1919 / 237 p. 7 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 16 Oct 1919 18:00:01 GMT) scan diff

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derteldigen ist und der auch nach außen hin nicht gerade einen günstigen Eindruck machen würde.

Ich bin, wie ich wiederholt erklärt habe, für den sehr versich⸗ tigen Abbau der Zwangswirtschaft. Wir müssen heute bei den großen Valutadifferenzen um so vorsichtiger sein, weil wir mit Anlehnung des Preises im Inland an den Auslandsmarkt plus Valutadifferenz eine außerordentlich ungünstige Preislage bekommen. Das muß ver⸗ mieden und beim Abbau der Zwangswirtschaft vorsichtig in Rechnung gestellt werden. Wo es aber möglich ist, schließlich zur freien Wirt⸗ schaft ohne Gefahr zurückzukehren, da will ich es tun und habe daher schließlich auch diese Anordnung getroffen. Ich glaube, daß wir es aufrecht erhalten können auf dem Gemüsemarkt, auf dem Obstmarkt. Wir haben hier eine gewisse freie Bewirtschaftung durchgeführt. Wir werden in der Einfuhr gewisser Rohfabrikate auch möglichste Frei⸗ heit gestatten und werden andererseits in der Ausfuhr eine starke Begünstigung eintreten lassen.

Das ist im wesentlichen der Gesichtspunkt, von dem aus die Wirtschaftspolitik geleitet sein muß. Deshalb glaube ich, daß wir, so unangenehm die Erscheinungen auf dem Ledermarkt sind, dennoch eine Zeitlang mit zusehen müssen, wie sich die weitere Marktlage ge⸗ staltet. Wird keine Besserung eintreten, zeigt sich wirklich, daß der Zustand unerträglich ist, dann müssen wir sehen, ob wir eins von den Mitteln, die ich hier vorgeschlagen habe, die ich noch einmal mit dem Volkswirtschaftlichen Ausschuß besprechen will, in Erwägung ziehen. Gegennärtig aber verspreche ich mir nichts davon, wenn wir schlankweg die gegenwärtige Wirtschaft wieder in eine Zwangsorga⸗ nisation zurückführen, weil dafür die Voraussetzungen nicht gegeben sind und weil die freie Wirtschaft gerade auf diesem Gebiete, wo die Verhältnisse ganz eigenartig liegen, doch auch manche Vorteile und manchen Nutzen zeitigt. Die Nachteile recht erheblicher Art für die Konsumenten müssen leider unter den gegenwärtigen sehr ungünstigen

wirtschaftlichen Verhältnissen getragen werden und lassen keine öPPDgom 15 Hisber 1919 8 (Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger.)

Am Regierungstisch: die Reichsminister Erzberger, Müller, Dr. Bell und Schlicke.

Präsident Fehrenbach eröffnet die 1 ¼ Uhr.

Auf der Tagesordnung steht zunächst die erste und zweite Beratung des deutsch⸗polnischen Vertrags über die Entlassung festgehaltener Personen und die Gewährung von Straffreiheit.

Reichsminister des Aeußern Müller: Meine Damen und Herren! Der vorliegende Entwurf des Gesetzes, betreffend den deutsch⸗polnischen Vertrag über die Entlassung festgehaltener Personen und die Gewährung von Straffreiheit ist eine Ergänzung des Friedensvertrages, mit dessen Inkrafttreten nun bald zu rechnen sein wird. Im Artikel 92 des Friedensvertrages ist im Schlußabsatz ausdrücklich vorgesehen, daß solche Ergänzungtabkommen geschlossen werden. Wenn wir bereits vor Inkrafttreten des Friedensvertrages mit Polen in Abmachungen über die in Betracht kommenden Fragen getreten sind, so liegt das daran, weil wir ein besonderes Interesse daran haben, daß die Abwicklung der Verhältnisse in den östlichen Abtretun sgebieten möglichst glatt von statten geht. So schmerzlich uns der Verlust reindeutscher Mitbürger ist, die, ohne vom Eelbstbestimmungsrecht Gebrauch machen zu können, an Polen abgetreten werden, so haben wir doch ein Interesse daran, daß möglichst bald kocrekte Verhältnisse zu unseren polnischen Nachbarn entstehen.

Die Verhandlungen, die bereits im August begannen, sind auf einige Zeit durch den Putsch unterbrochen worden, der in Oberschlesien stattgefunden hat, und konnten erst, nachdem sich wieder eine gewisse Atmosphäre heraus ebildet hatte, wieder in Gang ge racht werden. Aber in ihrer Gesamtheit leiden die Verhandlungen unter der Spannung, die vorhanden ist, weil eine Reihe von Staatsangehörigen beider vertragschließenden Staaten sich wegen Betätigung im Zu⸗ sammenhang mit den nationalen Bewegungen in den Grenzprovinzen in Haft befinden, weil ferner eine Reihe von Staatsangehörigen aus Oberschlesien bekanntlich im Zusammenhang mit dem Putsch ge⸗ flüchtet sind und sich zum Teil längere Zeit jenseits der polnischen Grenze aufgehalten haben, zum Teil noch dort aufhalten.

Weiter keommt aber für uns in Betracht, daß der Kriegs⸗ gefangenenaustausch zwischen der deutschen Republik und Polen noch nicht vollzogen ist, daß nicht nur in Deutschland Kriegsgefangene vorhanden sind, die anläßlich des oberschlesischen Aufstands gemacht worden sind, sondern daß noch von der Kriegszeit her Deutsche sich in Gefangenenlagern jenseits der polnischen Grenze befinden. Alles das hat uns veranlaßt, dafür einzutreten, daß dieser Vertrag zustande kommt, und wir sind debhalb zum Abschluß dieses Sonderabommens gelangt, noch bevor der Friedensvertrag in Kraft tritt.

Die Artikel 1 bis 5 des vorliegenden Entwurfs behandeln nun die Entlassung der fesigehaltenen Personen. Es kommen dabei in Betracht die Personen, die an Kampfhandlungen teilgenommen haben, und Personen, die als Geiseln verschleppt worden sind, und endlich die Schutzhäftlinge, die alle „usammen mit den Kriegsgefa genen auf Grund dieses Vertrags ihre Freiheit wiedererlangen sollen. Aus⸗ geschlossen sollen von der Vergünstigung der Entlassung nur diejenigen Strafgefangenen und Häftlinge sein, die wegen eines gemeinen Ver⸗ brechens festgesetzt sind oder verfolgt werden. Die Entlassenen sollen nach f eier Wahl in ihre Heimat zurückkehren dürfen oder sich nach einem anderen Ort begeben können. Die beiderseitigen vertrag⸗ schließenden Staaten haben dafür zu sorgen, daß diese Heimkehr ordnungsgemäß erfolgen kann. Im übrigen ist zur Ueberwachung des Vertrages nach Art. 11 eine besondere Kommission vorgesehen.

Die Artikel 6 bis 9 regeln die Frage der Amnestie. Alle vor Inkrafttreten des Vertrages begangenen strafbaren Hancelungen, die auf militärische, politische oder nationale Betätigung zurückzufühten sind, werden von diesem Vertrage getreffen, einerlei, wie lange diese strafbaren Handlungen zeitlich zurückliegen. Es kommen nicht nur die Strafhandlungen in Betracht, die in den Abtretungs⸗ und Ab⸗ stimmungsgebieten begangen worden sind. Auch die Amrnestierten sollen nach Art. 8 volle Bewegungsfreiheit erhalten.

Für die Regelung der Einzelheiten und legung des Vertrages sollen besonrere Kommissionen

rden. Es ist vorgesehen, daß in diesen Kommis

Sitzung nach

über die Aus⸗ eingesetzt en von

des Haushalts der Reichs⸗Post⸗und Telegraphen⸗

Srwvasse n arewns n.

vertra schließenden Seite je eine Person arbeitet, und daß für den Fall, daß zwischen diesen eine Uekberein⸗ stimmung nicht zu erzielen ist, ein neutraler Schiedsrichter entscherden soll. Wegen der Ernennung dieser Schhiedsrichter werden wir mit dem Schweizer Bundespräsidenten in Verbindung treten.

Der Vertrag selbst tritt mit dem Austausch der Ratifikations⸗ urkunden in Kraft. Es hat aber eine Abrede stattgefunden, nach der auch vorher schon mit der Entlassung der Fest ehaltenen begonnen wird. Das ist zum Teil schon geschehen. Die zu Amnestierenden können allerdings vorher nicht in den Genuß der Vergünstigungen des Vertrags kommen, weil dazu erst der Vertrag selbst geschlossen sein muß. Nach der Verfassung bedarf jr eine Amnestie der gesetz⸗ lichen Regelung, und aus diesem Grunde ist auch die Gesetzesform gewählt worden, die außerdem notwendig war, weil die in Art. 11 vorgesehenen Bindungen für die Beamten der beiderseitigen Staaten maßgebend sein müssen.

Wir hoffen, daß dieser Vertrag die frledlichen Beziehungen des polnischen und des deutschen Volkes fördern, die uns durchaus not⸗ wendig erscheinen, da wir nun einmal geographisch dazu bestimmt sind, Nachbarn zu sein. (Bravo!)

Abg. Haußmann (Dem.): Ich bin vom auswärtigen Au schusse beauftragt worden, mitzuteilen, daß der Ausschuß heute frü⸗ den Vertrag bereits in Behandlung genommen hat. Er hat die staatlichen und rechtlichen Verhältnisse geprüft. Er ist zu der Ueber⸗ zeugung gekommen, daß der Vertrag dringlich ist, well er das Leben und die Freiheit zahlreicher Angehörigen unserer Staaten und des Gegenkontvahenten berührt. Die Beratung im Ausschuß hat ergeben, daß ein Grund zur Beanstandung des Vertrages nicht vorliegt. Der auswärtige Ausschuß ist auch der Ansicht, daß die Durchberatung des Vertrages auch in zweiter und dritter Lesung heute schon vo genommen werden kann. Im übrigen kann ich mich auf den Inha der an die Deutschen in den mit Abtvretung bedrohten Grbieten ge⸗ richtet worden ist.

Damit schließt die erste Lesung. Der Vertrag wird sodann sofort in zweiter und dritter Lesung ohne weitere Aus⸗ sprache endgültig verabschiedet.

Hierauf folgt die Fortsetzung der zweiten Beratung des Entwurfs des Staatshaushaltsplans für 1919.

Der Haushalt des Reichspräsidenten wird ohne Aussprache bewilligt.

Sodann wird die am Sonnabend abgebrochene Beratung

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verwaltung fortgesetzt.

Abg. Beuermann (D. V.): Vor dem Kriege war unsere Post die beste der Welt. Zwingende Pflicht der Postverwaltung ist es, namentlich bei der ungeheuerlichen Steigerung der Postgebühren, alles zu tun, um jeden Fortschritt des Verbehrs auszunutzen. Die Postverwaltung hätte sich aus den Heeresbeständen ein so reichliches Material an Autos sichern müssen, daß man den Automobilverkehrl bis in die entlegensten Dörfer hätte führen können. Auch hätte man genügend Flugzeuge für den Postvertrieb übernehmen müssen. Der Luftpostverkehr zwischen Weimar umd Berlin ist wegen Mangels an Betriebsstoff wieder eingestellt worden. Man hätte sich unter allen Umständen, und sei es durch Schiebereien, genügend Betriebsmitte verschaffen müssen. Unerträglich ist für den Verkehr die Verzögerung der Telegramme und der Ferngespräche. Eine bessere Kontrolle säumiger Telephonistinnen und Telegraphenboten wäre angedracht, andererseits müßte das Publilum selbst zur Selbstzucht, erzoge: werden. Berlin hatte vor dem Kriege durchschnittlich täglich 90 00, Telegramme zu bearbeiten, Ende September waren es täglich 161 000 wievien Ueberflüssiges und Unsinniges mag darin emthalten sein. In Dresden wurden vor dem Kriege täglich 140 000 Telephongespräche geführt, jetzt 240 000. Es ist eine direkte Schädigung des Verkehrs, wenn man die überlasteten Betrie smittel so übermäßig benutzt. Die Postdiebstähle durch scharfe Kontrolle unmöglich gemacht oberkontrolle von ehedem das Wort

Es darf nicht vorkommen, daß Leute, die 80 000

n wollen, nur mit einer Ordnungsstrafe von 15 be⸗ aft werden. Hier muß ein scharfer Wind stehen. Auf der anderen Seste müssen aber die Gehälter der Postbeamten aufgebessert werden. Zwischen dem Postministerium und den Beamtenoroanisationen be⸗ steht fetzt ein outes Verhältnis; nur in Beulin scheint es nicht ganz äuß h müssen obmne Rücksicht auf ihre politische Anschauung befördert Sehr richtig!) Die unteren Posth amten klagen darüber, b fte, die keine höhene Bildung haben als sie selbst, in den mittleren Postdienst ein⸗ gestellt werden. In den oberen Beamternstellen besteht ein Stag⸗ nieren in der Aufrückung. tzten Gebiete kommenden Beamten muß maon zunächst bei der Neubesetzung von Siellen bo rücksichticven und Wohnungen für sie beschaffen. Bei dem Bau der Postgebäude könnte noch mehr Sparsamkeit berrschen. „Die Auto halle, die die Post errichtet, wird rund zwei Millionen Mark kosten. Dagegen ist es Vandalismus, wenn

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äußerung außerhalb des Dienstes haben un Cen; v8 88 Die aus dem b

schöne Postoebäudefassaden dadurch ruiniert wenden, doß man die alten Wappenschilder aus ihnen herausschrägt. (Beifall rechts.)

Abg. Zubeil (U. Soz.): Noch heute besteht bei der Post der alte Bureaukratismus. Der Aufstieg der unteren Beamten ist immer noch sehr erschwert. Trotz der theoretischen und praktischen Kenntnisse, die sie im Laufe vi ler Jahre erworben haben, werden ihnen Militär⸗ anwärter vielfach vorgezogen. In seiner eisten Programmrede in Weimar hat der Reichskanzler gesagt, die freie Bahn dem Tüchtigen muß auch über die Schranden hinwegführen, die höhere, mittere und untere Beamte bisher geschieden haben. Das sind schöne Worte, denen aber bei der Post die Taten noch nicht gefolgt sind. Es werden Kriegs⸗ teilnehmer eingestellt unter Zurücksetzung der Beamten, die Jahrzehnte im Dienste tätig gewesen sind. Wir haben nichts dagegen, daß Kriegs⸗ teilnehme r eingestellt werden; aber die Herren müssen dann von vnten auf dienen und nicht, wie z. B. Hauptleute, in kurzer Zeit in mittlere Beamtenstellen einrücken. Das muß verbittern und die Arbeitsfreudig⸗ keit, die gerade jetzt so notwendig ist, unterdrücken. Wir haben auch im Postbetricbe mnoch alt verknöcherte Bureaukraten. Hien muß rück⸗ sichtslos eingegriffen werden. Wenn sie sich nicht fügen können, müssen sie aus den Aemtern entfernt werden. Wir wollen abwarten, wie die Personal⸗ und die Besoldungsreform vom jetzigen Minister durch⸗ geführt werden wird. Seit dem 1. Oktober ist ja im Postwesen eine größere Verteuerung eingetreten. Wir wollen hoffen, daß die Post⸗ verwaltung wieder zur alten Pünktlichkeit und Zuperlässigkeit zurück⸗ kehrt. Im Talephonbetrich ist heut. geradezu eine Lotterwirtschaft ein⸗ gerissen. Es darf nicht vorkommen, daß, wenn ein sehr dringendes Ge⸗ spräch angemeldet wird, man wach stundenlangen harten den Bescheid erhält, daß man noch sehr lange warten müsse ehe n verbunden werden kömme. Auf vielen Aemtern ist das Aufsichtspersenal viel zu zahlreich. Gerade in der jetzigen Zeit müßten doch alln Kräfte an⸗ gespannt werden, um aus den traurigen Verhältnissen herauszukommen. An Arvcitsrersonal baben wir jetzt einen Mangel, während die Auf⸗ sichtsbeamten zu reichlich vorhanden sind. Hoffentlich geschieht hier bald eine durchgr ifende Aenderung. In keinem anderen Beteiche ist das Aufsichtspersonal so zahlreich wie bei der Post. Das Gehalt der unteren Beamten ist vielfach unzureichend, so daß sich die Leute nicht einmal die rationierten Lebensmittel kaufen können. Da braucht man sich nicht

11“ Hungerlöhne, die bis jetzt bei vorherrschten, en ein allemal abgeschafft werden. ngszulagen, Ennschuldungs⸗ summen usw. hat man sich hafen wollen; das sind aber alles ungenügende Aushilfsmittel. Die Gehalter der Wamentschaft müssen von Grund auf aufgebessert werden. Anfangs⸗ und Endgehälter müssen bedeutend erhöht werden. Warum sind den Pensionären nicht ebenfalls An⸗ schaffungsbeihilfen gezahlt worden? Auch die Posthalten müssen in ihren Bezügen bedeutend aufgebessert werden. Wie kann eine Behörde in der jetzigen teueren Zeit eine Vergütung von 50 bis 60 Pfennige pro Stunde den Beamten anbieten? Bei den 41 Postkrankenkassen, die wir haben, gibt es nur zwei mit einem kleinen Ueberschuß; alle übrigen haben Zuschüsse im Betraͤge von über eine Million Mark. Diese Zuschüsse müssen selbstwerständlich durch erhöhte Beiträge der Beamten aufgebracht we Es muß streng darauf geachtet werden, daß eit kein Mißbrauch getrieben wird. So werden z. B. Sachen frei befördert mit dem Stempel: „Heeressache, betrifft Einwohnerrehr“. Nach der Erklärung des Herrn Reichskanzlers Bauer gehören die Einwohnerwehren nicht zur Reichswehr, daher haben sie auch nicht das Recht auf freie Beförderung ihrer Korrespondenz. Auch sonst werden viele Privatsendungen unter Mißbrauch der Portofreiheit unentgeltlich befördert. Hier muß genau kontrolliert werden. Die VB. r⸗ fassung stellt die weiblichen Beamten den männlichen vollkommen gleich. Aber abgesehen davon, daß sie nicht im gleich stehen, ist es den

weilllichen Beamten verboten, im Dienst zu bleiben, wenn sie heiraten. Das ist eine Beugung der Versassung. m unsere Genossen Haase und Cohn an das Telephon treten, wird sofort die Nebenleitung ein⸗ geschaltet, und sie werden bespitzelt. Es ist ein Skandcl, daß die Reicks⸗ postbehörde ihre Beamtinnen zu solchen Spitzeldiensten erzieht. Zu einer für gestern von den unabhängigen sozialdemokratischen 8

8 ; F. 7 tro 2 ;rSnr beamten in Berlin berufenen Versammlung wurden als Einladung *

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Neumann stellte einen Beamten, der diese Handzettel vertei t., mit Aeußerungen zur Rede, die ich hier nich wiedergeben kann. Das ist ein Bruch der verfassungsmäßigen Rechte der Bamten. Für den ersten deulschen evangelischen Kirchentag in Dresden im September wurde angeordnet, daß den Gesuchen der Postbeamten um Urlaub zur Teil⸗

ob die B amten zu dem Parteitag der Unabhängigen Sozialdemokraten in Leipzig im November Urlaub erhalten werden. Von dem phon⸗

Vollzugsrat der Arbeiter⸗ und Soldatenröte in Berlin werden Tele 2[1„ elm schwunden sein sollen. Der Minister sich nur bei der Reichs⸗ wehr erkundigen, die dort ausgeräumt hat, wol grate 8 kommen sind. Schließeich frage ich den Minister, ob es richtig ist, ß bei der Beletzung der höheren Beemtenstellen fast ausnahmolos

en bevorzuat werden, die in religiöser und politischer Beziehung

2. des Ministers cehören. Abg. Steinkopf (Soz.): Ich habe mich dieser Tage vavon überzeugen können, daß in den großen Verkehrszentren, auf dem Paket⸗

früher vorhanden ist. Das Personal leistet sein Menschenmöglichstes. nicht mehr durch die Bahn befördert. Die Beweggründe für die Ar⸗ beitsunlust lagen namentlich in der schlechten Besoldung, in den unge⸗ nügenden Lebensmitteln, den dauernd steigenden Preisen und namentlich in der Ungewißheit über die kommende Personalreform. Die Unter⸗ scheidung in untere, mittlere und höhere Beamten muß beseitigt werden. Auch könnten die übertrieben vielen Prüfungen in Wegfall kommen, man sollte, wie in Baden, an die Stelle der Prüfungen den Nachweis einer gewissen Bewährungszeit, vielleicht von einem Jahre, setzen; dann könnten auch außerordentliche Beförderungen vorgenommen

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durchaus an, wie sie in der Verfassung niedergelegt ist. Bei fungen ist den Kriegsbeschädigten besonderes Entgegenkommen zu ge⸗ währen. Pot

räte einführen will. Auch ich trete für der. Beamten ein, soweit es sich nur m

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den Prü⸗

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baren läßt. Die Unterdrückung sozialistischer Beamten muß aufbören. Immer wieder sieht man, wie diese Beamten auf irgend eire Weise, z. B. durch Versetzung, unschädlich gemach werden. Das kann unter keinen Umständen geduldet werden. ob sie dem Zentralverband angehören. schnüffelei muß auf jeden Fall unterbleiben. über den Oberpostdirektor in Leipzig zugestellt worden. vort hat, Ehefrau eines Unterbeamten während des Krieges ein Café über⸗ nommen. Jetzt ist der Mann aus dem Kriege zurückgekehrt, und nun soll es nicht vereinbar mit seinen Dienstpflichten sein, daß seine Frau einen solchen werbenden Betrieb hat. das Es gibt keine Bestimmung, wonach der Frau eines Beamten das ver⸗ boten ist. Meine Fraktion wünscht, daß bei der kommenden Be⸗

sie während des Krieges verloren haben. offen, daß die Post beamten bei der Personalreform bezüglich der Möglichkeit ihres Auf⸗

daß sowohl die Postvenwalter als auch die Beamten ihr Bestes her⸗ geben werden zum Wohl des deutschen Vaterlandes. 8

Abg. Koch⸗Münster (Zentr.): Auch wir hoffen, daß die Post⸗ verwaltung ihre alte Höhe wieder erreichen wird. E dafür g. sorgt werden, daß die Beamten sich heraufarbeiten können. Wohl in keinem Betriebe haben die Beamten während des Krieges durch schlechte Ernährung so viel gelitten wie bei der Post, so daß man sich erklären kann, daß

Pflickttreue und die alte Arbeitsdisziplin zurückkehrt. In Artikel 159 der Verfassung wird jedem einzelnen die Vereinsfreiheit gewährt. Auf Grund dieses Artikels nimmt ein großer Teil der Beamtenschaft das Streikrecht für sich in Anspruch. Wir müssen das Operieren mit dem Streik in der heutigen Zeit ganz entschieden zurückweisen. Denxa .

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durch wird die Versorgung unserer Bevölkerung in Frace gestellt.

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enstfreudigkeit zurückkehren, die zum Wiederau 1 chaft aötig sind. Die Personalreform, die uns vom Ministerium in Aussicht gestellt worden ist, soll ja dazu dienen, ein arbeitsfreudiges Beamtentum zu schaffen. Es ist zuzugeben, daß die Personalverhälit⸗ nisse äußerst ungeordnete, unbefriedigende sind. Wir haben in den

fbau unserer Wirt⸗

jede Aufstiegsmöglickkeit fehlt. Die unteren Beamten können zu mittlexren Beamten aufsteigen, trotzdem es doch unter diesen manche tüchtige Menschen gibt, denen es leicht möglich wäre, sich in die mittleren Stellen hinaufzuarbeiten. staltung der Personalverhältnisse unbedingt die Mitwirkung des Be⸗

Stellen befördert werden können. Leider ist es zurzeit nicht möglich, weil es an den nötigen Stellen fehlt. Auch ich bin dafür, daß die unteren Beamten in die Stellen der mittleren Beamten aufsteigen können. Es dürfen nicht zu viel Militäranwärter angenommen werden als mittlere Beamte, sonst haben die unteren Beamten das Nachsehen: das würde zur Unzufriedenheit führen.

daß eine Neuordnung der Besoldungen aus mancherlei Gründen not⸗ wendig ist. Es ist richtiger, wenn hier das Reich vorgeht. Die Ein⸗ zelstaaten haben dann ein Vorbild. Eine baldige Erledigung der Be⸗ soldungsreform ist auch notwendig mit Rücksicht auf die große Zahl von Beamten, die in den Ruhestand treten wollen, und auch mit Rück sicht auf die Versorgung der Hinterbliebenen von Beamten, die bald sterben sollten. Die Teuerungszulagen müssen aufhören, an ihre Stelle müssen geordnete Bezüge treten. Die 118 000 Unterbeamten hahen

zu wundern wenn Unehrlichbeiten im Postbetriebe vorkommen, Die

.— (Fortsetzung in der Zweiten Beilage.

leine Handzektel unter den Beamten verteilt, der Oberpostinspektor

nahme on dieser Versammlung zu entsprechen sei. Wir sind gespannt,

b apparate zurückgefordert, die bei einer Ausräumung in den Zelten ver⸗

wohin die Apparate ge⸗

postamt wie auf dem Haupttelegraphenamt, die Arbeitslust wieder wie

Telegramme werden wieder durchweg auf telegraphischem Wege und

werden, wobei den Beamtenausschüssen das Vetorecht zustehen muß. Meine Partei erkennt die Gleichberechtigung der weiblichen Beamten

Wir begrüßen es, daß der Postminister die Beamtenbetriebs⸗ volle Mitbestimmungsrecht

1 stellung bekommen. der Beamtenstellung verein⸗

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So sind Beamte gefragt worden, Eine solche Gesinnungs⸗ Es ist mir eine Klage Dort hat die

Was geht die Behörde das an?

soldungsordnung Postdirektoren die Dienststellen wieder erhalten, he. Wir hoffen, daß die Post⸗

sti ges in höhere Stellen aufriedengestellt werden, und sind überzeugt,

teilweise in diesem Beamtenkörper eine gewisse Arbeitsunlust vorberrscht. Doch ist zu hoffen, daß auch hier die alte

eamtenschaft muß restlos zur alten Pflichterfüllung, Pflichttreue und 1

teil werde, die ihnen gewissermaßen als Aussteuer dienen soll. oberen Stellen zuviel Beamte, so daß den vielen mittleren Beamten

e wird bewilligt.

Auch wir wünschen für die Ge⸗

amtenbeirates. Auch ich bin dafür, daß die mittleren Beamten in obere

Der Reichsfinanz⸗ minister hat in voriger Woche zugesagt, daß vom 1. April 1920 ab eine neue Besoldungsordnung eintreten soll. Auch ich möchte betonen,

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(Fortsetzung aus der Ersten Beilage.)

g 21 . 2 WEE“ 1“ 8 1 im Durchschnitt nur ein Gehalt einschließlich der Teuerungszulagen

von 1700 Mark, sie stehen also schlechter als die Arbeiter. Dabei sind die Löhne der Arbeiter keinesfalls zu hoch. In dem Vorwurf der Be⸗ gehrlichkeit gegen die Beamten sollte sich die Presse also Zurückhaltung aufer gen. Die Besoldungsreform muß die Gehälter verwirklichen und ausgleichen. Die Maschinenwärter möchten die Bezeichnung Ma⸗ schinenführer oder Maschinisten erhalten. Um die Personalreform in geeigneter Weise durchführen zu können, müssen mehr etatsmäßige Stellen geschaffen werden. Die Landbriefträger, Postboten usw. müssen im Gehalt aufgebessert werden. Redner tritt weiter für Ein⸗ schränkungen in den Dienstwohnungen der oberen und Verbesserungen in den Dienstwohnungen der unteren Beamten ein und bemängelt schließlich die neue Dienstanweisung für die Unterbeamten.

Hierauf nimmt der Reichspostminister Giesberts das Wort, dessen Rede wegen verspäteten Eingangs des Steno⸗ gramms in der nächsten Nummer d. Bl. im Wortlaute wieder⸗ gegeben werden wir

Abg. Remmers (Dem.): Schon die milde Tonart des Redners der Unabhängigen läßt die Bedeutung des Systemwechsels auch für die Postverwaltung erkennen. Wir sehen, wo der Hebel an⸗ zusetzen ist, um eine zufriedene Beamtenschaft zu schaffen. Trotzdem kann der Minister an den vwielen hier geäußerten Wünschen erkennen, daß noch viel zu tun übrig bleibt. Die Beamtenschaft rechnet damit, daß die bevorstehende große Reform ihr das bringen wird, was sie seit Jahrzehnten vergeblich anstrebte. Vom Betricbsrätegesetz hoffen auch wir, daß es den Erwartungen der Beamtenschaft entsprechen wird. Dabei ist das Mitbestimmungsrecht zur Kardinalfrage ausgewachsen. Mit Teilmaßnahmen ist nichts getan. Die Beamtenausschüsse müssen auf reichsgesetzliche Grundlage gestellt werden. Die Organisationen der Beamten und Arbeiter müssen ihr Tätigkeitsgebiet unter sich ab⸗ grenzen, eine Einmischung des Transportarbeiterverbandes muß unter⸗ bleiben. Die Postverwaltung ist aus einer Ueberschußverwaltung zu einem Betriebe geworden, der Zuschuß erfordert, deshalb sind ein⸗ schneidende Betriebsreformen notwendig, in deren Gefolge Betriebs⸗ vereinfachungen eintreten müssen. Damit eröffnet sich für große Massen der Unterbeamten die Möglichkeit, in höhere und besser bezahlte Stellen einzurücken. Wenn man die neue Dienstanweisung betrachter, so kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, daß durch die Tausende bis ins kleinste gehenden Vorschriften der Betrieb un⸗ gemein erschwert statt erleichtert wird. Alles wird reglementiert, und den Wamten bleibr keine Initiative. Den Unterbeamten darf nicht mehr zur Pflicht gemacht oder es darf ihnen nicht mehr nahegelegt werden, ein besonderes offiziöses Organ der Reichspostverwaltung zu abonnieren. Schließlich hat die Verwaltung noch die Deutsche Verkehrszeitung, durch welche sie sich mit den Beamten in Ver⸗ bindung setzen kann. Durch die Beseitigung dieses offiziösen Organs würde das letzte Erinnerungszeichen an frühere Differenzen aus⸗ geschaltet werden. Die Ueberführung in planmäßige Stellen darf nicht von allgemeinen Etatsfragen abhängig gemacht werden, jeder Beamte muß nach zehnjähriger Dienstzeit Aussicht auf feste An⸗

Abg. D. Mumm (D. Nat.): Das Kapitel der Wohnungsfrage, das heute nur leise gestreift worden ist, kann auf dieser Welt wohl nur unvollkommen gelöst werden. Trotzdem müssen wir versuchen, die furchtbaren, immer mehr steigenden Mißstände zu beseitigen. Es ist hbeute schlimmer als früher; wir sehen noch gar nicht, wie irgend eine Besserung kommen kann. Gerade die Postverwaltung hat auf diesem Gebiete besonderen Schaden. Es muß alles getan werden seitens der Postverwaltung, hier Besserung zu schaffen. Die Ansiedlung muß möglichst gefördert werden. Die Initiative des Reichspostministers kann nicht stark genug sein, um seinen Beamten Wohnungen zu schaffen und die Seßhaftigkeit der unteren Beamten zu verbessern. Wie viele Wohnungen werden den Deutschen weggenommen durch die Unmenge von lästigen Ausländern aus Rußland und aus Ungarn! Könnte man dagegen nicht etwas kräftiger vorgehen? Wenn viele dieser Leute durch falsche Pässe usw. zu uns herübergekommen sind, dann geschieht ihnen gerade unter dem Gesichtswinkel des Christentums kein Unrecht, wenn sie wieder in die Heimat zurückgebracht werden. Ich wäll nicht, daß ehwas g schieht, was mit Humanität nicht in Einklang gebracht werden kann. Wenn man ober sieht, wie Tausende und Abertausende dieser Ausländer in Berlin weilen und anderen die Wohnungen wegnehmen, dann ist es notwendig, hier envwas kräftiger vorzugehen. Es ist keineswegs immer die Bequemlichkeit, die zu der heillosen Kinderbeschränkung führt. Es muß Lerüagsichtgt werden, daß vwiele unverheiratet bleiben, um eine alte Mutter zu versorgen, um jüngeren Geschwistern eine bessere Ausbildung zu geben usw. Im Interesse der Bevölkerungspolitik muß auch die Frage des Familienstandes berücksichtigt werden. Es dürfen nicht zuviel ver⸗ heiratete Frauen bei der Post angestellt sein. Bei der Doppelstellung der Frau als Beamtin und Hausfrau leidet unbestreitbar der eine oder andere Beruf. Es muß guch dafür gesorgt werden, daß nicht eine 81 große Zahl von Angestellten vorhanden ist, die nicht in einem Beamtenverhältnis stehen. Es ist nötig, daß der rechte Geist in der Beamtenschaft gepflegt wird. Aber nicht nur die technischen Kennt⸗ nisse müssen gepflegt werden, sondern auch der alte Beamtengeist der Pflichttreue, der vollen sachlichen Hingebung, der begründet ist auf veligiösem Wesen.

Reichsminister Giesberts teilt in einer Erwiderung mit, daß den weiblichen Angestellten vor ihrer Verheiratung eine Ablösung ihrer Ansprüche in Form einer einmaligen größeren Zuwendung zu⸗

Damit schließt die Aussprache. Der Haushalt der Reichspost⸗ und Telegraphenverwaltung

Der Präsident teilt darauf mit, daß die Aussicht, am 25. Oktober schon eine längere Pause eintreten zu lassen, sich als unerfüllbar erwiesen habe. Dem Hause stehe noch ein umfangreiches und sehr bedeutungsvolles EE1“ Wenn es irgend möglich sei, wolle man am 30. Oktober die Pause eintreten lassen, die dann etwa auf 14 Tage sich bemessen würde. Das Reichsfinanz⸗ ministerium lege den allergrößten Wert darauf, daß die Reichsabgaben⸗ ordnung noch bis dahin verabschiedet werde, der Aeltestenausschuß habe sich diesem Wunsche angeschlossen. Ob auch das Reichsnotopfer noch erledigt werden könne, begegne lebhaften Zweifeln. Cebhaftes Sehr richtig!) Die Zeitwerschwendung, die an einzelnen Tagen in üppigsher Weise in die Höbe geschossen sei (sehr richtig!), entspreche

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hen Reichsanzeiger und Preu

nach dem Empfinden des Aeltestenausschusses nicht der Würde des Gauses und finde auch draußen keinerlei Anklang. Das zu be⸗ wältigende Thema sowie die noch vor Weihnachten zu erledigenden Vorlagen bedürften angespanntester Arbeit und Beschränkung auf wirklich große Gesichtspunkte.

Nächste Sitzung Donnerstag, 1 Uhr (Ausschußantrag über Bildung von Unterausschüssen des Untersuchungsausschusses, Interpellation der Deutschnationalen, betr. Schu dliteratur und Etat des Innern). 6 .

Schluß 6 Uhr.

Die Beigeordneten halten wir für durchaus nöti. Die Beiräte sollen

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Zweite

Berlin, Donnerstag den 16. Oktober

Preußische Landesversammlung.

95. Sitzung vom 15. Oktober 19190.

GBericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger.) Am Regierungstische: di

. Staatsminister Hirsch, Dr. Südekum und Braun.

Präsident Leinert eröffnet die Sitzung nach 12 ¼ Uhr.

Es stehen die Entwürfe eines Nachtrags und eines zweiten Nachtrags zum Staatshaus⸗ haltsplan für 1919 und einer Ergänzung der Ge⸗ setze, betreffend die vorläufige Regelung des Staatshaushalts für 1919, zur zweiten Beratung.

Berichterstatter Abg. Dr. Schmedding (Zentr.): Durch die zuletzt aufgeführte Vorlage wird die vorläufige Regelung des Staats⸗ haushalts auf die Monate Oktober, November und Dezember 1919 ausgedohnt. Der zweite Nachtrag fordert 36 Millionen ordentliche Einnahmen und 31,4 dauernde und 5,3 Millionen einmalige Ausgaben an. Unter den Ausgaben sind 30 Millionen mehr zur Verzinsung für Schatzanweisungen ausgeworfen, außendem als Vergütung der sechs parlamentarischen Unterstaatssekretäre 120 000 und als Vergütung der Beiräte in den einzelnen Ministerien 72 000 ℳ. Unter den ein⸗ maligen Ausgaben sind 720 000 für Landgewinnungsarbeiten als Notstandsarbeiten an der ostfriesischen Küste ausgeworfen.

Abg. Graef⸗Anklam (D. Nat.): Der Nachtragsetat, der die Kosten für das Volkswohlfahrtsministerium in den Haushaltsplan ein⸗ gliedert, und also nur noch formale Bedeutung hat, findet ebenso unsere Billigung, wie der dritte Entwurf, dieser auch hinsichtlich der Erhöhung der Schatzanvreisungskredite von 10 auf 15 Milliarden. Diese Erhöhung bedeutet eine erneute ernste Mahnung zur Sparsamkeit, denn nur mit Grauen kann man an die weitere Entwicklung unserer Staatsfinanzen denken. Wir begrüßen auch ganz besonders die Be⸗ stimmung in diesem Entwurf, wonach Ergänzungssteuerpflichtige von der Erhebung des für die Zeit vom 1. Oktober 1919 bis Ende März 1920 vorgesckagenen Aufsschlage von 100 Prozent auf die Zu⸗ schläge ganz oder teilweise verschont bleiben sollen, wenn das steuer⸗ pflichtige Vermögen nicht mehr als 52 000 beträgt und der Steuer⸗ pflichtige auf den, Ertrag aus diesem Vermögen im wesentlichen ange⸗ wiesen ist. Wir bitten den Finanzminister, davon möglichst weit⸗ gehend Gebrauch zu machen, denn es handelt sich da um den Schutz der kleinen Rentner, die durch die Verteuerung der Lebenshaltung weitaus am schwersten getroffen werden. Der zweite Nachtragsetat enthält einige Posten, die wir nicht bewilligen können. Eine Nach⸗ forderung für den Haushalt der preußischen Regierung verlangt Ver⸗ gütungen von je 20 000 für sechs parlamentarische Unterstaats⸗ sekretäre und von je 12 000 für sechs ministerielle parlamentarische Beiräte. Für die ersteren wird geltend gemacht, daß die Regierungs⸗ parteien ihrer nicht entraten können. Diese parlamentarischen Unter⸗ staatssekretäre werden mit der Austragung des gogenseitigen mehrheits⸗ parteilichen Mißtrauens vielleicht derart in Anspruch genommen sein, daß sie den sonstigen Pflichten eines Unterstaatssekretärs nicht genügen können. Auch ein Bedürfnis für die Beiräte können wir nicht aner⸗ kennen. Das Auskunftsmittel der Hilfsarbeiter muß da genügen, um so mehr, als ja geradezu erstaunlich ist, was für Hilfsarbeiter in den Haushaltsplan eingestellt sind. Das Kultusministerium hat nicht weniger als 10 Sozialdemokraten als Hilfsarbeiter berufen, so daß tatsächlich die Ministerien auf dem Wege sind, Versorgunas⸗ anstalten füür Parteifreunde der regierenden Minister zu werden. Die ministeriellen Beiräte sind ihrem Wesen nach eine Art unlautere Konkurrenz für die parlamentarischen Unterstaatssekretäre. Selbst deren Bewährung scheint mir fraglich geworden; jedenfalls hapert es trotz dieser Unterstgatssekretäre immer noch ziemlich mit den politischen Kontakt zwischen Regierung und Mehrheitspartei. Die Aufwvendungen für die sog. Beigeordneten bei den Behörden werden nach einer Ver⸗ ordnung vom November 1918 aus den Fonds für Geschäftsbedürfnisse bei den betreffenden Behörden bestritten. Diese Fonds werden aber nicht ausreichen, sind auch für ganz andere Zwecke bestimmt; man täuscht damit das Land nur darüber hinweg, daß ihm damit neue Lasten aufgelegt worden sind. Ein derartiges Verfahren ist völlig unzulässig. Der Hausbaltsausschuß hat ja auch erfreulicherweise be⸗ schlossen, daß aslle Zahlungen aus Staatsfonds für solche den Kreis⸗ und Kommunalbehörden beigeordneten Volksbeauftragten einzustellen sind, wenn eine rechtliche Grundlage nicht vorhanden ist. Das gilt vor allem für die den Landräten auf die Nase gesetzten Beigeondneten. Tritt das Haus dem Besckluß des Ausschusses bei, so dürfte die Tätigkeit dieser Beigeordneten ein Ende gefunden haben, da kaum anzunehmen ist, daß sie ohne Vergütung fortamtieren werden. (Zu⸗ stimmung rechts.) Unsere Voraussetzung und Voraussage, daß man

die kommunalen Finanzen den Sozialdomokraten ausliefern würde, sind eingetroffen und über

nd offen 1 der kurz oder lang wird die Regierung auf diesem Gebiete wieder eine Hilfsaktion einleiten müssen. ej

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üss (Präsident Leinert erklärt diese allgemeinen Ausführungen an dieser Stelle für nicht zulässig.)

Abg. Rischter⸗Neumünster (Soz.): Die Schaffung der parla⸗ mentarischen Unterstaatssekretäre ist deshalb erfolgt, um die Tätigkeit der Regierung zu erleichtern, und insbesondere die Tätigkeit einzelner Ministerien. Es sind aber keine Aufsichtsbeamte, die deshalb ein⸗ gesetzt sind, weil einzelne Parteien dem Minister nicht über den Weg trauen. Herr Graef wies darauf hin, daß es jetzt eine ganze Anzahl sozialdemokratischer Hilfsarbeiter in den Ministerien gäbe. Haben denn ctwa nur die Konservativen Anspruch auf diese Stelleno Im Verhältnis zur Größe der sozialdemokvratischen Partei sind es immer noch viel zu wenig sozialdemokrarische Hilfsarbeiter. Die rechte Seite des Hauses hat am wenigsten die Berechtigung, zur Sparsamkeit zu mahnen. Wir Sozialdemokvaten wissen, wie außevordentlich sparsam unter den jetzigen Verhältnissen mit dem Gelde umgegangen werden muß. Im Ausschuß ist schon so viel über das Gehalt der varlamen⸗ tarischen Staatssekretäne gesprochen worden, daß diese Angelegenbeit eigentlich erlediat sein sollte. Die Arbeiterräte sind am Anfange der Revposution durchaus notwendig gewesen und baben eine segensreiche Tätigkeit entfaltet. (Lachen rechts.) Wir stimmen den drei Gesetz⸗ entwürfen zu, ohne Rücksicht darauf, was dam die Rechte sagen wird.

Abg. Dr. Schloßmann (Dem.): Wir stimmen den Nach⸗ trägen zu und begrüßen besonders die Anforderungen für die Ein⸗ richtung des Wohlfahrtsministeriums und für die Notstandsarbeiten in Schleswig⸗Holstein. An den schlechten Verhältnissen in den Ministerien sind nur die Konservativen schuld, die anders gesinnte Leute niemals in diese Stellungen hineinließen. Natürlich müssen sich jetzt die sozialdemokratischen Anwärter erst einarbeiten. Die parlamentarischen Unterstaatssekretäre zu bekämpfen, hat die rechte Seite am allerwenigsten ein Recht. Die Unterstaatssekretäre sind in erster Linie dafür geschaffen, um zwischen den Ministerien und den 58e. eine Verbindung und Ordnung in den Ministerien zu schaffen. . .

Abg. Dr. Rosenfeld (U. Soz.): Nach unserer Auffassung sollen die varlamentarischen Unterstgatssekretäre eine Verbndung zwischen der Regieruna und dem Parlament, nicht aber zwischen der Regierung und den Mehrbeitsvarteien sein. Die Aeußerung des Vor⸗ vedners, daß die Uxe e. ctecrf dazu da sein sollen. um Ordming

in den Ministerien zu sckaffen, ist ein Armutszeugnis für die Minister.

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näte wieder hineinkämen. Die Arbeiterräte werden nicht durch die Hintertüren, sondern vorn bereinkommen und die ganze Macht über⸗ nehmen. Wir werden der Vorlage zustimmen. 3 Abg. Dr. Leidig (D. V.): Wenn nicht mehr die Minister, sondern die Unterstaatssekretäre zu entscheiden haben, würde eine völlige Umwandlung in den Ministerien eintreten. Jeder Vorwuff gegen unsere frühere Beamtenschaft ist um so mehr unangebracht, als diese sogar der jetzigen Regierung ihre Kräfte innerbalb der Ministerien widmen. Wenn die Sozialdemokraten tatsächlich der Ansickt sind, daß die parlamentarischen Unterstaatssekretäre Aufpasser und Spione gegenüber den Beamten sein sollen, möchte ich empfehlen. andere Herren dazu zu nehmen, die mehr mit der Verwaltung vertraut sind, denn sonst könnten die Beamten diesen leicht ein Schnippchen schlagen. Mein kleines und zärtliches Verhältnis zu den Arbeiterräten ist Ihnen ja bekannt. (Zuruf und Lachen.) Im übrigen haben ja die Mehrheitssozialdemokraten von Groß Berlin selbst bescklossen, die Arbeiterräte lieber heute als morgen zu beseitigen

Abg. Groef⸗Anklam: Ich möchte Herrn Richter⸗Neumünster darauf hinweisen, daß, wenn früher Leute von rechts in die Regierung berufen wurden, das nicht wegen ihrer Parteifärbung, sondern wegen ührer Tätigkeit erfolgte (stürmische Heiterkeit rechts und in der Mitte), sowie daß die Geheimräte vielfach durchaus nicht konservativ, sondern überwiegend liberal waren. (Erneute Heiterkeit.) Die Land⸗ ratsgehälter sind doch nicht niedriger als die Oberlehrergehälter, und Herr Richter⸗Neumünster wird doch nicht behaupten wollen, daß die Oberlehrer aus besonders reichen Kreisen stammen.

Die beiden Nachträge und das Ergänzungsgesetz werden darauf in zweiter Lesung nach den Vorschlägen des Haushalts⸗ ausschusses angenommen.

Bei der dritten Lesung des Ergänzungsgesetzes erklärt

„Abg. Dr. Rosenfeld (U. Soz.): Wir lehnen das Gesetz ab, weil wir der Regierung des Belagerungszustandes keine Mittel be⸗ willigen. Unter dem Belagerungszustand leidet das preußische Volk auf das allerschwerste. Erst gestern haben in Berlin dreißig überfüllte Volksversammlungen schärfsten Protest dagegen erhoben. Im Zenfrum des politischen Lebens macht man der Arbeiterschaft Versammlungen unmöglich. (Zwischenrufe.) Die gestrigen Versammlungen sind erst unter dem Druck der Empörung der Arbeiterschaft freigegeben worden. Selbst gewerkschaftliche Versammlungen verbietet man, den Metall⸗ arbeiterstreik möchte man zu einem politischen Streik stempeln. Den Versammlungsverboten und den Zeitungsverboten die „Freiheit“ ist auf drei Tage ohne jeden Grund vexboten worden gibt man durch Nosketruppen mit Maschinengewehren und Handgranaten be⸗ sonderen Nachdruck. Die Zeitungsverbote nehmen überhand. Im Bereich des 7. Armeekorps ist soaar ein Organ der Rechtssoziglisten von der Verbreitung ausgeschlossen. Hunderte und aber Hunderte schmachten in Schutzhaft, auch solche, die sich gar nicht strafbar gemacht haben, es genügt, wenn sie führende Mitglieder der Kommunsstenpartei sind, wie der haftunfähige Dr. Ernst Meier. Auch die Zensur wird unausgesetzt weiter geübt. (Redner weist ein mit weißen Flecken ver⸗ sehenes Exemplar der „Volksstimme für Lippe“ vor.) Unter dem Rechtsregime war man rüchsichtsvoller gegen die politische Opposition als jetzt. (Zuruf rechts: Kommen Sie doch zu uns herüber! Heiter⸗ keit.) Sie von rechts können sich nicht beklagen, gegen Ihre Zeitungen kümpft die Regierung nur mit Nadelstichen, unsere werden verboten. Der Ministerpräsident stieg in seiner letzten Rede gegen mich mit seinen Andeutungen auf das Niveau „Wahrheit“ herab, die von mir behauptete, ich hatte gegen hohes Honorar Satzungen für einen Spiel⸗ klub entworfen. (Große Heiterkeit.) Ich habe nie gespielt, und der Vorwurf entbehrt naturlich jeder ü Dies

Begründung. Dieser Regierung bewilligen wir nichts, wir werden sie nach wie vor bekämpfen.

Ministerpräsident Htrsch: Meine Damen und Herren! Es war vorauszusehen, daß der Herr Abg. Dr. Rosenfeld auch die Be⸗ ratung dieses Etats benutzen würde, allerhand Klagen und Be⸗ scheerden gegen die Regierung vorzubringen, und daß er sich dabei nicht auf preußische Angelegenheiten beschränken, sondern auch Reichs⸗ angelegenbeiten in den Kreis seiner Betrachtungen ziehen würde.

Weos Herr Abg. Dr. Rosenfeld über die Amtsführung des Reichswehrministers gesagt hat, darauf brauche ich von dieser Stelle aus nicht zu erwidern Auch Herrn Dr. Rosenfeld sollte es bekannt sein, daß Minister Noske nicht Mitglied der preußischen Staats⸗ regierung ist. Er möge olso dafür sorgen, daß die Beschwerden gegen Herrn Noske dort vorgebracht werden, wo Herr Noske sich verantworten kaon.

Meine Damen und Herren, ich maß sagen, daß Herr Abg. Dr. Rosen⸗ feld mit seinen Ausführungen einen allzu großen Eindruck auf die Mitglieder der Regierung nicht hervorgerufen hat (Zurufe), und zwar aus dem sehr einfachen Grunde, weil alle die Sünden, die er der Regierung vorwirft, von ihm und seinen Freunden in zehnfachem Umfange vorher begangen worden sind und noch täglich begangen werden. Wären die Herren von der Unabhängigen sozialdemokratischen Partei politisch ehrlicher, dann würden sie mit Goethe sagen:

Wie konnte ich sonst so tapfer schmählen, Tät mal ein armes Mädchen fehlen, Unvd brüstet' mich und tat so groß

Und bin nun selbst der Sünde bloß!

Meine Herren, was Sie uns an Sünden vorwerfen, das haben Sie alles selbst begangen, und gerade dadurch, daß Sie diese Sünden begangen haben, haben Sie uns erst gezwungen, das zu tun, was Ihnen jetzt nicht gefällt. (Zurufe und Heiterkeit.)

Herr Abg. Dr. Rosenfeld klagt über den Belagerungszustand und über die Einschränkung der Preßfreiheit. Dazu hat ein Führer der Unabhängigen Partet in der preußlschen Landesversammlung den Mut, Herr Abg. Dr. Rosenfeld: Quis tulerit Gracchos! Wissen Sie denn gar nicht, mit welchen Mitteln brutaler Gewalt Sie überall vorgegangen sind, wo Sie die Macht gehabt haben? (Zuruf von den U. Soz.)

Wissen Sie denn gar nicht, daß überall da, wo die Unabhängigen und Ihre Freunde zur Herrschaft gelangen, die erste Tat darin be⸗ steht, den Belagerungszustand zu verhängen und sämtliche Zeitungen zu unterdrücken? (Lebhafte Zustimmung.) Ich will Sie jetzt nicht an Einzelheiten erinnern. Ich will Sie nicht an das erinnern, was von Ihnen und den hinter Ihnen Stehenden in München beg ngen worden ist; ich will Sie nicht an das erinnern, was in Budapest be⸗. gangen worden ist; ich erinnere nicht daran, daß über die Zustände, die augenblicklich in Rußland herrschen, in den Blättern der Unab⸗ hängigen kein Wort der Kritik zu lesen ist. Also fassen Sie sich ge⸗

Vertveter des Volkes sein, sie sind es in Wirklichkeit aber nicht.

Der Abgeordnete Graef sprach von Hintertüren, durch die die Arbeiter⸗— olche Vorwürfe machen.

fälligst zunächst an Ihre eigene Nase, bevor Stie der Regierung u”6.