1919 / 285 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 12 Dec 1919 18:00:01 GMT) scan diff

Land⸗ und Forstwirtschaft.

der neuen Wintersaaten in Preußen 4 zu Anfang Dezember 1919. ach dem letzten Saatenstandsbericht für Preußen von Anfan Rovember (s. Nr. 260 des „Reichs⸗ und war e diesjährige Hackfruchternte und auch die Bestellung der neuen Wintersaaten fast überall noch nicht boendet. teilweise noch sehr im Rückstande. In früheren Jahren war Ende Okkober die Kartoffelernte meist vollständig, die Ernte von Rüben und Kohl mum größten Teil beendet. Ebenso blicben früher von den Bestell⸗ arbeiten nur noch die auf denjenigen 1 zu erledigen, die nach dem Abernten von Kartoffeln und Rüben Wintersaat erhalten sollten. Der diesjährige große Rückstand bei den Herbstfeldarbeiten war zunächst dadurch herbe'geführt, daß der Beginn der Getreide⸗ ernte sich wegen des eigenartigen und im Durchschnitt zu kühlen Sommerwetters um 2 bis 3 Wochen verzögerte. Obwohl von diesem Zeitpunkt (etwa Mitte Juli) ab bis Ende Oktober fast im ganzen Staatsgebiete beständiges gutes Wetter geherrscht hat, so daß die Feldfrüchte ohne Störung und ohne Einbußen an Auswuchs, Nässe usw. eingebracht werden konnten, war es doch nicht möglich, die Gesamternte rechtzeitig zu bergen. Soweit es sich nach den vor⸗ liegenden Mitteilungen der landwirtschaftlichen Vertrauensmänner übersehen läßt, waren zu Aufang November an Hackfrüchten noch ungeerntet geblieben: Kartoffeln in erheblichen Mengen (stellenweise bis zu 50 % des Anbaues) nur noch auf den Gütern östlich von der Elbe, besonders aber östlich von der Oder, Zuckerrüben, Runkeln, Kohl⸗ und Mohrrüben in mehr oder weniger großem Umfange in sämtlichen Landesteilen, besonders aber in den östlichen Provinzen, und war hier bis zu 80 %. Die Berichte stimmen darin überein, daß die Verzögerung der Ernte auf die verkürzte Arbeitszeit, die allgemeine Arbeitsunlust und die dadurch verringerte Leistung sowie auf den Mangel an geeigneten Hilfskräften, insbesondere auch auf das Fehlen der Saisonarbeiter zurückzuführen sei. Vor allem müßten während der Bestellungs⸗ und Erntezeit die irgendwie verfügvaren Hand⸗, Spann⸗ und Maschinenkräfte unbeschräntt voll ausgenutzt werden können. Treten hierin keine Aenderungen ein, so sei eine ordnungs⸗ mäßige Bewirtschaftung des Landes unmöglich und insbesondere ein weiterer Rückgang im Anbau der Hackfrüchte unausbleiblich.

Die Gründe für die Rückständigkeit der Hackfruchternte beein⸗ flußten naturgemäß auch den Fortgang der Herbstbestellung, und zwar um so mehr, als in vielen Gegenden auf die abgeernteten Kartoffel⸗ und besonders Rübenfelder Wintergetreide gesät wird. s ist daher nicht zu verwundeen, wenn die großen sowohl wie die kleinen Besitzer in fast sämtlichen Bezirken noch mehr oder weniger erhebliche Flächen besonders mit Weizen nicht bestellt haben, so daß mit einem wahrscheinlichen Rückgange der Anbaufläche von Brotgetrelde zu rechnen sein wird. Es steht nach den vorliegenden Aeußerungen noch nicht fest, ob die Einsaat wird beendet werden können. Ebenso sind die im Herbst auszuführenden Pflugarbeiten für die Frühjahrsbestellung noch sehr weit zurück. Die Feldarbeiten, die Ende Oktober noch in vollem Gange waren, wurden ganz un⸗ erwartet von einem starken Wettersturz unterbrochen. Bereits am 30. Oktober setzten eisige Nordostwinde ein, wodurch die Temperaturen unter den Nullpunkt sanken; über 3 Wochen herrschte über das ganze Land ein Winterwetter, wie es seit Menschengedenken nicht erlebt worden ist. Stellenweise wurden in östlichen Gegenden bis 17° Celsius beobachtet. Starke Schneefälle hielten mehrere Tage ununterbrochen an und erzeugten fast überall eine hohe Schneedede, die in vielen Landstrichen bis 40 und 50 em stark wurde. Sie bot den noch nicht geernteten Hackfrüchten und den jungen Saaten guten Schutz gegen den starken Frost, und zwar in dem Maße, daß nach den hisber vorliegenden Urtetlen nur wenig ernst⸗ licher Schaden an Hackfrüchten entstanden ist. Bei Zuckerrüben und Mohrrüben hat sich sogar vielfach ein nachträgliches Wachstum unter der Schneedecke feststeilen lassen. Auch die Blätter können zumeist noch verfüttert werden. Die Saaten haben sih unter der Schneedecke gleichfalls gut erhalten; sie sind hier wielfach erst aufgelaufen und eingegrünk. Doch fehlt es auch nicht an ungünstigen Berichten. In den nordöstlichen Landesteilen traten die Schneefälle erst nach mehrtägigem starken Frost ein, so daß der Boden völlig erstarrte. Da aber gerade in diesen Gegenden die Hackfruchternte erheblich im Rückstande geblieben war, so wird hier mit einem fühlbaren Schaden um so mehr zu rechnen sein, als auch die noch nicht genügend eingedeckten Kartoffel⸗ und Rübenmieten Frost erhalten haben. Von den Rüben sind hauptsächlich die Runkeln erfeoren, die Steck⸗ und Mohrrüben dagegen weniger, weil sie gegen Frost bedeutend widerstandsfähiger sind. Etwa vom 20. November ab tauten die Schneemassen infolge schnellen Steigens der Tempe⸗ raturen bald fort, ohne besonderes Hochwasser zu erzeugen. Da seitidem mildes Wetter mit geringen Regenfällen berrschte, so wurden die rückftändigen Ernte⸗ und Bestellungsarbeiten, irgend angängig, wieder aufgenommen. Aus mehreren Bezirken wird gemeldet, daß die Hackfruchternte dann schnell erledigt worden ist. Man hofft, daß während der Forldauer des milden Wetters, das allerdings schon wieder von einigen stärkeren Frösten, stellenweise auch von Schnecfällen unterbrochen wurde, noch alles hat geborgen und die Bestell Fügen auch noch haben erledigt werden fönnen. Sollte dies vor dem Wiederbeginn des Winters gelungen sein, so kann jetzt schon gesagt werden, daß bedeutende Mengen an Hack⸗ kfrüchten infolge des vorzeitigen Winterwetters nicht verloren gegangen sind. Die vom Frost betroffenen Kartoffeln können in Stärkefabriken und Brennereien der Volksernährung nutzbar gemacht werden; die Zucker⸗ und Mohrrühben haben wenig gelitten, und die erfrorenen Runkeln und Kohlrüben lassen sich durch Einsäuern weiter als Vieh⸗ futter verwenden. Dies ist besonders wichtig, weil das Weidevieh in diesem Herbst viel zu früh hat aufgestallt werden müssen.

Für die Beurteilung der Wintersaaten, soweit sie schon ein⸗ gegrünt oder überhaupt schon aufgelaufen sind, sowee des jungen Klees gibt einen allgemeinen Anhalt die Uebersicht des Standes dieser Saaten in den größeren Verwaltungsbezirten und dem ganzen Staate zu Anfang des Monats Dezember, die das preußische Sta⸗ tistische Landebamt auf Geund der Berichte der landwirtschaftlichen Vertrauensmänner in der „Stat. Korr.“ veröffentlicht, der auch die vorstehenden Mitteilungen entnommmen sind. Danach ergaben sich im Staatsdurchschnitt süc den Stand der neuen Wintersaaten und des jungen Klees zu diesem Zeitpunkt folgende Begut⸗ achtungsziffern, wenn 1 „sehr gut“, 2 „gut“, 3 „mittel (durch⸗ schnittlich)“, 4 „gering“, 5 „sehr gering“ bedeutet: Weizen 3,2 (Anfang Noveuber d. J. 3,0, Anfang Dezember 1918 2,6, Anfang Deember 1917 2,5), Spelz (Dinkel), auch mit Beimischung von Weizen oder Roggen, 2,8 (gegen 2,6 bezw. 2,7 und 2,7), Roggen 3,2 (gegen 2,9 bezw. 2,4 und 2,3), Gerste 2,9 (gegen 2,7 bezw. 23 und 2,5), Raps und Rübsen 3a00 (gegen 2,8 bezw. 2,5 und 2,2 junger Klee, auch mit Beimischung von Gräsern, 2,9 (gegen 2,8 bezw. 2,7 und 3,6). Gegen den Vormonat November sind also die Staatsnoten bei sämtlichen Fruchtarten geringer beurteilt worden, und zwar Roggen um 0,3, Weizen, Raps, Spelz und Gerste um je 0,2, Klee um 0,1. Vergleicht man die jetzigen Ziffern mit denen von 1918, so ergeben sich zum Teil große Unterschiede, und zwar sämtlich zuungunsten von 1919, bei Roggen 0,8, bei Weizen und Gerste je 0,6 und bei Raps 0,5. Es muß allerdings bemerkt werden, daß im Vorjahre sämtliche Winterfrüchte infolge des milden und feuchten Herbstwetters einen besonders guten Stand hatten.

In den Berichten der landwirtschaftlichen Vertrauensmänner wird vielfach betont, daß gut bestockte und üppig aussehende Schläge an Wintergetreide, wie in fraheren Jahren, jetzt kaum zu finden sind. Nur die bis Ende September bestellten 2 aten haben sich bei der milden Witterung bis etwa Mitte Oktober gut entwickelt. Alles später in die Erde gekommene Getreide ist, sofern es überhaupt schon sichtbar wurde, nur schwach eingegrünt, melstens noch rötlich gefärbt. Von einigen Seiten werden Bedenken dahingehend geäußert, daß vielleicht die Saaten, die beim Eintritt des Frostwetters im Milchkeime lagen, als verloren anzusehen sind, da in ähnlichen Fällen frühener Jahre das

Der Stand

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Ausble’ben solcher Schläge wiederholt beobachtet worden ist. Viel⸗ fach wird darüber geklagt, daß die bestellten Felder nicht ausreichend gebüngt werden konnten. Stalldung blieb unzureichend wegen des geringen Viehstapels, und Kunstdünger war nur in geringen Mengen erhältlich. Es bleibt zu wünschen, daß bis zum Frühjahr reichliche Mengen an Kunstdünger vorhanden sind, um den Wintersaaten mit einer kräftigen Gabe Kopfdung beispringen zu können. Rapsfelder haben oftmals nachbestellt oder umgeackert werden müssen, weil sie von Erdflöhen sehr stark heimgesucht worden sind oder wegen der Trockenheit nicht grün wurden.

Der junge Kiee wird sehr verschieden beurteilt, je nachdem die Trockenbeit des Vor⸗ und Nachsommers die Entwicklung behindert hat. Zumeist ist der jetzige Stand als befriedigend, in vielen Be⸗ zirken sogar als gut zu bezeichnen; doch mußten in manchen Gegenden, besonders in Schlesien, Sachsen, Hannover und in den westlichen Provinzen, erhebliche Flächen an Klee umgepflaügt werden, weil er zu dünn oder lückenhaft geblieben oder von Mäusen oft völlig vernichtet worden war. Nach dem Abernten des Getreides fielen die Mäuse, die sich während der Monate September und Oktober in den meisten Bezirken zu einer Landplage entwickelt hatten, über den Klee und auch über die Wintersaaten her und richteten vielfach recht beträchtlichen Schaden an. Auch unter der Schneedecke haben sie ihr Vernichtungswert eifrig fortgesetzt, doch sollen bei der Schneeschmelze große Massen von ihnen zugrunde gegangen sein. An sonstigen Schäd⸗ lingen werden noch Kräben und Dohlen genannt, die sich wegen mangelnden Abschusses erheblich vermehrt haben.

Hiermit ist die dies jährige Berichterstattung über den Saaten⸗ stand beendet; die nächstjährige beginnt Anfang April.

Verkehrswesen.

Paketsperre für Berlin. Wegen Verstopfung der Verkehrsräume hat notgedrungen dazu geschritten werden müssen, die Annahme von Privatpaketen feder Art, ausgenommen solche mit barem Gelde nach Berlin Ort vom 10. bis zum 12. De⸗ ember und die Annahme von Privatpaketen jeder Art mit

achnahme nach dem ganzen Oberpastdirektionsbezirk Berlin vom 13. bis 26. Dezember zu sperren.

Postpakete mit und ohne Wertangabe nach Island werden von den Postanstalten wieder zur Beförderung über Däne⸗ mark angenommen. Die Raumgröße der Sendungen darf 25 chen nicht übersteigen. Die Beförderungsgebühr beträgt für ein Paket bis 3 kg 3 60 ₰, über 3 —5 kg 4 65 ₰, die Versicherungs⸗ gebühr 16 Pf. für je 240 Wertangabe, mindestens jedoch 40 ₰.

Theater und Musik.

Im Opernhause wird morgen, Sonnabend, „Susannens Geheimnis“, mit Fräulein von Catopol und den Herren Ziegler als Gast und Philipp besetzt, wiederholt. Dirigent ist der Generalmusikdirektor Leo Blech. Vorher wird das Ballett Klein Idas Blumen“, mit den Damen Bonitz, Berghoff, Gageike, Schröder und Herrn Molkow in den Hauptrollen gegeben. Dirigent ist Dr. Fritz Stiedryv. Den Schluß bilden „Silhouetten“, in erster Linie mit Fräulein Berghoff und Herrn Molkow besetzt. In beiden Tanzveranstaltungen wirkt auch das Ballettpersonal mit. ö der „Silhouetten“ ist der Kapellmeister Otto Urack. Anfang 7 Uhr.

beretts in so reichem Maße von den amerikanischen Methodisten hier eingegangenen, durch das deutsche Rote Kreuz verteilten Liebesgaben aus, die in fast allen Gauen des Reiches zur Linderung der Not bei⸗ getragen hätten. Gleichzeitig wies er darauf hin, daß der Besuch der amerikanischen Geistlichen das allmählich zwischen den vormals feind⸗ 8 Völkern neu entstandene Wohlwollen sichtbar zum Ausdruck ringe.

Die Reichszentrale für Kriegs⸗ und Zivil⸗ gefangene teilt mit: 352 Zivilgefangene aus Auft ralien trafen am 10. Dezember mit dem Dampfer „Valencia“ in Rotter⸗ dam ein. Ein weiterer Transport von 263 Personen aus Australien kommt mit dem Dampfer „Rugia“, dessen Landung in Rotterdam

am gleichen Tage erwartet wurde. Mit 60 Zivilheimkehrern aus Trinidad und 33 Kriegsgefangenen von der Besatzung der „Mecklenburg“ landete am 9. Dezember der Dampfer „Oranje⸗Nassau“ in Amsterdam. Die Ankunft des Dampfers „Windhuk“, der 458 Heimkehrer aus Südwestafrika an Bord at, wird am 13. Dezember in Rotterdam erfolgen. Die Zahl der Heimkehrer aus Vorderindien, die der am 9. Dezember aus Bombay abgefahrene Dampfer „Main“ mitbringt, wird noch bekannt⸗ gegeben. (W. T. B.)

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Der Verein der Schleswig⸗Holsteiner von 1888 in Berlin veranstaltete am Mittwoch im großen Saale des Herrenhauses einen Schleswig⸗holsteinischen Heimats⸗ aben d. Der Saal war vollständig überfüllt. Nach Vorträgen der nordschleswigschen Herren Johannes Tiedje und Dr. Boysen be⸗ schlossen „W. T. B.“ gufolge die Versammelten, zum größten Teil Abstimmungsberechtigte, einstimmig, den Brüdern und Schwestern in der Nordmark herzliche landsmännische Grüße zu senden. Dem deutschen Ausschuß für Schleswig wurde telegraphiert: „Wir kommen zu Euch, wir kommen mit Mann und Frau, wir kommen zu tausend und abertausend, und mit uns kommt lebendiges, raftvolles Deutschtum. Wir Nordschleswiger in Berlin geloben, nun und immerdar unserer schönen alten Heimat treu zu bleiben.“

In der Treptower Sternwarte finden in den nächsten Tagen folgende Film⸗ und Lichtbildvorträge statt: Sonntag, Nach⸗ mittags 3 Uhr: „Setten und Gebräuche fremder Völker“ (Filme), 5 Uhr: „Reise zum Südpol“ und „Ein Blick ins Weltall“ (Filme), Abends 7 Uhr: „Aus Großstadtmauern in den Schwarzwald“ (Filme): Dienstag, 16. Dezember, Abends 7 Uhr: „Unsere Erde als Planet“ (Vortrag mit Lichtbildern von Direktor Dr. Archenhold); Sonabend, 20. Dezember, Nachmittags 5 Uhr: „Dret Weihnachtsmärchen“ (ei Beobachtungen mit dem großen Fernrohr können täzlich ei klarem Wetter von 2 Uhr Nachmittags bis 10 Uhr Abends vor⸗ genommen werden. Fübrungen durch das astronomische Museum finden in der Zeit von 2 Uhr Nachmittags bis 8 Uhr Abends statt.

Rom, 11. Dezember. (W. T. B.) Laut „Havasmeldung“ wird ein erster Sonderzug Femnächst bedürftige iener Kinder zum Aufenthalt nach Italien bringen. Die Initiative zu diesem Hilfswerk wurde von den Gemeinde⸗ räten von Mailand, Bologna, Reggio di Emilia und Alessandria ergriffen und fand bei der italienischen Re⸗ gierung günstige Aufnahme. 3

Brüssel, 11. Dezember. (W. T. B.) Die medizinisch⸗ chirurgische Gesellschaft von Lüttich wendet sich in einer Entschließung gegen den Versuch englescher Persönlich⸗

Im Schauspielhause wird morgen „Wilhelm Tell“ in der Neueinstudierung zum ersten Male wiederholt. Spielleiter ist Leopold Jeßner. Anfang 7 Uhr.

Die Erstaufführung von Humperdincks Märchenoper „Hänsel und Gretel“ im Deutschen Overnhause findet am Freitag, den 19. d. M., Abends 7 Uhr, statt. Die Hauptpartien werden von den. Damen Dorp, Gottlieb, Marck⸗Lüders, Uhr und Herrn Bilk gegeben. Musikalischer Leiter ist der Kapellmeister Krasselt, Spielleiter Dr. Kaufmann. Am 22. und 23. Dezember finden Aufführungen von „Parsifal“ statt, die um 5 ½ Uhr beginnen. Der Weihnachts⸗ spielplan bringt am ersten Feiertag um 6 Uhr „Lohengrin“, am zweiten Feiertage „Die Fledermaus“ und am 27. d. M. „Hänsel und Gretel“, woran sich Tänze schließen. Der Vorverkauf für diese Vor⸗ stellungen hat heute begonnen.

Kinder zu retten.

keiten, die Milchkühe für Deutschland im Interesse der deutschen Die Gesellschaft fordert auf, sich streng an den Friedensvertrag zu halten.

(Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten und Zweiten Beilage)

Theater.

Das für den 14. d. M. angesetzte Konzert in der Wandel⸗ hballe des Reichstags zugunsten der Wiener Bevölke⸗ rung findet nicht statt. Es muß verschiedener Umstände wegen auf

einen späteren, noch unbestimmten Zeitpunkt verschoben werden.

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Der Konzertbericht befindet sich in der Zweiten Beilage.

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1 Berliner Stadtverordneten beschäftigten sich in ihree gestrigen Sitzung zunächst mit der einem Ausschuß zur Vor⸗ beratung überwiesen gewesenen Vorlage, betreffend Erböhung des Preises für das aus der städtischen Wasser⸗ leitung zu liefernde Wasser. Die Versammlung beschloß, die g auf 10 und den Wasserpreis auf 32 festzusetzen. hne Erörterung wurde sodann die Vorlage, betreffend den Abschluß von Verträgen mit der preußischen Eisenbahn⸗ verwaltung aus ee des Baues des Westhafens, angenommen. Eine weitere Vorlage betraf die Errichtung eines städtischen Berufsamts zum 1. Januar 1920. Das Berufsamt hat die Aufgabe, Personen, die neu ins Berufsleben eintreten oder ihren Beruf wechseln wollen, sowie die Hesetzichen Vertreter von Jugendlichen bei der Berufswahl zu beraten. Zur Verwaltung des Berufsamts soll eine ständige Depufation mit der Bezeichnung „Deputation für das städtische Berufsamt“ gebildet werden. Der Magistrat beant ragte, dem bezüglichen Ortsstatut zuzustimmen und die er⸗ forderlichen Mittel in Höhe von 57 000 zu bewilligen. Die Magistratsvorlage wurde angenommen, ebenso ein Antrag Mertens, dahingehend, drei Bürgerdepukierte und einen Stadtverordneten in das Berufsamt hinzuzuwählen. Für die Kriegsbeschädigten⸗ fürsorge wurde abermals eine Million Mark bereitgestellt.

Der E empfing am Mittwoch eine Ab⸗ ordnuung des Einheitsverbandes der Kriegsbeschä⸗ digten und Kriegshinterbliebenen (Sitz Leipzig). Er nahm, wie „W. T. B.“ berichtet, den Vortrag des Verbands⸗ vorsitzenden über die mißliche Lage der Kriegsbeschädigten und der Kriegshinterbliebenen entgegen. Der Reichspräaäsident äußerte sich bei dieser Gelegenheit über die finanziellen Verhälinisse des Reiches, die er als außerordentlich schwierig bezeichnete und die sich durch den von der Entente ausgeübten Druck noch ungünstiger gestalteten als bisher. Hierauf sei auch hauptsächlich die noch mangelhafte Versorgung der Kriegsbeschädigten und ihrer Hinterbliebenen zurückzuführen. Der Reichspräsident versprach schließlich, allen seinen Einfluß geltend zu machen, um baldigst eine Besserung herbeizuführen. Schon in den nächsten Tagen solle bei den zuständigen Stellen eine Se über die Behebung der be⸗ stehenden Notlage stattfinden. Gestern empfing der Reichs⸗ präsident eine Kommission der methodistischen Epis⸗ kopalkirche von Amerika, die zurzeit Mitteleuropa in der Absicht bereist, ihr schon jetzt bedeutendes Hilsswerk daselbst noch weiter auszubauen. Die Kommission, bestehend aus den Bischöfen Dr. Burt, Dr. Nuelfen und William Shepherd, dem Superintendenten Richard⸗ son sowie den Herren Dr. Bucher und W. Crapford, berichtete

land gewonnenen Eindrücke. Der Reichspräsident sprach der

Kommission den sefgefühlten Dank des deutschen Volkes für die

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über ihre in den schwer geprüften Ländern, insbesondere in Deutsch⸗

Opernhans. (nter den Linden.) Sonnabend: 259. Dauer bezugsvorstellung. Dienst⸗ und Freiplätze sind aufgehoben. Susannen Geheimnis. Intermezzo in einem Akt nach dem Französischen von Enrico Golisciani. Deutsch von Max Kalbeck. Musik von Ermanno Wolf⸗Ferrari. Musikalische Leitung: Generalmusikdirektor Leo Blech. Spielleitung: Karl Holy. Vorher: Klein Idas Blumen. Ballett in einem Aufzug nach dem Märchen von H. C. Andersen von Paul von Klenau. Musikalische Leitung: Dr. Fritz Stiedry. Ballett⸗ leitung: Alexander Hoffmann. Nachher: Silhouetten. Tanzszenen von Schatten zu Licht. 8 Kröller. Musifalische Leitung: Otto Urack. Ballettleitung: Alexander Hoffmann. Anfang 7 Uhr.

Schauspielhaus. (Am Gendarmenmarkt.) Sonnab.: 276. Dauer⸗ bezugsvorstellung. Dienst⸗ und Freiplätze sind aufgehoben. Wilhelm Tell. Schauspiel in fünf Aufzügen von Friedrich Schiller. Spiel⸗ leitung: Leopold Jeßner. Anfang 7 Uhr.

Sonntag: Opernhaus. 260. Dauerbezugsvorstellung. Dienst⸗ und Freivlätze sind aufgehoben. Tannhäuser und der Säuger⸗ krieg auf Wartburg. Romantische Oper in drei Akten von Richard Wagner. Anfang 5 Uhr.

Schauspielhaus. Nachmittags: 18. Kartenreservesatz. Der Dauerbezug, die ständig vorbehaltenen sowie die Dienst⸗ und Frei⸗ plätze sind aufgehoben. 19. Volksvorstellung zu ermäßigten Preisen: Die Journalisten. Anfang 2 Uhr. Abends: 277. Dauer⸗ bezugsvorstellung. Dienst⸗ und Freiplätze sind aufgehoben. Wilhelm Tell. Schauspiel in fünf Aufzügen von Friedrich Schiller. Spiel⸗ leitung: Leopold Jeßner. Anfang 7 Uhr.

Familiennachrichten.

Verlobt: Frl. Margot von Hanstein mit Hrn. Rittmeister Herbert von Spies (Braunschweig - Dortmund). Frl. Grika Riebel mit Hrn. Leutnant und Regimentsadjutant Wilhelm Cohrs (Sczepanowitz, Kr. Oppeln Frankfurt a. O.). Verehelicht: Hr. Hauptmann im Generalstabe Eberhard von Mackensen mit Frl. Margarethe Mackensen (Groß Jannewitz). Gestorben: Hr. Maior a. D. Felix Graf von Pückter und Lim⸗ purg (Stuttgart).

1 Stuttg. Hr. Major a. D. Paul Rogalla von Bieberstein (Liegnitz). 9

Verantwortlicher Schriftleiter: Direktoy Dr. Tyrol. Charlottenburg. Verantwortlich für den Anzeigenteil: Der Vorsteher der Geschäftsstelle,

Rechnunasrat Menaäerina in Berlin. Verlag der Geschäftsstelle Mengerina) in Berlin. Sieben Beilagen (einschließlich Börsenbetlage und Warenzeichenbeilage Nr. 96 A und B) und Erste, Zweite und Dritte Zentral⸗Handelsreagister⸗Beilage.

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Entworfen und einstudiert von Heinrich

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Reichs

Nichtamtliches.

FTeutsche Nationalversammlung in Berlin. 8 Iv 126. Sitzung vom 10. Dezember 1919. E Nachtrag.

Die Rede, die bei der Fortsetzung der allgemeinen Be⸗ sprechung des Gesetzentwurfs über ein Reichs⸗ notopfer der Reichsminister der Finanzen Erzberger gehalten hat, hatte folgenden Wortlaut:

Meine Herren! Ich bin kein Prophet, sder Herr Vorrrdner auch nicht. Er kann nicht sagen, wie das deutsche Wirtschaftsleben sich entwickelt. Er mag Be⸗ fütchtungen Befürchtungen mag mean teilen er meg man nicht teilen, falsch aber ist die Behauptung, daß durch das Reichsnotopfer der Tod des deutschen Wirtschafts⸗ lebens herbeigeführt werde. Ich will ihm umgekehrt nachweisen, daß, wen Sie den Weg gehen würden das kann ich nach⸗ weisen —, den der Herr Abg. Becker vorschlägt, Sie dann naturnotwendig zu den ungeheuerlichsten Erschwernissen in unserem Wirrschafteleben kommen müßten. (Sehr richtig! links.) Das kann ich zahlemmäßig im Laufe meiner Rede nachweisen. Ich stelle nicht Bebauptungen auf, ich spreche nicht von der Zukunft, sondern von dem, was ganz automatisch eintreten muß, wenn der Antrag des G Herrn Abseordneten Dr. Becker hier angenommen würde. Der Herr Abgeordnete Dr. Becker hat mir in äußerst beredter Weise nahegelegt, ich möchte doch die Brücke beireten. Das babe ich nicht notwendig. Ich habe die Gesetze mit der Majorität der Nationalversammlung zu machen. Die Mazjorität der National⸗ versammlung steht für den Gesetzentwurf ein, wie er von der Kom⸗ üssion verabschieder worden ist. Das geht aus den Erklärungen zrecior Mehrheitsparteien bereits einwandfrei hervor, und die dritte Mehrheitspartei hat durch den Mund ihres Vorsitzenden erklären issen, daß sie in zweiter Lesung auf dem Boden der Kommissions⸗ boöschlüsse stehe, und sich nur selbstverständlich vorbehalte, die end⸗ gültice Entscheidung in dritter Lesung zu fällen. Damit hat die Majorität des Reichstags die stärkste Brücke und den stärksten Pfeiler geschaffen; und jetzt verlangen Sie von der Minderheit, daß 89. Ihnen nachgehen soll! Meine Herren, darin besteht das parla⸗ mentatische Regime nicht. (Zurufe rechts.) Sie schlagen es mir vor, ich habe in Ihren Worten dem „Verlangen“ vielleicht einen zu veutlichen Nachdruck gegchen. Sie schlagen vor, ich soll das Gesetz nicht mit der Majorität dieses Hausfes machen, sondern versuchen, mit der Minorität zu machen. (Zurufe rechts: Nein, das ist keine taküsche Frage. das ist eine fachliche Frage!) Kommt schen, eins nach beir andern! (Zuruf rechts: Es ist umgekehrt!) Es ist gat richt so umgedreht, sondern ich habe gesagt: ich habe dier eine feste Majorität für den Gesetzentwurf, wie er aus der Kommission beraus⸗ winmt; mun wird mir nabegelegt, diese feste Majorität zu verlassen eine sehr schwankende Brücke zu treten, die der Herr Ab⸗ Becker mir angeboten hat. (Zuruf rechts: Die Brücke der Demokratie!) Nein, diese Brücke würde zweifellos von der Demo⸗ kratie weg nach rechts führen. Das ist doch die Situation in diesem se. (Sehr richtig! bei den Mehrheitsparteien.) Sie würde nicht Demokratie hinführen. Aber, meine Herren, das kann selbstver⸗ ständlich nicht entscheidend sein. Wenn die sachlichen Gründe des Herrn Abgeordneten Dr. Becker so wären, daß sein Antrag den Vor⸗ zug verdienen würde vor dem, was Ihnen die Regierung und die Kommissionsmehrheit vorschlägt, so müßte trotz solcher taktischer Er⸗ wägungen versucht werden, dem Antrage näherzutreken. Ich als Reichsfinanzminister hätte unbeckümmert um das parlamentarjsche Regime die Verpflichtung, dafür zu sorgen, daß die Mehrheits⸗ parteten überzeugt würden von der Güte der Gründe des Herrn Ab⸗ Zeordneten Becker, damit sie sich dann entschließen würden, eine Siwerkung zu vollziehen. Das wäre meine Pflicht. Das sage ich ganz offen hberaus. Davon kann niemand durch das parlamentarische Regime abgehalten werden. In dem ungeheuer raschen Gang unseres Wirrschaftslebens kann niemand für drei Monate h.

zum Deutschen

FMrmmranr Dumen und

Missprechen; diese

heute etwas vor⸗ aussagen, weder ein Börseunsackverständiger, noch ein anderer Sach⸗ verständiger, weil niemand eine Garantie hat, welche Erschütterungen von innen herals überhaupt auftreten können, und welche Erschüt⸗ tetungen unserem Wirtschaftskörper von außen her drohen. Das sind beides unbekannte Größen in dem heutigen Durcheinander unseres gänzen Wirtschaftslebens. Ich sage: wenn man im Laufe der Ver⸗ bondlungen zu einer solchen Überzeugung kommen müßte, so wäre auch das parlamentarische Regime und die parlamentarische Mehr⸗ beit gar kein Hindernis, um im Laufe der Verhandlungen sich von den Besseren zu überzeugen. Aber der Kernpunkt ist eben: ist das, was der Herr Abgeordnete Becker vorschlägt, besser als das, was in der Regierungsvorlage enthalten ist? Es fällt mir gar nicht ein, in Abrede stellen zu wollen, daß man gegen das Reichsnotepfer sehr große Bedenken vorbringen kann. Ich möchte die Steuervorlage überhaͤupt einmel sehen, gegen welce mar keine Bedenken vortragen kann. (Lebhafte Zustimmung bei den Mohr⸗ Meine Herren, gegen die Umsatzsteuer und gegen die inditekten Steuern körmen Sie noch mweit lebhaftere Bedenken vortragen, als Sie solche gegen das Reichsnotopfer vorbringen. Es werden, wenn Sie an die Beratung der Umsatzsteuer kommen, von den Gegnern des Entwurses, die ja immer noch in dem hohben Hause vorhanden sei werden, eine ganze Menge sckwerwiegender Bedenken vorgebracht werden, die auch auf wirtschaftlichem Gebiete liegen. Ich will nicht die Frage vertitfen, sondern nenne nur das eine Wort: wird nicht die Konzentration der Betriebe durch eine höhere Umsatzsteuer von Reichs wegen direkt begünstigt? (Sehr richtig! bei der Deutschen Demo⸗ kraten.) ine Frage, die man tief untersuchen kann, da wird man piele wirtschaftliche Sackverständige hören, und die werden sagen, sie härten die Befürchtung, daß eine Konzentration der Betriebe von Reichs wegen direkt gefördert und gestärkt würde. Das Bedenken kann man haben, (Zuruf von den Deutschen Demekraten.) Man kann

Das ist

anzeiger und

Erste Beilage

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er.

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Berlin, Freitag, den 12. Dezember

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zuch sehr viele gute Gründe dafür anführen, gewiß, Herv Abgeordnete Herrmann, und trotz der Bedenken wird man sich letzten Endes ent .

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steuer zu stimmen. soll das Bedenken nicht verstehen, wenn 63 Millionen Mark in 30 Jahren

So ist es auch hier. wir von 100 Millionen Mark amt beglaubigt erhalten soll verstehen, daß der Mann sich tröstet und sagt: dann gebe ich lieber jedes

ngenehmer,

Jahr bloß zwei oder eine Millicn c, das ist mir viel ang als wenn ich den festen Schein von 63 Millionen Mark bereits w hat, unter allen Umständen als seit erermann wehrt sich dagegen, elwas von der ,⸗ —,1 4*x 2 abzugeben. Das

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Maar. 52%ο2 4 15 1,E AAFeme 5 8 . e.; S Aber dieser natürliche Instinkt kann uns doch nicht leiten und bei

der Schaffung der großen Reichsfinanzreform nicht entscheidend sein. ßer ihr Vermögen ist, um so lebhafter -. Es ist mir auch psychologisch erklärlich, de ezu entsetzlichen Gesetz, wenn ich von Ihrem Standpunkte aus min zu prüfen und zu fragen: ist denn das Urteil dieser Leute absolut Gesichtspunkten nicht auch Gyünde höherer polttischer Art zu setzen? und, ich darf wohl sagen, brutal Form von Herrn Ab Hugenberg gepredigt worden i der

‚ich befinde mich dabei in sehr guter Gesellschaft, in einor Gesellschaft, die früher auf der rechten Seite gesessen hat. Ich nenne nur den alten Adolf Wagner, der in seinen Schriften immer und immer, überall in den Vendergrund gestellt hat: eige richtige Steuergesetzgebung hat auck einzuwirken auf die Verieilung der Volks⸗

üter im allgemeinen. Eebhafte Zustimmung dei den Mehrheits⸗

7

wrteien.)

n hat versucht, ihn von seinem Ber⸗ iner Lehrstuhl zu entfernen, und zwar von seiten derselben Geistes⸗ richtungen, die beute den schärfsten Kampf gegen das Reichsnotopfer und so weiter führen. (Sehr richtig! links. Ohol bei der Deutschen Volkspartei.) Ich sage: von denselben Geistesrichtungen, nicht von allen. Es sind doch ganz dieselben Leute. 2 enüber dem Individualismus und dem Egoismus, wie er gestern treibende Motiv klamiert worden ist, einem Motiv, daß der Vergangenheit angehört,

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25; . Ich sage:

Gesetz in den Vordergrund. Wer das noch nicht verstanden hat, daß r 86

das der große Sinn der ganzen deutschen Umwandlung und Umwälzun

ist, den bedaure ich überhaupt. (Sehr richtigt bei den Mehrheits⸗ parteien.) 1

Meine Hernen, darin hat sich doch die Umwälzung in Deutschland nicht erschöpft und ausgelebt, daß wir an die Sielle der früheren

2 ürfto . †q 8 93„⸗ zBG;47 % rn5 155115 9 22 Fürsten in Deutschland einen einheitlichen Repräsentanten des

(Zuruf rechts.) Sie werden mir i hier auch entwickeln darf, die für esetzgebung sind; ich bin doch nicht

9.

sblavisch gebunden, auf das zu erwidern, was ein Herr aus dem Hause

deutschen Volkes geschaffen haben. doch gestatten, daß ich meine mich maßgebend in der ganzen gesagt hat, sondern ich spreche von der Steuerpolitik auf die allge⸗ meine Politik gehe ich nicht ein und da darf ich die leitenden volks⸗ wirtschaftlichen und steuerpolitischen Gesichtspunkte auch enrwickeln, die mich geleitet haben, diesen Gesetzennrurf einzubringen und zu vertreten. Ich sage: der hat den Sinn der ganzen deutschen Umwälzung gar nicht verstanden, der nicht das in sich aufnimmt, daß es die Arbeit ist, die jabrvelang von uns ausgeschlossen war von der unmittelbaren Ver⸗ waltung und Organisation der Betriebe, da, wo Werte erzeugt wurden: und die höchste Werterzeugung äußert sich im letzten Moment in der Ansammlung von Kapital. Wer jetzt nicht dazu übergeht, hier zu sozialisieren, um das entsetzliche Wort zu gebrauchen, das heißt einen Ausgleich zwischen den reichsten Schichten des Volkes und den ärmeren Schichten unseres Volkes zu finden, der wird unfähig sein, das schwere deutsche Problem überhaupt zu lösen. (Sehr richtig! bei den Mehr⸗ Wenn Sie meinen, ich hätte als Finanzminister erklärt, der Fi⸗ vanzminister sei der beste Sozialisierungsminister, so steht im Vorder⸗ grunde dies: es ist die Aufgabe des Finanzununisters der neuen deut⸗ schen Republik, dem ungeheuren Gegensatz zwischen der Vermögens⸗ anhäufung in wenig Händen auf der einen Seite, die nicht nur in raschem Tempo von den siebziger, achtziger Jahren ab von 5, 10 auf 20 Millionen, sondern in raschem Tempo auf achtzig, hundert Mil⸗ lionen gestiegen ist, in einem Tompo, in em man im Wirtschafts⸗ lehen im internationalen Kampf kaum zu Atem gekommen ist diesem Prozeß entgegenzutreten und eine rückläufige Bewegung hier eintreten zu lassen, die in einer hohen Erbschaftssteuer genau so scharf zum Ausdruck kommt wie in einem hohen Reichsnotopfer. Wer diese Gedanken nicht in sich aufgenommen hat, der wird nicht in der Lage sein, das schwere deutsche Wirlschofts⸗, soziale und Steuer⸗

notopfers zu bewerten und zu beurteilen.

Das bat er von vornherein immer betont und immer wieder;

1919.

problem überhaupt zu lösen. (Sehr richtig! bei den Mehrheits⸗

„Parteien.)

Meine Damen und Herren, darübder müssen Sie sich vollständig klar sein: die große Masse unseres arbeitenden Volkes erträgt es nach den persönlichen Opfern des Krieges nicht mehr, diese Ansammlung des Vermögens in dem Tempo, wie sie vor dem Kriege und leider auch während des Krieges vor sich gegangen ist, zu konservieren und zu erhalten. Wer diesen Bemühungen sich hingeben würde, würde nicht staatserhaltend und neuschöpferisch tätig sein, sondern der wäre der größte und gefährlichste Revolutionär, den das deutsche Volk heute überhaupt in seiner Mitte in sich bergen könnte. (Sehr richig! bei den Mehrheitsparteien.)

Von diesem Gesichtspunkt aus ist auch der Gedanke des Reichs⸗ Ich habe darüber ein⸗ gehende Ausführungen in Weimar bei der ersten Lesung gemacht. Ich habe wiederbolt über diesen Grundgedanken in der Kommission und auch im Plenum gesprochen. Diesen leitenden Gesichtspunkt stelle) ich an die Spitze der Beratungen als Leitgedanken für das ganze Reichsnotopfer. *

Ich sage ein zweites: ich bin der festen Ueberzeugung: wenn der Besitz dem Reichsnotopfer mit innerer Sabotage entgegentreten wird, oder wenn es in der Gesetzgebung möglich wäre, daß das Reichs⸗ nötopfer nicht verabschiedet würde, so bätte das nicht nur die unfehlbare Wirkung, daß eine indirekte Steuerbelastung in Deutschland nicht durchführbar ist (Zuruf rechts: Das wollen wir ja gar nicht!) ich bin ja da mit Ihnen einig, ich polemisiere ja nicht gegen Sie, daß Sie mir immer dazwischen rufen, Sie wollten das nicht. Ich spreche nur meine Ueberzeugung aus. Ich sage: wenn dies nicht durchgeführt würde, würde nicht nur eine indirekte Steuerbelastung in dem Un fang, wie sie Reich, Länder und Gemeinden absolut norwendig brauchen, undurchführbar sein, sondern der Zusammenbruch des ganezn Steuerwesens in Deutschland eintreten, und das Scheitern einer solchen Vorlage n. für unser Wirtschaftsleben in seinen Folgen viel eingreifende

richtig! bei den Mehrheitsparteien.) Ich kann nicht schätzen, was die revolutionären Zu en und Wirrungen des Jahres 1919 mit den Streiks, der geminderten Arbeitlust und allem Drum und Dran unserem deutschen Volke an Schaden zugefügt haben. Niemand wird enau schätzen können. Aber ich greife nicht zu niedrig, wenn ich

durch Rese Ereignisse ein Schaden von mehreren Milliarden

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Mark dem deutschen Volkskörper zugefügt worden ist. (Zuruf rechis:

Durch die Revolution!) Durch die ganze Unmnrälzung und Umge⸗ staltung, durch die Folgewirkungen des Krieges und des Friecdens⸗ schlusses usw. (Zustimmung rechts.) Wir sind also einig dariy.

daß durch die Umwälzung und die Umgestaltung dem deutschen Volks⸗ vermögen mebrere Milliarden Mark nicht zugeflossen sind, die ihm in ordnungsmäßigem Gang der Dinge zugeflossen sein würden. Wenn nun das Reichsnotopfer nicht zur Verabschiedung kommt, dann bitn ich felsenfest überzeugt, daß es keiner Regierung in Deutschland muög⸗ lich sein wird, unser Wirtschaftsleben ruhig und sicker aufwärts zu führen (sehr richtig! bei den Mehrheitsparteien), daß dann die Gegey⸗ wirkungen wirtschaftlicher Art ich spreche gar nicht einmal von politischen Gegenwirkungen zu viel schlimmeren Folgen führen, als alles das gusmacht, was das Reichsnotopfer den Besitzenden in Deutschland überhaupt wegnehmen kann. Deutschland muß in abfeh⸗ barer Zeit zu einer inneren Gesundung seines ganzen Wirtschaftslebens kommen. Das ist aber nicht möglich durch Macht und durch Gewalt. Wer das glaubt, der täuscht sich. Da mögen Sie den mächtigsten Diktator mit Soldaten und allen möglichen Machtmitteln an die Spitze unseres Volkes stellen die innere Ruhre und die Waren⸗ erzeugung bringen Sie dadurch nicht fertig (sehr richtig! bei den Soziab⸗ demokraten), sondern die muß durch die innere Umgestaltung herbei⸗ geführt werden, und die Voraussetzung hierfür ist Gerechtigkeit inr wirtschaftlichen und politischen Leben und Gerechtigkeit im Steuer⸗ wesen. (Sehr richtig!) Hier haben wir ein gutes Stück Erziehungs⸗ arbeit in der Aufklärung aller Volksschichten zu leisten, aber nicht nur der ärmeren Volksschichten unten, sondern auch der besitzenden Volksschichten oben, und da ist der Kampf, der gegen das Reichsnot⸗ opfer, gegen den Gedankengang geführt wird, daß der Besitz in erster Linie eine Leistung zu vollbrigen hat, in ungeheurem Maße gefährlich und verderblich. (Sehr richtig! bei den Mehrheitsparteien. Zuruf rechts: Zur Sache!) Na, das kann ich mir doch verbitten. Erstens haben Sie nicht das Recht, mich zur Sache zu rufen; das Recht hat nur der Herr Pröäsident. Zweitens habe ich als Minister das Reckt, die Leitgedanken meiner Steuerpolitik hier zu vertreten. (Lebhafte Zustimmung bei den Mehrheisparteien.) 8 Man kann nur darum streiten, ob das Ausmaß der Steuerlast die nach den Vorlagen auf den Besitz gelegt wird, zu groß ist gegenüber dem Ausmaß an Steuern, das in Form von Konsumsteuern auf die breiten Volksschichten gelegt wird. 1

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Bisher hat niemand im Hause kestritten, daß das Maß der Besitzsteuern an sich zu groß sei. Es wird interessant sein, daß die Parteien, die sich dazu noch nicht geäußert haben, grundsätzlich dazu Stellung nehmen, ob sie das Maß den 18 Milliarden, das auf den Besitz und die besitzenden Kreise in direkten und in entsprechendem Anteil in indirekten Steuern gelegt werden soll, für zu hoch halten gegenüber den 7 Milliarden, die in Form von Konsumsteuern auf die breiten Massen des Volks gelegt werden sollen. Wenn dieses feststeht, wenn die Nationalversammlung dieses Ziel will, dann muß ich offen sagen: Ich bann wirklich nicht verstchen, weshalb man noch einen lebhaften Kampf um die Form der einzelnen Steuerbelastungen überhaupt führt, einen Kampf, der die Tiefen unseres Volkes aufwühlen will, der es draußen im Volke so darstellt (Zuruf nechts) ich nenne nur den „Berliner Lokalanzeiget” —, als obh diese Steuern, die wir jetzt machen, dafür vorhanden seiezt, daß das Geld an die Entente abgeliefert wird. Sie selbst, meine Herren, (nach rechts) werfen immer vor, daß in den 25 Milliarden überhaupt kein Pfennig an Ententeforderungen vorgesehen sei. Das sst auch nicht vorgesehen, das habe ich auch wiederholt erklärt, habe aucgh