1919 / 284 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 11 Dec 1919 18:00:01 GMT) scan diff

Perfüzung stehenden Mitteln dabin zu wirken suchen, daß die schwebenden Schulden herabgedrückt werden. Das wirksamste Mittel hierzu ist zunächst das, daß wir keine neuen Schulden machen, denn neue Schulden bringen nach Lage der Dinge heute mehr oder weniger immer eine Vermehrung schwebender Schulden. Das wirksamste Mittel, keine neuen Schulden zu machen, besteht aber darin, daß wir unseren Haushalt in Ordnung bringen und mit größter Schleunigkeit die neuen Steuern verabschieden. Es ist ein Ziel, das wir unter allen Umständen zu erreichen bestrebt sein müssen, daß wir im nächsten Jahre zwischen Einnahmen und Ausgaben das Gleichgewicht herstellen und daß keine Zuschüsse zum ordentlichen Etat zu leisten sind. Das ist ja der schwere Fehler der Vergangenheit, daß wir den ordentlichen Etat während der vier Kriegsjahre nicht in Ordnung gehalten haben, sondern daß wir mit Zuschüssen gewirtschaftet haben. (Zurufe: Helfferich!) Wären wir im Laufe des Krieges nur so weit gegangen, die gewöhnlichen Ausgaben durch ordentliche Mittel zu decken, dann könnte jetzt das Tempo der Steuerbewilligung ein viel langsameres sein, dann wäre das Maß der Steuern, das wir zu bewilligen haben, ein sehr viel kleineres. (Sehr richtig! links und im Zentrum.) Heute beziffern sich die Einnahmen, die wir in unseren Etat einstellen, auf 4,2 Milliarden Mark und die Ausgaben, die in diesen Etat bereits eingestellt sind, auf 13,3 Milliarden Mark. Hätten wir im Laufe des Krieges unsere Einnahmen von 4.2 Milliarden auf 6,7 oder 8 Milliarden Mark erhöht (Zurufe linke) man wirft mir da⸗ zwischen „wie England“ —, auch wenn wir nur halb so viel getan hätten wie England, könnten wir jetzt eine Ruhepause eintreten lassen und hätten nicht nötig, mit der großen Eile, zu der die Ver⸗ hältnisse uns jetzt zwingen, neue Steuern zu verabschieden. Was man in der Vergangenheit versäumt hat, das kann man jetzt nicht ohne weiteres wieder einholen. (Sehr richtig! und Zurufe links und im Zentrum. Widerspruch und Gegenrufe rechts: Sie waren ja in der Mehrheit!)

Meine Herren, damit verlasse ich den Herrn Abg. Dr. Hugen⸗ berg auf die Zwangsanleihe komme ich noch ju sprechen und wende mich den Ausführungen des Herrn Abg. Dr. Rießer zu. Ich bin erfreut, daß ich in dem Kardinalsatz mit dem Herrn Abgeordneten Dr. Rießer einig gehe, und bitte auch ihn, bei allen Reden und Anreden sich an diesen Satz zu halten, der dahin geht: es müssen jetzt mindestens 25 Milliarden Mark aufgebracht werden. Sowie man sich darüber einig ist, ist man über 90 % aller Schwierigkeiten weg. (Sehr richtig! links.) Dann sind alle anderen Differenzen nur kleiner, sekundärer, untergeordneter Art. Herr Dr. Rießer hat das auch als einen Punkt seines Programms mit aufgestellt, und das freut mich.

Der Herr Abgeordnete Dr. Rießer hat dann eine Reihe von Bedenken ausgesprochen. Ich will im einzelnen nicht auf seine Bemängelungen und Bedenken eingehen, das würde zu weit führen, ich will hier nicht eine große Steuerdebatte entfalten, sondern mich hauptsächlich dem zuwenden, was er gegen das Reichsnotopfer aus⸗ geführt hat, und was viekfach auch Anklänge in der Rede seines Nachfolgers gefunden hat. Da stellt der Herr Abgeordnete Rießer

a die Spitze den Satz, durch die ganzen Finanzvorlagen, namentlich aber auch durch das Reichsnotopfer, ziehe sich der Gedanke einer Verbeugung vor der Straße, der Gedanke einer Verbeugung vor den Mehrheitssozialisten, das sei der rote Faden, der hin⸗ durchzehe, und der Herr Abgeordnete Hugenberg hat in un⸗ übertrefflicher Weise gesagt: das Ganze ist ein großer Volksbetrug. Das sind die Anklagen, die als erste erhoben worden sind. Ich kann diese Behauptung des Herrn Abgeordneten Rießer nicht als begründet ansehen. Wie liegen die politischen Verhältnisse hier

im Hause? Die stärkste Parkei in der Nationalversammlung ist die ozialdemokralische, auch die stärkste Partei im Volke draußen, auch der stärkste Teil der Regierung. Es ist doch etwas ganz Selbft⸗ verständliches, daß man, wenn parlamentarisch regiert wird, auch in der Steuergesetzgebung auf die Anschauungen der stärkften Partei Rücksicht zu nehmen hat. Das ist heute ganz genau so selbstverständlich wie früber, wo unter dem bureaukratischen Regime Rücksicht auf die Anschanungen der konservativen Partei genommen wurde. (Sehr

richtig! links. Zuruf rechts: Aber sich nicht unter die Diktatur er Sozialdemokratie stellen!) Darauf komme ich noch zu sprechen. ch sage, es sei Ruͤcksicht auf die stärkste Partei, die Sozialdemo⸗ kratie, zu nehmen. (Wiederholter Zuruf rechts.) Der Abgeordnete aber man darf sich nicht unter die Diktatur der Sozialdemokratie stellen. Das, was wir getan

Becker (Hessen) ruft mir dazwischen:

haben, haben wir getan, weil es notwendig war, und die sozialdemo⸗

kratischen Mitglieder im Kabinett haben nie Forderungen an uns ge⸗ stellt, die wir nicht hätten verantworten können. Die sozialdemokra⸗ tischen Herren haben auf uns dieselben Rücksichten genommen, die wir auf sie zu nehmen haben. Das ist das beste Mittel der Er⸗ haltung einer Koalition, sonst bedeutet das eine Sprengang der parlamentarischen Regimes. Wo ist also rch das Reichsnotopfer man sich unter die

Koalition und das Ende d der Beweis erbracht, daß b Diktatur der Sozialdemokratie gestellt habe.

Ein Herr, der den Gedanken des Reichsnotopfers zuerst in die Oeßffentlichkeit geworfen hat, und zwar war es im Jahre 1916 oder 1917, war der Herr Abgeordnete Dr. Stresemann, als er davon sprach, daß, wenn man auch zu einem glücklichen Ende des Krieges omme, eine große Menge Vermögen geopfert werden müsse. (Zuruf: Dr. Helfferich!) Ich weiß nicht, welcher Partei der Herr angehört, Darum zitiere ich ihn weiß es gehört aber dem Hause an. Er hat im Jahre 1916 oder 1917 er wird mir das nicht in Abrede stellen in der Offentlichkeit den Gedanken einer Ver⸗ mögensabgabe erörtert, und zwar auch für den Fall, daß der Aus⸗ gang des Krieges ein glücklicher sein wuͤrde. Nun sage ich: wenn jemand dem Gedanken des Reichsnotopfers zur Erörterung stellt in einer Zeit, wo andere glaubten, daß der Krieg noch einen glücklichen Ausgang für uns nehmen würde und unsere Feinde das Schwer⸗ gewicht der Milliarden ihr Lebelang an den Füßen mit herum⸗ schleppen würden, so weiß ich nicht, was für ein Makel einem Reichs⸗ finanzminister anhaften könnte, wenn er den Gedanken des Abgeord⸗ neten Stresemann zum Ausgang einer Gesetzesvorlage macht. (Sehr

dessen Namen dazwischengerufen wurde: lieber nicht —, (Erneuter Zuruf.) Ich wirklich nicht; Herr Dr. Stresemann

richtig! bei den Mehrheitsparteien.)

Zweitens ist der Votwurf der Reyrerung gegenübder erhoden wochen, daß sie ne Stenekn nicht fosial ausgestaltet vnd die Lasten wicht sozial verteilt häͤtte. Ich stehe auf dem Standpunkt, daß unser

Steuersvstem von sozialem Geiste getragen werden soll. Wenn Sie aus den Worten „von sozialem Geist getragen“ den Kernpunkt machen wollen, so kann man nur die Schwachen schonen, und die Starken belasten. Das ist eine Ueberführung der Worte: ‚sozialer Geist“ in die Steuergesetze. (Sehr richtiga! bei den Mehrheitsparteien. Zuruf rechts.) 25 Millliarden haben wir aufzubringen. Ich habe Ihnen vorgeschlagen, daß der Besitz ungefähr 75 % zu tragen hätte, und daß an indirekten Steuern, die die Masse, die unentbehrlichen Lebensmitteln treffen, 25 % aufzubringen seien. Wenn Sie diesen sozialen Geist noch mehr betonen und die besitzenden Kreise mit noch mehr als 75 % belasten wollen, dann lasse ich als Reichsfinanzminister mit mir reden; aber ich bezweifle, ob es möglich sein wird, daß wir dadurch eine bessere soziale Verteilung herbeiführen. Ich habe darin nach meiner Ansicht das Höchstmaß erreicht.

Nun wird Herr Dr. Rießer nicht behaupten können, daß ich speziell als Reichssinanzminister bei der Verfolgung des roten Fadens abgewichen sei von dem, was ich immer vertreten habe, nämlich, daß auch ein großes Maß von indirekten Steuern dem deutschen Volke auferlegt werden müsse. War es eine Kleinigkeit und Leichtigkeit eine Umsatzsteuer Ihnen vorzulegen, der auch die sozialdemokratischen Kabinettsmitglieder zugestimmt haben, und von der man annahm, daß auch die sozialdemokratische Fraktion ihr zustimmen wird? Ist nicht von derselben Regierung die Tabaksteuer mit einem Er⸗ trägnis von einer Million Mark verabschiedet worden? Haben wir nicht Steuern auf Branntwein angekündigt? Haben wir nicht eine Vorlage, betreffend die höhere Belastung des Zuckers, vorgelegt? Hier ist doch der beste Beweis geliefert, daß die Regierung nicht unter der Diktatur der Sozialdemokratie steht und vor ihr Verbeugungen macht, sondern daß hier ein Aus⸗ gleich der widerstreitenden Interessen gefunden worden ist. Allerdings das gebe ich dem Herrn Abg. Dr. Rießer zu: durch die ganze Steuergesetzgebung zieht sich wie ein „roter Faden“ der eine Gedanke hindurch, daß die ärmeren und unteren Volksschichten nach Möglichkeit geschont werden sollen, (sehr richtig! bei den Mehrheits⸗ parteien) und daß auf der anderen Seite die besitzenden, die kapital⸗ kräftigeren Kreise weit mehr als bisher zu den öffentlichen Lasten heranzuziehen sind: (Zustimmung bei den Mehrheitsparteien. Abg. Dr. Rießer: Sehr richtigl)) Wenn der Herr Abg. Dr. Rießer mir „sehr richtig“ zuruft, dann darf er das Ganze nicht kritisieren, dann darf er nur sagen, daß in den Einzelheiten vielleicht dem sozialen Gedanken nicht genug Rechnung getragen werde; aber an der Gesamt⸗ verteilung der Lasten, die er mit mir in Höhe von 25 Milliarden annimmt, kann der Herr Abg. Dr. Rießer nur das aussetzen, daß er sagt: Sie dürfen nicht 75 %, also 18 Milliarden, auf die besitzenden Kreise legen und nur 7 Milliarden auf die große Masse des Volkes ohne Unterschied des Einkommens. (Zurufe rechts.) Das ist der springende Punkt, wie ich ihn eben herausgearbeitet habe. Darin zeigt sich allein, ob in den Steuern der soziale Geist ent⸗ halten ist oder nicht. (Zurufe rechts: Umgekehrt soll es sein!) Dann muß ich eben eine neue Vorlage machen, ein Gesetz, in dem das Gesamtaufkommen des deutschen Volkes nicht wie 75 zu 25 verteilt ist, sondern sagen wir einmal —, wie halb und halb. Das würde aber bedeuten, daß aus den besitzenden Kreisen 12 ½ Milliarden statt 18 Milliarden hereuszuholen sind und daß auf die großen Konsumartikel statt 7 Milliarden 12 ½ Milliarden ge⸗ legt werden müssen. Ein Drittes gibt es eben nicht auf diesem Ge⸗ biete. (Zurufe rechts: Das ist auch nicht der Streitpunkt!) Wenn das nicht der Streitpunkt ist, dann bedauere ich sehr, daß ich so viel Zeit darauf verwenden muß. (Erneute Zurufe rechts.)

Der Herr Abgeordneter Dr. Rießer sagt dann weiter: Ein Grund⸗ fehler des Reichsnotopfers bestünde darin, daß schon in einer Generation diese große Last von Schulden getilgt werden solle. Was tilgen wir denn in einer Generation von 30 Jahren? Von dem Schulden⸗ bestand, den ich am 1. April nächsten Jahres auf Grund der be⸗ willigten Kredite auf 212 Milliarden Mark berechne, werden nach 30 Jahren ganze 45 Milliarden Mark getilgt sein. Das sind ungefähr 20 %, die also die. jetzige Generation von der Reichsschuld tilgt; 80 % überläßt sie der künftigen Generation. Man mag darüber streiten, ob 20 % für die nächsten 30 Jahre zu hoch sind, oder ob man nicht der künftigen Generation eine noch größere Quote als 80 % übertragen solle. Ich würde das aber für falsch halten. Tilgen wir in dem Tempo weiter, würden die an⸗ deren Steuerlasten bleiben, immer kämen wir auf eine Gesamt⸗ tilgungsdauer von 5 mal 30 Jahren, also auf 150 Jahre, bis unsere Kriegsschnlden getilgt sind. Ich meine: wenn man da nicht den Anfang macht, in den nächsten 30 Jahren 20 % zu tilgen, dann wüßte ich nicht, wie man aus dem großen Schuldenelend in Deutsch⸗ land einmal herauskommen soll. (Zustimmung bei den Mehrheits⸗ parteien. Abg. Dr. Schücking: Ententeforderung!) Ich komme ja noch auf die Ententeforderung, wie mir der Herr Kollege Schücking mit Recht dazwischenruft, die ich noch gar nicht eingestellt habe. Ich sage: es ist nur unsere Absicht; wir wissen nicht einmal und können es nicht wissen, ob wir diese 45 Milliarden tatsächlich zur Schulden⸗ tilgung verwenden können. Was wir aber wissen, ist, daß wir das Geld haben müussen, um den Etat zu balancieren.

Auf eine Reihe weiterer Bemerkungen will ich jetzt nicht ein⸗ gehen, um Ihre Zeit nicht zu lange in Anspruch zu nehmen. Ich habe in der Kommission bereits viele dieser Bedenken beantwortet⸗ und es wird auch späterhin noch die Möglichkeit sein, auf eine Reihe von Fragen zurückzukommen.

Nun liegen uns zwei Anträge vor, zu denen ich mich jetzt wende. Von diesen Anträgen geht der eine Antrag Dr. Becker (Hessen) und Dr. Rießer auf Nr. 1682 der Drucksachen dahin: es soll ausgesprochen werden, daß der Besitz eine Vorlast von 45 Milliarden Mark in Form des Reichsnotopfers aufzubringen hat; dabei soll die Aufbrin⸗ gung in zwei Gruppen geteilt werden, a) durch eine jährliche Ver⸗ mögensabgabe und b) durch eine Zwangsanleihe. In ähnlichen Ge⸗ danken bewegt sich der Antrag auf Nr. 1612. Dieser Antrag besagt, daß ein Drittel des Reichsnotopfers in einer einmaligen Vermögens⸗ steuer und daß zwei Drittel in Form einer Zwangsanleihe erhoben werden sollen. Es ist zwischen den beiden Anträgen immerhin ein Unterschied, indem in dem Antrag Rießer nicht gesagt wird, wieviel auf die Vermögenssteuer fallen soll und wieviel auf die Zwangs⸗ anleaihe fallen soll; das ist offen gelaseen. In dem anderen Antrag ist ausgesprochen: auf die Zwangsanleihe sollen zwei Drittel

bringen, die in

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in diesen Anträgen ausgesprochen werden, find nicht neu: denn diese Anträge sind teilweise im Wortlaut, mindestens aber ihrem Gehalt nach in der Kommis on eingebracht und ganz eingehend besprochenworden. (Zu⸗ rufe rechts.) Sie sind auch in der Kommission abgelehnt word n. Darum liegt gar kein Grund vor, diese Frage jetzt nochmals an die Kommission zurückzuverweisen. (Zustimmung bei den Mehrheitsparteien.) Das kann man doch nur dann beantragen, wenn etwas ganz Neues, wenn ein System gebracht würde, das wir in der Kommission überhaupt nicht erörtert haben. (Zurufe rechts.) Selbstverständlich! Aber bisher ist man immer davon ausgegangen, daß, wenn ein Antrag in der Kommission keine Annahme gefunden hat, man ihn im Plenum nicht wiederholte: heuf hat man nicht gleichzeitig dazu beantragt, die ganze Sache an die Kommission zurückzuverweisen. Dagegen wende ich mich bloß, nicht, dagegen, daß ein Antrag überhaupt eingebracht wird. Was will denn die Kommission anders tun? (Erneute Zurufe rechts.) Ich habe Ihnen ja die Wege nicht zu zeigen, wie Sie Anträge ein⸗ zubringen haben. Diese Gedanken sind bereits in der Kommission durchgesprochen worden, sie wurden wiederholt eingehend erörtert; es fand eine Abstimmung über dieselben statt, sie wurden in der Kommission abgelehnt. Ich sehe nun nicht ein, warum die Kom⸗ mission sich noch einmal mit den Anträgen befassen foll. Etwas anderes ist es, wenn man im Plenum über die Anträge spricht; dann soll das Plenum üder die Anträge auch entscheiden. Wiederum sage ich: ein Bedürfnis zur Rückverweisung des Antrags an die Knmmission liegt nicht vor. 3 Ich wende mich dem Antraa zu, der genau formuliert ist, und bei dem die Bedenken besser hervorgehoben sind als bei den Anträgen der Herren Abgeordneten Dr. Becker und Dr. Rießer; das ist der Antrag Arnstadt und Genossen. Dieser Antrag geht dahin, daß ein Drittel in der Form des Reichsnotopfers und zwei Drittel in der Form einer Zwan sanleihe erhoben werden soll, mit anderen Worten: es sollen also in 30 Jahren 15 Milliarden Mark Vermögenssteuern aufgebracht werden, verteilt auf 30 Jahre, und es soll in einer kurz bemessenen Zeit, die in dem Entwurf enthalten ist, dem deutschen Volk die Summe von 30 Milliarden in Form einer Zwangsanleihe auferlegt werden. Diese Zwangsanleihe soll zunächst 1 % Zins, nach 10 Jahren soll sie 2 %, von da ab 2 ½ % Zins tragen. Rein finanziell ausgedrückt das gilt auch für den Antrag Dr. Becker können diese Anträge nie dieselbe Summe dem Bedarf des Reichs eingestellt ist, es sei denn, die Vermögenssteuer würde auf 10 Jahre, wenn ein höherer Zinsenzatz zu zahlen ist, um die entsprechende Zinsenlast vermehrt weeden. Sonst kommt die Summe von 45 Milliarden nicht heraus. Es müßte also, wenn 30 Milliarden aufgebracht würden, die ersten zehn Jahre die Vermögenssteuer 1 % mehr bringen, die zweiten zehn Jahre 2 % und die dritten zehn Jahre 2 ½ % mehr. Sie müßten also zu höheren Sätzen kommen, als wir sie in Aussicht genommen haben.

Aber ein Zweites! Der Herr Abgeordnete Hugenberg malte in den schwärzesten Farben aus, daß das Reichsnotopfer dazu führen würde, daß Deutschland sozialisiert und damit vollständg ruiniert würde. In dem Augenblick malt er das aus, wo er uns einen Antrag unterbreitet, der die Folgen, die er geschildert hat, absolut sicher haben wird und haben muß. Deshalb schlage ich Ihnen vor, das Reichsnotopfer in dreißig Jahren zu zahlen. Der Herr Abgeordnete Hugenberg stellt aber in seiner Rede die Sache so dar, als ob der Abgabepflichtige die Abgabe des Reichsnot⸗ opfers in einem Jahre zu zahlen hätte, als ob er gezwungen wäre, dies in einem Jahre zu tun, und wenn er nicht in Bargeld zahlen kann, dann Teile seines Vermögens an das Reich abzuliefern. Ich frage Sie: wo steht ein Wort hiervon in der Vorlage. Es existiert gar keine gesetzliche Unterlage für ein solches Vorgehen; denn jeder Abgabe⸗ pflichtige hat das Recht, die Abgabe in 30 Jahren und der landwirt⸗ schaftliche Besitzer sogar in 50 Jahren zu entrichten. (Zuruf des Abg. Hugenberg: Das habe ich ja gesagt!) Das steht auf der einen Seite; aber das Reichsnotopfer stellt das Betriebskapital zu 5 Pro⸗ zent zurück. (Lebhafte Zurufe rechts.) Ich habe die Zwischenrufe satt! Ich will nur das eine betonen: dadurch, daß die Schuld dem Unternehmer auferlegt wird, wird sein Geld nicht aus dem Unter⸗ nehmen herausgezogen. Es arbeitet in seinem Unternehmen, und der Besitzer hat es dort weiter zu verwalten, er kann weiter damit arbeiten, alle Geschäfte mit ihm entrieren und hat jährlich die Quote, die festgelegt ist, dem Reiche zu bezahlen. Damit fallen alle die Befürchtungen und Ausmalereien, die über die Sozialisterung hier dargelegt worden sind, die über die Weg⸗ nahme des Betriebskapitals geäußert worden ind, vollständig in sich zusammen.

Aber anders wüͤrde es, wenn Sie den Weg der Zwangsanleihe gingen. Herr Hugenberg schlägt Ihnen vor, daß eine Zwangsanleihe, und zwar nach dem Vermögen, wie es bei der ersten Veranlagung so steht es wenigstens in dem Antrag Dr. Becker festgestellt wird, umgelegt werden soll auf das deutsche Volk. Also Sie nehmen einen ganz starren Vermögensstand an, ausgehend von der nächsten Vermögensveranlagung! Sonst werfen Sie dem Reichsnotopfer immer vor, es nehme gar nicht Rücksicht auf das neu entstehende Vermögen. Sie gehen in der Zwangsanleihe aber von der nächsten Veranlagung aus, kümmern 88 nicht darum, welche Ver⸗ mögen sich in Zukunft bilden, und sagen: nach diesem Maßstab wird umgelegt! (Zuruf rechts: Gegenwert!) Ich komme auf den Gegen⸗ wert schon zu sprechen. So wird umgelegt!

Zweitens! Sie nehmen keinerlei Rücksicht auf die Natur des Gewerbes und auf die Eigenart des Betriebes im einzelnen. Wenn Sie gerade immer volkswirtschaftliche Gedanken in den Vordergrund schieben, so werden Sie nicht bestreiten können, daß zwischen ver⸗ schiedenen, Arten von Unternehmungen ein riesiger Unterschied besteht. Es gibt Unternehmungen, die mit ungeheuren Mengen von Betriehs⸗ kapital arbeiten müssen, und es gibt Unternehmungen, die mit weniger Betriebskapital arbeiten können. Darauf nehmen Sie gar keine Rücksicht!

Ich sage ein Drittes! Sie verlangen, daß 30 Milliarden in 5 oder 6 Mona en aus unserem Volkskörper herausgezogen werden. Diese 30 Milliarden sollen dem Reiche zurückfließen. Damit schwächen Sie das Betriebskapital der meisten deutschen Unter⸗ nehmungen in einer Art und Weise, wie ich es nicht verantworten moöͤchte. Darum habe ich nicht. sofortige Bezahlung vorgeschlagen, sondern das individuelle System, das sich der Eigenart des einzelnen

und auf die Vermögenssteuer soll ein Drittel fallen. Die Gedanken, die

anpaßt. 3

Nun kommt aber der große Trumpf: dafür geben wir einen Gegenwert! Meine Herren, unsere Kriegsanleihe, zu 5 % verzinslich,

steht heute auf 77 oder 80. Die Zwangsanleihe müß en Sie zu 100

umtegen das ist ganz klar nach dem Antrag —, also zu pari.

Diese Zwangsanleihe trägt die ersten 10 Jahre 1 %. Sie kommt zeitlich

nach unserer Kriegsanleihe zur Ausgabe. Ich will sie mit der Verzinsung gleich daneben stellen. Wollen Sie nun einmal dem deutschen Volke sagen, wie hoch der Kurs dieser Zwangsan eihe an unserer Börse ein würde? (Zuruf bei den Deutschen Demokraten: Wird nicht notiert!) Ich glaube auch, der Herr Abg. Waldstein hat recht: sie würde kaum notiert werden. Aber wollen Sie einmal vor dem deutschen Volke öffentlich sagen, zu welchem Kurse diese Gegenwerte an der Börse laufen? Es wäre mir interessant, den Gedanken, da Sie nur allgemein von den Dingen sprechen, doch einmal konkret zu haben, damit jeder einzelne Mann, der nach Ihrem Vorschlag ver⸗ pflichtet ist, soundsoviel von seinem Vermögen in der Zwangs⸗ anleihe niederzulegen, nun auch weiß, was er nun eigentlich als Be⸗ triebskapital in den nächsten zehn Jahren an der Bank zur Verfügung hat. Nicht mit Schlagworten wollen wir arbeiten, sondern ganz konkret, wenn es an die zweite Lesung geht, und offen aussprechen: wie hoch schätzen Sie den Kurswert Ihrer Zwangsanleihe ein?

Ich sage Ihnen ein Weiteres! Eine Zwangsanleihe, jetzt in Höhe von 30 Milliarden Mark aufgelegt, die auf das, was der einzelne Unternehmer an Kriegsanleihe gezeichnet hat, gar keine Rück⸗ sicht nimmt denn davon sprechen Sie in Ihrem Antrag wiederum nicht; sondern Sie sagen, daß der Vermögensstand nach der Ver⸗ anlagung dieses Gesetzes festgestellt werden muß würde nur himmelschreiende Ungerechtigkeit werden. Auf diejenigen Betriebs⸗ unternehmer, die während des Krieges ihre Pflicht getan haben, welche einen großen Teil ihres Betriebskapitals in Kriegsanleihe gezeich et haben, die durch das Sinken des Kurses der Kriegsanleihe von 100 auf 77 20 % ihres Vermögens, wenn sie die Kriegsanleihe heute verkaufen oder umwandeln müssen, verlieren, also auf alle die Leute, die während des Krieges auf finanziellem Gebiete ihre patriotische Pflicht erfüllt haben, würden Sie gar keine Rücksicht nehmen. Hier heißt es ausdrücklich: nach der Höhe des bei der ersten Veranlagung der Vermögensabgabe festgestellten Vermögens ist die Steueranleihe umzulegen. Auch im zweiten Antrag ist ausdrücklich davon die Rede, daß danach umgelegt werden soll. Meine Herren, wenn man den Gedanken einer Zwangs⸗ anleihe überhaupt einmal näher tritt, muß man den Gedanken ganz anders formulieren und durchdenken! Dann kann man diese Zwangs⸗ anleihe höchstens als Ergänzungsanleihe zur Kriegsanleihe auffassen und kann davon ausgehend sagen, das deutsche Volk hat 90 Milliarden Kriegsanleihe aufgenommen, sie ist nicht gleichmäßig in allen Volks⸗ schichten untengebracht, die einen haben viel gezeichnet, die anderen weniger; jetzt wollen wir dafür Sorge tragen oder wollten wir dafür Sorge tragen —, daß nun ein Ausgleich in der öffentlichen Schuld stattfindet, daß eine Eryänzungsanleihe aufgelegt wird, daß festgelegt wird, daß jeder deutsche Unternehmer z. B. verpflichtet wäre, ein Dritlel ich nehme den Satz nur theoretisch seines Gesamtvermögens in Kriegsanleihe plus Ergänzungszwangsanleihe festzulegen. Dann hätten Sie dem ersten Grundsatz der steuerlichen Gerechtigkeit überhaupt Rechnung getragen und alle bisherigen Zeich⸗ nungen müßten berücksichtigt werden.

Damit komme ich aber zu der großen Kardinalfrage: welcher Wirtschaftsminister und welcher Finanzminister könnte es im jetzigen Augenblick verantworten, daß wir 30 Milliarden Mark jetzt auf einmal in zwei bis drei Monaten festbinden sollen in Reichsanleihe, die mit 1 % verzinst wird? Meine Herren, wenn ich gewagt hätte, einen solchen Gesetzentwurf der Nationalversammlung zu unterbreiten,

dann wollte ich den Lärm der äußersten Rechten hören, der gegen diese Dilettantenwirtschaft erhoben worden wäre. (Sehr wahr! im Zentrum.) Jetzt, wo ich mit dem Vorschlage komme, der nicht schablonisiert, wie Sie es wollen, sondern der individualisiert, der es jedem deutschen Steuerzahler freiläßt, ob er in 30 Jahren zahlt oder in 20, oder in 15 oder in 3 oder in 6 Jahren, der es ihm frei läßt, wie er zahlen will, ihm nur im ersten Jahr ein Privileg gibt, in Kriegsanleihe zu bezahlen, der ihm aber auch weiter noch die Möglichkeit gibt und sagt: wenn du nicht in barem Gelde bezahlen kannst, wollen wir ein Hilfsinstitut errichten, das dir diese Bezahlung erleichtern kann über dieses Hilfsinstitut werden wir uns noch näher unterhalten, kein Mensch wird gezwungen, Werte in dieses Hilfsinstitut einzubringen, wie Herr Hugenberg sagt; davon ist kein Wort in dem Entwurf enthalten —, ich sage, meine Herren, wenn ich diesen individualisierten Weg gehe und mir sage, ein Kaufmann, der jetzt ein leeres Warenlager hat, braucht ungemein viel Betriebs⸗ kapital, dem Mann kann ich nicht die große Last auferlegen, was der Fall wäre, wenn ich ihm sagte: du mußt den dritten Teil deines Vermögens in deser papiernen Zwangsanleihe und in Kriegsanleihe anlegen, er braucht flüssige Gelder, um Waren einzukaufen und den Betrieb des ganzen Unternehmens in Gang zu bringen —, ich sage, wenn ich den Weg gehe, daß ich ihm freilasse: du kannst in dreißig Jahren bezahlen, du kannst wieder auf eine bessere wirtschaftliche Entwicklung rechnen, glaubst du, daß du rascher vorwärts kommst, so kannst du einen neuen Steuerakkord abschließen, vielleicht auf 20 Jahre, du kannst, wenn du im Leben Glück hast, vielleicht auch später auf einmal be⸗ zahlen, meine Herren, ich wüßte nicht, wie man die so ungemein schwere Last des Reichsnotopfers gerechter und besser der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des einzelnen Steuerzahlers anpassen könnte, als es in der Vorlage enthalten ist. Ge genüber diesen großen Vorzügen des individualisierten persöͤnlichen Systems der Vor⸗ lage kommen Sie von der äußersten Rechten, nehmen auf all das nicht Rücksicht, sondern sagen: mindestens zwei Drittel dieser Ab⸗ gabe müssen jetzt in der starren Form der Zwangsanleihe beigebracht werden. Meine Herren, den Schaden, der aus dieser Abgabeform für unser Wirtschaftsleben entsteht, möchte ich wirklich vor der Ge⸗ schichte nicht verantworten. (Zuruf rechts: Inwiefern ist die starrer als Ihre? Glocke des Präsidenten.) (Präsident: Ich bitte, auf Zwischenrufe nicht mehr zu reagieren, sondern in der Rede fortzu⸗ fahren.)

Ich glaube, meine Herren, in aller Kürze dargetan zu haben, daß das System, das im Antrage Arnstadt und Genossen und auch im Antrage Dr. Becker, Dr. Rießer niedergelegt ist, gegenüber dem

darum diesem System Ich glaube, das hohe Haus wird gut daran tun, die Vorlage, wie sie hier niedergelegt ist, daldigst

pflichtigen, im Ge'olge hat, daß nicht der Vorzug gegeben werden kann.

ich trotz aller Bemängelungen meines unmittelbaren Vorredners. Das

deutsche Volk in seinen breitesten Schichten hat ein Anrecht an die Einführung schwerer indirekter den Altar des

darauf, daß, bevor wir Lasten, herangehen, der Besitz seinen Teil auf Vaterlandes niederlegt. Es ist gar nicht denkbar, daß ohne diese Vorbelastung des Besitzes überhaupt der Weg frei, für eine gesunde Reichsfinanzreform. Wenn Sie den Weg der Zurückverweisung an

würde das das Fiasko der ganzen deutschen Reichsfinanzreform dar stellen. Das wissen Sie auf der Rechten genau so gut wie ich und das weiß das ganze Haus, daß dann an eine Verabschied ung der Umsatzsteuervorlage mit einem Jahresertrag von 4 Milliarden über⸗ haupt nicht gedacht werden kann. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Wie oft muß denn das hier noch ausgesprochen werden? Die Reichs⸗ finanzen können ohne Umsatzsteuer nicht saniert werden, die Reichs⸗ finanzen können ohne Reichsnotopfer nicht saniert werden. Darum müssen die beiden Vorlagen noch vor Weihnachten verabschiedet werden. Ich bin der festen Ueberzeugung, daß, wenn das Haus den Weg gehen wird und die beiden Vorlagen, wie sie die Kommission beschlossen hat, in zweiter und dritter Lesung verabschiedet, der erste große Schritt zur Sanierung unserer Reichsfinanzen getan ist, daß wir allerdings noch schwere Arbeit zu leisten, unserem Volke noch große Lasten aufzubürden haben. Aber, meine Damen und Herren, die Tragung der Lasten wird nicht erleichtert durch solche Ausführungen, wie wir sie heute von dem Herrn Abgeordneten Dr. Hugenberg gehört haben. (Sehr richtig! bei den Mehrheitsparteien.) Ich glaube, daß das höch tens als eine wirksame Sabotage der ganzen Steuergesetzgebung bezeichnet werden kann.

davon bin ich fest überzeugt wird mit Energie und Eifer an die Verabschiedung der Steuergesetze herantreten. (Lebhafter Beifall bei den Mehrheitsparteien.)

126. Sitzung vom 10. Dezember 1919, Vormittags 1 Uhr. (Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger“).)

Es wird die zweite Beratung des Gesetzentwurfes über ein Reichsnotopfer fortgesetzt.

Abg. Dr. Braun⸗Franken (Soz.): Die gestrige Debatte hat ge⸗ zeigt, daß die Herren von der Rechten für ein Reichsnotopfer keinen Sinn haben, sie setzen alles daran, sein Zustandekommen zu verhindern.

e v2 8 2 . zu verabschieden, damit endlich einmal dem Rechnung getragen werden kann, worauf die weitesten Volksschichten en Anrecht haben. Das sage

die Kommission gehen würden, wie er angedeutet worden ist, so

Das mag ein Privatvergnügen des Herrn Abgeordneten Dr. Hugenberg sein; die Nationalversammlung

Reichsnotopfer unmöglich machen. Arbeit nicht stören lassen und dafür sorgen, daß die Kavpi kalverschiebung, wie sie sich bei den Kriegsgewinnlern gegeigt hat, einen Ausgleich findet. Für die Herren der Rechten gilt das Wort: „Wir Deutsche fürchten nichts so sehr als SBö. Wir von der anderen Seite dagegen sind für die allgemeine hrpflicht des Kapitals, das endlich einmal zu den Lasten des Reiches herangezogen werden muß, von denen Sie sich seit Gründung des Reiches ferngehalten haben. Sie bekämpfen Erzberger, weil er nicht zurückschreckt, die Steuergesetzgebung auch ein⸗ mal gegen Sie zu richten. Diese Steuern nicht bewilligen, heißt es unmöglich machen, der Entente gegenüber das, was wir schweren Herzens in Versailles unterzeichnen mußten, zu erfüllen. Es bleibt dann vom deutschen Vaterland nichts weiter übrig als eine englische oder französische Kolonie, die dem Auslande zur Ausbeutung preis⸗ gegeben ist. Der Staatsbankerott wäre der Rechten nur angenehm, denn damit wäre für sie die Frage der Betriebsräte wohl erledigt. Die ganze Bewegung stellt einen scharfen Klassenkampf vor, der sich

nahmen der deutschen Republik richtet. Wir aber wollen Deutschland bestehen lassen und es sichern, wir wollen auch nicht das Ruhrrevier besetzen lassen. (Sehr gut! links.) Die Anträge der Rechten be⸗ weisen, daß der blutigste Dilettantismus auf ihrer Seite liegt. Die Rede des Abgeordneten Hugenberg war eine unerhörte Provokation alles dessen, was mit der Nationalversammlung zusammenhängt, und eine Beschimpfung, sie war dem Geiste des „Generalanzeigers“ in Essen und des „Berliner Lokalanzeigers“ angepaßt. Wie kann ein Mann wie Hugenberg, der in dem Bestechungsprozeß unvereidigt ge⸗ blieben ist, von Korruption sprechen, ein Mann, bei dessen Firma 750 Geheimberichte, die durch Bestechung erreicht worden sind, auf⸗ gefunden wurden. (Präsident Fehrenbach rügt diese Redewendung; einem Kollegen dürfe man nicht Bestechlichkeit varwerfen.) Bis 1913 war Herr Hugenberg Direktor bei Krupp und if es gewesen, bis die Revolution kam. Wie die Firma gearbeitet hat, geht daraus hervor, daß sie mit dem Auslande ihre Erfindungen ausgetauscht hat, der Panzerstahl wurde um 400 billiger an das Ausland gegeben als an das Inland. Herr Hugenberg sollte den „Generalanzeiger“ nicht ver⸗ ächtlich machen, hat die Schwerindustrie doch den Scherlschen Verlag für ihre Zwecke aufgekauft. Im Kriege liegt die Wurzel aller Korrup⸗ tion nicht in der Korruption, niemals ist das Strebertum wohl mehr in Blüte gewesen als unter Wilhelm II. Eine unglaubliche Beleidigung hat Herr Hugenberg dem Professor Lujo Brentano angetan, indem er sich als einen seiner Schüler bezeichnete. Von den sozialen Ideen Brentanos ist auf Herrn Hugenberg nichts übergegangen. Der Abgeordnete Hugenberg hat gestern an dieser Stelle den ärgsten Landesverrat getrieben, weil er deutsches Vaterland der Entente angeboten hat, wodurch wir alle zugrunde gehen würden. (Präsident Fehrenbach (unterbrechend): Ich kann nicht zulassen, daß einem Mitgliede dieses Hauses eine landesverräterische Handlung vorgeworfen wird. (Zurufe.) Wo das gestern von anderer Seite

8 en ist, habe ich es ebenso zurückgewiesen. Ich habe dafür zu

escheh segen daß es mit den Beleidigungen hin und her nicht so fort⸗ geht.

Ich bitte, sich unserer Aufgabe, der Steuervorlage, zuzu⸗ wenden.) Abg. Braun (fortfahrend): Als der deutsche General⸗ 8; zu Anfoang des Krieges eingesehen hatte, daß die ganze Berechnung

Kunitionsverbrauches vollständig verfehlt war, ist der deutche Staat in der unerhörtesten Weise ausgenutzt worden. (Zururf rechts: Unwahr!) Der Untersuchungsausschufß wird sich ja mit dieser Sache noch gründ⸗ lich beschäftigen. Die Herren haben, abgesehen von dem normalen Gewinn, noch 10 Millionen Mark Wuchergewinn gehabt. Eisen und Stahl wurden an das Ausland geliefert, wobei sie ein glän endes Geschäft machten, während wir es selbst nötig brauchten. Deshalb konnte der Krieg gar nicht lange genug dauern, und diese Leute sprechen heute von Korruption. Es ist besonders von den Blättern der Schwerindustrie immer betont worden, daß man das Reichsnot⸗ opfer nicht bewilligen könne, weil die Entente die Hand darauf lege. Ich glaube, daß die Entente auch Geschäftsleute hat, die uns in mancherlei icht überlegen sind, weil sie nicht nur rein privat⸗ wirtschaftlich zu denken gewöhnt sind, wie die Herren der deutsch⸗ nationalen Partei. Wenn die Entente uns alles wegnimmt und unsere Wirlschaft erschwert, schädigt sie sich selbst. Ein bankrottes

Die Stenen, wie sie gestern hier provoziert worden sind, sollten das Wir werden uns aber in unserer

Deutschland reißt mit sich, das wissen die Franosen

System, das in der Kommission gutgeheißen und beschlossen worden ist, keine Verbesserung darstellt, sondern daß es wirtschaftliche Nachteile der verschiedensten Art, Nachteile des Abg 6

ganz genau. Das Reichsnotopfer bringt auch dem Reichsschatz nur

—.—

) Mit Ausnahene der Herren Minister, die im Wortlaute wieder⸗

„†% gegeben werden.

Papier. An diesem Papier hat Frankreich kein Interesse. Die Art und Weise, wie über das Reichsnotopfer gesprochen wird, muuß die Entente reizen. Sofort nach Ratifikation des Friedensvertrages muß in Verhandlungen eingetreten werden, um ein internationales Abkommen gegen Doppelbesteuerung zu schaffen. Wir Sozialdemo⸗ kraten haben das Gesetz gemeinsam mit den Demokraten und dem Zentrum durchgearbeitet. Wir sind aber selbstverständlich nicht so mit ihm zufrieden, wie wir sein würden, wenn wir es allein ge⸗ schaffen hätten. Eine Vermögenssteuer, die auf 30 oder 50 Ja bre vmgel⸗ t wird, ist ein vollständiger Unsinn. Nur da, wo ein wirt⸗ schaftlicher Zusammenbruch zu fürchten ist, kann eine Verteilung auf einen längeren Zeitraum zugestanden werden. Wir haben uns be⸗ müht, die Interessen der Aus andsdeutschen entschieden zu wahren. ir werden uns mit allem Eifer an der weiteren Verabschiedung des Gesetzes beteiligen und alles daran setzen, daß die Steuergesetze zur Gesundung unserer Wirtschaft, zum Uebergang unserer Wirtschaft in normale Verhältnisse führen. (Beifall bei den Sozialdemokraten.) Abg. Farwick (Zentr.): Wir stehen auf dem Boden der Vor⸗ lage und der Ausschußbeschlüsse und wollen nur noch geringe Aenderungen vornehmen. Das Reichsnotopfer ist eine Notwendigkeit aus finanziellen Gründen zur Sanierung der Reichsfinanzen und aus innerpolitischen Gründen. Es st ein Unsinn, zu glauben, daß das deutsche Volk, das im Kriege so fürchterliche Oofer an Gut und Blut gebracht hat, acht⸗ los daran vorübergehen könnte, daß auch der Besitz einmal sein Schärf⸗ lein auf den Altar des Vaterlandes legen muß. Das Volk will arbeiten und soll arbeiten, aber der Besitz muß auch herangezogen werden. (Sehr richtig! im Zentrum.) Einer Schonung bedarf dabei der Besitz, der der Allgemeinheit dient, der Besitz von wissenschaft⸗ lichen Instituten usw. Ferner müssen die Familie und die schaffende und werbende Arbeit geschont werden. Ich bitte die Regierung, die Erklärung in der Ausschußberatung hier zu wiederholen, daß bei kleineren und mittleren Vermögen das Vorhandensein von vier und mehr unter haltsberechtigten Kindern stets einen Grund abgeben solle, um auf Grund des Härteparagraphen der Reichsabgabenordnung die Abgabe⸗ pflicht in irgendeiner Form zu mildern. Einig war der Ausschuß ferner darin, daß die kleinen Rentner durch zinslose Stundung des Not⸗ opfers zu begünstigen sind. Zur Schonung der werbenden Arbeit hat der Ausschuß auf unseren Antrag beschlossen, daß das gewerbliche Be⸗ triebsvermögen nur mit 80 % seines tes veranlagt werden soll soweit es nicht im Besitze von Netiengr anschafimn und sonstigen Ge⸗ sellschaften ist. Das Vermögen der Aktiengesellschaften muß anders behandelt werden als das der Privatunternehmen. Ich bitte auch hier die Regierung, die Erklärung aus der Ausschußberalung zu wieder⸗ holen, daß der wichtigste Gesichtspunkt sei, daß der gewerbliche Betrieb lebensfähig bleibe. Kein Finangperichtshof des Reiches würde die wirtschaftliche Erwürgung eines Betriebes zulassen, der Arbeitern und Angestellten Lohn und Brot gibt. Schließlich kommt es aber nicht auf allgemeine Erwägungen, als vielmehr darauf an, was nach dem Tarif hezahlt werden muß. Das Notopfer kann in 30,. bezw. in 50 Jahren abgezahlt werden. Die Kriegsgewinnler freilich fühlen mit einmal das Bedürfnis, sich zu nobilitieren, sich Grundbesitz und eigene Jaaden anzuschaffen und gesellschaftlich als etwas anderes scheinen, als sie sind. Damit kann die Landwirtschaft an sich ach vervglichen werden. Die Sprünge der Wertpapierkurse an den Börsen nach oben haben auf das deutsche Volk verheerend und demoralisierend gewirkt, der Tanz um das goldene Kalb hat die wildesten Sprünge gemacht. Die richtigen Werte werden aber durch Sachverständigen⸗ ausschüsse festgestellt werden. Der Kredit wird durch das Reichsnot⸗ opfer ebensowenig erscküttert werden wie durch den Wehrbeitrag. Große Blätter haben leider das Publikum, um Propagenda gegen das Gesetz zu machen, durch die Behauptung irregeführt, daß jeder Ge⸗ werbetreibende für die noch nicht bezahlten Raten des Notopfers Sicher⸗ heit leisten müsse. Das ist nicht wahr. (Hört, hört!) Einer Schonung bedarf ferner das Vermögen der Auslandsdeulschen. Das Vermöden, dessen Inhaber es im Auslande angelegt hatten, um dort im Interesse der deutschen Wirtschaft zu arbeiten, das sie aber im Kriege zurückholen Rufsten muß 88 58 S veg werden, wenn es wieder in den ieb im Ausland gebracht wird. h sanleihe ist i i unhaltbar. Der Besitz 8 V“ erhalten, deren

Zesitz dadurch eine Forderung an das Rei

8* 8 Realisierung besseren Zeiten vorbehalten ist. enn der Besitz in dieser Weise Glenbiger des Reichs veiden soll, dann könmten eber die 7 Millionen Soldaten, die dem Vaterlande mit ihrer Arheitsknaßt 5 Jahre lomg für 53 Pfennicgo täclich zur Ve ügung gestanden haben, an das Reich eime Vemautunesforderung für goeleistete Arbeid stellen, wobei vielleicht 30 bis 40 Milliarden hevausbãmen. Unbegreiflich ist es, Zaß in einer Steuerdebatte, wo es sich um lumvige Millarden handelt, vom deutschen Lande und

gegen die Nationalversammlung, die Verfassung und die sozjalen Maß. Volke als von Tauschobjekten gesprochen werden kargn. (Aba. Rugen⸗

berg: Umwahr!) Dieses Wort erinnert, an einen Handel, der vor bold 2000 Jachven a gescklossen worden ist. und wo en sich wn 30 Stber⸗ linge handelte. (Sebr gut! im Zentoumn.) Sind wir demm bier auf dem Skhavenhandel von Timbuktu? Ich verstebe nicht. wie men hier so etwas überhaupt im den Mund nohmen kann. Ich habe wmmehr seit einem Jahre das Joch dor Besotzung gotrogon. Ich vewstehe nicht, wie sich hier jemand finden kann, der auch num mit dem 7 svielt, es möchbe das Heer dieser Feinde, die Regimanter Senegal⸗ schügen guch nur einen Fußbeitt deutsches Land betreten und in deutsche Häuser eindringen (Beisall im Zenmumn.) Ich erbläre namens sämtlicher Angehörigen Lee- rteien, daß wir uns mit flammendem Protest gegen diesen an verwahren. Wer da wünscht, daß über unsere Leiber dinweg noch der Feind weiter in unser geliebtes Vaterland eindvingt, der vechnet uns schon zu den Toten. Wir müssen noch 15 Jahne dieses Leben leben und alle Kroft derzu zusammennehrnen. Da erfabren wir, daß im vllen Vaternlande viele Stellen nichts weiter zu tun wissen, clss uns im den Rücken zu fallen, weil ihmen nicht alle unsere Bewegungen passen. Aber wir sind das

gewöhnt von Leuten, die weitab vom Schuß sitzen. Auch der gestrige

Redner wohnt zwischen Ems umnd Glbe, und da ist es leicht, mit dem 8 zu spielen. (Sehr richtig! bei der Mehrheit.) Abga. Hugenber

hat sich zum Laudator des Beamtentums aufgeworfen. Wir Beam

haben aber eine Lobrede von Heryn Hugenbera nicht nötig. Wir im besetzten Gebiet sind nicht mit unserem Wohnsitz moach rückwärts ge⸗ gangen, im Gegenteil, einige von uns haben ihren Wohnsitz jetzt im Gefngn’s, sie weichen aber nicht. Das Geld des Bankiers muß anders gewertet wenden als das des Rentners. Für ihn ist das Geld das, was für den Fabri kanten die Maschine ist, ohne dos Geld des Bankiers bann das gewerbliche Leben nicht existieren, es wünde sonst zum Privileg des Reichen werden und zwur Ausvoweruna des ganzen Vollkes dienen. Der Einwand. das Roichenotopfer würde die Kapictalsflucht fördemmn, ist nicht stickkhaltin. Die Schecber woren schon beim Wehrbeitvahn erfolgreich an der Arbeit, gencu wie es Leute im Auslande gibt, denen der Mammon über den Patriotismus

8 8 8 Abg. Dr. Petersen (Dem.): Meine Fraktion ist bereit, der Not der Zeit entsprechend, dem Besitz das größtmögliche Opfer auufzuerlegen. Wir stimmen daher einer einmaligen großen Vermögens⸗ bgabe, die in jähnlichen Raten erboben werden soll, in zweiter Lesung zu, indem wir allerdimgs diese Abstimmmuna alls eine vorläöufige an⸗ sehen. Pflicht eines jeden denttschen Demokraten ist es, seine Ent⸗ rüstarna und Empörung über die Art auszudrücken, in der gestern in Steuersachen gekämpft wunde. Alle Pantoien sind sich über den Be⸗ darf des Reiches einig, alle wollen den Bedarf decken und den, Besitz in großem Umfange dazau heranziehen. Machen wir nicht aanze Arbeit, so gehen wir dem Bankerobt entgegen, aus dem unendlches Ekend für das deutsche Volk entstehen muß. Gegen dieses Ehend würe das, was wir bösher erlebt haben, ein Kinderspiel. 1

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wir. . haben War wissen, wie alle Geld⸗ institrte bis zu den Sparkassen unter einem solchen Zuseommenbruch leiden müssen. Unter der notbwendigen Schnelligkeitt darf die Ind sität der Bexatumg nicht leiden. Bis zur dritton Lesung müssen wir volle Klarheit schaffen, dazu ist noch wohige Ueberlegummm notwen Die Streitvunkte, die uns gegenmwärtbig noch besckättigen, müssen sachlich ausgetragen werden. Würde die Rechte morgen zur Regierung kommen., aacch sie müßte den Bedarf derrch Besitzsteuern derken. (Juruf vochts: Wollen wir ja!) Wozu dann die Verhetzumma? Aufs Siesste spricht auch meine Partei gegenüber den Ausfübmmgen des Abg. Hugenberg ihre Entrüftung aus. Eims weiß das deutsehe Volk: Wenn