Sgch darf wohl ohn Uebertreibung sagen, daß die Gemüüsever⸗ sorgung im laufenden Jahre micht ungünstiger und schlechter gewesen ist als im vergangenen Jahre, und daß auch im Herbst die Gemüse⸗ versorgung als befriedigend bezeichnet werden kann.
Hülsenfrüchte und Gier haben wir in der Bewirtschaftung frei gegeben. Se erschennen jetzt auf dem freien Markte, wenn auch zu erheblich höheren Preisen, aber sie sind doch schließlich im freen Markte zu erhalten.
In der Fischversorgung ist sicherlich manches besser geworden. Wer haben reichliche Zufuhren aus dem Auslande, und ich darf davauf hönweisen, daß wir bis Mitte März mit Lieferungen von norwegisch⸗ Heringen eingedeckt sind. Wir haben daber einen veichlichen Ver⸗ brauch der Bevölkerung in Ansatz gebracht. Ich hoffe, daß wir auch mit Nährmitteln reichlich versorgt sind, wenn auch die Belieferungspflicht von seiten der Landwirtschaft viel
u wünschen übrig läßt.
g Kasfee, Tee vnd Kakao erscheinen froi auf dem Markte. Außer⸗ dem hoaben wir vor burzem ein Abkommen getätigt, das uns die Möglichkeit gibt, auch an die Bevölkerung wicder Petroleum zu ver⸗ teilen. Des wird besonders in der ländlichen Bevölkerung angenehm empfunden werden, die im vorigen Jahre unter dem Mangel an Beleuchtungsmaterial, speziell unter dem Mangel an Petroleum,
außerordentlich zu leiden hakte. Ich hoffe, daß dieser Vertvag, der
uns emn größeres Quantum Petroleum zur Verfügung stellt, sehr
bald seine Wäürkung dadurch ausüben wird, daß wir größere Quanti⸗
taäten sehr schnell zur Verfügung haben und so die innere Verteelung
möglich sein word. Ich hoffe auch dabei, daß die große Petroleum⸗
gesellschaft, die Deutsch⸗Ameri kanische Petvoleum⸗Gesellschaft, ihre
Axpavate wieder in Tätigkeit setzen kamm und dadurch die Verteilung
dieses so wichtigen und schwer zu entbehrenden Leuchtmaterials wieder
in geordnete Bahnen geleitet wird.
Wenn ich mir bei d'esen hauptsächlichsten Gebrauchsartikeln ver⸗ gegenwärtege, wie die Gesamtlage ist, glaube ich wohl sagen zu dürfen, daß die Behauptung, die in der Bevölkerung wie in der Presse auftaucht, daß die Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln schlochter geworden ist, doch eime nicht aufrecht zu erhaltende maßlose Uebertreibung ist. Es ist nach meiner Ansicht in der Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungemitteln erheblich besser geworden. Gegenüber dem Zusbande, wie er im letzten Jahre unserer Kriegs⸗ wirtschaft gewesen ist, darf ich wohl mit Fug und Recht behauptben: es ist erheblich besser geworden. Wenn es uns möglich sein wird, durch eine etwas größere Steigerung unserer Ausfuhr eine große Zahl von Devisen in die Hand zu bekommen und so unse re Zahlungs⸗ bilanz zu verbessern, dann wind es keinerlei Schwierigkeiten bereiten, größore Bestände in dem Aushande anzukaufen, um unsere Lebens⸗ mithelversorgung im Inlande zu heben. u“
Ich nehme dabei auch Gelegenheit, auf einen Vorgang erfreulicher Art hinzuweisen. In Amerika macht sich eine starke Bewegung geltend, die davauf benausgeht, uns durch freiwillige Sammlungen Liebesgaben in Form von Nahrungsmitheln zur Verfügung zu stellen. Es sind bereits einige Sendungen eingetvoffen, und auch das übrige Ausland hat sich an solchen Bemühungen beteiligt. Wir bekommen auch in neuerer Zeit wiederholt größere Sendungen, die an Hilfsbedürftige und Notleidende verteilt werden. Ich darf bei dieser Gelegenbeit den Spendern für dieses menschenfreundlloche Werk unseven herzlichsten Dank aussprechen. (Allseitiges Bravo.)
Meime Damen und Herrven! Nun zur Lage von Handel und Industrie! Da möchte ich zunächst einen meiner Ansicht nmach sehr imteressanten Ueberblick über unsere Ein⸗ und Ausfuhr im ersten halben Jahre an Hand unserer bisherigen statistischen Ergebnisse geben. Es wird sich dabei zeigen, ob das trühe Bild, das vielfach in der deutschen Presse und auch sonst in einigen Kreisen unserer Be⸗ völkerung vorhanden ist, eine Stütze in dem gegenwärtigen Stande umse ver Ein⸗ und Ausfuhr findet. Im Jamar betrug unsere Einfuhr 1 997 000 Doppelzentner; sie stieg im Juli auf 12 976 000 Doppel⸗ zentner, im Werte von 140 Millionen Mark auf 2 Milliarden und 1 Million Mark. Im August, wo mir nur die Zahlen über den Wert zur Verfügung stehen, ist die Ausfuhr abermals gestiegen und zwar erreicht sie die Summe von 2 Milliarden 162 Millionen. Vergleiche ich nun diese Ziffern mit dem Friedensstande, so ergibt sich folgendes. Im Juli 1913 hatten wir eine Einfuhr in Deutschland von 69 377 000 Doppelzentnern im Werte von rund 931 Millionen. Es ergibt sich also, daß wir gegenwärtig erst ungefähr ein Fünftel der Einfuhr in der Friedenszeit erreicht haben, daß aber die Summe an Werten, die wir aufzubringen haben, bereits über 100 % größer ist als während des Friedens. (Hört, hört!) Das ist ein Beweis dafür, welche ungeheure Preissteigerung eingetreten ist.
In der Ausfuhr gestaltet sich das Bild umgekehrt. Wir hatten im Januar eine Ausfuhr von 3 342 000 Doppelzentner im Werte pon 156 Millionen, also eigentlich in diesem Zeitraume eine aktive Handelsbilanz, Dieses Bild änderte sich aber iim Juli, wo wir unsere Ausfuhr auf 9 428 000 Doppelzentner im Werte von 563 700 000 steigerten. Im August, für welchen Monat mir nur die Wertzahlen zur Verfügung stehen, ist die Ausfuhr bereits auf 733 Millionen gestiegen. Es ergibt sich also, daß in diesem halben Jahre die Steigerung in der Ausfuhr enorm zugenommen hat und daß alle Behauptungen, wir kämen mit unserem Wirtschaftsleben nicht voran, unsere Ausfuhr befände sich immer noch in einem außer⸗ vrdentlich schlechten Zustande, als unrichtig bezeichnet werden müssen. Dabei kommt in Betracht — was ich hier gleich unterstreichen möchte — daß alle diese Zahlen amtliche Zahlen sind, daß alles das, was sonst noh im Westen an Ein⸗ und Ausfuhr durchgegangen ist, in diesen Zahlen nicht enthalten ist. Aber auch hier wird es sich sicherlich um nicht unbedeutende und nicht unerhebliche Summen handeln. (Sehr wahr!) Vergleiche ich nun diese Zahlen mit denen vom Jahre 1913, so ergibt sich für den Juli 1913 eine Ausfuhr von 62 575 000 Doppelzentner im Werte von 860,7 Millionen Mark. Während also die Ausfuhr erst ein Sechstel der Friedensquote er⸗ veicht, ist die Wertsumme auf 65 % des Anteiles von 1913 gestiegen. Die letzte Ziffer für August gibt nahezu eine Annäherung der Wert⸗ summe an die der Friedenszeit. Ein Sechstel der Ausfuhr erreicht bereits die Wertsumme der Friedenszeit. Vielleicht kann man, an diesen Zahlen gemessen, doch dem Einwand begegnen, daß die Industrie allzu billig nach dem Auslande verkauft. Es scheint mar, daß hier, an diesen Zahlen gemessen, die richtige Wertschätzung eingetreten ist. Die Zahlen geben aber auch die Erklärung für den ungünstigen Stand unserer Valuta. Ich habe im Reichswirtschaftsministerium
bersucht, neben der Lebensmitteleinfuhr auch möglichst die Robstoff⸗
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einfuhr zu begünstigen. Hier bestehen natürlich sehr große Schwierig⸗ keiten. Tie Hoffnungen auf die Möglichkeit der Ausnutzung der Kredite seitens des Handels und der Industrie durch die Freigabe der Ein und Ausfuhr sind nicht in vollem Maße in die Erscheinung getreten, obwohl es auch nicht rihtig ist, zu behaupten, daß sie ganz fehlgeschlagen seien. Es sind eine Reihe von Abschlüssen durch private Kredite getätigt worden, die uns Rohstoffe und auch Lebens⸗ mittel in umfangreicherem Maße hereinbrachten. Aber das Haupt⸗ kontingent unserer Einfuhr wird immer durch staatliche Unterstützung ins Land geholt werden müssen. Die Bemühungen, durch größere Kredite die Rohstoffe zu finanzieren, werden mit allem Eifer fort⸗ gesetzt, und ich hoffe, daß wir in der weiteren Folge zu besseren und gunstigeren Abschlüssen kommen, als wir sie bisher tätigen konnten. Es soll möglichst vom Reichswirtschaftsministerium der Grundsatz angewandt werden, daß wir in der Rohstoffeinfuhr, soweit das irgend⸗ wie möglich ist, eine freie Betätigung bekommen und die Rohstoff⸗ einfuhr von aller Kontrolle frei machen. Ih halte es für notwendig, wo man auch nur einigermaßen — sei es staatliche oder private — Aufsicht entbehren kann, dies zu tun, allerdings mit der Maßgabe, daß eine sole Freigabe gegenüber den Konsumenten nicht zu schwere Anforderungen stellt und man nicht, was man auf der einen Seite gewinnt, auf der anderen Seite reichlich verliert. Es sind fernerhin Bemühungen dahin im Gange, auch die Ausfuhr derjenigen Fabrikate freizugeben, die für den inneren Bedarf, den inneren Konsum entbehrt werden können. Beschränkt bleiben muß die Ausfuhr anderer sehr notwendiger Bedarfsartikel, die wir im Inland behalten müssen in Rücksicht auf die Gesamtlage der Bevölkerung.
Die Klage, daß wir zu billig nach dem Ausland verkaufen, tritt aber doch immer wieder auf. Man braucht nur die Schweizer Presse zu lesen und auch andere handelspolitische Aeußerungen im Ausland sich zu vergegenwärtigen. Man wird sich dann darüber keinem Zweifel hingeben, daß im Ausland ein starker Unwille darüber vorhanden ift, daß gewisse Waren viel zu billig nach dem Ausland abgegeben werden und dort eine sehr unsolide Konkurrenz herbeiführen. Nach den vielen Klagen und Androhungen aus dem Ausland muß erwogen werden, ob nicht einzelne Industrien eine Preiskontrolle einführen müssen. Es muß mit diesen Industrien Rücksprache genommen werden, wie und in welcher Weise diese Organisation in die Wege geleitet werden kann. Ich will hierbei den betreffenden Industrien möglichst die Selbstverwaltung gewähren, wie wir es unter andern in der Klein⸗ eisenindustrie und in der chemischen Industrie bereits durchgeführt haben.
Die Preistreibereien auf einigen Gebieten des Warenmarktes, der Ketten⸗ und Schieberhandel nötigen uns, besondere Maßnahmen zu ergreifen. Es wird dem Hause in nächster Zeit eine Vorlage zu⸗ gehen, die die Strafen erhöht, und die ein prozessuales Verfahren ein⸗ führt, das das Vergehen schnell zur Aburteilung bringt. Wir wollen, von dem ordentlichen Rechtsweg abzweigend, besondere Gerichte schaffen, die ein schnelles Verfahren einleiten, damit diese Fälle nicht mehr dem langwierigen Prozeßverfahren anheimfallen (sehr gut! bei den Deutschen Demokraten), wie das gegenwärtig der Fall ist.
Die Frage der ungeregelten Ein⸗ und Ausfuhr im Westen wird wahrscheinlich wieder von den Vertretern der einzelnen Parteien in die Erörterung gezogen werden. Ich kann nur sagen, daß im Reichs⸗ wirtschaftsministerium dieser Zustand außerordentlich bedauert wird, daß wir jetzt Maßnahmen getroffen haben, um eine Organisation der Kontrolle durchzuführen, die die planlose Ein⸗ und Ausfuhr, die un⸗ geregelte Ein⸗ und Ausfuhr von Waren beseitigt. Eine Besserung ist bereits gegenwärtig eingetreten.
Bei der Entente haben wir leider ein Eingehen auf unsere Wünsche nicht gefunden, die darauf hinausgehen, eine Regelung an der Zollgrenze über die Ein⸗ und Ausfuhr vorzunehmen. (Hört, hört!) Wir müssen deshalb leider gezwungenermaßen diesen freien Verkehr, der unsere ganze Organisation in der Verteilung gänzlich über den Haufen wirft, nunmehr auf anderem Wege und mit anderen Maß⸗ nahmen unterbinden.
Ein weiterer Uebelstand ist der, daß wir durch den Eingriff der Entente genötigt sind, die Goldzölle an der Westgrenze nicht zu er⸗ heben, sondern daß es dem Handel erlaubt ist, die Zölle in Papier zu zahlen. Dieser, Zustand ist für die Dauer unerträglich; er zertrümmert unsere Handelsbeziehungen und stört unsere Handelswege. Ich glaube versichern zu können, daß die Regierung in der nächsten Zeit unzweifel⸗ haft diesen Zustand beseitigen wird, sei es durch Verhandlungen mit der Entente, sei es auf anderem Wege, wenn wir da nicht zu einer Verständigung kommen. Eine Aenderung muß jedenfalls im Interesse des Handels und unserer Industrie eintreten.
Die Rohstoffversorgung zeigt in einigen Industrien bereits Besse⸗ rung. Nur für die Textilindustrie türmen sich große Hemmnisse auf, die schwer beseitigt werden können und für diese Industrie eine gewisse Gefahr bieten, weil die heimiscke Rohftoffversorgung gegenüber dem Gesamtbedarf dieser Industrie sehr gering zu bewerten ist.
Aber alle diese Klagen treten gegenüber der großen Bedrängnis zurück, die uns die Kohlennot und die Kohlenversorgung leider auferlegt. Der Ernst unserer Kohlenversorgung wird im Reichswirtschafts⸗ ministerium nicht verkannt. Wir bemühen uns unausgesetzt, alle Mittel in Anwendung zu bringen, die geeignet sind, die Produktion zu steigern. Wir sind bemüht, Eingriffe da vorzunehmen, wo durch technisch rück⸗ ständige Einrichtungen die volle Leistungsfähigkeit des bergmännischen Betriebes nicht gewährleistet ist. Wir haben in letzter Zeit versucht, die Erhöhung der Belegschaften überall da zu betreiben und zu be⸗ günstigen, wo es nur möglich ist, noch eine größere Zahl von Arbeitern einzustellen. Das scheint mir unmittelbar die einzige Möglichkeit, die Produktion im Berghau zu erhöhen. Die organisatorischen Einrich⸗ tungen, um diese Aufgaben zu lösen, sind getroffen. Die Steigerung der Produktion hat auch im Bergbau in den letzten Monaten an⸗ gehalten. Wir haben im August bereits im Steinkohlenbergbau eine Stcigerung der Produktion, die bis zu 66 Prozent der Friedens⸗ leistung hinaufgegangen ist, während die Produktion zum Teil schon auf 50 Prozent gesunken war. In der Braunkohlenproduktion haben wir nahezu die Friedensleistung erreicht. Einige Betriebe sind sogar schon über die Friedensleistungen hinausgegangen. Auch da wird weiter versucht, mit sehr wirksamen Mitteln die Belegschaften gerade im Braunkohlenbezirk zu erhöhen.
Hindernd treten uns in der ganzen Kohlenversorgung die Trans⸗ portschwierigkeiten in den Weg. Wenn wir die Transportschwierig⸗ keiten nicht heben können, so haben wir für absehbere Zeit keine Mög⸗ lichkeit, eine Besserung in unserer Kohlenversorgung herbeizuführen. Iö möchis dethath cuch die Bitze on See richen, wenn wwir dezu
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greifen müssen, den gesamten Eisenbahnbetrieb im Gersonenverkehr für eine Zeitlang stillzulegen, dieses unangenehme Mitle, mit in Kauf zu nehmen gegenüber der großen Bedeutung, die ein Kregelter Güter⸗ verkehr, die Versorgung mit Lebensmitteln und mit Kohle hat. 18
Wir haben versucht, auch gerade im Bergbau die Wonungsfrage für die Bergarbeiter zu lösen. Vom Reichsschatzamt ist uns sämtlichen vorhandene Material an Baracken zur Verfügung gestellt Worden. Dieses Material wird von uns in Anspruch genommen und ausgeant, so daß es soweit bewohnbar ist, um eine größere Zahl von Arbeitenn aufzunehmen. Denn die Wohnungsfrage spielt eine nicht unbedeuten Rolle bei der Steigerung der Belegschaft. Wir haben bisher für ie Steinkohlenbergbaubezirke 200 Baracken in Anspruch genommen, für den Braunkohlenbezirk sind 45 Baracken aufgestellt, und 24 Baracken sind an Arbeitergenossenschaften in Betrieb gegeben. Das sind ins⸗ gesamt 269 Baracken, von denen jede 50 bis 60 Mann beherbergen kann. Auf Grund dieser Barackenaufstellung ergibt sich also eine Ver⸗ größerung der Belegschaft um 13⸗ bis 14 000 Mann. Wenn das für die Gesamtheit natürlich auch nicht von ausschlaggebender Bedeutung ist, so ist es immerhin vorläufig schon ein Mittel, wie wir den ge⸗ steigerten Ansprüchen an eine höhere Arbeiterzahl entgegenkommen können und auf der anderen Seite auch die Wohnungsfrage regeln, wenn auch freilich in dürftiger und vielleicht ungenügender Weise. Aber andere Mittel stehen uns augenblicklich nicht zur Verfügung.
Mir ist berichtet worden, daß gerade die Genossenschafts⸗ organisation, die ich sehr begrüße, erfreuliche Fortschritte macht, daß bei⸗ den Arbeitern eine Befriedigung über diese Einrichtung ausgelöst ist, die als Genossenschaftler diesen gemeinsamen Bau und die Bewirt⸗ schaftung der Baracken übernommen haben. Die Bedeutung der Ge⸗ nossenschaft wollen wir uns auch ferner zunutze machen, indem wir für⸗ die Bergarbeiter eine eigene Art der Organisation für die Herbei⸗ führung eines Eigenheims ins Leben rufen. Der Nationalvers ammlung wird darüber eine Vorlage zugehen. Die Vorlage soll eine Organi⸗ sation schaffen, die, auf genossenschaftlicher Grundlage aufgebaut, den Arbeitern ein gewisses Mitbestimmungsrecht in der Wohnungsfürsorge gewährt und die Grundlage dafür schafft, daß den Bergarbeitern durch den Bau von Eigenheimen eine besondere Vergünstigung gewährt wird. Es sind sehr große Ansprüche, die damit an die Finanzverwaltung go⸗ stellt werden. Wir wollen die Kosten nicht aus Staatsmitteln auf⸗ bringen, sondern glauben, daß wir mit einem verhältnismäßig kleinen Aufschlage auf den Kohlenpreis diese Aufgabe lösen können und den Bergarbeitern damit eine ganz besondere soziale Fürsorge angedeihen lassen. Die Bergarbeiter werden daraus erkennen, daß wir ihre Be⸗ deutung für das Wirtschaftsleben zu würdigen wissen daß wir ihnen eine besondere Fürsorge angedeihen lassen, ein Vorrecht gegenüber allen anderen Berufsschichten. Wir dürfen nunmehr aber auch erwarten, daß eine Beruhigung in der. Bergarbeiterschaft eintritt (sehr richtig! rechts), daß sie sich nicht als Werkzeug der politischen Agitation der Kommunisten oder Spartakisten gebrauchen läßt, daß vielmehr die Leistungen des Bergbaues wieder zunehmen und ihre alte Höhe er⸗ weichen, ein Fortschritt, der dringend notwendig ist für den wirtschaft⸗ lichen Aufbau und die gesamte Bevölkerung. (Sehr richtig! rechts,) Auf die Lage der einzelnen Industrien einzugehen, bitte ich, mir bin erlassen. Das würde zu weit führen. Ich glaube, für das Aufwärts unserer Industrie sind die Aussichten nicht so trübe, wie vielfach an⸗ genommen wird. Wenn wir die Industrie mit genügend Kohlen ver⸗ sorgen könnten, würde ich mit großer Ruhe der kommenden En twick⸗ lung entgegensehen. Alles andere tritt in diesem Augenblicke zurück. Im Hinblick auf diese Lage muß allerdings auch die Regierung alle Versuche, die Bergwerksbetriebe lahmzulegen und große Kraftstationem außer Betrieb zu setzen, mit aller Entschiedenheit verhindern. (Bravolz Die Arbeiter werden bei ihren Forderungen die Vermittlung der Re⸗ gierung jederzeit zur Seite haben. Aber ablehnend wird sie sich allen Forderungen gegenüber stellen, wenn aus politischen Gründen von elner Partei der Streik als Pressionsmittel benutzt wird.
Die Grundlage der Volkswirtschaft erschüttern, heißt das demo⸗ kratische Staatswesen in Gefahr bringen. Leben und Wohlergehen des Volkes darf nicht unter Mißbrauch der politischen Freiheit, sei es aus politischem Unverstand oder überspanntem Machtbewußtsein, dem Begehren von Leuten ausgeliefert werden, die den Blick für die Ge⸗ samtinteressen eines Volkes verloren haben. (Sehr richtig!) So, glaube ich, braucht man für die Zukunft, wenn wir hoffentlich Ver⸗ ständnis in der Arbeiterschaft finden, die Aussichten nicht so trübe malen, wie es hie und da in die Erscheinung kritt. Ich glaube, wir können mit einer gewissen Hoffnung, daß es gelingen wird, beim Wieder⸗ aufbau bald schon einen Erfolg wahrzunehmen, an die Sache herantreten.
Ich darf in diesem Zusammenhange darauf hinweisen, wie viel günstiger im Ausland unsere Situation betrachtet wird, als im In⸗ lande. Mir ift es interessant, daß in dem „Economist“, einem eng⸗ lischen Handelsblatte, vor kurzem folgendes über unsere wirtschaftliche Lage zu verzeichnen war:
„Ohne viel Zeit zu verlieren — heißt es da — haben sich die Deutschen mit gewohnter Elastizität an die kolossale Aufgabe henangemacht, ihre durch den Kmeg zerrütteten Industrien wieder cufzubauen. Der Umstand, daß auf der Leipziger. Messe, die von mehr als 7000 ausländischen Käufern besucht war, nicht weniger als 10 000 deutsche Aussteller vertreten waren, ist ein glänzendes Zeugnis für die Datkvaft und Energie, mit der man die Wieder⸗ instandsetzung der Wirtschaftsmaschine in die Hand nimmt. Daß die deutschen Firmen ihr Bestes zu einer reichen Beschickung der Ausstellung getan haben, ließ sich auf den ersten Blick erkennen.“
In einem anderen Artikel sagt dasselbe Blatt folgendes Bemerkene⸗ worte:
„Bevor Deutschland sich nicht erholt hat, kann Europa nicht gonesen und bis Europa sich nicht erholt hat, wird England vieles entbehren müssen, das es zu kaufen wünscht, und es wird vergebens mach Märkten suchen, in denen es seine Ware absetzen kann. Das englische Volk lernt allmählich die härteste Lektion, die es je zu erlernen hatte, daß ein wiches Deutschland besser für es ist, als ein armes Deutschland und daß ein Deutschland, das von England hruft und an England verkauft, dem Lande keimen Schaeden zufügt, sondern ihm eine Wohltat erweist.“
Das ist eine ruhige sachliche Würdigung unserer gegenwärtigen Ver⸗
hältnisse in Europa und des Standes unserer Beztehungen, wie sie
zwischen England und Deutschleend notwendig sind. Ich wünschtr. daß diese Auffassung Allgemeimgut der englischen Regierung und des englischen Bolkes würeee.
885 89 1u“ 8 4 11““]“;
—,——
vird bald seinen Irrtum einsehen.
Nun lassen Sie mich noch zum Schluß auf einige kritische Be⸗ merkungen, die der Minister Lvucheunr in der französischen Kammer Ehrwickelungsfähigkeit auf wiertschafllichem Gebiote bLemerkie der sremzösische Mmmfter, daß die Anlage des Deutschen, seine Arbeltslust und Arbeitskraft, die Künheit seiner Ideen, seine schöpferischen und erganfatorischen Fähigkeiten sich durch den Krieg und die politische Unwälzung nicht vermindert haben. Sie werden durch die Not, in det sich Deutschhand jetzt befindet, nach Ueberwindung einer Schwäche⸗ periode nur noch verstärkt werden. Diese Aeußernung halte ich für seht beachtlich. Wenn der Minister Loucheur diese güstige Perspek⸗ tire über die wärtschaftliche Kraftentwicklung auch in erster Linie zu dem Zwecke formuliert, um seinen Zuhörern die Hoffnung beizu⸗ bringen, daß Deutschland seine Verpflichtungen aus dem Friedens⸗ rertrag voll erfullen kann, so enthält sie dennoch einen berochtigten Kern. Es mehren sich die Zeichen, daß der Gesundungesprozeß im Zunchmen begrissen ist. Aber wir werden uns darüber klar sein müssen, daß wir zu einer Einfackheit der Ansprüche zurückkehren müssen; denn nir so können wir die uns Auferlegten Lasten tragen. Minister Loucheur nimmt fernerhin an, daß wir sehr bald unter der Amtschaltung des Saargebiets und Oberschlesiens eine Förderung von 300 bis 350 Millionen Tonnen Steinkohlen und Bräunkohlen erreichen. Dovon könnten nach der Berechnung des Hernn Ministers Loucheur wir jährlich 80 Millionen abgeben zu einem Werte von 4 ½ Milli⸗ mden, die er nertürlich für Entschädigungen an die Entente verwenden zu könmnen glaubt. Ich glaube, hier geht die Rechnung allerdings ganz krügerischen Hoffnungen mach. Unsere Preduktion in der Kohlen⸗ förderung steigt, das ist klar. Es besteht auch gar kein Zweifel darüber, daß wir genöligt seim werden, für die kommenden Jahre neue Kohlengebiete aufzuschließen. Aber das wird lange Zeit in Anspruch
mnehmen, und ich sehe nicht die Möglichkeit der Abschätzung, wamm wir
zu 300 is 350 Millionen Tonnen Steinkohlen⸗ und Braunkohlenförde⸗ rung kommen sollen. Das ist eine Perspektive, die für absehbäͤre Zeit genz gusgeschhbossen ist. Ob sie jemals erreicht wind, stelle ich sehr in Frage. Ich möchte doch den Herrn dort drüben bitten, auch seinerseits den Datsachen ruhig ins Gesicht zu sehen. Wird uns die Kohle
nicht in dem Ausmaß überlassen, wie es für die Entwicklung der
Irduftrie erforderlich ist — wir leiden gegenwärtig ja schon ungeheuer schwer unter diesen Störungen —, so wird unsere Leistung Frankreich Fsgenüber in Frage gestellt. (Sehr richtig! bei den Mehrheitsparteion.) Daran ändern alle Zwangsmittel nichts, die gegen uns angewendet werden; im Gegenteib, das Uebel wird nur für beide Teile schlimmer. (Sehr richtig! bei den Mehrheitsparteien.)
Ich vormag auch nicht die Meinung des Herrn Loucheur zu teilen, daß wir sehr bald zu einer aktiven Handelsbilanz kommen, die ums gestattet, jährlich 18 Milliarden Mark au Frankreich zu zahlen. Auch hier wärd Frankreich genötigt sein, hr bald zu erkennen, daß unsere mirtschaftliche Entwicklung diesen Aufschwung wcht nimmt und nicht nehmen kann. Aber ich frage mih: Sollte es nicht vatsam sein, eine Wertschätzung zu gewinnen, die es ermöglicht, die Zahlungsfähigkeit Deutschlands in den Grenzen des Könnens zu halten und damit die Hilfeleistung Frankreich gegenüber vielleicht unmittelbar erwas geringer, aber auf de Dauer wertvoller zu gestalten? Greift Frankreich, in neröser Hast auf seine Macht pochend, in den Aufbau Deutscklands ein, so zertrümmert es und schaͤdigt es nicht nur uns, sondern auch die eigene Volkswirtschaft. Beide Völker zusammen werden die geistige Reg⸗ samkeit erlangen, um die Kräfte zum Wiederaufbau entrickeln zu können, und es wäre verderblich für beide, wenn das siegreiche, aber finanziell und wirtschaftlich geschwächte Frankreich auf das zum Krüppel erschlagene Deutschland sich stützen wollte. Die Stütze versagt; Deutsch⸗ land kann nicht das leisten, was man ihm zumutet, noch dazu, wenn man fortfährt, Deutschland so zu behandeln, wie es jetzt wieder bei der Sperre der Ostsee geschieht. (Sehr richtig! bei den Deutschen Demo⸗ kraten.) Was ist die Folge? Wir müssen die teuren Frachten an aus⸗
ländische Reedereien bezahlen, unsere Schiffahrt ist lahmgelegt auch in ihrem geringen Bestand, den sie gegenwärtig noch hat. Selbst die fahlreichen kleinen Fischerboote können ihrem Erwerb nicht nachgehen.
Glaubt Frankreich und die Entente, daß sich diese harte Maßnahme
zu seinem Nutzen auswirken könnte? Wir haben die Hungerblockade, bald in schwächerer, bald in verschärfter Form, nun fünf Jahre er⸗ tragen müssen. Man hat unserem Volk schwere Schäden zugefügt, die auf Generationen hinaus nicht wiedergutzumachen sind. Sollte nun nicht endlich einmal auch auf der Gegenseite die Einsicht zum Durch⸗ bruch kommen, daß es genug ist mit dem Hantieren eines Druckmittels, das nur Haß und Erbitterung auslösen muß? Wir brauchen für die kommende Zeit eine rubige Entwickkung im Innern und ein erträg⸗ liches Verhältnis nach dem Ausland. Wer da glaubt, daß die Lasten des Krieges auf die Schultern nur eines Volkes gelegt werden können, b Ein gegenseitiges Verstehen, ein gerechtes Einschätzen des Könnens wird uns in Europa wieder auf die chemalige Kulturhöhe bringen, die uns durch den Krieg verloren gegangen ist: Das ist unsere Aufgabe, dem müssen wir zustreben! Lebhafter Beifall bei den Sozjaldemokraten und den Deutschen Demo·
2
kraten.)
b 110. Sitzung vom 28. Oktober 1919. (Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger.)*) Am Regierungstisch: die Reichsminister Schmidt, Erzberger und Noske. I Präsident Fehrenbach eröffnet die Sitzung nach 1 ¼ Uhr in Gegenwart von etwa 30 Abgeordneten.
Auf der Tagesordnung stehen zunächst Anfragen. Auf eine Anfrage des Abg. Schiele (Dnat.) wegen gewaltsamer kingriffe von Gendarmen und einer großen Reihe Führer der freien gewerkschaften zur Erlangung von K rtoffelablieferungen in der Trierer egend, wobei ein Mann erschossen und verschiedene Personen leicht derletzt worden sein sollen, erklärt 11“ — Regierungsrat Heinrici, daß die hierauf hezüglichen Zei⸗ zungsnachrichten infolge der schlechten Postverbindungen mit dem be⸗ setzten Gebiet noch nicht erfolgreich hätten nachgeprüft werden können. ie Regierung werde, falls die bedauerlichen Vorfälle sich wirklich vbgespielt haben sollten, nachdrücklichst auf die in Frage kommenden ehörden einwirken, damit eine Wiederholung vermieden werde. Abg. Delius (Demn) beklagt sich darüber, daß den Empfängern den Unfallrenten eine Aufbesserung noch nicht gewährt worden sei, während die Empfänger von Alters⸗ und Invalidenrenten alnd monats sich Teuerungszulage von M ℳ erbieltea. 8
7
»9) Mit Ausnahme der Reden der Ferren Minister, die im Work⸗ hutz wicdergegeben werten. “
22ö17,—8. 8. —8. 8
9
11“ Dr. Au tin gssfert daß die Vorarbeiten zur
nger eingeloitet seien und vor
Feerset Aufvesserung der Unfallrentenemp ihrem Abschluß ständen.
N eine Anfrage des Abg. Dr. Mittelmann (D, Volksp.) erklär — 85
Gebeimrat von Keller: Nach den der deutschen Regierung vorliegenden, auf häufigen persönlichen Lagerbesuchen beruhenden Be⸗ richten der schwedischen diplomatischen Vertretung in Alexandria ist die Lage der deutschen Kriegsgefangenen in Aegypten, was Lager⸗ zustände, Verpflegung, Behandlung und dergleichen anlangt, im all⸗ gemeinen als erträglich zu bezeichnen. Soweit über einzelne Lager, wie z. B. über Maadi⸗Tura und über Sidi⸗Bishr, Klagen einliefen, hoben sie der deutschen Regierung in jedem Falle Veranlassung egeben, underzüglich durch die schwedische Vertretung in Alexandria 88 en britischen Behörden in Aegypten auf Untersuchung und Abstellung der Mängel dringen zu lassen. Ebenso sind für die Versorgung der Ge⸗ fangenen mit Geldmitteln von den beteiligten amtlichen Stellen alle er⸗ forderlichen und angängigen Maßnahmen getroffen worden. Trotz alledem unterliegt es keinem Zweifel, daß die Heimbeförderung dieser Deut⸗ schen nicht mehr weiter hinausgezögert werden darf, schon deshalb, weil bei vielen von ihnen der Gesundheitszustand sehr zu wünschen übrig läßt. Ein großer Teil der Lagerinsassen war, sei es infolge vorauf⸗ gegangenen langjährigen Aufenthalts in Ostafrika, sei es infolge der Strapazen und sonstiger Einflüsse des Feldzuges im deutschen Schutz⸗ gebiet, in Palästina oder Mesopotamien, bereits geschwächt oder krank in englische Hände geraten. Auf alle mußte die lange Gefangenschaft in dem heißen ägyptischen Klima angreifend und niederdrückend wirken, ihr Sehnen nach baldiger Erlösung aus den Gefangenenlagern und ihre wachsende Ungeduld sind vollauf berechtigt. Die deutsche Re⸗ gierung hat infolgedessen auch jede Gelegenheit wahrgenommen, um der britischen Regierung die Notwendigkeit baldigster Freilassung und Heimschaffung dieser Gefangenen eindringlich vor Augen zu führen. Neuerdings ist die Zustimmung der Entente dazu erlangt worden, daß mehrere Dampfer, mit denen von Deutschland russische Kriegsgefangene nach dem Schwarzen Meere abbefördert werden, rückkehrend Aegypten ganlaufen, um von dort die deutschen Gefangenen abzuholen. Zwei dieser Schiffe sind inzwischen in Aegypten eingetroffen, sie dürften im gegemvärtigen Augenblick mit etwa zwei Drittel der Gesamtzahl der Gefangenen an Bord den Weg in die Heimat angetreten haben. Weitere Schiffe folgen mit größtmöglicher Beschleunigung, und es darf daher mit Sicherheit darauf gerechnet werden, daß die deutschen Gefangenen aus Aegypten bereits in allernächster Zeit den heimat⸗ lichen Boden wieder betreten werden. (Beifall.) 8
Auf eine weitere Anfrage des Abg. Dr. Mittelmann (D. V.) betreffe Verbreitung falscher Fünfzigmarkscheine
erklärt
„. Reichsbankassessor Beyer, daß die Falschgeldabteilung der Reichsbank, die von hervorragenden Drucksachverständigen und ge⸗ wiegten Kriminalbeamten geleitet werde, es bereits erreicht habe, daß der Verkehr mit falschen Fünfzigmarkscheinen erheblich abgenommen habe. Es seien genügend Geldmittel zur Verfügung gestellt, um mit Agenten und anderen Mittelspersonen auf schnellstem Wege gegen die Falschmünzer vorzugehen. Namentlich in Berlin sei deutlich eine Ver⸗ ringerung der Falschmünzerbanden wahrzunehmen. Ein positiver An⸗ halt, daß es sich um bolschewstische Manivpulationen handle, sei nicht erbracht, wenn auch in drei Fällen Falschstücke im Osten des Reiches und in Oberschlesien angehalten worden seien. Die Ermittlungen, ob der Ursprung der Stücke in Rußland zu suchen sei, seien bisher ohne Ergebnis geblieben. In den weitaus meisten Fällen seien die Her⸗ stellungsorte in Deutschland zu suchen. Die im November auszu⸗ gebenden neuen Fünfzigmarkscheine seien so bergestellt, daß ihre Fälschung in orrßem Umfange nicht zu befürchten sei.
Ergänzend fragt Abg. Dr. Mittelmann, ob es bekannt sei, daß deutsche Bolschewisten solche Fälschungen systematisch betrieben.
Reichsbankassessor Beyer erklärt, irgend welche Anhaltspunkte hierau lägen nicht por; die bisher erariffenen Fälscher hätten aus egoistischen Gründen gehandelt, um sich Geld zu machen und sich dieses auf unrechtmäßigem, falschem Mege zu beschaffen.
ve.f eine Anfrage des Abg. Freiherrn von Richthofen (Dem.)
erklärt
ein Regierungsvertreter: Dem Gerücht, daß Deutschen die Rückwanderung aus den Vereinigten Staaten unmöglich gemacht worden sei, weil die deutsche Reagierung zurzeit möglichst wenig Deutsche aus anderen Ländern hahen wolle, ist bereits vor längerer Zeit in der „Deutschen Allgemeinen Zeitung“ widersprochen worden. Es ist viel⸗ mehr diesen Deutschen seitens Amerikas die /Ausreiseerlaubnis nicht er⸗ teilt worden, weil der Kriegszustand mit Deutschland noch nicht auf⸗ gehoben sei. Es ist zu erwarten, daß infolge des Eintretens neutraler Vertretungen in Amerika diese Haltung der Vereinigten Staaten auf⸗ geogeben wird, und daß, wenn nicht in einzelnen Fällen besondere Gründe vorliegen, der Abreise kein Hindernis mehr in den Weg gelegt wird. 8 Eine Anfrage des Abg. Erkelen;z (Dem.) beschäftigt sich mit Beschwerden von Lazaxettinsassen hinsichtlich ihrer Löhnung, ihrer Teuerungszuschüsse, Entlassungsgelder und Entlassungsanzüge.
Geheimer Obverintendanturrat Neubauer erklärt, daß den Lazarettinsassen auch nach ihrer Entlassung bis zur Feststellung ihrer Versorgungsansprüche Gebührniszuschläge von 3 ℳ täglich gegeben werden. Eine definitive Regelung der Verhältnisse der Lazarettinsassen sei nicht erforderlich, sie seien geregelt. Die Bezirkskommandos hätten mit der ganzen Angelegenheit nichts zu tun, das Geld werde von den Truppenteilen ausaezahlt.
Abg. Dr. Rießer (D. V.) fragt nach der Tätigkeit der Ar⸗ beiterräte in Stettin als Aufsichtsorgan.
Unterstaatssekretär Dr. Lewald: Nach Auskunft des preußischen Ministers des Innern ist das als Kontvollorgan beim Polizeipräsidium
in Stettin nicht mehr zugelassene Mitglied Heise nicht durch ein anderes Mitgliecd des Arbeiterrats in Stettin ersetzt worden. Bei Annahme des vom Haushaltsausschuß der preußischen Landesversammlung ge⸗ faßten Beschlusses wonach für Arbeiterräte künftig staatliche Mittel nicht mehr verwendet werden dürfen, würde eine weitere Kontroll⸗ tätigkeit von Arbeiterräten bei einer staatlichen Behörde in Fortfall ommen.
Aba. Dr. Hugo (D. V.) fragt nach den Viehverschiebungen nach Dänemark.
Regierundskommissar Dr. Schäffer: Nunmehr sind wirksamere Anordnungen getroffen worden, durch die voraussichtlich der Uebel⸗ stand abgestellt wird. Insbesondere sind die Zollbehörden der Reichs⸗ grenze durch Mannschaften des Grenzschutzes erheblich verstärkt worden.
Schließlich wird auf eine Anfrage des Aba. Richter (D. Nat.) betreffs der Gefährdnung Ostpreußens durch Sperrung des Eisenbahn⸗ verkehrs mit Rußland von
einem Regierungspertreter geantwortet, der Eisenbahn⸗ verkehr nach den baltischen Ländern müsse aus militärischen Gründen unterbrochen werden, um die Verpflegung und den Abtransport der Truppen zu gewährleisten. Es handle sich aber nur um eine vorüber⸗ gehende Maßnohme.
Abg. Richter: Es besteht die Gefahr der Absprengung Ost⸗ preußens. Wir nehmen durch diese Eisenbahnsperre aktiv an der Hungerblockade gegen Rußland teil, während wir die Blockade als grausames Kampfmittel verworfen haben. (Sehr richtia!)
Der Regierungsvertreter erwidert, die Schwieriakeiter dürften schnellstens behoben und die Eisenbahnverbindung wiederher⸗ gestellt werden. .
Das Haus setzt hierauf die zweite Beratung des Reichs⸗ haushaltsplans für 1919 fort. Die an den ersten Aus⸗ gabetitel des Haushalts des Reichswirtschaftsministeriums „Ministergehalt“ geknüpfte allgemeine Besprechung wird wieder aufgenommen. 8
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r Laushaltsanbdschuß Köleoh 4 schlrehungen vor: 1) alle Bestimmungen in den Ernährungsberordnungen auf⸗ eb wüshe die Landwirtschaftlichen Arbeitgeber hindern, den land⸗
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daß die Regierung sich diese offene Meuterei gefallen läßt.
wirtschaftlichen Arbeitern die Deputatbezüge ohne Einschränkung aus⸗ zuliefern, 2) alsbald den gesamten Organisationsplan des Minmsteriums vorzulegen, 3) eine stärkere Heranziehung der technisch und volkswirt⸗ schaftlich gebildeten Beamten in das Ministerium vorzunehmen, 4) einen Ausschuß zur Prüfung des Geschäftsgebarens der Kriegs⸗ gesellschaften und zur Begutachtung ihrer Liquidationen aus Mit⸗ gliedern der Nationalversammlung, der Reichsregierung und des Reichsrats zu bilden.
Außerdem liegen aus der Mitte des Hauses Haushalt bisher 9 Anträge vor.
Abg. Düwell (U. Soz.): Die Iee des Herrn Gothein, durch Angleichung unserer Inlandspreise an die Weltmarktpreise die be⸗ stehenden wirtschaftlichen und Valuta⸗Schwierigkeiten zu beheben, wird uns als ein wahres Ei des Kolumbus angepriesen, ist aber in Wirk⸗ lichkeit unsinnig, denn sie läuft schließlich darauf hinaus, das noch immmer nicht wiedergewonnene Vertrauen des Auslandes in unser⸗ inneren Verhältnisse durch eine gewaltige Anspannung der deutschen Notenpresse zu ersetzen. Die Anschwellung der Inlandspreise würde dann eine so gewaltige sein, daß die Volksernährung unrettbar sehr bald zusammenbrechen müßte. Der Zusammenbruch ist einzig und allein durch eine Sozialisierung der deutschen Wirtschaft zu verhindern. Wenn Sie nicht wollen, müssen Sie sich mit den schandbaren Speku⸗ lationen auf den Verfall der deutschen Valuta abfinden. Herr Rösicke hat natürlich die Zwangswirtschaft für die jetzigen elenden Zustände, die der Kapitalisnms über das Volk gebracht hat, verantwortlich ge⸗ macht. Seine Sompathiebezeugung für Mittelstand und Handwerk wird diesem nicht aufhelfen; hat doch gerade die Politik der Rechten die Hauptschuld an dem Niedergang des Mittelstandes. Von einer Zwangswirtschaft kann man ja kaum noch reden. Die Kohlennot ist deswegen so groß geworden, weil nicht alles getan wurde, um die Förderung auf der Höhe zu erhalten. Es sind zahlreiche Fälle von Sabotage der Förderung durch die Unternehmerschaft festgestellt. Die Zechen klagen andauernd über Leutemangel, machen aber von dem An⸗ gebot keinen Gebrauch, auch die notwendigsten Reparaturen bleiben unausgeführt; dazu kommt die direkt von den Zechen aus organisierte ünerhörte Kohlenschieberei. An der Sabotage beteiligt sich auch die Unternehmerschaft der Stickstoffindustrie, um auf diesem Wege eine Erhöhung der Preise zu erzwingen. Solche Zustände sind ja freilich nur möglich, wenn die Zwangswirtschaft und die staatliche Aufsicht völlig versagt. Letzten Endes will man die Schuld für dieses Ver⸗ sagen der Arbeiterschaft und ihren „maßlosen“ Lohnforderungen zu⸗ schieben. In Wirklichkeit bleiben die Reallöhne der Arbeiter, ver⸗ glichen mit denen des Auslandes, ganz erheblich hinter diesen zurück; sie betragen nicht viel über die Hälfte derjenigen Englands und 9 4 22 k. 4 Amerikas. Die gestern von dem Abgeordneten Hoch aufgestellte Streiktheorie stellt sich als eine Verleugnung des sozialdemokratischen Standpunktes, als eine Apologie der „Technischen Nothilfe“ dar. Wir befinden uns nach wie vor in einem kapitalistisch organisierten Staat, und die Arbeiterschaft hat also nach wie vor das volle Recht, vom Streik als Kampfmittel Gebrauch zu machen. Nicht nur in Deutsch⸗ land, sondern in der ganzen Welt wird gestreikt. Der rein wirtschafi⸗ liche Streik tritt infolge der Erkenntnis der Arbeiterschaft allmählich hinter dem politischen Streik zurück; auf diesem Wege wird sie den Endkampf zwischen Kapitalismus und Sozialismus durchfechten. (Zu⸗ ruf rechts.) Mit weißer Salbe wie Betriebsräten usw. ist der Ar⸗ beiterschaft nicht zu helfen. Die Gefahr des Zusammenbruchs der Volksernährung ist riesengroß; denn die Landwirtschaft, mit den er⸗ zielten Riesengewinnen noch immer nicht zufrieden, proklamiert jetzt geradezu den Lieferstreik und verschiebt die Produkte, Kartoffeln usw. zu Phantasiepreisen hinten herum und ins Ausland. Die Kartoffel⸗
zu diesem
Hund Zuckerversorgung steht vor dem Zusammenbruch. (Zurufe rechts.)
Sie halten die Kartoffeln zurück, um böhere Preise zu erzielen, und die Zuckerrüben werden von Ihnen verfüttert. Fleisch ist im Schleich⸗ handel genügend vorhanden. Die Landwirtschaftskammer in Hannover fordert die Aufhebung der Zwangswirtschaft für Fleisch, und dabei gibt sie zu, daß im Schleichhandel mehr Fleisch vertrieben wird als bisher durch die öffentliche Verteilung. (Andauernde Unruhe und Zurufe rechts.) Wenn jemand in der unverschämtesten Weise wuchert und schiebt in Deutschland, dann ist das Ihre Couleur. (Lärm rechts Die Milchversorgung drohen Sie ja auch einzustellen. Es ist trauri
— egie⸗ Durch di Lieferungsstreiks wollen Sie die Zwangswirtschaft unterbinden oder wenigstens die Erhöhung der Preise erzwingen. Aber der Rechten liegt es jg gerade daran, den Bürgerkrieg und die Hungerrevolte de Arbeiter herbeizuführen. Nun, auch Sie werden sich als nichts an⸗ deres erweisen als den Teil von jener Kraft, die stets das Böse will und doch das Gute schafft. Wir erklärten der Bürgerschaft, dem Kapitalismus den Kampf bis aufs Messer. Dieser Kampf wird durch⸗ gefochten werden, um den Sozialismus zu verwirklichen. (Beifall bei den U. Soz. — Lärm rechts.)
Abg. Dr. Hugo (D. V.): Die Ausführungen des Vorred
waren vom Agitationsbedürfnis diktiert, aber nicht von der Absicht⸗ einer sacklichen Erörterung volkswirtschaftlicher Probleme. (Sehrn richtig! rechts.) Hier handelt es sich nicht um die Verfolgung kap talistischer Interessen, sondern um die großen Lebensfragen des Volkes, die nur zu würdiger sind unter dem Gesichtspunkte, wie wir überhaupt am Leben bleiben können, und ob die Zukunft uns da Wirken als national⸗wirtschaftlich selbständiges Volk gewährleistet oder nicht. Mit dem Mmiister sind wir der Ansicht, daß alles darar ankommt, die Proeuktivität unserer Wirtschaft wieder herzustellen. Wenn zu entscheiden ist zwischen der Rücksichtnahme auf den Konsun und zwischen der Erhaltung und Wiederaufrichtung einer llebens⸗ fähigen Wirtschaft, so ist das Primäre unbedingt die Erhaltung de Wirtschaft. Das ist das Ungluück, daß bei Ihnen der Grundsatz der Arbeitslosenunterstützung viel mehr gilt als der Grundsatz der Arbeitsfähigkeit. Eine Zwangswirtschaft aufrecht zu erhalten nur um des Zwanges willen, wäre durchaus verkehrt. Heute spielt die Ver⸗ sorgung durch die Zwangswirtschaft ja ohnehin nicht mehr die Haupt⸗ rolle, in Wirklichkeit wird ja doch alles durch den Schleichhandel oder vielmehr durch den heute normal gewordenen Schleichhandel besorgt. Und wieviel Arbeitskräfte werden von den Gesellschaften verbraucht! Ich erinnere daran, daß die Verwaltung der Arbeitslosenunterstützung in Berlin allein 2700 Arbeitskräfte erfordert. (Hört, hört! rechts.) Wir wünschen die Beschränkung der Einfuhr. Die wirtschaftliche Leistungs⸗ fähigkeit ist auf den Innenmarkt angewiesen. Dagegen könnten eine ganze Reihe von Waren, die nicht auf der Verbotliste stehen, stärker aus⸗ geführt werden. Wenn die Preise jetzt schlecht sind, so geht das vorüber, die Anvassung an den Weltmarktpreis wird erfolgen. Ge⸗ rade in der Differenz zwischen dem Inland⸗ und dem Auslandpreis liegt eine große Gefahr für den inneren Markt. Ich frage den Minister: Ist Vorsorge getroffen, daß nicht von den Getreidevor⸗ räten des Landes irgendmelche Mengen ins Ausland hinweageführt werden? Der Minister muß dafür sorgen, daß bei Nahrungsmitteln und Rohstoffen, die wir unbedinat im Lande behalten müssen, nicht die Differenz zwischen dem Inland⸗ und Auslandpreise zu Ab⸗ schiebungen nach dem Ausland führt. Es ist hier ausgesprochen worden, daß die Frage des Privatkredits nicht die erwartete günstice Entwicklung genommen bätte. Es ist etwas voreilig, dieses Urteil heute schon zu fällen. Die ersten deutschen Kaufleute sind jetzt nach Amerika hinübergefahren, die ersten Amerikaner sind hier, es sind also wieder Beziehungen angesponnen. Ein großer Teil der Industrie ist darauf angewiesen, die Rohstoffe aus dem Ausland zu beziehen. Ich bitte di Regierung, alles zu tun, daß tatsächlich auch der Export wieder in großem Umfange eintreten kann; nur dadurch, daß der Ueberschuß an Waren den Exporteuren zur Verfügung gestellt wird, können wir imstande sein, im Import die nötigen Kredite zu er⸗ langen, Ein schweres Hindernis ist ein differenzierie Behꝛnelung vr Fewan Dre Zollfruce ist noch mcht zu einer erträglichen Lösung gelangt. Den völlig unbaltbaren Zuständen muß möglichst bald ein Ende gemacht werden. Wiy müssen. mit der Entente zu einer Eini⸗ gung gelangen betreffs der Zölle auf linksrheinischem Gebiet, es naoh
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