muß es immer und immer wieder wiederholt werden, und zwar auch von einer Vielheit von Aerzten, die völlig unabhängig voneinander arbeiten. Es ist immer im Auge zu behalten, daß nicht das Mittel beilt, sondern der Arzt. In der medizinischen Literatur stoßen wir auf Beispiele genug, daß Heilmittel mit der größten Begeisterung aufgenommen und angepriesen wurden, die sich nachher nur sjehr be⸗ dedingt als solche oder sogar als völlige Versager herausgestellt haben. Andererseits sind zahlreiche Fälle überraschender Heilwirkung ein⸗ wandsfret konstantiert. Der Minister ist mit großem Eifer für das Friedmannsche Mittel eingetreten. Die Medizinalabteilung hat sich ziemlich zurückhallend geäaußert; früher ist sie freilich noch zurückaltender vielleicht zu zurückhallend gewesen. Aber dieser Nachteil ist ja durch die für das Mittel betriebene Reklame nehr als wertgemacht worden. Immerhin kann es auffällig erscheinen, daß trotz aller dieser Reklame es nicht gelungen ist, das Mittel in Amerita zur allgemeinen Anerkennung zu bringen. Ein gewisses Mißtrauen ist deshalb unvermeidlich, und es kann auch nicht dadusch beseitigt werden, wenn der Sjaat vor den Reklame⸗ wagen vorgespannt wird; die Beseitigung ist vielmehr nur möglich durch eine ernste und gewissenhafte Prüfung, die alsbald in Angriff genommen werden muß. Fällt des Ergebnis dieser Prüfung so aus, wie es heute die Freunde des Professor Friedmann ais sicher annehmen, dann werden wir alle gern bereit sein, in ihm einen Wohl⸗ täter der Menschheit zu sehen, und werden ihm auch die Professur von Herzen gerne gönn n. Aber vor der Prüfung die Autorität des Staates für das Mittel einzusetzen, daran sollte jeden Minister sein Verantwortlichkeitsgefühl hindern. (Beifall rechts.)
Abg. Dr., Faßbender (Zentrum): Die Person des Herrn Friedmann scheidet für mich volltommen aus; für mich ist allein ausschlaggebend das Mittel als solches. Eine solche Frage zu lösen, ist aber hier nicht das geeignete Forum; über diese Frage haben allein die Sachverständigen zu entscheiden. Bei der Wichtigkeit dieser Frage haben wir als Volksvertreter die große Pflicht, darauf zu drängen, daß möglichst schleunig eine Klärung in der Angelegenheit herbeigeführt wird. Auch in der Anwendungsform des Mittels gehen die Meinungen auseinander. Es muß aber unbedingt davor gewarnt werden, auf den Volksgeist dahin einzuwirken, als ob mit Hilfe einer einzigen Einspritzung dieser Mittel eine Heilung der Tuberkulose unbedingt herbeigeführt würde. Es wäre schon außerordentlich segensreich, wenn mit diesem Friedmannschen Mittel eine einzige Form der Tuberkulose, deren es bekanntlich drei gibt, geheilt werden könnte. Ein Mittel zur Heilung aller drei Formen zu finden, ist wohl ein Ding der Unmöglichkeit. Die Aeußerungen in der Presse bezüglich des Friedmannschen Mittels sind sehr verschiedenartig und sollten etwas mehr zurückbhaltend sein. Auch das Salvarsan hat nach einer zehnjährigen Anwendung immer noch nicht klar ergeben, welche Form der Anwendung die brauchbarste ist. Die Aerzte sind die Berufenen, die allein ein Urteil über das Mittel und die Volksgesundheit abzugeben haben. Auch in der medizinischen Fachpresse sind durchaus oberflächliche Urteile abgegeben worden. Auch da sollte man etwas vorechtiger im Urteilen sein. Ich habe den Wunsch, daß die Kommission so schnell wie möglich zu⸗ sammentreten und zu einer objektiven Prüsung über die Brauchbarteit des Mittels kommen möge.
Abg. Dr. Schloßmann (Dem.): Wer Gelegenheit hat, Herrn Dr. Friedmann persönlich kennenzulernen, wie ich, wird es verstehen, wenn es schwer fällt, in obijektiver Weise an diese An⸗ gelegenheit heranzugehen. Der Minister war sehr schnell in der Lage, die Anschuldigungen gegen Herrn Dr. Friedmann zurückzuweisen und ihn in Schutz zu nehmen. Ich hätte gewünscht, er hätte auch bezüglich des Marburger Falles ebenso schnelle Auskfunft geben können. Bezügtich der Reklame des Herrn Professors Friedmann möchte ich noch eine Tatsache anführen. Einen Tag, nachdem Herr Dr. Fried⸗ mann in der medizinischen Gesellschaft gesprochen hatte, ist sein Artikel und sein Bild in den amerikaneschen Blättern erschienen. Herr Prosessor Friedmann berichtigte dann, eine Reklame sei von ihm in keiner Art ausgegangen. as habe ich auch gar nicht be⸗ hauptet. Tatsache ist jedenfalls die riesige Reklame. Dasselbe ist der Fall binsichtlich des Telegramms an die Kasserin. Es kommt nicht darauf an, wer ihn dazu veranlaßt bat, fondern darauf, daß daß die Tatzache an sich feststeht. Ich habe auch nicht gesagt, daß Professor Friedmann sich für eine einzige Einspritzung so und so viel hat zahlen lassen, sondern habe nur verlesen, daß Herr Schubert geschrieben habe, für eine einmalige Untersuchung und eine Einspritzung habe Herr Professor Friedmann ohne jede weitere Hilteleistung sich 600 Mark zaolen lassen. Ich ersuche den Minister um Feststellung aller dieser Dinge. (Minister für Wissen⸗ schaft, Ku st und Volksbildung Haenisch: Selbstverständlich!) Niemand würde sich mehr freuen als ich, wenn sich alle diese Dinge als unwahr herausstellen würden. Die Berufung des Professors 1eee auf den „Lokal⸗Anzeiger“ halte ich nicht für stichhaltig.
en Universitätsprofessoren die Möglichteit zu geben, das Mittel zu versuchen und den Studenten zu zeigen, halte ich für wichtiger, als die Schaffung einer besonderen Abteiluna. Wenn man von einer Stiftung spricht, die dazu dienen soll, reiche und arme an Tuberkulose Erkrankte zu heilen, so, meine ich, wäre es nur nötig, eine Anstalt für Arme zu errichten. Den Reichen soll. man es rubig überlassen, selbst Heilung in irgend einer Klinik zu suchen.
Abag. Graef⸗Frankfurt (Soz.): Ich möchte bitten, daß die Kommission die erson des Herrn Professor Friedmann aus der Debatte läßt und sich nur mit der Frage beschäftigt, ob das Mittel brauchbar ist oder nicht. Wenn empfohlen wird, daß der Minister seinen Einfluß auf die Universitäten geltend machen soll, um sie zu einer objektiven Prüfung des Mittels anzuhalten, habe ich schon einmal erklärt, daß das unter den jetzigen Verhältnissen nicht gut möglich ist, da sich verschiedene Universitäten spartakistisch gebärden. Fs muß erst wieder ein ganz anderer Geist in unsere Univerfitäten einziehen. Wie will der Minister Einfluß auf die Universitäten haben, wenn es heutzutage möglich ist, daß Erzderger zum Beispiel als Erzgauner, andere Minister als Idloten usw. bezeichnet werden, ohne daß diese Leute sofort vom Amte entfernt werden. Kann man von solchen Leuten eine objektive Prüfung des Mittels verlangen? Außerdem ist es doch auch bekannt, daß Leute, die einmal in einem Irrtum befangen sind, sich nicht so leicht von ihrem Urteile ab⸗ bringen lassen.
Die Anträge der Sozialdemokratie über Kriegsbeihilfen für die Gemeindebeamten und der Deutschen Volkspartei auf Erhöhun der Teuerungszulagen für die höheren in Mittelschullehrer und die Gemeindebeamten sollen nach dem Vorschlag des Haushaltsausschusses für erledigt erklärt werden. Den Antrag der Deutschnationalen, die einmalige Teuerungszulage für dieGeist⸗ lichen in gleicher Höhe wie für die mittleren Staatsbeamten zu gewähren, hat der Ausschuß ab⸗ zulehnen empfohlen.
Das Haus beschließt ohne Erörterung nach den Ausschuß⸗ vorschlägen und überweist den Antrag Meyer⸗Herford (D. Vpt.) auf Erhöhung der Ruhegehälter der Staatsbeamten und Lehrer nach Analogie des Reichsgesetzes vom 12. September 1919 um 10 Prozent der Regierung als Material.
Damit ist die Tagesordnung erledigt.
Schluß ½ 5 Uhr. .“
Nächste Sitzung Montag, 1 Uhr (Antrag Heilmann betr. die Kommunalisierung der Charlottenburger Wasserwe weitere Anträge, förmliche Anfragen, Bittschriften).
Bayern.
Die Parteien des Landtags ohne Unterschied erheben in einer Kundgebung für die Herausgabe unserer Kriegsgefangenen lautesten Protest gegen die unerhörte Gefangenennote des französischen Ministerpräsidenten Clemencean. Sie menden sich an das Menschlichkeitsempfinden und an das Gerechtigkeitsagefühl der Völker aller Mächte, das die Gewalt⸗ politik der Alliterten alle Neutralen zu flammenden Einspruch auf den Plan rufen muß.
„Im Namen unserer bayerischen und deutschen gefangenen Volks⸗ genossen und unserer vom kiefsten jabrelangen Leid und schwerer Sorge erfüllten bayerischen und deutschen Familien rufen wir die ganze kultipierte Menschheit auf zur tatkräftigen Mitwirkung in dem Bestreben, unseren Kriegsgefangenen den erbarmungslos verlegten Weg zur deutschen Heimat endlich zu öffnen.“
— In der gestrigen Sitzung des Finanzausschusses des Landtages wurde, laut Meldung des „Wolffschen Tele⸗ graphenbüros“, folgende Vereinbarung zwischen Bayern und dem Neich, die die Frage des bayerischen Heeresgutes regelt. einstimmig angenommen:
Bayern behält sein vor dem Jahre 1870 erworbenes Eigentum, soweit dieses nicht an das Reich für dessen Zwecke und auf dessen Verlangen, dann aber gegen Entschäͤdigung, abzutreten ist. Die aus der Zeit nach 1870 (also aus der Quoten⸗ und Kriegszeit) stammenden Objekte gehen ohne Entschädigung an das Reich über. Dafür werden Bayern nach mehrfacher Richtung Zugeständnisse in Hinsicht auf die Verwaltung und Nutzbarmachung dieser Objekte eingeräumlt.
Oesterreich.
Zu Beginn der gestrigen Sitzung der Nationalver⸗ sammlung machte der Präsident Mitteilung von dem Be⸗ schlusfse des Deutschen Neichstags, im Dezember jede Brotkarte im Reiche um 50 Gramm einzuschränken und diese Ersparnisse zur Linderung der Not Deutsch⸗Oesterreichs zu verwenden. An diese Mitteilung, die vom Hause mit lev⸗ haftem Beifall aufgenommen wurde, kaüpfte der Präsident laut Bericht des „Wolffschen Telegraphenbüros“ folgende Erklärung, die vom Hause stehend angehört wurde:
Hohes Haus! Es handelt sich hier nicht nur um ein finanzielles Opfer schlechthin, nicht nur um ein Opfer, das der Staat als solcher bringt, sondern um eine Liebesgabe jedes einzelnen Bürgers des Deutschen Reiches obne Unterschied. Jeder Bürger schmälert täglich seine ohnehin karg bemessene Nation, um dadurch beizutragen zur Linderung der schrecklichen Not, die in Deutsch⸗Oesterreich herrscht. Dieser Akt der Großmutr und der bhrüderlichen Solidarität des Deutschen Reiches hat bei uns nicht nur Freude und Genugtuung ausgelöst, sondern vor allem die innigste Dankbarkett. Der Beschluß ist abermals ein Beweis dafür, daß die Gewalt uns zwar räumlich trennen kann, daß aber nichts imstande ist, die Bande gemeinsamer Geschichte und gemeinsamer Kultur zu lösen, die uns mit den Brüdern im Reiche verbinden. Ich spreche im Namen des ganzen Hauses und aller seiner Mitglieder, aber ich bin versichert, auch im Sinne aller Bürger der Republik zu handeln, wenn ich sage: Unseren Brüdern im Reiche innigsten Dank für diese Hilfe in schwerer Zeit, für diesen Akt außerordentlicher (Großmut, den wir nie vergessen werden! (Lebhafter, langanhaltender Beifall.)
Darauf wurde zur Tagesordnung übergeoangen und die Regierungsvorlage, betreffend Gewährung von Vorschüssen auf die durch das Gesetz zu bestimmenden Teuerungemehrbeträge sämtlicher Staatsbediensteten sowie auf Gewährung eines Teuerungsbeitrages von 1000 Kronen monatlich an die Mit⸗ glieder der Nationalversammlung und Volksbeauftragten an⸗ genommen. Ferner erledigte das Haus das Gesetz, betreffend die Errichtung von Staatserziehungsanstalten.
Ungarn. In einer in Budapest abgehaltenen Versammlung der aus Oberungarn vor den Tschechen und Rumänen geflüchteten Slowaken und Ruthenen wies der Staatssekretär Nikolaus Kutkafalvy darauf hin, daß das klowakische und ruthenische Volk in seinem Vertrauen auf die Wilsonschen Grundsätze arg getäuscht worden sei. Sie forderten ihr Selbstbestimmungs⸗ recht und protestierten gegen die Einverleibung in die Tschechoslomakei oder Rumänien. Sollte der Obersle Rat ihren Willen nicht respektieren. dann würden beide Völker nicht aufhören zu kämpfen, bis sie ihrem polilischen Willen Geltung verschafft hätten. CC11““
Großbritannien und Irland.
Der Premierminister Lloyd George erklärte vorgestern im Unterhause, wie der „Nieuwe Rotterdamsche Courant“ berichtet, daß die Regierung mit dem Osmanischen Reiche bald Frieden zu schließen wünsche und mit den alliierten und assoziierten Regierungen über diese Frage verhandle. Ein rascher Friedensschluß sei nicht nur im Interesse des brilischen Reiches, sondern im Interesse der ganzen Welt gelegen. Die Alltierten seien auch seit einiger Zeit bereit gewesen, Ungarn Friedensbedingungen vorzulegen, aber bisher sei in Ungarn keine vertretungsfähige Regierung vorhanden gewesen. Jetzt sei endlich eine aus allen Parteien bestehende Regierung ge⸗ bildet, die Wahlen abhalten werde, und er erwarte, daß dies der erste Schritt zu einem raschen Frieden sein werde.
In Erwiderung einer Anfrage b⸗züglich der Wirtschfts⸗ lage in Mitteleuropa erklärte Lloyd George dem „Reuter⸗ schen Büro“ zufolge:
Die englische Regierung sei sich der außerordentlich schwierigen Wirtschaftslage in Mitteleuropa wohl bewußt. Sie wende im Ver⸗ ein mit dem Obersten Rat in Paris alle Mittel, die möglich sind, an, um die Lage zu erleichtern. Man sei zu dem Schlusse gekommen, daß nur eine umfassende Maßnahme für einen internationasen großen Kredit der Lage hinreichend gerecht werden könne. Zu dem Erfolg solcher Vorschläge sei es unerläßlich, daß die Vereinigten Staaten den Teil der Summe beisteuerten, der in Dollars übernommen werden müsse. Jafolgedessen seien neue dringende Vorstellungen in diesem Sinne bei der Regierung der Vereinigten Staaten erhoben worden. Auf die Frage, welche Folgen die Hinauszögerung der Ratifikation des Friedensvertrages durch den ameri⸗ kanischen Senat auf die Volksabstimmung und die im Friedens⸗ vertrag vorgesehenen Ausschüsse haben werde, erwiderte Lloyd George nach dem Bertcht des „Telegraaf“, der Oberste Rat habe beschlossen, der deutschen Delegation mitzuteilen, daß alle Kommissionen, die von den alliierten und asseziter⸗ ten Mächten zusammengestellt werden müssen, unverzütglich ernannt und ihre Arbeiten sofort beginnen werden. Auf die Frage, welche Folge ein Beschluß der Vereiniaten Staaten von Amerika, den Friedensvertrag nicht zu ratifisieren, auf den Dreibnad zur Verteidigung Frankreichs haben werde, antwortete Loyd George, die Ratifikation des Friedensvertrags durch die enalische Regierung hänge von der Ratifikation durch die Vereinigten Staaten nicht ab Eine Weigerung der
8E1.“
amerikanischen Regierung, den Friedensvertrag zu ratifizieren,
“
brauche jetzt nicht notwendigerweise Einfluß auf den Friedens⸗ vartrag als solchen zu haben, vorausgesetzt, daß das Parlament den Dreibundvertrag ratifiziere.
Fraukreich.
Der Oberste Rat der Alliierten hörte gestern der „Agence Havas“ zufolge den Bericht an über das Schicksal der deutschen Flotte und über die Kompensationen, die für die bei Scapa Flow versenkten Schiffe verkanat werden. Der Rat beschloß grundsätzlich, die noch in der Hand der Alliierten befind⸗ lichen Einheiten abzubauen. Immerhin wurde die Frage der Zuteilung der Flotte nicht erledigt. Dieser grundsätzliche Be⸗ schliuß wird noch verschiedene Abweichungen erfahren. Italien und Frankreich, deren Werften während des Kriegs einige Zeit stillstanden, werden einige Einheiten als Entschädigungen er⸗ halten, um den durch die Betriebseinstellung erfolgten Ausfall ihrer Tonnage auszugleichen. Einige andere Einheiten werden vor ihrer endgültigen Zerstörung an einige Staaten ausgeliehen werden. Ueber das Hafenmaterial in den deutschen Häfen wurde noch kein Beschluß gefaßt. Dieses soll als Ersatz für die bei Scapa Flow versenkten Schiffe betrachtet werden. Die Zusatzklausel zum Friedensvertrag mit Ungarn bezüglich der Lebensmittellieferungen an Oestereich wies der Oberste Rat zurück.
Wie „La Presse de Paris“ mittellt, ist die letzte Note, die das Ultimatum des Fänferrats enthält, erst am 24. No⸗ vember der rumänischen Regierung überreicht worden. Die bewilligte Frist von acht Tagen ist also noch nicht ab⸗ gelaufen. Bis zum 5. Dezember muß die rumänische Regierung auch mitteilen, ob sie den Friedensvertrag von St. Germain, den Friedensvertrag von Neuilly und di angeschlossenen Zusätze unterzeichnen will. 8
Italien.
Der „Avanti“ berichtet, daß die Parteileitung der sozial⸗ demokratischen Partei in ihrer vorgestrigen Sitzung in Rom beschlossen hat, alle Abgeondneten, die der sozialistischen Parteigruppe angehäören, einzuladen, der Eröffnungssitzung der Kammer am 1. Dezember beizuwohnen zum Zweck einer anti⸗ monarchischen Kundgebuug.
Belgien.
Die Regierung fordert auf, gemäß Artikel 297 des Friedensvertrages alle erforderlichen Angaben über die Güter, Rechte und Interessen der Belgier zu machen, die solche in Deutschland haben. Es handelt sich um die Ankündigung der Werte, die in Deutschland unter Sequester gestellt sind, also in der Hauptsache um Besitzanteile an Gesell⸗ schaften, um Immobilien, mobiles Kapital, Warenlager, Möbel, aber nicht um die Ausstände in Deutschland. Die Ankündigung würde später durch das belgische Büro für Verifikation und Kompensation geregelt werden.
Der neue Senat setzt sich, dem „Wolffschen Tele⸗ graphenbüro“ zufolge, aus 59 Katholtten, 35 Liberalen, 25 Sozialisten und einem Mitglied der Partei der nationalen Wiederaufrichtung zusammen.
Die Aufgabe der neugewählten National⸗ versammlung wird darin bestehen, die Reform des Senats durchzuführen, die Umgestaltung des Wahlrechts in der Ver⸗ fassung festzulegen, die Frage des Frauenstimmrechts zu klären, eine Ungestaltung der sozialen Versicherung, die Gewährleistung des Streikrechts, das Regime der neuen Kohlengruben im Kempenland festmsetzen, für das eine Regie vorgesehen ist, schließlich einen Staatsrat zu schaffen und endlich ein neues Finanz⸗ und Steuerprogramm zu entwerfen. Für die Durch⸗ führung all dieser Reformen ist ein Zeitra
vorgesehen. Schweiz.
Der Bundesrat hat soeben den 13. Bericht über die von ihm auf Grund seiner Vollmachten getroffenen Maßnahmen veröffentlicht. Im Bexricht des politischen Departements wird dem „Wolfsschen Telegraphenbüro“ zufolge unter anderen mitgeteilt, daß sich die Interessenvertretungen fremder Staaten weiter vermindert haben und demenssprechens die Abtetlung habe abgebaut werden können. Jedoch konne an eine Auf⸗ hebung dieser Abteilung noch wicht herangegangen werden. Trotz des Friedensvertrages der Alliierten mit Deutschland lasse die Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen zwischen den gegnerischen Staaten immer noch auf sich warten.
Im Bericht des volkswirtschaftlichen Departements wird eine emgehende Darlegung aller bekaanten Abkommen gegeben, darunter wird unter anderem mitgeteilt, daß der Export von Industrieprodukten nach England infolge der Milderung bezw. Aufhebung der Einfuhrbeschränkungen eine erfreuliche Zunahme erfahren habe. Mit Frankreich schwebten zurzeit Unterhandlangen, um die Aufhebuag der französischen Emfuhreinnellungen zu erreichen Eme Ver⸗ ständigung stehe in naher Aussicht. Der Bericht erörtert unter anderem neben den Schwierigkeiten der Seetrans⸗ porte auch diejenigen der Rheintransporte. Die Rheinroute sowie der Verkehr über Genua habe an Bedeutung zugenommen, während der Imvort über Cette und Marseille infolge der auf diesen Zufahrtslinien andauernden Transportkrisen zeit⸗ weise sehr stark habe beschränkt werden müssen. Gegenwärtig schwebten mit Paris Verhandlungen wegen der völligen Frei⸗ gabe des rechtsrheinischen Verkehrs und der Bahnlinien sowie der Rheinhäfen. Ein endgültiges Ergebnis sei bisher nicht erzielt worden. Der Bericht beschäftigt sich sodann eingehend mit der Kohlenversorgung der Schweiz, die keineswegs befriedigend sei. Es wird unter anderem festgestellt, daß die Lage auf dem Arbeitsmarkt sich im allgemeinen seit dem vorigen Frühjahr gebessert habe, doß sie aber immer noch sehr ungünstig sei.
Rumänien. Laut Meldung des „Wolffschen Telegraphenbüros“ be⸗ stätigen Telearamme, daß der Führer der siebenbürgischen Delegation Wojwode Alexander Waida vom König mit der Kabinettsbildung betraut worden ist.
Statistik und Volkswirtschaft.
Arbeitsstreitigkeiten.
In der am 27. d. M. abgehaltenen Verfammlung der Be⸗ zirksbetriebsräte in Bitterfeld wurde, wie „Wolffs Tele⸗ graphenbüro“ berichtet. Nachmittags der Allgemeinausstand der Arbeiter der Chemischen Industrie und des Borgbanes des Bezirks Bitterfeld, beginnend am 28. Movember,
2 Uhr Nachmittags, beschlossen. Dementsprechend sind gestern
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diesen beiden Akten
von zwei Jahren
nachmittag alle Betriebe bis auf eine Grube in den Ausstand getreten. Die Notstandsarbeiten werden überall, zum Teil in weitem Umfange, von der Arbeiterschaft fort⸗ geführt. Es wird immer klarer, daß der weitaus größte Teil der Arbeiterschaft des Bütterfelder Bezuks gegen seinen Willen in geradezu arglistiger Weite in den Ausstand hineingezogen worden ist. Es ist festgestellt, daß vicht einmal die Hälfte der Arbeiter res Bezirts abgestimmt hat. Alsdann ist die Frage, die zur Abstimmung kam, von den Führern in der Mehrzahl der Beleg⸗ caftsversammlungen so gestellt worden, daß den Arbeitern gar nicht bewußt wurde, daß sie über den sofortigen Allgemeinausstand ab⸗ stimmten. Sie waren vielmehr der Ansicht, daß auf Grund dieser Abstimmung neoch weiter verhandelt werten würde. In den Ver⸗ sammlungen, in denen tatsächlich ordnungsemäßig darüber abgestimmt wurde, pb sofort in den Allgemeinausstand eingetreten werden solle, wurde dies mit einer Ausnahme mit überwältigender Mehrheit a gelehnt.
Ueber den gewerkschaftlichen Zusammenschluß der Eisenbahner meldet „W. T. B.“: Am 25. November fand in Würzburg eine Konferenz zwischen Vertretern des Deutschen Eisenbahnerverbands (430 000 Mitglieder) und des Deutschen Verkehrspersonalverbandes (85 000 Mitglieder) statt. Es wurde beschlossen, die Ver⸗ schmelzung der beiden Verbände am 1. Juli 1920 vorzunehmen. Damit geht ein langgehegter Wunsch vieler nord⸗ und süddeulscher Eisenbahner in Erfüllung.
Nach einer Meldung des „Neuen Wiener Journals“ aus Prag ist der Ausstand im Brüxer Kohlenrevier beigelegt.
Einer von „W. T. B.“ wiedergegebenen Reutermeldung aus Washington zufolge wurden die Verhandlungen zur Beilegung des Kohlenarbeiterausstandes ab⸗ gebrochen. Die Verhandlungen des Lohnausschusses, der aus Bergarbeitern und Bergwerksbesitzern besteht, sind auf unbestimmte Zeit vertagt worden.
Wohlfahrtspflege.
Ein dem „W. T. B.“ aus Kopenhagen übermitteltes Telegramm aus Reykjavik besagt, daß das isländische Ministerium auf Ersuchen der österreichischen Regierung einen Ausschuß gebvildet habe, der die Unterbringung von hundert bster⸗ reichischen Kindern vorbereiten soll. Auch eine Geldsammlung ist zu diesem Zwecke bereits im Gange. “
Verkehrswesen.
Wie das „Ungar.⸗Telegr. Corr. Büro“ aus Budapest meldet, wird mit Rücksicht auf den großen Kohlenmangel außer den bereis verfügten Einschränkungen des sonntäglichen Personenverkehrs vom 28 November an auf fämtlichen Linien der ungarischen Staatsbahnen der Personenverkehr auch Mittwochs und Freitags eingestellt und nur der noltwendigste Orts⸗ verkehr aufrechterhalten werden.
Theater und Mufik.
Großes Schauspielhaus.
Nun hat Max Reinhardt seinen Plan, ein Theater für die Massen zu schaffen, verwirklicht; das Theater der Dreitausend ist in dem von dem Aichitekten Hans Poelzig umgestalteten Zirkus Schumann zur Tatsache g⸗worden und gestern vor einem jestlich und erwartungsvoll gestimmten Publikum, in dem die Soitzen des Berliner Kunst⸗ und öffentlichen Lebens fast vollzählig vertreten waren, mit der „Orestie“ des Aischylos eröffnet und geweiht worden. Die Aufgabe Poelzigs, aus der ursprünglich als Markthalle erbauten, später zum Zirkus umgewandelten Eise halle einen für Theaterzwecke geeigneten Raum zu schaffen, war besonders in einer Zeit nicht leicht, die in bezug auf die zu verwenden den Baustoffe aͤußerste Sparsamkeit zur Bedingung macht. Er hat aber diese Aufgabe zweifellos mit großem Geschick gelöst. In dem großen Hause sieht und hbdört man gut. Der Umbau des Zuschauerraums mußte vor allem auf die Akustik bedacht sein. Aus diesem Grunde ergab sich die Notwendigkeit, die Wölbung der vorhandenen großen Kuppel, in der erfahrungs⸗ gemäß das gesprochene Wort leicht verhallt oder durch Echowirkungen in seiner Deutlichkeit beeinträchtigt wird, so zu gliedern, daß dieser Uebelstand vermieden würde. Die Teilung der Kuppelwölbung in verschiedene ringförmige Abteilungen führte von selbst zu einer stalakti enähnlichen Ornamentik, die maßgebend auch für die Ver⸗ kleidung der Eisensäulen wie für die Gestaltung der ganzen Halle wurde. So gewinnt man jetzt den Eindruck einer riesigen moscheenartig sich weitenden Tropfsteinhöhle. Eine Buͤhne von gewaltigem Ausmaß, zu der eine vielstufige, mit einer Plattform gekrönte Freitreppe von der zur Orchestra umgewandelten Arena em porführt, schneidet einen Teil des ehemaligen Zirkusrunds ab, davor befinden sich auf beiden Seiten der Bühne und gegenüber Zugänge für den Chor oder die scheinbar von fernher kommenden Einzeldarsteller. Die Lichtquellen, die mit diffusem Licht den Raum erleuchten, sind unsichtbar an⸗ gebracht, und bei Verdunkelung erweckt eine sternartige Beleuchtung der Kuppel die Vorstellung, als sitze man unter dem ge⸗ stirnten Himmelsdom: ein Eindruck, der die Stimmung für das anhebende Spiel gut vorbereitet. Anders als der Zuschauerraum sind die Umgänge und Erfrischungssäle ge⸗ halten, deren Betongewölbe von Säulen getragen werden, die mit ihren phantastischen lotosblumenartigen Kelchverzierungen an in⸗ dische Tempel erinnern. In den Kelchen sind unsichtbar die Licht⸗ quellen angebracht, deren Schein indirekt und gedämpft von den rot⸗ gelben oder blaugrünen Gewölbedecken zurückgestrahlt wird. — Ge⸗ spannte Aufmerksamkeit herrschte, als die gewaltigen Falttüren des feuerfesten Bühnenabschlusses sich zur Seite schoben und die schweren Pfeiler des Haupttores des Agamemnonpalastes ent⸗ hüllten. Als reale Grundlage für den Schauplatz der Handlung werden, wie schon früher im Zirkus Schumann, angenommen: auf ber Bühne der Eingang zum eigentlichen Hause Agamemnons und Klvtämn stras, rechts und lints die Nebenräume, in der Arena ein Vorhof des Palastes, auf der der Bühne gegenüber⸗ liegenden Seite das (unsichtbare) Hoftor des Palastes. Die Ver⸗ änderung des Schauplatzes in den „Choöëphoren“ wird nur durch geringfügige Aenderungen des Freitreppenaufgangs angedeutet, und im dritten Teil der Trilogie, in den „Eumeniden“, wird die Unzugänglichkeit des Sitzes Apollons durch eine fast bis an die Decke des Raums hinansteigende steile Stufenfolge versinnlicht. Die Trilogie wurde, wie vor Jahren, in der Uebertragung und Bearbeitung Karl Vollmoellers gespielt. Gestern wie damals waren die wirk⸗ samsten Momente die Rückkehr des Agamennon, der Klageruf der Kassandra, das Wiedererkennen Orests rechnung Orests mit Klytämnest a, seine Verfolgung Eumeniden und seine Entsühnung durch Apollon. Auch von dem Chor gingen genern wie damals starke Wir⸗ kungen aus. Im großen und ganzen aber war die Erregung ves Erxöffnungsabends so rohl bei den Darstellern wie bei den Be⸗ suchern der Vorstellung zu verspüren, die innere Ruhe fehlte offenbar beiden, darum darf man bei der tritischen Würdigung dieser Eröffnungs⸗ vorstellung noch keinen allzu strengen Maßstab anlegen. Im Mittelpunkt stand naturgemäß Alexander Moissis Orest, der aus matten Anfängen herauswuchs; erst mit dem erwachenden Bewußtsein der fürchterlich blutigen Aufgabe, die seiner harrt, und später bei dem Grauen vor den rächenden Eumeniden vertiefte sich der Eindruck. Agnes Straubs Klytämnestra war eine monumentale Erscheinung, in der Gebandlurng der Rede aber noch ungleich Sie wird den vatn großen Raum angepaßten Darstellungsstil noch finden müssen. Werner Kraut Agamemnon war eindrucksvoller im Wesen und in der Rede als in der äußeren Erscheinung,
durch die
und Elektras, die Ab⸗
Joseph Kleins Aegisth wie schon früher zu modern, zu ungriechisch. Eine packende Leistung war Else Heims' Kassandra, zwar nicht so ekstatisch wie die ihrer Vorgängerin Mary Dietrich, aber doch bei der Voraussage des Fürchterlichen, das sich vollenden soll, von tiefen Schauern erfüllt. Maria Feins Elekera fehlte dagegen leder große Zug. Herrlichstes Griechentum offenbarte sich in der Sieges⸗ verkündigung Paul Hartmanns als Herold, priesterliche Weihe und vollkommenste Stilbeberrschung in Ludwig Wüllners Chor⸗ führer. Der dentwürdige Abend schloß mit reichen Ehrungen für die Darsteller und den wagemuligen Neuerer Max Reinhardt.
Im Opernhause werden morgen, Sonntag, „Die Meistersinger
82 Wö’ 8 2 F- von Nürnberg“, mit den Damen Schwarz, von Scheele⸗Müller und
den Herren Hutt, Bohnen, van de Sande, Sommer, Philwpp, Krasa, Habich, Bilk als Gast, Reinfeld, Lücke, Bachmann besetzt, unter Dr. Fritz Stiedrys Leitung gegeben. Anfang 4 Uhr. — Am Montag wurd „Salome“ unter des Komponisten eigener Leitung mit den Damen Kemp, Hafgren⸗Waag, Birkenström und den Herren Kraus, Armster, Reinfeld, Henke, Lücke, Philipp, Sommer, Krasa, van de Sande, Bachmann in den einzelnen Rollen gegeben. Anfang 7 ½ Uhr.
Im Schauspielhause findet morgen, Vormittags 11 Uhr, die II. Mittagsveranstaltung (Renaissance und Reformationszeit) statt. Nachmittags 2 Uhr geht als 17. Volksvorstellung „Maria Magda⸗ lene“, Abends „Maria Stuart“ (Anfang 6 8 Uhr) in Szene. Für Montag (6 ½ Uhr) ist „Peer Gynt“ in der bekannten Besetzung an gesetzt. Alle drei Vorstellungen stehen unter der Spielleitung r Kein. hard Brucks.
Für das III. Konzert der Neuen Mufikgesellschaft, in dem Egon Petri das Klavierkonzert von Busoni spielen sollte, findet zunächst am 21. Dezember der Abend für alte Mausik statt, da der Pianist infolge der politischen Verhältnisse nicht vor Januar von Polen nach Deutschland kommen kann.
Mannigfaltiges. 8
Der Kohlenverband Groß Berlin hat unter dem 21. No⸗ vember 1919 folgende Bekanntmachung über Festsetzung von Brikettpreisen erlassen:
Auf Grund der Bekanntmachung des Bundesrats über Errichtung von Preisprüfungsstellen und die Versorgungsregelung vom 25. Sep⸗ tember/4. November 1915 (Reichs. Gesetzbl. S. 607 und 728) in Ver⸗ hindung mit der Anordnung der Landeszentralbehörden über die Er⸗ richtung des Kohlenverbandes Groß Berlin vom 21. August 1917 wird mit Genebmigung der Staatlichen Berterlungesteg für Groß Berlin für die Stadtkreise Berlin, Charlottenburg, Neukölln, Berlin⸗ Schöneberg, Berlin⸗Lichtenberg, Berlin⸗Wilmersdorf sowie die fol⸗ genden Orte der Landkreise Teltow und Niederbarnim
1. im Gebiet des Kreises Niederbarnim:
Berlin⸗Buchholz, Berlin⸗Reinickendorf, Berlin⸗Friedrichsfelde, Berlin⸗Rozsenthal, Berlin⸗Heinersdorf, Berlin⸗Stralau, Berlin⸗Hohenschönhausen, Berlin⸗Tegel,
Berlin Niederschönhausen, Berlin⸗Weißensee, Berlin⸗Oberschöneweide, Berlin⸗Witkenau, Berlin⸗Pankow, Gutsbezirk Schönholz,
Il. im Gebiet des Kreises Teltow:;
Berlin⸗Grunewald, Berlin⸗Tempelhof, Berlin⸗Schmargendorf, Berlin⸗Mariendorf, Berlin⸗Dahlem (Gut), Berlin⸗Marienfelde, Berlin⸗Friedenau, Berlin⸗Niederschöneweide, Berlin⸗Steglitz, Berlin⸗Johannisthal, Berlin⸗Lichterfelde, Berlin⸗Britz, Berlin⸗Zehlendorf, Berlin⸗Treptow, Berlin⸗Lankwit;,; Grunewald⸗Forst (Gut) folgendes bestimmt: 8 “ § 1. Die Bekanntmachung des Kohlenverbandes Groß Berlin über Festsetzung von Brikettpreisen vom 13. November 1919 — J.⸗Nr. L. 4302/19 — sowie die in Gemäßheit des § 4 dieser Be⸗ kanntmachung erlassene Bekanntmahung der Kohlenstelle Groß Berlin über Festsetzung von Brikettpreisen in den Landkreisen Telkow und Niederbarnim vom 13. November 1919 — J.⸗Nr. L. 4325/19 — werden mit Wirkung ab 15. November 1919 aufgehoben. Die Be⸗ kanntmachung des Kohlenverbands Groß Berlin vom 13. Oktober 1919 — J.⸗Nr. L. 4095/19 — sowie die in Gemäßheit des § 4 dieser Bekanntmachung erlassene Bekanntmachung der Kohlenstelle Groß Berlin vom 13. Oktober 1919 — J.⸗Nr. L. 4113/19 — bleiben demnach bis auf weiteres in Geltung.
§ 2. Diese Bekanntmachung tritt mit d.
öffentlichung in Kraft.
Tage der Ver⸗
Die Reichszentralstelle für Kriegs⸗ und Zivil⸗ gefangene teilt mit: Die Sorge und der Schmerz um die sich immer noch in französischer Hand befindenden Kriegsgefangenen haben in weiten Kreisen der Angehörigen das Mitgefühl für die in Deutschland zurückgebliebenen russischen Kriegsgefangenen gesteigert, deren Zahl sich noch auf etwa 200 000 Mann beläuft, und die zum Teil seit Jah en von jeder Postverbindung mit der Heimat abgeschnitten sind. Um diesen Unglücklichen, deren Abtransport in die Heimat stets ge⸗ fordert worden ist, aber durch die Errichtung der Randstaaten nicht von der Deutschen Regierung allein bewerkstelligt werden kann, die letzte Leidenszeit vach Möglichkeit zu erleichtern, hat sich die Deutsche Wohlfahrtsstelle, Abteilung VI, bereit erklärt, die Verteilung der aus dem Auslande für die russischen Kriegsgefangenen eingehenden Liebesgaben im Einvernehmen mit den zuständigen Dienststellen zu übernehmen. (W. T. B.)
Die Angehörigen des ehemaligen Internierungs⸗ verbandes in Scapa Flow werden vorläufig von der eng⸗ lischen Regierung zurückgehalten. Sie haben bei der Versenkung der Flotte nahezu all ihr Hab und Gut verloren und entbehren das Notwendigste. Die Versendung von Liebesgaben zum Weihnachtsfest vermittelt das Rote Kreuz in Frank⸗ furt a. M., Zeil 114. (W. T. B.)
Das Zentralkomitee vom Roten Kreuz, Abteilung Flüchtlingsfürsorge, teill mit: Nach Berichten deutscher Heimkehrer, welche am 10. d. M. mit S. S. „Pretorian“ in Wesel eingetroffen sind, befinden sich in Kanada noch etwa 375 Zivilinter⸗ nierte jeden Alters und Geschlechts. Davon entfallen auf Lager Kapuskasing etwa 40 Reichsdeutsche und 300, Oesterreicher, auf Lager Vernon B. C. etwa 30 bis 35 Reichsdeutsche, alle diese sollen Mitte Dezember nach Deutschland abfahren. Auskunft über Ver⸗ mißte usw. in Kanada erteilen: 1) Fiau Eymann, Regina, Sask. (Kanada), FFeree e der Zeitung „Regina Courier’, früber rein deutsche, jetzt deutsch⸗englisch erscheinende Zettung. 2% S. Gintzburger, 122 West Hastings Street, Vancouver B. C. (Kanada). Herr Gintzburger, der Privatmann und Schweizer Konsul ist, wird für Auskunft warm empfohlen. — In Brasilien (Rio de Janeiro, Ilhas das Flores und Nuovo Fribourgo) sollen etwa 1000, in Peru noch etwa 150 Mann sein, alles oder zum größten Teil Schiffsbesatzungen. — J⸗ Valparaiso (Chile) befinden sich
leichfalls noch deutsche Schiffsbesatzungen, deren Zahl jedoch unbe⸗ annt ist. Wir haben allen Grund anzunehmen, daß alle diese Leute aus Südamerika innerhalb der nächsten zwei Monate in der Heimat zu erwarten sind. (W. T. B.)
Jvo Shern 19. Künstler⸗Marionetkenthoate!, deren Bekanntschaft man hier im Jahre 1916 Fege hat jetzt hn
Schillersaal in Charlostenburg fuͤr einige geschlagen. Der Spielplan setzt sich aus Satiren
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u. a. zusammen. Am Donnerstag wurde Otto Echrodts Märchen „Der Froschprinz“ gespielt, in dem dargestellt wird, wie der von einer bösen Hexe in einen Frosch verwandelte Prinz von der lieblichen Tochter des Königs Sorgenfrei vom Banne befreit wird. Das Spiel ist außerordentlich reizvoll, besonders fallen die außerordentlich gewandten Bewegungen der einen halben Meter großen, charakteristischen Puppen, die Pubonny selbst geschaffen hat, auf. Drei Damen lenken die Fäden und sprechen zugleich die Frauen⸗ rollen, wäbrend der Leiter und Dramaturg dieses Puppentheaters, der Re⸗ zitator Ernst Ehlert, sämtliche Männerrollen spricht. Er muß oft bis zu sechs verschtedene Rollen zugleich beherrschen. Das Gelingen einer Norstellung wird nur ermöglicht purch das Zusammenwirken zahlresche Kunstgriffe und Vorbereitungen. Das Führen der Puppen, die pft an mehr als an einem halben Dutzend Fäden haängen, ist eine Kanst, die in ihrer Vollendung nur durch große Erfahrung und Uebung erworben wird. Nach der Märchenaufführung traten einige von ganz besonders kunstgeübter Hand gelenkte Solomarionetten auf, und zwar ein Neger⸗ grolesktänzer und zwei Tanzchinesen, entzückende Beispiele voll⸗ kommener reiner Marionettenkunst; „Der kleinste Rezitator Kuno“, ferner „Caraso“, die „Sängerin mit ihrem Begleiter am Flügel“ karrikieren die Sterne des Konzertfaales und sind verkörperte Ver⸗ spottungen. Die zahlreichen Zuschauer der eigenartigen Vorstellung gaben ihrer vollen Befriedigung uͤber das Gesehene durch lebhaften Beifall Ausdruck.
Die Jerusalemsgemeinde begeht das Gedächtnis ihrer Gesallenen in einem feierlichen Gottesdienst am morgigen Sonntag, Vormittags 10 Uhr.
Im Wissenschaftlichen Theater der „Urania“ wird Emma Kottmann ihren Vortrag „Im Schwarzwald“ morgen sowie am Tienstag und Sonnabend wiederholen. Am Montag wird der Vortrag „Winter in der Schweiz“, am Mittwoch der Vortrag „In den Bergen Tirols“ wiederholt. Am Donnerstag spricht in der Reihe der Gelehrtenvorträge der Professor Dr. Schmidt aus Jena; er wird zum Gedächtnis von Ernst Haeckel ein Bild seines Lebens und Wirkens geben. Am Freitag wird der Professor Goerke noch einmal seinen Vortrag „Jerusalem und seine heiligen Stätten“ halten. — Im Hörsaal finden nachstehende Vorträge st ti: Mittwoch, Dr. W. Berndt: Kultur⸗ und Wirtschaftsleben auf niederen Stufen“, Donnerstag, Oberleutnant Ritzel: „Flugwesen der Gegenwart und Zukunft“, Freitag, Professor Dr. Keßner: „Die 11u.““ Sonnabend, Professor Dr. Donath: „Ton und
ang“.
In der Treptower Sternwarte finden in den nächsten Tagen folgende Film⸗ und Lichtbildervorträge statt; morgen, Sonn⸗ tag, Nachmittags 3 Uhr: „Christoph Kolumbus“, 5 Uhr: „Aus Großstadtmauern in den Schwarzwald“, Abends 7 Uhr: „Europäische und exotische Jagden“; Dienstag, Abends 7 Uhr: „Astronomie mit dem Opernglas und kleinen Fernrohren“ (Vortrag mit Lichtbildern von Direklor Dr. Archenhold); Sonnabend, den 6. Dezember, Nach⸗ mittags 5 Uhr: „Das Berner Oberland“. — Beobachtungen mit dem großen Fernrohr können täglich bei klarem Wetter von 2 Uhr Nachmittags bis 10 Uhr Abends vorgenommen werden. Führungen durch das astronomische Museum finden in der Zeit von 2 Uhr Nach⸗ mittags bis 8 Uhr Abends statt.
Magdeburg, 28. November. (W. T. B.) Amtlich wird gemeldet: Am 27. d. M. gegen 5 Uhr 15 Minuten Nachmittags wurde am Ueberwege beim Haltepunkt Osterweddinen der Strecke Magdeburg — Halberstadt das Fuhrwerk des Oberamtmanns Schäper aus Sülldorf durch den DH⸗Zug. 29 überfabren. Getötet wurden: Frau Oberamtmann Schäper, Stellmachermeister Müller, Kutscher Hardege, schwer verletzt: Frau Müller, sämtlich aus Sülldorf. Die schwerverletzte Frau Müller wurde mit Sonderzug nach Magseburg gebracht und in das Altstädtische Krankenhaus üdergeführt. Der Unfall ist wahrscheinlich darauf zurückzuführen, daß das Fuhrwerk die niedergehende Schranke noch zu durchfahren versuchte. 88
Wien, 28. November. (W. T. B.) Der „Correspondenz Wilhelm“ zufolge ereignete sich in dem Dorfe Markgraf⸗ Neusiedel bei Wien vergangene Nacht ein schweres Brand⸗ Üund Explosionsunglück in einer Wohnbaracke der Samen⸗ zuchtanstalt Planta. Ueber die Ursache der Explosion ist noch nichts Näheres bekannt. Bisher werden 45 Tote und eine Anzahl Schwerverletzte gemeldet. Es scheint sich um eine verbreche⸗ rische Brandstiftung zu handeln, da in der Brandnacht die Kasse des Raiffeisenvereins erbrochen und vollständig ausgeraubt und im Dorf selbst eine Anzahl Ginbrüche verübt wurden. — Zu dem Brandunglück wird amt lich noch folgendes gemeldet: Von etwa 100 Bewohnern der Baracke sind etwa 50 verbrannt, neun von den Geretteten trugen schwere, etwa 15 leichte Ver⸗ letzungen davon. Wahrscheinlich sind die Verunglückten vor dem schnell fortschreitenden Feuer, das an einem Ende der Baracke aus⸗ gebrochen war, an das andere Ende geflüchtet, dabei im Qualm teil⸗ weise bewußtlos geworden und haben sich selbst die Ausgänge ver⸗ tammelt. Die Ursache des Brandes ist noch nicht völlig aufgeklärt. Eine Explosion von Sprengstoffen scheint ausgeschlossen zu sein. Vermutlich ist das Fener beim Anzünden einer Lampe entstanden.
Wien, 29. Novpember. (W. T. B.) Wie das „Tel.⸗Korr.⸗ Bureau“ erfährt, sind Getreide⸗ und Mehlsendungen aus Triest für Otsterreich im Anrollen, 2000 t Mehl für Wien und 2500 t Getreide für Graz. Noch 10 000 t Getreide in mehreren ohne Unterbrechung einander folgenden Sendungen werden er⸗ wartet. — In der gestrigen Gemeinderatssitzung machte der Bürger⸗ meister Reumann von der Erklärung des Berliner Ober bürgermeisters Wermuth in der Berliner Stadtverordneten⸗ sitzung Mitteilung und gab den Wortlaut folgenden Tele⸗ aramms an den Oberbürgermeister Wermuth bekannt: „Mit tiefer Rührung habe ich Kenntnis genommen von den warmherzigen Worten, die Sie an die Berliner Stadtverordneten richteten. Die freundschaftlichen Gefühle für die Bewohner Wiens, die aus Ihrer zur Hilfstätigkeit auffordernden Rede klingen, sind ein Trost in schwerem Leid. werde Ihre Worte, Herr Oberbürgermeister, dem Wiener Gemeinderate zur Kenntnis bringen und danke IFnen Herr Oberbürgermeister, dem Magistrat und den Stadtverordneten für die Sympathie, die in Ihrer Handlung gelegen ist, wärmstens.“ Ferner verlas der Bürgermeister ein Telegramm des „Heidelberger Tageblatts“, in dem die Aufnahme Wiener Kinder für den Winter in Heidelberg und Süddeutschland an⸗ geboten wurde. Die Mitteilungen des Bürgermeisters wurden mit lebhaftem Beifall aufgenommen.
Handel und Gewerbe.
— Erste Ostdeutsche Textilmustermesse Königs⸗ berg i. Pr. Wie das Meßamt dem W. T. B. mitteilt, ist der erste Versuch des Tertil⸗Einkaufsverbandes „Nordost“ in Königs⸗ berg, eine Messe zu veranstalten, als durchaus gelungen zu betrachten. Die zahlreichen Anmeldungen erster Fabrikanten und Großhändler aus allen Teilen Deutschlands, auch der von der Entente besetzten deutschen Gebiete, sichern dem Unternehmen vollen Erfolg. Die Meßleitung sieht sich aus diesem Grunde dazu genötigt, den Anmeldeschluß, welcher nvisprünglich auf den 1. Januar 1920 fest⸗ gesezt war, früher vorzunehmen und Aussteller, sowert es der Raum estattet, nur noch bis zum 1. Deszember 1915 zuzulassen. Mit der Plätze in allen Sälen der