1“
b Nach einer Meldung des „Wolffschen Telegraphenbüros“ hat Paderewski den Auftrag zur Kabinettsbildung abgelehnt.
Großbritannien und Irland.
1 Die abgeänderten Voranschläge für das Heer sehen nach einer Reutermeldung eine Herabsetzung der Heeresstärke vom 31. März 1920 ab auf 400 000 Mann vor, von denen ein Teil noch demobilisiert wiro
— Im Oberhause wurde das Fremdengesetz bei der zweiten Lesung trotz des energischen Widerstandes der Regferung beträchtlich abgeändert. Wie der „Nieuwe Rotterdamsche Courant“ berichtet, sprach Lord Buckmaster ehr überzeugt gegen die Verfolagung der Fremden. Der Lordkanzler hielt zwar eine gehässige Rede gegen die Deutschen, mußte aber schließlich den Paragraphen, in dem die Ausweisung von früher feindlichen Untertanen geregelt wird, mildern. Auch der Para⸗ graph. der das Gesetz, wenn nötig, auch auf andere, als früher feindliche Untertanen anwendet, fällt weg.
— Im Unterhause erklärte Lord Churchill in Erwiderung
auf eine Anfrage, er habe keinerlei Mitteilungen erhalten, die darauf hindeuteten, daß in Deutschland der Versuch unter⸗ nommen werde, vilden. Alles weise im Gegenteil darauf hin, daß die Stärke des regulären Heeres in allgemeiner Uebereinstimmung mit den Friedensbedingungen herabgesetzt werde.
— Wie die englischen Blätter melden, hielt das Parla⸗
mentsmitglied Kenworthy in Jslington eine Rede, in der
er sagte: 8 1 Sei Abschluß des Waffenstillstandes hätten Lloyd George und
seine Bundes enossen Haß und Krieg in Europa geschürt. Noch immer würde der Haß und die Rache gegen Deutschland gepredigt. Die britische und die französifche geheime auswärtige Politik seien darauf aus, die deutsche Republik in den Augen des deutschen Volkes herabzusetzen und es der milttärischen und royalislischen Partei in Deutschland zu erleichtern, die Macht an sich zu reißen. Dies komme dahet, weil Curzon, Balfour, Churchill und Milner und ihre Partei im Kriegsamt und Auswärtigen Amt die Demokratie haßten und fürchteten, und Deutschland lieber unter dem Kaiser sähen, denn als demokratische Republik.
— In der Londoner Central Hall fand eine von 700 bis 800 Gewerkschaftsabgeordneten besuchte Versamm⸗ lung statt, die einberufen worden war, um die Beschlagnahme der Kohlenbergwerke durch den Staat, die Teuerung, die
rofitmacherei, die Arbeitslosigkeit, die Aufrechterhaltung der Prefimenstpfticht, die britische Politik in Rußland und die Schaffung eines besonderen Arbeiterrates zu besprechen. Blättermeldungen zufolge nahm die Versammlung eine Ent⸗ schließung an, in der erklärt wird, daß, wenn die Regierung bis Februar den Grundsatz der Verstaatlichung der Bergwerke nicht angenommen habe, ein außerordentlicher Kongreß einhe⸗ rufen werde, um die von dem Glasgower Kongreß gestellte Forderung der Aktion durch die Gewerkschaften zur Durchfüh⸗
ingen. Frankreich.
Der Oberste Rat wird während der Clemenceaus keine Sitzungen abhalten.
— Gestern nachmittag hat der General Coanda, der Präsident der rumänischen Friedensdelegation, laut Meldung des „Wolffschen Telegraphenbüros“ den österreichischen und bulgarischen Friedensvertrag unterzeichnet.
— Die amerikanischen Friedensdelegierten Polk, White und Bliß sind gestern in Brest an Bord eines ameri⸗ konischen Dampfers gegangen. 1
Der „Corriere della Sera“ berichtet über den letzten
Ministerrat, daß bezüglich; Fiumes enigegen allen Ge⸗ rüchten nichts erreicht sei und
Ahwesenheit
daß die Verhandlungen fort⸗ dauern. Alle Meldungen über Aenderungen im Kabinett gelten als verfrüht, obwohl wahrscheinlich sei, daß die Minister des
1
8 öffentlichen Arbeiten ersetzt werden. “
Unterrichts, der Justiz, des Ackerbaus, der Finanzen und der
Der Konareß der skandinavischen Linkssozialisten, der von ungefähr 250 Delegierten Schwedens, Norwegens und Dänemarks besucht ist, ist am Montag in Stockholm eröffnet worden. Der Führer der schwedischen Linkssozialisten Heg⸗ lund sprach laut Bericht der „Agence Havas“ zugunsten des Anschlusses an die dritte Internationale, für die Verpflichtung der skandinavischen Regierung, die Beziehungen mit 8g Rußland wieder aufzunehmen, und die Entsendung von Hilfs⸗ mitteln an Sowjet⸗Rußland, hefit
Amerika. 8
Die Denkschrift über die mexikanische Frage, die dem Präsidenten Wilson am Freitag vom Senator Fall vor⸗ gelegt worden ist, sagt nach dem „Nieuwe Courant“ u. a: ¹Von mexikanischen Extremisten und amerikanischen Revolutionären würde die Inszenierung eines allgemeinen Bergarbeiter⸗ und Metall⸗ arbeiterstreiks in den Vereinigten Staaten geplant, der dazu benutzt werden sollte, in den Vereinigten Staaten durch Besetzung eines Hafens an der atlantischen Küste und zweier Häfen am Stillen Ozean und durch Errichtung einer neuen Hauptstadt in Colorado eine Revo⸗ lution hervorzurufen. Die Mexikaner sollten die Grenze der Ver⸗ einigten Staaten befetzen. Das Grenzgebiet sollte im Austausch für die mexikanische Hilfe eventuell an Mexiko abgetreten werden.
Fall versichert, daß die Regierung Carranzas von diesen Plänen gewußt und sie unterstützt habe.
Arbeitsstreitigkeiten. 1“
Die Verhandlungen des Gewerkschaftsbundes der Angestellten von Handel und Industrie in Magdeburg über Wirtschaftsbeihilfe und Erhöhung der Gehalts⸗ sätze mit den Vertretern der Arbeitgeber sind, wie „W. T. B.“ mitteilt, gescheitert. In einem Telegramm an den Reichsarbeitsminister erbitten daher die Angestellten die Ein⸗ setzung eines Schiedsgerichts, da sie den von den Arbeitgebern ein⸗ berufenen örtlichen Schlichtungzausschuß ablehnen. Sie betonen, daß eine Verschleppung eine allgemsine Arbeitseinstellung bringen würde.
In einer am 9. d. M. in Hamburg abgehaltenen Ver⸗
sammlung der freigewerkschaftlich organisierten Arbeiter der
Vulkanwerke berichtete „W. T. B.“ zufolge ein Mitglied des Betriebsrats, daß nach den Abmachungen des Betriebsrats mit der Direktion 509 Arbeiter nicht wiedereingestellt werden. Außerdem sei
erfährt,
iche das Heer für Angriffszwecke neu zu staatlicher
gangsbilanzen der
stieß aber auf heftige Opposition.
eine von der Direktion ausgearbeitete Arbeitsordnung anzuerkennen.
Den Wiedereinzustellenden solle eine Entschädigung gewährt werden,
die die Erwerbslosenunterstützung übersteigt. Die Versammlung er⸗
klärte sich mit den Maßnahmen einverstanden.
Die Verhartung der ehemaligen Mitarbeiter des „Socialiste Belge“ in Antwerpen hat, wie „W. F. W. in der Arbeiterschaft von Antwerpen Aufregung hervor⸗ gerufen. Die Metallarbeiter und die Dockarbeiter ver⸗ sangen die Freilassung von Longueville und Luys, die Angestellte der Gewerkschaften sind, und drohen mit dem Allgemeinausstand. Nach einer weiteren Meldung wurde vorerst ein Allgemeinausstand von 24 Stunden bheschlossen, der gestern ablief. Die Arbeit wurde dann überall in normaler Weise wieder aufgenommen. — Der Justiz⸗ minister Nandervelde hat erklärt, er könne in das schwebende Ver⸗ fahren nicht eingreifen.
Literatur.
— Die Grundgedanken der deutschen Preis⸗ politik im Weltkrieg 1914 —18 von Dr. Walter le Coutre. (Verlag der Haude & Spenerschen Buchhandlung von Max Paschke, Berlin SW. Geh. 8 ℳ.) Sie Schrift enthält eine kurz ge⸗ faßte Uebersicht über die während des Krieges getroffenen Maß⸗ nahmen auf dem Gebiete der Preispolitik sowie über ihre Motive und praktischen Erfolge. Sie legt dar, aus welchen Erwägungen heraus zunächst zögernd und tastend eine Beeinflussung der Preise von Seite versucht worden ist, nach welchen Gesichts⸗
punkten hinsichtlich der Elemente der Preisbildung über⸗
haupt sich der Aufbhau vollzog und welche Ziele mit der Preispolitik Mittelpunkt dieser Beeinflussung
erstrebt wurden. Als theoretischen bezeichnet der Verfasser das Streben nach dem angemessenen Preis. Im einzelnen behandelt die Schrift weiter die Preispolitik gegen⸗ üͤber den verschiedenen Erwerbszweigen (Landwirtschaft, Industrie, Handel) sowie die technische Durchführung der Preispolitik. Den⸗ jenigen, die sich eingehender mit den einschlägigen Fragen befassen, dürfte die Schrift des den behandelten Fragen als Hilfsarbeiter in der wirtschaftlichen Abteilung des Reichsernährungsministeriums nahe⸗ stehenden Verfassers zustatten komamen.
— Die Bilanz vom Standpunkt der Unter⸗ nehmung von Dr. Wilhelm Osbahr (Verlag der Staude u. Spenerschen Buchhandlung, Berlin SW). Unübersehbar ist die Literatur über das Bilanzproblem, von unendlicher Mannig⸗ faltigkeit sind die Bestrebungen, einheitliche Gesichtspunkte auf⸗ zustelen, um die Verschiedenartigkeit der Meinungen unter einen Hut zu bringen. Auch das Buch des Verfassers stellt einen Versuch in dieser Richtung dar; daß er sich selbst der Schwierigkeit des ganzen Problems bewußt gewesen, beweist seine am Schlusse des ersten Ab⸗ schnittes, der den bisherigen Stand des Bilanzproblems behandelt, aufgeworfene Frage: Kann man überhaupt an eine Lösung des Bilanzproblems glauben? Und wenn ja: welchen Ausgangspuntt muß man wählen, um zu ihr zu gelangen? Der Verfasser glaubt, die erste Frage bejahen zu können. Er sieht den springenden Punkt in dem volkswirtschaftlichen Motiv der Förderung des öffentlichen Wohles. Das Interesse der Unternehmung, d. h. ihre größtmöglichste Lebensdauer und ihre kräftigste Wirkungsfähigkeit, und die daraus entspringenden betriebswirtschaftlichen Notwendigkeiten bezeichnet er als leitenden Gesichtspunkt des Bilanzproblems, um diese Stellung im zweiten Teil seiner Schrift eingehender darzulegen. Welchen Standpunlt man auch immer im einzelnen zu den Aus⸗ führungen des Verfassers einnehmen mag, in jedem Falle bildet das Buch einen wertvollen Beitrag zu dieser schwierigen Materie und dürfte besonders Studierenden der Handels⸗, Rechis⸗ und Staats⸗ wissenschaften für ihre Weiterbildung in diesen Fragen will⸗ kommen sein. B
— Hauptsteuerfragen der Kriegs⸗ und Ueber⸗ Aktiengesellschaften, Berg⸗ gewerkschaften und Gesellschaften mit beschränkter Haftuna behandelt eine kleine Schrift von Rechtsanwalt Dr. Richard Rosendorff, Berlin, die als Heft 7 der von Dr. Max Lion, Berlin, in zwangloser Folge hberausgegebenen Zeitgemäßen Steuerfragen“ (Verlag von Kranz Vahlen, Berlin) erschienen ist. Bei dem starken Flusse der Steuergesetzgebung tauchen beständig neue wichtige Tagesfragen auf, deren unmittelbare sachkundige Erörterung für weiteste Kreise erwünscht ist. Diesem Zwecke sollen die „zeit⸗ gemäßen Steuerfragen“ dienen, deren vorliegendes Heft in alpha⸗ betischer Reihenfolge die einschlägige Materie, für die die Steuer⸗ fragen der Kriegs⸗ und Uebergangsbilanzen von Bedeutung sind, erörtert und dazu Stellung nimmt. Die Gesellschaften werden einer⸗ seits auf die Wege gewiesen, auf denen sie im Rahmen der Gesetze und unter Benutzung der gesetzlichen Einrichtungen vor ungerecht⸗ fertigten Steuern sich schützen können, andererseits aber guch darüber aufgeklärt, in welchen Fällen etwaige Ansprüche auf Steuerfreihe im Gesetze keine Stütze finden. “ 8
Verkehrswesen.
Der Fernverkehr ist für sämtliche Teilnehmer des Amtes Steinplatz seit gestern abend wieder zugelassen. Ferngespräche find von den bereits wieder Anrufmöglichkeit nach dem Amte be⸗ sitzenden Teilnehmern in gewöhnlicher Weise beim Fernamt anzu⸗ melden. Alle anderen Teilnehmer des Amtes müssen die Anmeldung schriftlich an das Fernsprechamt Charlottenburg (Steinplatz) oder an das Fernsprechamt 1 Berlin, Französische Straße (Fernamt), richten.
Theater und Musik. 8
Die morgen, Freitag, um 12 Uhr, im Opernhause stattfindende Mittagsveranstaltungzum Besten dernotleidenden Kinder Wiens wird der gesamten. Oeffentlichkeit nochmals auf das Eindringlichste in Erinnerung gebracht. — Abends wird „Violetta“, mit Fräulein Artôt de Padilla und den Herren Hutt, Schlusnus, Philipp, Läcke, Bachmann besetzt, unter der Leitung des
würfen des Malers Emil
Kapellmeisters Urack aufgeführt. Anfang 7 Uhr.
Im Schauspielhause geht morgen — „Wilhelm Tell“ in Szene. Die Besetzung lautet: Tell: Albert Bassermann; Werner Stauffacher: Eduard von Winterstein; Getzler: Fritz Kortner; Attinghausen: Arthur Kraußneck; Ulrich von Rudens; Kurt Ehrle; Rösselmann: Leopold von Ledebur; Parricida: Artur Retzbach; Gertrud: Mathild. Sussin; Hedwig: Rosa Pategg; Bertha: Mar⸗ garete Neff; Armgart: Emilia Unda. Szenischer Leiter ist Leopold Jeßner. Die Bühnenhilder und Gewäͤnder sind nach Ent⸗ Pirchan angefertigt. Die zur Handlung neu komponierte Musil stammt von Erwin Lendvai. Beginn der Vorstellung 7 Uhr.
neueinstudiert
Mannigfaltiges.
Gestekn mittag fand hiesigen Blättern zufolge im Wintergarten eine Einspruchsversammlung der Berliner Gast⸗
wirte gegen die Veroronung über die Wuchergerichte statt.
Es wurde eine Entschließung gefaßt, nach der, falls die Ver⸗ ordnung nicht bis zum 16. d. M aufgehoben sein sollte, vom 18. d. M. ab der Betrieb in Hotels, Fremdenheimen, Wein⸗ und Bierwirt⸗ schaften, Kaffeehäusern und Konditoreien völlig eingestellt werden soll.
In Warnemünde sind nach einer dem „W. T. B.“ über⸗ mittelten Mitteilung des Roten Kreuzes neben 300 Ungarn auch etwa 100 reichsdeutsche Rückwanderer aus den Vereinigten Staaten von Nordamerika angekommen. Glücklicherweise boten sie nicht das unendlich trau ige Bild wie sonst die Flüchtlinge, die von Deutschla ds Feinden aller ihrer Habe beraubt nach jahre schmachvoller und ent⸗ behrungsreicher Internierung Vaterland zurückkehren.
Es war
ihnen in den Vereinigten Staaten meist zut ergangen, aber trotzdem war die Freude, das Vaterland wieder⸗ usehen, nicht weniger groß. Sie wurden von Roten Kreuz und dem Emprangsaus chuß in Warnemünde freundlich empfangen und fanden, soweit sie nicht die Gasthöfe des Ortes vorzogen, Unterkommen und Verpflegung im Durchgangslager Warnemünde, das die Militär⸗ verwaltung dem Roten Kreuz für diesen Zweck in entgegenkommender Weise zur Verfügung gestellt hatte. Sie bezeugten ihre Dankbarkett für diesen Empfang nicht nur mit Worten, sondern durch eine im⸗ provisierte reichliche Sammlung für das Rote Kreuz.
Vier Exverimentalvorträge des Physikers Dr. Wilhelm Volk⸗ mann finden in der Treptow⸗Sternwarte statt, und zwar werden folgende Themen behandelt: Sonnabend, den 13. De⸗ zember, Abends 7 ½ Uhr: Auge, Brille, Fernrohr, Mikrolkop (Ueber⸗ sicht ihrer Einrichtung und Wirkung), Sonthbend, den 27. zember, Abends 7 ½ Uhr: Fernrohr und Mikroskoy (Der Weg ihrer Vervollkonmnung), Sonnabend, den 10. Jenuar 1920, Abends 7 ½ Uhr: Das photograp ische Objektiv und die Trockenplatte, ¹
8 2 He⸗
Sonn⸗ abend, den 24. Januar 1920, Abends 7 ½ Uhr: Die Leistungsgrenze von Auge, Ferarohr und Mikroskop. Jeder einzelne Vortrag ist in sich abgeschlossen. Karten sind in der Treptow⸗Sternwarte und in der Auskunftsstelle der Treytow⸗Sternwarte, Berlin W. 9, Potsdamer⸗ Straße 138a (nahe Potsdamer Platz) erhältlich.
Zu einer Schießerei zwischen Kriminalbeamten und Posträubern, die auf dem Postamt!7 am Schlesi⸗ schen Bahnbhof am 14. November zwei Kisten mit Wertsendungen in Höhe von 138 000 ℳ entwendet hatten, kam es, hiesigen Blättern zufolge, am Dienstagabend in der Guineastraße 39, wo nach den Ermittlungen der Polizei die Diebe wohnten. Als die Kriminal⸗ beamten Abends 9 Uhr dort erschienen, wurden sie mit Pistolen⸗ schüssen empfangen, durch die drei Beamteschwer verletzt wurden. Die Täter konnten entfliehen. — Ein in derselben Nacht ver⸗ suchter Raubanfall, auf das Bahnpostamt am Anhalter Bahnhof wurde von der Poltzei rechtzeitig verbindert. Ein Postfahrer hatte sich mit einem arbeitslosen Schlosser und einem unbekannten Dritten zusammengetan, um eine Wertsendung, die vom Postamt in einem Postwagen verladen werden sollte, zu rauben. Die Räuber hatten dazu zwei Militärkraftfahrer gedungen, die scheinbar auf den Plan eingingen, ihn aber der Polizei meldeten. Dadurch gelang es, die Verbrecher auf frischer Tat zu fassen. Beider Ver⸗ haftung wurde der schuldige Postfahrer, der sich zuc Wehr setzen wollte, durch einen Beinschuß verletzt.
Hagen, 10. Dezember. (W. T. B) Der Deutsche Ver⸗ legerverband (Lokalpresse) faßte eine Entschließung, welche angesichts der fortwährenden Steigerung aller Materialien⸗ preise, Löhne und Gehälter die dringende Forderung erhebt, die Bezugs⸗ und Anzeigenpreise neu festzusetzen, sodaß ein Ausgleich geschaffen wird.
Hamburg, 10. Dezember. (W. T. B.) Wie aus Cux⸗ haven berichtet wird, ist die Besatzung des Leichters „Halstad 3“, den der schwedische Schlepper „Holger“ vor mehreren Tagen beim Feuerschiff Amrumbank verloren hat, in der Nordsee aufgefischt und bei Grimoͤby gelandet worden. 1b
Freiburg im Breisgau, 11. Dezember. (W. T. B.) Im Schwarzwald ist bei überaus starkem Schneetreiben das Thermometer auf den Höhen bis zu zwanzig Grad unter Null gesunken. In den Tälern steht es auf ungefähr zehn Grad unter Null.
London, 10. Dezember. (W. T. B.) Laut Reutermeldung haben 500 Waziris einen Eisenbahnzug in der Nähe von Thal an der Nordwestgrenze Indiens angegriffen 36 Reisende gerötet und 50 verwundet. “
— —— 8 8
(Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten und Zweiten Beilage.)
Theater.
Opernhaus. (unter den Linden.) Freitag: Mittags 12 Uhr: 4. Kartenreservesatz. Der Dauerbezug, die ständig vor⸗ behaltenen fowie die Dienst⸗ und Freiplätze sind aufgehoben. Mittags⸗Aufführung zum Besten der notleidenden Kinder Wiens. (Erhöhte Preise.) — Abends: 258. Dauer⸗ bezugsvorstellung. Dienst⸗ und Freiplätze sind aufgehoben. Violetta. (La Traviata.) Ovper in vier Akten von Giuseppe Verdi. Text von Piave. Mustkalische Leitung: Otto Urack. Spielleitung: Karl Holy. Anfang 7 Uhr.
Sch auspielhans. (Am Gendarmenmarkt.) Freitag: 275. Dauer⸗ bezugsvorstellung. Dienst⸗ und Freiplätze sind aufgehoben. Neu ein⸗ studiert: Wilhelm Tell. Schauspiel in fünf Aufzügen von Friedrich Schiller. Spielleitung: Leopold Jeßner. Anfang 7 Uhr.
Sonnabend: Opernhaus. 259. Dauerbezugsvorstellung. Dienst⸗ und Freiplätze sind aufgehoben. Susannens Geheimnis. Inter⸗ mezzo in einem Akt nach dem Französischen von Enrico Goltsciani. Deutsch von Max Kalbeck. Musik von Ermanno Wolf⸗Ferrari. — Vorher Klein Idas Blumen. Ballett in einem Aufzug nach dem Märchen von H. C. Andersen von Paul von Klenau. — Nachher: Silhouetten. Tanzszenen von Schatten zu Licht. Ent⸗ worfen und einstudiert von Heinrich Kröller. Anfang 7 Uhr.
Schauspielhaus. 276. Dauerbezugsvorstellung. Dienst⸗ und Freiplätze sind aufgehoben. Wilhelm Tell. Schauspiel in fünf Aufzügen von Friedrich Schiller. Spielleitung: Leopold Jeßuer. Anfang 7 Uhr.
Familiennachrichten.
Verlobt: Frl. Gerda Dolscius mit Hrn. Oberförster Leutnant d. R. Gerhard Miebes (Graetz —Eichenhorst). Verehelicht: Hr. Major im Generalstabe Peter Paul Beckerr
mit Mone Elisabeth Freiin von Saß (Breslau). Gestorben: Hr. Landrat a. D. Geheimer Rat Ernst von Kropff
(Zeutsch).
Verantwortlicher Schriftleiter: Direktor Dr. Tyrol. Charlottenburg.
Verantwortlich für den Anzeigenteil: Der Vorsteher der Geschäftsstelle, 8 Rechnungsrat Menaerina in Berlin. b
Verlag der Geschäftsstelle (Mengerina) in Berlin. Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlagsanstalt. Berlin. Wilhelmstraße 32. Fünf Beilagen b (einschließlich Börsenbeilage) 1 und Erste, Zweite und Dritte Zentral⸗Handelsreaister⸗Beilane.
2
sowie die Inhaltsangabe Nr. 49 zu Nr. 53 8 des öffentlichen de 8
111““
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No. 284.
“
Dentsche Nationalversammlung in Berlin.
125. Sitzung vom 9. Dezember 1919.
“ Nachtrag. ““ ie Rede, die bei der zweiten Beratung des Gesetz⸗ 1 über 81 CCCCE der Reichs⸗ ister der Finanzen Erz ger geh ia⸗ 8 n zberger gehalten hat, hatte
Meine Damen und Herren! Der Herr Vorredner hat geglaubt, daß die Regierung und der Finanzminister sich bemühen würden, den Abg. Hugenberg totzuschlagen. Das ist ganz überflüssig. Nach der Rede, die der Herr Abgeordnete heute gehalten hat, ist er für die Regierung überhaupt politisch tot. (Lebhafte Zustimmung bei den Mehrheitsparteien, Lachen rechts.)
Der Herr Abg. Dr. Hugenberg hat den sonderbaren Mut gehabt, von der Tribüne des Reichstags aus in wohlvorbereiteten Rede⸗ wendungen zunächst zu behaupten, durch das Reichsnotopfer liefere die deutsche Sozialdemokratie die Arbeitskraft des Arbeiters der Lohn⸗ sklaverei für den Fremden aus. Es ist nicht meine Aufgabe, die deutsche Sozialdemokratie dagegen zu verteidigen. (Zurufe von den Sozi ldemokraten: Das werden wir schon machen!) Das werden Sie schon selbst besorgen.
Dann aber fuhr er fort und sagte, es sei ihm schwer, diesen Satz auszusprechen. Ein Mitglied des Hauses rief ihm zu: Dann, bitte, lesen Sie das vor, was Sie niedergeschrieben haben! Diesem Wunsche ist auch Rechnung getragen. Herr Dr. Hugenberg führte aus, mir, dem Finanzminister, gegenüber, ich möge nicht hintenherum, sondern möge gleich offen dafür Sorge tragen, daß die Feinde gleich das Ruhrgebiet besetzen. (Lebhafte Pfuirufe bei den Mehrheitsparteien. Zurufe rechts: Weiterlesen!) Gut! Herr Hugenberg sagte: „Dann lassen Sie den Feind gleich das Ruhrgebiet besetzen.“ Meine Herren, soweit in diesem unerhörten Satz, in einer Nationalversammlung ausgesprochen, eine persönliche Verdächtigung liegt, so reicht die Person des Sprechers und der Vorwurf, den er erhoben hat, nicht an meinen Stiefelabsatz heran. (Bravo! bei den Mehrheits⸗ parteien.) Ich habe namens der Regierung den schärfsten Protest gegen diese geradezu unelhörte, das nationale Gefühl des deutschen Volks aufs schwerste verletzende Aeußerung hier zum Aus⸗ druck zu bringen. (Lebhafter Beifall hei den Mehrheitsparteien. Unruhe rechts.) Von all den schweren Lasten, die der Friedensvertrag durch die Macht des Feindes uns aufgezwungen hat, ist zweifellos die härteste und unser Volk am schwersten bedrückende die fremde Okkupation. (Lehhafte Zustimmung.) Im jetzigen Augenblick stehen wir mit dem Feind in sorgenvollen Verhandlungen. (Hört! hört! hei den Sozialdemokraten.) Die Note ist Ihnen bekannt, in deren Schlußabsatz der Feind wiederum androht, falls wir bestimmte Be⸗ dingungen nicht übernehmen, er weitere militärische Maßnahmen er⸗ greifen werde. Diese militärischen Maßnahmen können nach den Ententepressemeldungen schließlich nur in der Besetzung weiteren deut⸗ chen Gebieis bestehen. Und in diesem Augenblick, wo wir hier daran sind, die Frage zu entscheiden, ob der Besitz in Deutschland von feinem Vorrecht etwas für die Allgemeinheit abgeben soll, bringt es ein Abgeordneter der deutsch⸗nationalen Volkspartei fertig, mit dem Gedanken zu spielen und zu sagen: „Dann lassen Sie lieber gleich den Feind das Ruhrgebiet besetzen.“ (Lebhafte Pfui⸗Rufe bei den Mehrheitsparteien. — Unruhe rechts.) In diesem Augenblick bringt es ein Abgeordneter der deutschnationalen Volkspartei über sich, mit dem Gedanken auch nur zu spielen, daß weiteres wertvolles deutsches Land der feindlichen Gewalt ausgeliefert werden soll. Die Erregung des Hauses und die Zwischenrufe haben bereits die Antwort gegeben, die ein solches nicht näher zu bezeichnendes Verhalten verdient. Im Rheinland selber aber, wo man zittert zu dieser Stunde, links vom Rhein, wo man kennt, was es heißt, unter feindlicher Macht leben zu müssen (lebhafte Zustimmung bei den Mehrheitsparteien), dort wird man das rechte Empfinden für die Persönlichkeit haben, die aus dem Rheinland in das sichere Mitteldeutschland ihren Wohnsitz ver⸗ legt hat. (Sehr gut! links. — Große Unruhe rechts.) Wenn ein Mitglied von einer anderen Seite dieses Haufes auch nur den zehnten Teil — (andauernde Unruhe und erregte Zurufe rechts) — ach die Herren glauben, sie könnten mich durch Zwischenrufe reizen, nein, das gelingt Ihnen nicht. (Andauernde Zurufe rechts.) Meine Herren, ich sage, wenn ein Mitglied von einer anderen Seite dieses Hauses auch nur den zehnten Teil einer solchen vaterlandsfeindlichen Aeußerung in dirsem Moment getan hätte, dann hätte ich die Entrüstung auf der äußersten Rechten hören mögen gegen einen solchen Landesver⸗ räter. (Sehr wahr! bei den Mehrheitsparteien. — Große Unruhe und stürmische Zurufe rechts. — Zurufe links: Ruhe! — Andauernde große Unruhe rechts. — Glocke des Präsidenten.)
Nach einer Bemerkung des Präsidenten fährt der Reeichsminister der Finanzen Erzberger fort: Ich bestätige dem Herrn Präsidenten, daß ich selbstverständlich nicht subjektiv dem Herrn Abg. Hugenberg unterstellte, daß er vaterlandsfeindlich und landes⸗ verräterisch gehandelt hat: ich stelle aber die objektive Wirkung aus diesen seinen Behauptungen fest. (Sehr wahr! pei den Mehrheits⸗ parteien. — Zurufe rechts.) — Jawohl, ich nehme es ja nicht
Meine Herren, das alles wird nicht gesagt in einem Moment, wo eine Nationalversammlung entscheidet, ob sie den Frieden an⸗ nehmen sfoll oder nicht, das wird nicht gesagt in einem Moment, wo die Nationalversammlung berufen ist, zu entscheiden, welche Antwort sie auf die neue Ententenote geben soll, sondern es wird gesagt in einem Moment, wo wir daran gehen, den Besitz in Deutschland zu belasten. (Sehr gut! bei den Sozialdemokraten. — Zurufe rechts.) Diesen Moment ausgerechnet sucht der Abg. Dr. Hugenberg aus, um mit solchen Gedanten, wie ich nochmals sage, zu spielen. Ich bin fest überzeugt, daß die ungeheuere Mehrheit unseres Volkes mit solchen
ichsa
eines Beweises dafür zu erbringen.
nzeiger und Preußische
Berlin, Donnerstag, den 11. Dezember
Gedanken nichts gemein hat, (sehr wahr! bei den Mehrheitsparteien) daß sich das deutsche Volk mit aller Macht dagegen wehrt, daß in irgendeiner Form auch nur dem Gedanken näher getreten werden könnte, daß weiteres deutsches Gebiet in des Feindes Macht gelegt werden soll. (Sehr richtig! bei den Mehrheitsparteien. — Erregte Zurufe rechts: Soll? Glocke des Präsidenten.)
Präsident: Ich bitte nun entschieden um mehr Ruhe! Wenn der Herr Minister diese Aeußerung wiederholt hat, so ist es mit dem Sinne der hier im Stenogramm festgelegten Aeußerung im wesentlichen übereinstimmend, (lebbafte Zustimmung bei den Mehr⸗ heitsparteien, lebhafter Widerspruch rechts) wenn gesagt wird: o soll man doch das Ruhrgebiet lieber gleich besetzen lasseu. (Andauernde Unruhe rechts.) — Lch bitte nunmehr um Rahe; Ich mache darauf aufmerksam: die Verhandlungen des Hauses müssen in Ordnung weitergeführt werden, zu solchen Verhandlungen gidt die Beratung über ein Steuergesetz keinen Anlaß. (Sehr richtig! bei den Mehr⸗ heitsparteien.) Ich werde strengstens darauf achten, daß nunme hr die Redefreiheit des einzelnen Redners gewahrt wird, und daß Ruhe bei den Verhandlungen herrscht. Ich bitte, unnötige Zischenrufe auf allen Seiten des Hauses zu unterlassen!
Reichsminister der Finanzen Erzberger (fortfahrend): Meine Damen und Herren! Ich bin dem Herrn Präsidenten dafür dankbar, daß er durch die Feststellung des Wortlautes der Hugenbergschen Aeußerung das bestätigt hat, was ich unmittelbar vorher ausgeführt habe. (Lebhafte Zustimmung im Zentrum und links; Unruhe rechts.) Ich gebe namens der Regierung dem tiefsten Schmerz und dem Bedauern darüber Ausdruck, daß eine solche Aeußerung in der National⸗ versammlung überhaupt fallen konnte. (Bravo! bei den Mehrheits⸗ parteien.) Dies schmerzliche Bedauern ist um so größer, als die Aeußerungen gerade im jetzigen Moment gefallen sind, wo es vielleicht durch den Draht über den ganzen Erdball dahinrollt, wo wir wiederum aufs neue vor der Frage stehen: soll das deutsche Volk die neue Note der t „Entente annehmen oder nicht? soll es die neu⸗ angedrohten Gewaltmaßnahmen über sich ergehen lassen oder nicht? oder soll versucht werden, in dieser kritischen Stunde zwischen der deutschen Regierung und dem deutschen Volke einerseits und der Entente andererseits eine Vermittlung zu finden? (Wiederholte leb⸗ hafte Zustimmung bei den Mehrheitsparteien.) Den Schaden, der sich für die Gesamtheit unseres Volkes aus einer solchen Aeußerung ergibt, trägt allein derjenige, der diese schwerwiegenden Sätze in dieser schweren Stunde unseres Volkes gesprochen hat. (Große Unruhe und Zurufe rechts; erneute Zustimmung bei den Mehrheitsparteien.) Damit verlasse ich diese hochpolitische Angelegenheit mit dem noch⸗ maligen Ausdruck des Bedauerns, daß bei der Beratung über das Reichsnotopfer eine solche Aeußerung überhaupt hier fallen konnte.
Der Herr Abgeordnete Dr. Hugenberg hat aber weiter gegen die Regierung den Vorwurf erhoben, sie wolle die Last der Verantwortung los werden und suche daher nach allen möglichen Entlastungen. Diese Behauptung ist eine ganz unbewiesene und nicht zu bewertsende. Die Regierung trägt in ihrer Totalität die gesamte Verantwortung für alle Maßnahmen der Regierung, und sie hat nie und keinen Augenblick darüber Zweifel gelassen, daß sie sich von dieser Verantwortung nicht entlasten will. Wenn sie mit ihrer Stellung⸗ nahme nicht mehr die Zustimmung der Mehrheit der Nationalver⸗ sammlung finden würde, dann würde sie ganz konsequent nach unserer Verfassung die Folgerungen ziehen, die sich ganz von selbst daraus ergeben. (Zuruf rechts: Neuwahlen!) Darum kann niemand in diesem Hause behaupten, wir wollten die Last der Verantwortung los werden und die Verantwortung nicht tragen. Ich will allerdings nicht untersuchen, inwieweit es der Regierung angenehm oder moͤglich gemacht wird, überhaupt die Last der Verantworrung zu tragen.
Der Herr Abgeordnete Dr. Hugenberg hat weiter behauptet, und zwar ohne die Spur eines Beweises, wir hätten „eine korrupte öffentliche Verwaltung“. Ich sehe dem Beweis für solche unbewiesene verallgemeinernde Anklagen gegen die Regierung entgegen; denn es ist eine Verleumdung der Revierung, wenn behauptet wird, wir hätten eine korrupte öffentliche Verwaltung und täten nichts dagegen. Wenn eine solche Behauptung überhaupt ausgesprochen wird, dann hat jedes Mitglied des Haufes, das diesen Satz ausspricht die Pflicht, hier von dieser Tribüne der Nationalversammlung aus oder auf andere ihm angenehme Weise, wie es ihm beliebt, den Beweis für diese Behauptung anzutreten. Wenn dieser Satz hier ausgesprochen wird ohne den Versuch des Beweises, ohne daß ein Be⸗ weis nachgeholt wird, so ist er im In⸗ und Auslande für das ganze deutsche Finanzwesen und Wirtschaftsleben und für die Auto ität der Regierung gegenüber den Feinden von geradezu verheerender Wirkung. (Lebhafte Zustimmung bei den Mehr⸗ heitsparteien.) Ich kann darin nicht das Maß von Verantwortung finden, das auch ein Mann der Opposition in diesen schweren Tagen gegenüber der Gesamtheit des Volkes zu tragen hat. (Wieder⸗ holte Zustimmung bei den Mehrheitsparteien; Unruhe und Zurufe rechts.)
Der Vorredner behauptet, wiederum ohne die Spur eines Be⸗ weises — und ich bezeichne die Behauptung direkt als eine blanke Unwahrheit —, der Reichsfinanzminister Erzberger denke jetzt schon an die Verpfändung unserer Eisenbahnen. Ich habe einen solchen Satz nie ausgesprochen und habe an einen solchen volkswirtschaftlichen Unsinn überhaupt nie gedacht. Trotzbdem kommt der Herr Abge⸗ ordnete Hugenberg und stellt diese Behauptung auf, ohne eine Spur Er kann auch keinen Beweis Bin ich die „Germania“? Zurufe rechts. — Glocke des Präsidenten.) (Präsident: Ich bitte um Ruhe!) Meine Herren, ich höre den Zwischenruf „Germania“!. Es ist, mir sehr interessant, wie die Herren hier arbeiten. In der „Germania“ soll — ich habe ihn selbst nicht gelesen — ein Artikel mit solchen Ratschlägen erschienen sein. Die „Germania“ hat aber dann selbst dementiert, daß der Abge⸗ ordnete oder der Minister Erzberger irgendetwas mit diesen Plänen zu tun habe. (Hört! hört! im Zentrum und links.) Alo den Vorder'atz verbreiten Sie in der Welt, aber das Dementi geben Sie
dafür (Andauernde
antreten. (Zurufe rechts.)
nicht w
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Der Abgeordnete Hugenberg wirft weiter der Regierung vor, daß sie das Schiebertum züchte, begünstige und fördere. Er sprach dabei von einer Art Hausierer, den man vorn hinauswerfe, der aber zur Hintertür wieder hereinkomme. Das Geburtsjahr des deutschen
Schiebertums ist das Jahr 1914 (lebhafte Zustimmung bei den
Mehrheitsparteien — Widerspruch rechts) — das Jahr 191 * (Wiederholte Zustimmung.) Damals ist es entstanden (andauernder Widerspruch und Zurufe rechts), wo allein durch Telephongespräch⸗
Hunderttausende verdient worden sind. Das sind Tatsachen, die
niemand in Abrede stellen kann. den Satz ausspricht
Wenn man während des Kriez — — ich mache den Herren, die ihn ge⸗ praägt haben, keinen Vorwurf daraus, sondern stelle
die Tatsache fest —: „wir brauchen Kriegsmaterial“ — wissen wer den Satz geprägt hat! — „Geld spielt keine Rolle,“ war das der fruchtbare Boden, auf dem das verwerfliche Schiebertunr emporkommen konnte. (Lebhafte Zustimmung bei den Sozialdemokraten.) Nun hat die Nationalversammlung der Regierung neben vielen Macht⸗ mitteln gegen das Schiebertum unter anderen mit großer Mehrheit die Reichsabgabenordnung genehmigt, durch die wir weitgehende Meis⸗ nahmen gegen das Schiebertum treffen können, und Sie wissen, daß mehrere Mitglieder aus der Mitte und von links wiederholt erklärt haben, sie gäben di se weitgehenden Maßnahmen der Regierung nur⸗ damit diesem entsetzlichen Elend im deutschen Erwerbsleben begegnet werden könne. Wer aber hat uns die Machtmittel dagegen versagt und die Reichsabgabenordnung abgelehnt? Die Freunde des Herrn Abg. Dr. Hugenberg! (Stürmische Zustimmung bei den Mehrheits⸗ parteien. Erregte Zurufe rechts.) — Sie haben uns die Mach! mittel zum Kampfe gegen das Schiebertum verweigert — das will ich hier zum Ausdruck bringen! (Rufe rechts: Nicht wahr!)
Der Herr Abgeordnete Hugenberg geht weiter dazu über — ich kann mich nur kurz mit seinen Ausführungen befassen —, der Re⸗ gierung mangelnde Fürsorge für das Beamtentum vorzuwerfen, wo⸗ mit er das Beamtentum gegen die Regierung einzunehmen versucht. Das wird dem Abgeordneten Hugenberg nicht gelingen, denn die große Masse des deutschen Beamtentums weiß, wo seine Freunde sind. Ich speziell nehme als Reichsfinanzminister für mich in An⸗ spruch, daß ich den begründeten Wünschen der Beamtenschaft in weitestgehendem Umfange nachgekommen bin. Die Beschaffungs⸗ beihilfe — ich führe das als Reichsfinanzminister an — vom Juli,
August und September 1918 wäre bei der Opposition der Ländei und der Finanzminister der Einzelstaaten ohne die energische Ein
wirkung des Reichsfinanzministers nicht genehmigt worden. Ich hab⸗ kürzlich hier mitgeteilt, daß ich Anordnung getroffen habe, — und ich werde dieses Versprechen halten —, daß die neue Besoldungsordnung mit ausreichenden Erhöhungen der Besoldungssätze unseret Beamten Ihnen so zeitig zugehen wird, daß sie mit dem 1. April 1920 in Kraft treten kann. Ich wüßte nicht, was in der Zwischenzeit von dem Reichsfinanz⸗
minister mehr getan werden konnte, wobei ich noch hinzufüge, daß ich jeden Tag einer Reihe von Einzelwünschen des Beamtentume
entgegenkomme. Da wirft man uns mangelnde Fürsorge für dae Beamtentum vor.
Weiter sagt der Herr Abgeordnete Dr. Hugenberg: der Finanz⸗ minister scheint sich bisher wenig um die Herabminderung unseree schwebenden Schuld zu kümmern. Ich werde nachher noch im Zu⸗
sammenhang darauf zu sprechen kommen. Als ich im Juli in Weimar
zuerst ausführte, die fundierte Kriegsanleihe mache mir nicht so vie
Sorge, denn sie könne nicht gekündigt werden und ich hätte nur fie ihre Verzinfung zu sorgen, die Hauptsorge für den Reichsfinanzminister sei die schwebende Schuld, da hat das Parteiblatt des Herrn Ab
geordneten Dr. Hugenberg, die „Deutsche Tageszeitung“, geschrieben:
Also seht ihr, der neue Reichsfinanzminister sorgt nur für das Groß kapital. Da wurde ich von den Freunden des Herrn Dr. Hugenberg bekämpft, weil ich diesen Satz im den Vordergrund stellte.
Ich habe seither vas Noͤtige getan im Rahmen der mir zur Verfügung stehenden Mittel, um eine Herabminderung der schwebenden Schuld herbeizuführen. Der Herr Abgeordnete Hugenberg kann mie auch keinen Generalvorschlag machen, wie wir die schwebende Schuld beseitigen sollen. Auf die Steuer⸗ oder Zwangsanleihe werde ich nachher noch zu sprechen kommen. Ich habe Verhandlungen mit dem Ausland geführt und bin in der Lage, dem hohem Hause mitzuteilen, daß zwischen der deutschen und der belgischen Regierung eine Ver⸗ ständigung zustande gekommen ist über die Zurückführung von 6100 Millionen Mark Papiergelod, die sich im Besitz des belgischen Staat befinden (lebhafter Beifall bei den Mehrheitsparteien), eine Maß⸗ nahme, die mit dazu beitragen wird, unsere schwebende Schuld herab⸗ zusetzen, zugleich eine Maßnahme, die von höchster politischen Bedeutung ist und die geeignet ist, den Auftakt einer Ve ständigung zwischen Deutschland und Belgien zu bilden. (Erneuter lebhafter Beifall bet den Mehrheitsparteien.) Ich freue mich, daß ich dem hohen Hause das mitteilen kann, denn ich kann mir nichts Wirksameres zur Heilung der vielen Kriegswunder denken, als wenn die Oeffentlichkeit erfährt, daß Deutschland und Belgien, die im Kriege im August 1914 zuerst am härtesten aneinander geraten sind, nun den Weg der gegenseitigen Annäherung bereits be⸗ schritten haben (lebhafter Beifall bei den Mehrheitsparteien), da Deutschland im Maßstabe seiner Kräfte entschlossen ist, in Belgien wieder gutzumachen, was durch die Kriegss äden dort angerichte worden ist. Ich gebe auch der Ueberzeugung Ausdruck, daß es möglich sein wird, im Laufe der Zeit wieder mit Belgien in ein freundnachbar liches Verhältnis zu treten und damit manchen Stachel aus der Herzen der Bel ier herauszuziehen und Kriegswunden zu heilen. Das Resultat der ersten Abmachung ist jedenfalls, daß es uns möglich ist, eine Verminderung der schwebenden Schuld um über 6 Milliarder eintreten zu lassen, indem diese in Schuldverschreibungen umgewandelt wird, die im Laufe von 20 Jahren allmählich zu tilgen und zu be⸗ zahlen sind. Näheres werde ich an anderer Stelle ausführen.
Ich könnte noch eine Reihe von anderen Maßnahmen auf diesem Gebiete anführen. Sie entziehen sich teilweise der öffentlichen Be⸗
rechung. Die Reichsfinanzverwaltung wird aber mit allen ihr zur