Der Nationalrat setzte gestern seine Beralung über den Eintritt der Schweiz in den Völkerbund fört. Laut
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Bericht des „Wolfsschen Teleuraphenbücos“ trat der Bundesrat
Calonder m längeren Ausführungen für den Eintritt der Schweiz ein. Er sagte dabei:
Es wäre unzulässig, den Eintritt der Schweiz in den Völkerbund zu verweigern, weil gewisse Großmächte im Bunde vorherrschten. Der Anschluß der Schweiz würde keine Billigung der den besiensen Völkern auferlegten Friedensbedingungen darstellen. Der Völkerbund bilde den wirksamsten Schutz gezen einen neuen Krien, der den
Run Europas bedeuten würde. Calonder wandte sich entschieden gegen die Argumente der Gegner eines Eintritts der Schweiz in den Bund, insbesondere gegen diejenigen, die eine Schädigung der Wohl⸗ ahrt des Landes befürchteten. Er hob die großen Vorteile auf kommerziellem Gebiet hervor und erklärte, daß das Schweizer Volk nicht auf die Weltrevolution vertraue und die Bestrebungen der Sozialisten ablehne. Er zweifle nicht daran, daß der Augenblick kommen würde, wo die Zentralmächte ebenfalls zum Bunde zugelassen würden. Die Nautralität der Schweiz sei ausdrücklich garantiert worden. Die Regierung ersuche die Volks⸗ vertreter, in wohlverstandenem Interesse des Landes und der nationalen Einheit, sich für den Eintritt auszusprechen. 88
Türkei.
Nach Meldungen des „Wolffschen Telegraphenbüros“ ha die türkische Regierung einen Aus schuß unter dem Vorsitz de Generals Hurdhin Pascha in die Bezirke Brussa und Aldin, unter Leitungg des Generals Fewzi Pascha in die Bezirke Angora, Siwas und Erzerum entsandi, die über die all⸗ gemeine Lage berichten, die Wahlhandlung überwachen und
mit den verschiedenen örtlichen Führern der nationalistischen Bewegung über gewisse Fragen beraten sollen.
Asfien. MNiach einer Meldung der „Information“ aus London keilt ein amtlicher Bericht mit, daß zwei englische Offiziere in Turkestan von einer Bande von 100 Kurden ermordet wmworden seien, die Stadt Askra sei angegriffen worden und die Gendarmerie habe den Platz räumen lassen. Man nehme an, daß es sich um eine lokale Bewegung handelt.
Statistik und Volkswirtschaft.
Arbeitsstreitigkeiten.
Die „Frankfurter Zeitung! meldet aus Mainz, daß die Arbeiterschaft der chemischen Industrie im Lohngebiet von Mainz, Wiesbaden und Biebrich, insgesamt 2⁰000 Mann, wegen Nichtanerkennung des Reichstarifs gestern die Arbeit niedergelegt hat.
G Nach einer von „W. T. B.“ übermittelten Meldung der „New
Vert iresn werden die amerikanischen B Befehlen ihrer Führer gehorchen und, den einlaufenden Berichten zufolge, in den meisten Bergwerken Ende dieser Woche die Arbeit wieder aufnehmen.
Gesundheitswesen, Tierkraukheiten und Absperrungs⸗ maßregeln.
1 Im Kaiserin Auguste Viktoria⸗Haus zur Be⸗ kämpfung der Säuglingssterblichkeit im Deutschen ve e in Charlottenburg beginnt am 20. November 1919 ein Kurs für Mütter und Mädchen, in dem all das theoretisch 8 und praktisch gelehrt werden wird, was eine Frau von der Pflege und Ernährung des Säuglings wissen muß. Die Kurse umfassen 4 Stunden, jeweilig Donnerstags von 4 — ½6 Uhr. Die Einschreibe⸗ ebühr für den Gesamtkursus betzägt ℳ 10,—. Meldungen sind an das Büro des Kaiserin Auguste Viktoria⸗Hauses in Charlottenburg V, Frankstraße, zu richteen. v 9 6 8
Nachweisung über den Stand von Viehseuchen in Oesterreich am 29. Oktober 1919. (Auszug aus den amtlichen Wochenausweisen.)
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„Rotz 2 (2), Maul⸗ und Klauenseuche 303 (1934), Räude der Einhufer 654 (2046), Schweinepest (Schweineseuche) 82 (160), Rotlauf der Schweine 116 (202).
. Auberden Lungenseuche des Rindviehs in den Svperrgebieten Nr. 9 in 1 Gehöft und Nr. 12 in 1 Gemeinde, 8 Gehöften. Pockenseuche der Schafe und Beschälseuche der Zuchtpferde
nicht aufgetreten. 1 Berbehrswesen.
In Tüsseldorf hat das Deulsche Verkehrskommissariat, Düsseldorf, Telegrammadresse Deveko, seine Tätigkeit für Einreiseant äge in das von Engländern (3 Zone) und Belgiern
hesetzte Gebiet (4. Zone) seit einiger Zeit auf zjenommen. Die Einreisebestimmungen sind in je einem Merkblatt zu⸗ sammengefaßt, das vom Deutschen Verkehre kommissariat Düssel⸗ dorf Kaiser Wilhelmstraße 23) für sämtliche Behörden, be⸗ hördliche Ia Haudelstammern usw. kostenlos bezogen werden kann. 1 8
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8 dem Reschsverkehrsministerium wird dem „Wolffschen graphenbüco“ zufolge gem loet: Der 15. November ist letzte Dag der Personenzugsperre. Vom 16 ab werden auf samilichen dem öffentlichen Verkehr dienenden Haupt⸗ und Nebeneisenbahnen die im Interesse der Erhaltung des Wir schaftslebens undedingt notwendigen Personen⸗ und Schnellzüge wieder gefahren werden. Sollte die Durchführung dieses Verkehrs zu Schwerigkeiten in der Kartoffel⸗ und Kohlenversorgung führen, so müßte mit einer Wiederholung der völligen Personensperre gerechnet werden. Um diese Maß⸗ nahme nach Möglichkeit vermeiden zu können, ergeht erneut die dringende Mahnung, alle nicht unbediagt erforderliche Reisen vorläufig zu unterlassen.
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Land⸗ und Forstwirtschaft.
Washington, 8. November. (W. T. B.) Nuch dem Bericht des Ackerbaubüros der Vereinigten Staaten von Amerika wird der Ertrag der Maisernte auf 2 910 250 000 Bushels angegeben gegen 2 901 00 000 Bushels im Vormonat und 2 583 000 000 Bushels endgüttiges Ergebnis im Vorjahre. Die Qualstät des Mais schätzt man auf 89,1 vH gegen 85,6 vH im Vorjahre. Die Bestände alter Ernte in den Händen der Farmer werden auf 73 263 000 Bushels beziffert gegen 81 840 000 Bushels im letzten Jahre. Das Ernteergebnis von Leinsaat dürfte eine Höhe von 9 450 000 Bushels erreichen gegen ein endgültiges Er⸗ gebnis von 15 000 000 Bushels un Vorjahre. Die Durchschnitts⸗ gewichte von 1 Bushel Weizen, Hafer und Gerste werden auf 56,3 bezw. 31,1 und 45,2 Pfund angegeben gegen 58,8, 33,2 und 43,9 Pfund im Jahre 1918.
8 . 8 “ 11I 7 8 8 EEEEE111265 — Das Novemberheft der „Deutschen Rundschau“ be⸗ ginnt den Abdruck einer Novelle von Hermann Hesse „Kinderseele“. — Ein Bild Belgiens und der Einwirkung unserer militärischen
ehemalige Gouverneur von Antwerpen. — Der schwedische Geschichts⸗ sorscher Professor Oscar Montelius behandelt die Möglichkeit kultureller
mittags bis 8 Uhr Abends statt.
Besetzung entwirft General der Infanterie z. D. von Zwehl, der Kriegsgericht hat einen anges
aus Frankreich begonnen hat. Bei der großen Zahl der Heim⸗ zuschaffenden nimmt ja der Abtransport selbit bei glattem Verlauf längere Zeit in Anspruch. Ge dsendungen werden an den Aosender zurückgeschickt, wenn der Adressat inzwischen heimgeschickt sein sollte. Zetreffs der aus Kreisen der Angehörigen von Getangenen vielfach einlaufenden Klagen über die infolge der Verkehrseinschränkung vor⸗ übergehend eingeführten Paket’perre wird darauf hingewiesen, daß jegliche Paketsperre seit dem 8. November auf⸗ gehoben ist.
In der gestrigen Sitzung der Berliner Stadt⸗ verordneten erfolgte zunächst die Einführung der neu⸗ glewählten Stadträte in ihr Amt. Sodann beschäftigte sich die Versammlung mit einem von den beiden sozialbemokratischen Fraktionen eingebrachten Antrag, den Magistrat zu ersuchen, bei der Reichsregierung auf die schleunige Vorlegung eines Entwurfs zu einem Reichskommunalisierungsgesetz za dringen. Nach längeter Aussprache wurde der Antrag angenommen.
Der Verein für die Geschichte Berlins will seine wertvolle Bücherei öffentlich zugänglich machen. Er hat zu diesem Zweck einen Lesesaal im Deutschen Dom eingerichtet, der demnächst der Benutzung übergeben werden soll.
In der Treptower Sternwarte finden in den nächsten Tagen folgende Film⸗ und Lichtbilder orträge statt: Sonntag, Nach⸗ mittogs 3 Uhr: „Vom Monte Rosa zur afrikanischen Küste“, 5 Uhr: „Aus Großstadtmauern in den Schwarzwald“ (Neuer Vortrag), Abends Uhr: „An den Ufern des Rheins“; Dienslag, den 18 November, Abends 7 Uhr: „Milchstraße und Nebelgestirne“ (Vortrag mit Lichtbildern des Direktors Dr. Archen⸗ hold); Sonnabend, den 22. November, Nachmittags 5 Uhr: „Aus Großstadtmauern in den Schwarzwald“. — Beobachtungen mit dem
großen Fernrohr können tägl ch bei klarem Wetter von 2 Uhr Nach⸗
mittags dis 10 Uhr Abends vorgeaommen werden. Führungen durch das astronomische Museum finden in der Zeit von 2 Uhr Nach⸗
Düren, 13. November. (W. T. B.) Das hiesige britische ehenen Dürener Bürger
8 HC 8 2 2 2 7 zu sechs Monaten Gefängnis verurteilt, weil er in
seinem Hause die von einem allii rten Offizier bewohnten Zimmer
Beziehungen zwischen der alten und der neuen Welt vor ihrer
geschichtlichen Berührung. — Dr.⸗Ing. h. c. W. Beumer, General⸗ sekretär des Verbandes deutscher Eisenhüttenleute, weist auf die Zu⸗ kunft des deutschen Eisenhüttenwesens hin. — Die Veröffentlichung der Gespräche mit und über Bismarck aus der Zeit nach seiner Ent⸗ lassang aus dem Nachlaß Heinrichs von Poschinger wird fortgesetzt. — Dankbare Anerkennung verdient der rege Anteil, den der dänische
Professor Karl Larsen am besiegten Deutschland nimmt. Er kommt
zu dem Schsuß, daß der Militarismus in Deutschland zwar ver⸗ nichtet sei, doch nur um bei den Feinden mächtiger wieder zu er⸗ stehen. — Charlotte Westermann bringt Interessantes aus dem Leben des Staatsmanns Gentz in Wien (1803). — Die Briefe Kürnbergers an Heinrich Laube, die Otto Erich Deutsch beschließt, lassen uns einen Blick in das Ringen des Dramalikers um eine Bühnenauffüb⸗ rung tun. — Zu Mauthners 70. Geburtstag ergreift Theodor Kapp⸗ stein das Wort. — Die politische Rundschau nimmt zu den Fragen des Tages Stellung. — In der Literarischen Rundschau werden Neu⸗
erscheimungen gewürdigt. Literarische Notizen und das Verzeichnis der
eingegangenen Neuigkeiten beschließen das Hest.
Theater und Mufik.
Im Opernhause wird morgen an Seelle der ursprünglich angekündigten Vorstellung „Der Stier von Oltvera“ „Czrmen“ mit den Damen Schwarz, Engell, Sax, Birkenströgr und den Herren Schlusnus, Sommer, Henke, Bachmann, Habich in den Hauptrollen ge⸗ geben. Dirigent ist der Generalmusikdirektor Leo Blech. Anfang 6 ½ Uhr. — In dem au ßergewöhnlichen Mittagskonzert der Kapelle der Staatsoper am Sonntag im Opernhaus hat an Stelle des Heern Eugen d'Albert Herr Arthur Schnabel seine Mitwirkung gütigst zugesagt. Das Programm erfährt folgende Aenderun: Weber: Ouvertüre zu „Oberon“; Mozart: Klavierkonzert mit Orchester in A⸗Dur; Breethoven: Symphonie Eroica. Die Eintrittskarten behalten ihre Gültigtelt, können aber auch an den Ve kaufsstellen (Bote und Bock), am Sonn⸗ tag auch an der Kasse des Opernhaufes bis zum Beginn des Konzerts zurückgegeben werden. .
Im Schauspielhause wird morgen „Maria Stuart“ mit den DHamen Höflich, Straub und den Herren Clewing. Kraußneck, von Ledebur, Leffler, Korner in den Hauptrollen wiederholt. Spiel⸗ leiter ist Dr. Reinhard Bruck. Anfang 6 ½ Uhr.
Niddy Impekoven tritt im Deutschen Theater am
nächsten Sonntag zum letzten Male in einer Mittagsvolstellung auf. Die Tanzvorführung beginnt um 12 Uhr. Im Komödienhaus ist die Erstaufführung von Georg Reickes Lusspiel „Sie“ auf Sonnabend, den 22. d. M., angesetzt worden. In den Hauptrollen wirken die Damen Gläßner, Branden, Lehndorff, Marba, Seidel, Sauer und die Herren Schünzel. Haskel, Ekert, Botz, Sauter⸗Sarto, Jünger, Behmer, Scherzer, Zilzer, Stein und Scholz mit. Spielleiter ist Einst Welisch. Die Bühnenbilder sind nach Entwürfen von Rochus Gliese angefertigt.
In der Kaiser Wilhelm⸗Gedächtniskirche findet am Bußtag ein Konzert zum Besten der Gemeinde statt. Mitwirkende sind Erna Denera, Fritz Heitmann, der Kirchen⸗ chor und die Konzertvereinigung des Kirchenchors. . “
Mannigfaltiges.
Angehörige von deutschen Kriegsgefangenen, die aus amerikanischer Gefangenschaft (von franz. Boden), italienischer oder belgischer Gefangenschaf:
nicht zurückgekehrt sind, von denen aber mit Be⸗
heit angenommen wird, daß sie noch am Leben und nicht frei⸗
1 in den feindlichen Staaten verblieben sind, werden gebeten,
folgende Angaben an das Kriegsministerium (Abwicklung
U 7/5e, Schützenstraße 63), zu übersenden, damit Nachforschun en
angestellt werden können: Personalien, Regiment, Datum der Ge⸗ fangenschaft, letzter Aufenthalt und letzte Nachricht. (W. T. B.)
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Die Reichszentralstelle für Kriegs⸗ und Zivil⸗ gefangene teilt mit: Die in einigen Zeitungen veröffentlichte Nachricht, daß der erste Zug mit Kriegsgefangenen aus Frankreirch am 11. November in Essen eingetroffen ist und weitere Transporte unterwegs seien, trifft nicht zu. Auch die Havas⸗ meldung, wonach ein Transport deutscher Gefangener aus Javan angekommen sein soll, hat sich nicht bestätigt. Den Ange⸗
hörigen wird wied rholt angeraten, bezüglich der Gefangenenheimkehr
nur amtlichen Mitreilungen Glauben zuschenken, für deren rechtzeitige Veröffentlichung Sorge getragen ist. 8
Unter den deutschen Gefangenen in Frankreich wird darüber geklagt, Abtransportes die Angehörigen in der Absendung von Briefen und Paketen nachgelassen haben. Die Reichszentraistelle für Kriegs⸗ und Zivilgefangene weist zur Abstellung dieser Klage auf die große
daß anscheinend wegen des erwarteten
87 nicht genügend geheizt habe.
Hamburg, 13. November. (W. T. B) Der Altonaer Fischdampfer „Holstein“ ist beim Fäschen in der Nord⸗ see auf eine Mine gelaufen und in die Luft geflogen Von 12 Mann Besatzung wurden vier gerettet.
Wien, 13. November. (W T. B.) Da die Lebens⸗ mittelzufuhren kaum ausreichen, um die Brotzuteilung und die gekürzte Mehizuteilung zu decken, muß das Staatsamt für Volksernährung von Mitte November an die Abgabe
von Lebensmittelzubußen für Kinder einstellen,
welche im März d. J. infolge der Ententezufuhr eingeführt worden
waren.
Nieuwediep gelandet.
1
Stuart.
plätze
dezugsvorstellung. Dienst⸗ und Freiplätze sind aufgehoben.
Postverbindung mit der
für die Gefangenen hat. Die Weiterabsendung von Briefen,
bekanntgegeben werden sollte, daß der Abtransport
Pa und Geldsen ungen an die Gefangenen bleibt dringend er⸗ wünscht, auch wenn
London, 13. November. (W. T. B.) Laut Havasmeldung haben einige Offiziere der deutschen Marine, die an der Versenkung der deutschen Flotte in Scapa Flow aktiv be⸗ teiligt waren, einen Fluchtversuch aus dem Lager bei Leeds unternommen, in dem sie interniert waren. Sie haben einen unter⸗ irdischen Gang hergestellt, der aber infolge falscher Berechnung oußer⸗ halb der Um äunung an einer Stelle mündete, wo die Schild⸗ wache stand. Diese vereitelte den Fluchtversuch.
Marseille, 13. November. (W. T. B) Eine heftige Feuersbrunst ist im Opernhause von Marseille aus⸗ gebrochen. 1 —
Amsterdam, 13. November. (W. T. B.) Das amerika⸗ nische Schiff⸗Consul Bruß ist nördlich von Terschelling auf eine Mine gelaufen. 38 Schiffbrüchige wurden in
(Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten Beilage.
Opernhaus. (Unter den Linden.) Sonnabend: 256. Dauer⸗ bezugsvorstellung. Dienst⸗ und Freiplätze sind aufgehoben. Carmen. Oper in vier Akten von Georges Bizet. Tert von Henry Meilhac
und Ludovic Halévy nach einer Novelle des Prosper Merimée.
Musikalische Leitung: Generalmusikdirektor Leo Blech. Spielleitung: Karl Holy. Ballettleitung: Emil Graeb. Anfang 6 ½ Uhr.
Schauspielhaus. (Am Gendarmenmarkt.) Sonnab.: 249. Dauer⸗ bezugsvorstelltung. Dienst⸗ und Freiplätze sind aufgehoben. Maria Trauerspiel in fünf Aufz igen von Friedrich Schiller. Spielleitung: Dr. Reinhard Bruck. Anfang 6 ½ Uhr.
Sonntag: Opernhaus. 237. Dauerbezugsvorstellung. und Freiplätze sind aufgehoben. Ariadne auf Naxos. einem Aufzuge nebst einem Vorspiel thal. (Neue Bearbeitung.) 7 Uhr. b 8
Schauspielhaus. Nachmittags: 11. Kartenreservesatz. Der Dauerbezug, die ständig vorbehaltenen sowie die Dienst⸗ und Frei⸗ sind aufgehoben. 15. Volksvorstellung zu ermäßigten
Gespenster. Anfang 2 Uhr. — Abends: 230. Dauer⸗ Die Journalisten. Lustspiel in vier Aufzügen von Gustav Freytag. Spielleitung: Albert Patry. Anfang 7 Uhr. stav Freytag
Dienst⸗ Ovber in von Hugo von Hofmanns⸗ Musik von Richard Strauß. Anfang
Preisen:
6 Familiennachrichten.
Verehelicht: Hr. Generalmasor Hermann von Doetinchem de Rande mit Frau Fea verw. Modes, geb. Marquardt (Schwerin t. M.). — Hr. Rittameister Siegfried Frhr. von Mirbach mit Frau Olga verw. von Brandenstein, geb. von Bary (Potsdam). Gestorbe n.: Hr. Oberzeremonienmeister Karl von Eschel (Woimar). srude Rechtsanwalt und Notar Dr. Clemens Schlüter (Reichen⸗
n). 88 3
Verantwortlicher Schriftleiter: Direktor Dr. Tyrol. Charlottenburg. Verantwortlich für den Anzeigenteil: Der Vorsteher der Geschäftsf 8 Rechnungsrat Mengerina in Berlin. Verlag der Geschäftsstelle Mengerinc) in Betlin. Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und lich Börsenbeilage und Warenzeichenbeilage Nr. 58 A und
und Erste, Zweite und Dritte Zentral⸗Handelsregister⸗Zeilage,
RNarr Verlagsanstalt
Erste Beilage eichsa
Berlin, Freitag, den 14. November
—
80. Sitzung vom 13. November 1919. (Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverl
Am Regierungstisch: Hirsch, Dr. Südekum.
Präsident Leinert eröffnet die Sitzung um 12 ¼ Uhr.
Die Verordnungüber die Verlängerung der Amtsdauer der Handelskammermitglieder vom 30. September 1918 wird auf Antrag des Handelsaus⸗ schusses genehmigt und der Antrag der U. Soz. wegen als⸗ baldiger Vorlage eines Gesetzentwurfs über die Neuordnung der Handelskammern auf Grund eines neuen Wahlverfahrens durch die Erklärung des Handelsministers für erledigt erklärt.
Es folgt die zweite und d itte Beratung der Gesetzenwürfe über weitere Beihilfen zu Kriegswohlfahrtsausgaben der Gemeinden und Gemeindeverbände sowie zur Verbilli⸗ gung von Lebensmitteln und zur Unter⸗ stützung öffentlicher Notstandsarbeiten.
Der Gemeindeausschuß beantragt die unveränderte Annahme beider Vorlagen, durch welche weitere Kredite von 550 und 215 Millionen Mark zu den genannten Zwecken zur Verfügung gestellt werden. Außer⸗ dem beantragt der Ausschuß: 1 “ 11) die Regierung zu ersuchen, der Landesversammlung mit größter Beschleunigung eine Gesetzesvorlage über weitere Beihilfen zu den Kriegswohlfahrtsausgaben der Gemeinden und Gemeindeverbände zu unterbreit.n, 2) die Regierung zu ersuchen, auf die Reichsregierung einzuwirken, mit allergrößter Beschleunigung den Gemeinden und Ge⸗ meindeverbänden die von ühnen zu Familiemunterstützungen und Kriegs⸗ wohlfahrtszwecken vorschußweise für das Reich Sere ten Gelder samt Tilgungs⸗ und Verzinsungskosten zurückzuerstatten. Die Bittschrift des deutschen Städtetages wegen Rückerstattung der Kriegsfamilienunter⸗ stützungen nebst Zinsen soll der Regierung zur Berücksichtigung über⸗ wiesen werden.
Abg. Dr. Weyl (UI. Soz.): Durch beide Vorlagen werden eigent⸗ liche Beihilfen für Kriegswohlfahrtsausgaben den Gemeinden und Ge⸗ meindeverbänden nicht zur Verfügung gestellt, es handelt sich hier viel⸗ mehv in der Hauptsache nur um Kredite zur Verbilligung von Lebens⸗ mitteln und zur Unterstützung von Notstandsarbeiten. Der Ausschuß⸗ antrag ist daher nur zu bexechtigt. Die Finanzeage der Gemeinden ist außerordentlich traurig. Berlin hat allein für die Flüssigmachung der Familienunterstützungen seit August 1914 63 Millionen ausge⸗ geben. Die Gemeindeschulden haben vam 1. August 1919 bereits die Höhe von 22 Milliarden erreicht. Die „Kommunale Praxis“, die der jetzige Finanzminister herausgibt, hat mitgeteilt, daß die Gemeinde Steglitz, um ein Darlehn aufzun hmen, ihr Rathaus und ihr Elektri⸗ aätätswerk hat verpfänden müssen. (Hörtl hört!) Wenn das Erzbergersche Finanzprogramm, gegen welches neuerdings die preußische Regierung durch den Mund des Ministers Heine so scharf aufgetreten ist, vom 1. Apri. 1920 ab durchgeführt werden sollte, ist es mit der Finanz⸗ hohkit der Gemeinden aus. Die Gemeinden müssen vorher ihre finanziellen Ansprüche rechtzeitig anmelden. Wir können die Regierung mur bitten, auf die Reichsregierung einen starken Duuck aus⸗ zuüben, damit das Reich dieser moralischen Verpflichtung nachkommt.
Abg. Stieler (3.;ntr.): Wir sind mit den Vorlagen und mit den vom Ausschuß beantragten Entschließungen einverstanden. Schon haben mehrere Gemeinden erklärt, wenn das Reich nicht mehr zahle, würden sie auch nicht mehr zahlen. Auf irgend ine Weise muß der Finanznot der Gemeinden abgeholfen werden. Die Regierung möge auch beim Reiche dahin wirken, daß die Familienunte tützungen er⸗ höht werden. Viele Gemeinden sind damit bereits mit gutem Beispiel vorangegangen. Die. Rückerstattung muß bis zum 1. April 1920 erfolgen, wo die Finanzhoheit der Gemeinden im wesentlichen auf das Reich übergeht. Die Vernichtung der Selbstverwaltung der G meinden hat sich noch übervall im Laufe der Entwicklung immer gerächt
Abg. Bruns (Soz): Auch wir wünschen, daß die Gemeinden von der Regierung angewiesen werden, die Unterstützung für die An⸗ gehörigen der Kriegsgefangenen zu erhöhen, und die Anträge der Aus⸗ schüsse angenommen werden. Das Reich muß die übernommenen Ver⸗ pflichtungen auch erfüllen.
Abg. Dallmer (D. Nat.): Den Gemeinden dürfen nicht neue Ausgaben auferlegt werden, die sie finanziell nicht erfüllen können,
mal sie schon durch die Kosten für Notstandsarbeiten sehr belastet sns üundert Jahre haben ostpreußische Städte wie Königsberg ge⸗ macht, um die Kriegslasten aus den Jahren 1806—14 abzutragen. (Zurufe.)
Finanzminister Dr. Südekum: Meine Damen und Herren! Ein paar Bemerkungen zu den Ausführungen der Herren Redner seien mir gestattet. —
Der Umstand, daß die beiden Gesetzentwürfe dieselbe Ueberschrift tragen, geht darauf zurück, daß die Gelder in einem Posten bei der Generalstaatskasse abgerechnet werden, und daß aus Zweckmäßigkeits⸗ gründen bei den Zahlungsanweisungen dieselbe Formel gewählt wird. Das zu dem Formalen.
Was das Sachliche anlangt, so erkenne ich die Notlage der Ge⸗ meinden vollkommen an und bin dauernd bestrebt gewesen, soweit das an mir und der preußischen Finanzverwaltung lag, den Verpflichtungen, die der Staat übernommen hatte, auch nachzukommen. Wenn das nicht in allen Fällen gleichmäßig hat geschehen können, so wollen Sie dabei berücksichtigen, daß, soweit die preußische Verwaltung in Frage kommt, in erster Linie Rücksicht genommen werden mußte auf die Gemeinden, die in den abzutretenden oder den Abstimmungsgebieten liegen, daß für diese Gemeinden vorzugsweise gesorgt werden mußte, daß wir sie nicht auf der ungeheuren Schuldenlast sitzen lassen durften, die sie im Ver⸗ trauen auf den Bestand des Deutschen Reichs und des Preußischen Staats haben aufnehmen müssen, wird, glaube ich, nicht nur Ihr Ver⸗ ständnis, sondern auch Ihre volle Billigung finden. Dadurch sind die uns zur Verfügung stehenden Mittel zu einem großen Teil längere Zeit hindurch voll in Anspruch genommen gewesen, so daß wir in anderen Stellen wieder etwas Zurückhaltung üben mußten. Ich hoffe, jetzt wieder in die Lage zu kommen, nunmehr auch andere Gebiete des preußischen Staates besser berücksichtigen zu können und stehe dauernd in Verhandlungen mit der Reichsfinanzverwaltung, damit auch in der Rückzahlung der Vorschüsse, die die Gemeinden für Rechnung des Reichs geleistet haben, rascher gearbeitet wird, als es bisher zu meinem
Bedauern wahrscheinlich auch aus Rücksicht auf die finanzielle Lage des
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Reichs, hat geschehen können. 5* 8 .h. Mit Ausnahme der Reden die
te wiedergegeben werden. 8
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Es ist richtig, daß durch den Uebergang der Finanzhoheit von den Ländern auf das Reich auch die Finanzhoheit der Gemeinden sehr stark berührt wird. Ich habe diese Gefahr vorausgesehen und habe ihr nach Möglichkeit vorzubeugen versucht. Ich habe in einem nicht immer von unangenehmen Zwischenfällen freien Kampf in Weimar durchaesetzt, daß in dem Reichsabgabengesetz der bekannte § 46 auch zu einer Siche⸗ rung der Gemeinden ausgebaut wurde. Vorläufig steht dieser § 46 der Reichsabgabenordnung allerdings nur auf dem Papier. Er verlangt nunmehr seine Ueberführung in die Praxis, und die wird nicht leicht sein. Inzwischen hat die Reichsfinanzverwaltung uns einen vorläufig vertraulichen Entwurf einer Landesabgabenordnung zugehen lassen, der tief auch in die Finanzverhältnisse der Gemeinden eingreift (hört, hört!), gegen den ich sehr erhebliche Vorstellungen erhoben habe, zu⸗ nächst vom Ressortstandpunkt aus (erneutes hört, hört!), wie ich an⸗ nehmen darf, demnächst im Einverständnis mit der gesamten preußi⸗ schen Regierung, der diese Dinge alsbald vorgelegt werden, und wobei ich der Unterstützung, wie ich heute zu meiner Freude gesehen habe, aller Parteien dieses Hauses der Tendenz nach sicher sein kann. (Sehr richtig!) In diesem Hohen Hause sind alle Parteien einer Meinung, daß die finanzielle Zukunft der deutschen Gemeinden nicht leichthin der Entscheidung einer weit von uns abliegenden Instanz anvertraut werden darf (sehr richtig!), das heißt, daß wir sie nicht in die Hände der Reichsfinanzverwaltung legen dürfen. (Sehr richtig!)
Herr Abgeordneter Dallmer hat gesagt, es könne einem „opu⸗ lenten“ Reichsfinanzministen vielleicht einmal einfallen, den Ge⸗
meinden allerhand Aufgaben aufzuzwingen, die sie bei dem Mangel
gegenüber Quellen eigener Finanzkraft in den Abgrund treiben würden. Dem ist durch den auf unsere Veranlassung geschaffenen § 46 der Reichsabgabenordnung vorgebeugt worden, wonach das Reich, wenn es den Ländern und damit auch im weiteren Verlauf den Gemeinden neue Aufgaben auferlegt, verpflichtet ist, die daraus erwachsenden Kosten ebenfalls zu ersetzen.
Es sind dann noch Einzelheiten vorgebracht worden, wie die, wenn ich Herrn Abgeordneten Dr. Weyl richtig verstanden habe, daß ein Ersatz auch der Unkosten, die aus der Vorschußzahlung erwachsen sind, ins Auge gefaßt werden soll. (Abgeordneter Dr. Weyl: Jawohl!) Ich stehe ebenfalls auf dem Standpunkt, daß, wenn eine Gemeinde für Zinsen und Diskonten so hohe Ausgaben — in Berlin z. B. über 60 Millionen Mark in den fünf Jahren — hat machen müssen, sie auch einen legitimen Anspruch darauf hat, daß diese als zu den Kriegs⸗ kosten gehörig mindestens anteilig vom Reiche getragen werden. (Sehr richtig!) Ich werde nicht verfehlen, in dieser Richtung auf die Reichs⸗ regierung einzuwirken.
Herr Abgeordneter Dallmer hat dann gesagt, daß ostpreußische Städte, wie Königsberg, 100 Jahre gebraucht haben, um die Kriegs⸗ lasten aus den Jahren 1806 bis 1814 abzutragen. Durch Zwischen⸗ rufe aus dem Hause ist darauf aufmerksam gemacht worden, daß das nicht allein ostpreußischen Städten, sondern auch Städten im Innern Preußens so ergangen ist. Die Versicherung gebe ich Ihnen, verehrte Anwesende: wenn der Friedensvertrag mit seinen finanziellen Be⸗ lastungen nicht geändert wird, so werden unsere Gemeinden von jetzt ab tausend Jahre gebrauchen, um diese Lasten abzutragen. (Hört, hört! — Sehr richtig!)
Die Gesetzentwürfe werden in zweiter und dritter Lesung angenommen. Es folgt die Beratung der Mitteilung der Staatsregierung über die Behandlung der Arbeiterlohnfragen bei der Staatseisenbahnverwaltung.
Ein Antrag auf Ueberweisung an den Staatshaushalts⸗ ausschuß wird angenommen.
Es folgt die Beratung des dringenden Antrages der Abgg. von Kessel (D. Nat.) und Genossen, be⸗ treffend die Bergung der Hackfrüchte. Der Antrag besagt:
Das frühzeitig eintretende Wintenwetter hat bereits unermeßbar große Mengen von Kartoffeln, Futterrüben und Wruken vernichet, das weitere Herausnehmen derselben sowie der Zuckerrüben unmöglich gemacht und einen Teil der Zuckerfabriken stillgelegt. Die Staats⸗ vegierung wird aufgefordert, Maßregeln zu ergreifen, um die für die e eintretenden schweren Schäden nach Möglichkeit zu mildern, indem sie a, durch vorübergehende Heraufsetzung der Arbeits⸗ zert das beschleunigte Herausnehmen der genannten Früchte bei ein⸗ tretendem Tauwetter erleichtert, b. den Abtranskort derselben durch
mnügende Gestellung von Eisenbahnwagen ermöglicht, c. die sofortige
Verarbeitung der angefrorenen Kartoffeln in Trockenfabriken, welche
ebenso wie die Zuckerfabriken und Bvennexreien schleunigst in ver⸗ stärktem Maße mit Kohlen zu beliefern sind, sowie in Dampfapparaten der Einzelwirtschaften zur Schweinefütterung sicherstellt.
Abg. von Kesssel (D. Nat.): Wär bedauern, daß dieser Antrag erst jo spät zur Beratung gestellt wird. Das beweist, daß der Ernst der Lage immer noch nicht genügend erkannt wird. (Sehr richtig! rechts) Auch bedauern wir, daß der Landwirtschaftsminister nicht der Beratung beiwohnt. (Hört, hört! rechts.) In einer kürzlich veröffent⸗ lichten Aeußerung der Regierung wird allerdings gesagt, daß noch Aussicht vorhanden sei, die Hackfruchternte restlos zu bergen. (Rufe: Unerhört!) Eine merkwürdigere Mitteilung eines Ministeriums habe ich noch nicht gelesen. Die Verhältnisse liegen gerade umgekehrt. (Der Landwirtschaftsminister erscheint.) Inzwischen ist der Frost eingetreten. Zur Aufklärung derjenigen Abgeordneten, die von der Landwirtschaft nichts verstehen — ihre Zahl ist leider jetzt erheblich größer als früher —, sei gesagt, daß mindestens 15 % der Kartoffeln vernichtet oder so verdorben fen. daß sie sich für die menschliche Ernährung nicht mehr eignen. Wir hatten vor dem Kriege eine Kartoffelernte von 43 Millionen Tonnen durchschnittlich, 1913 war eine Rekordernte von 54 Millionen Tonnen, 1916 bis 18 aing der Durchschnitt zurück auf 29,4 Millionen und jetzt wird die Ernte auf 27 Millionen Tonnen geschätzt. Rechnet man davon 15 ab, so bedeutet das eine Ernte von nur 460 Millionen Zentnern Kartoffel. Damit ist es aus⸗ geschlossen, daß pro Kopf der Bevölkevung wöchentlich 7 Pfund Kar⸗ toffeln kommen, mehr als 6 Pfund werden es nicht werden. Was die Futterrüben betrifft, so ist bei ihnen ein verhältnismäßig kleinerer Teil angefroren. Die angefrorenen Rüben vexlieren die Hälfte des Nährwertes. Am schlimmsten ist die Katastrophe bei den Zuckerrüben, hiervon steckt etwa noch ein Drittel oder mehr im Boden. Im vorigen Jahre hatten wir 25 Millionen Doppelzentner Zuckerrüben, heute nur 8 bis 9 Millionen. Entsprechend ist das Preisverhältnis. Inlands⸗ zucker kostet 1 ℳ das Pfund, Auslandszucker 10 bis 11 ℳ. Ueberaus bedenklich ist es, daß ein großer Teil der Feeer infolge der Wetterlage zum Stillstand gekommen ist un die Arbeit wieder
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nzeiger und Preußischen Staatsanzeiger.
einsetzen kann, weiß kein Mensch. Die Halmfruchternte hat sich ver⸗ spätet, infolgedessen mußte die Herbstbestellung hinausgeschoben werden und während derselben war an die Hackfruchternte nicht zu denken. Dann sprechen die Arbeitewerhältnisse mit, die stellenweise eingetretenen Streiks zähle ich nicht, wohl aber hatte die verkürzte Arbeitszeit be⸗ denkliche Wirkungen. Rechnet man für die 150 Sommertage zwei Stunden Arbeitszeit weniger, so bedeutet das eine Verminderung der Sommerarbeit um etwa einen Monat, die Kartoffeln, die Anfang Okto⸗ ber geerntet sein sollten, waren noch nicht Anfang November aus der Erde. Angesichts dieser Katastrophe müssen wir uns zusammenfinden, um zu retten, was zu retten ist. Der schlesische Reichskommissar Hörsing glaubt den Mißstand durch eine Verordnung abhelfen zu können, durch die die Landwirte verpflichtet werden, alle Maßnahmen 8 Einbringung der Hackfruchternte zu treffen. Eine merkwürdige terordnung! Sie kann nur ein Lächeln verursachen. Dann könnte man uns allen vorschreiben, soviel zu essen, daß wir nicht verhungern. Die Arbeitslosen können da nicht helfen, sollen sie bei dem kalten, nassen Wetter auf dem Lande arbeiten, so gehen sie sehr bald wieder in die Großstadt zurück. Die meisten Betriebe können mehr Arbeiter auch nicht unterbringen, helfen kann nur eine vorübergehende Herauf⸗ setzung der Arbeitszeit. Wenn der Landwirtschaftsminister für die Arbeitnehmer derartige Verordnungen herausgeben möchte, wie er es den pommerschen Arbeitgebern gegenüber getan hat, so wäre uns ge⸗ holfen. (Sehr gut! rechts.) Das will ich aber nicht einmal verlangen. Er mag auf die Gewerkschaftssekretäre dahin einwirken, daß sie die Landarbeiter, die volles Verständnis für das haben, was dem Lande nötig ist, nicht hindern, länger zu arbeiten. Die Transportschwierig⸗ keiten, die durch die, Ablieferung der Wagen an die Entente und durch die Streiks in den Eisenbahnwerkstätten entstanden sind, kennen wir. Nach einem Gerücht befinden sich aber heute 10 % aller Eisenbahn⸗ wagen in den Händen der Schieher. Da ist eine energische Kontrolle unbedingt notwendig. Für die sofortige Verarbeitung der angefrorenen Kartoffeln durch Trocknung und Brennen müssen die nötigen Kohlen⸗ mengen zur Verfügung gestellt werden. Alle Differenzen zwischen Reichskohlenkommissar, Eisenbahnminister und Handelsminister müssen hintangestellt werden. Bei eintretendem Tauwetter dürfen die Kar⸗ toffeln nicht länger als 24 bis 48 Stunden lagern. Einige Groß⸗ städte und Industriezentren haben sich zur Behebung der Ernährungs⸗ schwierigkeiten zum gemeinsamen Kartoffelankauf zusammengeschlossen, wir haben da also den legalisierten, geordneten Schleichhandel. Die Aufrechterhaltung der Zwangswirtschaft für Brotgetreide ist unbedingt nötig, auch die Zwangswirtschaft bei den Kartoffeln kann nur allmählich abgebaut werden. Auf diese Weise aber ist die ganze Zwangswirt⸗ schaft am Ende. Zwangswirtschaft für Zuckerrüben äist der größte Unsinn. Ich möchte wünschen, daß die Zahl der in dieses Haus gewählten Landwirte wieder größer werde, damit die für die Allge⸗ meinheit so außerordentlich wichtigen landwirtschaftlichen Dinge das richtige Verständnis finden. Dann werden wir auch wieder besser vertreten werden. Das würde auch im Interesse der Besserstellung unserer Valuta liegen. Bedenken Sie, wie die Verhältnisse in Oester⸗ reich gelagert sind. Nach den letzten Nachrichten gibt es nichts fürchterlicheres. Die gebärenden Frauen sind so schwach, daß ihre Kinder gleich nach der Geburt sterben, die Zimmer, in denen die Kinder zur Welt kommen, sind nicht über 11 Grad Celsius zu er⸗ wärmen. Haben Sie Mitleid mit diesen Leuten und sorgen Sie dafür, daß bei uns nicht ähnliche Zustände eintreten. Wir können es verhindern, wenn die Produktion der Landwirtschaft in jeder nur denkbaren Weise gehoben wird. (Lebhafter Beifall rechts.)
Abg. Schmidt⸗Cöpenick (Soz.): Wir können dem Antrage zu⸗ stimmen, bis auf die Verlängeruna der Arbeitszeit. Die Arbeit hann auch ohne Ueberstunden geleistet werden. Die Ausführungen des Ab⸗ geordneten von Kessel sind ebenso allgemeine Behauptungen, wie sie in der „Deutschen Tageszeitung“ stehen. Wenn es an Transportmitteln fehlt, so weise ich darauf hin, daß in den Reparaturwerkstätten an den Lokomotiven nur gerade die Reparaturen ausgeführt werden dürfen, die bei der Einlieferung auf den Reparaturzetteln vermerkt sind, selbst wenn sich herausstellt, daß noch andere Revaraturen an derselben Ma⸗ schine notwendig sind. Dann kommt es vor, daß nach wenigen Tagen dieselbe Maschine wieder in die Werkstätte gebracht wird. Diese Art von Bürokratie sollte endlich ausgeräumt werden. Es ist uns schon oft prophezeit worden, daß unsere Bevölkerung verbungern würde. Aber wir haben, wenn es auch traurig aussieht, doch keinen Anlaß, schwarz in schwarz zu malen und die Bevölkerung zu beunruhigen. In Wirk⸗ lichkeit ist der Antraa aus anderen Gründen gestellt worden. Die Deutsche Tageszeitung“ sagt ja, daß reichliche Lebensmittel vorhanden
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sein würden, wenn die Zwanaswirtschaft aufgehoben würde. Für einen
allmählichen Abbau der Zwangswirtschaft würden wir auch mit uns reden lassen. Aber es darf nicht zur Hetze ausaenutzt werden. Die Nachrichten der „Deutschen Tageszeitung“ über das Erfrieren der Kar⸗ toffeln sind übertrieben. Selbstverständlich wollen wir auch. daß alles getan wird, um die draußen stehenden Feldfrüchte zu sichern, und den Landarbeitern braucht man nicht erst zu sagen, daß sie das ihrige dazu tun müssen. Aber die Rüben sind auch früber wähvend des Frostes transportiert worden, ohne zu verderben. Man will nur die Land⸗ arbeiter länger beschäftigen, weil man überhaupt die alten Arbeits⸗ verhältnisse wie vor dem Kriege zurvück haben möchte. Die Landwirte haben aber während des Krieges nicht die Hand geboten, die Arbeier⸗ verhältnisse zu bessern. Jetzt wollen sie den Landarbeitern die Rechte nehmen, die sie erworben haben. Darum kann man fragen, ob der Antrag ehrlich gemeint ist. Nach einer Reihe von Berichten haben die Landwirte das gute Wetter nicht benutzt, um die Kartoffeln heraus⸗ zunehmen. Viele Lebensmittel hat der Großgrundbesitz versteckt und nun soll der Frost daran schuld sein, wenn sie nicht herauskommen. Als im Kreise Hanau die Bauern sahen, daß fest zugegriffen wurde, waren mit einem Male große Mengen von Lebensmitteln vorhanden. In der Deutschen Tageszeitung“ wurden heute wieder die beiden Heiligen Roesicke und Wangenheim angerufen; das geschieht immer, wenn das Volk in Not ist. Mir ist berichtet worden, daß auf einem Gut in Pommern große Mengen von Kohle und Koks verborgen liegen, der Gutsbesitzer aber sagt, er könne nicht dreschen, weil er keine Kohle habe, daß er gber soaar noch von der vorigen Ernte 200 Zentner Rpagen zu iegen habe. Dieser Besitzer ist der Freiberr von Wangenheim. (Hört, hört! Uinks.) Da müßte eine kräftige Kontrolle einsetzen. Die Löhne der Landarbeiter sind noch immer viel zu niedrig. Es sind Ver⸗ trauensleute, äußerst tüchtige Landarbeiter, gemaßregelt worden und dafür polnische. Arbeiter eingestellt worden. Die Herren Landwirte nehmen natürlich lieber nichtorganisierte polnische Arbeiter, die nicht der deutschen Sprache mäcktig sind, anstatt deutsche Arbeiter. Sie sind ja dann auch in der Lage, diesen Leuten genau so gegenüber zu treten, wie sie es in früheren Zeiten so schön getan haben. Jetzt soll auf ein⸗ mal die Verkürzung der Arbeitszeit die Schuld davan haben, daß unsere Ernte nicht rechtzeitia hereinkommen kann. Eine Verlängerung der Arbeitszeit ist schon aus praktischen Gründen ungerechtfertigt. Im übrigen baben sich sehr viele Landarbeiter bereit erklärt, im Interesse des deutschen Volkes Ueberstunden zu machen. Ich habe hier ene Aufstellung über die Arbeitszeit der ländl’chen Arbeiter. Aus dieser geht hewor, daß der ländliche Arbeiter ungefähr 460 bis 500 Stunden im Laufe des Jahres mehr arbeitet, als der gewerbliche Arbeitter, Auf
die Streiks näher einzugehen, verzichte ich, da die Anzahl der Lländsächen 6
Streiks ohne jede Bedeutung für die Ernte gewesen ist. Daß Ihnen (nach rechts) die Tätigkeit der Gewerkschaftssekretäre sohr unangenebm ist, verstehe ich. Doch ist diesen Lemten in erster Linie zu verdanken, wenn nur geringe Streiks äàn der Landwirtschaft ausochre⸗ A manchen Stellen ist die durch den Tarif fei
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