1919 / 247 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 28 Oct 1919 18:00:01 GMT) scan diff

9

Einstellung von Zügen leider in weitem Umfange denken müssen, doch nicht dazu übergehen, noch möglichst viele Reisende heranzuziehen. Sobald aber die Verhbehrsnot behoben ist, wird den Wünschen des Herrn Abgeordneten Zöphel Rechnung getragen werden.

Die Heranziehung von Vertretern von Wirtschaft und Technik, die der Herr Abgeordnete Dr. Zöphel befürwortet hat, ist bereits in meiner Programmrede ausreichend gewürdigt worden. Die von dem Herrn Abgeordneten Zöphel erwähnte Eingabe technischer Ver⸗ bände bewegt sich durchauns im Sinne meiner Ausführungen. Ich beabsichtige, bei Auswahl der aus der Technik und Wirtschaft heran⸗ zu jehenden Vertreter die Vorschläge der beteiligten Organisationen und Verbände einzuholen und tunlichst zu berücksichtigen. Im übrigen lege ich Wert darauf, angesichts der großen Bedeutung, die unserer Technik beizulegen ist, und die ich im vollen Umfange würdige, an dieser Stelle darauf hinzuweisen, daß ich bereits seit einer Reihe von Jahren in meiner Eigenschoft als preußischer Abgeordneter im Landtage auf die Bedeutung der Technik und die stärkere Heranziehung der Techniker für die Verwaltungen im Staate und in den Gemeinden eingetreten bin. Darauf ist mir auch in sehr vielen Eingaben und Schriften der Techniker der Dank ausgesprochen worden. Ich kann versprechen, daß ich das, was ich damals als Abgeordneter befürwortet habe, als Minister durchzuführen gewillt bin.

Meine Damen und Herren! Auf das Bukett von Wünschen und Reformvorschlägen, die mir innerhalb und außerhalb dieses hohen Hauses vorgelegt worden sind, spreche ich meinen verbindlichsten Dank aus. Die verehrlichen Spender dieses Buketts und zwar auch die Herren Abgeordneten sollen von mir zur praktischen Mitarbeit herangezogen werden, und ich hoffe, daß sie mir dann behilflich sein werden.

Manche weitere Kritik des Herrn Abgeordneten Zöphel richtet sich auf die Verwaltungen der Länder, in deren Zuständigkeit ich nicht ein⸗ groifen kann. Das gilt insbesondere von Vorschlägen, die er auf dem Gebiete des Eisenbahmresens gemacht hat. Soweit ich zuständig bin und soweit insbesondere die Zuständigkeit meines Ministeriums zur Steuerung der Verkehrsnot durch die neueren Beschlüsse der Reichs⸗ regierung erweitert ist, wird es an meiner Energie und an der Energie meiner Mitarbeiter nicht fehlen. (Bravo!)

Der Herr Abgeordnete Zöphel ist dann auf den Mittellandkanal zu sprechen gekommen. Auch dieses Problem gehört heute noch zur Zuständigkeit Preußens. Darin können wir vor dem verfassungs⸗ mäßigen Zeitpunkt der Uebernahme auf das Reich, nämlich vor dem 1. April 1921, nicht eingreifen. Die Betrahtung und Kritik des Herrn Abgeordneten Dr. Zöphel gehören daher parlamentarisch vor

das Forum der Preußischen Landeeversammlung. Mit dieser Maß⸗

historischen Rückblicke die Rechte angegriffen

8

gabe will ich zur Beantwortung seiner Frage bemerken, daß die Vor⸗ arbeiten für das Projekt der Durchführung des Miltelland⸗Kanals von Hannover bis Magdeburg abgeschlossen sind.

Die bedeutsame Frage der Verteilung der Strombaulasten und der Wasserstraßenpolitik überhaupt, die der Herr Abgeordnete Zöphel ausgiebig zum Gegenstande seiner Betrachtungen gemacht hat, kann von mir bei dem gegenwärtigen Stande der Dinge schon aus Zu⸗ ständigkeitsgründen in Anbetracht der Schwierigkeiten der damit ver⸗ bundenen Probleme nicht als abgeschlossen betrachtet werden. Alle diese Fvagen werden aber zum Gegenstande eingehender Beratungen emacht, und es wird auf eine baldige befriedigende Lösung von meinem Ministerium hingewirkt werden. (Sehr gut!)

Ich gehe über zu den Ausführungen des Deglerk. Er hat mir den Vorwurf gemacht,

Herrn Abgeordneten daß ich bei meinem und die Zentrums⸗ fraktion vergessen habe. Ich glaube, jeder ernstliche Kritiker ohne Unterschied der Richtung in diesem Hause wird mir ugeben müssen, daß nach der parteipolitischen Seite hin meine Ausführungen in

keinem einzigen Punkte irgendwelche Angriffsflächen geboten haben.

Ich glaube, so ruhig und sachlich, ohne irgendwelche Hervorkehrungen von Parteigegensätzen, ja, geflissenllich zur Zusammenfassung aller Parteien auf diesem Gebiete gesprochen zu haben, daß man mir mit Fug und Recht nicht nachsagen kann, ich wäre zu irgendeiner Polemik gegen die Rethzte übergegangen. Davon kann gar keine Rede sein. (Sehr richtg!) Die Dinge liegen praktisch so, daß sich die Auf⸗ fassungen der Porteien über die Frage, ob ein Uebergang auf da Reich zweckmäßig sei, im Laufe der Zeiten wesentlich gewandelt haben. Daraus ist doch sicherlich keiner Partei ein Vorwurf zu machen, zumal diese Veränderung in der Auffassung der Parteien eine Folge der veränderten Verhältnisse ist. (Sehr richtigh

Es hat mir nichts ferner gelegen, als aus dem Standpunkte, den ich nur historisch vewürdigt habe, der Rechten einen Vorwurf wegen ihrer damaligen Haltung zu machen. Etwas bedenklich ist es aber, wenn der Herr Abgeordnete Deglerk zur Rechtfertigung seines Partei⸗ standpunktes mit besonderem Nachdruck hat geglaubt betonen zu sollen, daß die Rechte damals schon besonders vorsorglich und klug an die Bearbeitung der Dinge herangegangen sei, indem sie die Bismarcksche Verreichlichungspolitik unterstützt habe. Demgegenüber muß der Herr Abgeordnete Deglerk darauf hingewiesen werden⸗ daß die Rechte später und zwar bis zu dem Zustandekommen der heutigen Verfassung gegen die Verreichlichung eingetreten ist. Daraus würden sich Schluß⸗ folgerungen ergeben, die ich zu ziehen keineswegs geneigt bin, die aber der Herr Abgeordnete Deglerk konseguen terweise gegen seine eigene Partei ziehen müßte.

Der Herr Abgeordnete Deglerk hat aber seiner Ueberraschung und Verwunderung darüber Ausdruck gegeben, daß plötzlich auf der Bildfläche ein Reichsverkehrsministerium Onde Juni erschienen sei, und er hat gemeint, es sei dabei die notwendige Folge gewesen, einmal daß dieses Reichsverkehrsministerium, wie ich es einmal ausgedrückt habe, nur einen Bilderrahmen und nicht auch das Bild enthalte und weiter der nach seiver Ueberzeugung notwendige Einfluß Preußens abei zu kurz komme. Ja, meine Damen und Herren, ich bin dankbar ür die Anregungen jedes Fachmannes, aber wer einigermaßen mit den Verhältnissen vertraut ist und sich auch nur einen Ueberblick über den bedeutsamen Aufgabenkreis gestattet, der dem Reichesverkehrs⸗ ministerium gestellt worden ist, der muß sich von vornherein sagen, daß der Zeitpunkt der Bildung des Reichsverkehrsministeriums und der etatmäßigen Festlegung eher zu spät als zu früh gekommen ist. Wie sollen denn das Reichsverkehrsministerium und sein Leiter in der Lage sein, alle die bedeutsamen und tiefgreifenden Vorbereitungs⸗ ma bnahmen z treffen, wenn etwa die Gründung und die etatmäßige Crrichtung des Reichsverkehrsministeriums mit dem Zeitpunkte der Verreichlichung am 1. April 1921 zusammenfielen, wie soll namentlich im Reiche eine Vorbereitung derjenigen Maßnahmen auch auf dem der Beamtenbesolpungen ersoleen köunen, die gang besonders

d f

auch der Herr Abgeordnete Deglerk als so wünschenpwert bezeichnet hat?]/ Preußen zugezogen

Also ich glaube, wenn der Herr Abgeordnete Deglerk in einer ruhigen Stunde noch einmal seine Ausführungen nachlesen wird, dann wird er vielleicht an das Wort erinnert, daß unter gewissen Umständen ein Schweiger zum Philosophen geworden ist. (Abg. Deglerk: Sie haben es nicht verstanden!) Ich habe manche Ihrer Ausführungen allerdings nicht verstanden, darauf komme ich gleich. (Heiterkeit.)

Der Herr Abgeordnete Deglerk hat weiter bemänge lt, daß an die Spitze des Reichsverkehrsmmist riums ein Nichtfachmann gestellt sei. Ich bin auch in dieser Beziehung für eine sachliche Kritik der Oppo⸗ sition empfänglich. Ich bin lange genug selbst in der Opposition ge⸗ wesen, und ich liebe eine frische und fröhliche Opposition, wenn sie in sachlichem Rahanen gehalten wird. Aber eine Opposition, die frucht⸗ bringend sein soll, darf sich und das gilt allgemein für die Aus⸗ führungen des Herrn Abgeoidneten D glerk nicht im Nahmen von allgemeinen Redewendungen und Kritiken halten, sondern sie muß mit posikiven Gegenvorschlägen dienen. Erst dadurch kann auch eine Oppositionsparbzi zu einer Wirksamkeit gelangen. Wäre die Partei, die ich vertrete und die lange genug in der Opposition gestanden hat, nur bei einer negativen Kritik geblieben, dann wäre sie niemals zu dem Einsuß gelangt, den sie später gewonnen hat.

Im übrigen ist ja schon bei anderer Gelegenheit darauf hin⸗ gewiesen worden, daß auch Nichtfachmänner im früberen Regime mit Erfolg an die Spitze von Verwaltungen grstellt worden sind. Wenn trotdem wiederum der Ruf ergeht, es solle ein Fachmann an die Spitze dieses Ministeriums gestellt werden, dann erlaube ich mir die Anfrage oan den Herrn Abgeordneten Deglerk: wes versteht er denn unter einem Fachmann? (Zuruf im Zentrum: Sich selbst! Heiter⸗ keib!) Mein Ministerium setzt sich aus drei Fächern zusanumen: einem Eisenbahnfach, einem Wesserbaufach und einem Kraftwagen⸗ und Luflfahrfach, und gerate die Zusammenfafsung dieser drei bereusamen Gebiete erfowerte eine einh itliche Leitung. Ich habe bereits in meiner Programmrede darauf hingewiesen, daß der Schwerpunkt meines Amis darin gelegen hat, hervorragend tüchtige Männer an die Spitze der drei Abteilungen zu stellen und mich mit einem Stab bewährter Mitarbeiter zu umgeben, und ich glaube nicht, daß der Herr Ab⸗ geordnete Deglerk es über sich gewinnen wird, einem einzigen dieser drei Unterstaatssekretäre, die an die Spitze der Verwaltung der Ab⸗ teilungen gestellt sind und die ich als meine treuen, bewährten und zuwerlässigen Mitarbeiter betrachte, das Zeugnis von Nichtfachmänaern ausstellen wird. (Zuruf des Abgeordneten Deglerk) Herr Ab⸗ geordneter Deglerk, auf diesen Zwischenruf zu antworten, lehne ich ab, weil ich es für unter meimer Würde halte. (Sehr gut! im Zentrum.) Ich bemerke nur, ich habe mich nicht zu einem Amt gedrängt. Ich bin in dem Augenblick, wo die Not des Vaterlandes es erforderte, eine Regierung zu schofß n, die leistungsfähig war, dem Rufe gefolgt, ich habe meine Kräfte in den Dienst des Valerlandes gestellt, und ich müß es als eine eigenartige Verwirrung paramentarischer Verhältnisse bezeichnen, wenn mir daraus jetzt ein Vorwurf gemacht werden solb. (Lebhafter Beifall.) Wenn ich nicht die Kraft und Energie in mir fühlte, die Arbeiten zu leisten, die mir anvertraut sind, dann mag der Herr Abgeordnete Degkerk gewiß sein, daß ich nach meiner ganzen Veigangenheit das Amt nicht übernommen hätte.

Es sind weiter Bemerkungen gemacht worden, die mir an und für sich zu einer Exwiderung keinen Anlaß geben würden. Aber do ich weiß, wie es verwertet wird, wenn eine Antwort hierauf nicht erfolgt, so muß ich gleichwohl die nötige Erwidevung hierauf ergehen lassen.

Der Herr AMgeordnete Deglerk hat von Abendschoppengesprächen gefprochen. Im allgemeinen ist es nicht üblich, in einem Parlament Abendschoppengespräche so zu verwerten, wie es der Herr Abgeordnete Deglerk zu tun für nötig befunden hat. (Lebhafte Zustimmung bei den Mehrheitsparteien.) Wenn er aber mit einer bestimmten Tendenz von Differenen zwischen dem Reich und Preußen gesprochen hat, so würde es meines Eroachtens dem Ansehen und der Würde des deuischen Parlaments entsprochen haben, wenn er für eine so bedeut⸗ same Froge Tatsachen angeführt häͤtte, anstatt sich auf Abendschoppen⸗ geklalsch zu beziehen. (Sehr richtig! bei den Mehrheiteparteien.) Meine Damen und Herren, ich habe mit dem preußischen Herrmn Eisenbahnminister mich persönlich in Verbindung gesetzt, ich habe ihn aufgesucht und ihn gebeten, mir bei der Durchführung meiner ebenso stweren wie verantwortamgsvollen Ausgaben behilflich zu sein. Ich habe bei dem Herrn preußischen Eisenbahnminister, was ich dankbar anerkenne, wirksame Unterstützung gefunden, und dieses gute Ver⸗ ständnis, das von mir seit dem ersten Tage, wo ich mein Amt an⸗ trat, bis zum letzten Augenblick durchgeführt werden soll, habe ich auch in vollem Maße bei allen zu meinem Ressort gehörigen Ve⸗ amten gefunden. Ich habe auch die Hoffnung und Zuversicht, daß diese meine Wünsche, gerichtet auf eine zielbewußte Gemeinschaftsarbeit zwischen Reich und Ländern, auch bei den Ländern volle Würdigung und Unterstützung finden werde.

Wenn durch die Ausführungen des Herrn Vorredners in nicht mißzuverstehender Weise der Godande auslang, als ob ich die be⸗ re htigten Interessen Preußens nicht zur Geltung zu bringen gewillt sei, so muß ich diese Auffassung als den Tatsachen widersprechend entschieden nrüchveisen. Ich bin selbst Preuße, ich bin Mitglied der preußischen Landesversammlung, und ich habe die Ghre, seit langen Jahren auch die preußischen Interessen dort vertreten zu haben. Ich berufe mich darauf, daß ich nicht einmal, sondern zu wieder⸗ holten Malen in den maßgebenden Ausschüssen mit vollem Nachdvuck vertreten habe, daß ich der letzte sein würde, der es zugeben würde, wenn im Reich und im Reichsverkehrsministerium die preußischen Interessen und insbesondere die preußischen Esenbahminteressen nicht in dem vollverdienten Maße zur Würdigung kämen. Ich habe das aber nicht nur als leere Worte ausgesprochen, sondern ich habe ihnen die Taten folgen lassen.

Ueberrascht bin ich über die Sachunkenntnis des Heren Vorredners, der mir aus der Einsetzung von Ausschüssen Vorwürfe machen wolle. Ja, wie soll ich denn anders praktisch arbeiten als durch Aueschüsse und mit Aueschüssen? Als ich den Auftrag vom Kabinett erhielt, die⸗ jenigen Maßnahmen vorzubereiten, die der Steuerung der Verkehrs⸗ not dienen sollten, habe ich keinen Augenblick gezögert, den von mir ge⸗ bildeten Hauptwverkehrsaueschuff zusammenzuberufen. In diesem Hauplverkehrsausschuß waren aber nicht etrva nur die zuständigen Reichsressorts vertreten, sondern auch die preußischen R ssorts, vor allem das preußische Eisenbahnministerium. Ich habe selbstverständlich den allergrößten Wert darauf gelegt und lege nach wie vor den größten

Wert darauf, daß bei allen in Betracht lommenden Beratemoen

85

reich endem Maße zur Geltung kommt. soll ich mich denn anders ausdrücken, als daß ich sage: In aus⸗ reichendem Maße, in verdientem Maße? Daraus kann ich aber nicht etwa die Auffossung herleiten, als ob bei den Vorarbeiten und Maß⸗ nahmen, die grtroffen werden sollen, die übrigen Länder gegenüber Preußen ausgeschaltet werden sollten. Nein, meine Damen und Herren, ich betrachte meine Aufgabe als eine weitergeh nde. Ich bin Reichsminister und habe die Aufgabe, wie die Interessen Preußens, so auch die Interessen der übrigen Länder zu schützen. (Sehr richtig!) Das ist für mich die maßgebende Erwägung, weshalb ich auch nach München gegangen bin, und wenn mir daraus in der Presse em Vor⸗ wurf gemacht worden ist, dann beruht das auf einer vollständigen Ver⸗ kennung aller einschlägigen Verhältnisse. Gerade vom Gesichtepunkt der Verkehrseinheit aus muß doch ein sorgsam arbeitender Verkehrs⸗

zuréumen. gmein sogen besieht die Dinge doch nicht so, wie man sie sich in

ich stand doch vor der Tatsache, daß man in Bayern namentlich dem Grundgedanken der Vereinheitlichung ableehnend gegenüberstand, daß man große Besorgnisse gegenüber der befürchteten Zentralisierung des gangen Eisenbahnwesens hatte. Ich bin besonders dafür dankban,

daß 8

und

die Besprechungen, die ich dort in München mit dem Verkehrs⸗ ministerium, den großen Orpanisationen aller beteiligten Verbände, der Presse aller Parteirichtungen und den Führern aller Parteien ge⸗ pflogen habe, nach dem übereinstimmnenden Zeugnis aller Kreise eine außerorbentliche Beruhigung und Auftlärung zur Folge gehabt haben. Und wonn durch eine folche Ausprache dem Gedanken der Verkehrs⸗ einbeit gedient wird, sollte man doch gerade vom Standpunkt dieser Verkehrseinheit aus daraus dem Verkehrsminister keine Vorwürfe machen. Ich meine überhaupt, man täte besser daran, mit praktischen Vorschlägen zu dienen, als dem Verkehrsminister bei Uebernahme seines oherehin schierigen Amles noch Steine in den Wag zu legen. Bei den Ausschüssen, die gebildet worden sind, ist auch Preußen in vollem Maße berücksichtigt worden. Ich will besonders darauf hin⸗ weisen, daß meiner Anregung entsprechend nach einer Aussprache mit dem preußischen Herrn Eisenbahnminister die Verkehrsabteilung, die in erster Linie dazu bestimmt ist, der Verkehrsnot zu steuern, einem be⸗ währten preußischen Beamten aus dem preußischen Eisenbahn⸗ ministerium unterstelbt ist. Sie sehen also doch daraus, wie sehr ich bemübt bin und bemüht bleibe, die engste Fühlung mit Preußen, wie auch mit den übrigen Ländern zu halten, weil ich von der Ueberzeugung

durchdrungen bin, daß die Arbeiten, die mir unterstellt sind, die Auf⸗ gaben, die ich zu leisten habe, nur durch eine einträchtige Gemeinschafts⸗ arbeit zwischen Reich und Ländern durchgeführt werden können.

Meine Damen und Herrenl Der Herr Vorredner hat schließlich noch gewünscht, daß die Kuhnertschen und Frankeschen Erfindungen zur Durchführung kommen sollten und daß ich meinen Einfluß auf Preußen geltend machen sollte.

In anderem Zusammenhange ist davon geredet worden, daß durch die Art meiner Amtsführung der preußische Einfluß beeinträchtigt werde. Jetzt soll ich innerhalb meines Ressorts in die Zuständigkeit Preußens Angreifen. Gewiß, ich bin auch dem Herrn Vorredner für jede sachliche Anregung und jede sachliche Kritik dankbar und werde nicht verfehlen, auch diese Wünsche, wie ich dem Herrn Vorredner schon im Ausschuß mitgeteilt habe, dem preußischen Eisenbahn⸗ ministerium empfehlend weiterzugeben.

Wenn schließlich der Herr Vorrobwer geltend gemacht hat, daß er die größten Bedenken gegen das Eisenbahnministerium habe und daß er die Stellung seiner Fraktion zum Gehalt des Verkehrsministers vorbehalten müsse so glaube ich, meine Damen und Herren, wir werden uns mit dieser Kritik und mit dieser Ablehnung abfinden müssen. (Sehr out! im Zentrum.)

Ich will auch in diesem Zusammenhange, trotzdem mir gewiß manche Veranlassung dazu gegeben sein möchte, von jeder Polemik auch nach der rechten Seite dieses Haufes hin Abstand nehmen. Die Herren wissen, daß ich kein Freund einer Polemik bin, und daß ich im Gegentei bemüht bleibe, bei so wichtigen Fragen, wie sie mir und meinem Ressort gestellt wordden sind, dem Trennenden dos vovanzustellen, was uns eint; und ich meine, in einem Augenblicke, wo die Verkehrsnot uns so ar Herz und Nieren geht, sollte man wahrlich statt unzuträg⸗ licher pelemischer Streitigkeiten dazu übergehen, gschlossen und ein⸗ trächtig auf alles das hinzustreben, was einer Steuerung unserer Verkehrsnot, einer Hebung unseres Verkehrslebens und einem Wieder⸗ aufbau unseres Wirtschaftslebens dient. (Bravo! bei den Mehrheits⸗ parteien.)

Bei der Einzekbesprechung erklärte auf eine Anfrage des Abg. Allekotte (Zentr.) der Reichsverkehrsminister Dr. Bell:

Meine Herren! Was die Abgabe von Rheinschiffen an die Enten te anlangt, worauf sich eine Anfrage des Herrn Vorredners bezieht, so gehört diese zur Zuständigkeit des Reichswirtschaftaministeriums, und ich muß es ihm daher anbeimgeben, bei den bevorstehenden (Ftats⸗ beratungen hierauf zurückzekommen.

Was die Bedeutung der Schiffohrt anlangt und ihre Ergänzung

m den Aufgaben der Gisenbahnen, isbesondere anch zur Steuerung der Verkehrsnot, so glaube ich, daß die Ausführungen in meines Programmrede seme Wünsche restlos erfällen.

Wenn der Herr Vorredner darauf hingewiesen hat, man vermisse es am Rhein, daß die Interessenten noch nicht zu einer gemeinschaft⸗ lichen Besprechung zwecke geeigneter Maßnahmen für ein Zusammen⸗

arbeiten zwischen Eisenbaßn und Schiffahrt zugezogen seien, so kann ich auch nach der Richtung hin in Ergänzung meiner Etatsrede eine be⸗ ruhigende Erklärung abgeben. Ich hatie in meiner Etatsrede geglaubt, mich auf die allgemeine Bemerkung beschränken zu können daß ich es als meine vornehmste Pflicht erachte, in Beziehung auf alle wichtigen Wasserbaufragen auf unsere ganze Wasserstraßenpolitik und auf das Verhältnis der Eisenbahnen zu den Wasserstraßen die Interessenten und Sachverständigen in weitestem Umfange heranzuziehen. Als Rheinländer möchte ich jetzt in Erledigung der Amnfrage des Herrn Vor⸗ redners bemerken, daß ich zum 6. November eine Besprechung nach

Cöln einberufen habe, worin über alle diese Fragen mit den in Be⸗

tracht kommenden Interessenten, insbesondere von der Rheinschiffahrt,

ausgiebige und hoffentlich recht Erörterungen stat können. (Bravol) CC6““

8 1 8 8 und daß der preußische Einfluß in aus⸗ (Zuruf rechts) Ja, wie

minister darauf hinarbeiten, die Widerstände, die dieser Berkehrs. einheit aus irgendwelchen Gründen noch entgegenstehen, möglichst aus. Eine vernünftige Politik und das möchte ich ganz all⸗

seiner Phantosie vorstellt, sondern wie sie in Wirklichkeit gelagert sind,

Auf eine Anregung des Abg. Ollmert (Zentr.) gab der Reichsverkehrsminister Dr. Bell die folgende Erklärung ab:

Meine Herren und Damen! Auf die Anfrage des Herrn Vor⸗ redners habe ich folgende Antwort zu geben: Das Reichsverkehrs⸗ ministerium ist bereit, mit den zuständigen Verwaltun en der Länder in Verbindung zu treten, um eine ersprießliche Auscinan ersetzung mit der Saarregierung über alle in Betracht kommenden Eisenbahnfragen herbeizuführen. Das Reich erklärt namentlich seine Bereitwilligkeit, den im Saargebiet befindlichen Eisenbahnwerkstätten auch nach der Bildung des Saarstaates Beschäftigungsgelegenheit zu geben. Ueder den Rahmen der Anfrage des Vorredners hinaus glaube ich aber zur Beruhigung aller in Betracht kommenden Kreise der Saarbevölkerung folgendes erklären zu sollen: Das Reich wird die durch den Friedens⸗ vertrag in so schwierige und traurige Lage gebrachte Saarbevölkerung micht im Stiche lassen (Bravol), sondern alles daran setzen, um ihr be⸗ hilflich zu sein, (Lebhafter Beifall.)

8 b .““ 11“ 8“ 118— 09. Sitzung vom 27. Oktober 1919.

(Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger.)“)

Am Regierungstische: der Reichswirtschaftsminister Schmidt.

Das Haus ist ungemein schwach besetzt. Bei Beginn der

Sitzung sind 32 Mitglieder anwesend.

Vizepräsident Löbe eröffnet die Sitzung nach 1 Uhr.

Es wird die zweite Beratung des Reichshaus⸗ vE1 für 1919 bei dem Haushalt des Reichswirtschaftsministeriums fortgesetzt.

Berichterstatter Abg. Dr. Böhmert (Dem.) gibt eine kurze Uebersicht über die Vorberatung dieses Haushalts im Ausschuß. Diefer hat u. a. die baldige Vorlegung eines Organisationsplans für das neue Mimisterium gefordert. Der Ausschuß empfiehlt die unver⸗ änderte Bewilligung des Haushalts mit der einzigen Ausnahme, daß bei den dauernden Ausgaben die Position von 155 000 „Zur Förde⸗ vung des Absatzes landewirlschaftlicher Erzeugnisse und Untersuchung wissenschaftlicher, technischer und ähnlicher allgemoiner Bestwbungen auf dem Gebiete der Landwirtschaft“ auf 200 000 erhoht verden soll.

Zu den dauernden Ausgaben, und zwar zum ersten Titel „Ministergehalt 44 000 ℳ, ergreift das Wort der Reichswirtschaftsminister Schmidt, dessen Rede wegen verspäteten Eingangs des Stenogramms in der Nummer d. Bl. im Wortlaute wiedergegeben werden wird.

Abg. Hoch (Soz.): Diesem Mahnruf schsäeße auch ich mich voll⸗ ständig an. Derselbe Mahnruf ergeht aber auch an die weitesten Kreise des Volkes. Die Interessenten des Kapitals fordern mit steigendem Nachdruck die Aufhebung der Zwangswirlschaft; aber die furchtbaren Pwissteigerungen, die die Folge sein müssen, bedeuten michts anderes als den vollständigen Zusammenbruch; das arbeitende Volk wird sich diese Ausbeute, die es nicht ertragen kann, nicht ge⸗ sallen lassen; die schlimmsten Unruhen und inneren Kämpfe werden die Folge sein. Es ist unsinnig, eine solche Forderung erheben, die einfach unerfüllbar ist. Schon jetzt ist eine starke Preissteige rung eingetreten, der die Nutznießer derselben keineswegs mit enijprechend⸗ n Lohnerhöhungen für die Arbeiterschaft gerecht werden. Niemand sieht in der Aufrechterhaltung der Zwangswirtschaft das Neal; aber ebenso wenig kann in der wahllosen Aufhebung das Beste für die Allgemein⸗ heit erreicht werden. Gewisse besitzende Kreise bekommen damit Ge⸗ begenbeit, ungeheure Konjunkturgewinme einzustreichen; gegen dieses Schmarotzerwesen muß mit aller Kooft durchgegriffen werden, und wenn die Rechte statt dessen nur immer wieder der Ausbeutung des Volkes den Boden ebnen will, so wird sie den Bürgerkrieg unvermeid⸗ lich machen. Der Zwang kann nur einen Ausgleich ermöglichen; wo die Zwangswirlschast ohne Schädigung des Volles aufg hoben werden bann, soll sie fallen, wo sie im Imteresse der Aufrechterhaltung der Volleernährung nicht aufgehoben werden bann, muß sie bestehen bleiben. Für Brotgetreide, Kartoffeln und Fleisch ist sie nach wie 42 notwendig. In diesem Sinne begrüße ich die Ankündigung, 82 ie Einfuhr von Rohstoffen im allgemeinen freigegeben werden so Die Herstellung von Luxusartikem müssen wir mit allen Mitteln zu verhindern suchen, nur des Nonvendige muß hergestellt und nur die Einfuhr notwendiger Erzeugnisse darf freigegeben werden. Die uvn⸗ iWnnige Einfuhr der Zigaretten, die uns Milliarden kosten, ist mit allem

ruck zu hintertreiben. Die weitesten Kuise des arbeitenden Volkes müssen mitarbeiten, damit die Regierun durchführen kanm, was dem Besten des Volkes dient. Alle geweltsamen Mittel, die Revolution zu fördern, haben nicht zur Förderung, sondern zur Hem⸗ mumng der Revolution geführt; das haben in wachsen⸗ dem Umfange erkannt, aber diese Erkenntnis muß sich noch weiter durchseten. Es muß allgemein die Ueberzeugung Platz greifem, daß die Streiks nicht Selbstzweck, sondern nur Mittel zum Zweck sind. Es sst ein Umerschied, ob in einem demokvatischen Staatswesen ge⸗ reikt wird, oder in einem Staatsorganismus, wo das arbeitende R nicht in seinem Recht kommt. Der Stveik kann immer nur das allerletzte Kampfmittel sein. Es ist umerträgich, wenn z. B. di Eisenbahner sagen: Wir haben die Eisenbahn in der Hand wenn ihr nicht wollt, wie wir, dann legen wir den Eisenbaheverkehr fohm. Das ist ein Verbrechen am Volke; die Eisenbahnen gehören nicht den Eisenbahnern, sondern dem ganzen Volke. Die Rücksicht auf Volksganze, auf das Gesam hwohl 1nn das Enlscheidende sein. Wir en in einer schweren Krife, Kohlen⸗ und Kartofelnot bedroht uns in diesem Winter wie nie zuvor. Es muß alles getan werhden, um die Verkehrsnot, die daran einen großen Teil der Schuld trägt, zu mildern. Die Bauern hvat man plan⸗ mässig zur Zurückhaltung ihrer Produkte bearbeitet, damit höhere Preise erzzelt werden; und daran haben sich nicht nur die Wortführer des Bundes der Landwirte beteikigt, sondern auch solche, die es besser wissen mußten, de an hervorragenden Stellen in der Regierung ge⸗ standen haben. (Hört, hört!) Der Freiherr von Braun, der an der Spitze unseres Ernährungéwesens stand, hat in einem Zortungsartikel die ländlichen Pvoduzenten geradezu aufgeputscht. (Redner verliest den betreffenden Passus.) Es wird darin nicht nur der passiven Resistenz, sondern auch dem aktiven Wöe der 88 r n Sög. Ke (Zwischemuft rechts.) Herr von roun muß doch wissen, daß die Preis⸗ Bibghe⸗ Regierung auch den berechtigten Interessen der Landwirtschaft Rochnung trägt. Ein anderes Beispiel ist eine Entschließung des Deutschen Drogi stenverbandes, in der er alle seine Mitglieder als ehr⸗ bare Kaufleute anerkennt, die sich über die Verordnungen benge Sslchen Betätigungen, durch die die allgemeinen Interessen den weggründen des Eigennutzes zum Opfer bringen, muß die Regierung mit aller Kraft entgegentreten, sie wird dabei die große Mehrheit des Volkes hinter sich haben. Die Verbrechen der Wucherer und der Schieber können nicht weiter geduldet werden. Das Reichewirischafts⸗ ministerium muß bei allen seinen Maßnahmen das richtige Verhältmis zur arbeitenden Bevölkerung herstellen. Ich habe den Eindruck, als ob nicht zu wenig, sondern zu viel Beamte in diesem Amt vorahnden sind; es wäre besser, wenn in mancher Beziehung eine Vereinfachung ein⸗ treten könnie. Man wird immer von einem Beamten zum anderen geschickt, das bedeutet für den ganzen Geschäfiz⸗ang eine enorme Zeit. vergeudung. Auch im Außendienst ist mancherlei zu ändern. An ein⸗ *) Mit Ausnahme der Reden der Herren Mimister, die im Wort⸗ Lauze wiedergepeben warden

89

nen Stellen nurste man 2n Bebern nit Hiffe 99 Reichswehr⸗

soldaten die Kartoffeln gewallsam wegnehmen, die Kartoffelstelle zeigte sich dabei wenig bemüht den berechtigten Forderungen zu entsprechen, sie war nicht einmal zur Entsendung von Sachverständigen geneigt. Die Regierung muß mit allem Nachdruck gegen solche Mißstände vor⸗ gehen. (Beifall bei den Sozialdemokraten.) Abg. Dr. Brauns⸗Cöln (Zentr.): Das Reichswirtschafts⸗ ministerlum ist noch jung an Jahren, erst 1918 ist es vom Reichsamt Innern abgezweigt worden, gleichwohl hat es sich schon recht gut entwickelt, hat es doch bereits 1100 Beamte. (Hört, hört!) Diese schnelle Entwicklung des Amtes ist ein Ergebnis der ganz eigenartigen unserer Volkswirtschaft, im und nach dem Kriege. Hinzu kommt, daß auch das Ernährungsamt in das Reichswirtschaftsministerium auf⸗ gepangen ist. Die Wiedergesundung Deutschlands ist von der Wieder⸗ elebung seiner Wirtschaft abhängig. Wir würdigen die Bedeutung es Amtes und verstehen auch den Kostenaufwand, mit dem es arbeiten muß. Irgendwelche übelwollende Kritik oder mangelndes politisches Vertrauen für das Amt und seinen Leiter lieg uns durchaus fern. Der Antrag des Ausschusses auf Vorlegung eines ausführlichen Organi⸗ sationsplanes sollte einmütig vom Hause angenommen werden. Unseres Erachtens soll das Wirtschaftsministerium ein Fachministerium für Landwirtsckaft, Gewerbe und Handel sein. Den Interessen dieser Zweige muß sich die Organisation des Amtes anpassen. An die Spitze dieser drei Fachabteilungen gehören Männer mit theoretischer Schulung und praklischer Veranlagung. Die Einheitlichkeit der Politik muß gewahrt werden. Daxrum sollen diese drei Abte lungen einem Ministerien unterstehen. Die Leitungen dieser Abteilungen müssen einander gleichberechtigt sein. Den Bedürfnissen des Wirtschaftslebens wird man am besten gerecht, wenn wir einen Reichswirtschaftsrat nach den drei Hauptzweigen unserer Wirtschaft organisieren. Die Land⸗ wirtschaft muß, ihrer Bedeutung entsprechend, in die Oroanisation ein⸗ bezogen werden. Leider ist das Autoritätsgefühl gegenüber der Regie⸗ rung namentlich in landwirtsckaftlicken Kreisen stark im Abnehmen be⸗ griffen. Es muß neu gefestigt werden. Bei dem vorgeschlagenen Auf⸗ bau des Ministeriums ließe sich in der Abteilung „Gewerbe“ guch eine besondere Sektion für das Handwerk einrichten; es ist ein vollwertiger Faktor unseres Wirtschaftslebens, es muß auch genügend berücksichtigt werden bei Vergebung öffentlicher Arbeiten, Versorgung mit elektrischer Kraft und bei der Beschaffung des nötigen Kredits. Auch für den Kleinhandel und seine wirtsckaftliche Orgonisation muß eine besondere Sektion geschaffen werden, zumal mon neuerdings bestrebt ist, Kartell⸗ verträge zwiscken Großbandel und Industrie zu schließen. Bei den Ausgaben für Statistik könnten viese Kosten erspart werden. Für unsere Bewilliqung des zweiten Unlerstaatssekretärs war entscheidend der Zusatz: „Im Etat künftig wegsallend“. Die Wirtschaftspolitik des Reiches muß unbedinat einheitlich geführt werden. Die Ein⸗ und Aus⸗ fuhrpolitik des Reiches muß nach einheitlichen Gesichts⸗ punkten unter einer einheitlichen Leitung und Verantwortung stehen. Das war im alten Reich selbstverständlich und es muß 8. je sein. Zwischen dem, besetzten Gebiet und dem Reich darf sich keine Art neuer Grenze erheben und keine politische Mißstimmung entstehen. Betreffs der Organisation des Amtes müssen technisch und volkswirtschaftlich vor⸗ gebildete Beamte planmäßig verwendet werden. Die Wirt⸗ schaftslage verschiebt sich fortgesetzt mzu unseren Ungunsten; ein durchgreifender Wandel in unserer Wirtschaftspolitik ist unumgänglich notwendig. (Sehr richtig!) Fen mit aller Zwangswirt⸗ schaft, Anschluß an den Weltmarkt, so ber t es heute. So allge mein und uneingeschränkt ist das nicht durchzuführen; bei einer solchen Politik würden alle Preise sofort in die ehen. Die übermäßige Ent⸗ wertung unserer Mark im Auslande darf nicht für die Inlandspolitik maßgebend sein, sonst müßten wir alle Gehalter Löhne usw. um das Fünffache erhöhen. Würde später die Valuta wieder steigen, was wir erwarten und erstreben, dann müßten die Löhne und Gehäller wieder abgebaut werden, was aber leichter gesagt als getan ist. (Sehr richtig!) Wie müssen mehr Werte aus unserem eigenen Boden erzeugen. Die Loynarbeit bleibt schließlich die Grundlage zu neuem Wohlstand in einer leider erst fernen Zukunft. Leider wird viel zu billig an das Aus⸗ land verkauft; dem muß unbedingt gesteuert werden. Die Zwangs⸗ wirtschaft ist nicht Selbstzweck, sie ist nur Mitiel zum Zweck, und muß so weit abgebaut werden, als sie unwirtschaftlich wirkt. Unwirtschaft⸗ lich wirkt sie heute zweifellos in der Landwirtschaft. Die Erregung der Landwirte wächst immer mehr. Es war keine glückliche Maßnahme, den Hafer aus der Zwangsbewirtschaftung herauszunehmen; man hätte das Getreide einbeitlich bewirtschaften sollen. Unsere ganze Wirtschafts⸗ politik muß darauf hinzielen, unsere Produktion zu fördern. Je niedriger wir unsere Inlandpreise halten, desto mehr fließen unsere Waren ins Ausland. Das Inland darf nicht vollständig von seinen Warenvorräten entblößt werden. Je größer die Spannung zwischen e Auslandspreis, desto größer die Gefahr der Grporteure, ieber und Schmugaler, die Waren zu hohem Preise ins Ausland verschieben und den Gewinn auf Kosten des Inlandes einstecken. Wenn es wahr ist, daß für den Drusch von Getreide von etwa 2000 Mark die Druschkosten 5— 600 Mark betragen, dann ist es klar, daß wir so unmöglich weiter wirtschaften können. Unser Volk wird dann ver⸗ armen an Nahrungsmitteln. Zwangsmaßnahmen werden im Handel und Verkehr immer noch nötig sein. Im Westen haben sich Erzeuger und Verbraucher miteinander in Verbindung gesetzt und für Kartoffeln und andere Lebensmittel Preisfestsetzungen gemacht. die über die amt⸗ lichen hinausgingen. Nur so gelang es ihnen, die größten Versorgungs⸗ schwierigkeiten zu beseitigen. In dieser Weise kann natürlich nicht öberall örtlich verfahren werden, es müssen ähnliche Maßnahmen für die Allgemeinheit einsetzen. Der Milliardenbeihilfe des Reichs für die Lebensmittelversorgung haben wir zugestimmt. Wir bitten aber, keine allzu großen Unterschiede im Preise dieser eingeführten und der heimi⸗ schen Lebensmittel entstehen zu lassen. Das würde große Mißstände herbeifühten, insbesondere alle möglichen Schiebereien hervorrufen. Im Braunkohlen⸗ und Kalibergbau been verbesserte Methoden zur Aus⸗ beutung platzgreifen. Wir müssen der Privatindustrie die nötige Ini⸗ tiative und Bewegungsfreiheit lassen; trotzdem müssen die sozialen Interessen der Angestellten und Arbeiter voll gewahrt werden, und die Arbeiter müssen den entsprechenden Einfluß auf das Gesamtunternehmen haben. Was ich über die Preisbildung vorhin sagte, gilt auch von den Preilen der industriellen Erzeugnisse. Die Preisprüfungsstellen dürfen die Industrie nicht kleinlich und pedantisch behandeln; Fachmänner müssen es sein, die mit der Nachprüfung betraut sind. Wie soll sonst die Industrie sich wieder aufrichten und ihre Steuern zahlen? (Sehr richtig!) Wir müssen die Produktionskosten herabsetzen, um uns dem Weltmarktpreise anzupassen. Warum sollen wir nicht in die Lage kommen, Kohlen noch unter dem Weltmarkipreis ans Ausland abzu⸗ ben? Besondere Schwierigkeiten ergeben sich aus der jetzigen Lage ür die kleinen Rentner, die Invaliden⸗ und Unfallrentner und die Kriegsbeschädigten. Auf sie muß man ganz besondere Rüchsicht nehmen. In den Eisenbahnwerkstätten hat sich der Zeiflohn nicht als dag rechte Lohnsystem bewährt. Wo Akkord nötig ist, da soll man ihn einführen (Sehr richtig!) und wo die des tlohns unvermeidlich ist, da muß für bessere Arbeitsleistung gesorgt werden. (Sehr richtig!) Dieser Losung sollten alle Parteien zustimmen. Gegen die jetzigen Zustände in den Eisenbahnwerfftätten macht die gante öffentliche Mei⸗ nung Front. Begrüßenswert sind die erfreulichen Mitteilungen des Ministers über die Besserung der Ernährungslage. Aber große Sorge beherrscht die Bevölkerung hinsichtlich der Bekleidungsnot. Sind über. haupt noch größere Bestände vorhanden? Die Bekämpfung des Wuchers auf diesem Gebiete sollte nicht bloß durch Beschlognahme vor sich gehen. Auch auf dem Gebiete des freien Handels zeigen sich Erscheinungen, die im Wucher ihren ne vrung. baben müssen, sonst könnte nicht für ein Ei in Berlin ein Pwis bis zu 1.80 Mark ver⸗ langt werden. Der Abbau der Krieysgesellschaften müßte beschleunigt werden. Die Parole für den Wiederaufban des Reiches muß und darf lauzen: arbeihen und nicht verzweifeln! (Beisall im Zentrum.) Abg. Hermann⸗Reutklingen (Dem.). Beiem Wiede musban unsener durch den Krieg und seine Folgen völlig ruimierten Voservirt⸗

sahnst iis

aibge Unberilsgwas en Dhrgasbeit eler Balrseilg no.

wendig. Deshalb auch dor Wiedeveintritt der Demokratie in die Re⸗ gierung. Das Volk gegen die Regierung aufzuhetzen und ihm vor⸗ zulügen, die Revolution sei die Ursache unseres wirtschaftfchen Not⸗ standes, ist vaterlandsschädigend. Hat die Reichsregierung Vorschlage an die Entente aufgestellt, die es Deutschland ermöglichen sollen, den wirtschafllichen Verpflichtungen aus dem Friedensvertrag in einer für seine eigene Volkswihlschaft erträglichen Weise nachzukommenn Ent⸗ scheidend wird die 8 Ohne am rikgmischen Kredit durch eine Valutaanleihe können Rohstoffe auf hie Dauer nicht zugeführt werden. Das Sinken unserer Valuta ruiniert uns, ohne den Volks⸗ wirtschaften der Neutralen und Ententeläander zu nützen. Im Gegen⸗ teil, unsere sinkende Valuta wird eine immer stärker wirkende Export⸗ prömie, deren Gefahren man bereits in Amerika, in der Schweiz und and rwärts erkennt. Das wirtschaftliche und politische Zentrum der Welt ist Neuyork geworden und twotzdem fürchtet sich dee amerikamsche Industrie vor der deutschen Konkurrenz. Europa bricht zusammer wenn ihm Amerika nicht hilft. Deshalb so rasch als moöglich eine intemationale Valutakonferenz. appelliere an die Demokratien der gangen Welt, dem demokratischen Deutschland die nolwendige wirt⸗ schaftliche Hilfe zu leisten. Ausgleichung und Versöhnung der sozialen Gegensätz’ muß die Grundlage der künftigen Wirtschaftopolitik sein. Das bedingt einerseits die Ablehnung der Jeen marxiftischen Sozialee mus und andererseits die Ablehnung der Ieen eines überlebten Manchesterliberalis mus. Eienwirtschoft zum Nutzen der Bots⸗ gemeinschaft muß das Ziel der künftigen Wirtschaftsepoche f. in. Nur schaffensfreudige, unternehmungslustige Menschen, die sich der Verant⸗ wortung für ihr Handeln bewußt sind, können die deutsche Wirsschaft bringn. Dazu ist andererseits aber nokwendig die Ver⸗ menschlichung des Arbeitsverhältnisses. Mehr pelitischer Blück und Verständnis ist unserer Industrie dringend zu wünschen. Die erbreiterung des Eigentums muß unser Ziel s in. Angesichts des Friedensvertrages mit Vollsozialisierungen größte Vorsicht walten: guch die trüben Erfahrungen in den vollsoziclistersen Staatsbetrieben können nicht anfeuernd auf diesem Gebiet wirken. Wirtschaftliches Drohnentum muß verschwinden. Die angeforderten 3 ¼ Milliandern Mark zur Senkung der Lebensmittelpreise bewilligen wir in der Er⸗ wartung, daß mit dieser Politik so vasch als möglich Schluß gemacht wind, denn sie erschüttert unseren Kredit noch mehr. In der Roh⸗ stoffeinfuhr muß Freiheit walten, ausgenommen bei Luxusartikeln. Der Reichswirtschaftsrat darf nicht ein Berliner Wirtschaftsrat der bitzenverbände werden, vielmehr müssen die eingelnen Wirtschafts⸗ iete des Reiches ihre angemess ne Vertretung darin haben. Für⸗ orge und Förderung aller schaffenden Stände muß die Aufgabe des Reichswirlschaftsministers sein. Handwerker und Bauemn haben ihre Arbeitsfreudigkeit noch nicht verloren. Wir verlangen vom Minister eine zielbewußte Mittelstandepolitik, nicht bloß um des Mittelstandes willen, sondern auch im Interesse des Stagtsganzen. Ein büchtiger, fleißiger und selbstloser Handwerker⸗ und Kaufmannsstand ist dem neuen Deutschland erst recht notwendig, er wird eines seiner festesten Fundamente sein. Förderung des Kunsthandwerks wie überhaupt der Werkbundideen wünschen wir dringend. Die Exlassung eines Reichsgesetzes zur Regelung des Verfahrens bei Vergebung öffent⸗ (icher Arbeiten und Lieferungen ist angesichts der Ausdehnung der Reichskompetengen dringend notwendig. Angemessener Preis und Vergebung der Großauftröge an Handwerksorganifationen muß daber ährl istet werden. Gleicher Fürsonge bedürfen Industrie und andwirtschaft. Besonders wichtig für unsere sckaver betraffenen Textilindustrien ist die Förderung der Textilforschung durch das Reich, wofür 5 Millionen Mark im Etat stehen, die wir gern be⸗ willigen. Dem Minister stehen wir vorurteilskos gegenüber und unterstützen ihn. Es ist aber ein besserer klarer Aufbau seines Mini⸗ steriums zu wünschen. Nur eine moralische Wiedergeburt unseres ganzen Volkes kann uns wieder emporführen. Die Eigemrirtschaft zum Nutzen der Gesamtheit ist die deutsche Wirtschaft der Zukuwnt, vom Adel des Geistes und der Arbeit. (Beifall links.) Dr. Rösicke (D. Nat.): Es ist richtig, die Regieru⸗ das Veolk selbst muß mitarbeiten, um die Regierungsmaßnehmen fruchtbar zu machen, es f von dem Geist zur Mitarbeit erfüllt sein. Die Grundlage ist die rbeit, aber se muß auf das richtige Ziel geleitet werden, und es muß dafuͤr ge⸗ orgt werden, daß sie auch pünktlich geleistet wird. Bis ist das der Regierung nicht gelungen. Der Mangel an Kohlen hemmt 3 ganzes Wirtschaftsleben auf allen Gebieten. Die Ausfuhr muß in zweckmäßiger Weise gesteigert werden. Das Schieber⸗ und Schmuggler⸗ wesen muß aufhören. Das Bengol, welches für die Autos venwendet wird, würde besser verwendet zur Pflügung des Ackens. (Sehr richtigt! rechts.) Ich und meine politischen Freunde begrüßen es bbö⸗ haft., daß Mittel eingesetzt sind zur Förderung der Toxtih⸗ industrie. Die Einfuhrkontrolle, die jetzt eingeführt werden soll, setzt Schwierigkeiten internationaler Art voraus. Man muß die Kontrolle lichst Berussorganisationen ühertragen. Die Haupt⸗ sache ist, daß Rohprodukte eingeführt werden. Wann endlich werden die 120 Krꝛegsgesellschaften, die uns im höchsten Maße wirtschaftlich schädigen, abgebaut werden? Dem Mittelstaad und muß möglichst geholfen werden. Der Ministerpräsident hat sich in Weimar nur als Parteiminister betrachtet. Es wird also bei uns eine Parteipolitik getrieben. Das zeigt sich auch in der Be⸗ handlurg der Landwirtschaft. Ich glaube nicht, daß das Deutsche Reich zu einem Agrarstaat werden wird wie früher. Aber es wird sehr viel mehr Agrarstaat werden, als es vor dem Kri⸗ ir e einsehen, der die Wirtschaftepolitik verfolgt hat. Der Reicheswirt⸗ schaftsrat ist in einer Weise zusammengesetzt. daß die Landwirtschaft nicht zu ihrem Recht konmes. (Hört, hört! rechts.) Win müssen P. sönlichkeiten in die Aemter bringen, die die Landwirtschaft prast⸗ kennen. Die Abteilungen, die sich mit diesen Fragen beschöfngen, müssen zusammengefaßt werden, um landwirtschaftliche Fragen zu be⸗ handeln und zu beurteilen. Wenn ein Unterstaatssekretär an der itze einer Abteilung für Industrie und Landwirtschaft steht, dann kann er nur einer dieser Grurpen ausschließlich angehörven, er wird nur einen kennen und die andere stiefmütterlich behandeln. Wir sind der Mei⸗ nung, daß ein Ministerialdirektor zür die landwirtschaftlichen An⸗ legenheiten angestellt werden muß. Ich nehme an, daß das hohe gus dafür eintreten wird, daß die landwirtschaftliche Frage nicht nebenbei behandelt wird. Der wichtigste Punkt des enge wirischaft⸗ lichen Lebens ist die Förderung der Produktion. Durch Bestimmungen aber, wie sie der Minister am 2. September erlassen hat, in der er der

allein kann nichts ausrichte

Landwirtschaft androht, daß ihr die Verwaltung enizogen wird, wir-

die Axt an die Wurzel der Selbstverwaltung gelegt. Es darf bier nich: mit dem Gedanken einer Sozialisierung der Landwirsschaft gespiel! werden. Ebenso wenig würde eine Ausdehnung des Betrichsrätegesetzes auf die Landwirtschaft dem allgemeinen Frieden dienen. Man würde 5 damit einfach töten. Durch die Erhöhung der Häuteproise muß

war, das wird jeder

8

Estverständlich auch eine Erhöhung der Viehpreise eintreten. Ees

muß in dieser Beziehung unbedingt ein Ausoleich geschaffen werden Erforderlich wäre die Schaffung einer objektiven Zentwalstelle für Fest⸗ etzung aller Preise. Die Verordnung des Ministers vom April dieses

hres, laut deren eine Kontrollkommission auf das Land Uinaugpehen

oll, zeugt von einem absolut salschen Verständmis hinsichilich der land wirtschaftlichen Verhältnisse. Sie bedeutet aber guch eine grobe Ge⸗ fühlsverletzung der Besitzer. Die ganze Behandlung der, Landwirt⸗ schaft von Reichs wegen scheint auf die Frage des Nutzens für den Ver⸗ braucher einsestellt zu sein. enG Herr von Braun ist m Unrecht angegriffen worden. Er hat zweifellos lediglich sein reiflich erwogenes Urteil auf Grund praktischer Erfah⸗ rungen abgegeben. Vor dem Kriege hat man bestritten, daß die deutsche Landwirtschaft das deutsche Vosk ernähren könne. Jetzt nach dem Kriege verlangt man von der deutschen Londwirtschoft, daß sie vas Volk ügend mit Nahrungsmitteln versehen solle, man verlangt sogar den Inbauwang. Darin liegt unter den heutigen Umständen die orößte Uvaerechtigkeit. Die Anbaufläche ist zurückcegangen, die Gestehungs⸗ kosten sind ungehever gestiegen und der Achtstundentag hot ebenfall⸗ seine Wirkung in den landwirsschaftlichen Betrieben geltend gemocht. Es ist ein enormer Rückgang in der Anbaufläche zu verzeichnen. Das. solbe ist der Fall hinsichtlich dao Neischaswichbes. Die Dandwirtschaft

8 8

Wo bleibt die Rͤcksicht auf die Erzeucer?