1919 / 231 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 09 Oct 1919 18:00:01 GMT) scan diff

Sch glaube deshalb, es handelt sich hier um eine Maßfrage. Auch/ Widerhall finden wird. (Sehr richtig!) Allerdings muß da komme

der Horr Abgeordnete Dr. Sinzheimer wird den Geschichtsunterricht nicht missen wollen. Auch er ist sicherlich viel zu seohr durchgebildet, um nicht zu wissen, daß man die Gegenwart nur versteht, wenn man die Vergangenheit kennt, daß man das, was ist, nur versteht, wenn man weiß, wie es geworden ist. Ich glaube also, er will nur vor dem Uebermaß des Sichversenkens in die Vergangenheit warnen und will den Blick nicht bloß für die Gegenwart, sondern auch für die Zukunft öffnen. Er will den jungen Juristen davor behüten, daß er das, was ist, nicht als Naturgesetz betrachtet, das nicht geändert werden kann, sondern will den Blick dafür öffnen, daß auch manches aus der Praxis keraus beurteilt werden kann. Darin findet er meine Zustimmung. Wir werden uns nur über das Verhältnis zwischen der Kunde von dem Werden des Rechts und dem, was das Recht selbst in der Gegenwart zu leisten hat, zu unterhalten haben, wobei ich als selbst⸗ verständlich voraussetzen muß, daß der Zusammenhang bereits in der Ausbildung mit den wirtschaftlichen Problemen unserer Zeit und auch mit den politisch⸗soziologischen Problemen in verstärktem Maße betont wird. Das liegt in der Zeit, und den Geboten der Zeit nach⸗ zukommen, sobald man sie erkannt hat, ist eine Aufgabe der wahren Staatskunst, auch eine Aufgabe der Rechtskunde.

Der Herr Abgeordnete Dr. Sinzheimer hat offenbar vorhin überhört, daß ich in meinen ersten Ausführungen bereits meimne Absicht kundgegeben habe, auch den Zivilprozeß in den Bereich der beab⸗ sichtigten Reformen hereinzuziehen. Diese Absicht besteht, und die Andeutungen, die er gemacht hat, werden dabei verwertet werden.

Dabei wird natürlicherweise auch die Frage der Sondergerichte besprochen worden. Es ist richtig, daß der Ruf los von den ordent⸗ lichen Gerichten, in stets steigendem Maße ertönt, und daß die Zu⸗ nahme der Schiedsgerichte aus diesem Ruf hervaus zu erklären ist. EFs ist richtig, daß dieser Ruf in sich zugleich ein Mißtvauen, eine Abneigung gegen das ordentliche Gerichtsverfahren einschließt. Dg 8 ist ein Warnungssignal, dem ich mich in keiner Weise verschließe. Deshalb wird die Reform des Zivilprozesses davon ausgehen müssen, wenn ich so sagen soll, die Schiedsgerichte überflüssig zu machen, in⸗ dem man das staatliche Gericht so ausgestaltet, daß man es nicht mehr notwendig hat, sich dem doch mit sehr vielen Mängeln behafteten Schiedsgerichtsverfahren zuzuwenden. Es wird eine weniger forma⸗ listische, einfachere, schnellere und billigere Art des Verfahrens ein geführt werden müssen, um insbesondere das Zivilprozeßverfahren für die kleinen Leute zu einem wahren Volksverfahren zu gestalten und nicht die Vorstellung zu nähren, die vielfach herrscht, daß kein Mensch sich in einem solchen Verfahren zurechtfinden könne, daß dabei der gesunde Menschenverstand vollkommen versage. Sie wissen, daß man sehr bezeichnender Weise davon spricht: man hat einen Prozeß verspielt, als ob es eine Lottevie wäre, in die man setzt, wähvend doch der Begriff des Rechts eine ganz andere Würdigung

Bei der Frage der Reform des Zivilprozesses wird die Frage der Sondergerichte eingehend geprüft werden, und es werden diejenigen Er⸗ fahrungen, die auf diesem Gebiete gemacht worden sind, erwogen werden. Es wird vielleicht die große Frage entstehen, ob wir nicht auch die Sondergerichte selbst dadurch in das allgemeine Gerichtswesen gurück⸗ führen können, daß wir dieses allgemeine Gerichtswesen so volkstüm⸗ sich gestalten, daß es die Vorzüge des Sondergerichts sin sich schließt. Denn für eimen gesunden Zustand kann ich es nicht halten, wenn die staatlichen Gerichte mehr und mehr zurüchgedrängt und schließlich Aus⸗ nahmegerichte werden gezenüber denjenigen, die sich abgesplittert haben. Dann kommen wir zu einer Zersplitterung der ganzen Rechtspflege, die sicherlich nicht gut ist, und die außerdem, worauf ich auch ich möchte annehmen, im Sinne des Abg. Dr. Sinzheimer ein außer ordentliches Gewicht lege, den Richter mehr und mehr von der Fühlung⸗ nahme mit dem Volksleben, mit dem wirtschaftlichen Leben, mit dem realen Leben abdrängt. Das wollen wir nicht. Das können wir nur verbüten, wenn wir ihm eime breite Betätigungsfläche sichern.

Was die Untersuchungshaft und den Strafvollzug betrifft, so hat Herr Dr. Sinzheimer bereits darauf hingewiesen, daß be⸗ sonders bezüglich der Untersuchungshaft bereits jetzt gesetzliche Vor⸗ schriften existieren. Wir haben die Absicht, sobald, was ja demnächst ge⸗ schohen wird, die Vorarbeiten für die Strafrechtsreform abgeschlossen sind, uns sofort der Reform des Strofvollzugs zuzuwenden. Es liegen Vorarbeiten bereits vor. Wir werden zur Aufstellung eines Entwurfs schreiten und auch diesen Entwurf sobald als möglich der Oeffent⸗ lichkeit zur Mitwirkung der öffentlichen Kritik übergeben. In diesem

Intwurf werden Vorschriften, die sich auch auf die Untersuchungshaft’

beziehen, enthalten sein, und für alle diese Vorschriften wird der Ge⸗ danke masygebend sein, daß der Häftling ein Mensch ist, dem die Rück⸗ sichten auf seine Menschlichkeit und auf sein Bürgertum zustehen, soweit es das Interesse der Rechtspflege, soweit es auch das In teresse, das wir haben, die Macht des Rechts aufrecht zu erhalten, irgendwie gestattet. Hier die Interessen der Wahrung der Rechtshoheit und die Rücksicht auf das Menschentum miteinander in Verbindung und zum Auagleich zu bringen, das wird eine der Hauptaufgaben sein, die einem solchen Gesetzentwurf zugewiesen werden.

Der Abg. Dr. Cohn hat aus meinen Worten herauszulesen geglaubt, daß ich gegenüber den bestehenden Zuständen das Laien⸗ Aement zurückdrängen wollte. Diese Absicht habe ich nicht. Im Gegen⸗ teil, es ist auch nach meiner Meinung sogar sehr erwägenswert, ob man ihm nicht einen noch breiteren Raum zuweisen könnte, allerdings

in einer anderen Gestalt, als es jetzt der Fall ist, so daß die lebhafte

Bezätigung und das Zufammenwirken des Laienelements in unserem Recht in weitestem Umfange gesichert ist. Ich halte das für not⸗ wendig, weil es ein Ausfluß unserer Zeit ist, daß unser Volk in weitestem Umfange an der Betätigung seiner eigenen Verhältnisse mitwirken soll. Wir sehen denselben Gedanken auf allen Gebieten ich will ihn jetzt im einzelnen nicht verfolgen —, und es wäre ganz folsch, wenn man dos Recht ausschließen wollte. Auch hier ist ein Mittel gegeben, um Recht und Volk miteinander in eine enge und für beide nützliche Verbindung zu bringen.

Daß ich bei diesem Zusammenwirken aber ein wechselseitiges Ver⸗ hältnis annehme, daß ich den wissenschaftlich gelehrten Richter nicht missen will, daran allerdings muß ist festhalten, auch gegenüber dem Horrn Abgeordneten Dr. Cohn. Ich glaube, daß eine Ausschaltung des gelehrten Richters tatsächlich eine Untergrobung der Fundamente einer stetigen, festen Rechtsprechung wäre. (Sehr richtig! bei den Deutsch⸗Demokraten.) Ich bin der Meinung, daß in den weitesten Schichten unseres Volkes das Vertrauen zu unseren Berufsrichtern so

sanl ist, dab der Ruf noch ihrer Beseitzꝛong einen sehr geringen

ich auf die Ausführungen zurück, die ich vorhin gemacht habe auch der gelehrte Richter in höherem Sänne ein Volksrichter sein, es darf in diesem höheren Sinne ein Widerspruch zwischen dem gelehrten Richter und dem Volksrichter nicht bestehen. Auch der gelehrte Richter muß als Richter sich als einen Teil seines Volkes fühlen, muß mit den Empfindungen und Anschauungen des Volkes so vertraut sein, daß er in bezug auf die Volkstümlichkeit seines Auftretens, auch mit dem Laienrichter es aufnehmen kann.

Herr Abgeordneter Dr. Cohn hat ferner darauf hingewiesen, daß die sogenannte lex Schiffer bei dem jetzigen Verfahren vielfach nicht beachtet wird. Die Sachlage liegt so, daß das jetzige Verfahren nicht auf den Belagerungszustand beruht, der von Reichs wegen ein⸗ geführt ist und nur für diesen gilt die lex Schiffer —, sondern auf dem Belagerungszustand, der auf Grund landesgesetzlicher Rege⸗ lung besteht, und für diesen gilt die lex Schiffer nicht. Das ist eine zweifellose Antinomie, und ich würde bereit sein, diese Antinomie zu beseitigen, wenn nicht dieser ganze Zustand bereits dem Abbau ver⸗ fallen wäre. Denn es besteht ja jetzt der landesgesetzliche Belagerungs⸗ zustand nur deshalb weiter, weil die bisherigen Maßnahmen aufrecht⸗ erhalten werden. Unsere jetzige Verfassung kennt ja einen Belage⸗ rungszustand auf Grund landesgesetzlicher Bestimmungen nicht mehr. Sobald das vorgesehene Reichsgesetz über den Belagerungszustand er⸗ gangen sein wird, fallen alle diese Fragen fort. Dann werden wir diejenigen Strafreformen, die uns erforderlich scheinen, aufnehmen, und ich kann es als zweifellos betrachten, daß auch der Grundgedanke der lex Schiffer in dieses neue Gesetz Aufnahme finden wird.

Im übrigen hat der Herr Abgeordnete Dr. Cohn seine Aus⸗ führungen damit eingeleitet, es sei ganz interessant gewesen, zu hören, was ich gesagt hätte, aber es sei vielleicht noch interessanter gewesen, zu hören, was ich verschwiegen hätte. Er hat leider nicht gesagt, was ich verschwiegen habe, so bimn ich auch leider nicht in der Lage. das Versäumte nachzuholen.

Der Haushalt der wird bewilligt.

Es folgt der Haushalt für das Reichsfinanzmini⸗ sterium.

Berichterstatetr Abg. Wurm (U. Soz.) berichtet, daß der Hauptausschuß sich auch mit der Vezikseinleilung für die Landes⸗ finanzämter beschäftigt und lront ogt habe: „Die dargelegte Einteilung der Landesfinanzämter entspricht nicht überall, insbesondere nicht hin⸗ sichtlich der Verhältnisse an der Unterweser und Unterelbe, den wirt⸗ B Bedürfnissen und kann insoweit nur als eine vorläufige gelten.

Reichsjustizverwaltung

Die Regierung wird ersucht, baldtunlichst eine gesetzliche Re⸗ gelung der Bezirkseinteilung in die Wege zu leiten.“

Abg. Dr. Wirth (Zentr.): Es handelt sich hier um die größte organisatorische Dat neben der Erledigung der Reichsversassung. Es ist dem Herrn Minister und seinen Mätarbeitern gelungen, die großen Widerstände, die sich zeigten, in großzügiger Art zu überwinden. Die Reichsregierung erklärt, daß sie auf eine Neuregelung des Besoldungs⸗ wesens mit Wirkung vom 1. April 1920 ab durch die zuständige Stelle, das Reichsamt des Innern, hinwirken werde. Ich möchte den Herrn Reichsfinanzminister dringend bitten, auf diese Neuregelung des Besoldungswesens möglichst scharf hinzuwirken; denn das geht nicht an, daß wir im Laufe dieses Winters bei der Aufstellung des Budgets für die einzelnen Länder noch besondere Besoldungsordnungen durchzuführen gezwungen sind; das wäre geradezu ein Unglück nicht nur im Hinblück auf die einzelnen Staaten, sondern auch für das Reich, wenn noch heute in den einzelnen Ländern Besoldungsordnungen zur Verabschieddung kämen. Die Folge wäre, daß herwach zum Schluß dem Reich große Ausgaben aufgebürdet werden. Im Hinblück auf die den einzelnen Staaten notwendig gewesenen Tarisabschlüsse mit den Eisenbahnarbeitern sollte man geradezu eine Art Sperrgesetz machen, daß nicht jeder einzelne Bundesstaat in die Lage käme, hier selbständig für sich vorzugehen. Wenn heute Württemberg, morgen Bayern einen Tarifvertuag mit den Arbeitern abschließt, und es wird nur in einem Punkt eine Verbesserung für die Arbeiter erzielt, so kommen sofort die Arbeiter des benachbarten Landes und verlangen dasselbe. Es ist bedauerlich, daß, nachdem wir die Verfassung des Reiches erledigt haben, wir in dieser Frage noch nicht zu einer ECin⸗ heitlichkeit gekommen sind. Ich bitte den Herrn Reichsfinanzminister im Interesse des Reiches wie der Bundesstaaten dahin wirken zu wollen, daß dem Gedanken der Vereinheitlichung auf dem Wege der Besoldungsreform möglichst bald Nachdruck verliehen wird.

Zu den Zusatzvereinbarungen sind noch besondere Zusätze für Bayern und für Preußen hinzugefügt:; diese Vereinbarungen tragen den Vermerk: „Nur fübör Bayern“ und „Nur für Preußen“. Ich gönne den Beamten der betreffenden Länder die aus diesen Zusatz⸗ vereinbarungen entstehenden Vergünstigungen; aber es darf nicht Wunder nehmen, wenn gerade der Zusatz: „Nur für Bayern“ bei den Beamten anderer Länder eine gewisse Beunruhigung hervorgerufen hat. So hat heute ein Mitglied des Hauses ein Delegramm aus Baden bekommen, wonach die dortige Beamtenschaft dringend bittet, dafür einzutreten, daß die den bayerischen Beaamten zugestandenen Sonder⸗Vergünstigungen auch für die badischen Finanzbeamten An⸗ wendung finden. Die Vereinbarung, wonach die bayerische Staats⸗ regierung ermächtigt werden soll, für Rechnung des Reiches den in Bayern für die Neuregelung der Gehaltsordnung zurückgestellten Aus⸗ gleich der Vordienstzeiten und anderer noch bestehenden Härten im Rahmen der derzeitigen bayerischen Gehaltsordnunga im Einver⸗ ständnis mit der Reichsregierung vorzunehmen, ist in ihrer Fassung zu unbestimmt. Es wäre eine Blankovollmacht. Ich und wohl auch der Herr Finanzminister mit mir bin der Ueberzeugung, daß es den Beamten aller Länder nicht schwer fallen wird, die Härten zu beseitigen. Ich meine, daß schon über diesen Zusatz ein gewisses Ein⸗ vernehmen erzielt worden sei, ich freue mich, daß ein Vertreter der Regierung dies durch Zunicken bestätigt. Es ist ein Zeichen der neuen Zeit, daß man mit den Beamten auf dem Verhandlungswege einen Ausgleich zu finden sucht. Mit der Verabschiedung dieses Nachtragsbudgets kommt ein großes Werk zum Abschluß, das ge⸗ eignet ist, das Finanzwesen Deutschlands einer Regelung entgegen⸗ zuführen. (Beifall.)

Hierauf nimmt der Reichsfinanzminister Erzberger das Wort, dessen Rede wegen verspäteten Eingangs des Steno⸗ gramms in der nächsten Nummer d. Bl. im Wortlaut wieder⸗ gegeben werden wird.

Abg. Stolten (Soz.): Die Buntschechigkeit unserer bisherigen deutschen Staatseinteilung, bei deren Schaffung die Vernunft jedenfalls nicht Gevatter gestanden hat, wind zum Tein in die Einteilung der Landesfinanzämter übernommen. Finanztechnisch stellt die Einteilung, namentlich für die Gebiete an der Unterweser und Unterelbe den Gipfel des Widerfinns dar. Das wichtige Hamburger Zollgebiet wird künst⸗ lich zerrissen und die Kosten werden dadurch unverhältnismäßig erhöht. Die Ueberwachung der Ein⸗ und Ausfuhr auf der Elbe und Weser wird naturnotwendig in Zukunft an Bedeutung gewinnen, weil mit weit mehr Ausfuhrverboten als bisher zu rechnen sein wird. Da wäre eine einheitliche Zollbehandlung erwünscht.

Abg. Dr. Blunck (Dem.): Die ganze Konfusion in der Ein⸗ teilung der Landesfinanzämter ist dadurch entstanden, daß die Sozial⸗ demokraten unsern Antrag abgelehnt haben, durch den wir die Ein⸗ teilung des Deutschen Reichs in die Landesfinanzämter durch das Reich geregelt wissen wollten. Die Sozialdemokraten müssen sich

also bei sich selber beschweren. Es ist aber immer noch nicht zu

WA1*“; .

* 4

Pe. aas Reichsgesetz zu schaffen und auch jetzt noch organische Arbeit zu leisten.

Reichsfinanzminister Erzberger: Die Beschwerden Ham⸗ burgs halte ich für begründet und berechtigt. Nach Lage der Ver⸗ hältnisse können wir aber die Sache momentan nicht ändern. Ich werde mit Preußen in Verbindung treten, ob nicht doch noch eine andere Lösung auf dem Wege der Verwaltung eintreten kann. Im Hamburger Hafen können unmöglich drei Zolldirektionen tätig sein.

Der Haushaltsplan für das Reichsfinanzministerium wird sodann in seinen Einzelheiten nach den Beschlüssen des Ausschusses angenommen, ebenso die Entschließung des Ausschusses wegen der Bezirkseinteilung der Landesfinanz⸗

Darauf wird vertagt.

Eingegangen ist eine Interpellation der Sozialdemokraten, betreffend Maßnahmen gegen die Preissteigerung für Häute, Leder und Schuhwaren infolge teilweiser Aufhebung der Zwangswirtschaft.

Nächste Sitzung Donnerstag, 1 Uhr (vorstehende Interpellation, Fortsetzung der heute abgebrochenen allgemeinen politischen Besprechung, Etat des Pensionsfonds und Postetat.)

Schluß nach 634 Uhr. 8

Preußische Landesversammlung. 61. Sitzung vom Mittwoch, 8. Oktober 1919. 12 Uhr. (Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger.) Am Regierungstische: Der Minister der öffentlichen Ar⸗

beiten Oeser.

Vizepräsident Dr. Porsch eröffnet die 12.20 Uhr.

Die zweite Haushaltberatung wird bei der Zentral⸗ genossenschaftskasse fortgesetzt. 8

Die Beratung erstreckt sich zugleich auf einen Antrag Esser (Z.) u. Gen. auf eine vhecsentbie Umgestaltung des Bei⸗ rates der Zentralgenossenschaftskasse, damit er eine fruchtbare Mittelstelle zwischen ihr und den einzelnen Genossenschaften bilde.

Berichterstatter Dr. Leidig (D. Vp.): Infolge des starken Geld⸗ umlaufes hat sich, der Geschäftskreis der Zentralgenossenschaftskasse fortgesetzt erweitert. Im vergangenen Jahre erstreckte er sich auf 74 Milliarden Mark und dürfte sich im laufenden Jahre auf 100 Milliarden steigern.

Abg. Dr. Seegelmann (D. Nat.): Das Genossenschaftswesen hat seine Anhänger in allen Parteien. Das begünstigte seine lebhafte Entwicklung. Erfreulicherweise hat es während des Krieges auch in der genossenschaftlichen Organisation des Handwerks große Fortschritte gemacht. Für den Handwerker und Arbeiter ist das Genossenschafts⸗ wesen gar nicht hoch genug zu veranschlagen. (Sehr richtig! rechts.) Man muß das Genossenschaftswesen ausbauen, um dem Kapitalismus die Giftzähne auszuziehen.

Sitzung um

Abg. Esser (Z.): Der Finanzminister hob gestern herpor, daß

man am besten getan hätte, die Lebensmittelversorgung in die Hände der Selbstverwaltungskörper zu legen. Nach meiner Auffassung hätten hierbei die Genossenschaften die Hauptaufgabe haben müssen, zumal sie sich auf diesem Gebiete schon im Frieden ausgezeichnet bewährt hatten. Man sollte den Genossenschaften noch weitere soziale Auf⸗ gaben zuweisen. Hierzu aber ist eine vom Vertrauen der einzelnen Genossenschaften getragene Mittelstelle zwischen ihnen und der Zentral⸗ kasse erforderlich. Ich empfehle die Annahme unseres Antrages.

Abg. Dr. Krüger (Demokrat): Ich kann mir eine Ge⸗ sundung unseres Wirtschaftslebens ohne den weiteren Ausbau des Genossenschaftswesens nicht denken. Ich begrüße es daher, daß die genossenschaftlichen Organisationen in der preußischen Verfassung ver⸗ ankert werden sollen. Für ihre wirtschaftlichen Aufgaben wird es von Wichtigkeit sein, daß sie die Möglichkeit erhalten auf Grund der von ihnen gezeichneten Kriegsanleihen Obligationen aufzunehmen und auch die Anleihen selbst abzustoßen. Soll sich das Kreditwesen in richtiger Weise entwickeln, dann muß aber auch die Zentralgenossen⸗ schaftbtasse sich in Zukunft von jedem Bürokratismus fernhalten. Dem Antrag Esser, der das miterstrebt, stimmen wir zu.

Abg. Dr. Leidig (D. Vp.): Wir stimmen dem ebenfalls zu. Zur Förderung des hh sich das ganze Haus zusammentun, denn nur so können wir unsere Volkswirtschaft wieder in gesunde Bahnen lenken. Auch wenn das Syndikat und Genossenschaftswesen für den einzelnen manchmal nach⸗ teilig ist, so muß es doch weiter ausgebaut werden, weil es der Ge⸗ samtheit nützt. Man muß es auf eigene Füße stellen. Der Gedanke der Solidarität muß in die weitesten Volkskreise eindringen. Die Zentralkasse muß vorläufig jedenfalls eine preußische Staatseiurichtung bleiben. Wir wünschen, daß sie als Zentralstelle anregt, aber nicht regiert. Es ist erfreulich, daß das gesamte deutsche Genossenschafts⸗ wesen nach den langen Zeiten der inneren Reibungen jetzt in sich einig ist.

LAba. Eberle⸗Barmen (Soz.): Wenn das Genossenschafts⸗ wesen im Sinne des Vorredners auf eigene Füße gestellt würde, so würde es zur Trustbewegung ausarten und wir müßten es auf das schärfste bekämpfen. Nein, die Trusts, Kartelle und Syndikate gehen darauf aus, die großen Massen des Volkes auszubeuten und nur ganz bestimmte Erwerbsgruppen zu fördern. Demgegenüber muß das Ge⸗ nossenschaftswesen dem ganzen Volke dienen. Die allgemeine Aner⸗ kennung, die das Genossenschaftswesen jetzt findet, ist ja sehr erfreulich, bis vor nicht langer Zeit war es anders. Da drängten die bürger⸗ lichen Parteien die Regierung, das sozialdemokratische Genossen⸗ schaftswesen mit allen Mitteln zu unterdrücken. Trotz aller An⸗ feindungen hat diese Bewegung einen gewaltigen Aufschwung ge⸗ nommen. Ihr Ziel ist allerdings, dem Kapitalismus in der schärfsten Weise zu Leibe zu gehen und den Profit soweit wie möglich auszu⸗ schalten. Wenn die Regierung der genossenschaftlichen Bewegung in allerweiteftem Maße Unterstützung zuteil werden lassen will, so stimmen wir dem nicht zu, weil wir dadurch eine Aufsicht der Regierung über die Genossenschaftsbewegung befürchten. Dem An⸗ trage Esser stimmen wir zu, obgleich damit etwas Positives nicht erreicht wird.“ 88 3

Präsident der Preußischen Zentral⸗Genossenschaftskasse Dr. Hei⸗ ligenstädt: Die Aufgabe der Preußischen Zentral⸗Genossenschafts⸗ kasse kann selbstverständlich nur darin bestehen, die geschäftlichen Be⸗

ziehungen zwischen den Genossenschaften aufrecht zu erhalten und zu

vertiefen. Ob aber eine remliche Trennung zwischen den geschäft⸗ lichen Beziehungen und den organisatorischen Bestrebungen⸗möglich sein wird, läßt sich nicht so ohne weiteres behaupten. Die geschäfl⸗ lichen Beziehungen

beraten worden, haben dem Abgeordnetenhause und die Zustimmung des Hauses gefunden. Selbstverständlich haben die Ge⸗ schäftsbedingungen den neuen Verhältnissen durchaus angepaßt werden müssen. Die jetzige Zeit ist aber nicht dazu angetan, um besondere Maßnahmen zu treffen. Man muß vielmehr von Fall zu Fall ent⸗ scheiden. Die Genossenschaften haben gar kein Bedürfnis nach Kredit. Im allgemeinen findet eine weitgehende Unterstützung durch die Zentral⸗ Genossenschaftskasse statt. Wenn die Genossenschaften auf der einen Seite Vorteile haben wollen, so müssen sie auch auf der anderen Seite die Bedingungen erfüllen. Was die Genossenschaften in dem besetzten Gebiete anbetrifft, so ist für sie das dentbar Mögliche ge⸗ leistet worden. Es ist ihnen Kredit gegeben worden, obgleich die Verhältnisse von hier aus absolut nicht zu übersehen waren⸗

(Fortsetzung in der Zweiten Beilage.)

1 n Antrage Genossenschaftswesens muß

in Verbindung mit allen Genossenschaften

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zum De 2338.

schen Reichsanzeiger und Preußi

9

ig, den 9.

2 9

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Oktober

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(Fortsetzung aus der Ersten Beilage.)

Der allgemeine Kredit muß natürlich aufgehoben werden, es können znal Eine Kritik eit des Genostenschaftswesens erst jetzt ser in seinem Antrage verlangt, ist im

gemacht werden.

jedoch von Fall zu Fall habe ich nicht üben wollen.

an dem genossenschaftlichen Geiste meiner Ausicht ist die große Z gekomnen. Was der Abg. E esentlichen bereits geschehen. Der Haushalt für die Zen wird bewilligt, der Antrag Esser

2 fal b e- 8 P 1 Es folgt der Haushalt de

8

Der Haushaltsausschuß beantragt, die Einnahmen unverändert bewilligen, die Verordnung vom

zu genehmigen, die Ausgaben zu 9. März 1919 über die Erhebung

1

Tierverkehr

zu genehmigen, der Antrag der Sozialdemokraten, d

Staatsregierung zu ersuchen, mit allem Nachdruck auf die Verbesserung

ves Eisenbahnverkehrs hinzuwirken, anzunehmen, sowie einer 9 von Reiolutionen zuzustimmen, welche u.

beamten betreffen.

eisen babnverwaltung darauf hin, daß eine der wichtigsten

1EbL

aufbau unserer Wirtschaft und damit auch für die Erfüllbarkeit der Eisenbahnerwünsche treue Pflichterfüllung aller Eisenbahner ist. In dieser Erwägung ermahnt sie die Staatseisenbahner, den von unver⸗ antwortlichen Seiten an sie herangeführten Einflüsterumgen kein Gehör zu schenken, sondern im Vertrauen auf die vorstehende Erklärung der 1 Mit⸗ Anträge und förmliche Anfragen aus der

Volksvertretung nicht von dem Pfade der P beraten werdeng mehrere

Mitte der Landesversammlung.

flicht abzuweichen.

86 Von der Deutschen Volkspartei ist beantragt, die Staatsregierung zu ersuchen, dafür Sorge zu tragen, daß die vom Ministerium der öffentlichen Arbeiten verfügte Einstellung des Schnellzugsverkehrs östlich der Linie Stettin⸗Berlin⸗Dresden sofort wieder aufgehoben wird, und daß die aus Kohlen⸗ oder Betriebsmittelmangel sich als notwendig ergebenden Verkehrs⸗

einschränkungen auf das ganze Gebiet der preußisch⸗hessischen

Staatsbahnen gleichmäßig verteilt werden. Abg. Garnich (D. Vp.) begründet den Antrag.

schwerer politischer Fehler.

Deutschen Reiche verbleiben werden oder nicht. mühe sich,

eine großzügige Fürsorge aufs neue zu fesseln.

Leiden ein warmes Herz hat.

Abg. Wenke (Dem.) begründet eine förmliche Anfrage gleichen

dürfe man zwischen Westen

und Osten keinen Unterschied

8

o8† 1 RbE 298 85 ¹ Bevölkerung in den Abstimmungsgebieten nicht vperärgern.

Personenzüge sollten auch Schlafwagen einrangiert werden.

Hierauf nimmt der Minister der öffentlichen Arbeiten Deser das Wort, dessen Rede wegen verspäteten Eingangs des im Wortlaut

Stenogramms in der nächsten Nummer d. Bl. mwiedergegeben werden wird.

Abg. Mehrbof (Unabh. Soz.): Wenn die Regierung den

8

Eisenbahnkeamten und Eisenbahnarbeitern nicht das Mitbestimmungs⸗ recht verleiht, wird eine Besserung im Eisenbahnwesen nicht ein⸗ Die Art und Weise der Behandlung seitens der Eisenbahn⸗ Bezüglich des daß es das Bestreben der Beamten und Arbeiter gewesen ist, den Betrieb in vollstem Umfange aufrecht zu erhalten, und daß es erst nach der Besetzung der Stadt Es ist durchaus

treten. verwaltung fordert geradezu zu einer Kritik heraus. Eisenbahnerstreiks in Erfurt versichere ich,

Erfurt durch das Militär zum Gegeralstreik kam. deplaziert, immer über Arbeitsunlust und Streils zu reden, wenn man nicht zu gleicher Zeit den Ursachen auf den Grund geht und für Abstellung sorgen will. 8 hervorgegangen ist auf der Grundlage des gleichen geheimen und direkteu Wahlrechts allein ist noch nichts getan. Es sind von den Eisenbahnern genügend Vorschläge zur Demokratisierung der Ver⸗ waltung gemacht worden, bisher ist aber noch nichts von der Re⸗ gierung geschehen. Die Arbeitsfreudigkeit kann man nur heben, wenn man den Eisenbahnern den Einfluß auf die Verwaltung gibt, der ihnen gebührt.

Abg. Höfler (Dem.): Wir verurteilen auf das Allerent⸗

schiedenste jeden Putsch der Beamtenschaft und sind der Ansicht, daß

diese ihre Wünsche nur auf legalem Wege zu erreichen suchen muß. Solche Versuche, wie die Zwangssozialisierung der Thüringer Eisen⸗ bohnen müssen unter allen Umständen unterbleiben. Den Beamten muß selbstverständlich ein Existenzminimum in wirtschaftlicher Be⸗ ziehung gegeben werden. Der Sinn für die Allgemeinheit aber muß unter allen Umständen gewährt werden. In Ersurt ist die Beamteaschaft aufgefordert worden, sich mit den unabhängigen Arbeitern zusammenzuschließen. Das Militär ist nur infolge des Terrors der Kommunisten nach Erfurt gerufen worden. Es muß eine wahrhaft Temokratische Auslegung aller gesetzlichen Maßnahmen eintreten. Es ist ein offenes Geheimnis, daß die Verfügungen und Erlasse des Ministers häufig von den Geheimräten in ihr Gegenteil verkehrt werder. Da musß unter allen Umständen Romedur eintreten.

Abg. Paul Hoffmann (Unab. Soz.) bitter die Regierung um Maßnahmen zu einer verstärkten Fürsorge für die arbeitsunfähig gewordenen Arbeiter und ihrer Hinterbtiebenen.

9. Abg. Schubert (Soz.) fragt, was die Regierung gegen die Auflösung der Ausschüsse und Fachverbände der Eisenbahner durch die Entente im besetzten Gebiet tun werde, und wann dort der Acht⸗ stundentag zur Einführung kommen werde.

Abg. Sprenger (Z.): Wir sind in den letzten 14 Tagen nicht einmal mehr in der Lage, soviel Kartoffeln heranzuschaffen, als zur

täglichen Versorgung der Bevölkerung notwendig sind, es liegt das

hauptsächlich an dem Mangel an rollendem Eisenbahnmaterial. In den Jahren 1917/18 war die Versorgung mit Kartoffeln zwar keine glaazende, aber eine ausreichende Versorgung war doch möglich. Es wird im allgemeinen über die Gestellung des Eisenbahnmaterials getlafft. Mir persönlich ist gesagt worden, daß man für 300 Mart einen ungedeckten Wageg obne weiteres bekommen kann. Auf den verschiedensten Bahnhofcn sind eine Menge von Kartoffeln beschlag⸗

1 ) Eisenbahnverwaltung. Hierzu liegt ein umfassender schriftlicher Bericht der Abgg.

von Zuschlägen im Güter⸗ und

1 li b vꝛelch a. den Ubergang der preußischen Staatsbahnen auf das Reich, die Demokratisierung der Eisenbahnverwaltung und die Besoloungsverhültnisse der Eisenbahn⸗ be betreffen. Ferner ist folgende Entschließung vorgeschlagen: Die preußische Landesversammlung, die durchaus don dem Bestreben geleitet wird, allen berechtigten Wünschen und Ansprüchen des Per⸗ sonals der Staatseisenbahnen Rechnung zu tragen, insoweit sie erfüll⸗ bar sind und mit der allgemeinen Wohlfahrt des gesamten Volkes in Emklang stehen, weist alle Beamten und Arbeiter der Staats⸗ Und uner⸗

läßlichsten Voraussetzungen für die Volkswohlfahrt, für den Wieder⸗

nahme sei nicht nur grundsätzlich dußerst bedenklich, sondern auch ein Hier werde ein Landesteil betroffen, dem Gebdiete angehören, die sich in kurzem entscheiden sollen, ob sie beim he pe Die Regierung be⸗ bei unseren Feinden moralische Croberungen zu machen, und verabsäume darüber schwerbedrohte Volksgenossen im Osten durch rroßzu Hier stehe mehr auf dem Sbiele, als eine Ersparnis an Kohlen und Lokomotiven, man sei im Begriff, eine unverzeihliche politische Dummheit zu begehen. (Zu⸗ stimmung.) Die preußische Landesversammlung soll durch Annahme ves Antrages nicht zuletzt auch dem Osten zeigen, daß sie jfür seine

Seien schon einmal so eingreifende Maßnahmen nötig, so ij - 8 8. machen. Mon dürfe den Leuten doch das Reisen nicht ganz verbieten und die In die

Mit der Bildung einer Regierung, die

Kursschwankungen erfahren.

besteht die so schnell denen des Weltmarkis unter Berücksichtigung der Valuta⸗ verhältnisse Geschäfte entgehen lassen dem der Gesamtwirtschaft die Preise zu niedrig weit es sich um besondere Bewilligung verkaufspree durch die normiert. sören Preisfestsetzungen schnell genug den Veränderungen der Valnta olgen deutschen Auslandmarkt, hat sich gerade Anfang September wieder gezeigt, daß die Nachteile, die sich aus den Valutaschwanfmngen er⸗ geben, durch das Zusammentreffen zahtreicher in⸗ und auslein discher Verkäufer eines und da die

die Möglichkeit teilweise auf ein halbes oder ganzes Jahr hinaus zu verschließen, so v die Meßindustrien von den em

nahmt worden, die auf dem Wege des Schleichhandels erworben waren. in Oronung sein. Auf irgend eine Art und Weise muß es doch möglich sein, des Schleichhandels Herr zu werden. Es müßte auch eine einzige Ableitungsstelle für die Produktion geschaften und das Kommissionärwesen ausgeschaltet werden. Es gibt Kommisstonäre, die mit manchen Städten Verträge abgeschlossen haben, durch die sie noch eine besondere Provision erhalten. Da unsere gesamte Kartoffel⸗ versorgung in Gefahr steht und damit die Volksernährung gefährdet ist, muß die Staatsregierung ihrerseits alles tun, um einigermaßen erträgliche Verhältnisse zu schaffen.

Ministerialdirektor Pape: Zu der Maßnahme der Einstellung des Schnellzugsverkehrs im Osten hat gerade die Kartoffel den An⸗ laß gegeben. Es ist dies geschehen, um Kohlen für einen vermehrten Transport der Kartoffeln zur Verfügung zu haben. Im übrigen meine ich, daß den hier vorgebrachten Zahlen nicht eine große Be deutung beigemessen werden kann. Siec schießen weit über das Zi hinaus. Die Wagengestellung ist in Rücksicht auf die Gütertran porte auf die Hälfte eingeschränkt. Ausgenommen davon sind abe Wagen zum Transport von Lebensmitteln. In erster Linie ist allerdings der Getreidetransport von der Regierung berücksichtigt worden und erst in zweiter Linie kommt der Transport für Kartoffeln in Frage. Die Eisenbahnverwaltung ist mit allen Kräften bemüht, den Schleichhandel zu unterbinden und hat bereits erhebliche Erfolge zu verzeichnen. Wir sind jederzeit dafür dankbar, wenn einzelne Fälle zu unserer Kenntnis gelangen, um dann die Verfolgung des Betreffenden aufnehmen zu können 8 Abg. Brust (Z.): Die Eifenbahnbetriebsordn ung muß unbedingt dahin geünderrt werden, daß die Postwagen grundsätzlich nicht als Schutzwagen verwendet werden dürfen. Die Eisenbahnverwaltung

dafür forgen, daß die in Frage kommende Verordnung strikte durchgeführt wird. 4

8 Abg. Brunner (Soz.): Die Einstellung des Schnellzugver⸗ kehrs ist eine so einschneidende Maßregel, daß der Minister doch, wenn irgend möglich, wenigstens nach Schlesien, wo doch ohnehin bloß noch zwei Züge fabren, diesen Verkehr nicht gänzlich autheben sollte. Die Arbeitsleistung ist nicht bloß in den Eisenbahnwerk⸗ stäatten zurückgegangen, sondern überall. Den Arbeitern, die draußen im Felde vier Jahre lang die schweren Strapazen ertragen haben und der geregelten Arbeit entwöhnt worden sind, sollen wir es nicht allzusehr vorwerfen, wenn sie heute, wenige Monate nach ihrer Rückkehr, noch nicht wieder ihre ganze Arbeitskraft entwickeln. Das muß die Arbeiter kränken und zann sie höchstens anreizen noch weiter mit der Arbeit nachzulassen. Wir haben das Erbe des Herrn v. Breitenbach angetreten, wir haben das Elend einer jahrzehnte⸗ langen Mißwirtschaft auszumerzen und das in einer so schweren Zeit. Herr Breitenbach hat den Doktorhut und den Adel bekommen: ver⸗ dient hat er ihn nicht. Er war der typische Vertreter eines Wirt⸗ schaftssystems, das uns dem Ruin entgegengebracht hat. Er hat alles, nicht nur während des Krieges, sondern schon im Frieden, dem

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Militarismus zum Opfer gebracht, er hat aus dem Schweiß einer

halben Million Arbeiter und Beamten Gold gemacht und es dem Militarismus in den Rachen geworfen, ebenso wie schließlich das ganze Eisenbahnwesen, er hat dadurch den Krieg verlängert, er hat gus den Lokomotiven alles Kupfer herausgenommen, um Geschosse daraus 2u machen. (Große Unruhe rechts.) Hat etwa die Revolutton das Kupfer herausgerissen? Wenn ein Staatsgerichtshof die Ver⸗ längerer des Krieges vor die Schranken ziehen sollte, dann gehört Herr v. Breitenbach in die erste Reihe. (Lachen rechts.) Darüber töunen nur die lachen, die sich noch heute nicht über jene Zustände klar geworden sind, Herr v. Breitenbach ist einer der schlimmsten Baterlandsverräter (erneute große Unruhe und Zurufe rechts). Die lange Arheitszeit, die elende Entlohnung, die völlige Entrechtung, das alles hat die Eisenbahnarbeiterschaft in eine Erbitterung versetzt, die die Führer nur mit Mühe im Zaum halten tönnen. Heute sind ja die Arheiter besser daran, aber in der eigeutlichen Verwaltung herrscht noch zum teil das aite System, das Sozialdemokraten ver⸗ folgt, weil sie Sozialdemokraten sind. Der ganze komplizierte Ver⸗ waltungsapparat muß reformiert werden. Der Amtsschimmel muß flotter vorwärts gehen. Der Minister soll den Vorschlägen für zeitgemäße Reformen nachgehen. Das Pflichtbewußtsein jedes Ein⸗ zelnen muß gestärkt, die Korruption ausgerottet werden. Auch die Regelung des Mitbestimmungsrechts darf man nicht auf die lange Bank schieben.

DHierauf wird auf Antrag des Abg. Schmeddi ng (Z.) um 5 Uhr die Fortsetzung der Beratung auf Donnersta g 12 Uhr verta gt.

gandel und Gewerbe. .X“ Die deutsche Valuta hat in der letzten Zeit und

namentlich im Monat September an den neutralen Börsen wie

die nachstehende Zusammenstellung zeigt außeroroentlich starke Feat hüs e. Ceeleo nämlich vhett 88 F in: Zlrich Amsterdam Kopenhagen olim Christiania Datum Fr. Holl. Guld. Kronen Kronen Kronen 9. 258,70 12,70 1.“ LD 616 11,47 ½ 19,7 18 10,50 11 LET11616 10,07 ½ 2 15,07 5. 9. 24 10,40 17,18 9 b 11 ,25 17 ½ 28. 9. 11,75 18 ½ Es leuchtet ohne weiteres ein, daß so starke Schwankungen, wie sie

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in der vorstehenden Uebersicht zum Ausdruck kommen, das Auslands⸗

Wor allem

erschweren. Preise nicht

geschäft unserer Kaufleute außerordentlich seine

Geéfahr, daß der Kaufmann

dadurch mögllcherweise eigenen Nachteil und 1 stellt. So⸗ Waren handelt, für deren Ausfuhr eine erforderlich ist, werden teilweise Mindest⸗ Außenhandelestellen bezw. Zentralstellen Aber auch diese Institutionen werden kaum immer mit

kann und sich

muß oder zum

anpassen

können. Auf der Leipziger Mustermene, diesem größten

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entstehende Bildung in Forifall k ommen, Fabrikanten zumeist vollständig oder

und Käufer und die hierdurch Marktpreises zum erheblichen Teil auf der Messe vpertretenen

haben, ihre Produktion

nicht in Es rauß aber

von d erwähnten Vehelständen Maße wie andere Geschäftszweige betroffen.

dafür Sorge getragen werden, daß auch die ander

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Es muß auf dem Gebiete des Eisenbahnwesens etwas nicht

——,—

* 2— ,

Staatsanzeiger.

jeweils ihre Angebote den Weltmarktpreisen unter Berück⸗ sichtigung der Valutaschwankungen anpassen können, und es wird eine lohnende Aufgabe der einzelnen Verbände der ver⸗ schiedenen Industrien sein, daß sie die ihnen angeschlossenen Firmen in der erwähnten Hinsicht kräftig durch Information und Rat⸗ erteilung unterstützen. Weiter muß dafür gesorgt werden, daß auch der Handel in die Lage kommt, die Preise beim Verkauf von Waren nach dem Auslande den Weltmarktpreisen entsprechend festzusetzen. Wir dürfen un ere Güter nicht verschleudern, dürfen uns auch nicht dem Vorwurf aussetzen, Dumping zu treiben. (W. T. B.)

Die Gesellschaft für deutsche Drahtausfuhr

m. b. H. die fast alle indastriellen Exporteure von gezogenem Draht

und Drahtwaren der verschiedensten Art umfaßt, hat, wie „W. T. B.“ meldet, in ihrer jüngsten Vollversammlung mit aller Entschiedenbeit gegen die Entsendung von Delegierten des Reichskommissars nach einzelnen Gliedstaaten Einspruch erhoben, weil dadurch die einheitliche Ausfuhrregelung und das Verbandswesen schwer geschädigt werde. Feiner hat die Gesellschaft ie Beibehaltung des Ausfuhr⸗ verbots für Drart und Drahtwaren für dringend erforderlich erklärt, weil sonst der Preisschleuderei auf dem Auslandsmarkt Tür und Tor geöffnet sei.

Seitens der im Stahlbund vereinigten Erzeugergruppen wurde, wie „W. T. B.“ meldet, bei der gestern in Essen ab⸗ gehaltenen gemeinsamen Aussprache in den Kreisen der Erzeuger und Verbraucher sowie der Arbeitsgemeinschaft über die zukünftige Ge⸗ staltung der Preise für Walzeisen ein Aufschlag zu den bisher in Geltung gewesenen Preisen in Höhe von etwa 250 für Halbzeug und 300 bis 450 für die verschiedenen anderen Walzwerks⸗ erzeugnisse als notwendig bezeichnet. Während die Vertreter des Handeis und der weiterverarbeitenden Industrie die Berechtigung für eine Erhöhung in dem genannten Ausmaße anerkannten, konnte der Vertreter des Reichswirtschaftsministeriums die Genebmigung der Preisforderungen in vollem Umfange nicht ohne weite es zutagen, wenngleich er zugab, daß die bisher angestellten Erhebungen eine be⸗ trächtliche Erhöhung durchaus rechtfertigten. Das Reichswirtschafts⸗ ministerium wird in den nächsten Tagen endgültige Stellung nehmen. Inzwischen wird die Industrie vorläufig einen Preisaufschlag mit Wurkung ab 1. Oktober eintreten lassen, der sich im großen und gonzen um rund 50 unter den obengenannten Sätzen bewegt. Für neue Geschäfte sollen die Preise gleitend sein, d. h. fur die Berechnung ist der Tag der Lieferung maßgebend.

„— In der gestrigen Sitzung des Roheisenverbandes in Essen wurden, wie „W. T. B.“ bört, folgende Erböhungen beschlossen: für Hämatiteisen 162 ℳ, Geßereirobeisen 135 ℳ, Luxemburger Gießereiroheisen 151 ℳ, Siegerländer Stabeisen 112 und für Siegerländer Spiegeleisen 121 ℳ. 2 Wien, 8. Oktober. (W. T. B.) Den Blättern zufolge wir in allernächster Zeit die Einlösung der am 1. Oktober faI ig gewesenen Coupons der Staatsschulden Deutsch⸗ Oesterreichs durch Vohzugsanweisung im einzelnen geregelt werden.

Wren, 8. Oktober. (W. X. B.; Ausweis der Oesterreichisch⸗ Ungarischen Bank vom 23. September 1919. Alle Summen in Tausend Kroncn. (In Klammern: Veränderungen seit dem Stande vom 15. September 1919.) Aglagen. Metallschatz: Goldmünzen der Kronenwährung, Gold in Barren, in ausländischen und Handels⸗ münzen, das Kilo fein zu 3278 Kronen gerechnet, 260 684, Gold⸗ wechsel auf auswärtige Plätze und ausländische Noten 13 323, Silber⸗ kurant⸗ und Teilmünzen 56 695, zusammen 330 703 (Zun. 137), Ungarische Staatsnoten 36 009 (Zun. 36 009), Kassenscheine der Kriegodarlehenskasse 457 328 (Zun. 1756), Eskont. Wechsel, Warrants Effekten 4 572 288 (Abn. 6 686), Darlebven gegen Handpfand 8 863 9,2 (Abn. 12 766), Schuld der K. K. öster⸗ reichischen Staatsverwaltung 60 000, Darlebensschuld der K. K. Staatsverwaltung auf Grund besonderer Vereinbarung 22 034 000, Darlehnsschuld der K. ungarischen, Staatsverwaltung auf Grand besonderer Vereinbarung 10 920 000, Kassenscheinforderung a. d. K. K. Staatsverwaltung 1 786 013 (Abn. 35 983). Kassenschein⸗ forderung g. d. K. ungarische Staatsverwaltung 1 022 183 (Abn. 20 594). Forberungen a. d. K. K. Staatsverwaltung aus fälligen Kassenscheinen 2 697 820 (Zun. 35 983), Forderung a. d. K. ungarische Staotsverwaltung aus fällizen Kassenscheinen 1 531 511 (Zun. 20 594), Forderung g. d ungarische Staatsverwaltung (Röteregierung) 3 229 449 (Zun. 3 229 449, Effekten 54 122 (Zun. 196), Hyvpo⸗ thekardarlehen 270 212 (Abn. 1 406), andere Anlagen 1 289 937 (Abn. 966 180) Verpflichtungen. Akftienkapital 210 000, Reservefonds 42 000, Banknotenumlauf 45 203 196 (Zun. 739 518), Giroguthaben und sonstige sofort fällige Verbindlichketten 9 088 375 (Zun. 1 682 032) Pfandbriefe im Umlaufe 261 027, Kassenscheinumlauf 2 808 197 (Abn. 53 577), sonstige Verbindlichkeiten 1 542 698 (Abn. 84 4682). Steuerfreie Banknotenreserve 2 265 565 (Zun. 1 535 966). Infolge der besonderen Verhältnisse konnte der Stand einer großen Anzahl von Bankanstalten nur auf Grund älterer Ausweise aufgenommen werden.

Im Stande der Oesterreichisch⸗ungarischen Bank vom 23. Sep⸗ tember d. J. erscheint zum erstenmal unter den Aktiven der Posten von 3229 Millsonen Kronen als Forderung an die ungarische Staatsverwaltung (Rätereglerung), welcher aus Entnahmen dieser Regierung von „weißem“ und „blauem“ Gelde herrührt. Dagegen weisen unter den Passiven die Giroguthaben ein Plus von 1682 Millionen auf, welche Steigerung teilweise dadurch verursacht wurde, daß die ungarischen Staatskassen einschließlich der Postspar⸗ kasse während der Räteregierung ihre Guthaben um 1226 Millionen Kronen stärkten. Unter den Aktiven erscheinen auch 36 Millionen ungorische Staatsnoten, das sind zumeist Noten der ungarischen Post⸗ sparkasse und nur zu einem geringen Teile „weiße Rätenoten“, welche nach den Vorschriften auf em Fünftel des Nennwerts reduziert wurden. Die Steigerung des Notenumlaufs um 739 Millionen wurde hervorgerufen durch Eingang ungarischer Staatsnoten mit 36 Millionen, Entnahmen der Räteregierung mit 3229 Millionen, Kassenschelneinlösung im Betrage von 57 Millionen, Verminderung der „Sonstigen Passiven“ um 84 Millionen, dagegen verminderte sich derselbe durch Eingänge im Leihgeschäft um 19 Millionen, durch Abnahme der „Anderen Aktiven“ um 966 Millionen und durch die Vermehrung der Giroguthaben um 1682 Millionen..

Berichte von auswärtigen Wertvapkermärkteg

Wien, 8. Oktober. (W. T. B.) Die feste Stimmung der Börse hat auch heute keinen Ahbruch erlitten. Wenngleich einzelne Kulissenwerte, die in den letzten Tagen sprunghafte Steigerungen erfahren hatten, dusch Gewinnsicherstellungen gedrückt wurden, so sind doch in der Mehrzahl der Fälle in der Kulisse sowohl wie im Schranken höhere Kurse in Geltung gevlieben. Im allgemeinen war die Geschäftstätigkeit gegenüber derjenigen in den letzten Tagen ein⸗ geschränkter, da schwiertgere Versorgungsverhältnisse erwartet werden und infolgedessen die Unternehmungslust der spekulativen Kreise in Abnahme begriffen ist. Zu den bevorzugten P pieren gehörten einzelne Bankaktien, Industriepaptere sowie Sudbahnwerte. Auf dem An⸗ lagemartte zogen ungarische Renten an. Auf den Wunsch des Staats⸗ amts für Finanzen erneuerte die Börsenkammer das Verbot des freien Devisen⸗ und Valutahandels unter Androhung der Schließung

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und

ren Industrien der Boörse für den Fall der Umgehyung des Veibots.