rungkpröäsidenten und dem Landrak, die sich bis an Fie Grettze Pes Möglichen bemüht baben, diesen Streik zu vereiteln, und als er aus⸗ gebrochen r, schnell beizulegen, den Dank und die Anerkennung der 2 tqatsregierung hier auszusprechen. (Bravo!) Für weitere Kreise
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dde Landwirte über den kleineren Kreis in Pommen hinaus besteht ent⸗
gegen den Bestrebungen, wegen dieser Verordnung immer wieder Unruhe in der Landwirtschaft hervorzurufen, keine Veran assung, sich zu beun⸗ rruhigen. Die Verordnung besteht seit dem 2. September, also etwa siieben Wochen. Erst einmal ist sie angewendet worden, und zwar in dem Kreis, wo diese Vorkommnisse spielten. Nur wenige Wochen währt noch die Hackfruchternte. Sobald sie beendet ist und somit zede Gefahr für die diesjährige Ernte beseitigt ist, werde ich mein Wwott einlösen und die Verordnung aufheben. “ Ich stimme dem Herrn Abgeordneten Rippel durchaus Tarifgedanke marschiert. Jedoch Ihre Partei war bis vor Y entschiedene Gegnerin dieses Tarifgedankens nicht nur in der Industrie, sondern auch in der Landwirtschaft. (Widerspruch re hts. — Zuruse bei den Sozialdemokraten.) — Herr von Kardorff ich rechne nicht mit dem, was in Ihrem Programm steht, sondern mit den Hand⸗ lungen, die von Ihren Parteifreunden draußen begangen werden. Wenn Sie für den Tarifgedanken eintretken, warum haben Sie ihm nicht vor der Revolution Geltung verschafft? Warum fanden die erbitterten Kämpfe um den Tarifvertrag in der Schwer⸗ industrie statt, wo Ihre Parteifreunde den Ausschlag geben. Wa nützen papierne Programmpunkte, wenn sie mit den Taten in ekla⸗ tantem Widerspruch stehen? (Zurufe rechts.) — Die Landarbeiter waren organisiert, ihre Organisation wurde aber mit brutalen Mitteln, von Ihren Parteifreunden niedergehalten. Und daß das jetzt nicht mehr geschehen kann, ist ja Ihr Kummer, der Anlaß zu Ihren jetzigen Angriffen gibt. (Widerspruch rechts. — Sehr wahr! links.) — Meine Herren, wir sind uns ja jetzt einig in der Förderung des Tarif⸗ gedankens. Der Abgeordnete Rippel gibt ja zu, der Tarifgedanke marschiert, und wir werden auch die letzten Widerstände dort in Pommern überwinden. Wenn er allerdings meint, daß seine Freunde sich dagegen wehren müßten, daß der Minister mit brutaler Gewalt in wenigen Wochen die Tarifverträge der Landwirtschaft aufzwingen will, die anders wohl erst in jahrzehntelangen Kämpfen durchgesetzt sind, dann verkennt er doch vollständig die heutige Situation. Wollen Sie auch heute erst jahrzehntelange Kämpfe um die Anerkennung der Tarifverträge führen, wie sie in der Induftrie seit Jahren die Arbeitnehmerschaft und die Arbeitgeberschaft in dieser schlimmen Weise zerklüftet haben zum Schaden unserer Volkswirtschaft? Ich glaube: nein. Aber, meine Herren, außerdem verkennen Sie ganz die Situation, insofern als Sie vergessen, daß seit dem 9. November doch ganz andere Verhältnisse eingetreten sind. (Zurufe rechts: Leider! Gegenrufe links: Gott sei Dank!) Solch eine Volksbewegung tritt nicht künstlich auf; wer sie ausgelöst und die Bedingungen dafür
geschaffen hat, darüber will ich bei diesem Punkte nicht reden. Aber Sie, meine Herren auf der rechten Seite, die jahrzehntelang hier gestanden und jeden kleinen Fortschritt bekämpft haben, Sie, Herr v. Kardorff, haben es hier Ihren Freunden selbst wenige Monate vor der Revolution mit sehr schönen Worten gesagt, Sie haben im wesent⸗ lichsten selbst dazu beigetragen, die Atmosphäre zu schaffen, die schließ⸗
lich in der Revolution zur Explosion kam. (Zuruf rechts.) — Herr von der Osten, keine Hetze nützt etwas, wenn kein Nährboden dafür da ist. (Zurufe rechts.) Meine Herren, Sie sind im Irrtum, wenn Sie annehmen, daß ich der Landwirtschaft mit brutaler Gewalt die Tarifverträge aufzwingen will, wenn ich mit meiner Verordnung eingegriffen habe, so nur, um den Widerstand jener kleinen Kreise zu brechen, die mit brutaler Gewalt, mit Militärgewalt die Arbeiter in ihrem berechtigten Streben nach wirtschaftlicher Freiheit niederhalten wollten. (Widerspruch und Zurufe rechts.) Daß jetzt die Dinge in der Politik meist etwas schneller gehen als früher, das werden Sie einge⸗ fehen haben. Jahrzehntelang haben wir uns hier darum gestritten, unser Dreiklassenwahlsystem nur um ein Geringes zu verbessern, um weiteren Kreisen auch einen Anteil an der politischen Macht zu geben; es ist nicht gelungen. Worüber wir uns jahrzehntelang gestritten haben, das ist in wenigen Tagen unter dem Druck der revolutionären Ereignisse geschaffen worden. So steht es auch auf vielen anderen Ge⸗ bieten, so auch auf dem Gebiete der Tarifverträge. Seien Sie mit mir glücklich, daß es gelingt, in der Landwirtschaft ohne zu schwere Kämpfe den Gedanken der Tarifverträge, der ein wirtschaftsfried⸗ liches Verhältnis gewährleistet, so schnell zur Durchführung zu bringen. Unterstützen Sie mich darin und bekämpfen Sie mich nicht in so verhetzender Weise.
Wenn der Abg. Rippel gestern meinte, ich sollte dafür Sorge tragen, daß in meiner Verwaltung die abgeschlossenen Tarifverträge erst einmal zur Durchführung kämen, und dabei auf Vorkommnisse im Landgestüt Marienwerder hinwies, so möchte ich darauf sagen: wenn er mir einzelne Fälle mitteilen kann, wo die mir unter⸗ geordneten Stellen nicht dafür Sorge tragen, daß ordnungsmäßige Tarifverträge auch zur Anwendung kommen, so bitte ich ihn, mir dies mitteilen zu lassen, ich werde dafür sorgen, daß sie aufs schleu⸗ nigste zur Geltung kommen. Aber wie liegen denn die Dinge gerade guf dem Gebiete des Tarifvertrages in bezug auf die Gestüt⸗ wärter? Die Gestütwärter sind zum großen Teil in dem deutsch⸗ nationalen Christlichen Landarbeiterverbande organisiert. Jahrzehnte⸗ lang haben die Herren, die hier die Macht in Preußen hatten, den Tarifvertrag und bessere Verhältnisse in den staatlichen Gestüten ver⸗ sagt. Erst als die Revolution die Macht dieser Herren gebrochen hatte, erst da kam der deutschnationale christliche Verband zu mir (Abg, Rippel: Das stimmt nicht!) — das ist Tatsache —, und es ist in wenigen Monaten möglich gewesen, für diese staatlichen Ange⸗ stellten einen Tarifvertrag einzuführen. Meine Herren, wenn jetzt die Durchführung nicht ganz so schnell geht, wenn vielleicht einzelne, in deutschnationalen Gedankengängen sich bewegende Gestütsleiter der alten Schule sich noch nicht so schnell umstellen können, dann machen Sie mir keinen Vorwurf daraus, dann bitte ich Sie, Herr Abg. Rippel, wirken Sie auf diese Ihre deutschnationalen Parteifreunde ein, daß sie sich etwas schneller umstellen. (Zurufe rechts und links.) Also, meine Herren, haben Sie etwas Geduld mit Ihren deutsch⸗ nationalen Parteifreunden in der Gestütsleitung; ich glaube, Sie werden bald keinen Anlaß haben, irgendwelche Beschwerden über die Durchführung des Tarifvertrages dort geltend zu machen.
Meine Herren, Herr Abg. Rippel hat gestern von mir verlangt, ich möchte mir das Vertrauen aller landwirtschaftlichen Kreise er⸗ xingen, wenn ich Ersprießliches auf meinem Posten leisten wolle. Da
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begeossen sich ünsere Wünsche. Ich wünschte im Inkeresse der Land⸗ wirtschaft, im Interesse der gesamten Volkswirtschaft, die wesentlich durch das Gedeihen der Landwirtschaft beeinflußt wird, im Interesse des ganzen Volkes, daß es möglich wäre, das Vertrauen aller land⸗ wirtschaftlichen Kreise zur preußischen landwirtschaftlichen Verwal⸗ tung herzustellen. Aber, meine Herren, stärker als meine Vorgänger bin ich auch nicht, und ich weiß, daß auch meine Vorgängerghier, gleichviel, welchen Namens sie waren, niemals während ihrer ganzen Amtsführung das Vertrauen aller landwirtschaftlichen Kreise ge⸗ nossen haben. (Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.) Ich weiß z. B., daß es kaum einen preußischen Landwirtschaftsminister gegeben hat, der das Vertrauen der vielen Millionen von Landarbeitern und Kleinbauern unbeschränkt gehabt hat. Da muß ich mich schon damit abfinden, schließlich auch auf das Vertrauen einiger Tausender oder Hundert⸗ tausender Großgrundbesitzer zu verzichten. (Sehr gut! bei den Sozial⸗ demokraten.) Denn ich bin der festen Ueberzeugung: obgleich ich be⸗ strebt bin, mit allen Kreisen der Landwirtschaft objektiv zusammen⸗ zuarbeiten, — in dem Augenblick, wo ich das Vertrauen der Herren von Hertzberg⸗Lottien, Dewitz und Genossen, die in dem Pommerschen Landbund ihr Wesen treiben, erringe, kann ich nicht eine Stunde länger an dieser Stelle stehen. (Lebhafte Zustimmung bei den Sozial⸗ demokraten.)
Meine Herren, es liegt ja im Wesen der Dinge, daß ich manche Zumutung, die aus Großgrundbesitzerkreisen an mich herantritt, zu⸗ rückweisen mißßs. Erst ncuerdings ist mir ein Antrag von einer Landwirtschaftskammer zugegangen, ich solle dafür eintreten, daß dee Haferumlage für die eimelnen Landwirte ebenso hoch bezahlt würde, wie der Weltmarktpreis beträgt, und es wurde darauf hingewiesen, daß der Weltmarklpreis für Hafer 1200 ℳ für die Tonne ausmache. Die Landwirte müßten etwa 600 000 Tonnen zur Befriedigung des Nährmittelbedarfs und sonstiger wichtiger Zwecke im Umlageverfahren abgeben. Für dieses Quantum erhielten sie nur 410 ℳ. Daher hätten sie bei jeder Tonne erwa 800 ℳ Schaden. Daß sie aber, wenn man etwa 6 Millionen Tonnen Ernte rechnet, bei diesem überaus hohen Preis von 1200 ℳ gegen den früheren Preis eine Mehrcin⸗ nahme don 4 Milliarden haben, daran denken sie nicht. (Zuruf des Abg. v. Kardorff.) — Das ist nicht unerhört, das ist Tatsache, Herr von Kardorff.
Meine Herren, sie beschweren sich nun nicht darüber daß ihnen dieser Gewinn von etwa 480 Millionen durch den niedrigen Peris für die Umlage entgeht, sondern sie stellen sich auf den Standpunkt, daß sei für sie eine unerträgliche Belastung, eine Sonderbesteuerung, wäh rend ich auf dem Standpunkt stehe, meine Herren, das sei lediglich ein entgangener Konjunkturgewinn, und zwar ein Konjunkturgewinn, der meiner Auffassung nach ihnen nur durch Wucherpreise zugeführt wird; denn 1200 ℳ für die Tonne ist ein Wucherpreis er steht in keinem Verhältnis zu den Gestehungslosten. Sie sprechen in ährem Schreiben von der Ausbeutung der Landwirtschafr in der krassesten Form, weil ihnen nur die 4 Milliarden Mark gegeben worden sind, und die 480 Millionen Mark nicht zufließen, weil in dem Umlage⸗ verfahren der niedrige Preis festgesetzt ist. Wenn die Landwirtschaafts kammer von mir verlangt, daß ich für solche auf dem Boden krassesten Eigennutzes gewachsene Forderungen eintrete, dann muß ich sagen: das kann ich gegenüber dem anderen großen Teile der Bevölkerung nicht ver⸗ antworten. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Der vormalige König hat einstmals, als man ihm zumutete, für cine Frhöhung des Zolles Wum 1,0 ℳ pro Doppelzentner einzutreten, erklärt: Sie können mir nicht zumuten, daß ich Brotwucher treibe. Mir mutet man aber zu, ich solle dafür eintreten, daß 80 ℳ für den Doppelzentner Getreide mehr ge⸗ zahlt werden, das zur menschlichen Ernährung notwendig ist. (Zuruf rechts: Was zahlt das Ausland? — Erregte Zurufe links.) Wenn man den Standpunkt dieser Kammer einnehmen will, dann kann man sagen: der Landwirt kann den Hafer jetzt nicht nur für 1200 ℳ verkaufen, sondern, wenn an einen Schieber, der ihn dann weiter an das Ausland abgibt, dann kann er noch das Doppelte und Dreifache dafür bekommen, dieser Gewinn ent⸗ geht ihm, und das sei eine Sonderbesteuerung, eine Ausbeutung der Landwirtschaft. Für diese Logik habe ich kein Verständnis, und wenn ich solche unberechtigten Bestrebungen und Forderungen nicht unter⸗ stütze, dann muß ich auf das Vertrauen der Kerise verzichten die diese Forderungen aufstellen. Zum Glück ist das ja nicht die Mehrheit der Landwirte, sondern der verständige Teil wird mir recht geben, wenn ich sage: es muß das Interesse der Produzenten und Konsumenten bei den jetzigen Verhältnissen im Lande in Einklang gebracht werden. Wenn ich aber solche Forderungen nicht unterstütze, dann macht man mir — das ist in der letzten Zeit sehr geläufig geworden — den Vor⸗ wurf, ich verstände von der Landwirtschaft nichts. (Sehr vichtigl rechts. Lachen bei den Sozialdemokraten.) Herr Abgeordneter Rippel hat gestern auch, gestützt auf seine tiefgründigen landwirtschaftlichen Kenntnisse, den gleichen Vorwurf erhoben. (Juruf rechts: Auf einen Zuruf von Ihren Parteifreunden!) — Das ist gleich. Ich weiß, daß hier an meiner Stelle Männer gestanden haben, die vielleicht über mehr, vielleicht aber auh über etwas weniger landwirtschaftliche Sachkunde verfügt haben. Ich weiß aber auch, daß diese Männer von der Seite, die jetzt gegen mich Sturm läuft, in der gehässigsten Weise bekämpft und als bar jeder landwirtschaftlichen Sachkunde erklärt worden sind, sobald sie sich nicht um willenlosen Werkzeug agrar⸗konser⸗ vativer Interessenpolitik machen ließen. (Lebhafte Zu⸗ stimmung bei den Sozialvemokraten.) Ich könnte Ihnen aus der parlamentarischen Gesckichte dieses Hauses und auch des Reichstages eine Reihe eklatanter Beweise dafür erbringen. Aber übrigens, meine Herren, möchte ich noch hinzufügen: auch meine Herren Amtsvorgänger, gleichviel, wesche, hatten nicht sachkundigere Mitarbeiter, als ich sie habe, vielleicht war nur der feudale Einschlag etwas stärker, als er jetzt ist. Aber, meine Damen und Herren, ich din überzeugt, ich würde auch für die Herren in den agrar⸗konservativen Kreisen der sach⸗ kundigste Minister sein, wenn ich mich zum Vorspann ihrer gewinn⸗ und herrschsüchtigen Interessenpolitik machen ließe. (Große Unruhe rechts. — Lebhafte Zustimmung bei den Sozialdemokraten.) Daß ich das ablehnte, daß ich insbesondere aber wagte, für die nach Millionen zählenden Landarbeiter und Kleinbauern, die man früher gewohnt war, an die Wand zu drücken, einzutreten, hat mir den giftigen Haß dieser Herren zugezogen. (Sehr richtig! links. — Zurufe rechts.) — Ich lege kein Gewicht darauf, Ihre (nach rechts) Zufriedenheit zu erringen; wenn ich das wollte, wäre ich hier nicht mehr möglich. Wenn die Herren, die mich jetzt in dieser Weise in der Presse angreißen — hier im Parlament klingt es ja glücklicherweise immer etwas abgeschliffener; denn hier kann ich antworten —, wenn die Herren wüßten — (Zurufe
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irchte — im „Vorwörles Nüf, Fann Machen Sie erst Prepasande für den „Vorwärts“ in Ihren Kreisen, dann hat es einen Zmweck, dert antworten (sehr gut! und Heiterkeit bei den — wenn die Paren wüßten, welchen Eindtuch Ihre Verunglimpfungen und persönlichen Gehässigkeiten auf mich machen, vielleicht würden Sie doch Ihren Eifer etwas hemmen. Wider⸗ willen, wenn die Unwahrhaftigkeit und Demagogie zu widerwärtig ist, und Heiterkeit, wenn sie zu dumm ist, das ist es, was Sie (nach rechts) bei mir mit diesen Angriffen auslösen. Das eine kann ich Ihnen hier erklären: alle diese Angriffe, mögen sie sich noch gehässiger, nech unsachlicher, noch unwahrhaftiger gestalten, werden mich um keincs Fingers Breite von dem zierklaren Wege abbringen, den ich mir bei der Uebernahme meines verantwortlichen Amtes vorgezeichnet habe. Gestern jst hier durch die zum Abbau der gereizten Stimmung veon Herm Rippel gehaltenen Rede auf der rechten Seite des Hauses der Ruf ausgelöst worden: „Fort mit dem Minister!“ Im Lande klinat er ja schon fortgesetzt. (Ja, ja! rechts.) — Ja, ja, Herr von Kar⸗ dorff, demgegenüber ekläre ich: solange ich das Vertrauen meiner Partei habe (stürmisches Ahay! rechts — stürmische Zurufe auf der Gegenseite — anhaltende stürmische Unruhe) — frübher mußte ein Minister das Vertrauen⸗Ihrer (nach rechts) Partei haben! — (sehr richtig! und Heiterkeit linke) solange ich das Vertrauen meiner Partei und der Mehrheit dieses Hauses habe, zu der Sie (nach rechts) nickt gehören, solange werde ich nicht die feige Fahnenflucht ergreifen, die Sie erwarten, scange werde ich bier meine ganze Kraft einsetzen, um die großen Aufgaben, die meinem Amte gestellt sind, mit Hilfe meiner sachkundigen Mitarbeiter auszuführen. (Zurufe rechts und links.) Meine Herren, von welcher Bedeutung die baldige und be⸗ friedigende Lösung dieser Aufgaben für den Wiederaufbau unseres Wirtschaftslebens und für seine friedliche Fortentwicklung ist, ist in
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dieser Debatte schon hinlänglich betont worden; ich kann darauf ver
zichten, das hier zu wiederholen. Ich möchte aber folgendes hinzu⸗ fügen. Die dringend notwendige umfassende Bodenverbesserung durch Meliorationen und Bodenkulturarbeiten aller Art, wie insbesondere die Aufschließung aller zur land⸗ und forstwirtschaftlichen Nutzung geeigneten Kultur⸗ und Oelländereien muß viel mehr als bisher Ge⸗ meingut aller Kreise der Bevölkerung werden. (Sehr gut! links.)
Nur dann wird es möäöglich sein, alle Mittel und Kräfte einzu⸗ setzen, um dieses große Kulturwerk zu vollbringen, die Kraftquellen unseres Landes zu stärken und den Nährboden, der uns zur Ver⸗ fügung steht, fruchtbarer zu machen. Meine Verwaltung hat bisher trotz aller Schwierigkeiten, die unsere jetzigen wirtschaftlichen Ver⸗ hältnisse mit sich bringen, auf diesem Gebiete getan, was zu tun ist. Die Herren von der Siedlungskommission haben erst kürzlchi Gelegen heit gehabt, zu sehen, wie großzügig die Moorkultivierungsarbeiten vorgenommen werden. Sie sollen in demselben Maße fortgesetzt werden, und ich hoffe, daß es gelingt, auf diesem Gebiete bald mit weiteren sichtbaren Leistungen aufwarten zu können. Besonders die Landeskulturbehörden, die durch das Gesetz, das dieses Haus verab⸗ schiedet hat, eingesetzt worden sind, haben hier ein neues großes Arbeitsfeld. Ich hoffe auch, daß das Gesetz über die Bodenverbesse rung, das dem Hause bereits vorliegt, bald und so verabschiedet wird, daß es den Landeskulturbehörden eine wirksame Handhabe auf dem Gebiete der Kulturarbeit bietet. .
Meine Damen und Herren, wir haben glücklicherweise einen er⸗ freulichen Zug in unserer Bevölkerung zu konstatieren; das ist der Zug von der Stadt auf dem Lande hinaus. Das ist ein hoffnungs⸗ volles Zeichen der Gesundung unseres Volkskörpers. Wir müssen es richtig begreifen und erfassen, müssen auch verstehen, daß sich bei der Umstellung gewisse Komplikationen beiderseitig ergeben. Wir müssen uns aber bemühen, diese Gegensätze und diese natürlichen Empsindungen, die sich aus der langen Trennung, aus der Ver⸗ schiedenheit des Milieus, in dem diese Bevölkerungskreise gelebt haben, ohne weiteres ergeben, zu überwinden. Dann wird dieser Zug der Gesundung, der durch das Volk geht, auch befruchtend auf unser Wirtschaftsleben und unsere ganze Volkswirtschaft einwirken. Nobt⸗ wendig ist dazu, daß die großen Aufgaben des Siedlungswesens er⸗ füllt werden, um diese Menschenmassen aufzunehmen und eine Um⸗ gestaltung der Besitz⸗ und Betriebsverhältnisse in der Landwirtschaft herbeizuführen. 1
Den Streit, ob Klein⸗ oder Großbesitz rationeller wirtschaftet, möchte ich hier als müßig vollständig beiseite lassen. Das Ziel bei dieser Umgestaltung muß die Beschaffung von Wirtschaftseinheiten sein, die den größtmöglichen Ertrag aus dem uns zur Verfügung stehenden Boden ergeben. Das wird nach Oertlichkeit, nach Boden⸗ beschaffenheit, nach Verkehrslage, nach Absatzverhältnissen verschieden zu beurteilen sein. Der gesamten Tätigkeit auf diesem Gebiete der inneren Kolonisation den rechten Inhalt zu geben, das wird so recht die Aufgabe der Landeskulturbehörden sein, die wir eingesetzt haben und die großen Aufgaben der neuen Agrarreform, die aus der Not der Zeit geboren sind, zu lösen haben.
Meine Damen und Herren! Diese Agrarreform kann ihren wahren Zweck nur erfüllen, wenn sie uns die unerläßliche Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion bringt. Dazu ist es notwendig⸗ daß wir wieder hinreichend Menschen auf dem Lande haben, und zwar Menschen, die sich mit Liebe und Lust dem Ackerbau und der Vieheucht widmen; denn in keinem Wirtschaftszweige — das ist schon mehrfach hier hervorgehoben wonden, und ich möchte das unterstreichen — spielt das individuelle Moment in der Wirtschaftstätigkeit eine so große Rolle wie in der Landwirts haft. (Sehr richtig!) Das gilt für die Arbeitgeber wie für die große Gruppe der Arbeitnehmer. (Sehr⸗ richtig!) Da ich dies erkannt habe, deshalb geht mein Bestreben dahin, einen Ausgleich, eine Verständigung, ein wirtschaftsfriedliches Verhältnis zwischen beiden Gruppen zu schaffen. Das kann ich aber nicht, wenn ich einseitig die Bestrebungen unterstützen wollte, die auf Niederhaltung der Arbeiter gerschtet sind. (Zuruf rechts: Das ist eine kleine Gruppe!) — Mit dieser kleinen Gruppe müssen wir aber auch fertig werden; ihr Treiben wirkt wie eine Epidemie. Aber, meine Damen und Herren, zum freudigen Wollen muß sich auch ein hin⸗ reichendes Können gesellen. (Sehr richtig! Zurufe und Heiterkeit rechts.) — Ja, wäre ich Landrat gewesen, dann könnte ich wohl alles: dann würden Sie wohl gar nicht daran zweifeln, daß ich es könnte; aber es können doch hier nicht nur Leute stehen, die Ihrer Partei an⸗ gehören. Es muß sich also, wie ich schon sagte, auch ein hinreichendes Können dazu gesellen, wenn die Ergichigkeit der Arbeit bis zum Höchst⸗ maß gesteigert werden soll. —
Daru ist notwendig die Ausgestaltung des landwirt⸗ schuftlichen Unterrichtswesens, und zwar des
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unseres Lnandwirtschaft sein; nur dadurch können wir uns unabhängig vom
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Kis des höberen, des Unkerrichtswesens, das, eng verbunden mit der z
Praxis, durch die Praxis und für die Praxis wirken muß. Es ist not⸗ wendig, unsere ganze Bevölkerung, die landwirtschaftlich tätig ist, männli hen urd weihlichen Geschlechts, in welcher Stellung der Wirt⸗ schaft sin auch tätig sein mag, qualitativ zu heben; denn nur dadurch wird es möglich sein, die Landwirtschaft so intensiw zu gestalten, wie » notwendig ist, um die gesamte Bevölkerung mit den Früchten Ackers zu ernähren. Denn das muß das Ziel unserer Ausland machen. (Sehr richtig!) Dazu ist aber auch notwendig, daß wir unsere Landwirtschaft entpolitisieren. (Sehr wahr! rechts.) Sehr wahr, meine Herren! Ich freue mich, daß auch auf Ihrer Seite endlich diese Erkenntnis sich Bahn gebroben hat. (Sehr gut bei den Sozial⸗ keeten) Es müssen die Großgrundbesitzer sich abgewöhnen, aus threr landwirtschaftlichen Berufstätigkeit einen Rechtstitel auf eine politische Vorherrschaft im Lande berzuleiten, (sehr gut! links) wie es früher war. Das war der Krebsschaden, und das hat dazu geführt, daß das Land und die Landwirtschaft indentifitert wurden mit reaktionärer Politik; das hat dazu geführt, den Gegensatz zwischen Stadt und Land zu schaffen und zu vertiefen und niemals ein gedeihliches Verhältnis aufkommen zu lassen. Entpolitisieren wir die Landwirtschaft, dann wild das natürliche Verhältnis zwischen Stadt und Land wiederber⸗ gestellt, denn der Gegensatz zwischen Stadt und Land ist ein ganz un⸗ natürlicher; das Land ist doch einmal die Nährmutter der Stadt. Die wirtschaftlichen Stände von Stadt und Land müssen sich gegenseitig ergänzen, ihre Interessen ausgleichen. Nur durch pereintes Zu⸗ sammenarbeiten aller Kräfte können wir dem furchtbaren Schicksal entgehen, das unserem darniedergebrochenen Lande droht. Das wird zticht genug in weiten Volkskreisen erkannt. Wenn man den klein⸗ lichen Kampf ansieht, der oft geführt wird, dann muß man sich sagen, die Leute sehen noch immer nicht, wie es um uns steht. Wirstehen vor einem Abgrund! Gleichwohl wirbelt in Profitgier, Streikfieber und Genußtaumel das Volk durcheinander und wälzt sich blind dem Abgrunde zu. (Lebhafte Zurufe rechts.) Es ist notwendig, daß wir jeden kleinlichen Eigennutz beiseite stellen und alle Kräfte zu⸗ sammenfassen und auf das Gemeimvohl einstellen; nur dann können wir das Verhängnis aufhalten, unser unglückliches Volk vor dem Ab⸗ grund retten. (Lebhafter Beifall links.) .
vW“ Sitzung vom 23. Oktober 1911l.
(Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger.*)
Am Regierungstische: Der Staatsminister Braun. Vizepräsident Dr. von Kries eröffnet die Sitzung nach
„Das Haus setzt die Beratung des Haushaltsplans für die landwirtschaftliche Verwaltung fort.
Es ist noch ein Antrag des Zentrums eingelaufen, die Regierung zu ersuchen, den Erlaß des Landwirtschafls⸗ ministers vom 2. September d. J. über die Sicherstellung landwirtschaftlicher Arbeiten behufs Prüfung seiner Rechts⸗ gültigkeit dem Justizminister zur gutachtlichen Aeußerung zu überweisen.
Abg. Dr. Reinecke (Zentr.) begründet den Antrag unter Be⸗ zugnahme darauf, daß der Landwirtschaftsminister selbst über die Rechtsgültigkeit seines Erlasses, betr. die Anstellung der Peamten der Landwirtschaftskammern, ein Gutachten des Justizministers eingeholt
8 habe. Selbstverständlich müsse Wert auf eine möglichst schleunige Errstattung des Gutachtens gelegt werden.
Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten Braun:
Der Herr Abgeordnete von der Osten ist gestern auf die Auseinander⸗
setzung zurückgekommen, die im Juni dieses Jahres in diesem Hause über die Tätigkeit eines meiner Kommissare, des Regierungsrats Dr. Grimm in Pommern, bei den Streikunruhen stattgefunden haben. Er hat darauf hingewiesen, daß ich bei jenen Auseinander⸗
setzungen erklärt hätte, daß Klage gegen ihn eingereicht würde, um ihm Gelegenheit zu geben, die Richtigkeit seiner Angaben vor Gericht nachzuweisen. Es ist richtig, ich habe damals erklärt, daß ich die
Leider ist die Klage bisher — Sie ist
Erhebung der Klage angeordnet habe. nicht eingereicht worden. (Zuruf rechts: Verjährt!)
nicht verjährt. — Sie ist nicht eingereicht worden. J Ich bedauere, daß ich mich leider wegen der Fülle der wichtigen Ge⸗ schäfte nicht um diese Angelegenheit habe kümmern können. Daß es unterblieben ist, ist darauf zurückzuführen, daß Herr Regierungsrat Dr. Grimm sich der Annahme hingegeben hat, daß es ihm gelingen würde, zur Vermeidung der Vertiefung der Gegensätze durch eine Verständigung mit den beteiligten Arbeitgeberkreisen und insbesondere mit Herrn von der Osten die Sache aus der Welt zu schaffen. (Leb⸗
hafte Zurufe rechts.) — Das ist darauf zurückzuführen, daß er das politische Leben nicht genügend kennt und nicht weiß, in welcher Weise agrar⸗ konservative Kreise zu kämpfen pflegen.
Ich werde in diesen Irrtum (Erneute Zurufe rechts.) Meine Herren, lassen Sie machen es mir sonst
nicht verfallen sein. Sie mich doch ein Wort ruhig ausreden.
unmöglich, von dieser Stelle aus zu reden, ich werde mir dann einen
anderen Platz aussuchen müssen. (Erneute Zurufe rechts.) So schwach ist doch Ihre Position nicht, daß Sie mich nicht einmal ausreden lassen.
Nach den Ausführungen des Herrn Abgeordneten von der Osten schien es gestern, als ob Herr Dr. Grimm nach den Auseinander⸗
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setzungen hier nichts weiter zu tun gehabt hätte, als schleunigst zu
Verrn Dr. Mendelssohn, so heißt wohl der Herr im Landesökonomie⸗ tollegium, zu laufen und um gut Wetter zu hitten. Tatsache ist, daß
einige Tage nach den Auseinandersetzungen hier Herr Dr. Grimm
den Herrn Dr. Mendelssohn, den er aus seiner Tätigkeit beim De⸗ mobilmachungsamt kennt, bei Gelegenheit einer Sitzung des Land⸗ arbeiter⸗ und Bauernrats getroffen und mit ihm gesprochen hat. Da ist diese Sache zur Sprache gekommen, und er hat bei der Gelegen⸗ heit Herrn Mendelssohn gesagt, wenn er das Material, was ihm, Herrn Dr. Grimm, vorliege, genau kennte, würde er auch eine andere Auffassung über die Angelegenheit haben. Herr D)r. Grimm ging dabei
von der Auffassung aus, daß, wenn auch den Arbeitgeberkreisen und Herrn
von der Osten dieses Material vorliegen würde, Herr von der Osten viel⸗ leicht seine Stellungnahme revidieren und zu einer gerichtlichen Aus⸗ tragung der Sache keine Veranlassung vorliegen werde. Herr Mendels⸗ sohn ist dann in das Dienstzimmer des Herrn Dr. Grimm nach dem Ministerium gekommen, hat dort Einsicht in die Akten genommen
und seine Auffassung dahin kundgegeben, daß er allerdings von den eö
*) Mit Ausnahme der Reden der Herren Minister, die im Wort⸗ laute wieder egeb erde 8
“
Dingen nunmehr eine andere Auffassung habe, als sie bier von der rechten Seite des Hauses bekundet worden sei. (Hört! hört! links.) Herr Dr. Grimm hat daraufbin geglaubt, die Sache wäre damit er⸗ ledigt und die Herren von der rechten Seite würden Gelegenheit nehmen, auch ihre Stellung in dieser Frage zu revidieren. Herr von der Osten hat gestern allerdings hier bekundet, daß ihm nicht im ent⸗ ferntesten daran liege, seine Auffassnng zu revidieren, sondern daß er an dem festhält, was er damals bier bekundet hat, daß er insbesondere nach wie vor die von ihm mitgeteilten Tatsachen aus Pommern für richtig hält. Das veranlaßt mich nunmehr, hier iu erklären, daß ich jetzt dafür Sorge tragen werde, daß schnellstens Klage eingeleitet wird, damit die gerichtliche Klarstellung in schnellster Zeit erfolgen kann. (Zuruf rechts.) Ich habe hier nur Herrn von der Osten mitgeteilt, daß die Tatsachen, zu deren Ver⸗ breitung er sich hergegeben hat, unwahr seien; denn Herr von der Osten weiß sie nicht aus eigener Wahrnehmung, sondern sie sind ihm über⸗ mittelt worden. Diese Uebermittlung habe ich als unwahr bezeichnet. Das muß ich solange aufrechterhalten, als nicht durch einwandfreie gerichtliche Verhandlungen festgestellt wird, daß die Tatsachen, die mir herichtet worden sind, unrichtig sind. Zurufe rechts.) Ich bitte
was ich sage Damit verlasse ich diese Augelegenheit.
Herr von der Osten hat weiter auf die Kalamität hingewiesen, die sich in den letzten Wochen bei der Einbringung der Hackfrucht⸗ ernte, inbesondere der Kartoffelerute bemerkbar gemacht bat. Das ist richtig; durch die Verspätung der Erzste sind Schwierig⸗ keiten det der Hackfruchternte, besonders der Kartoffeterate zutoge getreten. Besonders aus Ostpreußen sind mehrfache Notschreie ge⸗ koͤmmen, daß es nicht möglich sein werde, die Kartoffelernte einzu⸗ bringen, daß wenn Frübhfrost eintrete, eine größere Kartoffelmenge dem Verderben preisgegeben sei. Ich habe mich, als diese Nachricht bekannt wurde, fofort an sämtliche Regierungspräsidenten gewandt und um Bericht über die Aussichten der Kartoffelernte ersucht. Von den eingegangenen 24 Berichten haben 17 festgestellt, daß bei ihnen die Hackfruchternte, vornehmlich die Kartoffelernte gesichert fei, in don anderen Bezirken ist es zweifelbaft, 9es hbängt davon ab, wie schnell der Frost kommt und ob es gelingt, die Arbeiterschwierigkeiten zu beheben. In Ostpreußen haben sich deshalb besondere Arbeiterschwie⸗ rigkeiten herausgestellt, weil die im südlichen Teil der Provinz ge⸗ legenen Kartoffelanbauflächen alljährlich auf die große Anzahl von polnischen Arbeitern angewiesen waren. Die polnischen Arbeiter sind jetzt von der polnischen Grenzbewachung gewaltsam zurückgehalten worden. Es ist versucht worden, durch Heranziehung städtischer Arbeitsloser diesen Arbeitermangel zu beheben. Es hat sich dabei leider gezeigt, wie ich es seit Monaten zu meinem Bedauern erfahre, daß einzelne städtisch: Arbeitsnachweise sich auf die Tätigkeit, die jetzt von ihnen verlangt wird, bei der Vermittlung von städtischen Arbeitern aufs Land, noch nicht richtig eingestellt haben, noch nicht die richtige Aus⸗ wabl der für die Landarbeit brauchbaren Arbeitskräfte vornehmen, sondern in Bausch und Bogen Arbeitslose zusammenraffen und aufs Land schicken. Wenn so von den Arbeitsnachweisen vorgegangen wird, muß sich das ergeben, was in Ostpreußen zutage getreten ist, daß ein Teil der dorthin beförderten Industriearbeiter nicht gewillt ist, zum Teil sich nicht besähigt gezeigt hat, die von ihm verlangte Arbeit zu leisten und demgemäß sehr schnell hat zurückgeschafft werden müssen. Ein Teil ist dort geblieben. Leider ist das ein geringer Prozentsatz, so daß der Arbeiterbedarf dort nicht hinreichend gedeckt wird. Es rächt sich hier, daß jahrzehntelang die östliche Landwirtschaft auf die fremden Arbeitskräfte eingestellt wurde, daß durch die starke Heran⸗ ziehung ausländischer Arbeiter auf den östlichen Gütern ein Milieu geschafeen wurde, in dem sich der einheimische Landarbeiter nicht mehr wohl fühlte und abwanderte. (Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Hätte man früher der Gefahr ins Auge gesehen und dafür gesorgt, dieser Entvölkerung der östlichen Landesteile durch eine planmäßige sachkundige Siedlungspolitik entgegenzuwirken, dann wären diese Mißstände bei der Kartoffelernte im Osten nicht zutage getreten. Jetzt kommt es darauf an, das Unheil, das dort droht, abzuwenden und alle Mittel anzuwenden, um dem Osten ausreichende Arbeitskräfte für diese dringende Arbeit zuzuführen.
Bezüglich der Ausführungen des Abg. Grafen Kanitz habe ich, was ich den Herrn v. der Osten gegenüber erklären möchte, nicht da⸗ von gesprochen, daß Graf Kanitz hier separatistische Tendenzen zum Ausdruck gebracht habe, sondern ich habe wörtlich erklärt: Ich bedaure daher den Antrag Kanitz auf Aufhebung der Zwangs⸗ wirtschaft in Ostpreußen, da er — die Motive des Antragstellers in allen Ehren — gleichwohl einen separatistischen Einschlag erkennen läßt. So liegen die Dinge. Ich habe in der Tat auch heute noch die Auffassung, daß derartige Bestrebungen, wie sie im Antrage Kanitz enthalten sind, zweifellos nach aufen hin den Eindruck erwecken müssen, als ob separatistischer Einfluß sich dort geltend mache, der⸗ artige Bestrebungen dort propagiert würden.
Wenn nun Herr v. der Osten in bezug auf den Antrag des Herrn Grafen v. Kanitz meint, die ostpreußische Bevölkerung wolle die Nahrungsmittel frei bekommen, um Kohlen zu erhalten, die die Regierung nicht liefere, so ist das eine merkwürdige Beweisführung. Wie wollen denn die ostpreußischen Landwirte, wenn sie die zwangs⸗ bewirtschafteten Lebensmittel frei bekommen, sich damit Kohlen ver⸗ schaffen, wenn die Verkehrsmittel, die in der Hand der Staats⸗ eisenbahnverwaltung sind, nicht ausreichen, um ausreichend Kohlen heranzubringen? Das bringt doch in einem gewissen Grade zum Ausdruck, daß die Landwirte, wenn sie von der Preisbeschränkung und Beschlagnahme frei werden, im Wege des Schleichhandels — in diesem Falle wäre es ja für Ostpreußen allerdings nicht mehr Schleichhandel, aber für die anderen Teile des Reiches — sich Kohlen für Lebensmittel eintauschen wollen. Das wäre selbst⸗ verständlich ein Vorgehen, das unsere ganze vLebensmittelbe⸗ schaffung und die geordnete Kohlenversorgung in Unordnung und dadurch zum Zusammenbruch bringen würde. Ich glaube, das ist nicht der richtige Weg, und ich würde es im Interesse Ostpreußens selbst bedauern, wenn ein derartiger Weg eingeschlagen werden würde.
In bezug auf meine Ausführungen über den Haferpreis hat Herr von der Osten gemeint, ich bewiese auch damit, wie wenig ich in das Wesen der Landwirtschaft hineingedrungen sei. Das ist auch solch eine Wendung, wie sie jetzt gegen mich üblich ist, indes auf mich
leinen Eindruck mehr macht. Glauben Sie denn, Herr von der Osten,
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das Stenogramm durchzusehen; Sie werden sehen, daß das richtig ist,
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daß ich nicht weiß. daß die Havptmenge des Hafers, die draußen ge⸗ baut wird, als Preduktionsmittel wieder in die Produktion eingeht? Ich komme aber zu dem Vergleich, weil ich gleichwobl weiß, daß die Landwirte darauf Eewicht legen. daß im Endyrodukt schließlicherweise der Marktpreis des Hafers bei der Preisfestsetzung zum Ausdruck kommt. Wir werden bei jeder Preisberechnung, die von landwirt⸗ schaftlicher Seite autgestellt wird, finden, daß der Markipreis, das beißt der Preis für das Halbprodukt, in dem Preis des Endproduktes zum Ausdruck gebracht wird. Aber ich habe mich bei meinen Aus⸗ führungen ja hauptsächlich gegen die Beweisführung der Landwirt⸗ schaftskammer gewandt, die den Umstand, daß den Landwirten für diese Menge, die im Umlageverfahren erfaßt wird, der Kon⸗ junkturgewinn entgeht, als eine Ausbeutung der Landwirtschaft, als eine Sonderbesteuerung der Landwirtschaft hingestellt hat. Gegen diese Beweisführung habe ich mich gewandt, und sie wird ja wohl auch durch die Ausführungen des Herrn von der Osten nicht gedeckt, denn hier kommt der krasse Materialismuus zum Ausdruck. den Herr von der Osten gestern in seinen Ausführungen sehr bedauert hat. Aber dieser Materialismus ist doch sicher nicht durch sozial⸗ demokratischen Klassenkampf oder Aaitation erzielt (sehr gut! links), sondern ich reige zi der Auffassung, daß er eher durch die 25 jäbrige Tätigkeit des Bundes der Landwirte erzielt ist (sehr richtig! links), der seine Agitation auf den krassesten Materialismus eingestellt hat.
Herr von der Osten hat weiter gemeint, ich sei so empfindlich gegen die Kritik. Ach. Sie wissen ja gar nicht, was ich vertragen kann. (Heiterkeit.) Ich bin noch lange nicht an der Grenze ich stehe drei Jahrzehnte im politischen Leben, habe über 20 Jahre davon im⸗Osten, gerade im Kampfe mit den politischen Gruppen gestanden, Herr von der Osten, denen Ste sehr nahe stehen. Ich kenne die Methoden, ich kenne die Kampfesweise, sie ist mir nicht neu, sie macht daher auf mich keinen Eindruck. Lesen Sie einmal Bismarcks Denkwürdig⸗ keiten und Erinnerungen durch, da werden Sie sehen, wie Bismarck diese Kampfesweise eines gewissen vommerschen Landjunkertums, wie er es nannte, selbst charakterisiert, seine eigenen Junkergenossen nackt darstellt in ihrer ganzen Kampfesweise gegen einen Minister⸗ der sich ihren Interessen nicht dienstbar machen lassen will. richtig! links.) Wenn Herr von der Osten neiter meint, früher sei schärfere Kritik an Ministern geübt worden, so erkläre ich, mir ist jede Kritik, und sei es auch die schärffte, durch⸗ aus lieb, aber sie muß sachlich sein, sie muß nicht in persöͤnliche Be⸗ schimpfungen und⸗ Verunglimpfungen ausarten, nie es in der Presse draußen im konservativen Blätterwalde gescheben ist. Ich würde Ihre Zeit zu sehr in Anspruch nehmen, wenn ich eine Blütenlese all dieser Schimpfereien vortragen wollte. Dagegen habe ich mich ge⸗ wandt; um mich dagegen zu wehren, habe ich die Tribüne dieses Hauses benutzt, weil die genannten Blätter, wie ich gestern festge⸗ stellt babe, nicht einmal die Anständigkeit besitzen, sachliche Richig⸗ stellungen aufzunehmen. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Herr von der Osten hat gemeint, es sei ja der HIl des Preßgesetzes da, um die Presse zur Aufnahme von Berichtigungen zu zwingen.
Herr von der Osten, Sie wissen sehr gut, daß der § 11 für die Be⸗ richtigungen einen sehr engen Rahmen zuläßt und es in das Be⸗ lieben des Redakteurs und der Gerichte stellt, ob eine Berichtigung ihrem Wortlaut nach tatsächlich dem § 11 entspricht, daß man mit dem § 11 nur eine Tatsache als unrichtig bezeichnen, dahingegen Schiefheiten und Verdrehungen nicht wegräumen kann. Deshalb habe ich an das Anstandsgefühl der Redaktion der „Kreuzzeitung“ appelliert, gehofft, daß sie die Berichtigung aufnehmen werde. Zu meinem Be⸗ dauern muß ich konstatieren, daß ich die Redaktion falsch eingeschätzt habe. 8
Wenn Herr von der Osten gestern meinte, die Kritik an den Ministern sei früher in einem viel rüderen Ton geübt worden, so möchte ich doch darauf hinweisen: die Kritik an den Ministern in der Presse war früher in einem so rüden Ton, wie er jetzt von der konservativen Presse beliebt wird, garnicht möglich, denn der Redatteur, der das versucht hätte, wäre aus dem Gefängnis garnicht heraus⸗ gekommen. (Sehr richtig! bei den Sozialdemo raten.) Wollten Sie die Berichte derartiger Preßprozesse früherer Zeit durchlesen, so⸗ würden Sie sehen, wie sensibel, wie mimosenhaft empfindlich die früheren Herren Minister gewesen sind gegen viel mildere Angriffe, wie sie sofort zum Kadi liefen. Sie werden dann auch erkennen, daß wir, die Minister des neuen Regimes, die Preßfreiheit geradezu bis zur äußersten Grenze respektieren. Das wird von Ihnen in einer Weise ausgenutzt, die sich nicht verantworten läßt und die auch schließlich nicht in Ihrem Interesse liegen wird. Preßfreiheit ist keine Schimpffreiheit. (Zuruf bei der D. Nat. V.⸗P.) — Der „Vorwärts“ nimmt Berichtigungen auf, die „Kreuzzeitung“ aber nimmt sie nicht auf, die unterdrückt die Wahrheit, das ist der große Unterschied. 3
Dann möchte ich zum Schluß noch mit einigen Worten auf die Angelegenheit im Kreise Belgard zurückkommen. Herr von der Osten hat trotz meiner aktenm äßigen Feststellungen gleichw ohl wieder, offenbar weil es in seinem Konzepte lag, weil er nicht wußte, daß ich vor ihm reden würde, die ganze Darstellung der Ereignisse so wiedergegeben, wie sie unrichtig in der „Kreuzzeitung“ von den Herren Graf Westarp und v. Hertzberg verbreitet worden war. Er hat ganz ignoriert, was ich auf Grund der amtlichen Berichte akten⸗ mäßig festgestellt habe. Er hat wiederum darauf hingewiesen, daß im Kreise Belgard schon seit Mai ein Vertrag bestanden habe. Das war einer jener Verträge, wie sie nicht zustande kommen sollten und wie sie nicht Stich halten, wie sie vor allen Dingen nicht vor wirtschaftlichen Kämpfen schützen, keinen wirtschafts⸗ frieblichen Zustand dauernd gewäͤhrleisten, ein Vertrag mit einzelnen Mitgliedern des Landarbeiterverbandes. Eine Gruppe von Arbeitgebern nahm sich eine kleine Gruppe von Arbeitern vor, machte einen Vertrag mit ihnen und bildete sich nun ein, Dieser Vertrag wäre für alle Arbeitgeber und alle Arbeitnehmer geltend. Auf diesem Wege können nicht dauernd geordnete Zustände geschaffen werden; das ist nur möglich mit dem kollektiven Arbeifs⸗ vertrag, der von beiden Seiten als bindend anerkannt wird. Eingh solchen Vertrag an Stelle des im Mai von einer kleinen Grupde abgeschlossenen Bertrages zu schaffen, war das Bestreben des Land⸗ arbeiterverbandes. Deswegen bat er den Landrat, zu vermitteln und Verhandlungen in die Wege zu leiten. 1 Iö1 8
Meine Damen und Herren, Herr von der Osten hat nun au die falsche Angabe wiederbolt, daß der uene Vertrag, den der Land⸗ arbeiterverband erstrebie, nur ein vorläufiger Vertrag sein sollte und
(Sehr
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