jolcher Fall während seiner Amtstätigkeit ganz selbst⸗ verständlich niemals vorgekommen ist. Der einzige Fall, auf den Herr Dr. Weyl und die Studentengruppe sich etwa beziohen könnten, hat in Bonn gespielt. Er ist einer Abgeordneten meiner Partei, Frau Dr. Wegscheider, in seinen Einzelbeiten bekannt. In diesem Fall hat es sich nicht darum gehandelt, daß die in Frage kommende Studentin nicht ewa ihrer Gesinnung wegen relegiert werden sollte und erstinstanz⸗ lich auch relegiert worden ist, sondern wegen schwerer Beleidigungen von Universitätsbehörden. Aber auch nach der ganzen Lage dieles Bonner Falls war das Urteil der Relegation zu hart. Ich habe es als Aufsichtsinstanzaufgehoben. (Hört, hört! rechts.) — Jawohl, es war nach meinem persönlichen Empfinden zu hart, wenn ich auch selbstredend subjektiv den Bonner Herven wogen ihrer Urteilsfindung keinen Vorwurf zu machen habe. Das Urteil war zu hart und deshalb objektiv ungerecht. Es war aus der leiden⸗ schaftlich erregten politischen Atmosphäre zu erklären. Deshald habe ich das Urteil außer Kraft gesetzt, nachdem der Fall noch⸗ mals gründlich untersucht war. Ich bin auch in Bonn an Drt und Stelle selbst den Dingen nachgegangen.
Dieser einzige Fall, auf den sich vielleicht die Angabe jener Reso⸗ lution der Jenaer sozialistischen Studenten stützen könnte, ist also von mir, sobald er mir vorgetragen wurde, aus der Welt geschafft worden. Ich bitte, daß Herr Dr. Weyl und seine Partei das anerkennen. Im ührigen möchte ich, um den scharfen Ton dieser Protestkundgebung des Jenaer sozialistischen Studentenkongresses, der hier im Hause vielleicht einiges Aufsehen erregt hat, einigermaßen zu erklären — es wurde mir darin das allerschärfste Mißtrauen ausgesprochen —, im übvrigen, sage ich, möchte ich ausdrücklich feststellen, daß nach den mir gewordenen Mitteilungen dieser Kongreß etwa zu ⁄10 Aͥlls Kommunisten und Unabhängigen (hört, hört) und nur zu 0 us Mehrheitssozialisten bestanden hat. Daraus ist vielleicht bis zu einem gewissen Grade die außevordenklicke Schärse des gegen mich gerichteten Angriffs zu erklären.
Ich darf diesen Punkt damit verlassen. Mit dem Herrn Abge⸗ ordneten Lauscher und mit den übrigen Rednern, die gestern zu Wort gekommen sind, erkenne auch ich rückhaltlos die tieftraurige materielle Lage unserer Hochschullehrer und insbesondere auch unserer Privatdozenten und der Assistenten an den Universitäten und Technischen Hochschulen an. Ich sage mit dem Herrn Abgordneten Dr. Lauscher — ich freue mich, da ausnahmsweise einmal mit ihm in voller Uebereinstimmung zu sein —, daß ein hoher Grad von en tsagungs⸗ vollem Idealismus dazu gehört, unter so auferordentlich schwierigen materiellen Verhältnissen seine Pflicht weiter zu tun. Auch ich möchte als Minister an dieser Stelle für diese Opferwilligkeit, mit der die Dozenten und Assi enten unserer Hochschulen unter den jetzigen schweren Zeiten weiter arbeiten, ihnen meinen Dank und die Anerkennung des Staates aussprechen. Ich werde auch in meinem Bemühen nicht nach⸗ lassen, für die materielle Besserstellung dieser Männer der Wissen⸗ schaft zu wirken. Ich hoffe auch darin auf die Unterstützung aller Parteien dieses Hauses; denn hier handelt es sich wirklich um nationale Ehrenpflichten, die wir zu erfüllen haben. Cs
handelt sich auch um die Stellung, das Ansehen, die Wirkungsmöglich⸗ keit der deutschen Wissenschaft in der ganzen Welt. Darin bin ich einig mit allen Herren und Damen dieses Hauses, dafür muß Geld vorhanden sein, dafür muß Geld beschafft werden! (Bravo!) Es wurde mir, als ich eben das Resümee über den Marburger Fall Traeger vortrug, von den Parteien der Rechten dos Wort: „Lehr⸗ freiheit“ zugerufen. Es sollte damit anscheinend angedeutet werden, daß die Bemerkung, die ich über gewisse Ausführungen dos Herrn Abgeordneten Traeger in seinem Kolleg — es handelt sich übrigens nicht um ein Kolleg, wie irrtümlich behauptet wurde, sondern um mehrere, aus denen verschiedene Aeußerungen zusammengewürfelt worden find — es sollte mir durch die Zwischenrufe anscheinend zum Vorwurf gemacht werden, daß ich im Gegensatz zu meiner prinzipiell betonten Erklärung doch für eine Beschränkung der Lehrfreiheit zu haben sein würde. Davon, meine Damen und Herren, kann und wird vnter dem Ministerium Haenisch — dessen dürfen Sie versichert sein — niemals die Rede sein. Ich bin für unbedingte Aufrechterhaltung der Lehrfreiheit und Sie dürfen überzeugt sein, daß von diesem Ministerium keine um⸗ gekehrte lex Arons erlassen werden wird. (Zurufe rechts: Abwarten!) Mit einem solchen Schandfleck wie die lex Arons konnte sich das alte Regime beschmutzen (sehr richtigt links), das neue Regime, meine Damen und Herren, wird für eine umgekehrte lex Arons nicht zu haben sein. (Zuruf rechts.) „Warten Sie nur ab!“ rufen Sie; ich glaube dieser Zwischenruf „abwarten“, der mir hier immer wieder bei solchen Erklärungen von der Rechten gemacht wird, ist eigentlich doch — ich möchte richt persönlich kränkend werden — piemlich nichtssagend. Beurteilen Sie mich doch nach dem, was ich getan habe, und nicht nach dem, was ich nach Ihrer Befürchtung vielleicht irgend einmal tun könnte. Nach dem, was ich getan habe, kann doch von irgendeinem Eingriff in die Lebrfreiheit keine Rede sein. Also ich sage: das alte Regime mochte sich vielleicht, dieser alten Auffassung des Polizei⸗ und Obrigkeitsstaates entsprechend, mit einem Schandfleck wie die lex Arons beflecken, das neue Reginmie wird das niemals tun. Darauf können Sie lange warten. (Zuruse rechts: Sie haben doch gesagt, daß der Professor haltmachen mußz vor der Kritik des gegenwärtigen Staates, soweit ich es verstanden habe!) Ich glaube nicht, daß es an mir liegt wenn Sie mich nicht verstanden haben. Ich bin gern bereit, Ihnen das noch einmal zu wiederholen, nicht wörtlich, aber dem Sinne nach, was ich habe sagen wollen. Ich habe sagen wollen: selbstwerständlich hat der Professor das unbedingte Recht der Lehrfreiheit. Aber der Professor, der zu⸗ gleich doch Staatsbeamter ist (Rufe rechts Ahal), — ist er das Ihrer Auffassung nach etwanicht, haben nicht gerade Sie diese Auf⸗ fassung stets vertreten? — Der Hochschullehrer kann genau so gut wie jeder Lehrer — ich habe das vor einigen Tagen bier schon aus⸗ geführt — jeder politischen Partei angehören, von den Deutschnationalen angefangen bis zu den Unabhängigen herunter (Abg. Dr. Weyl: Inklu⸗ swoe!), — selbstverständlicht — (Heiterkeit), jeder politischen Partei angehören, die auf legalem, gesetzmäßigem Wege eine Aenderung der Verfassung erstrebt. Der Professor hat selbftverständlich auch das Recht, seiner von ihm in wissenschaftlicher Arbeit erworbenen Staats⸗- auffassung vor seinen Studenten Ausdruck zu geben. Darüber brauche ich doch nicht erst zu reden. Ich hobe das niemals angetaftet. Aber oer hat nicht das Recht — und das habe ich vorhim sagen wollen — in hämischer oder gehäfsiger Weise, in polemisch unpädagogischer Manier immer und immer wieder von neuem die Einrichtungen dieses Staates
Recht haben, die alademische Lehrfreiheit zu d-ö i⸗ tischer Hetzerei gegen die bestehenden Staatsein⸗ richtungen. (Sehr richtig! links.) Das, meine verehrten Damen und Herren von der Rechten, haden Sie, als Sie die Macht in Händen hatten, nie geduldet, und das werde auch ich, bei aller Aufrecht⸗ erhaltung der Lehrfretheit, nicht dulden. Wenn es wahr ist — es stibt nach der Beweisaufnahme im Falle Traeger nicht unded ingt kest —, wenn os wahr ist, sage ich, daß er sein Kolleg dazu mißbraucht bat, etwa politische Späßchen zu machen über die Gattin des Reichs⸗ prösidenten, wenn er sein Rolleg dazu mißbraucht hat, den Namen Erz⸗ derger so auszusprechen, daß sich die Zuhörerschaft darunter denken konnte — er hat selbst zugegeben, beim Aussprechen des Namens eine Pause gemacht zu haben — sei es nun „Ersgauner“, „Erzschelm“ oder noch etroas anderes —, dann isst das keine Lehrfreiheit mehr, sondern ein Mißbrauch der Lehrfretheit und eine ganz unzulässige politische Agitation. Das kann nicht geduldet werden.
Im übrigen glaube ich mohl, daß Herr Professot Traeger, dessen on seiner pelitischen Stellung unabhängege wissenschaftliche Tüchtig⸗ eit ich sehr gern anerkenne, noch langen icht der Schlimmste ist. Es gibt ohne Zweifel noch sehr viel Schlimmere, auch hier in Berlin. (Zurif.) — Es freut mich, daß Herr Adgeordneter Dr. Preuß mir bier „Sehr richtig!“ zuruft. Auch diesen Scümmeren gepenüber will ich bis zur äußersten Grenze des Erträglichen und des Möglichen die Leohrfreibeit gewahrt wissen. Es hat z. B. ein sehr bekannter Literarhistoriker in Berlin, den ich nicht zu nennen brauche, es mit der Würde sernes Alters, mit der Würde des akabemischen Lebramtos, mit der Würde der großen Vermogs⸗ und Vertrauenestellung, die ein akademischer Lehrer heute einnimmt, und die er gerade auch nach meinem Empfinden immer einnehmen soll, für vereindar gehalten, aßerhalb des Hörsaals vor unreifen Schülern, vor Quartanern, Tertianern, Sekundanern usev. eine Nede zu halten, in der er erklärt, das Kultusministerium wolle nur deshalb, daß die Schüler nichts lernten, damit sie nicht etwa klüger würden als man dort selbst sei. (Heiter⸗ keit.) Ich braucke über den Geschmack, der zu solchen Aeußerungen gehört, hier kein Wort zu verlieren. Der betneffende Hochschullehrer, den ich nicht nennen will, hat dann ferner den Geschmack besessen, diese umeifen Schüler zu beglückwünschen zu der scharfen, tapferen Art, in der sie gegen die Erlasse des Kultusminifters aufgekreten seien. Er hat dem Sinne nach gesagt, sie follten nur weiter so tapfer und mutig sein, danm würde der Kultusminister schon äns Mauseloch kriechen. Ich habe es meinerseits verschmäht und weit von mir gewiesen, auf Grund dieser Aeußerungen gegen den betreffenden Hochschullehrer irgend etwas zu veranlassen. Ich halte es bier mit dem Grundfatz des alten Fritz: niedriger hängen! Es genügt, so eiwas der Oeffentlichkeit mitzuteilen, die sich dann über den Geschmack und den pädagogischen Takt dieses Hockschullehrers selbst ein Urteil bilden kann.
Meine verehrten Domen und Herren, ich glaube auch zu dieser ebwartenden Stellung ruhicer Stärke um so mehr berechtigt zu sein, As nach meiner festen Ueberzeugung das neue demokratiscke, republi⸗ kanische Stäaatswesen in Preußen⸗Deutschland innerlich bereits so gefestigt ist, daß es auch nicht umfallen wird, wenn taktlose Professoren noch so viele Posau nenstöße dagegen loslassen. Die Mawern von Jerichew sollen von Pofaunenstößen umgefallen sein. Die Mauern des freien Volksstaates Preußen⸗Deutschland fallen von den Posaunen⸗ stößen einiger alldeutscher Professoren noch lange nicht zusammen! (Zuruf rechts.) Ich gebe ohne weiteres zu, diese boiden Dinge: unbedingte Lehrfreiheit und Achtung vor den Einrich⸗ tungen und Gesetzen des bestehenden Staates restlos mit einander zu vereinigen, ist ein außerordentlich schweres Problem. Gewaltmaß⸗ nahmen, Maßregelungen liegen mir — das wissen Sie genau — so wenig, wie sie irgend jemandem liegen können. Zwangsmaßnahmen, Poligeiscknüffeleien sind mir immer verhaßt gewesen, und ich versuche es deshalb immer von neuem mit einem Appell an das Pflicht⸗ gefühl, die Vaterlandsliebe und das Verant⸗ wortungsgefühl jener Professoren, die die künftige Führer⸗ generation des Staates heranzubilden haben. Es sollte doch auch diesen akademischen Lehrern — es sind nicht alle, es ist aber leider ein großer, mur all;u großer Teil (hört, hört!) —, die in der von mir gekennzeich⸗ neten Weise immer noch gegen die neuen Staatseinrichtungen in der Oeffentlichbeit Stimmung machen, allmählich zum Bewußtsein kommen, welche furchtbar schwere Verantwortung säe damit vor dem ganzen Volke auf sich nehmen. Ich glaube, unser armes Vaterland hat in den letzten fünf Jahren so furchtbar viel durchgemacht, daß jeder vaterlandsliebende Mann und jede vaterlandsliebende Frau es als ihre verdammte Pflicht und Schall⸗ digkeit ansehen müßten, unser Land vor neuen inneren Erschütterungen zu bewaren. Und solcke inneren Er⸗ schütterungen können nicht ausbleiben, wenn der ganze junge akademische Nachwuchs in Haß und Feindschaft gegen den neuen Staat erzogen wird. Darum geht immer von neuem mein Appell an die Vater⸗ Landsliebe, an das Verantwortlickkeitsbewußisein, an das Pflichtgefübl der gesamten akademischen Lehrerschaft, sich allmählich auch inner⸗ lich mit den neuen Zuständen auszusöhnen und die ihr anvertraute akadem ’sche Jugend in Achtung vor den Staatseinrichtungen und in Gehorsam gegen die Gesetze des Staates gu erziehen. Als Sie (nach rochts) in der Macht waren, hatten Sie für diese Bedürfnisse der Staatshoheit ein sehr diel feineres Empfinden als heute. (Sehr richtig! links. Zuruf rechts.) — Meine verehrten Damen und Herren, es wird mit zugerufen: ich erkenne den 9. November nicht an. Da⸗ durch, daß Sie den 9. November nicht anerkennen, wird er nicht aus der Welt geschafft! (Sebhr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Der 9. Novemhber i st eine historische Tatsache, eine ebenso historische Tatsache, wie es z. B. der 2. Sep⸗ tember 1870 gowesen ist. Und gegen diese historische Tatsache mögen Sie anrennen, so diel Ste wollen, Sie werden sie damit nicht aus der Welt schaffen, Sie würdensich höchstens selbst den Schädel einrennen.
Meine verehrten Damen und Herren, der neue Staat ist etwas geschichtlich Gewordenes, er ist eine historische Tatsache. (Zurufe rechts.) — Etwas geschichtlich Gewordenes, selbstverständlicht Sie selbst sind ganz gewiß historisch gründlich genug gebildet, um an⸗ zuerkennen, daß das, was sich un letzten Iühre ereignet hat, kein Zufall, nicht das von ein paar Hetzern und Agitatoren ist. Das wäre eine so kindliche Auffassung, daß ich viel m Pöftich bin,
9. November ist — man mag innerlich zu ihm stehen, wie man will
— etmwas geschichtlich Gewordenes. Darüber kommen Sie nicht binweg. Diese Tatsache wird sich durchsetzen, sie wird sich durchsetzen Ihnen allen zum Trotz! G Meine verehrten Damen und Herren, es ist dann in den Aus⸗ schußverhandlungen und, ich glaube, auch hier im Hause die Rede von der antisemitischen Strömung cewesen, die leider gerade auf unseren Hochschulen so außerordentlich hohe Wellen schlägt. Meine Damen und Herren, ich halte diese antisemitische Welle, von der ich vorhin schon sagte, daß sie aufs tiefste zu bedauern sei, für einen Teil der großen Kriegspsychose, in der unser Volk noch immer steckt, für einen Teil der allgemeinen großen nationalen Krankheitserscheinung, an der wir noch immer leiden. Ich erkenne Ihte pspchologischen Wurzeln durchaus an, selbstver⸗ ständlich, aber eine Krankheitserscheinung bleibt sie nichtsdesto⸗ weniger. (Umuhe rechts und Zuruf: Wie die ganze Revolution!) — Die Revolution war eine Folge des verlorenen Krieges, und für den verlorenen Krieg sind nicht wir verant⸗ wortlich. Meine verehrten Damen und Herven, wenn tbßerhaupt einzelnen Parteien und einzelnen Personen die Verantworktung fär den verlorenen Krieg zufällt, so sind diejenigen Parteien an dem der⸗ lorenen Krieg und damit auch an der Revolution schuld, die sich bis zum letzten Augenblick den notwendigsten inneren Reformen entgegengestellt ssehr richtig! bei den Sozialdemokraten) und die damit die innere Einigkeit und das innere Zusammengehbrigkeitsgefühl unseres Volkes kurz und klein geschlagen haben. (Zurufe rechts.) Sie rufen: „Die Revolution ist mit russischem Gelde gemacht worden. Glauben Sie im Ernst, daß eine historische Erscheinung, wie die deutsche Revolution mit einigen russischen Millionen zu machen ist? (Umuhe und Zu⸗ rufe rechts.) — Herr VBater in Magdeburg — ja, dessen Aeußerung kenne ich, ich habe die Aeußerung dieses unabhängigen Sozialisten auf das tiefste bedauert. (Erneute Umuhe rechts. Zuruf: Sie be⸗ dauern, daß der Mann so dumm ist, das zu sagen!) — Sie waren, Herr Abgeordnete Dr. Ritter, während der letzten Kriegsjahre nicht im Haufe, sonst wüßten Sie sehr genau — Ihr Nachbar Herr Ab⸗ geordnete v. der Osten kann Sie darüber aufklären —, daß es nicht berechtigt ist, wenn Sie mir hier sagen, daß ich die Ausführungen des Herrn Vater aus Magdeburg nur deshalb bedauere, weil sie zu offen⸗ berzig gewesen seien. Ich bedauere nicht nur die Außerungen bes Herrn Vater aus Magdeburg, sondern ich bedauere auf das tiefste — das habe ich an dieser Stelle mehrfach erklärt, und deswegen baben hier seit Jahren lebhafte Kämpse zwischen Herrn Avolph Hoffmann und mir stattgefunden — die ganze Politik der Unab⸗ hängigen Sozialdemokratie während des Krieges. Ich bin während des Krieges immer für eine geschlossene, einheitliche nationale Frovnt eingetreten. Aber das ist es ja gerade, was ich Ihnen von der Rechtoen zum Vorwurf mache, — daß Sie — verzeihen Sie, Ihre Partei gab es ja damals noch nicht —, daß die Konservativen durch ihren bor⸗ nierten Widerstand gegen notwendige Reformen, besonders gegen das gleiche Wahlrecht in Preußen, die innere Front zerbrochen, unser Volk zer⸗ klüftetund damit dem Verderben entgegengeführt haben. (Lebhafte Zustimmung bei den Sozialdemokraten. — Wederspruch und Zurufe rechts.) Nur weil. diese verhängnisvolle Politik der Rechten den Boden vorbereitet hatte, konnte die tiefbedauerliche Agitation der Unabhängigen so üppig in die Halme schießen. Im übrigen glaube ich, es würde zu weit führen, wenn ich auf jeden Zwischenruf der Rechten eingehen wollte. (Sehr richtig! und Zuruf bei den Sozialdemokraten.) — Ja, entweder ver⸗ stehens die Herren nicht, oder sie wollen es nicht verstehen. (Sehr wahrl bei den Sozialdemokraten.) 1 .
Was die antisemitische Bewegung ankbetrifft, so ist ste, wie ich sagte, zwar psychologisch erklärlich, aber doch ein Teil des großen, furchtbaren Krankheitsprozesses, an dem unser deutsches Volk beute leidet. Sie wird auch nicht durch Gewaltkuren zu beseitigen sein. Gerade die unabhängigen Herren und besonders der sehr ver⸗ ehrte Herr Abgeordnete Dr. Weyl, der als Arzt auf dem Boden der Naturheilkunde steht, sind doch gewiß auch politisch der Meinung,
dadurch heilt, daß man Gewaltkuren dagegen braucht, daß man schneidet, daß man Pillen einnimmt, sondern nur dadurch, daß man den ganzen Organismus widerstandsfähig macht und kräftigt. Dann verschwinden schließlich die äußeren Krankheitserscheinungen von selbst. (Abg. Dr. Weyl: Das möchte ich dem Kultusministerium wünschen. — Heiterkeit.) — Ich glaube, daß das Kultusministerium im allgemeinen so gesund ist, daß es Ihre Kur gar nicht notig hat.
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(Große Heiterkeit.) 2
als einer großen Welle, die heute unsexen gesamten Volkskörper durchströmt, Herr werden, wenn der gane Volkskörper wieder gesund geworden sein wird, und dazu möchte ich die Mitarbeit aller Par⸗ teien im Interesse des gesamten Vaterlandes heute von neuem auf⸗ gerufen haben. Gegen eintelne antisemitische Pöbeleien und Aus
Marburg, von einzelnen Studenten begangen worden sind, die so ungezogen und häßeich und niedrig sind, daß man sie einem akademischen Bürger am wenigsten zu⸗
haben —, gegen solche Ungczogenheiten und Rüpeleien auf der Straße gegenüber jangen Damen, die mit Juden verlebt oder vermählt sind, dagegen werde ich, soweit es in meinem Machtbereich steht, die akademischen Bürger jüdischer Rasse zu schützen wissen (sehr gut! rechts); das ist ganz selbstverständlich, und da finde ich zu meiner Freude auch die Zustimmung der Rechten.
ein friedlicheres Gebiet zu kommen, wo wir uns näher stehen — mit der Frage der ärztlichen Ausbildung beschäftigt. Ich bin in der angenehmen Lage, wie bereits im Ausschuß, dem Heecrn Abgeordneten Dr. Weyl darin größtenteis zustimmen zu können. Auch ich bin der Meinung, daß die ärztliche Ausbildung auf eine ganz neue Grundlage gestellt werden muß. Alle Gedanken, die er gestern angeregt hat und die ich heute nicht wiederholen will, sind gesund und gut. Ich banmn auch hier erklären, daß ich mir in der Froge der ärztlichen Austildung fast restlos das zu eigen machen kann, woas der bekanmnte Karlsruher OPsychiagter Dr. Willi Hell · pach in feiner ausgezeichneten Schrift über die Reform des medi⸗ zinischen Studiums niedergelegt dat. Diese Gedanken erscheinen mir poch beachtlicher, als die gleichfalls interessanten Darlegungen Dr
In den Staub zu hiehen. Er hat nicht das Recht und kann nicht das
sie einem verehrten Mitoliede dieses Hauses zuzutrauen,
Schwalbe und der anderen Herren. (Zuruf.) — Ueber
*
daß man Krankbheitserscheinungen, wie Fieber, Ausschläge usw., nicht
Also ich meme, wir werden auch der antisemitischen Bewegung
schreitungen, wie sie leider an unseren Universitäten, gerade auch
trauen sollte — das möchte ich hier nur nebenbei gesagt
Herr Abgeordneter Dr. Weyl hat sich dann — um nun auf
die städtischen Krankenhäuser, Herr Dr. Werl — Sie seben, ich gehe auf jede Ihrer Fragen gern ein —, habe ich folgende Erklärung aheugeben: Bei der überaus großen Zahl der Studierenden in den Berlnier Kliniken halte auch ich es im Interesse einer guten Aus⸗ bildung der künftigen Aerzte für dringend wünschenswert, daß eine Entlastung der städtischen Kliniken in der Weise berbeigeführt wir 8c neben ihnen noch andere Unterrichtseimichtungen geschaffen werden Ein solches Bebürfnis besteht besonders für die Gebiete der inneren Medizin und der Chirutgie. (Zuruf.) — Kinderheilkunde vielleicht uch; vereihen Sie, Herr Abgeordneter Schloßmann, daß ich Ihr Sondergebiet nicht besorders errähnt habe. Diesem Bedürfni kam in einfacher und zugleich sehr zweckmäßiger Weise dadurch entsprochen werden, daß entsprechend einem Angebot der Stadt Beulin das städtische Krankenhaus zu Mwalbit für den klinischen Unterricht mit⸗ verwendet wird. Die Direktoren der Abteilung für innere Krank⸗ heiten und der chirurgischen Abteilung gehören der medizinischen Fakustat bereits als außerordentliche Professoren an. Es sst be⸗ cbsichtigt, ihnen underzüglich das Recht der Aus⸗ stellung von klinizistischen Scheinen zu evteilen. Außerdem werde ich dem Herrn Minister für Volkswohlfahrt ihre Ernennung zu Mitgliedern der Prüfungskommission für Aerzte vor⸗ schlagen. Ich zweifle nicht daran, daß dieser darauf eingehen wird.
Ich hoffe, daß auch der Herr Abgeondnele Dr. Weyl mit dieser Erklärung befriedigt ist. Sie sehen, daß ich in manchen Fragen sogar die Herren Unabhängigen zufriedenstellen kann.
Ich möchte dann nur noch sagen, daß ich den Anregung ind An⸗
DIch moö „daß ich d nregungen und An⸗ trägen, die in der Kommission und hier im Hause vorgedracht worden “ “ des staatsbürgerlichen Unter⸗ richts nach wie vor mit der lebhaftesten Sympathie gegenü 2. Gerade ich selbst habe als Abgeordneter im 8— es schuß in früheren Jahren immer von neuem auf die hohe Bedeutung hingewiesen, die gevade in der Zeit nach dem Kriege die Heranbildung eines tüchtigen volkswirtschaftlich geschulten Nachwuchses für uns haben würde. Alles das, was ich früher darüber gesagt habe, kann ich heute nur doppelt und dreifach unterstreichen; und das Geld, meine Damen und Herren, das Sie für diese Zwecke anlegen, wird tausendfältig Frucht tragen. Ich darf Sie also auf allen Seiten dieses Hauses bitten, allen diesen An⸗ trägen Ihre Unterstützung zu leihen.
Von diesem Gebiet der Volkswirtschaftslehre aus, Herr Dr. Weyl, wird, glaube ich, zuerst Ihr gestern am Schluß Ihrer Rede geäußerter Wunsch in Erfüllung gehen, nämlich, daß sich endlich die Wissenschaft und die Arbeiter wieder finden mögen. Die Wissenschaft und die Arbeiter, das war die große Parole, mit der Ferdinand Lassalle vor mehr als einem halben Jahr⸗ bundert die deutschen Arbeiter zum politischen Leben zu erwecken suchte. Ferdinand Lassalle sagte selbst von sich mit Stolz — und er durfte es sagen —, daß er in die Arbeiterbewegung hinausgegangen sei, ausgerüstet mit der ganzen Wissenschaft seines Jahrhunderts. Ich hoffe von ganzem Herzen, daß sich in allen Teilen der Arbeiter⸗ schaft, auch in Ihren Reihen, Herr Dr. Weyl, die Achtung vor wissenschaftlicher Arbeit, vor wissenschaftlichem Ernst sich immer mehr vertiefen möge und daß von dieser Seite her, wo sich Arbeiter⸗ schaft und Wissenschaft aufs engste berühren, von der volkswirtschaft⸗ lichen Seite her, allmählich die Versöhnung von Wissenschaft und Arbeiterschaft, die jetzt so weit getrennt sind, wieder gelingen möge. Herr Dr. Weyl hat es gestern beklagt, daß Herr Unterstaatssekretär Becker zwar ein großes Verständnis habe für die psvpchologischen Triebkräfte bei der Studentenschaft, aber daß er ein gleiches psycho⸗ logisches Eingehen auf die Gemütslage der Arbeiter habe vermissen lassen. Herr Dr. Weyl darf jedenfalls von mir als einem alten Sozialdemokraten überzeugt sein, daß ich die psychologischen Bedürf⸗ nisse und Stimmungen auch der Arbeiterschaft gegenüber den Stu⸗ denten vollauf würdige. Ich arbeite mit allen meinen Kräften an der Versöhmung dieser beiden Faktoren, und ich hoffe, dabei die Mit⸗ arbeit aller Parteien dieses Hauses zu finden zum Wohle unseres Volkes, unseres Vaterlandes. (Lebhafter Beifall.)
Damit schließt die Besprechung des Abschnittes „Universi⸗ täten“. Es folgt der Abschnitt „Technisches Unterrichts⸗ wesen“.
Akg Lüdemann (Soz.) Reaktionäre Ausfälle und Agitationen sind nicht nur auf den Universitäten, sondern in gleichem Umfange auch an den technischen Hochschulen an der Tagesordnung. Wir erwarten von dem Mmister daß er auch bier streng darauf halten wird, jedem Miß rauch der Lehrfreihen entgegenzutreten. Für die technischen Hrch⸗ schulen ist die Besoldun, sreform womöglich noch dringender als für die Universifäten. Bei einem hierher gehörisen Inmnttut in Dahlem beziehen noch heute unverheiratete Techniker ein Monatseinkommen von 285 Mark, vperheirateie mit einem Kind und 15 „‚ienst⸗ jahren ganze 461 Mark. (Hört! hörr!l, Das sind Hunzorgehälter. Unzere technischen Hochschulen sind entstanden aus einer Erkenninis der Bedeutung der sechnischen Wissenschaft. Bei genügender Er enntnis auch seitens der Un versitäten wäre sicherlich eine einheituche Ent⸗ wicklung des Hochschulwesens entstanden. Leider ist das aber nicht der Fall gewesen. Es hat, sich in den technischen Hochschulen das Spezialistentum herausgebildet, das nur tochnische Teilarbeit zu leisten imstande ist. Der Flöͤste Teil der Techniter wird aber von den sogenannten technischen Mittelschulen geliefert, während hochstens 10 %, der Techniker ihre Bildung auf technischen Hochschulen erworben haben. Aufgabe ist es jetzt, das Spezialistentum an den technischen Hochschulen einzud ämmen und mehr zusammenhängende Vorträge zu halten. Bei der bevorstehenden Hochschulreform muß ieses Verbältnis der technischen Hochschulen zu den Mittelschulen un⸗ bedingt gelöst werden. Es muß den Angebörigen aller Volksschichten ermöglicht werden, sich die notige Vorbildung an den technischen Mittel⸗ chufen zu erwerben und dann ohne weiteres ihte Kenntnis und ihr Wissen auf den technischen Hochschulen zu vertiefen. Der Standpunkt des Herrn Professor Riedler von der Technischen Hochschule zu Char⸗ lottenburg ist ellerdings nicht geeignet, einen Ausgleich zu schaffen. Er sieht den nichtakademisch gebildeten Techniker nicht für voll, sondern fr minderwertig an und spricht überbaupt in einer so ab⸗ sälligen Weise über den Mittelschultechniter daß man wirklich nicht weiß. was man dazu sagen soll. Wir seben aber doch, daß tüchtige Leute in allen Volk’ schichten zu finden sind und ich persönlich möchte sogar sagen, daß die wertvollsten Kräfte gerade in den breiten Schichten der Arbeiterklasse zu finden sind. Es darf also diesen Leuten aus dem Polke, die nicht das Abiturientenexamen abgelegt haben die Möglichkeides Besuchs einer techn schen Hochschule nichtversperrt werden. Der Besuch der technischen Miltelschulen und technischen Hochschulen muß in einen organi b gebracht werden. Fs ist auch absolut erforverlich, daß de sozialen Wissenschaft ein größerer Raum an den rechnisch n Hochschulen eingeräumt werden muß. Unsere Studenten an den Hochschulen müssen in der Volks⸗ wirtschatt unterrichtet werden. Es wird niemand um die Erkennints hberumkommen, daß wir in den näͤchsten Jabren zu einem ESystem des planmäßig geregelten Wrrtschaftslebens kommen werden. Wir müssen allo etwas vollständig Neues an unseren Hochschulen heranztehen.
Arbeiterschaft erfolgen, und es muß daher auch diesen die Mönlichkeit geschaffen werden, sich eine abgeschlossene volkswirtschaftliche Bildung auf den Mittelschulen, technischen Hochschulen zu erwerben, nm später in den von ibnen erwählten Verwaltungskörper als Ver⸗ waltungsbeamte eintreten zu können. Das beste wäre, die technischen Hochschulen womöglich mit Handelshochschulen zu vereinigen. . Abg. Dr. Faßbender (Zentrum): Das technische und das kommerzielle Bildungswesen sind gleichwertig und wichtig und müssen sich ergänzen. Nach meiner Ansicht ware eine Absonderung der Hoch⸗ schufrekorm von der allgemein bevorstehenden Unvwersitätsrerorm zu wünschen, weil hier andere Gesichtspunkte in Betracht kfommen. Mit dem Vorredner stimme ich darin überein, daß die Erziehung unserer Techniker auch in den wirtschaftlichen Dingen dringend gedoten er⸗ scheint. Eine Ueberlastung der Hauptfächer durch Nebenfächer darf nickt eintreten. Unsere landwirt;chaftlichen Hochschullehrer müßten ouch in pratli’cher Beziehung die nörigen Kenntnisse besitzen, um sie ihren Studierenden muzuteilen. Professor Riedler hat, obgleich man vielleicht nicht mit allem einverstanden zu sein braucht, mwas er in der Denkschrift ausführt, unzweifelhaft einige wesentliche Anregungen gegeben. Bezüglich der Universitäten möchte ich dringend um Errichtung besonderer Lehrstühle fur das Ver⸗ si verungswesen bitten, welche infolge der Kriegsbeschädigten einen immer gCgrößeren Umfang angenommen hat. Eine Ausbauung der Institute zur Bekämpfung von Volksfeuchen nicht nur von Tubertulosekranken, sondem auch von Krehskranken liegt im. Interesse unserer Voltswohlfahrt, obgleich die Kosten eines Röntgenapvargtes sehr hoch sind, muß doch für eine Anschaffung der⸗ selben das nölige Geld bereitgestellt werden. Die Erhobung der Summe pon 25 000 ℳ auf 40 000 ℳ von seiten des Ministers ist gewiß sehr erfreulich, doch reicht eine solche Summe bei weitem nicht aus. Die allgemeinen Wissenschaften müssen auch an den technischen Hochschulen so ausgebaut werden, daß eine allgemerne philosopbische, auch religibs⸗philosophische Bildung den Studierenden vermittelt wird. 1 Abg. Dr. Schloßmann (Dem.): Heute, wo so viele unferer Hukunftöträume vernichtet sind, steben unsere Hochschulen unter bden Kleinodien, die wir zu hüten beruten sind obenan. Nur das, was im Auslande noch etwas gilt, har auch bei uns Wert. Da erfüllt es uns mit Stolz, auf unsere deulsche ö daß drei deutsche Forscher diesmal den Nobelpreis erhalten haben. Im Zusammenhang damit können wir nur nochmals auf den Ausschußantrag zu den Umiversitäten empfehlend hinweisen, im Einvernehmen mit der Reichsregierung die Mittel bereit zu stellen, um Deutschland die weitere erfolgreiche Mitarbeit mit den anderen Nationen zum Aushau der grundlegenden Entdeckungen Albert Einsteins und diesem selbst weitere Forschung zu ermöglichen. Die Universitäten und technischen Hochschulen müssen völlig gleichgestellt werden. Die Universitsten haben sich insosern zu konservat p verhalten, als sie manches komerviert haben, was in die heutige Zeit nicht mehr paßt. Für die notwendige Reform ist glücklicherweise der Berufenste berufen worden, während onst der Minister nicht durchweg eine glückliche Hand gehabt bat; wir bringen dem Unterstaatssekretär Becker das größte Vertrauen entgegen. Bei der Reform soll, so wünschen wir mit dem Ausschuüß, die jetzige Kiassenscheidung zwischen den planmäbigen Universitätslehrern dadurch aufgehoben werden, daß bei der Neuregelung der Besoldungsv rbölt⸗ nisse eine einheitliche Klasse planmäßiger Professoren geschaffen wird, und daß provisorisch alle dau qualisizierten planmänig n Exrtraordtnarien zu perfönlichen Ordinarien ernannt werden. Den Privatdog nten soll eine angemessene Vertretung in den Senmen und den n, die sich bewähren, in geelgneter Weife ei gewisses Mindest⸗ einkommen verschafft werden. Dem Strebertum ist überall, auch unter den Studenten entgegenzutreten. Das Studium ist unter den heutigen Verhältnissen ein schweres verantwortungsvolles Unternehmen; es ist eben eine andere Zeit als die Zeit unterer Väter war. Das alte humanistische Eymnasium haben wir leider abgebaut, ohne etwas Gleichwertines an die Stelle zu setzen. Diese Lüicke muß die Hochschule ausfüllen. Der Professor muß seine Lehrtätigkeit weit mehr als bis⸗ ber als seine Hauptautgabe auffassen. Der akademische Lehrer und der akademische Schüler sollen nicht owohl im Ve hälinisse wie Vater und Sohn stehen, sondern sie sollen Kommilitonen, Mitstreiter sein. Unertxräglich sind Eingriffe in das Palladium der akademischen Lehr⸗ freibeit. Der Unterrichtsplan muß jedes Jahr revidiert und der Brauch muß abgeschafft nerden, daß der Professor seine Kollegien⸗ befte Jahr für Jahr im wesentlichen unverändert wieder seinen Hörern vorliest. Mit 70 Jahren soll im Durchschnitt das Lehramt des Profe ssors sein Ende finden, darin sind alle Parteien einig. Der Studienplan für die Medizin muß auch in der Richtung gründlich repidiert werden, um zu verhindern, daß schlechte Aerzte auf die Menschheit losgelassen werden. Gegenüber dem Lassall schen Aus⸗ spruch, daß „die Wissenschaft und die Arbeiter zusammeng bören“, den gestrn Herr Weyl für seine politischen Bestrebungen fruktisiziette, vertreten wir D⸗moktaten die Auffassung, daß der Arbeiter, je mehr er aufnetlärt und gebildet wird, desto mehr von den Utopien der aͤußersten Linken abgelenkt und zur Erkenntnis des Unwerts ihrer Theorien geführt wird. Abg. Dr.⸗Ing. Kloß (D. Natl.): Hinsichtlich des Marburger Falls hätte nach meiner Auffassung eine Milterung in irgendeiner Form eintresen können. Bezüg ich des Bonner Falls scheint nach meiner Auffassung mit zweierlet Maß gemessen worden zu sein. Ich möchte noch meinem Bedauern Ausdruck geben üder die Abwesenheit des Ministers in den Ausschußverhandlungen. Der Mtnister hat dann einen Appell an die rechte Seite des H uses gerichtet, das Vaterland vor neuen Erschütterungen zu bewahren. Es wäre vielleicht angebracht gewesen, am Tage der Revolution einen solchen Appell an das Volk zu richten. (Sehr richtig! rechts.) Wenn Professor Riedler in seinen Ausdrücken etwas zu weit gegangen ist, so möge man das damit entschuldigen, daß er im allgemeinen eine scharfe Klinge schlägt, es ist aber nicht angebracht, die ganze Sache dadurch in Mißkredit zu bringen. Unserer Studentenschaft kann man aus dem Festhalten an Altbeigebrachtem doch keinen Vorwurf machen. Das'elbe muß gelten hinsichtlich ihrer Begeisterungsfähigkeit, die ja auch in Ihren Schichten (nach links) vorhanden ist. (Hehr richtig! rechts.) Leider ist es Tatfache, daß verschierene Schichten unseres Voltes apeinander vorbeigesehen haben. Es muß daher ein besseres Verstehen bei beiden Teilen einfetzen. Unsere Studenten als Kapi⸗ talisten zu bezeichnen, wird bei diesen eine stürmische Heiterkeit aus⸗ lösen. Trotz radikaler freiheitlicker Gesinnung unserer Studentenschaft und Professorenschaft können sich diese nicht mit der neuen Zeit abfinden, und zwar aus dem Grunde, weil es der neuen Zeit an kräftigen und werbenden Ideen mangelt. (Sehr richtig! rechts.) Der Mensch spricht am meisten von Togen, die er nicht hat. Das scheint auch jetzt der Fall zu sein. An dieser Stelle möchte ich auch unseren Hochschulstudenten, die am Kriege teilgenommen und das Vaterland verteidigt haben, unseren herzlichen Dank aussprechen (Beifall). Anerkennung ist auch den Heimkehrenden zu zollen, die sich sofort mit Feiß in die Arbeit ge⸗ stürzt haben. Der Lechnischen Hochschule in Danzig, die ja nun bald nicht mehr zu uns gehören wird, möchte ich zurufen, die deutsche technische Wissenschaft unter allen Umständen auch unter den neuen Verhältnissen hochzuhalten, wie wir ihr auch die Treue bewahren werden. Schon der Krieg hat uns die hervorragenden Leistungen unserer Technik deutlich vor Augen geführt und bei richtiger Einsetzung aller in Frage kommender Mittel wäre es wobhl möglich gewesen, daß das Zünglein an der Wage zu unseren Gunsten hätte ausschlagen können. Die Amwort auf unsere Anfrage betreffs der Gleichstellung der höheren Techniter und Juristen halten wir für ungegügend. Den Technikern muß unbedingt ihr Recht werden. Das Verhältnis der. Privatdozenten, Ordinarien und Extraordinarien entspricht genau dem Verbältnis auf den Unwersitären. Bei der Beratung der kommenden Reform muß unbedingt der eigenartigen Sfellung unserer rechnischen Hochschulen Rechnung getragen werden. Die Aufgabe der technischen Hochschule ist erstens, eine bexufliche sachausbildung zu schaffen, zweitens muß sie Gelegenheit zu wissenschaftlicher Forschurg gehen und drittens den Studserenden, den kanftigen Ingenieuren, eine Allge⸗
Eine Erneuerung unserer Beamtenschaft kann nur aus den Kreisen der
schulen muß auch das Verständnis kür soziale Fragen geweckt und vertieft werden schon in Rücksicht auf ihrem späteren Verkehr und Umgang mit Arbeitern in den Fabriken oder sonstigen Betrieben. Die Beseitigung pon Fachabteitungen halte ich nicht fur durchführbar. Eine Hochschuhreform kann nur bann gut durchgefuͤhrt werden, wenn sie gettagen wird von der gemeinschaftlichen Arbeit aller Professoren und unter Andörung und Mitarbeit aller beieiligten Kreise. Sehr
zu mwünschen wäre dabei, daß jede Störung und jede Unrube bei dieser gemeinsamen Arbeit ausgeschaltet wird. Und wenn wir fest⸗ elbständigkeit, dann wird uns die unseres Voltes gelingen.
balten an ter altbewäyrten Lösung auch dieses Problems zum Besten (Beifall rechts.) 5
Unter jgatssetre'är Becker: Auf das Bedauern des Vor⸗ redners, daß der Minister im Ausschusse nicht onwesend gewesen sei, erwidere ich, daß der Minister durch andere Arbeiten an der Teilnahme verbindert war. Jedenfalls aber bringt die Regterung den jechnischen Hochschulen genau dasselbe Interesse entgegen wie den Untversitäten. Wenn die Regierung bisher eine Zuruͤückbaltung beobachtet hat, so ist das absichtlich geschehen. Bei der Reform der technischen Hochschulen aber handelt es sich vorwiegend um paäda⸗ gogiiche Aufgahen, bei den Universitäten dagegen um organisatorische Aufgaben. Wir wollen uns bier erst des Rares der verschiedenen Sachverstäͤndigen vergewissern, bis sich die Sachlage auf diesem Ge⸗ biete gekzärt hat. Die Regierung kann sich heute also noch nicht auf gewisse Dinge festlegen. Bezüglich des Falle; Lemmer handelt es sich nichz nur um formale Rechte, sondern auch um Billigkeitsgründe, die der Minister hat anerkennen müssen. Bezüglich des anderen Falles ljegt die Sache so, daß ein Privarbrief aus Versehen in den amt⸗ lichen Geschäftsereis gekammen und afeeiesten auf amtlichem Wege der Universität zugegangen ist. In diesem Falle tonnte die Umnwersität nicht anders als ditztplinarisch vorgehen. Aus dem Gesichts⸗ punkt der Billigkeit hat dann der Minister emgreifen zu müssen geglaubt. Im übrigen habe ich auch immer beiont und wiederhole es, daß eine Existenz in der neuen Zeit nur möglich ist, wenn sich die atade mischen Kreise nicht im we sentlichen von materialistischen, jondern von idea⸗ listischen Gesichtspunkten leiten lassen.
Abg. Dr. Weyl (U. Soz.): Das Volk der Dichter und Denker scheint zu schlafen. Wie kommt es, daß die wichtigsten geistigen Imnteressen des Volkes erörtert werden vor gähnend leeren Bänken und Tribünen? Solche rein sachlichen und technischen Fragen ge⸗ hören überhaupt nicht in ein so großes Plenum, sondern in die Aus⸗ schüsse Die Teilnahmslosigkeit hat aber auch inre tiekere Ürsache. Die Arbeitertlasse hat keen Vertrauen zu einer Koalmionregierung, die kein Rückgrat zeigt. Heute bört man, daß das Schulkompromiß vom Zentrum gekündigt wer en soll, und das hißchen Vertrauen, das sie moch genoß, muß doch in die Binten geben, wenQ auf einen 29.Männermlord 30 ℳ Geldftrafe gesetzt werten. Der Geist von Potsdam ist es, der sich auch in dem Marlohurteil manifestiert, des allgemeine Empörung hervorgerufen hat und sich würdig den Scheusäligkeiten der Militärkamarillg angliedert. Die Engberzig⸗ teit der medizinischen Fakuhtaäten hat in Breslau einen eklatanten Fall von underdienter Zurücksetzung eines verdienten Arztes und in den letzten Tagen mittelbar die Mandarsniedertegung unferes hoch⸗ angesebenen bisberigen Kollegen Professor Abderhalden herbeigefübrt. Dr. Schlosmann hat die senderbare Ftage aufgeworfen, was die Arbeiter auf den Universitäten zu suchen haben. Daß felbst ein 10 gebildeter und aufgeklärter Mann nicht begreifen kann, daß die Arbeiter in ibrem Bi dungsdrang zur Unipersität streben, ist wir und greiflich. Die Volkshochschule sall den Uebergang bilden, um den Arbeuter zu betähigen, auf der Uniperfität als fieter Hörer, als Hospitanten den Porzesunzen, die für sie Iunteresse haben, zu folgen. Die Professoren, die „zum. Volke hetu tersteigen“, können von de Arbeitern sehr viel Wesentliches und Nutzl ches lernen. Herr Schlos⸗ mann aber will den Arbeitern Bildung und Aufklärung nux zu⸗ kommen lassen in der Hoffnung, daß dann der Zulauf zur Demo⸗ kratie aus Arbeiterkreisen sich mehrt. Wir sind nicht bange, wo schließlich dann der Arbeiter Auschluß suchen und finden wird. Haben . E“ A ie wir die Lohnskiaverei abschaffen, dann wird auch die Kluft zwischen Arbei Wissen⸗ eseeen nirr Kluft zwischen Arbeitern und Wissen⸗ Abg. Dr. Moldenhauer (D. Vp.): Auch bei der Gestaltung der Porlesungen kann eine Verständigung zwischen Professoren und Studenten stattfinden. Plenge hat auch Vorsch aͤge für die Zusammen⸗ fassung der Studenten in Fachauslchüsse gemacht. Mit einer un⸗ günnigeren finanziellen Lage der Studenten ist um so mehr zu rechnen. als die Stände, aus denen die Mehrzahl stammt, b ute proletarisiert sind. Da muß auch am Soöstem der Kollegiengelder reformiert werden. In Köln haben wir die Stundung nicht gekannt, dafür haben wir bis zu 5 Pro ent drs Gesamtbetrages erlassen. Die Korporcationen sind auf allen Hochschuten im Zunehmen; das ist immerhin zu begrüß n. Die Korporationen legen grozen Wert auf das erzieherische Moment und haben und hegen eine Tradition sie sind der ruhende Pol in der Erscheinungen Flucht. Der Studen, der 1848 mit voller Begeisterung für die Revoluton eintrat, hat bis auf wenige Ausnahmen die Revolution von 1918 abgelehnt; heute ist die Stimmung des Kriegsteitnehmers ausschlaggebend, denn sie sind fast alle draußen gewesen. Die Professorenschaft war zum Teil am 9. November 1918 für den Anbruch sehr b. tert, steht aber heute⸗ vor einer großen Enttäuschung, seit sie der nu eingetietenen Mißach⸗ zung vor der geistigen Arbeit inne geworden sind. (ebh Zustimmung rechts.) Die Erk ärung d⸗s Ministers bezüglich der Lehrfreiheit nehmen wir gern hin, aber unsere letzten Zweifel sind damit nicht beseitigt, zumal im gieichen Atemzug die Norwenrigteit der alsbaldigen Vereidigung der Hochschul jehrer auf die Neichsverfassung betont worden ist. Das Recht an den heuti en polilischen Zuständen Kritik zu üben, auch dem Aus⸗ lande einmal ein krärtiges Wort zu syrechen, muß dem preußischen Hesheeggeheg. d8gef ecn werden. (Beifall rechts.) Zum Schluß
sichlt Redner dm Minister die Hochschulen i sen bi besonders die Aachener. 8 “ Cö“ 8 Damit schließt die Besprechung. Das Haus geht nach 6 ½ Uhr zur Beratung des Abschnitts Höhere Lehr⸗ anstalten“ über. Der Ausschußbericht über diesen Ab schnitt liegt noch nicht vor. Saasg ta erhält zu einer persönlichen Bemerkung Abg. von der Osten (dnat.) das Wort, um itgli der früberen onservatiden Partei die Bemerkung über 8 ; Politik dieser Partei in der Wahlrechtsfrage als unberechtigt, persön⸗ lich verletzend und überheblich zurückzuweisen. Minister für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung Haenisch: Meine Damen und Herren! Es hat mir dei meiner Bemerkung selbstverständlich nichts ferner liegen können, als gerade Herrn Ab⸗ geordneten von der Osten, den ich persönlich von jeher ganz be⸗ sonders hochgeschätzt habe, versönlich irgendwie kränken zu wollen. Sollte das unabsichtlich doch geschehen sein, so würde ich es lebhaft bedauern. Sachlich aber kann ich von dem Vorwurf, daß die Politik der verflossenen konservativen Fraktion dieses Hauses in der Wahlrechtsfrage borniert gewesen sei — ich bitte, die Schärfe des Auserucks, auf den es mir nakürlich nicht ankommt, zu verzeihen — nichts zuxücknehmen.
Nach 7 Uhr wird die Beratung des Haushalt .
Fh Lehranstalten auf Donnerstat 41 Uhr “ dn
8 sümichen dn v veeeeeeesels und über t daßu vorliegenden Anträge wi
nachmittag etwa um 4 Uhr statiinden. 8 8* 8 W 8
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meinbildung vermitteln. Den Studenten der technischen Hoch⸗