschußmitglieder wird genehmigt. Die Bekanntmachung vom 13. November 1918, betreffend die Beschlagnahme des preußischen Kronfideikommißvermögens wird ebenfalls zur Genehmigung vorgeschlagen. „Abg. Klodt (U. Soz.): Nach Zeilunasnachrichten sollen dem ehemaligen Konig von Preußen noch 170 Millonen ausgezahlt werden. Es ist doch endlich Zeit, diese Frage zu regeln. Es ist die böchste Zeit, dem Volke zu sagen, daß man jenen Leuten, die die Schuld am Kriege haben, die so unendlich viel Not und Elend über das deutsche Vork gebracht haben, nicht noch gewallige Summen zur Verfügung stellen kann. Diesen Leuten dürsen wir teinen Pfennig geben, die gehören auf die Anklagebank, die müssen wir als Ver⸗ brecher bezeichnen (Große Unruhe rechts, Rufe: Unerhört! Frechheit! Albern! Vizepräsident Di. Frentzel ruft den Frechheit⸗Rufer zur Ordnunz.) Redner bezieht sich auf eine von ihm im Wortlaut ver⸗ lesene läogere Jeußerung des Hamburger „Echo“, in der es u. a. heißt, die Sozialdemokratie könne ihr politisches Konto unmöglich noch durch EGefühtsduselei gegenüber den Hohenzollern belasten; man brauche Arbeit und Arbeitswerte, also sollten sich auch die Herren Hohenzollern als schaffende Arbeitskräfte bewähren, aber nicht als bummeinde Rentner im Auslande. Unter nochmaligem stürmischen Widerspruch der Rechten fordert Redner die Regierung auf, dafür zu sorgen, daß diese Verbrecher auf die Anklagebank kommen. 8 Arg. Dr. Kähler⸗Greifswald (D. Nat.) legt auèdrückliche Verwahrung ein gegen diese unerhörte Herabwürdigung des früheren Herricherhaufes, dem mit den Deutschsatiosalen weite Voltstreise unausloschlichen Dank entgesenbringen. Die Geschichte des preußischen Kronfibeikommisfonds sei ein Ruhmesblatt der preußischen Geschichte. Abs. Limbertz (Soz.): Wir sind der Auffassung, daß zunächst der Staatsger chtshof ꝛeden muß. Wir haben absolut keine Ver⸗

Grundsatz muß auch seine Geltung beha

Ich habe am 12. November 1918

Berlin, Mittwoch, den 8. Oktober

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anlassung, daß angesichts des Elends im Volke dem früheren deutschen Kaiser irgendeine Summe ausgehändigt wird, um sich ein Gut zu kaufen. Das deutsche Volk verdankt den Hohenzollern sein ganzes Elend.

Abg. Berndt⸗Stettin (Dem.): Es handelt sich nicht um eine politische, sondern um eine Rechtstrage. Das Privateigentum ist ohne Rücksicht auf die Person des Eigent

ü: unverletzlich.

1 lten dem früheren Königs⸗ ime gegenüber. Im übrigen müßte der Schadenersatzanspruch erst einmal substantiitert werden. Wenn wir von diesem Grundsatze abgingen, dann würden wir damit bekunden, daß wir kein Rechtsstaat sind. Nicht jede politische oder moralische Schuld läßt sich in eine

Dieser

hause

zivilrechtlich faßbare umwandeln. Fs muß für eine reinliche Scheidung zwischen dem staatlichen Vermögen und dem Vermögen des ehemaligen königlichen Haufes gesorgt werden. Finanzminister Dr. Südekum: Meine Damen und Herren! mein A. angetreten, und schon am 13. November 1918 ist eine Verordnung ergangen, durch die das Kronenfideikommißvermögen des früberen Königs und des Königlichen Hauses mit Beschlag belegt worden ist. Diese erste Verordnung hat sich als nicht hinreichend erwiesen; denn wegen der unklaren Besitztitel, die bei manchen Objekten obwalteten, war keine reinliche Trennung des Sonder⸗ oder Privatvermögens von dem Eigentum des Staats möglich. Daher habe ich dann in Verbindung mit meinem damaligen Amtsgenossen Herrn Stmon am 20. November 1918 eine zweite Verordnung ergehen lassen, durch die sowohl das Kronfideikommißvermögen wie auch andere im Besitz oder Eigentum r Königlichen Familie besindlichen Gegenstände, Kapitalien usw. Beschlag belegt wurden. 2

Beschlagnahme hatte einen doppelten Zweck. Einmal den

r Sicherung gegen Verschleppung von Gegenständen oder sonstigen Eigentumstiteln sagen wir mal: nach dem Auslande. Andererseits den Zweck der Sicherung gegen Eingriffe unberechtigter Personen im Inlande. Diese Sicherung war damals ganz besonders notwendig. Sie hat leider nicht in vollem Maße durchgeführt werden können; denn es ist zu beklagen, daß immerhin wertvolle Gegenstände aus Schlössern, Landgütern u. dergl. von unberechtigten Personen verschleppt worden sind.

Die beschlagnahmten Vermögensmassen unterstehen seit jener Zeit der Verwaltung des Finanzministeriums. Dieses läͤßt die Ver⸗ waltung weiter durch die fruͤheren Hofbehörden ausführen, als da sind das Mmisterium des Königlichen Hauses und andere unter ihm stehende Verwaltungen, immer unter der speziellen Aufsicht von zwei besonders damit beauftragten Beamten und den nötigen Hilfsträften. Die Verwaltung ist nicht mehr nach dem früheren Krontassenhaushalt durchgeführt worden das Ministerium des König lichen Pauses hatte früher in sich selbst einen eigenen Haushalt, der sehr konmnpliziert anfgebaut war —, sondern wird nach emner von Monat zu Monat aufgestellten Berarfsnachweisung geführt, und zwar unter dem Gesichtspunkt des allmählichen Abbaues aller dieser Ver⸗ waltungen. Den Abbau allmählich vorzunehmen ist deshalb nötig, weil eine sehr große Menge von Menschen in’ threr ganzen Existenz abhaͤngig waren und zum Teil noch sind von diesen Vermögenskom⸗ plexen, ganz gleich, wem sie gehören, zweitens aber auch deshalb, weil ein Teil dieser Vermögensstücke natürlich nicht ohne dauernde und sorgfältige Pflege bleiben kann, wenn er nicht bald in Verfall ge⸗ raten soll. 8.

Der Abbau ist bereits erfolgt das versteht sit) eigentlich von selbst bei dem früheren Oberzeremonienamt, bei dern Hosjagdamt; im Abbau befindlich ist das Obermarstallamt, sint die Garten⸗ intendantur, das Oberhofmarschallamt. Eigentlich aufrecht erhalten ist jetzt nur noch die Hofkammer, welche die Verwalt ung aller Land⸗

üter, Domänen und dergleichen, die früher dem Könige gehörten

ihm zur Nutzung überlassen waren, uner sich hat, ferner die Schloßbaukommission das ist ganz selbstve eständ lich, eine Baukommission muß vorhanden sein und schließlich; das frühere Ministerium des Königlichen Hauses als die Zentralin stanz, in der alle diese Verwaltungen zusammenlaufen.

Mit der allmählichen Entlassung der Angestellten und Beamten wird schonend, aber doch ziemlich rasch vorgegangen. Zum Teil werden die früher im Hosdienst angestellten Männer und Frauen in geeignete staatliche Stellen überführt, wo sie nötig sind, sofern sie auch die Qualifikation nachweisen können, zum Teil werden sie pen⸗ sioniert, wenn sie das pensionsfäͤhige Alter erreicht haben oder im übrigen nach den Regeln des staatlichen Pensionsgesetzes Anspruch auf Pension z. B. wegen dauernder Krankheit erheben können, und zum Teil werden sie auf Wartegeld gesetzt und so allmählich ent⸗ weder in den Zustand der Pensionierung übergeführt oder freigesetzt. Anders läßt sich das beim besten Willen schließlich nicht machen. Diese Regelung wird, wie gesagt, so schonend wie möglich durch⸗ geführt. Daß sie an einteinen Stellen noch gewisse Härten mät sich bringt, läßt sich nicht verkennen.

§ 2 Absatz 2 der Bekanntmachung über die Beschlagnahme des Vermögens des preußischen Königshauses vom 30. November 1918

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legt mir die Verpflichtung auf ich verweise dara uf, daß diese

Beschlagnahmeverfügung von der Regierung erlassen worden ist, als sie noch zur Hälfte aus Unabhängigen bestand und nitr zur Hälfte aus Mehrheitssozialisten —, aus den in Beschlag genommenen Gegen⸗ ständen und deren Erträgen an den vormaligen König, das vormalige Königshaus und seine Mitglieder Beträge auszuzahlen, die nötig sind, seinen Unterhalt zu bestreiten. Es heißt wörtlich: Das Finanzministerium ist ermächtigt, aus den Erträgen für den Unterhalt des vormaligen Königs und der Mitglieder des vor⸗ maligen Königlichen Hauses angemessene Beträge festzusetzen und zu zahlen. 8 Diese Beträge halten sich in sehr mäßigen Grenzen. Neuerdings sind übrigens alle Apanagen nicht nur auf die Kronfideikommißrente an⸗ gewiesen worden, sondern ausschließlich auf das unzmweifelhafte Pribat⸗ vermögen des früheren Königlichen Hauses. In der Verordnung ist damals gesagt worden, daß die Ver⸗

waltung mit Ausschließung der Rechnungslegung geschehen solle. Diese Bestimmung ist in die Verordnung hineingekömmen, weil sie

Zweite Heilagsze -— eichsanzeiger und Preußischen Staatsanzeiger.

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sich an die Verordnung anlehnt, die Bismarck 1866 erlassen hat über die Verwaltung des früheren welfischen Königevermögens. Da gar kein Anlaß vorliegt, daß das Finanzministerium Rechnungslegung ablehnt, sind inzwischen auf Beschluß des Staatsministeriums diese Worte herausgenommen worden (härt! hört! bei den Unabhängigen Sozialdemokraten), so daß also nach Abschluß der Verwaltung die Rechnungslegung stattfinden kann und stattfinden wird. Das ist ja auch eigentlich ganz selbstverständlich. Im Jahre 1866 lagen die Rechtsverhältnisse insofern anders, als es sich um die Ver⸗ waltung eines mit dem preußischen Staat damals im Kriegszustande befindlichen Fürstenhaufes handelte. (Zurufe.) Immerhin, da war ein Kriegszustand, so, wie wir uns bis zum Tage des Austausches der Ratifizierung des Friedensvertrages mit Frankreich im Kriegs⸗ zustand befinden. Ich sage also, daß die Rechnungslegung selbstver⸗ ständlich stattfinden wird.

Nun ist in der Erörterung Bezug genommen worden auf die bevorstehende Auseinandersetzung zwischen dem Staat und dem vormaligen Königshause. Darauf näher ein⸗ zugehen, liegt an sich keine Veranlassung vor, da ich hoffe, daß in allerkürzester Frist das hohe Haus mit einer Vorlage über diesen Gegenstand befaßt werden wird, wobei eine Gelegenheit zu einer ausgiebigen und nötigen Auseinandersetzung gegeben sein wird. In⸗ zwischen mache ich darauf aufmerksam, daß das, was Herr Klodt über die Summe, die etwa zur Auszahlung an die frühere königliche Familie vorgeschlagen wäre, gesagt hat, genau so unrichtig ist, wie das, was die „Freiheit“ trotz wiederholter Richtigstellung immer wiederholt. (vLebhafte Zurufe bei den Unabhängigen Sozial⸗ demokraten.) Niemals ist die Rede davon gewesen (Er⸗ eute lebhafte Zurufe bei den Unabhängigen Sozialdemokraten.) Herrgott, warten Sie doch ab, Herr Dr. Rosenfeld! Nie⸗ mals ist die Rede davon gewesen, daß eine Summe von 175 Millionen Mark dem früheren königlichen Hause ausgezahlt werden solle. (Zurufe bei den Unabhäͤngigen Sozialdemokralen: Warum nennten Sie die Summe nicht?) Wiil ich sie nicht weiß. Ich habe ge⸗ sagt, daß niemals diese Summe in Vorschlag gebracht worden ist, und mehr habe ich hier nicht zu sagen gehabt.

Im übrigen mache ich darauf aufmerksam, daß in einem Staat, in dem das Privateigentum durch einen besonderen Artitel, den Ar⸗ ikel 153, der Verfassung garantiert ist, natürlich nicht ohne Richter⸗ spruch oder ohne Vertrag über das Eigentum irgendeiner Familie

gt werden kann. (Lebhafte Zustimmung.) Es ist wiederholt darauf hingewiesen, man solle die frühere königliche Familie vor einen Staaisgerichtshof stellen, vor eigen polilischen Gerichtshof. Es ent⸗ zieht sich ganz meiner Beurteilung und es ist nicht mein’s Amtes, ein Urteil darüber abzugeben, ob das unrichtig oder richtig, ob es unerwünscht oder erwünscht ist. Jedenfalls bevor es nicht geschehen ist, bevor nicht ein solcher Gerichtshof oder ein anderes ordentliches Gericht in dieser Sache sein Urteil gefällt hat, kann es für mich als Finanzminister nur einen Grundsatz geben: hier handelt es sich zum Teil um staatliches und zum Teil um privates Vermögen; eine Auseinandersetzung muß erfolgen. Aber selbst wenn eine solche Auseinandersetzung erfolgt ist, wenn die Rechts⸗ lage rollkommen gekeäct ist, selbst wenn einwandfrei festgestellt ist: dieser Teil ist nach den Regeln unserer Jurisprudenz als reines Privateigentum, jener Teil als Staatseigentum anzuseben ich sage: selbst wenn die Erörterung bis zu diesem Punkt geführt worden ist —, dann kann die Auseinandersetzung nicht ohne Berück⸗ sichtignng auch politischer Momente durchkgeführt werden. Das versteht sich ganz von selbst. (Sehr gut!) Intolgedessen wird

1919.

el sich diese Auseinandersetzung im Wege eines Vertrages abspielen mütssen.

Dieser Vertrag wird wie ich schon sagte

in kärzester Frist, wie ich

hoffen darf, dem hohen Hause zur Genehmigung unterbreitet werden,

und dann wird sich Gelegenheit finden, auf die ganze Angelegenhei ausführlich einzugehen.

Ich stele nur fest, daß die wieerholt von der „Freiheit“ dieser Sache aufgebrachten Gerüchte nichts anderes sind als Gerüchte. (Zuruf i den Unabhängigen Sozialdemokraten.) Ach,

Dofjruana“* ¹ Zeitung

Abg. Nippel (D. Nat.): Auf die beleidigenden Worte der Un

abhängigen will ich nicht weiter eingehen und nur daraef hinweisen,

daß durch die Störung der Ordnung das Wohnungseiend noch ve

größert wird. Auf dem Wege der Resorm kommen wir teinen Schritt weiter. Herrn Limbertz möchte ich den Rat geben, sich di Ausführungen des Herrn Finanzministers über das Prwatvermögen zu Herzen zu nehmen. Der Ton seiner Ausführung bedeutet das Gegenteil vom Männerstolz vor Königsthronen. es auch Revolutionsverbrecher, die vor den Gerichtshof gehören. Was nach dem 9. November geschehen ist, dafür tragen die Sozialdemo⸗ kraten die Verantwortung.

Abg. Dr. Rosenfeld (U. Soz.): Herr Limbertz ist in seinen Ausführungen durchaus nicht zu weit gegangen. Ich erinnere Sie nur an die Ausdrücke Wilhelms II. über die Sozialdemokraten, wie „vaterlandslose Gesellen“. Es ist kein Wunder, ü1 Kränkungen scharfe Entgegnungen hervorrufen. mögens der Hoher Ansprüchen gegenüber Gegenansprüche erheben sollte. gabe des Privateigentums an die Hohenzollern darf unter keinen Um⸗ ständen erfolgen. Die Ankündigung des Ministers Südekum über das baldige Erscheinen des Vertrages halten wir für unzureichend. Zu den Beratungen über eine so wichtige Materie sind meine Freunde nicht hinzugezogen worden. niuß unbedingt den Armen und Hungernden des deutschen Volkes zugute kommen. 4

Abg. Stendel (D. Vp.): Auf die Frage der Gegenansprüche einzugehen, erubrigt sich. Die unerfreulichen Szenen hätten wir gerne vermißt. Ich lehne es ab, irgendwie darauf einzugehen. Herrn Dr. Friedberg erwidere ich auf die Angriffe gegen Herrn v. Richter, daß dieser niemals den Gedanken einer Annaͤherung an die deutsch⸗ demokratische Partei irgendwie propagiert hat. Im übrigen er⸗ mangelt die Verordnung jeder Rechtbasis.

Finanzminister Dr. Südekum: Meine Damen und Herren! der Herr Vorredner hat einmal die Zuständigkeit der damaligen preußtichen Regierung zu der Beschlagnahme bezweitelt und hat

wenn solche Bezüglich des Ver⸗ zollern sind wir der Ansicht, daß der Staat diesen Eine Heraus⸗

Die Vermögensmasse der Hohenzollern

Im übrigen gibt

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zweitens gefagt, die Verordnungen, um die es sich hier handelt, er⸗ mangelten jeder Rechtsbasis. Ich muß beide Bemerkungen zurück⸗