1919 / 236 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 15 Oct 1919 18:00:01 GMT) scan diff

beanden scharf zu bestrafen, der doch wirklich nur ein verhältnis⸗ sßig mildes Vergehen begangen hat. Es ist mit Recht von einem großen Teil der landwirtschaftlichen Bevölkerung gesagt worden, als wir diese Mindeststrafen festsetzten: da wird wegen eines kleinen Vexze P „und das gtoße Ver Vergehens der Mann hart bestraft, und das große Vergehen findeh dann einen gnädigen Richter. Es ist sehr schön gesagt das Schlag⸗ wort, an jedem Laternenpfahl einen Wucherer aufzubaumeln; ja, ge⸗ ehrter Herr Diez, in Berlin gibt es gar nicht so viel Laternenpfähle wie Wucherer. (Heiterkeit.) So kann man schließlich die Sache auch nicht betreiben. Ich bin auch ein Feind der Todesstrafe und eine, es ist zu viel, wenn man den Anspruch erhebt, daß man jeden Wucherer an den Laternenpfahl bringt. Dann möchte ich mich noch zu einigen Einwendungen gegen die Lede wittschaft äußern. In dem Augenblick, wo der Herr Vorredner ür die unbedingte freie Wirtschaft eintritt, haben wir wegen der freien Wirtschaft einen sehr scharfen Angriff aus derjenigen Partei, die be⸗ haupten kann, daß sie zu einem erheblichen Teile die Arbeiter vertritt, hier zu ertragen, und das mit einem gewissen Recht: einfach vom Stand⸗ unkt des Konsumenten die Frage betrachtet, ist sie allerdings so zu be⸗ entworten, daß durch die übermäßige Preissteigerung, die der freie Verkehr herbeigeführt hat, eine große Benachteiligung der Konsumenten unzweifelhaft eintritt. Aber ich unterstreiche noch einmal: es ist in diesem besonderen Falle gar nicht anders möglich gewesen, als zu der freien Bewirtschaftung überzugehen, weil wir aus dem Inlande nur einen ganz kleinen Teil des Bedarfes decken können, während wir 33 des Bedarfes für unsere Lederbewirtschaftung aus dem Auslande nehmen müssen. Ich kann aber nicht das Ausland unter Höchstpreis stellen, ich kann es auch nicht unter Zwangsbewirtschaftung stellen. Weil ich das nicht kann, kann ich auch die Zwangsbewirtschaftung im eigenen Lande nicht aufrecht erhalten. (Sehr richtig!t) Da nutzt alles Dis⸗ kuütieren und alles Schimpfen und alle große Kritik nichts, es sei denn, daß ich jedem sage: du mußt auf Holzpantinen laufen, du mußt dich daran gewöhnen, auf die Stiefel zu verzichten. Da aber unsere Be⸗ völkerung keine Neigung dazu haben wird, im Gegenteil unsere Holz⸗ schuhe auch heute noch bei den hohen Lederpreisen keinen Absatz finden, sondern Ladenhüter in unseren Läden sind, so muß ich zu der Freigabe der Lederbewirtschaftung und der Schuhbewirtschaftung schreiten. Ich kann gar nicht davon abgehen und bin auch heute noch davon überzeugt, daß mein Standpunkt richtig ist. Er ist auch deshalb richtig, weil ich eine größere Lederzufuhr erreicht habe, und diese größere Lederzufuhr hat eine größere Beschäftigung in der gesamten Lederindustlie herbei⸗ geführt. (Sehr richtig! im Zentrum.) Das ist vom Standpunkte der Volkswirtschaft heute der Vorteil und der Nutzen. An erster Stelle steht dabei die Hebung unserer Produktion (sehr richtig! bei den Deutschen Demokraten); und wenn ks auch im gegebenen Augenblick auf Kosten der Verbraucher geht, das Wichtige in unserer Wirtschafts⸗ lage ist doch, daß wir wieder zu einer größeren Produktion kommen. Die Mängel sind Vorgänge, die für eine Ueberganszeit nicht zu vermeiden sind. Das ist meine feste Ueberzeugung. Daran ist nichts zu ändern.

Ich kann deshalb auch nur sagen, daß augenblicklich noch gar keine Mäglichkeit besteht, eine Aenderung vorzunehmen, wenn nicht auf der anderen Seite der Nachweis geführt würde, daß die in⸗ ländische Produktion in der Lage ist, unseren Bedarf zu decken und das ist einhach unmöglich —, oder daß es möglich ist, den Ver⸗ brauch so zu drosseln, daß ein ganz geringer Bedarf nur gedeckt wird, der dann meiner Ansicht nach gleichfalls eine starke Unzufriedenheit der großen Masse der Bevölkerung hervorrufen würde. Unzufrieden⸗ heit errege ich, wis ich auch die Entscheidung treffe. (Sehr richtig!) Ob freier Handel oder Zwangsbewirtschaftung, befriedigt kann in beiden Situationen niemand sein. Denn die Konsumenten haben zu lleiden unter einer Bewirtschaftung auf freier Grundlage, und die Zwangebewirtschaftung benachteiligt wiederum die Arbeiter und die Industrien, die im Lederverbrauch ihre Existenz haben. Um das zu vermeiden, muß man eben den Mittelweg versuchen.

Der Herr Abg. Hermann hat nun bei der Würdigung der Zwangsbewirtschaftung und der freien Wirtschaft unter anderem die Bemerkung gemacht, daß die tiefgesunkene Moral bei der Zwangs⸗ bewirtschaftung besonders in die Erscheinung trete. Ich möchte ihm sagen: nicht nur bei der Zwangsbewirtschaftung ist die tiefgesunkene Moral in die Erscheinung getreten, sondern in unserm gesamten Wirtschaftsleben, ob freie Wirtschaft oder Zwangswirtschaft. Und die Erklärung dafür, Herr Abg. Diez, daß heute Brotgetreide nach dem Ausland herausgeht, ist nicht die Zwangswirtschaft, sondern die einfache Tatsache, daß der Landwirt für sein Getveide durch die Valutadifferenz im Ausland das Drei⸗ und Vierfache des Preises bekommt wie im Inland. Wenn ich die freie Wirtschaft herstelle, so würde um diesen Preis das inländische Getreide sich erheben, das kann ich eben nicht verantworten. Es hat mit der Zwangswirtschaft gar nichts zu tun, wenn Getreide und Lebensmittel herausgehen. Unter der freien Wirtschaft geht heute Leder und Schuhwerk auch nach dem Ausland hinaus. Das hat also mit der Zwangswirtschaft nichts zu tun. Ich bitte deshalb, nicht ein solches schiefes Urteil abzugeben.

Der Herr Abg. Hermann hat darauf hingewiesen, daß in einem Inserat in der „Frankfurter Zeitung“ Schuhwaren angeboten werden, und er knöpft daran die Anfrage, wie es möglich ist, daß Schuhwerk heute in großem Umfange ausgeführt wird. Ich stehe grundsätzlich auf dem Standpunkt, daß gegenwärtig Schuhwerk nich! ausgeführt werden darf, es sei denn in einem ganz besonderen Fall, näntlich daß wir es mit Schuhwerk zu tun haben, für das keine Ver⸗ wendung und kein Absatz im Inland zu verzeichnen ist. Wir haben beispieler se einen größeren Posten von Schuhwerk nach dem Aus⸗ land gegeben, das mit Holzsohlen versehen war. Für diests Schuh⸗ werk ist hier im Inland kein Absatz mehr gewesen. Ein Teil de.⸗ Schuhwerks mag auch durch unredliche Manipulationen hinaus⸗ gegangen sein. Vom Reichswirtschaftsministerium wird die Ausfuhr von Schuhwerk nicht begünstigt und soll sie nicht begünstigt werden, * muß das Schuhwerk hier im Lande bleiben.

Der Herr Abgeordnete Hermann hat dann in Verbindung mit den Betrachtungen der Zwangswirtschaft die Anfrage gestellt, wie es denn mit der Kriecgsmetall A.⸗G. stehe, in deren Geschäftsräumen große Unterschleife und Unredlichkeiten entdeckt worden seien. Ich kann darüber folgendes mitteilen: Es handelt sich nicht um die Kriegs⸗ metall A.⸗G., die dabei in Mitleidenschaft gezogen worden ist, sondern es handelt sich um die Einrichtungen, die getroffen worden sind, um die Meteallbestände, die von der Heeresverwaltung seinerzeit beschlagnahmt

geschaffen worden, unter anderem die Reichsstelle für Sparmetalle, die wiederum für die ein elnen großen Industriegebiete ihre Unter⸗ abteilungen hat, um die Metalle auf die einzelnen Eerwerbegruppen zu verteilen. Es ist eine Organisation, die ziemlich umfangreich ist und sehr ins einzelne geht. Um nun zu kontrollieren, ob die Metallbestände von der Verteilungsstelle auf die Bezugsscheine aub richtig abgegeben werden, ob nicht Durchstechereien vorkommen, ist eine besondere Kon⸗ trolle eingerichtet worden. In dieser Kontrollstelle haben sich drei Beamte Unredlichkeiten zuschulden kommen lassen. Diese Unredlich⸗ keiten sind von dem Leiter der Kontrollstelle entdeckt worden, der Polizeibehörde und der Staatsanwaltschaft ist sofort Mitteilung ge⸗ macht, die drei Beamten sind verhaftet worden, und das Verfahren schwebt gegen sie. Wahrscheinlich haben sich ein paar andere Beamte desselben Vergehens schuldig gemacht. In welchem Umfang das ge⸗ schehen ist, läßt sich augenblicklich nicht sagen. Es ist aber hervorzu⸗ heben, daß diese scharfe Kontrolle selbst dazu geführt hat, die Unred⸗ lichkeiten zu entdecken. Die ganze Manipulation hat sich übrigens, wie jetzt schon festgestellt ist, über keinen längeren Zeitraum als vier Wochen erstreckt. Außerdem sind fast restlos sämtliche gefälschten Betugsscheine wieder eingezogen worden, ohne daß die Betreffenden Metall dafür bekommen haben. Auch die Fabrikanten, die an diesen Durchsteckereien beteiligt gewesen sind, sind der Staatsanwaltschaft angezeigt worden und werden zur Verantwortung gezogen werden. Ich glaube, dem Amt und auch der Stelle, die die Verantwortung trägt; ist kein Vorwurf zu machen. Schließlich ist niemand davor sier, daß nicht dieser oder jener Beamte der Bestechung zugänglich ist. Die Einrichtung in der Kontrolle selbst ist geradezu musterhaft. Wenn

man in so kurzer Zeit eine Durchsteckerei ermittelt, und zwar durch

die Kontrolle selbst, dann ist sie meiner Ansicht nach durchaus tadellos, und die große Aufregung darüber ist unnötig.

Im übrigen ist die ganze Metallverteilung zu Ende, so daß auch weitere Unzuträglichkeiten auf diesem Gebiet nicht mehr möglich sind.

Es ist nun weiter gefragt worden, wie es mit der Notstands⸗ versorgung im Textilgewerbe aussehe. Ich kann mih auf das berufen, was in der zur Beratung vorliegenden Denkschrift gesagt wird. Es wird uns möglich sein, durch eine besondere Gesellschaft, die für die Notstandsversorgung tätig sein wird, dahin zu wirken, daß ein größerer Teil der Bestände von Stoffen für die Notstandsversorgung ver⸗ wendet werden kann, auch von Stoffen zu Wäsche. Wir sind gegen⸗ wärtig dabei, auch einen größeren Posten verhältnismäßig preis⸗ werter und guter wollener Ware einzuführen, die unter Ausschaltung übermäßigen Zwischengewinns direkt an die Gemeinden zur Ver⸗ teilung an die Verbraucher abgegeben werden soll. Aehnlich soll bn in der Schuhfabrikation geschehen; die Lederbestände, die noch vor⸗ handen sind, sollen für Notstandsarbeiten verwendet werden, ebenso größere Bestände, die aus dem Konjunkturgewinn genommen werden. Die Darlegungen, die ich hier gemacht habe, sind zu meinem Bedauern bei der schwahen Besetzung des Hauses ganz unbeachtet geblieben und es ist während der Debatte nicht darauf eingegangen worden, daß schließlich auch unter der freien Wirtschaft eine ganze Reihe Maß⸗ nahmen seitens des Reichswirtschaftsamts unternommen worden sind, um für die Minderbemittelten die Möglichkeit zu schaffen, billigeres Schuhwerk zu bekommen. Mehr ist unter den gegenwärtigen Ver⸗ hältnissen meiner Ansicht nach nicht zu machen. Wir wollen sehen, fo viel Stoffe wie möglich, auch Wäschestoffe herbeizuschaffen, um für die minderbemittelten Klassen eine Erleichterung im Bezug zu er⸗ möglichen.

Der Hert Abgeordnete Simon steht den übrigen Rednern mit seinen Ausführungen vollständig diametral gegenüber. Er bestreitet meine Behauptung, daß eine größere Beschäftigung in der Schuh⸗ fabrikation vorhanden ist, daß eine größere Belieferung mit Leder in der Schuhfabrikation stattfindet. Er bestreitet, daß in der Porte⸗ feuilleindustrie größere Bestände von Leder heute vorhanden sind und verarbeitet werden können. Ja, damit kann ich nichts anfangen. Ich habe das statistische Material Ger vorgeführt und ich muß den Herrn Abgeordneten Simon auffordern, zu sagen: das statistische Material ist unrichtig, ich beweise das Gegenteil. Dafür müßte er aber eine Grundlage haben. Die Unternehmer selbst, soweit ich sie

gefragt habe, ich wiederhole es, haben mir übereinstimmend erklärt:

es ist ein Mangel an Leder nicht vorhanden, das Unangenehme ist nur der Preis. Das ist natürlich auch von meinem Standpunkt aus bedauerlich; aber die Tatsache bleibt bestehen, daß die von mir ge⸗ nannte Industrie relativ reichlich beschäftigt ist gegenüber dem Zustand während der Zwangswirtschaft. (Sehr richtig! bei den Deutschen Demokraten.) Dabei bemerke ich immer wieder: ich lege mich nicht auf ein bestimmtes Prinzip fest; was für den einen Beruf und für die eine Erwerbsgruppe notwendig ist, kann für die andere hum Schaden sein, und was im gegebenen Augenblick erforderlich ist, kann für einen anderen Beruf zum größten Nachteil sein. Schematisieren kann ich heute das Wirtschaftsleben nicht. Ich kann nicht die Zwangs⸗ wirtschaft in Getreide, Vieh und Milch aufheben; ich kann sie aber aufheben das hat sich gezeigt, wenn auch unter gewissen Schwierig⸗ keiten für Obst, für Gemüͤse, für Hülsenfrüchte. Auch für Ge⸗ flügel habe ich sie aufgehoben. (Abg. Gothein: Die Ausfuhrverbote!) Die Ausfuhrverbote sind selbstwerständlich da, Herr Abgeordneter Gothein; die Frage ist nur die, wer sie ausführen soll. (Zuruf von den Deutschen Demokraten.) Wenn der Herr Abgeordnete Davidsohn beispieleweise eben gesagt hat: ja, warum sollen gerade die Zoll⸗ beamten ehrlich sein, wo alles Spitzbuben sind? und der Herr Minister Erzberger habe die Verteidigung der Zollbeamten seiner Auffassung nach zuweit getrieben, so entgegne ich darauf: der Herr Minister Erzberger hat gesagt, seine Feststellung habe ergeben, daß bei den Zollbeamten keine Unzuträglichkeiten gefunden worden sind. Gegen⸗

vorgenommen hat, kann ich mich doch nicht auf den Standpunkt stellen, zu sagen: es sind überall Spitzbuben, warum sollen sie nicht auch bei den Zollbeamten sein? (Heiterkeit. Zuruf von den Sozial⸗ demokraten.) Wir haben leider nicht die Befugnis, im Westen durch unsere Zollkontrolle festzustellen, ob eine Ware, deren Einfuhr oder deren Ausfuhr wir verbieten, durch die Zollkontrolle gebracht worden ist: denn die Zollkontrolle hat nach dem Willen der Entente nicht die Aufgabe und das Recht, Waren zurückzuweisen, sondern sie nur zu verzollen. Das, was die Entente als Militärgut hereinbringt, haben wir überhaupt nicht zu kontrollieren, und ohne den Herven zu nahe zu treten, werden Sie mit zugeben, daß bei diesem Militärgut auch manches Gut sein kann, das nicht als Militärgut anzusprechen

wurden, gleichmäßig für die Industrie und für das Handwerk zu verarkeiten. Diese Metallbestände sind in den Händen der Kriegs⸗ metall A.⸗G. Für die Verteilung ist eine besondere Organisation⸗

ist. (Sehr richtig!) Dagegen kann ich nichts machen, dagegen kann

Herr Erzberger nichts machen. Das sind die Zustände, die uns

über der Tatsache, daß er selbst von seinem Amte aus die Kontrolle 1

heute aufgezwungen worden sind, die unerträglich sind und die unser ganzes Wirtschaftsleben bedrohen. Aber die Fesseln, die uns die Entente angelegt hat, sind noch unlösbar. Wir drängen fortgesetzt darauf, daß dieser ganz unerträgliche Zustand, der nicht nur die Korruption des deutschen Handels, sondern auch eines erheblichen Teiles des Ententehandels mit sich bringt, endlich beseitigt wird. Wir haben bis jetzt keinen Erfolg mit unseren Bemühungen erzielt. Was von uns geschehen konnte, ist geschehen. Wenn aber auf der anderen Seite für diese Dinge kein Verständnis und kein Entgegenkommen vorhanden ist, so sind wir dem gegenüber gegenwärtig ohnmächtig. (Zuruf von den Sozialdemokraten: Auch die holländische Grenze ist verseucht!)

Der Abgeordnete Simon hat gesagt, es bestehe die Gefahr, daß Felle und Leder nach dem Auslande abwandern. Ja, meine Damen und Herren, diese Gefahr besteht tatsächlich, und ich stehe im Gegensatz zu seiner Auffassung, um das nochmals zu betonen, ganz nachdrücklich auf dem Standpunkt, daß wir Leder ausführen müssen, um Felle hereinzubekommen (sehr richtig! bei den deutschen) Demokraten), und ich lasse mich durch alle seine Einwendungen nicht beirren. Wenn wir heute sehen, daß jemand Felle einführt, und wenn er davon 75 ͤ% zu Leder verarbeitet und wieder ausführen kann, so habe ich damit erzielt, erstens, eine größere Einfuhr an Fellen, zweitens für den inländischen Verbrauch 25 % Leder, und drittens, was vom volkswirtschaftlichen Standpunkt aus das Entscheidende ist: die großen Summen, die ich für die Felle anlege, weil ich sie im Auslande gekauft habe, decke ich durch die Ausfuhr von Leder ab und nehme nicht deutsche Valuta in dem Umfange in Anspruch, wie ich sie sonst in Anspruch nehmen müßte. Grundsätzlich bin ich ganz der Auffassung des Abgeordneten Simon: Leder darf nicht ausgeführt werden. Es muß mir als Kompensation dienen, um Felle hereinzubekommen. Mit der großen Einfuhr be⸗ schäftige ich die Gerbereien, und wenn auch diese Gerbereien nur Lohn⸗ arbeiten machen, so ist doch damit wiederum dem Interesse der Arbeiter gedient und nicht etwa allein dem Interesse der Industrie. halb der Abgeordnete Simon sagt, ich solle darauf Bedacht nehmen, daß ich mehr die Anerkennung der Arbeiter finde, als die Anerkonnung von rechts, so sage ich ihm: nach meiner Auffassung und nach meiner ruhigen, objektiven Ueberlegung der tatsächlichen Verhältnisse muß ich sagen, daß auch diese Maßnahme in ihrer Wirkung für die in der Leder⸗ industrie beschäftigten Arbeiter von Vorteil und Nutzen gewesen ist. Sehr richtig! bei den Deutschen Demokraten.) Deshalb bin ich fest bei meiner Entscheidung geblieben und habe eine Aenderung nicht genommen. Es ist deshalb sehr töricht, wenn heute in Zeitungs berichten zu lesen ist, ich hätte gesagt: ich weiß nech nicht, was mache. Ich weiß schon genau, was ich tue; darüber mögen die Herren ganz beruhigt sein. So unentschlossen bin ich nun gerade nicht in meinen Dispositionen; aber ich habe nicht die Neigung, eine Despositzen zu treffen, ohne erst die Maßnahme vollständig ausreifen zu lassen, die ich jetzt getroffen habe, und die zeigt mir augenblicklich auch ihre Vorteile und ihren Nutzen. Deshalb wäte es sehr töricht von mir, wenn ich in meiner Wirtschaftspolitik schwankend werden wollte, wenn mal irgendeine Maßregel nicht gleich nach außen hin günstige Wirkungen, namentlich billige Preise und sehr viel Ware, in die Erscheinung treten läßt. Das Kunststück bringe ich heute nicht fertig, billige Preise und sehr viel Ware gleichzeitig zu haben, und darauf werden wir auch noch für lange Zeit zu meinem großen Bedauern verzichten müssen. Ich kann nur so disponieren, daß ich die Uebel, die sich heute in unserm Wirtschaftsleben breit⸗ machen, zu mildern suche, und da betone ich noch einmal: wenn ich zwischen zwei Dingen zu wählen habe, zwischen den Interessen der Verbraucher und den Interessen der Industrie, bin ich vorläufig immer noch geneigt, auf den Standpunkt zu treten, daß wir zunächst zusehen müssen, daß wir für die Beschäftigung der Industrie und ihre Versorgung mit Rohstoffen in erster Linie sorgen, um unser gartes Wirtschaftsleben erst wieder aufwärts zu bringen. (Sehr richtig! bei den Deutschen Demokraten.)

Mit der Lederindustrie liegt es ganz ähnlich, wie mit der Textil⸗ industrie; nur ist hier die Sache noch krasser. Die Terxtilindustrie findet fast gar keine Rohstoffe im Inland vor, und ich könnte natür⸗ lich der Textilindustrie ebensogut erklären: du mußt mit der Ein⸗ deckung mit Rohstoffen warten. Die Eindeckung könnte natürlich erst zu einer Zeit erfolgen, wo die Preise sinken. Mein Sbandpunkt dagegen ist, selbst angesichts der hohen Preise für Baumwolle, alles in Bewegung zu setzen, um Rohbaumwolle hereinzubringen, damit die Industrie wieder beschäftigt wird. Die Folge ist zwar, daß wir zu enorm hohen Preisen in der Textilindustrie kommen; dennoch tue ich es, weil ich mir sage: das Erste und Entscheidende ist immer, die Textilindustrie wieder zur Beschäftigung zu bringen, und dabei muß sie auch Gelegenheit haben, trotz unseres eigenen großen Elends und der überaus geringen eigenen Bedarfsdeckung, einen Teil ihrer Produktion auszuführen, weil ich die Industrie erst wieder einmal aufwärts gebracht haben muß. Ist das einmal geschehen, dann kann ich auch an diejenigen Maßnahmen denken, die notwendig sind, um den in⸗ ländischen Bedarf voll zu befriedigen. Von diesem Gesichtspunkte

Wenn des⸗

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vor⸗

aus muß meiner Ansicht nach die Wirtschaftspolitik betrieben werden,

indem ich nicht gedankenlos Zwangshandel oder Freihandel wähle, sondern von Fall zu Fall entscheide, was notwendig und nützlich ist. (Bravol)

Abgeordneter Dr. Böhme eh. Die Landwirtschaft wird auch trotz aller Mißstimmung ihre Pflicht tun. Von irgend einer Streiklust ist in den wesentlichen Kreisen der Landwirtschaft keine . Wäre die Kartoffelbewirtschaftung frei gegeben worden, so hätten wir jetzt einen Preis, per sich grischen dem amtlichen und dem Schleichhandelspreisz hakten würde. Die Konsumenten wären dann heenfe 8 Psser versorgt worden. Auch die Eisenbahn wäte im Nach⸗

rortsverkehr entlastet worden. Die Zwangswirtschaft für Brot⸗ fesgeis⸗ läßt sich in diesem Jahr noch nicht beseitigen, die Regzerung ollte aber die Erklärung abgeben, daß mit dem Sommer des nächsten Jahres die Zwangswirtschaft für landwirtschaftliche Produkte beseitigt werden wird, damit würde die Produktion ungemein angereizt werden, und wir kämen damit aus dem Chaos heraus. Vor allen Dingen müssen die vielen kleinen Schikanen, unter denen die bäuerliche Be⸗ völkerung zu leiden hat, beseitigt werden. Sie wirken ungemein er⸗ bitternd. Wird der Bauer mit vorgehaltener Waffe zur Ablieferung gezwungen, so darf man sich über seinen Mißmut nicht wundern. Die Folge ist auch auf nationalem Gebiete unübersehbar. Mir liegen bittere Beschwerden aus den masurischen Gebieten vor, in Oberschlesien dürfte es nicht anders sein. Die Preisgestaltung muß füt die Land⸗ wirtschaft günstiger werden, zumal die Gebrauchsgegenstände der Land⸗ wirtschaft im Preise enorm gestiegen sind, so für Geschirre um firka 400 %, Sacke 900 %, Hufeisen 240 %, Maschinen 600 %, Löhne, seresre und dergleichen bis zu 1000 %. Dieser Verteuerung entspricht der Gewinn der Landwirischaft nicht. Um dem Arbeiter⸗

mangel zu begegnen, müssen überflüssige Arbeitskräfte aus der Indu⸗

lie in den Städten getroffen werden. Tarifͤ 1 3 Maßnahmen des preußischen Landwirtschaftsministeriums wirken auf

es ihr gehört, besonders

rüher intensiv arbeiteten.

ze, so weit diese noch Landblut in sich haben, wieder der Landwirt⸗ ; usefühtt werden. Großstastelemente kbnnen wir nicht brauchen. Belicferung mit künstlichem Dünger muß besser werden, das Kali⸗ ökkat ist wegen Waggonmangel mit der Lieferung gewaltig im Rück⸗ de und bedingt sich eine Lieferungsfrist von nicht weniger als Monaten aus. Der Minister muß das ganze Schwergewicht seiner etson und seines Ressopts in die Wagschale legen, um diese Quelle Unzufrisdenheit zuzustopfen. Der Bauer weiß nichts vom acht⸗ lndigen Arbeitstag. Er arbeitet gern 15 und 16 Stunden. Er kann nicht verstehen, wenn fortgesetzt in der Industrie gestreikt wird. r auch 5 Sechstel der städtischen Bevölkerung verstehen diese Streiks und können es nicht begreifen daß die Streikhetzer nicht ganz anders eaßt werden. Unterläßt man scharfe Maßnahmen, dann kommt Zunde, wo alle Bemühungen der ehrlich Arbeitenden versagen iseen. Die Verhäͤltnisse auf den großen Gütern sind vielfach aurig. Selbst Mustergüter, wie das von Schultz⸗Luvitz, können nur en Feil bebaut werden. Helfen Sie der Landwirtschaft, dann wird alles tuün, um das Vaterland aus dem Elend zu besseren Verhält⸗ gen zu bringen. (Beif NI.) Ss b Nhbg. Dr. Semmler (D. Nat.); Wir stehen und fallen mit Ingansbringen unserer Landwirtschaft; der Wiederaufbau Deutsch⸗ n muß gehen über die Landwirtschaft. (Sehr richtig! rechts.) her was geschieht dazu? Der Minister will die Lederwirtschaft heben. z6 gilt auch von der Landwirtschaft; wird die landwirtschaftliche voduklion wieder gehoben, dann brauchen wir keine Zwangswirtschaft. ber die Arbeiter wollen nicht arbeiten, sie hindern die landwirtschaft⸗ Produktion. (Lebhafter Widerspruch bei den Sozialdemokraten.) ͤnnen die landwirtschaftliche Produktion heben, wenn wir die serstellung künstlicher Düngemittel im Lande steigern, aber die Stick⸗ fabtiken haben nicht soviel gearbeitet, wie nötig gewesen wäre. In Recierung ist die Landwirischaft nicht genügend durch wirkliche andwirte vertreten. (Sehr richtig! rechts.) Und wieviele Landwirte een wir selbst in diesem Hause? Welches Interesse bringt man hier Landwirtschaft entgegen? Ohne Sachverständnis geht es eben nicht. et sozialistische Geist ist nicht geeignet, auf die Mentalität des ltes Rücksicht zu nehmen. Die Landwirte haben immer gesagt: gelft uns, dann werden wir die Erzeugung schaffen. Die Aufhebung Zwangswirtschaft marschiert draußen im Lande; die Stimmung dem Lande ist so, daß jeder Widerstand gobrochen werden wird. e Landwirtschaft, will restlos ihre Pflicht erfüllen, sie denkt nicht rran, ihre Pflicht nicht zu kun. Sie wollen alles erfassen, wie Sie nennen. Die Verhrauchsgüter können nur durch Axbeit erzeugt serden. Die Volkswirtschaft beschäftigt sich mit den Produktions⸗ stteln der Arbeitskraft und dem Endprodukt, aber die Zwangswirt⸗ beft kümmert sich nicht um die Produktionsmittel und die Arbeits⸗

nhatt, sondern will das Endprodukt, will nur die Verteilung haben.

Zwang zieht immer die Folgen des Zwanges nah sich. Hafer n Cier sind kein Beweismittel gegen die Aufhebung der Zwangs⸗ inschaft. Augenhlicklich können wir noch nicht soviel produzieren, uns zu ernähren, deshalb müssen wir einführen. Mit der tohung, daß Sie aufs Land kommen werden, um dem Landwirt alles bunehmen, werden Sie kein Glück haben. Die Regierung ist weren Ratschlägen, die landwirtschaftlichen Preise zu erhöhen, no icht nachgekommen, und deshalb hat sie die Druschprämien erhöhen üissen. Wäre das früher geschehen, wären die Anbauflächen per⸗ ert worden. Wie viele Kartoffeln sind erfroren, wie viele Cier zzotben! Durch die Aufhebung der Zwangswirtschaft wird aller⸗ ings der Prels steigen, und dadurch würde die Regierung Unzufrieden⸗ eit hervortufen. Deshalb muß die Regierung den wirts Haftlich bwachen zu Hilfe kommen. Die Regierung kann die Zwangswirt⸗ haft aufheben, wenn sig an die Stelle der bürokratischen Verwaltung nrichkungen der Selbstverwaltung setzt. Es kann niemand be⸗ teiten, daß die Zwangswirtschaft zusammengebrochen ist und eigent⸗ hh schon aufgehort hat. Jetzt werden Kartoffeln gehamstert, aber „Ende des Wirtschaftsjahres werden sie wieder fehlen. Sorge die Kgierung nur für die Einfuhr von ege und Futtermitteln. sun gibt dem Landwirt nicht die Gelegenheit, die wichtigste Schweine⸗ saltung wieder zu heben. Geben Sie dem Landwirt dazu die Mittel surch Hinterkorn und Gerste, dann wird er die Fleischproduktion igern können. Es ist eine Kleinigkeit für die deutsche Landwirt⸗ baft, den Schweinebestand wieder von 8 Millionen auf 25 Millionen lch zu heben und dann sind wir aus allen Nöten heraus. Die lobeiter auf dem Lande werden direkt durch die Maßregeln aufgehetzt, f Die Tarisverträge und die

e Landwirtschaft geradezu verheerend. Der Landwirt kann sich nicht t Stiefkind behandeln lassen. Die Regierung hat kein soziales ie finden gezeigt, sondern nur die Klassenberrscht ihrer Kreise be⸗ sründet. Ein monarchisch regierter Staat kann die besten demokra⸗ sschen Einrichtungen haben. Solange nur an das Endprodukt gedacht alcd, werden wir keine Besserung unserer Ernährungsverhältnisse er⸗ hen. Wir brauchen Ruhe und Ordnung, damit die Feewer seast voduzieren kann. Die Regierung denkt aber nicht an die Landwirt⸗ baft, sondern immer nur an einen Teil der Beyölkerung. Herr Eedemann hat sich für die Zwangswirtschaft ausgesprochen, weil sie In Mittel für die Einführung der Sozialisierung sein soll. Das ist eebten Endes der springende Punkt. Die Sozialisierung ist eine swangswirtschaft. Wir verlangen, daß die Regierung Mittel und Weoe ergreift, die Produktion zu heben, und der Landwirtschaf t gibt, das, was sie selbst erzeugt. Unterstützen Bie so die Betriebe, werden Sie die besten Erfolge haben. Die Swahgswirtschaft muß aufgehoben werden. So wie bisher eht es nct weiter. Schon heute wird auf Gütern extensw gearbeitet, die 1 Man darf der Landwirtschaft die Schuld n den jetzigen Verhältnissen nicht zuschieben. Auf dem Gebiete des Buckers hätte die Zwangswirtschaft aufgehoben werden können. Dann pätten wir mehr erzeugen können, dann hätten wir mehr Nahrungs⸗ ittel und mehr Futter gehabt. So aber wird die Zuckerprocüktion m nächsten Jahreé noch mehr zurückgehen. Die Konsumenten sind uch in weitesten Kreisen für die Beseitigung der Zwangswirtschaft. Veisemmlungen in Magdeburg, Breslau und anderen Städten haben as bewiesen. Dasselbe wie vom Zucher gilt für Fleisch, Butter, enlilch. Die wirtschaftlich Schwachen können durch andere Mittel als durch die Zwangswirtschaft unterstützt werden. Jetzt müssen Millarden für die Lebensmillel vom Reiche zugegeben werden. Dem Verbraucher ist gar nicht so sehr mit den billigsten Preisen gedient, sordern damit, daß er überhaupt das Nötige bekommt. Bekommt die Lendwirtschaft genügend Düngemittel und konzentrierte Futtermittel, kann sie mehr produzieren und Deutschland in einen zufriedenstellen Zustand versetzen. Sorge der Landwirtschaftsminister nur da ie Produktion gesteigert werden kann. Dann werden wir in Zukunft bessere Verhältnisse haben und die Zwangswirtschaft nicht brauchen.

Geifall rechts.) 1 1

Abg. Wurm (u. Soz.): Wir haben ja gar keine Zwangswirt⸗ schff. Zwangswirtschaft heißt, daß das Land fo angebaut werden muß, wie es nicht im Interesse des Besitzers liegt, sondern in dem der Allremeinheit. Diesen Zwang hat aber die Regierung nicht einge⸗ führt. Als alles Land restlos bebaut werden sollte, waren Sie (zur Rechten gewendet) es, die diese Verordnung über den Anbauzwang dohin abändern ließen, daß es dem Belieben des Besitzers überlassen wird, ob und wie der Acker bestellt werden soll. Wohin die Aufhebung er Zwangswirtschaft führt, haben wir bei den Eiern, beim Leder usw. gesehen. Ohne Einführung des Produktionszwanges in der Landwirt⸗ schoft kommen wir nicht vorwärts. Diesen Wirtschaftszwang einzu⸗ führen, ist nur möglich, wenn das nicht im Sinne des alten Polizei⸗ staates geschieht, mit Bomben und Granaten usw.; es giht auch einen Zwang durch die Organisation. Der Geist der neuen 88 verlangt eine Organisation der Arbeit. Das Kommunalisierungsgesetz soll aber zuf die lange Bank geschoben werden. Auch nach der Revolution von 19 hat der Schleichhandel geblüht. Nur dadurch wird die Welt unert, daß sie auf eine gesunde Grundlage der ac ahio gestellt wir, auch auf dem Gebiet der Versorgung mit Lebensmitteln. Die Senalisierung der Landwirtschaft allein kann Deutschland und die Welt zelten vor den immer maßloser wardenden Ansprüchen der Grund⸗ besitzer. (Sehr richtig! links.) Daß die Arbeiterfrage der Landwirt⸗ schaft so viel Schmerzen bereitet, liegt an den traurigen Zuständen der

für, daß

um Abhilfe anzugehen.

der Reichsregierung geschehen

Wohnung, Ernährung und Behandlung der Landarbeiter. Der deulsche Arbeiter will arbeiten, aber infolge der Aushungerung kann er nicht meht so arbeiten, und er will nicht mehr so arbeiten, um sich ausbeuten zu lassen; er will so arbeiten, wie es seiner Menschenwürde entspricht. Nur durch eine bessere Ernährung können wir zu einer Produktions⸗ steigerung kommen. Die Gesamtheit Lmuß die Landwirlschaft in die Hand nehmen und für bessere Arbeitsbedingungen der Arbeiter sorgen. Bis vor 14 Tugn ging die Hetze nur gegen die Grubenarbeiter. Jetzt sollen die Tranzportarbeiter schuld sein an den Ernährungsschwierig⸗ keiten. Die Fleischversorgung Betlins ist so schwierig, daß statt 2731 Rindern nur 340, anstatt 500 Schweinen nur 32 in einer Woche geliefert worden sind, so daß ein Defizit von 900 000 „Pfund Fleisch in einer Woche in Berlin entsteht. Wohin soll das führen? Die Schieber und der Schleichandel werden in dem Augenblick verschwinden, wo oine plan⸗ mäßige Wirtschaft bei uns eingeführt wird, und diese kann nur in einer wirklichen Sozialisierung bestehen, ohne ein Kompromiß mit den Unternehmern. Herr Erzberger hat gesagt, wir hätten im Februar keine Gelder zur Verfügung gestellt, um die Preise der amerikanischen Le⸗ bensmittel systematisch zu senken. Damals haben wir aber keine Ein⸗ fuhr gehabt. Gegenüber dem Schleichhandel nützt gar keine Preis⸗ erhöhung, weil das Angebot geringer ist als die Nachfrage. Kein von einer Behörde festgesetzter Preis kann die Höhe der Schleichhandelspreise erreichen. Hiergegen hilft nur die Organisation der Arbeiter; der Staat, die Gesamtheit ist der Produzent, und sie hat zu verfügen über die produzierte Ware. Wie sehr die Bevölkerung durch die Hungerjahre geschwächt ist, beweist die ungeheure Zunahme der an Knochengelenk⸗ tuberkulose Leidenden. Unsere ländliche Produktion ist noch erheblich zu staimin das geht aber nicht so schnell; inzwischen wird die Be⸗ völkerung von Hunger gequält. Notwendig ist eine Organisation der Erfassung der Lebensmittel durch Lieferungsgenossenschaften des Be⸗ zirks, des Dorfes, des Gutes, bei denen alle, die dort wohnen, ver⸗ pflichtet sind, dafür so sorgen, daß das, was geerntet wird, in die öffent⸗ liche Hand kommt. Den Antrag der Demokraten auf Abbun der Zwangswirtschaft für Milch, Brotgetreide und Fleisch, und auf sofortige Beseitigung der Zwangswirtschaft für alle übrigen Artikel, lehnen wir ab. Die Freigabe der Zuckerbewirtschaftung würde den Zuckerpreis ungeheuer steigern. Die Folgen werden wieder neue Lohnforderungen fein. die wieder eine Erhöhung der Gegenstände des täglichen Bedarfs bedingen müßten. Die Arbeiter werden auf diese Weise zur Ver⸗ zweiflung getrieben.

Abg. Dusche (D. V.): Die Aufhebung der Lederzwangsbewirt⸗ schaftung soll auf unseren Einfluß zurückzuführen sein. Wenn wir jetzt, wo wir in der Ovpposition stehen, schon einen solchen Einfluß haben, wie groß wird er erst werden, wenn wir demnächst bei einer anderen Zu⸗ sammensetzung der Nationalversammlung auch in der Lage sein werden, in die Regierung zu kommen. (Beifall und Heiterkeit.) Man kann es der Landwirtschaft nicht verdenken, wenn sie nach Freiheit strebt; auf die Dauer kann sie unter der Zwangswirtschaft nicht gedeihen. Die Landwirtschaft wird auch verägert, wenn immer wieder von ihren hohen Gewinnen gesprochen wird. Man vexrgißt, daß ihr das Vieh weggenommen und ihre Gebäude in schlechten Zustand geraten sind. Erst wenn dieses Haus, auch auf der äußersten Linken, mit mehr Land⸗ wirten besetzt sein wird, kann hier ein größeres Verständnis für die Bedürfnisse der Landwirtschaft vorhanden sein. Die landwirtschaftliche Produktion kann nur gefördert werden, wenn mehr Kohlen und Stick⸗ stoff produziert und geliefert werden. Auch wir hätten mancherlei an dem alten Regime auszusetzen, besonders daß die Landräte aus einer bestimmten Gesellschaftsklasse und einer bestimmten politischen Partei genommen wurden. Der kommunalisierte Landrat wird uns aber noch viel weniger gefallen, denn er wird es auf den Beifall der Masse an⸗ legen, um wieder gewählt zu werden. Die öffentliche Bewirtschaftung des Brotgetreides muß noch beibehalten werden; den Landwirien müssen aber größere Mengen Gerste für die Viezucht freigegeben werden. Hoffentluoh kommen wir im nächsten Jahre zur Aufhebung der Zwangs⸗ bewirtschaftung für Kartoffeln. Stadt und Land müssen einander wieder näbergebracht werden, was am besten geschieht durch Aufklärung beider Teile und durch Beseitigung unnötiger Schikanen. Dann kommen wir wieder zu einer erhöhten Produktion und dienen damit auch der

konsumierenden Bevölkerung. 8

Abg. Gebhardt (b. k. Fr.). Wie würde es im Deutschen Reich aussehen, wenn wir nach dem Lieblingswunsch des Abg. Wurm um Zwangsa bau übergehen würden? Mit sechzehn⸗ und achtzehn⸗ ftündiher Arbeitszeit des Bauern und einer einigermaßen genügenden landwirtschaftlichen Produktion wäre es dann vorbei⸗

Abg. Schneider⸗Franken (Zentr.): Für absehbare Zeit halten wir die Aufhebung der Zwangswirtschaft nicht für möglich; der Abbau hann nur allmählich erfolgen er muß sich auch nach der Stabilität unseres Geldes richten.

Damit schließt die Aussprache.

Der Antrag des Ausschusses für Volkswirtschaft, wonach die während des Krieges stillgelegten Webereien vorzugsweis mit Rohstoffen beliefert und für die Notstandsversorgung der heimkehrenden Gefangenen, Zivilinternierten, der Minder⸗ bemittelten und anderer bedürftiger Kreise billiges Schuhwerk und die aus der Kriegswirtschaft noch verfügbaren Textilien zu Notstandspreisen unter Kontrolle der Gemeinden zur Ver⸗ fügung gestellt werden sollen, und der verlangt, daß der Abbau der Zwangswirtschaft unverzüglich und nachdrücklichst in die Wege geleitet wird, wird angenommen.

Ein Antrag der Demokraten auf planmäßigen Abbau der Zwangswirtschaft für Erzeugnisse der Landwirtschaft wird zurückgezogen. Angenommen wird ein Antrag der Deutsch⸗ nationalen, der zur Neuentfaltung von Handel und Wandel Maßregeln verlangt, durch die der Abbau der Zwangswirt⸗ schaft in Brotgetreide, Gerste, Kartoffeln, Fett, Milch und Fleisch erfolgt, sobald die Ernährung de⸗ Volkes in diesen Pro⸗ dukten durch Erzeugung und Zufuhr gewährleistet wird, und durch die der Abbau der Zwangswirtschaft in allen anderen Zweigen der Volkswirtschaft sofort erfolgt.

Pamit ist die Tagesordnung erschöpft.

Nächste Sitzung Mittwoch 1 Uhr. (Deutschpolnischer Vertrag, Etat des Reichspräsidenten und Fortsetzung des Postetats.)

Preußische Landesversammlung. 6q4. Sitzung vom 14. Oktober 1919. 8 (Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger.)

Am Regierungstische: Der Staatsminister Oeser.

Präsident Leinert eröffnet die Sitzung nach 12 ½¼ Uhr.

Auf der Tagesordnung stehen zunächst zehn Anfragen, von denen 9] sieben wieder ahgesetzt werden müssen, da die Regierung zur Beantworlung noch nicht imstande ist.

Eine dringende ale Regierung Auskunft über die von ihr zur Sicher tellung der Kohlkenversorgung lebenswichtiger Betriebe des Nah⸗ rungsmittel⸗ und Metallgewerbes unternommenen Schritte. da Bäͤcker, Schatiede und andere zur S ihrer Betriehe in kurzer Zeit gezwungen sind, wenn nicht sofort eine ausreichende Kohlen⸗ versorgung erfolgt.

so gaungger lg, der Staatzregierung erwidert, daß alle Nahrungsmittelbetriebe und lebenswichtige andere Betriebe 8 zu beliefern seien. Eventuell sei unmittelbar der Reichskohlenkommissae

Anfrage der Deutschnationalen veflagit von der

und um zu verhindern, daß der frühere Aba. Korfantyh als polni ches Mitglied des Grenzfestsetzungsausschusses für Bverschlesien Gelegenheit echalte, irgendwie das Ergebnis der Volksabstimmung durch Be⸗ stechungs⸗ oder Einschüchterungsmachenschaften zu fälschen, läßt die Regierung erwidern, daß ein Schadenersatzanspruch nur insoweit besteht, als deutsche Reichsangebörige auf polnischem Boden durch volnische Truppen zu Schaden gekommen sind. In dieser Beziehung liege Aniaß zu Beschwerden nicht por, da die polnische Regierung entgegengekommen sei. Auch hinsichtlich des zweiten Teils der Anfrage seien Maßnahmen von Rechts wegen nicht erforderlich.

Eine kleine Anfrage des Abg. Metzel⸗Stettin (dnat.) geht davon aus, daß die unsittlichen „Aufklärungsfilme“ sowie die furchtbar verheerend wirkende Schmutzliteratur immer noch ungehindert der Bevölkerung ohne Unterschied des Alters zugänglich seien, und verlangt Auskunft darüber, welche Maßnahmen die Re⸗ gierung zum Schutze der Jugend auf diesem Gebiete getroffen hat

Der Vertreter der Regierung bestreitet, daß diese Filme und Schmutzschriften noch immer „ungehindert“ dem Volke zugänglich grmacht würden. Die bestehenden Strafgesetze würden strikte durch⸗ geführt, es finde unausgesetzt eine scharfe leberwachung statt, in letzter Zeit seien zahlreich solche Schriften und Filme beschlagnahmt worden. Gleichwohl solle nicht in Abrede gestellt werden, das noch Erhebliches zum Schuge der Allgemeinheit geleistet werden müsse. Zunaͤchst sei das Reich in punkto der Gesetzgebung zuständig, solange es von seiner Befugnis nicht Gebrauch 182. 2e könne die einzelstaatliche Regierung ihrerseits vorgehen, und es seien darüber mit der Reichsinstanz Ver⸗ handlungen eingeleitet.

Hierauf wird die Beratung des Haushaltsplans für die Eisenbahnverwaltung und der dazu gestellten Anträge und Anfrage fortgesetzt.

Abg. Ebersbach (dnat.): Herr Hoffmann meinte, bevor wir nicht den Eisenbahnarbeitern das volle Mitbestim mungsrecht gegeben haben, könnte eine Besserung in den Verhältnissen nicht eintreten. Das müssen wir natürlich ablehnen. Der Nein ser der Eisenbohn verwaltung hat ja die Schwierigkeit der gegenwärtigen Verhältnisse unumwunden zugegeben und nichts beschönigt, das erkennen wir dankbar an. Das schlimmste in den Ausführungen des Ministers war die Be⸗ fürchtung, auch noch die Personenzüge demnächtt einzustellen. Dies würde natürlich den völligen Zusammenbruch des Cisenbahmvesens bedeuten. Der einzige Lichtblick war, daß die Leistungen in den Werkstätten sich gehoben hätten. Für einen Wiederaufhau unseres Eisenbahnwesens kommt in erster Linie die Gesundung unseres Eisen⸗ bahnpersonals in Frage. Die drei Haupteigenschaften des Eisenbahn⸗ personals sind während des Krieges Ordnungsliebe, Pflichttreue und Zuverläfsigkeit gewesen. Der blanke Ehrenschild der Eisenbahner weist jetzt bedentliche Rostflecke auf. Die Vorwürfe gegen die Eisen⸗ bahnarbeiter und Beamten abzuschwächen, hat gar keinen Zweck. Der vor kurzer Zeit herausgegebene Sea des Eisenbahnministers gegen die Diebstähle von Werkzeug in den Werkstätten hat großes Aufsehen in den beteiligten Kreisen hervorgerufen. Selbst zwei Arbeiterrate haben geäußert, daß dieser Zustand nicht mehr bestehen bleiben darf. Weng auch das Fehlen von Werkzeug mit daran schuld trägt, da eine Verminderung der Arbeitsleistung eingetreten ist, so trägt do die Hauptschuld daran die geradezu verheerende Tatigteit der soge⸗ nannten Arbeiterräͤte. Sie sind auch in erster Linie daren schuld, daß wir einem Winter ohne genügende Kohlenvorräte entgegengehen. Heren Hoffmann als dem Führer der ganzen Bewegung rufe ich zu: Hände weg von unserer Eisenbahnverwaltung. Sie ist viel zu schade, um für Ihre politischen Zwecke irgendwie zu dienen. Der Zentral⸗ arbeiterrat ist übrigens nicht von den Pe . ecen gewählt, sondern von dem Berliner Rätekongreß. Ein Zusammenarbeiten des sozialdemokratischen deutschen Eisenbahnarbeiterverbandes mit diesem Zentralarbeiterrat ist nicht möglich. Den Militäranwäͤrtern müssen selbst⸗ verständlich die ihnen 7e. tenen Stellen auch in Zukunftvorbehalten bleiben. Die Durchstechereien nach dem Westen haben einen geradezu himmelschreienden Umfaug ahngenommen und eine Zersetzung selbst des Beamtenkörpers herbezehabrt. Der Minister muß diesen Vorgängen unbedingt seine Aufmerksamkeit schenten. 500 Elsenbahnwagen mit Lebensmitteln im Werte von 200 Millionen Mark sollen nach dem besetzten Gebiete abgeschoben worden sein. Eine diesbezügliche An⸗ frage eines meiner Fraktionsfreunde hat immer noch keine Antwort seitens des Ministers gefunden. Gott sei dank steht der größte Teil der Beamten auch heute noch auf dem Bdden der Ordnungsliebe, Pflichttreue und Zuverlässigkeit. Leider ist dieser Teil nicht immer von der Eisenbahnverwaltung genügend geschützt worden und hat in. Ausübung seiner Pflichten körperliche Verletzungen erhalten. Eine Vereinfachung des Aufsichtsdienstes in unseren Eisenbahnwertstätten könnte eine Fesvarnis von anderthalb Millionen Mark ergeben, in Anbetracht der jetzigen finanziellen Verhältnisse gewiß eine respektable Summe. Das Versprechen des Ministers, den berechtigten Wünschen des Personals nach Möglichkeit nachzukommen, wird sicher zur Gesundung des Personals mit beitragen. Mit keinem Schlagworte ist mehr ÜUnfug getrieben worden, als mit dem der Demokratisierung. Unter Demokrattsierung denkt sich jeder etwas anderes. Die Forderung der Ce geee und Beamten nach einem Mitbestimmungsrecht ist ja bereits durch Einsetzung von Beiräten erfüllt worden. Wir be⸗ grüßen durchaus das Versprechen des Ministers, den unteren Beamten ein Heraufrüͤcken in die höheren Stellungen nach Möglichkeit zu ermög⸗ lichen. Den eingebrachten Anträgen stimmen meine Freunde zu. Zwischen der Desghetegtuts und Staatsregierung herrscht leider nicht das wünschenswerte Einvernehmen hinsichtlich der Beamtenfragen. Dies kommt z. B. in der Gewährung der 2v zum

bei der polnischen Regierung ausreichend Fensehen durchzusetzen

1cv Ausdruck. Den Organisationsausschuß bei der Frage der Verreich⸗ lichung begrüßen meine Freunde. Wann endlich wird die unkündhare Anstellung der Unterbeamten erfolgen? Es muß eine absolute Sicherstellung der in den Ruhestand tretenden älteren Beamten ge⸗ währleistet und die dadurch freiwerdenden Stellen den aus dem Osten zurückkehrenden Beamten gegeben werden. Anträge der Sozialdemo⸗ kraten und des Zentrums, die darauf abzielen, die gehobenen Unten⸗ beamten den Zugführern gleichzustellen, können nicht im Einvernehmen mit den Leitern der kamsenben Fachverbände gestellt worden sein. Der Redner trägt darauf noch eine lange Reihe weiterer Wünsche der Unterbeamten der Eisenbahnverwaltung vor und verlangt u. a. auch für die Eisenbahngehilfinnen die Schaffung von Aufstiegs⸗ möglichkeiten. Eine Reihe weiterer Wünsche erklärt er dem Ministerium schriftlich vorlegen zu wollen. Schließlich bemerkt er, daß der Optimismus, von dem der Minister Oeser beseelt sei, zwar die volle Billigung der Deutschnationalen sinde, daß aber auch der schönste Optimismus keinen Wert habe, wenn er nicht greifbare Früchte zeitige. Zur Lösung der Aufgaben des Eisenbahnministers gehören große Tatkraft und eiserne Entschlossenheit, zu deren Aufbringung er unbedingt der Unterstützung des gesamten Staatsministeriums bedürfe; angesichts der wiederholten Beweise von Schwäche, die diese Regierung in letzter Zeit geboten habe, könne leider die Frage, ob die Regierung die Gewähr dafür biete, von den Deutschnationalen nicht mit ja be⸗ antwortet werden. (Beifall rechts.) Abg. Beklert (U. Soz.): Ein Schulbeispiel davon, wie eine Rede nicht sein soll, wenn man den Eisenbahnbeamten und Eisenbabn⸗ arbeitern ihre Arbeitsfreudigkeit erhöhen will, war gerade die Rede des Vorredners. Er hat über die Eisenbahndiebstähle gesprochen und einen Fall besonders hervorgehoben, wo Eisenhahnarbeiter Eisen⸗ schwellen gestohlen haben, aber diese Spitzbuben seien nicht zu fassen agewesen, weil sie Sozialdemokraten waren. So pflegte in früherer Zeit der Reichslügenverband gegen die Sozialdemottalrie zu agllieren. Warum sehen Sie (nach rechts) sich nicht die großen Schieber in Ihren eigenen Reihen an? Auch hier bewahrheitet sich wieder das alte Wort: Kleine Diebe hängt man, große läßt man laufen. Bei den Schiebungen im Bereiche der Eisenbahnen hat man die Schuldigen

Auf eine Anfrage des Abg. Dr. Hötzsch (dnat.), was seiten sei, um für die Anstiftung und

Förderung des polnischen Aufstandes in Oberschlesien

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überwiegend in den höheren Regionen zu suchen. Der Tätigkeit der

Arbelterausschüsse werden auch bei der Verfolgung der Eisenbahn⸗

diebstähle von den Direktionen Knüppel zwischen die Beine geworfen.

Hoffentlich wird der Minister se. es der Abg. Dr. Seelmann