1919 / 298 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 30 Dec 1919 18:00:01 GMT) scan diff

Joch der Fremdherrschaft gebeugt werden. „Mit dem ge⸗ samten Sltaatseigentum“, heißt es in dem Aufruf, geben im Abtretungsgebtet zahlreiche gemeinnützige Einrichtungen an Polen über, die dabnich den Deutschen entzogen werden. Die Staats⸗ und höheren Schulen sind oder werden polnisch, die privaten Lpzeen vnd sonftigen Mädchen bildungsanstalten, Waisenhänser, wie das in Mariebronn, baben schon an die Polen verkauft werden müssen oder stehen in Gefahr, an sie verloren zu gehen. Die Fach⸗ und Fort⸗ bildungsschulen, die Akadcmie in Posen sind polnisch geworden, die schöne, große Kaiser⸗Wilhelm⸗Bibliothek und die mit ibr ver⸗ dundenen deutschen Kreis⸗, Wander⸗ und Volksbibliotheken sind eben⸗ falls von den Polen mit Beschlag belegt worden, die sich weigern, sie den Deutschen wieder zu überlossen. Die prächtigen neuen Stadt⸗ rheater in Posen, Bromberg und Thorn sind den Polen verfallen, die auch nicht eine einzige deutsche Vorstellung darin gestatten! Sc müssen sich die Deutschen in den Abtretungsgebieten ihr ganzes talturelles und witctschaftliches Leben neu aufbauen, müssen Handwerk und Gewerbe unterstützen, das einen großen Leil der deutschen Kundschaft verloren bat, müssen alle die gemeinnützigen Einrichtungen neu schaffen, die zu den Lebensnotwendigkeiten einer pölkischen Minderheit gehören.“ Es wird dozu aufgefordert, dem Reichsverband Ostschutz beizutreten, der seit Jahreefrist üschts unversucht gelassen hat, um die Tragit unserer osfmärkischen Volkggenossen zu lindern, und dem die er⸗ gänzende Fürsorge für die Flüchtlinge aus dem Osten übern tragen worden ist. Die deutschen Landsleute aus der Ost⸗ mark sollen sich überall zu Ortegruppen des Reichsverbandes Ostschutz zusaumnenschließen und die anderen Gauen des Valerlandes entstammenden Deutschen, die ein Herz für der Ost⸗ märker Not haben, diesen Ortsgruppen beitreten; die Flüchtlinge aus der Ostmark solen überall Untergruppen der Ortsvpereine bilden und eigene Beratungsstellen schaffen, die ständig in Verbindung bleiben mit der Fluüchtlingsfürsorgestelle des Reichsverbandes Ost⸗ schut und mit per Darlehnskasse für ostmärkische Flücht⸗ linge, beide in Berlin W. 56, im Prinzessinnenpalais, Unter den Linden, Eingang Oberwallstraße. Der Mindestbetrag beträgt 3 für das Jahr. Für die Flüchtlinge kann er ermäßigt oder erlassen verden. Wer mehr leisten kann, wird vom Reicheverband gebeten, ztelwilltg einen hböheren Jahretheitrag und außerdem einen möglichst hohen Betrag für seine Lolks⸗Ostspende zuͤgunsten der be⸗ drängten ostmärkischen Brüder zu zahlen. Auch die Städte, Ge⸗ finden und Kreise fowie sonstige öffentlichen Könperschaften, die Aktiengesel schaften und Firmen, Genossenschaften und Vereine werden um Jahreobeiträge und Unterstützung der Volks Ostspende gebeten. Alle Zahlungen sollen auf das Konto des Reichsverbandes Ostschutz vri der Deutschen Bank, Depositenkasse P, in Berlin W. 57, Pots⸗ damec Straße 90, geleistet werden.

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Aus Rew Yorl. wird telegraphiert: Den schon bestehenden großen ameritanlschen Ausschüssen, die besondere in Boston, Chikago, New Pork, Milwaukec. Philabelphia, St. Louis und San Franzisto selbständige Formen größten Stiis angenommen haben, hat sich nu in New York ein neues Komitee hinzugesellt, das in enger Gemeinschaft mit dem Zentralhiltskomitee und dem deutschen Roten Kreuz seine Aufmerksamkeit ganz der deutschen Kinderwelt widmen wird. Die führenden Namen der anerikanischen philanthropischen und Geschäftswelt sind unter den Meitgliebern des Komitees zu finden. So ist unter anderen der Vorfitzende des Rufsichtsrats der Chase National Bank A. Barton Hepburn der Vorsitzende dieses neuen Ausschusses, James Speyer, der befannte Bantter, der Schatzmeister des Zentralbhilfskomitees, auch der Schatzmeister des neuen Hilfskomitees. Ferner sind solche Namen wie George Foster Peabodp, Chorles Havyden, Charles H. Sabin, Paul M. Warburg, Adolf Kuttroff u. a. unter den Ausschußmitgliedern zu finden. Nach den vorliegenden Machrichten rürfte es sich vor allen Dingen darum handeln, die nach Angaben des Reichsgefundheitsamtes und des Reichsernähungs⸗ ministeriums als wünschenswert bezechneien Zusatzrationen für Klein⸗ linder und Schultinder regelmäßig nach Deutschland zu liefern.

(W. T. B.)

Aunst nud Wissenschaft. 8

Die Gesellschaft für Erdklunde in Berlin hält am Januar, Abends 7 Uhr, im großen Hörsaal des Kurstgewerbe museums cine allgemeine Sitzung, in der der Professor Geheimrat Dr. Peonck über die geographische Ausbreitung des Menschengeschlechts sprechen wird. 1

Im März 1919 ist in Koblenz ein Rhein⸗Museum eröffnet weorden. Damit baben die Bestrebungen einen vorläufigen Abschluß gefunden, zu deren Verwirklichung sich im Juli 1912 Freuade des Rbeins vereinigt haben. Die Anregung hierzu hat, wie

Gestalt stehen ihr Ehegemahl

im „Zentralblatt der Bauverwaltung“ berichtet wird, der Landgerichts⸗ rat r. W. Spies in Koblenz gegeben, dessen selbstlosem Wuken dte⸗ Schaffung des Museums zu verdanken ist, das jetzt unter zeiner Le ftung steht. Die „Veccinigung Rhein⸗Muscum“, der sich auch Mitglieder aus Pohand und aus der Schweiz angeschlossen haben, setzte sich die Auf⸗ gabe, die Grschichte des Rheinstroms namentlich die geologische Bildung des Relntals sowie die Wandlungen der Landschaftsbilder, des Strombaues und der Schiffahrt anschaulich darzustellen und einen auf die Geschichte des Rheinstroms bezüglichen reichen Stoff zu sammeln. Demgemäß werden hreiteren Volksschichten gute Dar⸗ strhungen geboien von dem werdenden Rhein (Geologte, natürliche Umbildungen. Strombauten), dem geschichtlichen Rhein (Wandlungen bis zum 17. Jahrhundert), dem romantischen Rhein (Landschaftebilder Naus den Jahten 1809 bis 1830) und dem schaffenden Rhein (Hafen⸗

anlagen und Schiffahrtgeschichte). 8 .

. Literatrr.

Wilhelm Scharrelmann: Täler der Jugend. (Geh. 5 ℳ. Geb. 7 ℳ. Verlag von Quelle u. Meyer in Leipzig, In dieser Jugendgeschichte spricht ein werdender Künstler; und ein Mensch zu uns, dem sich jedes Herz das sfür innere Werte en pfänglich ist, zuwenden wird. Fein und eigerartig zst die Dar⸗ stellung alles Geschehers, das doch wiederum im Grunde nur das bringt, was jedem vertreut ist, der dem tieferen Sinn des Lebens sich erschließt, ämlich dem Herauswachsen der Seele aus selbstischen Trieben zu reifer Mensckenliebe, aus unfruchtbarem Grübeln über sich selbst zu werktängem Schaffen für andere. Vielen kann dies Buch Führer sein, und die Wahrhaftigkert, mit der die einzelnen Entwicklungs⸗ stufen in lebendigen Erlebnissen vor uns gufgerollt werden, die Schönheit des Stils, die malerischen Narurschilderungen, die Innig⸗ tert und Viefe des Empfindens geben dem Buch bei aller Schlicht⸗ heit künstlerischen und ethischen Wert.

Nathanael Jünger: Joachim Kronbergs verborgene Sendung. Ein Roman aus unseren Tagen. Zweite Auflage. (Wismar, Hinstorffsche Verlagsbuchbandlung, geb. 8,50 ℳ.) Die Bücher Jüngers entsprechen der Geschmacksrichtung eines ganz hestimmten christlichen Leserkreises. Es ist schwer, ihnen crecht szu werden wern man diesen Geschmack nichr teitt. Im Gegensatz zu Ingeborg Maria Siek, die denselben Kreisen wie der Verfasser angehört, deren dichterische Gabe und hellsehender Geist ihre Bücher aber über ihr eigenes Milien hinausheben, obgleich sie ibm in ihren Schilderungen fast immer treu bleibt, steckt Jünger ganz in seiner engeren Umwelt; sein Stil ist der des redegewandten, wohlwollenden, aber sich auch seiner Werte und seiner Siellung be⸗ wußten Pastors, die Handlung bringt zwischen Lebenswahrem auch sichtlich Erdachtes, und die Schilderungen sind nicht frei vom Tri⸗ vialen. Immerhin sind es hohe Ideale, die Jünger in diesem Buch um Ausdruck bringt, und die Nöte und Schwierigkeiten, denen ein

Handpfarrer ausgesetzt ist, der mehr geben und leisten will als das Herkömmliche, slmd anschaulich und überzeugend dargestellt, 8 1

Karl Rosner: Die Beichte des Herrn Moritz von Cleven. Roman. (J. G. Cottasche Buchhandlung Nach⸗ solger in Stuttgart und Berlin. Gebeitet 7 ℳ, in künstlerischem Einband 10 ℳ.) Den Hintergrund des feinen, in epischer Beeite eschriebenen Romans bildet die Leidenszeit Deutschlands unter Napoleons Herrschaft, und im besonderen das Schicksal der Deutschen, die den Feldzug nech Rusßland mit seinen ent⸗ setzlichen Eindrücken mitzumochen gezwungen wurden. Die Schilderungen dieser Schrecknisse sind aber nur der dunkle Grund, über den ein Liebesroman vpon seltener Zartheit und Tiefe seine silbernen Fäden spinnt, und in der Elsabe die lieblichste und reinste der Frauen zeichnet. Neben ihrer verschleierten, idealisierten und dessen Freund als vollkräftige Männer, von denen der eine den Schlüssel zu Elsabes Seele besitzt, die der andere notz heißer Sehnzucht nicht voll zu begreifen vermag, und für die ihm erst das Vexrstehen wächst, als Leiden und Tod das männlich Derbe, Sinnliche in ihm läutern. Die Gestalten, die das Buch sonst noch bringt, von den schlichten Pflegeeltern Thomas Grin mers an bis zum Kur⸗ fürsten und Nopoleon, trogen alle eigenes Gepräge, werden lebendig in des Lesers Prxantasie: Muße freilich verlangt dies Werk; der Verfasser verweilt gern bei kleinen Zügen, schlägt mitunter Neben⸗ pfade em, ohne sich zu verlieren und zieht sachte den willigen Leser hinein in seine trotz aller Weltgeschehnisse stille Welt.

Nr. 21 des „Ministerialblatts der Handels⸗ und Gewerbeverwaltung“, herausgegeben im preufischen Ministerium sür Handel und Gewerbe, vom 12. Dezember 1919 hat volgenden Inhalt: 1. Persönliche Angelegenhriten. II. Allgemeine

Verwaltungsangelegenbeiten: Kriegsteuerungszulagen; Postanweisungs⸗

Eisenbahnfahrkosten bei Dienstreisen der Staats⸗ 111. Handelsangelegenheiten: 1) Handelsvertretungen: Börse in Frankfurt a. M.; 2) Wettbewerb des Handels und der Industrie: Prämiterung auf gewerblichen Ausstellungen. IV. Ge⸗ werbliche Angelegenheiten: 1) Arbeiterschutz und Wohlfah’tspflege; Zeitungshandel an Sonn⸗ und Festtagen; Bahnhofsbuchhandel; 2) Reichsversicherungsordnung: Rechnungsnachweisungen der Kranken kassen. V. Gewerbliche. Unterrichtsangelegenheiten: Allgemeine An⸗ gelegenheiten; Verzeichnis der höheren Handelsschulen und der Handels⸗ schulen; Ausbildung von Gewerbelehrern.

verkehr; beamten.

Theater und Musik.

Im Opernhause werden morgen, Mittwoch, „Die lustigen Weiber von Windsor“, mit den Damen Fleischer als Gast, Lcisner, Gerhart, und den Herren Hutt, Knüpfer, Bronsgeest, Stock, Henke und Krasa besetzt, gegeben. Dirigent ist der Generalmusifdirektor Leo Blech. Ansang 6 Uhr.

Im Schauspielhause wird morgen „Coriolan“ in be⸗ kannter Besetzung wiederheolt. Anfang 6 ½ Uhr.

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Konterte. 8 ..“

Georges Georgesco, in Berlin als Violoncellospieler wie als Orchesterleiter gleich bekannt und geschätzt, gab am 18. d. M. in der Philharmonie als Dirigent ein Konzert mit dem Phil⸗ harmonischen Orchester unter Mitwirkung des nunmehr zum Gesangsfach übergegangenen Mitglieds des Schauspielhauses Carl Clewing. Den Abend eröffnete Richard Strauß’ Tondichtung für roßes Orchester „Ein Heldenleben“, die man im November an der⸗ felben Stelle unter Selmar Mevyrrwitz in vollendeter Ausführung gehört hatte. Die Wiedergabe unter Georgescos Stobführung war nicht minder cindrrcksvoll; das Orchester entfaltete auch diesmal eine kaum zu überbietende Klangschönheit und ließ auch unter Georgesco in rhythmischer und dynamischer Hinsicht keinen Wunsch unbefriedigt. Wiederum durfte man sich daber auch des gesangreichen Tones der von Geza von Kresz gespielten Solovioline erfreuen. Der Schluß des Konzerts war ebenfalls Nichard Strauß gewidmet, und zwar dem „Till Eulenspiegel“, von dessen lustigen Schelmenstreichen der rciz⸗ und humowvolle Orchestersatz so beredt Kunde gibt. Der Mittelteil des Programms war Carl Clewing eingeräumt, der zuerst mit Orchester die Rrie des Nureddin aus Cornelius’ „Barbier von Bagdad“ und dann eine Reibe Brahmsscher Lieder, die von Clemens Schmalstich am Klavier feinfühlig begleitet wurden, vortrug. Clewings Stimme ist ein echter, wie heller Stahl klingender und tragfähiger Tenor, der gut gebildet ist, aber noch des letzten Schliffes bedarf. Der Sänger täte gut daran, noch bei einem Meister der italienischen Methode seine Studien zu vollenden. Sein Kollege von der Oper Joseph Schwarz, für den er an diesem Abend hilfsbereit eingesprungen war, könnte ihm da Vorbild und Berater sein. Die Pianistin Ella Pancera brachte sich in der Sing⸗ alademie mit Klavierkonzerten von Grieg (A-moll) und Liszt (A-dur) porteilhaft wieder in Erinnerung. Ihr Spiel ist großzügig und schwungvoll, ja es ist ein Genuß zu hören, wie sie sich siegreich gegen das volle Philharmonische Orchester behauptet. Letzteres wurde von Arthur Nikisch geleitet, der sich und den ihm unterstehten Künstlern in der „Symphonie phantastique“ von Berlioz noch einen Sondererfolg erstritt. Wenn man das eigenartige Werk diesecs Vaters der modernen Programm-Musit tritisch betrachtet, so muß man zu dem Schluß kommen, daß der erste Satz und auch einiges vom zweien Satz schon etwas veraltetet sind, dagegen enthbalten die drei letzten Sätze so viel neues und in der Instrumentation unglaublich kühnes, daß man es kaum für möglich baäͤlt, daß die Entstehung dieser Partitur nun bald 100 Jahre zurückliegt. Die vielgerühmten Vorzüge der Vorkämpfer der Programmusik mit Richard Strauß an ihrer Spitze schrumpfen dem gegenüber auf ein Minimum zusammen, denn in dieser Partiiur liegen gleichsam in nuce alle Keime sammen, so daß ihre Weiteremwicklung an der Hand Liszts und Wagners von den Neueren wirklich teine Greßtat genannt werden konn. Nitisch zeigte wieder einmal, daß er als Dirigent immer noch die erste Stelle behauptet. Die dritte Orchesterveranstaltung der

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Neuen Musikgesellschaft im Beethovensaal mit Her⸗

mann Scherchen als Leiter war alten Meistern gewidmet, und zog durch ihr historisches Programm die Aufmerksamkeit auf sich. Eine mnsikgeschichtlich bedeutungsvolle Ausgrabung war eine Sympbonie in D-dur von Méhul, die wohl kaum einer von den Hörern kannte und die in klassisch akademischem Stil wieder gegeben wurre. Adolf Busch stenerte als Solist mit schlichter Größe der Auffassung und in kaum zu übertreffender Wierergabe das bekannte D-moll⸗Konzert von Kreuzer zum Programm bei.

Auch als Führer des Buschquartetts, dos in der Sing⸗ akademie seinen 2. Kammermusikabend gab, ist Adolf Busch uner⸗ reicht. Wohl keine der jetzt hier bestehenden Konzertvereinigungen dieser Art, das Klinglerquartett nicht ausgenommen, erzielt eine so wunderbare Klangschönheit im Zusgmmenspiel und eine solch wohl⸗ abgewogene Phrasierung im Vortrag. Das herrliche Streichquartett in F-dur (op. 59) von Beethoven eröffnete den Abend und das in Es-dur (op. 109) von Max Reger schloß ihn. In vem Konzert des Geigers Gans Butze⸗Hasse im Blüthnersaal stand einmal wieder Professor Karl Panzner am Dirigenten pult und leitete mit der alten Frische und Schwungkraft das Blüthnerorchester. Der Glanzpunkt des Abends war die D- dur⸗Symphonie von Brahms, die äußerst lebendig und wirkungsvoll vermittelt wurde. Bei dem Geiger vermißte man noch die erforderliche technische Sicherbeit, auch geistig und stilistisch stand die Wicdergabe des A-dur-Konzerts von Mozart noch nicht auf der Höhe. Der Geiger Hans Bassermann, der wieder⸗ um ein Konzert im Bechst ein⸗Saal gab zeigte sich aufs neue als seingebildeter Musiker, der sich mit liebevollem Verständnis in den Geist der Tonwerte versenkt. Nicht viel zu berichten ist über einen

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Liederabend von Elenag Palmer im Meister⸗Saal. Die Stimme der Konzertgeberin ist an sich ganz klaugvoll, bedarf aber noch der Schulung, auch der Vortrag ist nicht hinreichend durchgebi det, um tiefer zu berühren. Annte Betzak stellte sich im Bech⸗ stein⸗Saal als eine ausgezeichnete Geigerin vor. In Tartini

Trufelstriller⸗Sonate und der G-moll-Chaconne Regers zeigte sie sich im Besitz einer glänzenden Doppelgriff⸗Technk und eins ganz hervorragend vollen Tones, so daß die G⸗Saite manchmal einen celloartigen Klang bekam. Da ihr Vortrag auch eine gediegene musikalische Auffassung bekundete, stellte sie sich durch ihre Leistungen in die Reihe unserer ersten Geigerinnen. An ihre Weiterentwicklung darf man große Hoffnungen knüpfen.—

Die Pianistin Edelgarde Berag, die sich im Meistersaal hören ließ, zeigte bei dem Präludium und der Fuge in h-moll von Bach⸗Liszt zuviel Härte im Anschlag, und wenig Sinn für den musikalischen Aufbau des Werts. Auch hekundete sie bei der Verwendung des Pedals nicht viel Verständnis für ihre Aufgabe. Ein Komposition⸗

abend von Fritz Rögely in demselben Saal enttäuschte eben⸗ falls den kritischen Hörer. Was der Konzertgeber in einem Trio für Klavier, Klarinette und Horn, drei Intermezzi für Flöte und Klavier und cinigen Klavierstücken zu jagen wußte, mutete so gesucht. zerfahren und wenig anregend an, daß man bald alle Hoffnungen auf Besseres sjahren lassen mußte. Hinzu kam, daß das trockene und nüchterne Klavier piel des Konzertgebers bem besten Willen die Hörer nicht zu fesseln vermochte. Die Herren NöFler (Flöte), Eßberger (Klarinette) und Rembt (Horn) unte stützten ihn nach Kräften, ver⸗ mochten aber die gespielten Werke nicht eindrucksvoller zu machen.

„Alte Meister“: Muffat, Heinrich Schütz, Hammerschmidt, Burte hude, J. S. Bach und P. A. Schulz, machten das Programm eines Konzerts aus, das Walter Drwenskr, Dora Seeger, Milli Rose und Fritz Becker kürz!ich in der Garnison⸗ kirche veranstalteten. Eine Fülle des Schönen wurde da in bester Auszührung einer leider nur kleinen Zuhsrerschaft geboten.

Manuigfaltiges.

Die Reichszentralstelle für Kriegs⸗ und Zivil⸗ angene teilt mit, daß geftern in Bremerhapen Offiiere und 250 Mannschaften aus dem englischen fangenenlager Wakefield und in Wilhelms⸗ haven 632 Ofsiziere und 202 Mannschaften aus dem englischen Gefangenenlager Ripon eintreffen sollten. (W. k. B.) Düsseldorf, 29. Dezember. (W. T. B.) Durch das Hochwasser des Rheins ist die untere Rheinwerft bis über ein Meter überflutet. Auch der am Rhein geiegene Kaiser Wilhelm⸗ Park steht unter Wasser. Gestern beirng der Wasserstand 7,54 Meter, eine Höhe, die seit vielen Jahren nicht zu verzeichnen war. Das Wasser ist weirer im Steigen begriffen.

Hamburg, 29. Dezember (W. T. B.) Nach seit Sonnabend anhaltendem, starken Schneefall, der teilweise Verkehrsbehinde⸗ rungen zur Folge hatte, ist in der Nacht zum Montag starker Frost eingetreten. Die Temperatur sank heute morgen auf 8,2 Grad unter Null. Der scharfe Frost hat auf dem unteren Stromgehnt der Elbe bereits zur Eisbildung geführt, so daß die Schifs⸗ expeditionen ab Hamburg elbaufwärts eingestellt sind.

Bremen, 29. Dezember. (W. T. B.) Die Rettungs⸗ station Sarkau der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiff⸗ brüchiger telegraphiert: Am 23. Dezember von der Galiot „Wilhelmine“, Kapitän Fehde, mit Ballast von Klein Zicker nach Danzig bestimmt, zwei Personen gerettet durch das Rettungsboot der Station. Die Rettungsstation Warne⸗ münde⸗West der Deutschen Gesellschaft zur Rettong Schiff⸗ brüchiger telegraphiert: Am 28. Dezember von dem deutschen Schiff „Lisa“, Kavpitän Hoffmeister, leer von Hamburg nach Ubeck bestimmt, fünf Personen durch das Motorrettuͤngsboot „Otto Ludwig“ der Station gerettet.

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Der Dampfer „Kerwood“, am 13. November von New York nach Hamburg abgegangen, ist am 1. Dezember auf der Höhe von Terschelling auf eine Mine gelaufen und gesunken. Schiff und Ladung gelten als verloren. An Bord befanden sich auch 2114 Sack Paketpost aus Neuamerika nach Deutschland, schäͤtzungsweise 15 000 Postpakete, die ebenfalls verlorengegangen sind.

(Forisetzung des Nichtamtlichen in der Vierten Beilage.)

11““ Opernhans. (Unter den Linden.) Mittwoch: 274. Dauer⸗ bezugsvorstellung. Dienst⸗ und. Freiplätze sind aufgehoben. Die justigen Weiber von Windsor. Komisch⸗phantastische Oper in vier Akten nach Shakespeares gleichnamigem Lustspiel von H. S. Mosenthal. Musik von Otto Niecolat. Musikalische Leitung Generalmusikdinektor Leo Blech. Spielleitung: Karl Holy. Anfang 6 Uhr. Schauspielhaus. (Am Gendarmenmarkt.) Mittwoch: 293. Dauer⸗ bezugsvorstellung. Dienst⸗ und Freiplätze sind aufgehoben. Coriolan. Historisches Dramag in fünf Aufzügen (14 Verwandlungen) von William Shakespeare. Reinhard Bruck.

Spielleitung: Dr. Anfang 6 ½ Uhr.

Donnerstag: Opernhaus. 275. Dauerbezugsvorstellung. Dienst⸗ und Freiplätze sind aufgehoben. Die Meistersinger von Nürn⸗ berg. Cper in drei Akten von Richard Wagner. Anfang 5 Uhr.

Schauspielhaus. Nachmittags: Kartenreserwesatz. Der Dauerbezug, die ständig vorbehaltenen sowie die Dienst⸗ und Frei⸗ plätze sind aufgehoben. 23. Volksvorstellung zu ermäßigten Preisen: Gespenster. Anfang 2 Uhr. Abends: 1. Dauer⸗ dezugsvorstellung. Dienst⸗ und Freiplätze sind ausgehoben. Withelm Tell. Schauspiel in fünf Aufzügen von Friedrich Schiller. Spiel⸗ leitung: Leopold Jeßner. Anfang 6 ½ Uhr.

25.

Familiennachrichten.

Verlobt: Frl. Agnes Georgi mit Hrn. Justtzrat Berthold Andreas

(Kreuzburg O. S.) .

Gestorben: Hr. Gymnasialoberlehrer a. D. Professor Wilhelm Baumm (Kreuzburg O. S.). Hr. Professor Dr. Georg Wentzel (Berlin).

Verantwortlicher Schriftleiter: Direktor Dr. Tyrol, Charlottenbura.

Verantwortlich für den Pngeigynteil: Der Vorsteher der Geschäftsstelle, echnungsrat Mengering in Berlin.

Verlag der Geschäftsstelle Mengerina) in Berlin. 1

Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlaasanstalt,

Herlin. Wilbelmstrae Z3. Neun Beilagen

(einschließlich Börsenbeilage und Warenzeichenbellage Nr. 100)

und Erste, Zweite und Dritte Zentral⸗Handelèregister⸗Beilage, N

Deutsches Reich

8

Reichsabgabenordnung. Vom 13. Dezember 1919.

Die verfassunggebende Deutsche Nationalversammlung hat das folgende Gesetz beschlossen, das mit Zustimmung des Reichsrats hiermit verkündet wird.

Einlei ende Vorschriften

Steuern sind im Sinne der Reichsabgabenordnung einmalige dder laufen e Geldleistungen, die nicht eine Gegenleistung für eine hesondere Leistung darstellen und von einem öffent ich⸗r chtlichen Gemeinwesen zur Erzietung von Einkünften allen auferlegt werden, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungs⸗ pflicht knüvft. Zölle fallen darunter; nicht daruner sallen Geonhren für M Inanspruchnahme der Verwaltung und Beiträge (Vor⸗ zugslasten).

Die Reichsabgabenordnung gilt nur für die Steuern, die ganz oder zum Teil zugunsten des Reichs erhoben werden.

Die Reichsabgabenordnung gilt nicht, soweit in den einzelnen Steuergesetzen Abweichendes vorgeschrieben ist.

8 2 Gesetz im Sinne der Reichsabgabenordnung ist jede Rechtsnorm.

½

§ 3 Steuergesetze im Sinne der chsabgab Reicheabgabenordnung und die Gesetze, die die einzelnen Steuern, für deren Verwaltung die Reichsabgabenordnung gilt, regeln oder sichern.

8 4 Bei Auslegung der Steuergesetze sind ihr Zweck, ihre wirtschaft⸗ liche Bedeutung und die Entwicklung der Verhältnisse zu berück⸗

sichtigen. B

§ 5 Durch Mißbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des hürgerlichen Rechts kann die Steuerpflicht nicht umgangen oder ge⸗ mindert werden. . Ein Mißbrauch im Sinne des Abs. 1 liegt vor, wenn 1. in Fällen, wo das Gesetz wirtschaftliche Vorgänge, Tat⸗ sachen und Verhältn sse in der ihnen entsprechenden recht⸗ lichen Gestaltung einer Steuer unterwirft, zur Umgehung der Steuer ihnen nicht entsprechende, ungewöhnliche Rechts⸗ formen gewählt oder Rechtsgeschäfte vorgenommen werden, und nach Lage der Verhältnisse und nach der Art, wie verfahren wird oder verfahren werden soll, wirtschaftlich für die Be⸗ teiligten im wesentlichen derselbe Erfolg erzielt wird, der erzielt wäre, wenn eine den wirtschaftlichen Vor gängen, Tatsachen und Verhältnissen entsprechende rechtliche Ge⸗ staltung gewählt wäre, und ferner 3. etwaige Rechtsnachteile, die der gewählte Weag mit sich bringt, tatsächlich keine oder nur geringe Bedeulung haben. 1 Liegt ein Mißbrauch vor, so sind die getroffenen Maßnahmen sir die Besteuerung ohne Bedeutung. Die Steuern sind so zus er⸗ dden, wie sie bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen, Tatsachen md Verhättnissen angemessenen rechtlichen Gestattung zu erheben wären. Steuern, die auf Grund der für unwirksam zu erachtenden Maßnahmen etwa entrichtet sind, werden auf Antrag erstattet, wenn die Entscheidung, die diese Maßnahmen als unwirksam behandelt, rechtskräftig geworden ist.

8₰

2

8 Wo im Sinne des Gesetzes die Behörden die Entscheidung nach ihrem Ermessen zu treffen haben, hat sie nach Recht und Billigkeit

um erfolgen.

97 Die Reichsregierung kann mit Zustimmung des Reichsrats Vor⸗ schriften über die Gewährung von diechtshilfe an ausländische (Steuerbehörden erlassen und zur Ausgleichung der in⸗ und aus⸗ ländischen Besteuerung oder zur Anwendung eines Vergeltungsrechts die Steuerpflicht abweichend von den Steuergesetzen regeln.

Erster Teii. B hörden GErster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften

§ 8

Die Steuern 1 Abs. 2) werden von Reichsbehörden ver⸗ waltet (Finanzbehör en).

Die oberste Leitung steht dem Reichsminister der Finanzen zu. Unter ihm stehen Landesfinanzamter als Oberbehörden und unt diesen Fmanzämter mit ihren Hilfsstellen.

§ 9 8 Die Beamten der Finanzbehörden sollen für ihren Beruf be⸗ sonders vorgebildet sein. Die näheren Bestimmungen jür die Aus⸗ bildung der Anwärter des Finanzdienstes erläßt der Reichsminister der Finanzen. 1

Die Amtspflicht sämtlicher Beamten der Finanzverwaltung er⸗ streckt sich darauf daß sie Verhältinisse eines Steuerpflichtigen, die sie dienstlich erfahren haben, strengstens geheimhalten und Geschäfts⸗ ader Betriebsgeheimnisse, die sie in gleicher Weise ersahren haben, nicht ü befugt verwerten.

Die Vorschrift des Abs. 1 gilt auch für die Beamten der Finanz⸗ bchte (§§ 14, 32, und für Personen, die ehrenamtlich für die inanzverwaltung tätig werden; die gleiche Pflicht haben Sachver⸗ ständige und andere Personen, die von Finanzbehörden oder Finanz⸗ gerichten zu zogen werden. .

Die im Abj. 2 genannten Personen gelten als Beamte im Sinne der Fenergeseh und des Strafgesetzvuchs.

Die in Abs. 1, 2 vorgeschriebenen Pflichten werden durch

Ausscheiden aus dem Dienste oder Beendigung der Tätigkeit nicht

rüͤhrt. Zweiter Abschnitt. Landessinanzämter § 11

1 8 Die Bezirke der Landessinanzämter sind im Benehmen mit den

beteilkgten Ländern so zu bilden, 8 sie sich tunlichst mit den Ländern gber mit gesssten Verwaltungsbezirken der Länder decken oder mehrere ander oder Verwaltungsb zirke umfafse n. .

sh Di Abgrenzung der Bezirte der Landesfinanzämter und die Be⸗ immung übe! deren Sitz erfolgt durch em Reichseset, das spätestens am 1. April 1921 in Kraft zu treten hat.

§ 12 Das Landesfinanzamt besteht aus einem Präsidenten und der er⸗

sorderlichen Zahl von Uitgliedenn und Hilfsbeamten.

Pg Beit den Lancesfinanzämtern werden Abteilungen gebildet. Den Pandesfinanzämtern tann eine Abteilung fur die Verwaltung des Meichsvermösens ungegliedert werden. 1 Der Präsiden und die Leiter der Abteilungen des Landes⸗ I e werden im Benehmen mit der oberften Landesfinanzbehörde 8 41 n 2

Reichsabgabenordnung sind die

§ 1

Die Landesfinanzämter haben waltung für ihren Bezirk. Sie überwachen GesetzesZanwendung und beaufsichtigen die Finanzämter. b

Die Landesfinanzämter und der Reichsminister der Finanzen können im Aufsichtswege V rfügung n nachgeor neter Behörden von Amts wegen oder auf Gegenvorstellung hin außer Kraft setzen und diese Behörden anweisen; Verfügungen können jedoch nur dann außer Kraft gesetzt werden, wenn sie von den nachgeordneten Behörden zurückgenommen werden könnten.

die obere Leitung der Finanzver⸗ die Gleichmäfiateit der Geschäftsführung der

§ 14

Zur Entscheidung über das Rechtsmittel der Berufung (§§ 218, 245) sind den Landesfinanzämtern Finanzgerichte angegtiedert.

Bei den Gerichten werden Kammern gebildet.

Die Kammern entscheiden in der Besetzung von fünf Mitgliedern, von denen drei im Ehrenamte tätig sind. Von diesen soll tunlichst eins dem Beruf oder Erwerbszweig des Steuerpflichtigen angehören.

Die Mitglieder der Finanzgerichte sind als solche unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen.

§ 15

Der Reichsminister der Finanzen bestellt die Vorsitzenden und die ständigen Mitglieder der Gerichte und der Kammern und ihre Vertreter für die Dauer ihres Pauptamis aus den Mitgliedern des Landesfinanzamts.

2

§

Die ehrenamtlichen Mitglieder des Gerichts und Vertreter für sie in der erforder ichen Zahl werden von Organen der Eelbst⸗ verwaltung oder von den Vertretungen der Lander und von öffent⸗ lich⸗rechtlichen berufsständischen Vertretungen auf je sechs Jahre ge⸗ wählt. Das Amt ist ein Chrenamt; jedoch kann eine ange messene Entschädigung für Aafwand und Zeitverlust zugebelligt werden.

Wählbar sind Deutsche, die mehr als fünfundzwanzig Jahre alt sind, mindestens seit einem Jahre im Gerichts ezirte wohnen und direkte Steuern zahlen. Im üͤ rigen gelten wegen der Wähl⸗ barkeit und der Ablehnung der Wahl sinngemäß die Vorschriften, die nach dem Gerichtsverfassungsgesetze für Swoffen gelten. Zu dem Amte soll außer den im Gerichtsverfassungsgesetze cenannten Personen serner nicht berufen werden, wer wegen Steuerh nterziehung oder wegen Verletzung der Schweiger flicht 376) bestraft ist.

Die Wahl verliert ihre Wutung mit Aufhören einer der Be⸗ dingungen, die für die Wählbarteit vorgeschrieben sind.

Die §§ 52 bis 54 des Gerichtsverfassungsgesetzes gelten ent⸗ sprechend; der Vorsitzende des Finanzgerichts enrscheidet endgültig nach Anhörung des Beteiligten.

Die näheren Best mmungen über die Wahl der Mitglieder und über die Zahl und Einberufung der Vertreter und ihre Verteilung auf die einzelnen Kammern erläßt der Reichsminister der Finanzen unter Berucksicht gung der Verhältnisse in den Ländern nach An⸗ horung der obersten Landesfinanzbehörden.

§ 17 1b

Die ehrenamtlichen Mitglieder des Gerichts haben bei Eintritt in ihre Tätigteit dem Vorsitzenden des Gerichts durch Handschlag an Eides Statt zu geloben, ohne Ansehen der Person nach bestem Wissen und Gewissen zu verfahren, die Verhandlungen und die hierbei zu ihrer Kenntnis gelangenden Verhältnisse der Steuer⸗ pflichtigen strengstens geheimzuhalten und Geschäfts⸗ und Berriebs⸗ geheimnisse nicht unbefugt zu verwerten.

Bei Wiederwahl genügt die Verweisung auf die früher abgegebene Versicherung. 1

§ 18

Die ehrenamtlichen Mitglieder des Gerichts können auf Antrag des Landesfinanzamts aus Gründen, die die Enrfernung eines Reichs⸗ beamten aus seinem Amte rechtsertigen, ihrer Stelle enthoben werden. Uever den Antrag entscheidet der Reichsfinanzhof im Beschluß⸗ verfahren; er kann anordnen, daß das Mitglied bis zur Erlassung des Beschlusses sein Amt nicht auszuühen habe.

§ 19

Auf Antrag einer Landesregierung haben die beteiligten Reichs⸗ minister je nach ihrer Zuständigkeit den Landesfinanzämtern und den ihnen untersteuten Behörden die Verwaltung von Landesabgaben und von Landesvermögen zu übertragen. Soweit dies geschehen ist, haben die Landesfinanzämter und die ihnen unterstellten Behörden den Weisungen der obersten Landesbehörde zu folgen.

Auf Antrag der zuständigen Stellen hat der Reichsminister der inanzen den Landesfinanzämtern nnd den Finanzämtern ferner die erwaltung anderer öffentlich⸗rechtlicher Abgaben, insbesondere von Kirchensteuern, zu übertragen.

Mit Zustimmung der beteiligten Reichsminister kann die Ver⸗ waltung von Reichsvermögen Landesverwaltungsbehörden übertragen

werden. Dritter Abschnitt. Finanzämter

§ 21

Der Reichsminister der Fmanzen bestimmt nah Anhörung der obersten Landesfinanzbehörden den Sitz und den Bezirk der Finanz⸗ ämter.

Der Reichsminister der Finanzen bestimmt ferner den Umfang der Geschaͤfte der Finanzämter; er kann insbesondere Finanzämter und deren Hilfsstellen auf die Verwaltung bestimmter Steuern oder die Wahrnehmung bestimmter Aufgaben beschränken.

§ 22

Die Gemeinde⸗, Ortspolizei⸗ und sonstigen Ortsbehörden haben den Finanzämtern auch neben der im § 191 vorgesehenen Beistands⸗ pflicht Hilfe zu leisten, soweit dies wegen ihrer Kenntnis der örtlichen vireaeide oder zur Ersparung von Kosten oder Zeit zweck⸗ mäßig ist.

Der Reichsminister der Finanzen kann Gemeinden und Gemeinde⸗ verbände gegen eine von ihm festzusetzende angemessene Entschädigung mit Geschäften der Finanzämter und, soweit es sich um Nach⸗ und Neuveranlagungen handelt, ihrer Ausschüsse betrauen und ihnen die Verwaltung bestimmter Steuern oder die Erhebung und Einziehung von Steuern übertragen. Die Grundsätze für die Bemessung dieser Entschagigung bedürfen der Zustimmung des Reichsrats.

§ 23

Soweit Gemeindebehörden oder andere Behörden oder Beamte Geschafte der Finanzämter wahrnehmen, haben sie den Weisungen der Finanzbehörden zu folgen.

Die Finanzämter und ihre Hilfsstellen stehen unter Leitung von Vorstehern, denen die erforderlichen Beamten beigegeben werden. Mit Vertretung der Vorsteher im allgemeinen oder mit Wahr⸗ nehmung einzelner Dienstgeschäfte der Vorsteher tönnen andere Beamte betraut werden.

Die Vorsteher haben darauf zu Palten, daß die Steuern in ihrem Bezirke nach dem Gesetze verwaltet und alle Steuerpflichtigen e behandelt werden. Sie haben alles, was für die Fest⸗ etzung der Steuern in ihrem Bezirke wichtig ist, sorgfältig zu er⸗ kunden und die Nachrichten darüoer zu sammeln und fortlausend zu ergänzen.

Die Ernennung der Vorsteher der Finenzämter erfolgt nach

Anhörung des Präside ten des Landesfinanzamts und im Benehm 1

mit den obersten Landesfinanzbehörden.

gebilligt werden.

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cheu Staatsanz

Für die Steuern vom Einkommen und vom Vermögen aus⸗ schließlich der Erbschaftssteuer sind bei den Finanzämtern Ausschüsse zu bilden. Diese wirken mit hei der Veranlagung, bei Nach⸗ und Neuveranlagungen außer im Falle des § 97, bei Berichtigung vor⸗ läufiger Veranlagungen und bei der Entscheidung über Erstattungs⸗ ansprüche; das gleiche gilt für die Entscheidung über den Ei spruch gegen Bescheide, bei denen Ausschüsse mitgewirit haben.

Die Ausschüsse sind an die Ausführungsbestimmungen gebunden.

Das Amt eines Ausschußmitglieds ist ein Ehrenamt, jedoch kann eine angemessone Entschädigung für Aufwand und Zeitverlust zu⸗

Bei der Bi.dung der Ausschüsse ist darauf zu sehen, daß die versche denen Arten des Vermög ns und Einkommens vertreten sind.

Die Ausschußmugl eder werden von Organen der Selbstverwaltung gewählt. Dazu können ernannte Muglieder tre en; die Zahl der er⸗ nannten Mitglieder darf nicht größer sein als die Hälfte der Zahl der gewählten. 3

Die näheren Bestimmungen über die Bildung der Ausf üsse und ihr Verfahren erläßt der Reichsminister der Finanzen unter Be⸗ rücksichtigung der Verhälinisse in den Ländern n Anhörung der obersten Landesfinanzbehörden.

Wählbar in die Ausschüsse sind Deutsche, zwanzüg Jahre alt sind, mindestens seit einem Jahre im Veranlagungs⸗ bezirk oder, wenn eine Gemeinde in mehrere Veranlagungsbezirke ein⸗ geteilt ist, in der Gemeinde wohnen und direkte Steuern zahlen. Im üͤbrigen gelten sinngemäß die Vorschriften des § 16 Abs. 2 bis 4; an Stelle des Vorsitzenden des Finanzgerichts entscheidet der Vorsteher des Finanzamts.

§ 28

Unterlassen die Organe der Selbstverwaltung trotz Aufforderung die Wahl von Ausschußmitgliedern, so ernennt das Land sfinanzamt die Ausschußmitgeieder.

Verweigert ein Ausschuß die Erledigung seiner Geschäfte, so ent⸗ scheidet das Finanzamt ohne Hilfe des Ausschusses. § 29

Die Ausschußmitglieder haben bei Eintritt in ihre Tätigkeit dem Vorsteher des Finanzamts durch Handschlag an Eides Statt zu ge⸗ lobven, bei den Ausschußverhandlungen ohne Amfehen der Person nach bestem Wissen und Gewissen zu verfahren, die Lerhandlungen und die hierbei zu ihrer Kenntnis gelangenden Verhältnisse der Steuer⸗ pflichtgen strengstens geheimzuhalten und Geschäfis⸗ und Betriebs⸗

geheimnisse nicht unbefugt zu verwerten.

Bei Wiederwahl oder Wiederernennung genügt die Verweisung

auf die früher abgegebene Versicherung. § 0 88 2*

Der Ausschuß ist beschlußfähig, wenn außer dem Vorsitzenden (Abs. 2) mindestens zwei Mitglieder anwesend sind. Bei Ausbleiben von Mitgliedern gilt sinngemäß der § 56. des Gerichtsverfassungs⸗ gesetzes; der Vorsteher des Finanzamis entscheidet.

Der Vorsteher des Finanzamts lei et die Verhandlungen des Ausschusses. Bei Abstimmungen entscheidet Stimmenmehrheit. Der Vorsteher stimmt mit; bei Stummengleichheit enischeder seine Stimme. Bilden sich wegen eines Betrags, der für die Steuerberechnung wesentlich ist, mehr als zwei Meinungen, so werden die Stimmen für den höchsten Betrag den Stimmen für den nächstniederen hinzu⸗ gezählt, bis sich eine Mehrheit ergibt.

§ 31

Der Reichsminister der Finanzen und die Landesfinanzämter sind befugt, jederzeit in den Gang von Ausschußverhandlungen Einsicht zu nehmen und zu den Sitzungen der Ausschüsse Heamte mit ber tender Stimme zu entsenden.

Bierter Abschnitt. Der Reichssinanzhof

§ 32

Der Reichsfinanzhof ist oberste Spruchbehörde in Steuersachen.

Als Beschlußbehörde entscheidet er in den ihm durch Getgß beson ers übertragenen Sachen.

Als Spruczbehörden entscheiden die Senate des Reichsfinanzhofs in der Besegzung von fünf Mug iedern einschließlich des Vorsitzenden. Im Beschluß erfahren entscheiden sie, soweit nichts ande es vor⸗ geschrieben ist, in der Besetzung von drei Mitgliedern einschließlich des Vorsitzenden. 3

Auf Antrag einer Landesregierung kann der Reichsminister der Finanzen den Reichsfinanzhof als oberste Spruchbehörde für Landes⸗ abgaben bestellen.

§ 33 Der Reich finanzhof hat seinen Sitz in München. 8 Er besteht aus einem Prä denten und den erforderlichen Senats⸗ präsidenten und Räten.

§ 34 Die Mitglieder des Reichefinanzhofs werden vom Reichspräsi⸗ denten auf Lebenszeit ernannt. Die übrigen Beamten ernennt der Reichsmmister der Finanzen. “X““

§ 35 Zum Mitglied des Reichsfinanzhofs kann nur ernannt werden, wer das fünfunddreißigste Lebens jahr vollendet hat. Mindestens die Hälfte der Mitglieder muß die Befähigung zum Richteramt er⸗ langt haben. 88

§ Die Mitglieder des Reichsfinanzhofs sind als solche vvö und nur dem Gesetz unterworfen; Artikel 104 der Verfassung finde auf sie Anwendung. Für die dienstliche Bestrafung der Mitglieder des Reichsfinanz⸗ hofs und ihre Versetzung in den Ruhestand elten entsprechend die Vorschriften für die Mitglieder des Reichsgerichts.

sh2an Vertreter der Staatsanwaltschaft bestimmt der Reichs⸗ präsident.

§ 37 Beim Reichsfinanzhof werden nach Bedarf Senate gebildet. Ihre Zahl bestimmt der Reichsminister der Finanzen.

§ 38 8 8

Der Präsident führt den Vorsitz im großen Senat 46) und in dem Senat, dem er sich anschließzt. In den anderen Senaten führen Sen tspräsidenten den Vorsitz.

Der Vorsitzende wird im Senat von dem Mitglied vertreten, das dem Dienstalter nach und bei gleichem Dienstalter der Geburt nach das älteste Mitglied ist. 1“

Der Präsident wird in seinen übrigen Geschäften von dein Senatspräsidenten vertreten, der dem Dienstalter nach und bei gleichem Dienstalter der Geburt nach der älteste ist.

§ 39 8 Vor Beginn des Geschärtsjahrs verteilen der Präsident, die Senatspräsidenten und die dem Dienstalter, bei gleichem Dienst⸗ alter der Gevurt nach drei ältesten Mitglieder die Geschäfte unter die Senate und bestimmen die stäneigen Mitglieder der Senate sowie ihre regelmäßigen Vertreter. Hierbei ent cheidet ibt die Stimme des

Stimmenmeorheit; bei Stimmengleichheit Präsidenten den Aus chlag. Jedes Miiglied kann mehreren Senaten angehören. 8 8 XX““