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sie
—
und ube. seine Blitze gegen die „Pbilistermoral.“ Der erste hebt mit einer Liebeswerbung frei nach Shakespeares „Richard III.“ an. Rüdiger Freiherr von Wetterstein hat den Gatten Leonore von Gystrows im Duell erschossen und freit nun um sie. Er selbst aber hatte es durch anonvme Briefe herbeigeführt, daß der durch seine Kugel aus dem Wege Geräumte un⸗ lautere Beziehungen zu seiner (Wettersteins) eigenen, nunmehr geschiedenen Frau angeknüpft hatte. So wurde er mit einem Schlage die Frau und den Nebenbuhler los. Leonoree wird nun, obwohl n Mörder nennt, sein Weib, seine Kameradin aus Liebe, und die Teilhaberin seines Verbrechertums. Ja, sie wandert sogar um seinetwillen ins Gefängnis. Diese Leonore ist Mutter einer Tochter aus erster Ehe, Effie genannt, die gewissermaßen als vergeistigtes Gegenstück zur Lulu des „Erdgeistes“ und der „Büchse der Pandora“ gedacht ist, die geborene Buhlerin und Dirne, die es zur raffiniertesten Männerbetörerin gebracht hat. Wie Lulu „Jack, em Aufschlitzer“, fällt Effie einem ebenfalls mehr vergeistigten Unhold ähnlichen Schlages schließlich zum Opfer, unter dessen Einfluß sie in einem Augenblick unbeherrschter innerer Erregung einen Giftbecher leert. In Mutter und Tochter sind gewissermaßen zwei gegensätzliche Naturen gezeichnet, das Weib, das zur
ettu des geliebten Mannes zur Dirne wird, und
umgekehrt die Dirne, die aus zum ersten Male aufwallendem Liebes⸗
empfinden für den überlegenen Mann, zum fühlenden Weibe wird. Ob die Verschrobenheiten Wedekinds von dem gest igen Publikum verstanden wurden, wer vermag es zu sagen; ganz leicht ist es nicht, den Sprüngen seiner krankhaft verstiegenen Phantasie zu folgen. Jedenfalls gab die Aufführung dieses schwächsten aller seiner Stücke zu Sensationen einen Anlaß. Karl Meinhard hatte als Spielleiter alles . vermieden, ja selbst die gewagte Schlußszene so herabgedämpft, daß sie nicht verletzen konnte. Aber be⸗ sonders stark gefesselt hat die Aufführung auch nicht. Johannes “ und Herta von Hagen blieben der Dämonie der ersten Szene so gut wie alles schuldig. Fast glaubte man, eine ganz korrekte Brautwerbung vor sich zu seben. Weit glaubhafter war Maria Orska als Effie, ohne äußerlich das Dirnenhafte allzusehr ervorzuheben. Am stärksten als Persönlichkeit wirkte Ludwig Hartau in der Rolle des spleenigen Prostituiertenmörders.
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8
Im Opernhause wird morgen, Sonnabend, „Der Barbier
von Sevilla“ mit den Damen Engell, von Scheele⸗Müller und den
erren Tauber als Gast, Stock, von Schwindt als Gast, F
* a und Lücke in den Hauptrollen gegeben. Dirigent ist der Kapell⸗ nenla. Otto Urack. Anfang 7 Uhr. 1
m Schauspielhause wird morgen „Maria Stuart“ in
er bekannten Besetzung wiederholt. Spielleiter ist Dr. Reinhard
Bruck. Anfang 6 ½ Uhr.
Im Reichsministerium des Innern fand an gestrigen Donnerstag eine Beratung über die Theaterfragen statt. Beteiligt waren das Reichsministerium des Innern, das Reichs⸗
arbeitsministerium, die Kultusministerien der Länder und der Deutsche
Städtetag. Der Reichsminister Koch betonte, wie „W. T. B. berichtet, die Notwendigkeit, von Reichs wegen in die Angelegenheiten des Theaterwesens einzugreifen. Der Unterstaatssekretär Becker
u (Preußen) begrüßte die Jusanmenkunft, deren Zweck die möglichst
weitgehende kulturelle Verständigung zwischen Reichs⸗ und Landes⸗ instanzen unter der Führung des Reichs sei. Der Unter⸗ staatssekretäuxl Schulz erläuterte das rogramm der Be⸗ ratung. Den ersten Teil der Verhandlungen bildete eine sehr eingehende Aussprache über die Frage der Fortführung der früheren Hofbühnen als Staatstheater. Die finanziellen Schwierigkeiten, namentlich bei den kleineren Bühnen, wurden scharf frvorgehohen. Es herrschte aber Einigkeit darüber, daß aus kulturellen Gründen die in öffentlicher Hand befindlichen Theater unter angemessener finanzieller Beteiligung der Gemeinden aufrecht zu erhalten seien. Der Reichsminister Koch stellte in Aussicht,
egenüber den Staatstheatern im Rahmen des kommenden Kommuna⸗ Fülcrun sgesetzes die private Theaterkonkurrenz auszuschalten oder doch
zu beaufsichtigen. Vielfach wurde auch angeregt, die Ueberschüsse der
entschied si
Konferenz mit der
kommunalisierten Kinos zur finanziellen Stärkung der Theater zu benutzen. Die Versammlung beschäftigte sich alsdann mit dem Ver⸗ hältnis zwischen dem Bühnenverein und den Landregie⸗ rungen und mit den Tarifverträgen für die Künstler und die Angestellten sowie mit einer Reihe anderer wichtiger Theater⸗ fragen. Zur Schaffung einer ständigen und organischen Fühlung zwfschen den Ländern untereinander und dem Reich und zur Klärung insbesondere der Staatstheaterfrage und der Volksbühnenbewegung ch die Konferenz für die Ernennung eines Aus⸗ schus 1 es, dessen Leitung unter Vorbehalt der Zustimmung der an⸗ deren beteiligten Ressorts das Reichsministerium des Innern über⸗ nehmen soll. Herr Kestenberg hielt einen Vortrag über „die opularisierung des Theaters“, wobei er die Ueber⸗ tragung der Volksbühnenidee auf das ganze Reich als eine wichtige Ausgale für das Reichsminiskerium des Innern bezeichnete. Der Unterstaatssekretär Schulz stimmte dieser Auffassung zu, da sie sich im Einklang mit der Reichsverfassung befinde, die die Pflege der Volksbildung als eine Aufgabe des Reichs erkläre, und schloß die offnung, daß die Verhandlungen eine wertvolle
Förderung der deutschen Kulturbestrebungen sein würden.
Nr. 42 des „Zentralblatts für das Deutsche Reich“, herausgegeben im Reichsministerium des Innern am 21. Oktober 1919, hat folgenden Inhalt: Zoll⸗ und Steuerwesen: Ausführungsbestimmungen zum Grunderwerbsteuergesetz. Erscheinen einer Handausgabe des Grunderwerbsteuergesetzes nebst Ausführungs⸗ bestimmungen.
Handel und Gewerbe.
Um den Banken und Bankfirmen die Möglichkeit zur Er⸗ ledigung rückständiger Arbeiten zu geben, hat laut Meldung des „W. T. B.“ der Börsenvorstand in seiner gestrigen Sitzung be⸗ schlossen, die Börsenversammlung am Dienstag, den 28. Oktober 1919, ausfallen zu lassen.
— Messen in Deutschland im Jahre 1920. Die tändige Ausstellungskommission für die deutsche Industrie ver⸗ fffentlicht laut Meldung des „W. T. B.“ eine Uebersicht über die für
das Jahr 1920 vorgesehenen in⸗ und ausländischen Messen, soweit sie
bisher bekannt geworden sind. Darnach sollen außer den beiden Leipziger Messen, nämlich der Frübjahrsmesse und der Herbstmesse, die beide in die Allgemeine Mustermesse und die Technische Messe zerfallen, noch in folgenden Städten Messen stattfinden: Berlin (Neue Welt, Hasenheide) Frühjahrsmesse 14.—16. April; Berlin (Neue Welt, Hasenheide) Herbstmesse noch unbestimmt. (Für Hotel⸗, Restaurations⸗ und Küchenbedarf): Breslau: Frühjahrs⸗ messe 25. April bis 1. Mai. Danzig: Frühjahrsmesse Februar; Herbstmesse noch unbestimmt. Elberfeld: Textilmesse 6. bis 9. Ja⸗ nugr. Frankfurt: Frühjahrsmesse unbestimmt; Herbstmesse unbestimmt. Fembing; Baumesse Frühjahr. Cöln: Rheinische Musterschau Fe⸗ ruar und Herbst. Königsberg: Ostdeutsche Textilmustermesse Fruh⸗ jahr. Stuttgart: Grossistenedelmesse voraussichtlich im Ja⸗ nuar; Frühjahrsedelmesse (Jugosi) noch unbestimmt. Dazu bemerkt die Ständige Ausstellungskommission für die deutsche Industrie: „Vorstehende Uebersicht zeigt, daß die Zer⸗ splitterung des deutschen Messewesens im nächsten Jahr eine Ent⸗ wicklung zu nehmen droht, die, mag man sich gegenüber der einzelnen Veranstaltung stellen, wie man will, gerade unter den gegenwärtigen wirtschaftlichen Verhältnissen zu einer unerträglichen Belastung der Industrie ausarten muß. Werden doch, da auch Breslau voraus⸗
sichtlich seme Messe zweimal du chführen will, unter Einrechnung von Danzig nicht weniger als 10 deutsche Allgemeinmessen geplant, die sich alle an weite Teile der gesamtdeutschen Industrie wenden. Jüngst ist auch noch in Magdeburg der Gedanke einer dortigen Messe erörtert worden. Die Sltändige Ausstellungskommission für die deutsche Industrie hat sich zunächst mit dem Deutschen Städtetag in Verbindung gesetzt, um diesen zu einer mäßigenden Einwirkung auf die Stadtverwaltungen zu veranlassen. Die Kommission hat ferner versucht, zwischen den Messeleitungen in Frankfurt a. M. und Cöln eine Verständigung herbeizuführen derart, daß jede dieser beiden Städte in jedem Jahr wenigstens nur einmal eine Messe durchführen möge. Es ist dringend zu wünschen, daß diese Anregung, zu der die Kommission durch heftige Klagen aus der Industrie, auch West⸗
beiden Städte Gebör finde.“
— In der Aufsichtsratssitzung der A. E. G.⸗Schnellbahn⸗ Aktiengesellschaft vom 22. Oktober, an der auch die Ver⸗ treter der Stadt und des Verbandes Groß Berlin teilnahmen, wurde die 1enden— der Revolutionsfolgen auf das im Bau befindliche Unternehmen besprochen. Die Preise und Löhne sind derart weiter geniegen und steigen noch immer, daß die Fertigstellung der Bahn das Dreifache und mehr der Friedenspreise beansprucht. Bei solchen Aufwendungen sei eine Rentabilität auch bei erheblich gesteigerten Tarifen night u erreichen. Die “ der Gesellschaft hat deshalb beschlossen, die Arbeiten soweit als möglich auf die Sicherungs⸗ maßregeln zu beschränken und zur Erörterung der Verhältnisse mit dem Magistrat Berlin und dem Verband Groß Berlin in Ver⸗ handlungen einzutreten.
— Nach dem Geschäftsbericht der Harpener Bergbau⸗ Aktien⸗Gesellschaft, Dortmund, betrug die Tages⸗ förderung 1918/19 (1917/18 bezw. 1913/14 in Klammern) 20 378 (24 976 bezw. 27 056) t, die Beiegschaft 30 376 (30 234 bezw. 31 232) Köpfe die Leistung 0,765 (0,855 bezw. 0,940) t, der Schicht⸗ verdienst 13,80 ℳ (9,64 bezw. 5,50 ℳ), der Kohlenhauer allein 16,71 ℳ (12,08 bezw. 6,63 ℳ). Die Förderung und Erzeugung der Bergbaubet iebe einschließlich der Gewerkschaften Siebenplaneten und Victoria betrug 6 170 422 (7 563 737 bezw. 8 206 664) t Kohlen, 1 665 578 (2 151 423 bezw. 1 366 241) t Koks, 133 490 660 bezw. 453 643) t Briketts. Der Jahresarbeitsverdienst aller Arbeiter betrug 4272 (3201 bezw. 1741) ℳ, der Kohlenhauer 5086 18985 bezw. 2053) ℳ. Der Rohgewinn auf Kohlen, Koks und
riketts einschließlich der Gewerbschaften „Siebenplaneten“ und
Victoria“ fiel von 16 575 460,90 ℳ auf 6 941 430,36 ℳ; der Rohgewinn aus den Teeröfenanlagen von 11 057 051,15 ℳ auf 9 909 824,05 ℳ; beide zusammen reichten kaum aus zur Deckung der allgemeinen Kosten, der Bergschäden und der Unterhaltung der Beamten⸗ und Arbeiterwohnungen. Die Beschäftigung der Abteilung Eisenkonstruktion in Derne war während des ganzen Geschäftsjahres in allen Werkstätten eme gute. Der Verkaufswert der Eczeugnissa betrug rund 5 170 000 ℳ, der Rohgewinn 327 897 ℳ. In der Brikettfabrik in Gustavsburg wurden 44 147 t Briketts her⸗ gestellt und versandt. Mit ihren Schleppdampfern beförderte die Gesellschaft 978 273 t. Der Rohgewinn der Abteilung Schiffahrt stellte sich auf 2 809 055 ℳ gegen 2 263 920 ℳ im Vorjahre. Die Aktiengesellschaft „Mainkette“ in Mainz, deren Aktien sich zum größten Teil im Besitz der Gesellschaft befinden, verteilte 4 vH. Die Land⸗ wirtschaft auf Gut Geeste hatte auch nach Eintritt des Waffenstill⸗ stands mit den größten Schwierigkeiten zu kämpfen. Die Ernte war eine Mittelernte. Die Schweinemast ruhte noch vollständig, da Futtermittel nicht zu beschaffen waren. Ein Gewinn wurde nicht erzielt. jie Kleinkinder⸗ und Haushaltungsschulen, ver⸗ bunden mit Einrichtungen zur Krankenpflege, ersorderten einen Aufwand von 75 827 ℳ. Erstere waren von 1005 Kindern besucht. Im „Kaiser⸗Wilhelm⸗ und Kaiserin⸗Auguste⸗Victoria⸗Kinder⸗ heim“ der Gesellschaft in Bad Sassendorf wurden im abgelaufenen Geschäftsjahre 440 Kinder ihrer Arbeiter je 4 Wochen kostenlos ver⸗ pflegt. Die Unterhaltungskosten das Heim stellten sich auf 39 297 ℳ. Die freie ärztliche Behandlung der Familienangehörigen der ganzen Belegschaft sowie der Beamten verursachte eine Ausgabe von 200 496 ℳ. Die Zahl der eigenen Beamten⸗ und Arbeiterwohn⸗ häuser der Gesellschaft vermehrte sich auf 2336, die 903 Beamten⸗ und 7035 Arbeiterwohnungen enthalten. An Grundeigentum besaß die Gesellschaft am 30. Juni 1919 2588 ha 53 a 46 qm. Zur Verteilung auf die Aktien gelangen 5 vH.
— Die Firma Walter Kellner in Barmen ist in eine Aktiengesellschaft umgewandelt worden, die den Namen Walter Kellner Akt.⸗Ges. tragen wird. Das Kapital beträgt ℳ 3 000 000,—. Der Vorstand besteht aus den Herren 86 Rademacher, Artur Schoenherr und Friedr. Windgasse. Dem Aufsichtsrat gehören an der bisherige Besitzer Geheimer Regierungs⸗ und Baurat Walter Kellner auf Haus Gierken, Lippe, Vorsitzender; Ludwig Arioni (Ge⸗ schäftsinhaber des Barmer Bank⸗Vereins) stellv. Vorsitzender; Justiz⸗ rat Dr. Güldner; Bankdirektor Wilh. Tappen (Bank für Handel und Gewerbe, Barmen); Ernst Tewes, Düsseldorf.
— Das Rheinisch⸗Westfälische Kohlensyndikat, Essen, ladet laut „W. T. B.“ für Freitag, den 31. Oktober, zu einer Hersenmlung der Zechenbesitzer ein. Tagesordnung: 1) Preisfrage, . seschäftliches.
— Das Sachsenwerk, Licht u. Kraft A.⸗G. in Nieder Sedlitz beruft laut Meldung des „W. T. B.“ zum 21. November eine außerordentliche Generalversammlung, die über die Erhöhung des Aktienkapitals von 9 auf 15 Millionen Mark Beschluß fassen soll. Die Erhöhung wird notwendig dank der außerordentlichen Steigerung der Umsätze in allen Fabrikaten der Gesellschaft.
Berichte von auswärtigen Wertpapiermärkten.
Wien, 23. Oktober. (W. T. B.) An der Börse hat sich zwischen gestern und heute ein vollständiger Stimmungswechsel voll⸗ zogen. Zwar haben die Kurse die gestrigen Einbußen nur zum Teil wieder eingeholt, allein das Angebot hatte aufgehört, so daß Rückkäufe und Deckungen immerhin erhebliche Wertsteigerungen zur Folge hatten. Den Anstoß zu der Besserung gaben neben der voraus⸗ gegangenen Entlastung des Marktes durch den gestrigen Besitzwechsel namentlich die Süstcherung werktätiger Hilfe für Oesterreich seitens der Entente und die hieran geknüpfte Hoffnung auf eine günstigere Wendung in den wirtschaftlichen, finanziellen F Oester⸗ reichs. Der Verkehr eröffnete sofort zu wesentlich erholten Kursen, die im Verlaufe noch weitere Steigerungen erfuhren und voll behauptet schlossen. Auf dem Anlagemarkte stellten sich Gold⸗ renten höher.
Wien, 23. Oktober. (W. T. B.) (Börsenschlußkurse.) Türkische Lose 790,00, Orientbahn —,—, Staatsbahn 1458,00, Südbahn 211,50, Oesterreichischer Kredit 906,00, Ungarischer Kredit 1005,00, S 536,00, Unionbank 599,00, Bankverein 559,00, Länder⸗ bank 810,00, Tabakaktien —,—, Alpine Montan 1395,00, Prager Eisen 4400,00, Rima Muranyer 1420,00, Skodawerke 1279,00, Salgo Kohlen 1600,00, Brüxer Kohlen —,—, Galtzia 3930,00, Waffen 2300,00, Lloyd⸗Aktien 5500,00, Poldihütte 1380,00, Daimler 900,00, Oesterreichische Goldrente 188,00, eiteertcesa Kronenrente 86,00,
ebruarrente 90,25, Mairente 89,00, Ungarische Goldrente 225,00, ngarische Kronenrente 93,50.
Wien, 23. Oktober. (W. T. B.) Amtliche Notierungen der Deutsch.⸗Oesterreichischen Devisenzentrale: Berlin 390,00 G., Amster 3950,00 G., Zürich 1900,00 G., Kopenhagen 2295,00 G., Stockholm 2560,00 G., Christiania 2430,00 G., Marknoten 389,00 G. Prag, 23. Oktober. (W. T. B.) Devisenkurse: Berlin 132,75 G., Marknoten 129,75 G., Wien 32,00 G.
London, 22. Oktober. (W.T. B.) 2 ½ % Englische Konsols 51 ¼, 5 % Argentinier von 1886 93, 4 % Braßlianer von 1889 56, 4 % Japaner von 1889 68, 3 % Portugiesen 50, 5 % Russen von 1906 39, 4 ½ % Russen von 1909 31 ½, Baltimore and Ohio 48, Canadian Pacific 178, Erie 19, National Railways of Meriko 9,
Pennsylvania —, Southern Pacific 129, Union Pacific 146,
deutschlands, veranlaßt worden ist, bei den maßgebenden Stellen der
United States Steel Corporation 130, Anaconda Copper 8 Rio Tinto 51 ½¼, Chartered 22/1, De Beers 27 ¼, Goldfiell
Randmines 3¹7⁄23.
London, 22. Oktober. (W. T. B.) Wechsel auf Deutschlan 115,75, Wechsel auf Amsterdam kurz 11,03, Wechsel auf Pare 3 Monate 36,20, Wechsel auf Brüssel 36,00. Privatdiskon Silber loko 63 ¼¾, Silber auf Lieferung 63 ⁄16.
Kopenhagen, 23. Oktober. (W. T. B.) Sichtwechse amburg 16,85, do. auf Amsterdam 177,25, do. auf schweiz. 3,50, do. auf New York 467,00, do. auf Londorn 19,54, do
Paris 54,25, do. auf Antwerpen 54,35, do. auf Helsingfors 21
Stockholm, 23. Oktober. (W. T. B.) Sichtwechse Berlin 15,00, do. auf Amsterdam 158,00, do. auf schweiz. 74,50, do. auf Washington 417,00, do. auf London 17,45, d Paris 48,25, do. auf Brüssel 48,50, do. auf Helsingfors 18,75
Amsterdam, 23. Oktober. (W.T. B.) Wechsel auf Berlin
Wechsel auf Wien 2,40, Wechsel auf Schweiz 47,00, M auf Kopenhagen 56,50, Wechsel auf Stockholm 63,50, M. auf New York 263,75, Wechsel auf London 11,06 ½, Wechse Paris 30,60, Wechsel auf Christiania 60,25, Wechsel auf 2 30,75, Wechsel auf Madrid 50,50. — 5 % Niederländische S anleihe von 1915 9115⁄16, 3 % Niederländische Staatsanleih Königl. Niederländ. Petroleum 862 ⅛, Holland⸗Amerika⸗Linie Niederländisch⸗Indische Handelsbank 287, Atchison, Topeka & Fé —, Rock Island —, Southern Pacific 113, Southern way —, Union Pacisfic 133, Anaconda 149 ⅞, United States Corp. 116 8%, C“ Anleihe —,—, Hamburg⸗Am Linie —,—. Fest, ausgenommen Oelwerte.
New York, 21. Oktober. (W. T. B.) (Schluß.) B. haltend starter Unternehmungslust blieb auch heute anfangs di Grundstimmung an der Fondsbörse bestehen, da die günstig fassung des Geldmarkres und die guten Berichte über die industriele Lage keine schlechte Haltung aufkommen ließen. Erst um die Mittagz stunde war auf Abgaben der Berufsspekulanten eine Abschwächung iu erkennen, der Schluß war aber wieder erholt und fest. Umgesegt wurden 1 720 000 Stüuck Aktien. Geld: Fest. Geld auf 24 Sturden Durchschnittsrate 5 ¾, Geld auf 24 Stunden letztes Darlehn 6, Wechsel auf Berlin 3 ⅝, Wechsel auf London (60 Tage) 4,16,00, Cable Transfers 4,17,325, Wechsel auf Paris auf Sicht 8,65,00, Silber i Barren 120 ½, 3 % Northern Pacisic Bonds —, 4 % Verein. Staaten Bonds 1925 —, Atchison, Topeka u. Santa Fsé 91, Baltimor und Ohio 40 ⅛, Canadian 150, Chesapeake u. Ohio? Chicago, Milwaukee u. St. Paul 42, Denver u. Rio Grande
llinois Central 93 ¾, Louisville u. Nashville 108, New
entral 73 ⅝, Norfolk u. Western 110, Pennsylvania Reading 81 ¾, Southern Pacisic 108 ¼, Union Pacific 123 ½, Ameri Smelting u. Refining 74 ¼t, Anaconda Copper Mining 69 ¼, Inten national Mercantile Marine 64 ¼, United States Steel Corporatim 109 ⅞, do. pref. 115 ½.
Berichte von auswärtigen Warenmärkter
New York, 20. Oktober. (W. T. B.) Die sichtharen Vorräte betrugen in der vergangenen Woche: an Weza 98 783 000 Bushels, an Kanadaweizen 11 355 000 Bushels, an Mal 1 427 000 Bushels.
New York, 21. Oktober. (W. T. B.) (Schluß.) Baun loko middling 35,70, do. für Oktober 34,81, do. für November 34 do. für Dezember 35,15. New Orleans loko middling 36,13, Petr. refined (in Cases) 23,25, do. Stand. white in New York 19,2 in tanks 11,50, do. Credit Balances at Oil City 4,25, Schma rime Western 27,65, do. Rohe & Brothers —,—, Zucker Centul cget 7,28, Weizen Winter 237 ½, Mehl Spring⸗Wheat cleakg 25— 10,25, Getreidefracht nach Liverpool nom., Kaffee Rio Nr.] loko 17, do. für Oktober 16,75, do. für Dezember 16,60.
(Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten weiten 8 und Dritten Beilage.)
Theater.
Opernhaus. (Unter den Linden.) Sonnabend: 219. Dauc bezugsvorstellung. Dienst⸗ und Freiplätze sind aufgehoben. 2 Barbier von Sevilla. Komische Oper in drei Aufzügen Rossini. Dichtung nach Beaumarchais, von Cesar Sterbini, üb von Ignaz Kollmann. Musikalische Leitung: Otto Urack. S leitung: Hermann Bachmann. Anfang 7 Uhr.
Schauspielhaus. (Am Gendarmenmarkt.) Sonnab.:231.4 bezugsvorstellung. Dienst⸗ und Freiplätze sind aufgehoben. M Stuart. Trauerspiel in fünf Aufzügen von Friedrich Se Spielleitung: Dr. Reinhard Bruck. Anfang 6 ⅛ Uhr.
Sonntag: Opernhaus. 220. Dauerbezugsvorstellung. D. und Freiplätze sind aufgehoben. Der Ring des Nibelu⸗ Bühnenfestspiel von Richard Wagner. Dritter Tag: Gr dömmerung in drei Akten und einem Vorspiel von Richard Wo Anfang 4 Uhr.
Schauspielhaus. Nachmittags: 5. Kartenreservesatz. Dauerbezug, die ständig vorbehaltenen sowie die Dienst⸗ und Freie plätze sind aufgehoben. 9. Volksvorstellung zu ermäßigten Preise Minna von Barnhelm. Anfang 2 Uhr. — Abends: 232. Dauer⸗ bezugsvorstellung. Dienst⸗ und Freiplätze sind aufgehoben. M. Stuart. Trauerspiel in fünf Aufzügen von Friedrich Se Spielleitung: Dr. Reinhard Bruck. Anfang 6 ½ Uhr.
Die Ausgabe der November⸗Dauerbezugskarten für 24 stellungen im Opernhause und 23 Vorstellungen im Schauspielha sindet an der Theaterhauptkasse gegen Vorzeigung der Dauerbe verträge von 9 ½ bis 1 Uhr statt, und zwar: am 27. d. M. fü 1. Rang, das Parkett und den 2. Rang des Opernhauses und 28. d. M. für den 3. Rang des Opernhauses und für alle * gattungen des Schauspielhauses.
Familiennachrichten.
““ Verlobt: Frl. Karin von Kronhelm mit Hrn. Professor, Konsistorialrat D. Ernst von Dobschütz (Halle). — Frl. Slise von Busse mit Hrn. Hauptmann Ehrenfried von Arnim (0 Marchwitz). — Frl. Hertha Klisch mit Hrn. Gerichtsaff Leutnant d. Res. Georg Weiß (Züllchow⸗Stettin — Breslau) Gestorben: Hr. Oberlandstallmeister i. R. Ferdinand Willich gen⸗ von Pöllnitz (Reinheim i. Odenw.). — Hr. Major a. D. Ger Salbach (Berlin).
Verantwortlicher Schriftleiter: Direktor Dr. Tyrol, Charlotten⸗ Verantwortlich für den Anzeigenteil: Der Vorsteher der Geschäftss Rechnungsrat Mengering in Berlin. Verlag der Geschäftsstelle (Mengerina) in Berhn Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlagsanstalt Berlin. Wilhelmstraße 32. v“ (einschließlich Börsenbeilage und Warenzeichenbeilage Nr. d2 und Erste und Zweite Zentral⸗Handelsregister⸗Beilage.
A.eSRx enBs
Erste Beilage nzeiger und Preußis
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Berlin, Freitag, den 24 Oktober
Nichtamtliches.
Deutsche Nationalversammlung in Berlin.
106. Sitzung vom 23. Oktober 1919.
(Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger.)“) Am Regierungstisch: der Reichsminister Müller. Präsident Fehrenbach eröffnet die Sitzung nach
1 ¼ Uhr.
Auf der Tagesordnung steht die Fortsetzung der zweiten Beratung des Reichshaushaltsplans für 1919 bei dem Haushalt des Ministeriums der aus⸗ wärtigen Angelegenheiten.
Abg. Waldstein (Dem.) erstattet ausführlichen Bericht über die Ausschußverhandlungen, in denen unter anderen die Neueinteilung des Amts durch die Regionalisierung nach 6 Ländergruppen, und die Vermehrung des Beamtenapparats durch einen Unterstaatssekretär, drei Direktoren und elf vortragende Räte behandelt wurden. Der Ausschuß habe diese Organisationspläne gebilligt.
Minister der auswärtigen Angelegenheiten Müller: Meine Damen und Herren! Herr Berichterstatter hat bereits darauf aufmerksam gemacht, daß der Ihnen vorliegende Etat und der dazugehörige Ergänzungsetat wesentliche Mehrforderungen für den Auswärtigen Dienst mit sich bringt. Es ist uns außerordentlich unangenehm gewesen, in einer Zeit, in der größte Sparsamkeit oberstes Gesetz sein muß, mit solchen Mehrforderungen zu kommen. Aber sie waren nicht zu umgehen. Wir dürfen vor allem nicht vergessen, daß die Ausführung des Friedens⸗ vertrages außerordentlich hohe Anforderungen an uns stellt, auch Anforderungen finanzieller Natur. Es sind ja jetzt bald 12 Monate verflossen, seit der Waffenstillstandsvertrag geschlossen worden ist. 12 Monate, in denen es nicht zur Aufrichtung unserer Volkswirtschaft kam, die die Grundlage dafür sein muß, daß wir über⸗ haupt den Friedensvertrag erfüllen können. Bis heute nech sind unsere Beziehungen auf die Neutralen beschränkt. Erst in der nächsten Zeit hoffen wir endlich dahin zu kommen, auch die Beziehungen zu der übrigen Welt wieder eröffnen zu können.
Da gilt es nun, die Arbeitsmethoden zu prüfen, die bisher bei uns üblich gewesen sind, und die Einwände zu prüfen, die gegen die Arbeit des Auswärtigen Amtes erhoben worden sind, um das zu bessern, was zu bessern ist. Der Herr Berichterstatter hat bereits darauf hingewiesen, daß eine Reihe von Neuerungen in dem Etat vor⸗ handen ist. Aber diese Neuerungen sind für die Nationalversammlung und ihren Vorläufer, den Reickstag, eigentlich nichts Neues, weil es zum großen Teil sich um Erfüllung alter Wünsche des Reichstages handelt. Die Neuerung des Regionalsystems, von dem der Herr Berichterstatter gesprochen hat, ist ja schon lange vorgeschlagen worden. Der Geheimrat Hammann hat jetzt in seinen Erinnerungen darauf hingewiesen, daß er in Norderney im Sommer 1907 bereits die Ginführung des Regionalsystems dem Fürsten Bülow vorgeschlagen hat. Dieses System soll jetzt durchgeführt werden. Ich will auch hier, um das nicht zu wiederholen, was der Herr Berichterstatter bereits gesagt hat, nur darauf hinweisen, daß diese Frage für uns mit eine Raumfrage ist. Wenn wir die notwendigen Räumlichkeiten nicht dazu bekommen, so können wir die Neuerungen nicht durchführen. Das Kabinett hat bereits im Juli beschlossen, daß uns das Reichsamt des Innern, das neben dem Auswärtigen Amt liegt, zu diesem Zwecke angegliedert werden soll.
Auch die weiter von dem Herrn Berichterstatter behandelte Neuerung der Gleichstellung der diplomatischen und der konsularischen Karriere ist bereits von meinem Vor⸗ gänger, dem Herrn Grafen Brockdorff⸗Rantzau, angekündigt worden. Ich vertrete dieselbe Auffassung wie er, und wir gehen jetzt daran, diese Ankündigung durchzuführen.
Beide Neuerungen haben sowohl im Reichstag als auch im Haus⸗ haltsausschuß der Nationalversammlung eigentlich allgemeine Zu⸗ stimmung gefunden. Die Neuerungen sollen uns helfen, über die Unzu⸗ träglichketen hinwegzukommen, über die bisher geklagt worden ist.
Was ist nun in erster Linie an dem auswärtigen Dienst in der Zeit vor dem Kriege und in der Zeit während des Krieges kritisiert worden? Es ist behauptet worden, daß die Beamten eine zu oberfläch⸗ liche Kenntnis der Auslandsverhältnisse hätten, daß sie zu wenig die Mentalität der fremden Völker berücksichtigten, in deren Lande sie seien, daß sie nicht genügend Fühlung mit dem wirklichen Volksleben dort gehalten hätten, daß Mangel praktischer Tätigkeit sich bei ihnen gezeigt hätte und daß daraus natürlich auch eine unzu⸗ längliche Berichterstattung vesultiert habe. Alles das wurde vor allem mit auf die Exklusivität der Beamten zurückgeführt Auch hier hat der Herr Berichterstatter bereits erwähnt, daß die Beamten bisher geringen Schichten der Geld⸗ und Geburtsaristokratie entnommen worden sind. Das muß natürlich aufhören. (Sehr richtig! bei den Sozialremokraten.) Die deutsche Republik muß auf ihre ersten Posten eine Reihe neuer Männer bringen. Aber das allein genügt nicht. Vor allen Dingen muß auch dafür gesorgt werden — das ist fast noch wichtiger —, daß die Basis der Auslese verbreitert wird für die Zukunft, damit der Nachwuchs aus allen Kreisen herangezogen werden kann. (Sehr richtig! bei den Deutsch⸗Demokraten.) Uebrigens wird, wenn jetzt die diploma⸗ tischen Beziehungen zur ganzen Welt wieder aufgenommen werden, die Auffüllung des diplomatischen Korps gar nicht vorgenommen werden können, ohne daß Outsider herangezogen werden. Auch hier hat der Herr Berichterstatter auf Grund der Verhandlungen im Ausschuß be⸗ reits darauf hingewiesen, daß kein Amt im Reiche und wohl auch in den Gliedstaaten in den letzten Jahren so ausgekämmt worden ist wie das Auswärtige Amt. Der Herr Berichterstatter — und ich kann das deshalb auch kurz berühren — hat ferner darauf hingewiesen. daß es
Der
bei der Auslese des diplomatiscken Personals in erster Linie auf die
fochliche Eignung des Betreffenden ankommen muß und daß ganz un⸗
. ,) Mit Aunsnahme der Re Wortlaute wiedergegeben werden.
auf einen diplomatischen Posten kommen.
möglich — diesen Grundsatz habe ich im Ausschuß stets vertreten — diplomatische Posten draußen so unter den Koalitionsparteien verteilt werden können, wie man etwa im Inland Ministerportefeuilles ver⸗ teilt. Das hindert natürlich nicht, daß auch der eine oder andere Parlamentarier, der die sachliche Eignung besitzt, auf einen diploma⸗ tischen Posten berufen werden kann.
Es ist durchaus nicht notwendig, daß nun jeder Diplomat kalt⸗ gestellt werden muß, der unter dem ancien régime das Reich draußen vertreten hat. Auch unter ihnen gibt es eine ganze Reihe tüchtiger Leute, die nun einmal auf dem Boden der Tatsachen stehen, und die auch an eine monarchische Restauration in Deutschland nicht glauben. Aber ganz selbstverständlich ist: wer die Absicht hat, die er darf unter keinen Umständen (Sehr richtig! bei den Soz.) Diplomatische Salons, in denen gegen die Republik agitiert wird, können wir draußen noch weniger brauchen als drinnen. (Sehr richtig! bei den Soz.) Zur Rettung Deutschlands wird eben
gegen
wesentlich mitbeitragen, daß man draußen im Ausland den Eindruck
gewinnt, daß die Republik in Deutschland gefestigt ist.
Ganz unmöglich ist natürlich unter den Diplomaten von vor⸗ gestern die Auswahl solcher, die in irgendeiner Weise kompromit⸗ tiert sind aus der Zeit des Krieges her. Ich möchte aber bei dieser Gelegenheit auch erwähnen, daß, wenn solche kompromittierenden Affäunen sich im Ausland abgespielt haben, sie sich ja meistens hinter dem Rücken der betreffenden Diplomaten abgespielt haben, daß alle die Aufsehen erregendon Affären, wie die Christiania⸗ und die Züricher Bombenaffäre, das Zusammenarberten mit den italienischen Anarchisten, eigentlich von Agenten eingeleitet worden sind, die mit dem aus⸗ wärtigen Dienst nichts zu tun gehabt haben. Uebrigens sind das ja Dinge, die wahrscheinlich auch noch einen der Unterausschüsse des Untersuchungsausschusses beschäftigen werden.
Der Herr Berichterstatter hat darauf hingewiesen, daß die ein⸗ seitige juristische Vorbildung für den diplomatischen Nach⸗ wuchs nicht maßgebend sein darf. Das soll aber nicht heißen, daß juristische Vorkenntnisse etwas sind, was überhaupt zu vernachlässigen wäre; denn in einer Zeit, in der es gilt, diesen monströsen Friedens⸗ vertrag auszulegen, gehört schon auch etwas juristische Henntnis für den Diplomaten mit dazu. Außerdem ist uns angekündigt, daß eine neue Aera des Völkerrechts angeht, auf deren Eintritt wir freilich einst⸗ weilen noch warten.
Der Herr Berichterstatter hat ferner darauf hingewiesen, daß bis⸗ her die politischen Angelegenheiten gesondert von den wirt⸗ schaftlichen und den Presseangelegenheiten in der Ab⸗ teilung A bearbeitet worden sind, daß das zu Unzuträglichkeiten geführt hätte, was nun abgeändert werden soll. In Zukunft sollen alle Ange⸗ legenheiten, die ein Land betreffen, in der Ländergruppe bearbeitet werden, zu der das betreffende Land gehört, — alle wirtschaftlichen, alle politischen alle Presseangelegenheiten. (Sehr gut! bei den Deutsch⸗Demokraten.) Der Zweck ist, auf diesem Wege für die einzelnen Länder Sachkenner zu erzeugen, Sachkenmer, deren Sachkenntnis noch dohͤurch erhöht werden soll, daß ein gvößerer Wechsel zwischen Innendienst und Außendienst statt⸗ findet. Durch diese sachliche Arbeit, die geleistet werden soll damm cher auch endlich die Stetigkeit der garantiert werden, die uns in den vergangenen viel gefehlt hat (sehr richtig! bei den Soz.) und die wesentlich mitbeigetragen hat zu ddem Unglück, in das wir hineingekommen sind. Erst wenn unsere Politik den einzelnen Ländern gegenüber wieder stetig wird, dann wird auch das Vertrauen des Auslands wiederkehren, ohne das wir auf die Dauer uns auch im Inland nicht wieder aufrichten können. (Sehr wahr! bei den Soz.)
Unsere Kaufleute werden jetzt hoffentlich bald Gelegen⸗ heit haben, wieder hinauszugehen in fremde Länder. Sie werden dort einen schweren Stand haben. Sie werden erwarten müssen, daß die Außenbeamten des Reiches Verständnis für die Lage der deutschen Volkswirtschaft haben; aber ich möchte auch in diesem Zusammenhange sagen, daß man von den Außenbeamten draußen nichts Unmögliches verlangen soll. Der Beamte des Auswärtigen Amtes soll draußen die Interessen des Reiches vertreten, er soll die Reichsbürger draußen schützen und stützen, aber er soll nicht etwa Handelsagent und Ge⸗ schäftsvertreter bestimmter Firmen sein. Das ist nicht seine Auf⸗ gabe; das müssen die Firmen selbst besorgen. Der Auslandsbeamte draußen soll Politik treiben, auch Wirtschaftspolitik, aber keine Geschäfte.
Zum ersten Male sind im Etat Mittel zur Entsendung sozial⸗ politischer Sachverständiger vorgesehen. Andere Länder sind uns darin bereits vorangegangen. (Sehr richtig! bei den Soz.) Die schwedische Regierung hat vor kurzem einen Sozialaktoché hier in Berlin ernannt, der Deutschland, Holland und die Schweiz in bezug auf ihre sozialpolitische Arbeit beobachten soll. Die Scszialpolitik wird in Zukunft eine große Rolle spielen. Es wird für alle krieg⸗ führenden Länder wesentlich sein, so schnell und so gut wie möglich die Menschheit wieder aufzuforsten. Es gilt da, international Schritt zu halten und den Problemen Aufmerksamkeit zu widmen, die sich uns stellen, nachdem die Menschheit infolge der fünf Kriegsjahre so unge⸗ heuer viel gelitten hat. Im übrigen ist es ein Zeichen der Zeit, daß in allen Ländern der Einfluß der Arbeiterklasse im Wachsen ist. In
einer großen Anzahl von Ländern haben ja bereits Vertreter der
Arbeiterparteien in den Ministerien Platz genommen.
Ich hoffe, daß die Zusammenlegung der gesamten Arbeit des Auswärtigen Amtes in die Ländergruppen uns in Zukunft nützliche Dienste leisten wird.
Der Herr Berichterstatter hat weiter auf die Abteilungen hin⸗ gewiesen, die nach wie vor bestehen bleiben. Bei der Abteilung zur Ausführung des Friedensvertrages, von der es im Etat heißt, daß sie künftig wegfällt, dürfte es allerdings noch gute Weile haben, bis sie in Wegfall kommt, da ja unsere Verpflichtungen noch auf über ein Jahrzehnt und mehr hinausgehen.
Es ist ferner darauf hingewiesen worsen, und ich kann das nur
soll, Poklkitik Jahrzehnten so
en Staatsanzeiger. “ 1919.
und seinen Hilfskräften bestehen soll, und daß die Rechts⸗ abteilung auf keinen Fall Politik treiben soll, wie das leider in der Vergangenheit zum Schaden des Reiches auf den Haager Konferenzen so vielfach geschehen ist.
Die Neuordnung des auswärtigen Dienstes wird, wie ich eingangs sagte, Geld kosten. Das hängt zum Teil mit unseren ungünstigen Valutaverhältnissen zusammen und ist insofern nichts Dauerndes. Aber es ist heute schon ein schlimmer Zustand, daß nur wenige wohlhabende Väter in der Lage sind, ihren Söhnen draußen so viel zuzuschießen, daß sie bei den Teuerungsverhältnissen draußen im Auslande anständig leben können. Wenn wir dazu kommen wollen,
unserer Auslese zu verbreitern, so ist es nolwendig, den
draußen eigentlich
die Basis Grundsatz aufzustellen, daß unsere Außenbeamten von ihren Bezügen leben können müssen. (Sehr richtig! bei den Soz.) Meine Damen und Herren! Ich gebe Ihnen zu: dieser Gründsatz ist aufgestellt, aber er wird mit diesem Etat noch nicht durchgeführt. Es werden in Zukunft noch mehr Mittel notwendig sein, wenn auch aus den Kreisen der Minderbemittelten junge Leute in der Lage sein draußen im Auslande für das Reich tätig zu sein und dabei so anständiges Leben zu führen, wie es notwendig ist. Diese Finanzfragen müssen gelöst werden, sonst wird es praktisch ungeheuet erschwert. Kreisen Leute zum dip’omatischen heranzuziehen. Für eine Republik mit einem so starken schlag wie das Deutsche Reich ist der jetzige Zustand auf e. Dauer Im übrigen gilt auch für diese Neuerungen das, was
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unerträglich.
richtig! bei Sonoldemokraten und Deutschen Demokraten.) In keinem Amt wird es so sehr darauf ankommen, die richtigen Persönlichkeiten für den ienst zu finden, wie in diesem (sehr richtig! bei den Deutschen mokraten), Männer, die schöpferisch sind, die das Werdende und das Gesehene dann auch sagen; denn daran hat es bei uns viel gefehlt. Es passiert mir heute noch oft, daß der eine oder andere Diplomat kommt und fragt: „Darf ich offen mit Ihnen reden?“
keiten hineinstellt. (Sehr
„₰
Ich sage: „Bitte sehr, selbstverständlich; was hat unsere Unterhaltung denn für einen Zweck, wenn wir nicht offen reden?“ Das zeigt, daß heute noch Diplomaten auf die frühere Zeit eingestellt sind, wo alle Berichte ad usum delphini frisiert waren, und wo, wenn sie frisiert hierher kamen, sie noch einmal frisiert worden sind, damit sie der allerhöchsten Person so vorgelegt werden konnten. wie die allerböchste Person sie vorgelegt wissen wollte.
Es kommt hinzu, daß auf der anderen Seite unter dem System Holstein sich geradezu ein System entwickelt hatte, nach draußen vor⸗ zuschreiben, was von draußen nach dem Reiche berichtet werden sollte. (Sehr wahr! bei den Deutscken Demokraten.) Meine Herren, so er⸗ zieht man keine Männer, die draußen dem Vaterlande nützliche Dienste leisten können (lebhafte Zustimmung bei den Deutschen Demokraten und Sozialdemokraten); und deshalb muß damit grundsätzlich gebrochen werden. Die Diplomaten, die draußen sind, müssen der Heimatbehörde rückhaltlos die Dinge so mitteilen, wie sie sie sehen, durch die Brille ihres Temperaments. Es wird keine leichte Aufgabe sein, in der jetzicen Zeit in größerem Maßstabe geeignete Persönlichkeiten zu finden. Der diplomatische Dienst ist heute nicht mehr so anziehend, wie das in den glanzvollen Zeiten von einst der Fall war, als man noch auf des Reiches Macht und Herrlichkeit pochen konnte. Und deshalb hat heute der Andrang nach dem diplomatischen Dienst wesent⸗ lich nachgelassen. Unsere Vertreter draußen werden alch kein allzu apgenehmes Leben zu führen haben, und die allerwenigsten dürften auf einen Vergnügungsposten kommen. Sie vertreten eben jetzt ein bitter⸗ armes Volk, das unter dem Druck eines ungeheuerlichen Friedens⸗ vertrags auf das allerschwerste seufzt; denn darüber sind wir uns ja einig, daß dieser Friede im Grunde genommen weiter nichts ist, als die Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln. Und jetzt, wo wir bald dem Friedensschluß näher kommen, die Vollrati⸗ fikation erleben werden, wird die Schwere dieses Friedensvertrags erst allen zum Bewußtsein kommen (sehr richtig! bei den Sozial⸗ demokraten); denn heute leben in unserem Volke noch viele in den Tag hinein und glauben, daß wir ja bald wieder festen Boden unter den Füßen hätten und dann alles gut wäre. Das Schwerste kommt erst jetzt, kommt erst, wenn wir liefern sollen und wenn wir zahlen sollen. (Leb⸗ hafte Zustimmung bei den Deutschen Demokraten und Sozial⸗ demokraten.)
Meine Damen und Herren! Ich will auch in diesem Zusammen⸗ hange keinen Zweifel daran lassen, daß wir gewillt sind, den Friedensvertrag loyal auszuführen und daß wir tun werden, was wir tun können; aber mehr als das kann von niemandem verlangt werden. (Sehr richtig! bei den Sozialdemo⸗ kraten.) Und dürfen wir hoffen, daß unsere bisherigen Feinde für unsere Haltung Verständnis haben werden? (Allseitige Zurufe: Nein!) Es sind noch wenig Anzeichen dafür da. Allerdings der fran⸗ zösische Ministerpräsident Clemenceau hat in seiner großen Rede im französischen Senat auch den Satz gebraucht: „Der Haß kann keine Lösung bringen.“ Das ist ein wahres Wort, aber wir vermissen, daß es zur Grundlage der französischen Politik gemacht wird. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten und Deutschen Demo⸗ kraten.) Heute regiert dort noch blinder Haß die Politik gegen Deutschland. Das sogenannte Friedensinstrument ist in fast allen seinen Bestimmungen unklar, und niemand weiß, bis zu welchem Grade es dereinst gegen uns angewandt wird. Der Berichterstatter der französischen Kammer über den Friedensvertrag Barthou hat ja selbst in der Kammer darauf hingewiesen, daß allerhdand Mängel in diesem Friedensvertrag seien, daß er schlecht redigiert sei, daß er zahlreiche Unstimmigkeiten und Unverständlichkeiten enthalte, die zum Teil vielleicht auf falsche Uebersetzungen zurück⸗ zuführen seien. Aber diese Unklarheit, die in dem Friedensvertrag ist, nutzt uns nichts, denn die Feinde scheinen gewillt zu sein, dieses Folterwerkzeug, das man in Versailles geschmiedet hat, gegen uns anzuwenden. Wir haben uns bekanntlich zur Unterschrist nur veran⸗
unterstreichen, daß die Rechtsabteilung in Zukuift aus dem Justitiar laßt gesehen, weil wir als absolut wehrlos dazu gezwungen waren. Aber