anderen allfierten und assozlierten Mächte, die bis zum heutigen Tage Kenntnis von ihrer Ratifikation gegeben haben, sind: Belgien, Polen und Siam. In Ausführung dieser Bestimmungen und, wenn die verschiedenen zur Inktafttretung des Vertrags nötigen Urkunden aus⸗ gefertigt sind, wird in Parls an einem demnächst festzusetzenden Datum, das fünf Tage voraus bekanntgegeben wird, das Protokoll der Niederlegung der Ratifikationen aufgenommen werden. Die Deutsche Regierung wird gebeten, daran teilnehmen zu wollen. Die endgültigen Bestimmungen des Vertrags sagen ferner: „Vom Tage dieses ersten Protokolls ab tritt der Ver⸗ trag zwischen den hohen vertragschließenden Parteien, die ihn ratifiziert haben werden, in Kraft. Zur Berechnung aller Fristen, die durch diesen Vertrag vorgesehen werden, ist dieser Tage als Datum des Inkrafttretens zu betrachten.” 3 ““
Die alliierten und assoziierten Mächte haben heschlossen, den Vertrag nicht in Kraft treten zu lassen, ehe die Ausführung der von Denut’chland durch das Waffenstillstandsabkommen und die Zusatzverträge übernommenen Verpflichtungen, die nicht erfüllt sind, geregelt und bestimmt ist. Die Deutsche Re⸗ ierung wird daher gebeten, dem zur Unterzeichnung des Protokolls über die Niederleaung der Ratifikation ermächtigten deutschen Vertreter un⸗ beschränkte Vollmacht zu geben zur Unterzeichnung des Protokolls, dessen Abschrift beiliegt, und welches ohne weiteren Aufschub diese Regelung vorsieht. Andererseits bringt das Inkrafttreten des Ver⸗ trags schon jetzt gewisse Folgen mit sich, die ins Auge zu fassen wichtig ist:
1. Die hohe interalliierte Komm sssion des Rheingebietes über⸗ nimmt die Geschäfte. (Abkommen, Art. 2.) 1
2. Die Militär⸗, See⸗ und Luftdelegationen, die gegenwärtig als Militär⸗, See⸗ und Luftkontrollkommissionen in Deutschland sind, übernehmen die Geschäfte. (Friedensvertrag, Art. 203.) 8
3. Die Wiedergutmachungskommission übernimmt die Geschäfte. (Friedensvertrag, Art. 233 und Anlage II, § 5.) 1 4. Uebertragung der Oberhobeit im Falle Memel (FFriedensver- trag, Art. 99) und Donzig (Friedensvertrag, Art. 100), die die Zurückziehung der deutschen Truppen und der deutschen Behörden und die Besitznahme dieser Gebiete durch die interalltierten Truppen
zur Folge hat. 5. nel ergabe der Regierung im Saarbecken. (Friedensvertrag,
Art. 49 Anhang § 16.) 1
6. Uebergabe der zeitweisen Regierung im Gebiete Oberschlesiens, in dem die Volksabstimmung stattfinden wird E“ Art. 88 und Anltage § 1, 2 und 3), daraus ergibt sich die Zurück⸗ ziehung der Tꝛuppen und der deutschen Behörden, welche die Kom⸗ mission bestimmen wird, und die ’ durch interalliterte Truppen, desgleichen die Uebernahme der Geschäfte durch die Re⸗ gierungs, und Volksabstimmungskommission in diesem Gebiete.
7. Uebernahme der zeitweiligen Verwaltung in dem Gebiete von Schleswig, in dem die Voltzabstimmung stattfinden wird (Friedens⸗ vertrag, vrt. 109); daraus folgt die Zursüickzrehung der deutschen Truppen und der deutschen Behörden sowie die Besetzung durch inter⸗ alliierre Truppen und die Uebernahme der Geschäfte dursch die Ver⸗ waltungs⸗ und Volkzabstimmungskommission in diesem Geblet.
8. Beginn der Frift von 15 Tagen, in welcher die Räumung und die Uebergabe der vorläufigen Verwaltung in den Gebieten stattfinden wird, in denen die Volksabstimmung stattfindet: Ost⸗ preußen, Allenstein (Friedensvertrag, Art. 95) und Westpreußen, Marienwerder (Friedensvertrag, Art. 97), woraus sich die Zurück⸗ ziehung der Truppen und der deutschen Behörden ergibt, sowie die Besetzung durch interalliierte Truppen und die Uebernahme der Ge⸗ schaäfte durch die Verwaltungs⸗ und Volksabstimmungskommissionen in diesen Gebieten.
9. Beginn der 14⸗tägigen Frist, innerhalb deren die Ab⸗ grenzungskommissionen ihre Tätigkeit beginnen sollen. Daher wird die Deutsche Regierung schon jetzt aufgefordert, für den 10. No⸗ vember 1919 bevollmächtigte Vertreter nach Paris zu entsenden um:
1) im Einverständnis mit den Vertretern der alliierten und
assozüierten Mächte die Einsetzungsbedingungen der Regierungs⸗,
1
Verwaltungs⸗ und Volksabstimmungskommissionen sowie die
G Uebergabe der Vollmachten und Dienstbefugnisse, den Einzug der interalliierten Truppen, die Räumung durch die deutschen
ruppen, die Ersetzung der bezeichneten deutschen Behörden; Es wird schon jetzt daran erinnert, daß die deutschen Behörden alle Dienst⸗
sowie alle Urkunden, welche die
und alle oben vorgesehenen Fragen zu regeln. nd Wohnungseinrichtungen — sofortige Tätigkeit der interalliierten Behörden ermöglichen sollen, an Ort und Stelle lassen müssen; eutschen Truppen ihrem Ort belassen sollen; 88
2) im Einve ständnis mit dem Generalstab des Oberbefehlshabers der alltierten und assoziierten Armeen die Transportbedingungen der interalliterten Truppen zu regeln.
Protokoll.
Als die erste Niederlegung der Ratifikationen des Friedensver⸗ trags stattfinden sollte, ist festgestellt worden, daß die nachfolgenden Verr flichtungen, welche Deutschland sich durch das Waffenstillstands⸗ abkommen und die Ergänzungsbestimmungen zu erfüllen verpflichtet hatte, nicht oder nicht ganz erfült worden sind.
1. Waffenstillstandsabkommen vom 11. November 1918, unter VII: die Verpflichtung, 5000 Lokomotiven und 150 000 Eisenbahn⸗ L. zu liefern. 42 Lokomotiven und 4460 Wagen sind noch zu liefern. 1
2. Waffenstillstandsabkommen vom 11. November 1918, unter XII: Verpflichtung, die sich auf russischem Gebiet befindenden deutschen Truppen diesseits der deutschen Grenze zurückzuziehen, so⸗ bald die Alltierten den Augenblick für gekommen erachten werden. Diese Zurückziehung der Truppen ist nicht ausgeführt, trotz der wiederholten 95n.Sb Aufforderung am 27. August, 27. September und 10. Oktober 1919.
3. Waffenstillstandsabkommen vom 11. November 1918, unter XIV: Verpflichtung, alle Requisitionen, Pfändungen und bö. — auf russischem Gebiet einzustellen. Die deutschen Truppen haben diese Maßnahmen fortgesetzt.
daß ebenso die alle durch sie benutzten Einrichtungen an
4. Waffenstillstandsabkommen vom 11. November 1918, unter XIX: Verpflichtung zur Uebergabe aller Urkunden, Gelder und Werte (be⸗ wegliche und finanzielle samt des Ausgabematerials (Umlaufsmaterials))], die öffentliche oder private J teressen in den mit Krieg überzogenen Gebieten betreffen. Die vollständigen Verzeichnisse der in den mit Krieg überzogenen Gebieten von den Deutschen weggenommenen, ein⸗ gesammelten oder konfiszierten Gelder und Werte sind nicht übergeben worden. 5. Waffenstillstandsvertrag vom 11. November 1918, unter XXII: Verpflichtung, alle deutschen Unterseeboote auszuliefern. — Zerstörung des deutschen Unterseebootes „U. C. 48“ im Seeraum von Ferrol auf Befehl seines deutschen Kommandanten und Zerstörung gewisser Unterseeboote in der Nordsee, die zwecks Ablieferung auf dem Wege nach England waren.
6. Waffenstillstandsvertrag vom 11. November 1918, unter XXIII: Verpflichtung, die von den alliierten und assoziierten Mächten be⸗ zeichneten und zur späteren Auslieferung bestimmten deutschen Kriegs⸗ schiffe in den alliierten Häfen zu behalten,
unter XXXI: Verpflichtung, vor der Auslieferung kein Schiff zu zerstören. — Zerstörung der genannten Schiffe in Scapa Flow am 21. Juni 1919. .
„7. Protokoll vom 17. Dezember 1918, beigefügt dem Waffen⸗ stillstandsvertrag vom 13. Dezember 1918: Verpflichtung, die aus Frankreich und Belgien entnommenen Kunstgegenstände und Kunst⸗ dokumente zurückzuerstatten. Alle nach dem unbesetzten Deutschland gebrachten Kunstgegenstände sind nicht zurückerstattet.
8. Waffenstillstandsabkommen vom 16. Januar 1919 unter III und Proiokoll 392/1, Zusatzbestimmung III vom 25. Juli 1919: Verpflichtung, landwirtschaftliche Maschinen zu liefern, als Ersatz üür das Eisenbahnmaterial, das in den dem Protokoll von Spa vom
“
Die Gesandtschaft b
17. Dezember 1918 beigefügten Tafeln 1 und 2 vorgesehen ist. sind am vorgesehenen Datum des 1. Oktober 1919 nicht geli worden: „Heucke“ Dampfpfluggruppen: alle dazu gehörigen Kultiwatoren, alle Grabscheite: Schaufeln, Pflüge T. M. 23 26; Pflüge T. F. 18/21; Pflüge T. F. 23/26; Blabantpflüge T. F. 0,m 20; Bravantpflüge T. F. 0,m 26; Eggen zu 2 k. 500; Stahlkultivatoren; 3 Düngerstreumaschinen 2 m 50; Düngerstreumaschinen 3 m 50.
9. Waffenstillstandsabkommen vom 16. Janugr 1919 unter VI: Verpflichtung, das aus dem französischen und belgischen Gebfet ent⸗ nommene Industriematerial zurückzuerstatten. Dieses ganze Material ist nicht zurückerstattet. 1
10. Waffenstillstandsabkommen vom 16. Januar 1919 unter VIII: Verpflichtung die ganze deutsche Pandelsflotte den alltierten und assoziterten Mächten zur Verfügung zu stellen. Eine gewisse Anzahl von Schiffen, deren Autlieferunn auf Grund dieser Bestimmung ge⸗ fordert worden mar, sind noch nicht ausgeliefert worden.
11. Protokoll der Konferenzen in Brüssel vom 13. und 14. März
1919: Verpflichtung, das Kriegsmaterial aller Art nicht auszuführen.
— Ausfuhr von Luftschiffahrtsmaterial nach Schweden, Holland und
Dänemark. Eine gewisse Anzahl der unerfüllten oder unvollständig erfüllten
Bestimmungen, an die im Vorigen erinnert wird, sind durch den Vertrag vom 28. Juni 1919 erneuert worden, dessen Inkraftsetzen Rechts wegen anwendbar
die darin enthaltenen Bestimmungen von .
machen wird. So verhalt es sich insbeso dere mit den verschiedenen
zu Wiederherstelungszwecken vertragsmäßig festgesetzten Leistungen. Andererseits hat die Frage der Räumung der baltischen Pro⸗
vinzen den Gegenstand eines Notenwechsels und verschiedener Be⸗
schlüsse gebildet, deren Ausführung im Gange ist. Die alliierten und assoziierten Mächte bekräftigen ausdrücklich den Inhalt ihrer Noten, zu deren aufrichtigen und genauen Ausführung Deutschland sich durch dieses Protokoll verpflichtet.
Endlich vermögen die alliierten und asseziierten Mächte nicht, die übrigen Verfehlungen gegen das Waffenstihsrandsabkommen und so schwere Verletzungen, wie die Zerstörung der deutschen Flotte in Scapa Flow, die Zerstörung des Uaterseeboots „U. C. 48“ in dem Seeraum von Ferrol und die Zerstörung verschiedener Unterseeboote in der Nordsee, die zwecks Ablieferung auf dem Wege nach England 88 ungestraft zu lassen. Deutschland verpflichtet sich infolge⸗ dessen: 1 1. A) Als Wiedergutmachung für die Zerstörung der deutschen Flotte in Scapa Flow abzuliefern: 18
a) Innerhalb 60 Tagen nach Unterzeichnung des K enwärtigen Protokolls und gemäß den in Artikel 185 Absatz 2 des Friedensvertrags vorgesehenen Bedingungen folgende 5 leichte Kreuzer „Königsberg“, „Pillau“, „Graudenz“, „Regensburg“ und „Straßburg“. 1 1 Innerhalb 90 Tagen nach Unterzeichnung des gesernes Protokolls in vollständig gutem und gebrauchsfähigem Zustand an schwimmenden Docks, schwimmenden Kränen, Schleppern und Baggern eine solche Anzahl, die insgesamt 400 000 Tonnen ergibt, und die von den alliierten und assoziierten Hauptmächten verlangt werden können. Bei den Docks wud die Hebetraft als der Wasserverdrängung gleich erachtet. Von den Docks müssen etwa 75 Prozent mehr als 10 000 Tonnen groß sein. Das gesamte Material muß an Ort und Stelle abgeliefert werden. — 1
B) Innerhalb 10 Tagen nach Unterzeichnung des gegenwärtigen Protokolls eine genaue Liste aller Schwimmdocks, Schwimmkräne, Schlepper und Bagger, die deutsches Eigentum sind, zu übergeben. Die Liste ist der in Artikel 209 des Friedensvertrags vorgesehenen interalltierten Schiffahrts⸗Ueberwachungstommission zuzustellen. Die
Liste muß Aufschluß geben über das Material, das am 11. November oder an dessen Besitz die
1918 der Deutschen Regierung g hörte 1 Deutsche Regierung zu diesem Zeitpunkte einen Hauptanteil hatle.
C) Die Offiztere und Mannschasten, welche die Besatzung der in Scapa Flow versenkten Kriegsschiffe bildeten, und die jetzt von den alliierten und assoziierten Hauptmächten festgehalten werden, werden mit Ausnahme derjenigen, deren Auslieferung in Artikel 228 des Friedensvertrags vorgesehen ist, spätestens nach Erfüllung der L Bedingungen zu A und B durch Deutschland heim⸗ geschafft.
D) Der Zerstörer „B 98“ rechnet zu den 42 Zerstörern, deren Ablieferung in Artikel 185 des Fr edensvpertrages vorgesehen ist.
2. Innerhalb 10 Tagen 8. Unterzetchnung des er Protokolls abzuliefern die Maschinen und Mptoren der Unterseeboote „U 137“, „U 138“ und „U 150“ als Entschädigung für die Zerstörung des Unterseeboots „U. C. 48˙, ferner die 3 Motoren des U terseeboots „U 146“, die noch als Entschädigung für die in der Nordsee zerstörten Unterseeboote abzuliefern sind.
3. Den alliierten und assoziierten Regierungen — den Wert des ausgeführten Luftfahrzeugmaterials gemäß der Entscheidung und Ab-
schätzung zu zahlen, die durch den in Artikel 216 des Friedens⸗
vertrages vorgesehenen Luftfahrt⸗Ueverwachungsaus schuß erfolgen und (wpatestens am 31. Januar 1920) bekannt gegeben wird. Sofern Deutschland diesen Verpflich ungen in den oben vorgesehenen Fristen nicht nachkommen sollte, behalten sich die alliierten und assoziterten Mäͤchte vor, alle militärischen und andere Zwangsmaßnahmen zu er⸗
greifen, die sie für angezeigt erachten.
1
Vorsitzende der interalliierten Waffenstillstands⸗ kommission General Nudant Präsidenten der Deutschen Waffenstillstandskommission dem „Wolffschen Telegraphenbüro“ zufolge mitgeteilt, daß nach
einer Entscheidung des französischen Unterstaatssekretärs für
“ er
Millitär justiz alle bisher in Frankreich zurückgehaltenen und V ee in die Heimat entlassen werden sollen, soweit eine derartige Maßnahme ver⸗
nun entvehrlich gewordenen Sanitäts
einbar ist mit dem Gesundheitszustand der deutschen Kriegs⸗
und den dem genannten Unterstaatssekretär zur
erfügung gestellten Transportmitteln. Die Zahl der ent⸗ behrlichen Sanitätssoldaten und der Zeitpunkt ihrer Heim⸗
sendung werden noch bekanntgegeben.
“ 11““
Die in einigen Zeitungen erschienene italienische Regierung habe das deutsche Eigentum
in Jalien an England verpfändet, entspricht, wie „Wolffs
Telegraphenbüro“ mitleilt, nach den Erkundigungen, die die
zuständige deutsche Amtsstelle eingezogen hat, nicht den Tat⸗
Die schweizerische Gesandtschaft in Berlin hat dem Auswärtigen Amt das folgende, gestern vom politischen De⸗ partement in Bern eingegangene Telegramm zur Kenntnis ge⸗ dracht: „Schweizerische Gesandtschaft in Washington drahitet, daß sosotige Zulassung der deutschen Delegierten zur Arbeitskonferenz mit gleichen Rechten wie andere Mit⸗ glieder mit allen gegen eine einzige Stimme beschlossen wurde.“ kte dazu, daß die schweizerische Gesan
hat in einer Note an den
Nachricht, die
2
schaft in Washington um innlichst umgehende Nachricht gederen hat, wang die deulsche Delegalion in Mew Yark eimmesfe, vamit die Eesandtschaft für deren Abholung besorgt sein könne
Die Erledigung der durch die Auflösung des alten und durch die Neuordnung des Reschs entstandenen seh fangreichen Abwicklungsarbeiten erfolgt, wie „Wolffe graphenbüro“ mitteilt, zurzeit durch ungefäyr 2000 über das ganze Reich verstreute Abwicklungsstellen, die, ihrer bisherigen J entsprechend, den früberen Kriegsministerien, dem Reichsministerium des Inmmern, dem Reichs kolonialmir isterin und anderen Reichsbehorden unterstehen. artige Unterstellung der Aovwicklungsstelle
üährte z) Dor⸗ ührte zur Ze
splitterung der Arbeitskräfte, zur Außerachtlassung gegebener
Demobilmachunge verordnungen, zur Verlangsamung des Ab⸗
wicklungsgeschäfts und ließ insbesondere auch jede Arbeit nach einheitlichen Gesichtspunkten ve missen.
Von dem bei der finanziellen Tragweite des Abwicklungs⸗
geschäftes am meisten beteiliaten Reichsfinm zministerzum ist Febher im Interesse der Reichsfinanzen die Einsetzung eines eichsabwicklungsamts mit einem Reichsabwicklungs⸗ kommissar an der Spitze in Vorschlag gebracht worden Aufgabe des Reichsabwicklungskommissars wird es sein, vdie Ahbwicklung vach einheitlichen Gesichtspunkten
leiten, alle zur Verhilligung, Vereinfachung und
allem zum schleunigen Abbau des gesamten Abwicklungs geschäfts erforderlichem Maßnahmen zu treffen, den Fortschritt der Arbeit bei den einzelnen Abwicklungsstellen zu überwachen und die Demobilmachungsverordnung und etwaig hinsichtlich der Abwicklung noch ergehende Gesetze und
Verordnungen schnell und nachdrücklicht zur Durchführung
zu bringen sowie eiwaigen Mißständen nachzugehen un neue gesetzgeberische Maßnahmen vorzuschlagen. Ihm wird es feiner obliegen, die Verwendung des bei den Ab⸗ wicklungsstellen noch in großem Umfange vorhandenen Personals zu überwachen, seine balstge Verringerung nach Maßgabe des Fortschreitens der Abwicklung herbeizuführen,
Ausgleiche vorzunehmen und mit allen Mitteln darauf hinzu⸗
wirken, daß das zu entlossende Personal, soweit es nicht nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen pensioniert wird, i neuen Stellen untergebracht bezw seinem früheren Berufe bald⸗ möglichst wieder zugeführt wird. Der on der Spitze des Reichsabwicklungsamis stehende Reichs abwicklungs kommissar wird von dem Reichsminister der Finanzen ernannt; er ist ihm in Ausübung seines Dienstes unterstellt.
— ——
Preußen.
Der Oberbefehlshaber Noske veröffentlicht laut Meldung
des „Wolffschen Telegraphenbüros“ nachstehende Verordnung über das Wiederinkrafttreten des Schutzerlasses für lebenswichtige Betriebe. Es hat eire starke Propaganda für einen Generalstreik in Groß Berlin eingesetzt. Um die Interessen der Bevölkerung zu schützen und jede Gefährdung des Lebens und der Gesundheit der Einwohner zu unterbinden, tritt aufs neue der zuerst unter dem 17. Oktober ver⸗ öffentlichte Erlaß des Oberkommandierenden in Kraft. Diese Ver⸗ ordnung hatte sfolgenden Wortlaut:
„Auf Grund des Belagerungszustandes verbiete ich jedwede weitere Betätigung durch Wort, Schrift oder andere Maßnahmen, die darauf gerichtet sind, lebenswichtige Betriebe zur Stillegung zu bringen, insbesondere: Zerstörungen oder Schädigungen von Betriebs⸗ anlagen und leitungen. Zuwiderhandelnde setzen sich einer Be⸗ strafung bis zu einem Jahr Gefängnis oder sofortiger Verhaftung aus, soweit nicht nach den allgemeinen Strafgesetzen eine höhere Strafe verwirkt wird. Als lebenswichtige Betriebe im Sinne dieser Verordnung sind sie ben. alle Anlagen zur Erzeugung und Lieferung von Gas, sser und Elektrizi at sowie die öffentlichen Verkehrsmittel..“
(Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten und Zweiten Beilage.)
Theater.
Opernhaus. (Unter den Linden.) Freitag: 230. Dauer⸗ bezugsvorstellung. Dienst⸗ und Freiplätze sind aufgehoben. Der Barbier von Sevilla. Komische Oper in drei Aufzügen von Rossini. Dichtung nach Beaumarchais, von Cesar Sterbini, übersetzt von Ignaz Kollmann. Musikalische Leitung: Otto Urack. Spiel⸗ leitung: Hermann Bachmann. Anfang 7 Uhr.
Schanspielhaus. (Am Gendarmenmarkt.) Freitag: 242. Dauer⸗ bezugsvorstellung. Dienst⸗ und Freiplätze aufgehoben. Heimat. Schauspiel in vier Akten von Hermann Sudermann. Spielleitung: Albert Patry. Anfang 7 Uhr.
Sonnabend: Opernhaus. 231. Dauerbezugsvorstellung. Dienst⸗
und Freiplätze sind aufgehoben. Die lustigen Weiber von Windsor. Komisch⸗phantastische Oper in vier Akten nach Shake⸗ ee gleichnamigem Lustspiel von H. S. Mosenthal. Musik von Otto Nicolai. Anfang 6 ½ Uhr. 8 Schauspielhaus. 243. Dauerbezugsvorstellung. Dienst⸗ und sind aufgehoben. Maria Stuart. Trauerspiel in fünf Aufzügen von Friedrich Schiller. Spielleitung: Dr. Reinhard Bruck. Anfang 6 6 Uhr.
8 Familiennachrichten. 7
Verlobt: Frl. Hertha von Cleve mit Hrn. Oberleutnant Gerhard Frhrn. von Carnap (Br men).
Gestorben: Hr. Landrat a. D. Johannes Grabs von Haugsdorf düHargedor Kr. Dt. Krone). — Hr. Landrat a. D., Rittmeister d. Res. a. D. August Theodor Schmöle (Iserlohn).
Verantwortlicher Schriftleiter: Direktor Dr. Tyrol⸗ Charlottenburg.
Verantwortlich für den Anzeigenteil: Der Vorsteher der Geschäftsstelle.
Rechnungsrat Mengerina in Verlin. Verlag der Geschäftsstelle (Mengerina) in Berlin. Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlagsanstalt, Berlin. Wilhelmstraße 32. Vier Beilagen (einschließlich Börsenbeilage) Erste, Zweite und Dritte Zentral⸗Handelsregister⸗Beila
sowie die Inhaltsangabe Nr. 44 zu Nr des öffentlichen Anzeigers.
u
Diese verschieden⸗
Preußische Landesversammlung. 73. Sitzung vom 5. November 1919.
Gericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger.)“ Am Regierungstische: der Staatsminister Braun. Präsident Leinert eröffnet die Sitzung nach 12 ½ Uhr.
In dritter Beratung wird die Vorlage betreffks Aende⸗ rung der Amtsgerichtsbezirke Heiligenstadt und Worbis endgültig genehmigt.
Der Antrag des Justizministers auf Genehmi⸗ gung der Strafverfolgung des Abg. Kalinowski aus Skaisgirren (Soz.) wegen Unterschlagung war vom Hause zur nochmaligen Beratung an den Geschäftsordnungsausschuß zurückverwiesen worden. „Der Ausschuß ist abermals zu dem Vorschlage gekommen, die Genehmigung zu versagen. Ohne
Crörterung wird demgemäß beschlossen.
Es folgt die Abstimmung über den Haushalt der landwirtschaftlichen Verwaltung und die dazu gestellten Anträge.
Entsprechend den Anträgen des Haushaltsausschusses werden die Fonds in den dauernden Ausgaben für wissen⸗ schaftliche und Lehrzwecke und für Unterstützung der landwirt⸗ schaftlichen Vereine und Förderung der Landkultur im allge⸗ meinen um je 500 000 Mark erhöht, nachdem ein Regier ngs⸗
ertreter die Erklärung abgegeben hat, daß bisher eine einheit⸗
liche Stellungnahme der Regierung zu diesen Mehrforderungen
noch nicht herbeigeführt worden ist, aber nachgeholt werden soll. Im übrigen wird der Haushalt für die landwirtschaft⸗ liche Verwaltung unverändert genehmigt. Gegen das Gehalt des Ministers stimmen die Deutschnationalen und die Unab⸗ hängigen Sozialdemokraten.
Zur Annahme gelangen zunächst die Anträge des Aus⸗ schusses betreffs Erhöhung der Titel fur Zuwendungen an Minder⸗ bemittelte für Studienzwecke an landwirtschaftlichen Hoch⸗ schulen, betreffs Verleihung des Promotionsrechts an die Akademie Bonn⸗Poppelsdorf, betreffs Einführung des Rektoratssystems für sie und ihrer Bezeichnung als landwirtschaftliche Hochschule, betreffs Verlegung der in Bromberg befindlichen Versuchs⸗ und Forschungzanstalten für Landwirtschaft an einen anderen ge⸗ igneten Ort in den östlichen Provinzen und betreffs Ein⸗ schränkung der Pferderennen auf das notwendigste Maß. Die Petition des Magistrats in Frankfurt a. O. um Erhaltung der Kaiser Wühelm⸗Anstalt für Landwirtschaft und um Verlegung derselben nach Frankfurt a. O. wird der Regierung zur Er⸗ wägung überwiesen. Auch die Ausschußanträge beltefss Ver⸗ teilung der Ueberschüsse der Viehhandelsverbände, Betätigung des Reichswirtschaftsrats zur Förderung der landwirtschaftlichen Erzeugung, Aufrechterhaltung des Selbstverwaltungsrechts der Landwirtschaftskammern und Gleichstellung der höheren Bau⸗ beamten bei der landwirtschaftlichen Verwaltung mit den juristisch vorgebildeten Beamten dieser Verwaltung gelangen zur Annahme.
Der Antrag des Abg. von Wangenheim (D.Hann.) auf Gleichstellung der Vermessungsassistenten der landwirtschaft⸗ lichen Verwaltung mit den Verwaltungssekretären in Rang und Gehalt unter Verleihung des Titels „Vermessungssekretär“ wird abgelehnt.
Die Anträge des 13. Ausschusses zur Prüfung der Er⸗ nährungsfragen über Maßnahmen zur besseren Ernährung des Volkes werden angenommen. Gegen die vom Ausschuß befür⸗ wortete Organisierung von Arbeitsgemeinschaften der Landwirte zu gegenseitiger Hilfe, gegen die zwangsweise Bewirtschaftung brachliegender Felder, gegen das vorläufige Festhalten an der öfsentlichen Bewirtschaftung der für die Volksernährung wichtigsten Lebensmittel, gegen die allgemeine Einführung der Viehkataster und gegen Reorganisation der Viehhandelsverbände sowie gegen die Bereitstellung der Ueberschüsse der Viehhandels⸗ verbände zur Abgabe von Lebensmitteln zu billigen Preisen an die bedürftige Bevölkerung stimmen die Deutschnationalen.
Der Antrag der Sozialdemokraten auf Regelung der Ver⸗ hältnisse der Landarbeiter und der Antrag der Deutschnationalen betreffs Bekämpfung des Mangels an Arbeitern und Hand⸗ werkern auf dem Lande werden angenommen. Der Antrag der Deutschnationalen gegen die Abschlachtung von Milchkühen gelangt gegen die Stimmen der beiden Soz. zur Annahme.
Angenommen wird auch der Antrag des Zentrums über die Verwendung des Mehrerlöses aus den Häuten von Schlacht⸗ vieh. Zur Annahme gelangen ferner der Antrag der Demo⸗ kraten auf anderweite Zusammensetzung der Landwirtschafts⸗ kammern und der Antrag des Zentrums auf Anstellung von Frauen bei den Landwirtschaftskammern und dem Landwirt⸗ chaftsministerium. .
Zu der Verordnung des Landwirtschaftsministers vom 2. September über die Sicherstellung landwirtschaftlicher Arbeiten wird der Antrag des Zentrums auf Prüfung der Rechtsgültigkeit der Verordnung angenommen, der Antrag der Deutschnationalen auf Aufhebung der Verordnung gegen die Stimmen der Antragsteller abgelehnt.
Die Anträge des Zentrums, betr. den Weinbau, werden angenommen. 8
Eine Reihe von Anträgen zu diesem Haushalt überweist das Haus dem Landwirtschaftsausschuß.
Darauf geht das Haus über zur Wiederholung der gestern infolge eingetretener Beschlußunfähigkeit ergebnislos verlaufenen Abstimmung über den Antrag Friedberg zum Gesetz vom 13. Dezember 1918, betr. Erleichterung des Austritts aus der Kirche. Der Antrag Friedberg hat inzwischen folgende Fassung erhalten:
Das Gesetz über die Erleichterung des Austritts aus der Kirche wird an den Rechtsausschuß zurückverwiesen und dieser beauftragt, einen neuen Gesetzentwurf vorzulegen.
Der Abg. Adolf Hoffmann (U. Soz.) beantragt namentliche Abstimmung.
Feem Leinert weist diesen Antrag als unzulässig zurück, de es sich nur um eine Fortsetzung, bzw. Wiederholung der gestrigen Abstimmung handeln könne.
e Mir Auenahme der Raden der Herren Minister, bie im erfe eeencn üen
—,—BAanAüenöen—
Erste Beilage uzeiger und Preußischen Staatsanz
Berlin, Donnerstag den 6 November
Abg. Adolf Hoffmann vertritt die Meinung, daß die gestrige Abstimmung wegen der Beschlußunfähigkeit des Hauses un⸗ gültig gewesen jei und eine neue Abstimmung vorgenommen werden müsse, also auch ein Antrag auf namentliche Abstimmung durchaus statthaft sei.
Von dem Abgg. Dr. Porsch (Zentr.) und Dr. von Krause (D. Vp.) wird die Auffassung des Präsidenten als zutreffend an⸗ erkannt und auf Präzedenzfälle Bezug genommen.
Bei einfacher Abstimmung wird der Antrag Fried⸗ berg gegen die Stimmen der beiden sozialdemokratischen Parleien angenommen.
„Dearauf wird die am 15. Oktober abgebrochene Beratung über den Antrag des Abg. Dr. Friedberg (Dem) fortgesetzt, nach dem die Regierung ersucht werden soll, im Einvernehmen mit der Reichsregierung sofort geeignete Maß⸗ nahmen zu ergreifen, um den durch den schlechten Stand unserer Valuta begünstigten Schmuggel mit Getreide und anderen Lebensmitteln nach dem Aus⸗ lande zu verhindern.
Abg. Heller (Soz.): Das Schiebertum muß mit eiserner Faust angefaßt werden. Mögen die örtlichen Maßnahmen noch so gut gemeint seiu, sie können nur geringe Wirkung erzielen, wenn nicht einheitlich ein erfolgreiches Kessel⸗ treiben gegen die Verbrecher am Volkswohl begonnen wird. Es müssen dabei auch die Erzeuger angepackt werden, denn sie sind ebenfalls Vaterlandsverräter, die um ihrer eigenen Interessen willen das ganze Volk zugrunde gehen lassen wollen. In den Bezirken, wo die Landwirte besonders renitent sind, müssen die Kontrolkommissionen nur aus Verbrauchern zusammengesetzt sein. Auch das Publikum selbst muß mithelfend eingreifen. Bisher hat man die kleinen Schieber gefaßt, die großen laufen lassen. Wenn umgekehrt das große Schiebertum unterdrückt wird, wird die kleine Hamsterei auf dem Lande von selbst aufhören. Nicht nur die Gendarmerie, sondern auch die Eisenbahnkontrolle muß ganz anders or⸗ ganisiert werden. Eine Untersuchungskommission im ECisenbahn⸗ direktionsbezirt Elberfeld hat festgestellt, daß Schiebungen auf Schiebungen unter Mithilfe von Eisenbahnbeamten startgefunden haben, ohne daß die Staatsanwaltschaft oder die Eisenbahn⸗ verwaltung gegen diese Beamten vorging. Diese himmelschreienden Zustände können so nicht weitergehen. Das Reichswirtschaftsministerium hat in den größeren Städten besondere Wucherdezernate eingerichtet, aber diese Einrichtung erfuhr Schwierigkeiten durch den Mangel an Mitteln und durch das Landespolizeiamt. So kann der Schieber⸗ handel nicht unterbunden werden. Die Auswahl der Beamten ist nicht richtig und ihre Bezahlung steht in schreiendem Widerspruch zur Kaufkraft des Geldes. Das Landespolizeiamt muß eine größere Selbständigkeit betommen, denn das Reichsverwertungsamt verweigert den recherchierenden Beamten des Landesvpolizeiamts jede Auskunft. (Ruf bei den Sozialdemokraten: Unerhört!) Nachher glasbt das Volk, daß im Reichsverwertungsamt selbst die größzen Schieber sitzen. Es muß eine Zentralstelle mit größter Machtvollkommenheit gegen das Schiebertum errichtet werden. Die Schieber inserieren in der Presse ganz offen ihre Waren, die zweifellos aus Heeresbeständen verschoben sind. Ein großer Schmuggel von inländischem Brotgetreide findet nach Frankreich statt, Kohlen werden direkt von den Zechen verschoben; mit den Kartoffeln ist es ebenso. Wenn die Behörden nicht ene gisch eingreifen, muß die ärmere Bevölkerung zur Selbsthitfe greifen. Das führt aber zur Anarchie, die wir unter allen Umständen vermeiden müssen. In den letzten Wochen sind nach Schätzung von Sachverständigen für zwei Millionen Mark hochwertige Textilwaren verschoben worden. Vie Beamten, die bei Schiebungen Hilfe leisten, müssen ebenfalls als Verbrecher behandelt und sofort entlassen werden. Durch rücksichts⸗ loses Eingreifen wird mit dem Schieberhandel aufgeräumt werden können. (Beifall b. d. Soz.)
„Abg. Küster (Z.): Gegen das vaterlandslose Gebaren des Schiebertums muß etwas getan werden; es ist eine der trüben Folgen der Revolution (Widerspruch links). Die Preise der landwirtschaft⸗ lichen Erzeugung sind so zu gestalten, daß sie die Produktionskosten decken und noch einen beschridenen Gewinn ergeben. Alle Preise für landwirtschaftliche Artikel sind gestiegen, so daß die Mehrausgaben die Mehreinnahmen überwiegen. Es müssen Maßnahmen zur För⸗ derung der landwirtschaftlichen Produktion durchgeführt werden. (Beifall im Zentrum.)
Abg. Jansen (Dem.): Wir müssen befürchten, daß durch die in letzter Zeit vorgenommenen Verwaltungsmaßnahmen eine so weitgehende wirtschaftliche Trennung des besetzten Gebietes von dem anderen Deutsch⸗ land stattfindet, daß sie zu den bedenklichsten politischen Konsequenzen fuhrt. Wir können Maßnahmen treffen, so viel wir wollen, unsere Polizei kann überall stehen, wir werden doch nichts erreichen ohne Unter⸗ stützung der Entente. Die Entente will ja den furchtbaren Zustand, unter dem wir zusammenbrechen, auf die Dauer aufrechterhalten. Es müßte wenigstens eme internationate Solidarität der anständigen Leute geben. Die größten Schieber im besetzten Gebiete sind keine Deut⸗ schen, sondern Franzosen und Engländer. In den Eisenbahnzügen hört man überall die Unterhaltungen des internationalen Gaunertums. Bezüglich der Maßnahmen, die überhaupt noch eine Besserung herbei⸗ führen können, sind wir von der amerikanischen Regierung insofern unter⸗ stützt worden, als man der Beachtung der Aus⸗ und Einfuhrverbote wenigstens einigermaßen Rechnung getragen hat. Unserer Regierung sind Verzeichnisse der Ein⸗ und Ausfuhrverbote übermittelt worden, und sie ist aufgefordert worden, ebenfalls solche Verzeichnisse den Amerikanern zu überreichen. Das muß schleunigst geschehen. Eine zweite For⸗ derung ist, daß an die Grenze endlich deutsche Zollbeamte kommen. Unsere Zollgrenzen werden tatsächlich nicht von deutschen Beamten bewacht, sondern von Franzosen. Das ist nichts weiter als eine Forkführung des Krieges. Es besteht tatsächlich eine Freiheit der Einführung von Lebensmitteln uw. Unsere Regierung muß nach⸗ drücklichst eine genaue Kontrolle dessen durchführen, was Heeresgut ist. Unter den jetzigen Verhältnissen können wir die Friedenesforde⸗ rungen niemals erfüllen. Da alle Maßnahmen unserer Regierung nichts nützen werden, wenn sie nicht die Unterstützung der Entente haben, appelliere ich an die Solidarität der anständigen Leute. (Beifall.)
Abg. Neuhaus (d. nat.): Wie groß der Schmuggel in dem besetzten Gebiete ist, davon kann sich jemand, der nicht an Ort und Stelle ist, keinen Begriff machen. Unter den Schiebern befinden sich Leute aller Stände. In neuester Zeit ist sogar in dem Kuriergepäck eines Diplomaten Schmuggelware von ziemlichem Umfange gefunden worden, es war adressiert an den sächsischen Ministerpräsidenten Dr. Gradnauer (Hört! hört!). Den Untersuchungsbeamten und Angestellten der Eisenbahn werden ungeheure Summen als Schweigegeld angeboten. Das deutsche Volk wird um ungeheure Mengen an Lebensmittein be⸗ trogen. Ist es nötig, daß Zigaretten in diesem UUmfange nach Deutschland hineinkommen? Die Regierung hat zwar durchgreifende Maßnahmen gegen den Viehschmuggel nach Dänemark ergriffen. Das hätte aber viel früher geschehen müssen. Durch die enorme Ausfuhr von Lebensmitteln und Getreide wird, abgesehen von der Verschlechterung hinsichtlich der Ernährung unseres Volfes, auf die deutsche Valuta immer mehr ge⸗ drückt. ie jetzige bestehende sog. Nheinkontrolle ist absolut haltlos. Unsere alten Zollgrenzen müssen unbedingt hergestellt und von deutschen Beamten besetzt werden. Die Deutschen im besetzten Ge⸗
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biete werden in unerhörter Weise von der sog. Rheinkontrolle schikaniert. Das muß so schnell wie möglich anders werden. Der hauptsächlichste Grund unserer schlechten Valuta ist aber das geringe Vertrauen, das das Ausland der jetzigen Regierung entgegenbringt. Eine Regierung, die an einem Tage etwas anordnet und am nächsten Tage widerruft, kann niemals Anspruch auf Vertrauen haben
Die Regierung scheint überhaupt nicht zu wissen, was sie will
Es muß unter allen Umständen mit den schär sten Maßnahmen gegen das Schiebertum vorgegangen werden. Es sind sogenannte Wucher⸗ gerichte vorgeschlagen worden. Es ist aber nötig, daß auch bestimmt ausgedrückt wird, ob der Export und der Import unter ihre Kompetenz
fallen ollen. Die Zeit der Experimente muß ein⸗ für allemal vor⸗
über sein. Die Strafen gegen das Schiebertum können nicht hoch
genug sein. Nach unserer Auffassung ist die Valuta ein Gradmesser
für die Wertschätzung unserer Regierung seitens des Auslandes. Däs
Wort „Nachgiebigkeit“ muß unbedingt aus dem Proaramm unferer
Regterung verschwinden. Um ein Steigen unserer Valuta zu er⸗
mög lichen, ist auch durchaus notwendig der schnelle Abbau der Zwangs⸗ wirtschaft und Aufrichtung der Selbstverwaltung der Landwirtschaft
unter Zusammenfassung aller organisatorischer Kräfte. Außerdem aber
sind Sicherheitsmaßnahmen zu treffen, zur Förderung unserer Interessen
auf dem Ernährungsgebiete.
Abgeordneter Christ ange (U. Soz.): Die gewissenlosen Ha⸗ lunken, die dem deutschen Volke die nötigsten Lebensmittel und das Getreide verschieben, das dann als sog. amerikanisches Getreide zu unerhörten Preisen hereinkommt, müssen auf das strengste als Vater⸗ landsverräter bestratt werden. Das Schiebertum selbst ist nicht eine Folge der Revolution, sondern hat schon während des Krieges be⸗ een Verschiedene Rittergutsbesitzer haben schon während des Krieges Getreide in großen Mengen verschoben. Auch wir haben stets Interesse für die Gendarmen und mittleren Beamten gezeigt und ihnen nach Kräften geholfen. Der Landwirtschaftsminister hat zwar erklärt, er habe alles getan, um Schiebungen durch die Be⸗ amten vorzubeugen, allein es hat nihts genutzt, das Schiebertum gerade unter den Beamten auf der Eisenbahn blüht außerordentlich. Es müßte, um dem Schiebertum energisch entgegenzutreten, auch den Arbeitern das Recht zum Eingreifen gegeben werden. Ich ersuche . Regierung, alles zu tun, um die Kohlennot und Kartoffelnot zu eseitigen. .
Abg. Held (D. Vp.): In der Verurteilung des Schiebertums stinme ich mit den Vorrednern überein. Mit Gemalt ist aber da⸗ gegen nichts zu erreichen. Sie können Gendarmen aufstellen, so viel Sie wollen. Man muß den Ursachen der Erscheinung nachgehen, man muß den Leuten nicht Veranlassung geben, Schleichhendel zu treiben oder sich seiner zu bedienen. Wenn Landwirte sich am Schleichhandel beteiligen. so deshalb, weil sie viel zu niedrige Preise für ihre Produkte erhalten. Auch die heutigen Getreidepreise sind relativ nicht höher als vor dem Kriege. Die Zwangswirtschaft muß auf Brotgetreide und Kartoffeln beschränkt im übrigen aber schleunigst aufgehoben werden; die Preise mussen aber den Produktionskosten entzprechend gesteigert werden. B⸗ssere Preise für die andwirtschaftlichen Produkte, und Besserung der Valuta, das sind die beiden einzigen Mittel die helfen können. Zur Hebdung der Valuta ist nötig, daß wieder gearb itet wird, daß die bisherige Unsicherheit aufhört, daß das Ausland nicht mehr vor unseren inneren Zuständen abschreckt. Dann wird es uns auch wieder Kredit geben. Hoffen wir, daß die Regierung die Er sicht hat mit sestem Entschluß an diese Aufgabe heranzugehen, daß sie dem bis⸗ herigen Hin⸗ und Herwackeln endlich den Abschied gibt.
Es folgt die Besprechung der dringenden förm⸗ lichen Anfrage der Deutschnationalen vom 2. Oktober, ob im Reich oder Staat Maßnahmen ergriffen sind, um die Not an Beleuchtungsmitteln zu lindern, und wie die A mit Leuchtmitteln, z. B. Petroleum, Kerzen, sind.
Abg. Fuchs (dnat.) legt eingehend dar, wie übergroß die Knapp heit an Beleuchtungsmitteln geworden ist.
Die Antwort des Regierungsvertreters ist auf der Berichterstattertribüne nur ganz undeutlich vernehmbar. Er scheint darauf hinzuweisen, daß Carbid und Kerzen für den Verkehr freige geben sind, daß in diesem Jahre die Leuchtmittelvertetlung im Oktober etwas später als im Vorjahre eingesetzt hat, sowie daß die Einfuhr von Petroleum aus Amerika Erleichterung schaffen werde, da die ersten 200 000 Tonnen schon unterwegs seien. 1
Abg. Siemen (Dem.): Unter der Leuchtmittelnot leidet ganz besonders die Landwirtschaft. Die Leute müssen schon um 6 Uhr zu Bett gehen und bis 7 Uhr schlafen, weil sie keine Beleuchtung haben. Es geht aber nicht an, erst morgens um ½ 8 Uhr das Vieh zu füttern und die Kühe zu melken und dasselbe abends vor 6 Uhr zu tun. Das Petroleum, das Landwirte, allerdings zum Preise von 34 ₰ für das Liter, erhalten, reicht nicht aus, und was sie im Schleichhandel an Petroleum zukaufen, müssen sie mit 2,50 bis 2,80 ℳ bezahlen. Auch der Handwerker ist in den Wintermonaten nicht imstande, seine Arbeiten in sieben bis acht Stunden am Tage fertigzustellen. Der Arbeiter, der abends heimkehrt, muß im Dunkeln sitzen. Den landwirtschaftlichen Betrieben ist allerdings ein Quantum Brennspiritus zur Verfügung gestellt worden zum Preise von 55 ₰ für das Liter. Aber es reicht auch nicht aus, und für das Quantum, das sie darüber hinaus beziehen, müssen sie 2,50 ℳ be⸗ zahlen, und dabei weiß man gar nicht, wohin dieser Mehrpreis gehr. Die Schiffer bekommen genug Petroleum, aber von so schlechter Qualität, daß die Lampen oft wieder ausgehen. Besonders in meinem Wahlkreis in Schleswig⸗Holstein sieht es mit den Beleuchtungsmitten sehr schlecht aus.
Abg. Bergmann (Zentr.): Auch in dem besetzten linksrheinitchen Gebiet fehlt es an Beleuchtungsmitteln. Die Stadt Aachen hat die Gasversorgung einstellen müssen. Die Alliierten haben in dem be⸗ setzten Gebiet die weneuropäische Zeit kih geühr. infolgedessen braucht man am Nachmittag schon eine Stunde früher künstliche Beleuchtung. Die Handelskammern des besetzten Gebiets haben bei den Belatzungs⸗ behörden beantragt, mit dem Inkrafttreten des Friedensvertrags die mitteleuropäische Zeit wieder einzuführen. Ich bitte die Regierung, diesen Antrag zu unterstützen. Die Ersatzmittel für Leuchtzwecke müssen mit Wucherpreisen bezahlt werden, die Kerzen bis zu 2,50 ℳ und das Petroleum zu 3 ℳ. Bei der Verteilung der Leuchtmittel darf das besetzte Gebiet nicht vergessen werden.
Abg. Lüdemann (Soz.): In bezug auf Leuchtmittel sind wir so gut wie vollständig auf das Ausland angewiesen. Jetzt sind wir von dem großen Petroleumgebiet vpollständig abgeschnitten. Die Pe⸗ troleumfelder in Oesterreich und Galizien sind in polnische Hände übergegangen. Wir haben zwar mit Polen einen Lieferungsvertrag abgeschlossen, werden aber noch lange auf diese Lieferung warten müssen, wegen der Schwierigkeiten der Eisenbahntransporte. Als Zufuhrgebiet bleibt also nur Amerika übrig. Hoffentlich werden wir ohne größere Verzögerung das in Aussicht stehende Petroleum erhalten. An der Raltionierung der Leuchtmittel muß unbedingt festgehalten werden, da die Preise sonst zu unerschwinglicher Höhe hinaufschnellen würden wie beim Leder, bei den Eiern usw. Eine ungerechte Bevorzugung der Großbetriebe muß vermieden werden. Wir müssen unsere Produktion auf allen Gebieten möglichst steigern, um immer mehr vom Auslande unabhängig zu werden. Auch die
ussichten für die Versorgung Carbid oder