worden. Außerdem babe ich wähvend der den Friedensvertrag als Leiter des Reichskolonialministeriums darauf hinzuwirken gesucht, daß ein besonderer Ausschuß gebildet werden möge, in dem eine ausgiebige Aussprache stattfinden sollte über alle gegen uns erhobenen Vorwürfe und Anschuldigungen. Ich habe mich bereit er⸗ klärt, mit einem Stabe von Beamten aus dem Reichskolonial⸗ ministerium und allen in Betracht kommenden Schutzgebieten persönlich zu erscheinen, um auf die Vorwürfe ausgiebig Rede und Antwort zu stehen. (Hört, hört!) Man hat es aber abgelehnt, uns irgend welche Gelegenheit zu geben, auf die gegen uns erhobenen Vorwürfe zu ant⸗ worten. (Hört, hört!) Daraus sollte die ganze Welt, insbesondere as neutrale Ausland, die nötigen Rückschlüsse auf die innere Be⸗ rechtigung und die Ernstlichkeit solcher Vorwürfe selbst herleiten. (Sehr richtig') Wenn man vor der ganzen Welt gegen ein durch tausendjaährige Vergangenheit als Kulturnation bewährtes Volk solch ungeheuerliche Vorwürfe erhebt, muß man ihm auch Gelegenheit geben, sich zu rechtfertigen. (Erneute Zustimmung.) Jemand ungehört zu verurteilen, widerspricht allen Grundsätzen der Gerechtigkeit und verstößt zugleich gegen die Grundlagen des internationalen Rechts.
Ich will aus den vielen ausländischen Stimmen, die über unsere kolonisatorische Fähigkeit laut geworden sind, nur ein einziges Zeugnis berausheben, nämlich des Amerikaners Forbis, der bereits im Jahre 1911 bei einem Vergleich zwischen deutscher und französischer Kolonial⸗ politik zu dem Ergebnis gekommen ist: von allen Schutzherren in Afrika hat der Deutsche die reinsten Hände. (Hört, hört!) Wir können hinzufügen: er hat nicht nur die reinsten Hände, sondern er hat sogar wirklich reine Hände. (Sehr gut! im Zentvum.)
Was nun die Eingeborenen in Kamerun anlangt, so war ihnen schon vor dem Kriege die Arbeitsweise der französischen Kolonial⸗ gesellschaft in dem benachbarten französischen Aequatorialafrika bekannt geworden. Was sie dann im Laufe des Krieges beim Zusammen⸗ treffen mit den Franzosen am eigenen Leibe verspürten und durch Augen⸗ und Ohrenzeugen erfuhren, hat ihre Sorge, die Deutschen möochten durch die Geschicke des Krieges gezwungen sein, ihren Besitz an die Franzosen abzutreten, nur noch verstärkt. Aus dieser tief⸗ gründigen Besorgnis der Eingeborenen Kameruns heraus erklärt es sich, daß sie an die deutsche Kolonialverwaltung das dringende Er⸗ fuchen gerichtet haben, mit ihnen gemeinsam ihr Geschick zu teilen und lieber mit ihnen unterzugehen, als in die Hände der Franzosen zu fallen. (Hört, hört!)
Meine Damen und Herren, heute möchte ich mit ganz besonderer Anerkennung und Dankbarkeit gegenüber dem Vorwurfe des fran⸗ zösischen Kolonialministers Simon die Tatsahe verzeichnen, daß wir das 1 % jährige feste Durchhalten der kleinen deutschen Streitmacht, die völlig unvorbereitet für einen Krieg mit europäischen Gegnern wor, gegenüber einer mehr als zehnfachen Uebermacht dadurch haben erzielen können, daß uns der Kern der Eingeborenen Kameruns treu geblieben ist und uns willig und tatkräftig im Kampfe gegen die anderen Gegner unterstützte. (Bravo!) Dieser tätigen Mitwirkung — und das wollen wir mit Anerkennung feststellen — ist ein der⸗ ortiger Erfolg, der als deutsche Ruhmestat in der Geschichte dastehen wird, zu verdanken. (Erneutes Bravo!) Wäre diese Hilfe unter⸗ blieben, so hätte auch eine um das vielfache größere Streitmacht sich nicht annähernd so lange im Lande halten können. Als unsere Schutztruppen dann schließlich infolge der immer stärker werdenden Uebermacht und der völligen Erschöpfung der Patronenvorräte nicht mehr in der Lage waren, standzuhalten und infolgedessen der Rück⸗ zug über die spanische Grenze unvermeidlich war, haben mehrere Hunderttausend Kameruner sich bereit gefunden, mit den Deutschen das eigene Land zu verlassen und die spanische Grenze zu über⸗ schreiten, nur um nicht gezwungen zu sein, unseren Kriegsgegnern zu dienen. (Hört, hört!) Die deutsche Schutztruppe ist, so rührend die Beweise der Treue und Anhänglichkeit, aber auch die Besorgnisse vor den Franzosen gewesen sind, nicht in der Lage gewesen, diesem Wunsche der Kameruner Ein⸗ geborenen stattzugeben. Unter dem Drucke der Not hat sie schweren Herzens die Eingeborenen darauf hingewiesen, daß nur ein verhältnis⸗ mäßig kleiner Teil mit ihnen hinüberziehen könne über die spanische Grenze. Trotz dieser Vorhaltungen und trotz aller Abmahnungen sind nach spanischer Zählung über 67 000 Eingeborene mit den Deut⸗ schen über die spanische Grenze hinübergegangen. (Hört, hört! im Zentrum.) Mehrere hundert Häuptlinge waren vorher nach Paunde geeilt und hatten gebeten, lieber mit den deutschen Schutztruppen ins Elend gehen zu dürfen, als unter der Herrschaft der Franzosen zurückzubleiben. Aber auch dann haben die Kameruner weitere Be⸗ weise ihrer Treue und Anhänglichkeit gegeben. In zahlreichen Briefen an ihre Landsleute und an ihre früheren Herren sowie an sonftige Bekannte in Spanien haben Eingeborene aus Kamerun noch in letzter Zeit zum Ausdruck gebracht, wie sehr sie den traurigen Ausgang des Krieges bedauerten und wie sehr sie es herbeisehnten, daß Deutsch⸗ land wieder Kamerun als Kolonie zurückerhielte. Sie haben in ihrer Herzensnot auch in Bittschriften, die sie an ihren neuen Schutzherrn, den König von Spanien, gerichtet haben, geradezu gefleht, daß alles eingesetzt werden möge, um Deutschland wieder in den Befitz seiner Kolonie Kamerun zu setzen. Eine dieser Bittschriften ging aus von den 117 überlebenden Häuptlingen aus Klein Bokoki; es schlossen sich dann an in getrennten Bittschriften die katholischen Christen, die Mohammedaner und schließlich auch die Soldaten. Ihre Sorge vor der Zukunft unter französischer Herrschaft war stärker als die Rücksicht auf die hiergegen erhobenen Bedenken. Wir wollen hoffen und zugleich den Wunsch aussprechen, daß ihnen aus ihrer Treue und Anhänglichkeit von den Franzosen als ihren neuen Schutzherren nicht allzu große Nachteile für ihre Zukunft erwachsen mögen. Es sind in dieser Beziehung in dankenswerter Weise sowohl von dem päpst⸗ lichen Nuntius in Madrid als auch von der spanischen Regierung auf Anregung der deutschen Verwaltung bei der Entente Schritte getan worden. Wir aber wollen an dieser Stelle mit dem Wunsche, daß den braven Kameruner Eingeborenen keine Nachteile aus ihrer Treue zu ihren bisherigen Schutzherren erwachsen mögen, zugleich den Dank für eine derart hingebende und opferwillige Tätigkeit ver⸗ binden. (Lebhafte Zustimmung im Zentrum.)
Meine Damen und Herren, lassen Sic mich zum Schlusse meiner Ausführungen noch wenige Dankesworte an alle diejenigen aussprechen, die kreu für unsere Kolonien gearbeitet haben. Ich weiß nicht, ob ich noch einmal Gelegenheit haben werde, an dieser Stelle den ver⸗ dienten Dank zum Ausdruck zu bringen, und darum möchte ich die beutige Etatsberatung hierzu verwerten. Das deutsche Volk in seinen
“ mün E
EE111“
Verhand lung über V
zugleich
Kolonialministerium und von unseren und Klang Abschied genommen würde. (Sehr wahr! im Zentrum.)
Im MVolke ist der koloniale Gedanke gerade in den letzten Jahren vor Kriegsausbruch ohne Unterschied der Parteien immer mehr durch⸗ gedrungen. Wenn wir auch den wahren Wert unserer Kolonien leider erst zu dem Zeitpunkte vollig erkannten, als wir sie verloren haben, so darf ich doch die erfreuliche Tatsache feststellen, daß das Verständnis für unsere Kolonialpelitik und Kolonialwirtschaft in stetig wachsendem Umfange die breitesten Schichten der Bevölkerung, alle Schichten und Erwerbsgruppen erfüllt hat, und daß die Ueberzeugung von der Not⸗ wendigkeit kolonialer Betätigung für unsere nationale und wirtschaft⸗ liche Weiterentwicklung Gemeingut des deutschen Volkes geworden ist. Meine Damen und Herren, so lassen Sie mich denn an erster Stelle — ich glaube sagen zu dürfen, im Namen des ganzen Volkes — unserer bewährten und trefflichen Schutztruppe danken (lebhafte Zustimmung), den herzlichen Dank aussprechen allen Offizieren und Mannschaften unserer Schutztruppe, die in treuer Hingebung für ihr deutsches Vater⸗ land, für Kolonie und Heimat gestritten und gelitten haben. (Bravo!) Des Vaterlands treues Angedenken bleibt vornehmilch unauslöschlich gesichert all' den wackeren Helden, die fern von der Heimat auf dfri⸗ kanischer Erde jetzt der kühle Rasen deckt. Meine Damen und Herren, wenn ich meinen Dank an die Schutztruppe ausspreche, so möchte ich damit verknüpfen die Dankesbezeugung an alle früheren und gegen⸗ wärtigen Mitglieder der Kolonialverwaltung in der Zentrale und auch in den Schutzgebieten für ihre rastlose und erfolgroiche Arbeit. (Bravo!) Weiter gebührt der Dank des qanzen deutschen Volkes, also namentlich guch der deutschen Nationalversammlung, den Farmern, den Kaufleuten, den Pflanzern und den Missionaren für ihre treue kulturelle und zivili⸗ sotorische Pionierarbeit. (Lebhafte Zustimmung.) Endlich, an letzter aber nicht an unwichtigster Stelle, danke ich allen Eingeborenen der Schutztruppe für ihre Tüchtigkeit und für ihr krafwwolles Mitarbeiten im Kriege (Braro!), für ihr vertrauensvolles Zusammenarbeiten mit der deutschen Verwaltung an dem gemeinschaftlichen Ziele der Er⸗ schließung und der kulturellen Entwicklung der Schutzgebiete. (Brevo!)
NKeine Herren und Damen, mit dieser Danksagung glaubs ich die zuversi htliche Hoffnung verbinden zu sollen, daß die deutsche Kulturarbeit in Afrika, in der Südsee und in den übrigen Schutz⸗ gebieten nicht vernichtet, sondern für die spätesten Zeiten erhalten wird. Die Eingeborenen in unseren Schutzgebäeten werden uns nicht vergessen, und wir werden auch ihnen ein dankbares Erinnern be⸗ wahren. (Bravo! im Zentrum.) Der koloniale Gedanke aber — und das sei das letzte Vermächtnis des Kolonialministers an das deutsche Volk — muß uns wach erhalten bleiben. Wenmmn wir auch zurzeit unsere Kolonien verloren haben, den kolonialen Gedanken dürfen wir nicht ersterben lassen. (Beifall im Zentrum.) Ich spreche darum die Hoffnung aus, daß dieser koloniale Gedanke sich weiter⸗ pflanzen möge von Ort zu Ort, von Geschlecht zu Geschlecht. Zur Durnhführung des kolonialen Gedankens müssen alle Stände und Schichten der Bevölkerung zielbewßt mitwirken, an erster Stelle aber die kolonialen Gesellschaften, die sich mit anerkennenawertem Be⸗ mühen und Erfolg die Koloniglarbeit angelegen sein ließen.
Wir wollen hoffen, daß die Zeit nicht fern ist, wo im friedlichen Austausch der Gedanken eine Revision des Friedensvertrages erfolgen wird. Einer der Herren Redner hat gestern dem Gedanken Ausdruck gegeben, daß wir getreu und loyal den Friedensvertrag erfüllen werden, soweit das irgendwie in unseren Kräften steht. Ich unterschreibe und unterstreiche das gern. Aber zugleich darf ich als Leiter des Kolonial⸗ ministeriums doch daran den Wunsch und auch die Hoffnung knüpfen, daß eine friedliche Auseinandersetzung zu einer Revision des Friedens⸗ vertrages auch in bezug auf unsere Kolonien führen werde.
Denn, meine Damen und Herren, — das sei der Schlußgedanke meiner Ausführungen — soll der Völkerbund die Gewähr dauernden Bestandes in sich tragen und an Stelle des völkerzerfleischenden Welt⸗ krieges der von allen Menschenfreunden ersehnte Weltfriede treten, dann dürfen wir mit gesundem Optimismus trotz der entsetzlichen Er⸗ fahrungen der Vergangenheit von dem hoffentlich nahen Zeitpunkte, wo beim Wiedererwachen des Weltgewissens Haß und Verblendung der Vernunft und Gerechtigkeit weichen müssen, im Wege friedlicher Verständigung eine gerechte Erfüllung unseres berechtigten Anspruches auf tätige Mitwirkung an der zivilisatorischen und kolonisatorischen Arbeit der Kulturnationen und auf Wiederherstellung deuschen Kolonialbesitzes erwarten. (Lebhafter Beifall im Zentrum.)
Abg. Dr. Böhmert (Dem.): Mit Genugtuung begrüßen wir, daß das längst erwartete kolonialdeutsche Entschadigungsgesetz endlich erscheint und hoffentlich auch allen berechtigten Erwartungen ent⸗ sprechen wird. Das Kolonialministerium sollte nicht nur die Vor⸗ bereitungen der Abwicklung dieser Entschädigungen, sondern auch die ganze Abwicklung übernehmen, denn befriedigend kann diese Aufgabe mur von ihm gelöst werden. Dabei werden auch die Kolonialbeamten noch weitere Verwendu finden können. Die Kolonialdeutschen wünschen aber auch eine ba dig
te vvb und tunlichst schnelle Abwicklung. Sie haben schon einmal ein Deutschland jenseits des Meeres aufgebaut, sie
gehen auch jetzt wieder an die Arbeit, wenn nicht auf eigenem deutschen Kolonsalboden, dann jenseits desselben. im Einklang mit den Empfindungen der überwältigenden Mehrheit bedauern wir, daß wir heute, formell wenigstens, von unseren Kolonien Abschied nehmen müssen. Den Worten des Dankes, die der Minister der Schutztruppe, den Beamten und denjenigen, die dort Pionierarbeit für deutsche Kultur geleistet haben, gewidmet bat, schließe ich mich völlig an. (Beifall.) Wenn wir aber auch darauf verzichten müssen, unsere Kolonien als ein Stück unseres Vaterlandes zu betrachten, so liegt doch zu dem Pessimismus des Ministers kein Anlaß vor. Wir welen damit keineswegs auf ein unveräußerliches Recht verzichten, diese uns so vertrauten und ans Herz gewachsenen Gebiete auch in Zukunft mit unserem Geist und unserer Arbeit zu befruchten. Der Völkerbund kann niemand anders das Mandat für sie übertragen als gerade uns; kein anderes Land wird diese Arbeit so gut bihe als wir. Die Bemerkungen des französischen Kolonialministers sind hoffentlich vor⸗ übergehendem Unmut entsprungen und werden besserer Einsicht weichen. Auf die großen Erfolge unserer Kulturarbeit hat schon der Minister hingewiesen. In unseren Kolonien werden sich auch die Angehörigen anderer Nationen stets frei und wohl gefühlt haben. An unserem klaren Recht, in unsere Kolonialrechte wieder eingesetzt zu werden, halten wir mit allem Nachdruck fest. Wollen unsere Feinde dem wahren Weltfrieden dienen, so dürfen sie nicht Lebensinteressen unseres Volkes verletzen, und solche liegen in unseren Kolonien. Kein großes Volk kann sich auf die Dauer vom freien Meere und von der Betätigung in Kolonien abschneiden lassen. Wir werden jedenfalls unsere Arbeit aufnehmen in der Hossnung und sicheren Erwartung, daß diese Arbeit trotz ihrer Schwierigkeit Früchte tragen wird, getreu dem Worte aus den grauen Tagen des Mittelalters: Navigare necesse, vivere non est necesse. Wefall. 1 Abg. Laverrenz (D. Nat.): Ich danke dem Herrn Minister för die anerkermenden Worte, die er unseren Koloniolbeamten gezollt hat. Wir neofn in br auf büe⸗ Selx Feomeltärget 8 Vergleich aushalten. — Die Abwicklungsgeschafte hutzgebi werden permutlich länoere Zeit begnspruchen. 1“
et
Frage, in welcher Weis⸗ kunft der Kolonialbeamten sichergesten werden soll. Wie ich gehört habe, ist eine Zentralstelle hierfür ben Reichsamt des Innern geschaffen worden; die Entschädigung de Kolonialdeutschen soll dem neu errichteten Ministerium des Wiede aufbaus übertragen werden. Diese Frage kann nur von genauen Kenne der Verhältnisse in den Kolonien erschöpfend und fruchtbringend g
werden. Das Reich muß einen erheblichen Aufwand dafür mache um den Abstrom der Auswanderer sachgemäß zu erfassen, damit di Deutschen dem Reich möglichst erhalten bleiben. Gerade diese Aul
9
wanderer müssen von Kennern des Auslandes beraten werden. Des
halb wäre es besser gewesen, diese Beratungsstelle nicht beim Reiche amt des Innern, sondern in irgend einer Form im Auswärtigen Aw. zu errichten. — Wird das angekündigte Gesetz zur Abfindung ig Kolonialbeamten der Nationalversammlung bald zugehens — Went auch der Minister sich als letzten Kolonialminister auf absehbare 3e⸗ hinaus bezeichnete, so hoffen wir doch, daß früher oder später wiee
das Banner des Deutschen Reiches über Kolonien wehen wird. (Be. Au
fall rechts.)
Dr. Bell, Reichskfolonialminister: Meine Damen und Herren Beiden Herren Vorrednern bin ich für ihre Ausführungen dankher und ich danke ihnen ganz besonders auch einmal für das grofß. Interesse, das sie den Beamten des Kolonialministeriums gewidwe haben, und dann für ihre optimistischen Hoffnungen auf Deutschland koloniale Zukunft.
Was die Kolonialbeamten anlangt, so möchte ich zur Beseitigun aufgetretener Beunruhigungen noch einmal mit allem Nachdru betonen, daß das Reichskolonialministerium alles daran setzen wiet um die Beamten in anderen geeigneten Reichsstellen unterzubringe Es ist von mir zu diesem Zweck ein Zirkular an alle beteiligte Reichsbehörden gerichtet worden, des Inhalts, daß es die Ehrenpfligh des Reichs sei, gerade die Reichskolonialbeamten in erster Linie he Neubesetzung von Stellen zu berücksichtigen. Weiter wird an die einzelme Beamten das Ersuchen gerichtet, ihre Wünsche bezüglich anderweitige Anstellung im Reichsdienst anzugeben und insbesondere zu vermerken bei welcher Stelle sie nach ihren Fähigkeiten und ihren praktischen Erfahrungen untergebracht zu werden wünschen. Ich hoffe, daß auf diese Weise möglich sein wird, einen beträchtlichen Teil der he währten Beamtenschaft des Reichskolonialministeriums anderwein unterzubringen. Das gilt namentlich auch von den neu zu errichtenden Stellen, insbesondere dem Abwanderungsamt und dem neue Ministerium für den Wiederaufbau Nordfrankreichs. Bereits ir Hauptausschusse habe ich darauf hingewiesen, daß sofort nach richtung des Ministeriums für den Wiederaufbau Nordfrankreich und nach der Amtsernennung des neuen Ministers ich mich mit ihm diesem Zwecke in Verbindung setzen werde. In welcher Weise dan
die Ausführung des Gesetzes über die Kolonialdeutschen erfolgen solgt
darüber werde ich mich mit ihm zu verständigen suchen.
Wenn der Herr Vorredner weiter die Frage gestellt hat, ob aut beabsichtigt sei, ein Gesetz für die Schadloshaltung derjenige Beamten einzubringen, die trotz dieser Bemühungen nicht anderweit
bei Reichsstellen oder in sonstiger Weise untergebracht werden könnten
so kann ich ihm erklären, daß ein derartiges Gesetz in Vorbereitun ist. Eine Uebereinstimmung über den Inhalt ist in manch⸗ schwierigen Punkten bisher noch nicht vollständig erzielt worden, abe es wird die Aufgabe des Reichskolonialministeriums sein, so schleun als möglich auch dieses Gesetz einzubringen.
Schließlich haben die beiden Herren Vorredner übereinstimmen
eine Auffassung über die koloniale Zukunft Deutschlands zum Au druck gebracht, über die ich mich von Herzen gefreut habe. Ich hoft daß alle Stände und alle Schichten der deutschen Bevölkerung dam beitragen mögen, um so schleunig als möglich diesen Optimismus verwirklichen. (Bravo!)
Abg. Beuermann (D. Vp): Mitt diesem letzten deutsch Kolonicletat ziehen wir wieder einmal die Fahne nieder. Diese Ve⸗ gewaltigung wird auch von der Deutschen Volkspartei mit tiese Schmerz empfunden. Wir vrotestieren noch einmal vor aller Welt i Namen des Weltgewissens und der Gerechtigkeit gegen diese Niede drückung des im Kulturleben der Welt voranstehenden Deutschlang⸗
Wir glauben niemals, daß man uns Deutsche dauernd von dem Kultut
fortschritt in aller Welt wird abhalten können. Aber wenn auch urse Proteste hier verhallen, verwehen werden nicht die Spuren, die deutsch Geist und deutsche Tatknvaft in unseren Kolonien hinterlassen habe verwehen werden auch nicht die Gedanken an den Heldenkampf dos draußen von den Unserigen Schulter an Schulter mit den E⸗
orenen vier Jahre long geführt worden ist. Wir von der Deutsch⸗ Volkspartei legen heute im Geiste Kränze nieder an den Gräbe unserer dort gefallenen Helden, der Unmündigen und der unglücklich Frauen, die dort hingeschlachtet oder gestorben sind. Wir sind üb⸗ zeugt, daß diese unsere Vergewaltigung nicht wig sein kann, 1 ZHäauben vielmehr, daß wir selbst noch unsere Fahnen wieder frei wess fehen werden in neuen Kolonien, die uns dann doppelt wert sein werde
(Beifall rechts.)
Abg. Henke (U. Soz.): Es ist nur Heuchelei und Profitsuch
wenn das Entente⸗Kapital dem deutschen Kapital verwehren will, kolonisieren. Wir sind immer Feinde der Kolonialpolitik gewesen, al der des Auslands. Nur die Profitsucht des Kapitals treibt Kolom⸗ politik. An schönen Redensarten, die Absichten zu drapieren, hat allerdings nie gefehlt. Wenn der Minister im Namen der nationaf Ehre gegen Kolvnialvaub protestiert, so sind wir mit ihm nicht ein Meinung. Nationale Ehre ist ein unbestimmter Begriff. mit dem größten Verbrechen begangen sind. (Sehr wahr! den U. Sh Zur Schadloshaltung der Kolonialdeutschen werden wir Stell. nehmen, wenn der Gesetzentwurf vorliegt. Nichts hat so sehr 8f kolorialen Gedanken in den Arbeitern Abbruch getan, als dieser Kri der mur eine Fortsetzung der Kolonialpolitik mit noch grausamen Mitteln war. Der koloniale Gedanke ist ein unfruchtbarer und s licher Gedanke gewesen. Die italienischen Arbeiter sind durch ih Erfahrung von diesem Gedanken befreit. Dem Imperialismus
der kapitalistischen Weltanschauung in allen Ländem muß ein Eß gemacht werden. Zivilisation kann nicht die kapitalistisch Koloni politik, sondern nur der Sozalismus den Eing. bringen. (B. fall bei den U. Soz.) 8
Reichskolonialminister Dr. Bell: Meine Damen und Herr Sie werden gewiß von mir nicht erwarten (Rufe bei den U. Se Nein! nein!), daß ich dem Herrn Vörredner auf alle seine A führungen, die eine würdige Fortsetzung seiner gestrigen Rede bedeut⸗ antworte. (Sehr richtig!) Der Herr Vorredner hat offenbar”
deutsches Parlament mit irgen deinem parlamentarischen Versamm lun
ort im Auslande für seine Ergüsse verwechselt. (Sehr gut!)
Nur auf einen Punkt will ich ihm antworten. Ich ha vorhin geglaubt, sagen zu dürfen, daß alle Parteien dieses hol Hauses einig seien in der Verurteilung der Gründe, die . Raube unserer Kolonien geführt hätten, und daß deswer das Haus vom Standpunkte der nationalen Ehre aus Prot einlegen müsse gegen diese Begründung unserer Vergewaltigu Nach den Ausführungen des Herrn Vorredners, der erklärt hat, .
(Fortsetzung in der Zweiten Beilage.)
8
(Fortsetzung aus der Ersten Beilage.) .
nationale Ehre eine Redensart sei, und daß er sich und seine Partei⸗ freunde von diesem Protest ausnehme, muß ich meine Erklärung dahin einschränken, daß alle Parteien in diesem hohen Hause, die noch Verständnis für nationale Ehre haben, in diesem Punkte einig sind⸗ (Lebhafter Beifall.)
Der Kolonialetat wird darauf in zweiter Lesung be⸗ willigt.
Es folgt der Haushalt für die Reich⸗Post⸗ und Telegraphenverwaltung.
Abg. Delius empfiehlt als Berichterstatter des Ausschusses un⸗ veränderte Annahme dieses Etats. b
Bei den Eünnahmen ist die Einführung des 1 kg⸗Pakets bis 1. Januar 1920 wiederholt gefordert worden; die Verwaltung wird mit
2
dem Postbeirat Beratungen plegen, wie diese Einrichtung am zweck⸗
mäßigsten durchgeführt werden kann. Für bessere, wirklich gute neue
Briefmarken wird die Verwaltung es an Bmühungen nicht fehlen lassen. Soweit angängig, soll bei dem Uebergang der bayerischen und württembergischen Postverwaltung an das Reich diesen Verwaltungen möglichste Selbständigkeit gelassen werden. Die Besoldungsreform wird vorbereitet. Die weiblichen Hilfskräfte sollen nach und nach ent⸗ lassen werden, doch sind für Kriegerfrauen Ausnahmen vorgesehen. An Entschädigungen für Velluste an Postpaketen wird die Verwaltung in diesem Jahre 10 ¼ Millionen Mark zu zahlen haben. Die Ver⸗ waltung hat zugesagt, sich für die Gewinnung von militärischen Dienst⸗ gebäuden, soweit solche noch disponibel seien, für ihre Zwecke zu ver⸗ wenden. Ueber die Pünktlichkeit im Betriebe dieser Verwaltung ist diesmal nur gedämpftes Lob laut geworden; doch 8 man anerkannt, daß trotz der großen Schwierigkeiten aller Verhältnisse die Verwaltung im großen und ganzen intakt geblieben ist. Abg. Taubadel (Soz.): Zum letzten Mal dürften wir es diesmal neben dem Etat für die Reichspostverwaltung noch mit einem besonderen bayerischen und württembergischen Posthaushalt zu tun haben. Bald wird ein einheitliches deutsches Postwesen vorhanden sein. Wir Sozialdemokraten bedauern außerordentlich, daß haute dieser Betrieb nicht mehr mit der Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit wie vor dem Kriege arbeitet. Nicht mit einem Schlage kann es wieder besser werden. Es gibt aber auch eine Reihe bedaverlicher scheinungen im Reichspostbetriebe, die mit diesen Schwierigkeiten nichts zu tun haben, so die Diebstähle und Beraubungen von Paketen, wofür die Entschädigungssumme wieder erhöht werden muß. Im Publikum ist das Vertrauen in diese Institution durch diese Erscheinungen sehr stark erschüttert. An der Beseitigung der jetzigenz Aißstände sollte auch der Verkehrsbeirat mitwirken. Die frühere Reberschußwirtschaft haben wir nicht gebilligt, aber der Postbetrieb darf auch nicht dauernd Zuschüsse erfordern. Um die Rentabilität zu sichern, muß der ganze Gctrieb vereinfacht und verbälligt werden. Die Leitung muß nach kaufmännischen Grundsätzen erfolgen. Auch bei der Personasreform wird das zu berücksichtigen sein. Die technischen Veruche zur Ver⸗ einfachung des Fernsprechwesens sollen zu den kühnsten Hoffnungen be⸗ vechtigen. Die Verwaltung muß sie ernstlich weiter verfolgen. Im internationalen Nachrichtenverkehr muß die Selbstämdiokeit Deutsch⸗ lands sichercestellt werden. Die Privat⸗Telephongefellschaften sollten ouf das Reich übernommen werden. Die Aufschrift „Kaiserliches Post⸗ amt“ muß endlich verschwinden, der Mißbrauch der Gebühronfreibei aufbören. Bei der Entlassung von Aushilfskräften muß die Ver⸗ waltung schonend vorcehen und Verheiratete, Kriegsveretzte und lange Zeit hindurch beschäftiate Aushilfskräfte möglichst in feste Beamten⸗ stellen übernehmen. Die Postagenten müssen höhere Vergütungen erballen. Ueber die Beschäftiaung der Frauen im Postdienst erbitten wir eine Denkschift der Verwaltunc, damit das Haus Stellune mehmen kann. Die bevorstehende Personalreform muß im Geiste der neuen Zeit gehalten sein. Präösident Dr. Fehrenbach: Der Reichsvostminister läßt mit⸗ tailen daß er ar der Foilnabme an der heuticgen Sizung verhindert ist Abg. Nacken (Zentr.): Es ist vielfach bemängelt worden, daß nicht immer nur Fachleute in die verantwortlichen Stelle⸗ berufen würden. Daß das nicht nötig ist, ersehen wir am besten aus dem Beisviel des Herrn v. Podbielski, der als⸗ Postminister eine sehr fruchthare Tätiakeit entfaltet ket Das vertrauensvolle Verhältnis zwischen der Verwaltung und den Be⸗ amten muß wieder hergestellt werden. Das wird nur möglich sein, wenn die Organisationen an dieser Aufgabe mitwirken. Mit den er⸗ böhten Gebühren werden wir uns angesichts der Fnanzlage abfinden. Daß sich die Arbeitsfreudigkeit der Angestellten hebt, dazu wird das beste Mittel sein die Neugestaltung der Personal⸗ und Besoldungs⸗ ordnung. Es wird erforderlich sein, daß eine Reform des gesamten Postwesens eintritt. Die Beiträge für Wohmetngshauten im Haushalt sind nicht genügend. Die Verwaltung sollte selbst mehr Wohnhäuser bauen als bisher, Auch die Gewährung von Land an Beamte wird sie in Betracht ziehen müssen. Jeder Luxus bei den Bauten ist natürlich zu vermeiden. Zur Beschleunigung unseres Paketwverkehrs wird man sich wie in Berlin und einigen anderen großen Städten im vermehrten Umfarge der Straßenbahn bedienen können. Weshalb ist die größere Postkarte noch nicht eingeführt? In Weimar wurde ihr baldiges Er⸗ scheinen zugesichert, aber gesehen haben wir sie noch nicht. Bezüglich des Postschecverkehrs glaute ich, daß er sich in aufsteigender Linie be⸗ wegt, zumal es die Reichspostverwaltung nicht an Propaganda fehlen lassen wird. Die Beamtenfrage will ich zwar nicht anschneiden, kann mir aber nicht versagen, auf die Besoldungsfrage der Postagenten hin⸗ zuweisen. Ihr Gehalt beträgt jährlich 500 bis 1200 ℳ, wobei für die Stunde 50 bis 60 ₰ herauskommen einschließlich der Unkosten. Die Denstunkosten muß die Verwaltung übernehmen.
1 Ein Wunsch der Postagenten geht dahin, am Sonntag mehr freie Zeit zu, bekommen. Eine laufende Teuerungszulage müßte auch den Postagenten gewährt werden; diejenige der Beamten beträgt 100 bis 150 % mehr. Ferner ist wünschenswert, daß die Postwagen in den Eisenbahnzügen nicht immer als Schutzwagen binter die Lokomotive kommen. Dadurch sind in letzter Zeit größere Unglücksfälle von Postbeamten passiert. Auch die Postverwaltung muß großzügig sein, damit auch sie an dem Aufbau des deutschen Vaterlandes mitarbeitet. Der Reichspostminister Giesbert hat es verstanden, sich die Zuneigung des Personals zu er⸗ werben. Ich will hoffen, daß es ihm gelingen wird, die Reichspost auf ihre frühere Höhe hinaufzuführen. Ich vertraue darauf, daß die Be⸗ amtenschaft zur Mitarbeit bereit ist. Sie kanm versichert sein, daß wir mit bestem Willen an die Lösung der Besoldungsreform heran⸗ gehen, sie hat eine Recht auf eine gesteigerte Fürsorge und Besserung ehrer Lebenslace. Von dieser Notwendigeeit ist meine Fraktion durch⸗ drungen üund stellt ihre Mitarbeit zur Verfügung. (Allseitiger Beifall.) Präsident Fehrenbach⸗Der Postetat soll heute noch zu Ende geführt werden. Das ist absolut notwendig, damit wir unser Pensum rechtzeitig erledigen können, da heute in 14 Tagen unsere Pause be⸗ ginnen soll. Weiter mache ich darauf aufmerksam, daß bereits 7 Mo⸗ nate, für die dieser Etat gilt, vorüher sind, und daß in wenicen Wochen neue Etat beraten werden wird, bei welcher Gelegenheit Sie alle Ihre Wünsche eingehend vorbringen können. Abg. Pfeiffer (Zentr.): Da es nicht möglich ist, an kurze An⸗ fragen eine Debatte zu knüpfen, so muß ich bei dieser Gelegenheit auf eine alte Anfrage
2
des Abgeordneten Dr. Rießer zurückgeifen, die sich
mit den Nationalversammlungs⸗Erinnerungsmarken beschäftigte. M
Verlin, Montag, den 13
„»vVéðéxV——
DOktober
dem Abgeordneien Heine und Nuschke hazte ich die Ehre, dem Preis⸗ lichterkollegium anzugehören. Ich bedaure berzlich, daß Herr Dr. Rießer so wenig Verständnis für die künstlerische Gestaltung der Wertzeichen bekundet; wenn man so tut am grünen Holz, was soll am dürren werden? Man soll doch dem Vorke den künstlerischen Geschmack auf einfachste Weise beibringen. Ich stelle fest, daß auf der einen Marke ein Eichbaum dargestellt ist, auf der anderen ein Achrenfeld. Es ist absolut vom künstlerischen Swvandpunkt aus zulässig, dahß man in der Farbengebung sich freimacht von den Farben der Natur. Herr Dr. Rießer irrt sich aber, wenn er von einem blauen Aehrenfelde spricht. Er scheint farbendlind zu sein. Jemand meinte, daß dee Figur auf der, Fünfundzwanzigpfennigmarke den Kellner aus dem schwarzen Walfisch von Askalon mit der Rechnung auf zwölf Ziegelsteinen dar⸗ stelle. (Große Heiterkeit.) Hätten Sie die Konkurrenz gesehen, die im Postmuseum ausgestellt gewesen ist, ich hötte Sie vor einem Schlaganfall nicht schützen können, man sah Ebert, Schiller und Goethe in Weimart, Landschaftsbilder und alles Sonstige, was auf Postwertzeichen nicht gehört. Wir seben da (Redner legt eine Samm⸗ lung von Entwürfen auf den Tisch des Hauses, um den sich alsbald alle im Saale befindlichen Abgeordneten, etwa 20, drängen) auf dem einen Entwurf einen Mann, der große Aehnlichkeit mit einer Blut⸗ zurst hat. (Heiterkeit und Zuruf: Das wäre das richtige Motiv!) Auf einem anderen Entwurf den Sternenhimmel und eine Frau, wobei man nicht erraten kann, ob die Frau von den Sternen befruchtet werden soll, oder ob sie ihn geboren hat. Jedenfalls hat die Konkurrenz be⸗ wiesen, daß es schwer ist, allen Leuten gerecht zu werden, und daß sich über den Geschmock nicht streiten Läßt. Für die Mitglieder des Hauses, die dem Preisvichter⸗Kollegium angehört haben, nehme ich in Anspruch, daß sie nach bestem künstlerischen Gefühl gehandelt haben. Wenn keine Kenkurrenz veranstaltet und nur ein Künstler beauftragt worden wäre, wir hätten einen Sturm der Entrüstung erlebt über Mißwirtschaft und Protektion. Der Künstler könnte bis dahin der Tüchtioste gewesen sein, in den Augen aller anderen wäre er von da ab ein Riesentrottel ge⸗ wesen. Deshalb halie ich es auch künftig für den richtigen Weg, dine Kon⸗ kurrenz auszuschreiben. Wenn bemängelt wird, daß die Briefmarke mit der Germania weiter ausgegeben wird, so läßt es sich nicht anders machen; denn die Nationalversammlungsmarke hat nur Inlandswert. „Unterstaatssekretär Teucke: Der Reichspostminister bedauert auf das lebhafteste, durch eine dringende Reise verhindert zu sein, hier zu den verschiedenen Anregungen Stellung zu nehmen. Die vielen Beschwerden über den Postbetrieb sind zum größten Teil auf das Ver⸗ kehrselend zurückzuführen. Das notwendige Material, insbesondere auch die Apparate, können nicht beschafft werden. Leider müssen wir eingestellt, wenn auch vielleicht nicht genücend Beamtenpersonal. Es ist natürlich, daß wir mit den nicht geschulten Hilfskräften nicht das leisten können, was ein altes Boamtentum leistet. Leiber müssen wir jetzt noch ein Drittel unseres Personals gus Aushilfskräften zusammen⸗ setzen. Sicherlich sind diese bemüht, Gutes zu leisten. Sie werden aber doch nie an die Leistungen unserer Beamtenschaft heronreichen. Dabei kommt beim Hilfspersonal immer wieder ein starker Wechsel vor. Die aus der Kriegszeit noch vorhandenen weiblichen und jugend⸗ lichen Hilfskräfte werden immer mehr zugunsten der Einstellung von Kriegsbeschädigten aus den Dienststellen entfernt. Es sind alle Maß⸗ nahmen getroffen zur Reinhaltung unseres Personals von unsauberen Elementen. Die Beraubungen finden meist auf den Bahnhöfen statt, die nicht ganz verhindert werden können, trotzdem wir polizeiliche Hilfe in Anspruch nehmen. Bei der Bezahlung unserer Hilfskräfte sind wir bemüht, die Entlohnung in Einklang zu bringen mit den Lohn⸗ sätzen, die für gleiche Arbeiten von anderen Verwaltungen, namentlich der Eisenbahn, gezahlt werden. Die Lohnsätze für Hilfskräfte über⸗ steigen oft das Gehalt alter Beamten, auch solcher, die schon 20 Jahre im Dienst sind. (Hört, hört!) Daß da die einmalige Beschaffungs⸗ beihilfe für das nicht boamtete Personal etwas niedriger bemessen wird, ist durchaus berechtigt. Für die Postagenten sind im neuen Etat höhere Sätze eingestellt. Mit der Eisenbahnverwaltung schweben Verhandlungen, Schutzwagen nur im äußersten Falle als Postwagen zu gebrauchen. Die Entsernung der Inschrift „Kaiserliches Postamt“ läßt sich nicht so schnell durchführen, vielfach müssen neue Schilder beschafft werden, die aber nicht so schnell hergestellt werden können. Die nötigen Anordnungen sind aber ergangen. Die Bestimmungen über den neuen Verkehrsbeirat werden zurzeit ausgearbetet. Der Funkenbetrieb wird nach Möglichkeit gefördert, um ihn für Post und Telegraphie nutzbar zu machen. Die Telegraphenleitungen kann er aber niemals ersetzen, weil das Telegrammgeheimnis nicht genügend gewahrt werden könnte. Abg. Delius⸗(Dem.): Die Reichspost hat sich während des Krieges aus einer Ueberschuß⸗ in eine Defizitverwaltung verwandelt. Die Beamten der Verwaltung, die während des Krieges ihre ganze Kraft in den Dienst der Allgemeinheit gestellt haben, verdienen unsern Dank. Die Bemühungen der Verwaltung, die Einnahmen zu erhöhen, haben zur Verdreisachung des Preises für die Postkarte, zur Ver⸗ doppelung des Briefportos und zu einer stark erhöhten Gebühr für die Telegramme und für das Fernsprechwesen geführt. Der letzteren Erhöhung haben wir nur mit Widerstreben zugestimmt, und jetzt müssen wir die Wahrnehmung machen, daß die Beförderung eher noch mangel⸗ hafter und schleppender als vorher geworden ist. Dabei kommt bei der Absendung dringender Telegramme die Gobühr auf das Sechsfache gegenüber dem Frriedenssatze zu stehen. Auf dem Wege der Postordnung ist außerdem eine Reihe neuer Gebühren eingeführt worden. Eine wesentliche Vereinfachung des Betriebes ist dadurch eingetreten, daß man das Porto und die Bestellgebühr vereinigt hat. Damit sind auch beträchtliche Ersparnisse verbunden. Wir brauchen aber noch weitere Vereinfachungen im Postbetriebe. Dazu ist nötig, daß man Ferfahrene Männer aus der Geschaftspraxis zu Rate zieht; der Postbeipat ist dafür ganz die richtige Stelle. Notwendig ist auch eine Verminderung des Schreibwerkes; eine Menge unnötiger Statistiken wird immer noch im Bereich der Postverwaltung aufgestellt. Mehr als bisher muß die Postverwaltung die modernen Verkehrsmittel, den Fernsprecher
9 — * und die Schreibmaschine, benutzen. Die technischen Hilfsmittel lassen sich ebenfalls noch viel mehr ausnutzen, so die städtischen Straßen⸗ bahnen; damit werden sehr erhebliche Ersparnisse ermöglicht. 8 Line
Autopostbetrieb sollte so weit wie möglich ausgedehnt werden.
weitere Verschlechterung der Verkehrseinrichtungen, die wahrhaftig
genug sind, können wir nicht mehr ertragen. Gewiß hat eine arge Verschlechterung des Materials stattgefunden. Aber die ganz bedeutende Steigerung des Verkehrs, wie sie speziell in Berlin eingetreten ist, macht in großem Umfange Umgestaltungen erforderlich. Die Arbeitsun’ust im Personal muß nachdrücklich bekämpft werden. Bei den Telephonämtern ist die Aufsicht zu verschärfen; das Verkehrs⸗ elend bei diesen Aemtern macht solch Ausnahmemaßregeln unvenmeid⸗ lich. Widerstrebende Elemente sind ohne weiteres aus dem Dienste zu entlassen. Die Abtragung der Telegramme wird vielfach 98 ordentlich verzögert; da soll man den Fernsprecher im weitestem Um⸗ fange zur Aushilfe heranziehen. Die Postsendungen werden jetzt in großen Massen fehlgeleitet; das Kiegt an dem großen Mangel an geschultem Personal, an der Masse der Aushilfskräfte, die fast die Hälfte der Kopfzahl des gesamten Personals ausmacht. Freilich trägt das Publikum selbst durch Nacklässigkeit bei der Adressierung der Pakete die Schuld an der Unanbringlichkeit. Wohl in allen Städten ist eine Verschlechterung der Briesbestellung zu konstatieren; überallhin sollie mindestens eine viermalige Bestellung täglich stattfinden; desgleichen ist die Leerung der Briefkästen häufiger vorzunehmen. Die deutsche uftreederei hat seit dem 5. Februar die erste Luftpost von Berlin nach Weimar verkohren lassen; die Einrichzung ist später ausgedehnt worden,
schon schlecht
hat abes wegen Materialmangels vom 1. August ab eingestellt werden
88 er. 1919.
müssen und ist leider immer noch nicht wieder aufgenommen. So schnell wie moglich muß seine Wiedereinrichtung versucht werden; er würde die Kommunikation zwischen den großen Städten fördern und den Klagen über das Verkehrselend bis zu ein m gewissen Grade ab⸗ hofen können. Ist der Postverkehr zwischen den besetzten Gebieten im Osten und dem alten Deutschland vollständig wieder aufgenommen? Eine Vermehrung der Einnahmen würde auch durch die schleunige Anschebung der Porto⸗ und T.legrammgebührenfreiheit, die nach dem Kriege einen ungeheuren Umfang angenommen hat, zu erzielen sein⸗ Beabsichtigt die Verwaltung auch das Privileg der Portofreiheit für den Verkehr der Reichswehr aufzuheben? Ein Bedürfnis für die Fort⸗ dauer des Privil gs scheint angesichts der guten Besoldung der Mit⸗ glieder der Reichswehr nicht vorzuliegen. Der Postscheckverkehr ist noch weiterer Ausdehnung fähig. Düsseldorf braucht ein neues Post⸗ scheckamt. Die Funkenielegraphie hat ine große Zukunft, vor über⸗ ersten Eperimenten aber soll man sich hüten. Der einheitlichen Post⸗ venpwaltung, die wir für das Reich bekommen, freuen wir uns. Es müssen aber auch die Verkehrsfortschritte Bayeras und Württembergs mit auf das Rich übernommen werden. Das Zusammenarbeiten von Verwaltung und Beamtenschaft ließ unter Kraetke alles zu wünschen übrig. Es war eine Aera des verknöckerten Bureaukratismus und der antisozialen Gesinnung. Von einem Mitbestimmungsrecht der Be⸗ amien war keine Ride, jede Berufsfreudigkeit war gelähmt. Untzr Rüdlin ist eine große Besserung eincetreten. Jetzt haben die Beamken erreicht, was sie wollten. Der Beamten⸗Beirat wird gute Arbheit leisten, auch die Ausschüsse arbeiten tüchtig. Für Beamte, die sich nicht in die neue Zeit finden, ist kein Platz mehr. Die alten Beamten wird man in großer Zahl pensionieren müssen. Für Vizepostdirektoren liegt kein Bedürfnis vor. Das Aufrücken aus mittleren in hohe Stellen muß auch bei der Post Platz greifen, bei der Personalreform soll man sich vor jeder Ueberspannung des Prüfungswesens hüten. Die Kriegsbeschädigten bedürfen bei Neueinstellungen besonderer Be⸗ rücksichtigung. Wir wünschen alle, daß wieder ein frischer Zug in die Verwaltung kommt.
Abg. Deglerk (D. Nat): Die Wirkungen des Krieges haben ihre Sruren wie in das Eisenbahnwesen so auch in das Postwesen tief eingegraben; die sprichwörtlich gewordene unbedinate Zuverlässigkeit, Schnelligkeit, Tücktigkeit und die Billgkeit des Betriebes stehen heute nicht mehr auf ihrer früheren Höhe. Besonders im Fernsprech⸗ wesen haben sich. Zustände herausgebildet, die für die Geschäftswelt äußerst unangenehm und störend sind. Gegen den letzten Friedensetat Ligt der Etat für 1919 ein gewaltiges Anschwellen der Ausgaben. Die Einnahmen haben damit nicht gleichen Schritt cehalten: die Ge⸗ bühren haben weiederholt erhöht werden müssen. Vorher war das Streben auf Verbilligung gerichtet, jetzt müssen wir zu unserm Be⸗ dauern bei der Esenbahn wie bei der Post das Bestreben wahr⸗ nehmen, den Verkehr zu verteuern: wir sind jetzt glücklich bei Ge⸗ bühren angelangt, wie sie in den 60er Jahren des vorigen Jahr⸗ hunderts erhoben wurden. Anoesichts dieser gewaltigen Verteuerung muß ganz entschieden die Herstellung geordneter Verhältn’sse im Post⸗ betriebe gefordert werden. Daß ein Telegramm von Bayreuth neoch Dresden 3 ½ Tage gebraucht, geht denn doch zu weit, solche Verzöqe⸗ rung kann zu den schwersten geschäftl'chen Nachteilen führen. Die Beförderung von Depeschen mit der Post hat einen großen Umfang angenommen, er ist beinabe zur Regel geworden. Auch auf dem Gebiete des Fernsprechwesens wollen die Klagen nicht verstummen. Der Umstand, daß der Krieg die sorgfältioe Unterhaltung des Fern⸗ prerbnetzes ebenso wie seinen Ausbau verhindert hat, entschuldigt die Mißstände nur zum Teil. Eine durckgreifende großzügige Verwal⸗ tungsreform ist nicht nur erwünscht, sondern dringend nöt'g. Die Ver⸗
erledeat werden.
reichlichung der Eisenhahnen wird ja die beiden Verkehreinstitute ein⸗ ander näber bringen und vielleicht dazu führen, daß auf dem Lz de einfache Dienstgeschäfte zusammengenommen und gemeinsam geführt werden. Zu einer Verschlechterung der Dienst⸗ und Besoldunasverhältnisse der Beamten darf die Reform natürlich nicht führen. Eine so sturm⸗ bewegte Zeit konnte an einem solchen riesigen Beamtenkörper nickt spurlos vorübekgehen. Lebhafte Klacen werden von den Beamten darüber erhoben, daß ihnen die Möalichkeit des Aufstiegs nicht ge⸗ nücgend grhoten ist. Die Zugehörtgkeit zu einer bestimmten pol't schen Partei darf für den Hnaufstieg in der Postbeamtensckeft nicht ausschlaa⸗ gebend sein, fondern nur aute Fach⸗ und Allaemeinbilduna. Den Be⸗ amten muß die Zusickerung gegeben werden, daß sie bei den Beratuncen der Besoldungsreform beteiliat werden. Angesichts des gegenwärtigen Ueberangebots on menschlicher Arbeitskraft und ancesichts der not⸗ wendigen Einstesleno pon Krivasteilnehmeen meres bös verleirateter weiblicher Angestellter unterbleiben, sie sollten auf eigenen Antvag aus ihren Stellen scheiden. Die s müssen Suf das äußerste Hoffentlich gelinat es uns,
NB£9S aung
Nersetuncen Maß einceschränkt werden. die Leistuncen der Post wieder auf die Höhe zurückzuführen, wie sie von der ehemaligen Kaiserlichen Reichspost erreicht waren. (Beifall
vochts.)
Unterstaatssekretär Teuke: Der Verkehrsbeirat wird so ge⸗ staltet werden, daß er nur für solche Betriebseinrichtungen in Frage kommt, die in ihrer Wirkung auf dos Publikum in Ersckenueng treten. Alle übrigen Betrebsf-agen müssen von fackundicen Stessen
gt Ein Gesetz über Aufhebung der Portofreiheit wird der Nationalbrersammlung in Kürze zugehen, Verhandlungen mit den einzelnen Ressorts sind im Eange.
Gegen 6 ½ Uhr wird ie Beratng abgebrochen.
„Nächste Sitzung Montag 1 Uhr. (Novelle zum Brannt⸗ weinmonopol, Intervpellation Scheidemann, betreffend Leder⸗ preissteigerung, Ausschußbericht über billigere Versorgung mit Schuhwaren und Terxtilfabrikaten, Antrag Ablaß, betreffend planmäßigen Abbau der Zwangswirtschaft für landwirtschaft⸗
Oesterreich.
Im Ernährungsausschuß der Nationalver⸗ sammlung führte der Staatssekretär Löwenfeld⸗Reuß vorgestern aus:
Wäͤhrend die Ernährungslage im Laufe des Frühjahrs und des Sommers infol e der Ententezuschübe erträglich war, stehen wir jetzt vor der Gefahr des unmittelboren Zusammenbruchs der ganzen Ernährung. Die Versorgung Wiens ist von einem Tag auf den andern gestellt. Die Mehlquote ist für die nächste Weoche auf die Hälfte gekürzt. Noch trauriger ist die Kartoffelversoraurg, wo die Eintuhr von 20 000 Waggons notwendig ist, die j doch bei den beutigen Transvportverhältnissen so gut wie ausgeschlossen erscheint. Wenn sich die Länder in dem Maße absperren wie bisher, so wird es upmöglich, überhaupt noch eine Ernävrungs⸗ politik zu führen. Durch solche Beschlüsse, wie sie die oberöster⸗ r ichische Landesversammturg gefaßt hat, wird das Land mit einer chinesischen Mauer umgeben. Ich erkläre, daß ich in eine veue Re⸗ gierung nicht mehr eintreten werde, wenn sich die Länder vicht bereit erklären, di se Absperrunasmaßnahmen fallen zu lassen. Gewiß andelt es sich nicht um meine Person, aber ich bin der Meinung, daß nie⸗ mand die Verantwortung, an der Spitze des Ernährungsamts zu stehen, übernehmen kann, wenn die Dinge weiter so gehen wie bisher.
Was heute geschieht, ist Anarchie in der ärgsten Form.