1920 / 44 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 21 Feb 1920 18:00:01 GMT) scan diff

¹ wirtschaftlichen Grundsätzen zu verfahren.

vasüRfmhernüen

11“

doch dringend bitten, die Vorlage, wie sie ist, anzunehmen. Sie beruht auf einer Vereinbarung innerhalb der Länder. Sämtliche Länder mit Eisenbahnbesitz befinden sich in derselben Lage wie Preußen, und alle haben den Wunsch, diese Tariferhöhung am 1. März durchzuführen, um noch einen Teil der Vorteile davon zu genießen.

Wenn wir uns 1919 mühsam gewehrt haben, um den Betrieb überhaupt aufrecht zu erhalten, um die vielen ungünstigen Einflüsse ren uns abzuhalten, die auf uns loszustürmen drohten, so habe ich

beute die Empfindung, daß wir auch mit den Eisenbahnen über den

schwierigsten Punkt hinweggekommen sind (Bravo!), daß wir un⸗ fangen, wieder einen geordneten Betrieb zu bekommen, daß wir wieder daran denken können, ordnungsgemäß zu arbeiten. Nach meinem Empfinden muß das Jahr 1920 das Jahr unserer wirtschaftlichen Wiedergesundung sein. Jetzt müssen wir anfangen, trotz aller Bedenken und Schwierigkeiten, die in unserer

ganzen ausnahmsweisen Situation liegen, durch unsere Arbeit wieder

mporzukommen. Ich habe auch den Eindruck, daß wir, wenn wir unsere Finanzen gesund zu machen versuchen, auch auf dem Wege zur allgemeinen Gesundung sind, und daß wir auf der hier gegebenen Grundlage, wenn das laufende Jahr vorüber ist, werden sagen können: Es ist erheblich besser gewesen als die vergangenen Jahre, es ist das erste Jahr gewesen, in dem wir wieder anfangen, nach Ich bitte Sie also, der Vorlage zuzustimmen. (Bravol)

Abg. Neumann⸗Magdeburg (Soz.): Der Mangel an Kohlen und Lokomotiven hat unsere schwierige Lage herbeigeführt. Ich möchte den Minister bitten, in eige Nachprüfung einzutreten, ob man nicht einen Teil der entlassenen Alrbeiterschaft wieder anstellen kann. Auf die draußen stehenden Lokomotiven muß mehr geachtet werden: die Eisenbahndiebstähle haben eine erschreckende Höhe erreicht. Durch

Anleihe darf der Fehlbetrag nicht gedeckt werden, vielmehr müssen die

Einnahmen und Ausgaben einigermaßen in Einklang gebracht werden. In der ersten und zweiten Klasse macht sich jetzt viel Volks von Schiebern und Wucherern breit; die Tarife für he Klassen könnten um 100 % erhöht werden, aber die dritte und vierte Klasse müssen ge⸗ schont werden. Wir stimmen in großen und ganzen der Vorlage zu und beantragen, sie an den 2 erennshantenusschuß zu überweisen. (Beifall.) 8

Abg. Ehlers (Dem.): Wir erkennen die Zwangelage an. Die Vorlage ist ein Produkt der Not unseres Wirkschaftslebens, aber zu⸗ gleich eine eindringliche Warnung für die, die mit der Sozialisierung allzu heftig und zu schnell vorwärts gehen wollen. Die Tariferhöhung ist aber ein roher; Tariferhöhung kann verhängnisvolle Wirkungen für Handel, Industrie und Landwirtschaft haben. (Sehr richtig!) 1STn. möchte gern seinen Warenüberfluß abstoßen, aber der deutsche Konsum ist bei den teuren Preisen nicht mehr aufnahmefähig. Es gibt Industrien, die die

kariferhöhungen nicht mehr ertragen können. Der Eisenbahnbetrieb muß wirtschaftlicher gestaltet werden, er hat jetzt 30 % mehr Ange⸗ stellte als vor dem Krieg trotz des Verkehrsrückgangs. Die Arbeits⸗ leistung muß gesteigert werden und es fragt sich, ob der Achtstundentag bei der Eisenbahn schematisch aufrecht erhalten werden kann. Für manche Kategorien von Beamten kann die Arbeitszeit erhöht werden. Bei der Erhöhung der Perfonentarife müssen die unteren Klassen ge⸗ schont werden. Die Beratung der Vorlage muß so beschleunigt werden, daß sie am 1. März in Kraft treten kann.

Abg. Dr. Seelmann (D. Nat.): Der Grundgedanke, daß die Ausgaben durch die Einnahmen gedeckt werden müssen, ist richtig, aber de Tariferhöhungen müssen auch mal ein Ende nehmen. Die Larif⸗ politik, wie sie seit einem Jahre getrieben wird, ist auf die Dauer nicht aufrecht zu erhalten (sehr richtig! rechts), denn die Tariferhöhungen bewirken Preissteigerungen für alle Lebensbedingungen. Die Lotter⸗ wirtschaft in der Eisenbahn ist noch immer nicht beseitigt, das Staats⸗ eigentum wird vergeudet. Die Eisenbahnwerkstätten müssen sämtlich geschlossen werden, bei denen nicht bis zum 1, März die Akkordarbeit eingeführt ist. (Sehr richtigl rechts.) Im Eisenhahnwesen muß Zucht

und Ordnung wiederhergestellt werden. Wir können dem Minister nicht den Vorwurf ersparen, daß er nicht mit starker Hand eingegriffen hat, um die Mißftens alszuräumen. Hinter die Ausführungen des Ministers über Fragezeichen machen. Wir können dieser Vorlage nur dann zustimmen, wenn uns Garantien gegeben werden, daß mit der Lotterwirtschaft endlich aufgeräumt wird. (Sehr richtig! rechts.) Der früheren Vorlage haben wir nur in der Hoffnung darauf zugestimmt aber es ist noch nichts geschehen. Wenn die Eisenbahnen am 1. April auf das Reich übergehen, könnte sich fragen, ob jetzt noch eine Tariferhöhung in preußischen Eisenbahn zweckmäßig und nicht vielmehr dem Reich zu überlassen ist. Aber die anderen deutschen Eisenbahnverwaltungen wollen ebenso vergehen. Wir haben aber die lebhaftesten Besorgnisse, daß beim Uebergang auf das Reich die preußischen Interessen nicht ge⸗ wahrt werden. (Sehr richtig! rechts.) Ich muß den Kopf schütteln wie die Reichsbehörden die preußischen behandeln, 9 antworten nicht einmal auf Anfragen in angemessener Frist. Wir sehen mit schwerem Herzen, finanziell, wirtschafllich und ideell, unsere Cisenbahnen auf das Reich übergehen. (Sehr richtig! rechts.) Der Minister muß unter allen Umständen dafür sorgen, daß Preußen dabei nicht zu kurz kommt. (Sehr richtig! rechts.) Noch vor dem 1. April müssen alle wichtigen Fragen geklärt werden. Wenn uns nicht im Ausschuß Garantien ge⸗ geben werden, daß die Mißwirtschaft in der Eisenbahnverwaltung endlich aus eräumt wird, können wir der Tariferhöhung nicht zustimmen.

(Beifall rechts.) Abg. Paul Hoffmann (U. Soz.): Auch wir sind für Aus⸗

schußberatung. Ersparnisse ließen sich auch auf anderen als den heute

erwähnten Gebieten der Eisenbahnverwaltung erzielen, so durch Be⸗ seitigung des Monopols der Firma Stilke für den Eisenbahnbuch⸗ handel, das viele Millionen abwirft, die dem Staate zugeführt werden follten. Die Schließung der Eisenbahnwerkstätten hätten gerade die Rechtssozialisten bei ihrem Einfluß auf die Regierung verhindern können; aber sie haben das gar nicht gewollt. Was Herr Seelmann vorgeschlagen hat, läuft einfach darauf hinaus, die Eisenbahnen und vor aflem die Werkstättenarbeiter wieder zu Heloten der Verwaltung zu machen. Man ist geradezu brutal gegen die Arbeiter vorgegangen; nach den ersten 19 Werkstätten sind noch eine Reihe weiterer, so in Maadeburag und Elberfeld, geschlossen worden; trotzbem daß die Arbeit nicht bewältigt werden konnte, ist man zur Entlassung geschritten. Mit der Forderung einer Nachprüfung kommt Herr Neumann post kfestum, seine Partei will sich ja dadurch auch nur ihren Leuten gegenüber den Rücken decken. Was Herr Riedel hier über die Faulheit usw. der Arbeiter der Werkstälte Grunewald dem Hause vorerzählt hat, erklärt das Eisenbahnwerkstättenamk für eine glatte Lüge Gewiß ist den Herren von den bürgerlichen Parteien der Achtstundentag sehr un⸗ bequem, daber ihr Enthusiasmus für die Akkozdarbeit. Die Eisen⸗ bahner werden Manns genug sein, alle diese Attentate abzuwehren. Untex den Entlassenen befinden sich alle Wortführer und Funktionäre der Eisenbahnerorganisatienen; aber auch diese brutase Maßnahme be⸗ deutet für die Regierung nur einen Augenblickserfolg. Auch jetzt er⸗ weist sich die Eisenbahnverwaltung wieder als Schrittmacher der Re⸗ aktion. Der Belgoerungszustand ist, das Mittel, mit brutalen und mederträchtigen Maßregeln die Arbeiterschaft zu Paaren zu treiben. (Prästdent Leinert rügt diesen Ausdruck.)

Abg. Garnick (D. Pp.): Gewiß sollen sich die Staatsbetriebe durch sich selbst erhalten, aber es darf dann auch nicht einfach darauf los⸗ gewirtschaftet werden, indem man sich für die Deckung der Ausfälle auf die Tariferhöhungen verläßt. Die Staatseisenbahn ist ein Monopol: die Renterung hat auch die Pflicht, die Industrie arbeitsfähig urnd kon⸗ kurrenzfähig zu erhalten. Die oberste zulässige Grenze der Frachttarife scheint uns erreicht, wenn nicht schon überschritten. Von oben her sollte mit einem radikalen System zum Zwecke der Erzielung von Er⸗

Weg, um aus dem Defizit herauszukommen. Diese

ie Wirtschaftlichkeit des Betriebes müssen wir ein

8

sarnissen vorgegangen werden, insbesondere mit der Reduzierung des überflüssigen Arbeiterpersonals, für das bei den heutigen Zuständen im Betriebe absolut kein Platz ist. Natürlich dürfen die Arbeiter nicht ohne weiteres an die Luft gesetzt werden; die Arbeitswilligen muß man in der Privatindustrie unterzubringen suchen. Wenn die Eisenbahnen tatsächlich zum 1. April 1920 an das Reich übergehen sollen, nehmen wir mit der Tariferhöhung eine überaus schwere Verantwortung auf uns. Ist der Landeseisenbahnrat überhaupt darüber gehört worden? Nach alledem muß die Vorlage, im Haushaltsausschurß gründlich ge⸗ prüft werden.

Minister der öffentlichen Arbeiten, Deser: Meine Damen und Herren! Wenn Sie die Vorlage in einen Ausschuß schicken wollen, dann bitte ich Sie, möglichst schnell damit zu verfahren, weil die Tariferhöhungen ja schon am 1. März eintveten sollen. Es ist noch eine Reihe kechnischer Vorarbeiten zu erledigen, die natürlich aufgeschoben

erden müssen, bis wir wissen, wie die Landesversammlung sich zu der Vovlage stellt. Ich bitte also um schnelle Arbeit.

Es ist wiederholt der Gedanke einer Staffelung, besonders im Hinblick auf die Personentarife, ausgesprochen worden. Diese Staffelung hat aber so große technische Schwierigkeiten, daß sie unmöglich bis zum 1. März eingeführt werden könnte. Eine gewisse Staffelung liegt übrigens schon darin, daß der Ausgangspunkt der Tariferhöhung, nämlich die Normaltarife, an und für sich differenziert sind. Das trifft äinsbesondere für die Personenfahrpreise zu. Die Erhöhung beträgt danach in der 4. Klasse 350 Prozent, in der 3. Klasse 381 Prozent, in der 2. Klasse 432 Prozent und in der 1. Klasse 670 Prozent. Die 1. Klasse ist also jetzt schon verhältnismäßig stärker hervangezogen als die 3. und 4. Klasse, so daß eine Staffelund gegeben ist.

Wenn der Herr Abgeordnete Garnich darauf hingewiesen hat, daß man in staatlichen Betrieben „nicht darauf loswirtschaften“ kann, daß insbesondere eine Monopolverwaltung auf die allgemein wi aft⸗ lichen Interessen Rücksicht zu nehmen hat, so stimme ich ihm arin durckaus zu. Der Herr Abgeordnete Dr. Seelmann hat aller⸗ dings schwere Vonwürfe gegen die Verwaltung gerichtet, indem er von „Lotterwivtschaft“ und „Mißwirtschaft“ der Eisenbahn gesprochen hat, und zwar miff einer solchen Begeisterung, daß er diesen Ausdruck immer wiederholte. Wäre das richtig, woher käme dann die Lotterwirtschaft und die Mißwirtschaft? Meine Damen und Herren, sie ist nicht im Jahre 1919 entstandon, sontern die ungünstigen finanziellen und auch personellen Verhältnisse sind die Folge des Krieges, der über⸗ mäßigen Anspannung der Kräfte und der Anlagen. (Sehr richtig! finks.) verhältnismäßig kurzen Zeit zu beseitigen. (Sehr richtig! links.) Es ist dies um so weniger möglich, als bei den Verhältnissen, die im vergangenen Jahre noch vorhanden waren und den Herren aus eigener Erinnerung bekannt sein müßten, schon in sozialer Hinsicht, aus staat⸗ lichem Interesse manche Rücksicht genommen werden mußte, über die sich eine Staats⸗ und Monopolverwaltung nicht hinwegsetzen konnte. Seitdem wir etwas freier arbeiten können, streben wir dahim, die Wärt⸗ schaftlichkeit, die insolge des Krieges verloren gegangen war, wieder herzustellen. Im Kriege konnte man nicht fragen: was kostet es? Sieg oder Niederlage konnte nicht eine Frage von Millionen oder Milliarden sein. Das war eine Frage der höchsten Anspannung aller vorhandenen Kräfte. So hat denn auch die Eisenbahnverwaltung all hingegeben, und zwar ohne Rücksicht darauf, daß Raubbau getriebe: wurde, daß alles winiert werden mußte, um den momentanen Zwed zu erreichen. In dem Augenblick, wo der Friede geschlossen war und der Schaden da lag, wor es selbstverständlich unmöglich, das in wenigen Wochen auszugleichen. Auch jetzt ist es noch nicht möglich, und es wird noch langer Zeit bedürsen, bis wir dahin kommen, daß wir sagen können: wir haben nun die Wirkung des Krieges aus der Verwaltung wieder ausgeschaltet; wir haben die Anlagen wieder in cinem normalen Zustande hergestellt. Das wird sogar noch erheblicher Mittel bedürfen. Denn wernm man einen so heruntergewirtschafteten Betrieb wieder in die Höhe brimgen will, muß man zunächst einmal wieder neue Mittel hineimstechen, um die Ordnung, die man erstrebt, herbeizuführen.

Also ich meine es ist außerordentlich leicht, vielleicht auch in ge⸗ wisser Hinsicht dankbar, wenn man devartig schwere Vorwürfe erhebt, aber es wird außevordenllich schwer sein, den Beweis dafür zu er⸗ bringen, und vor allen Dingen werden sie der allerletzten Vergangen⸗ heit nicht gerecht. Ich glaube, alle Veranlassung zu haben, mich gegen eine derartig ungerechte Beurteilung zu wehren. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten und den Demokraten.)

Nun hat der Herr Abgeordnete Garnich eine Bemerkung ge⸗ macht, die an und für sich durchaus zutreffend ist; er sagte: ja, wenn man sich nicht mehr zu helfen weiß, setzt man eine Kommission ein und läßt diese Kommission beraten. Er vermutet, daß die Er⸗ sparniskommission, die ich im Ministerium eingesetzt habe, auch diesen Zweck hat. Herr Abgeordneter Garnich, das ist ein Miß⸗ verständnis. Diese Kommission hat zwei Aufgaben: zunächst die Fest⸗ stellung der Grundsätze, nach denen zu verfahren ist; dann aber soll sie nicht im Mimisterium sitzen bleiben, sondern soll in die Direktionen hinaus, soll unber Mitwirkung der Finanzverwalthng die Geschäfts⸗ und Betriebsführung untersuchen und feststellen, wo noch gespart werden kann, wo übermäßige Ausgaben vorhanden sind, vielleicht auch Ausgaben personeller Natur, soll darauf dringen, daß alles Derartige beseitigt wird. Sie wird also exekutive Gewalt bekommen und die Aufgabe haben, im Lande herumzureisen, um dafür zu sorgen, daß scharfe Augen übevrall hineinblicken, damit auch in jeder einzelnen Dienststelle wieder der Eindruck hervorgerufen wird: die Zeit, wo unwirtschaftlich verfahren werden konnte und mußte, ist vorüber, war treten in eime neue Epoche ein, in die Epoche, in der streng wirtschaft⸗ lich verfahren werden muß. Deshalb verspreche ich mir von dieser Kommission etwas. Sie soll nicht nur Papier verderben, sondern ein lebendiges Zwischenglied zwischen Ministerium und Dienststellen und Direktionen seim.

Meine Damen und Herren, was die Verreichlichung der Staatsbahnen anbelangt, so wind im Augenblick darüber im Reichsfimanzmimisterium verhandelt. Ich teile die Auffassung, daß, wenn die Verreichlichung am 1. April erfolgen soll, klare Verhältnisse geschaffen sein müssen, und daß man gewiß nicht in ein unklares Ver⸗ hältnis hineingehen und es der Zukunft überlassen wird, ob umnd wie die Bedingungen der Uebernahme ufw. gestaltet werden sollen. Das muß selbstverständlich vorher festgestellt werden. Ich möchte aber bitten, aus den Verhandlungen über die Uebergabe der Eisenbahnen an das Reich kein Motiv dafür herzuleiten, nun die Vorlage nicht zu machen. Meine Damen und Herren, vergegenwärtigen Sie sich die Höhe der Fehlbeträge, und Sie müssen dann zu dem Sckluß kommen:

je länger wir warten, desto höher muͤssen die Tarife gestellt werden;

Es ist unmöglich, derartig tiefgehende Wirkungen in einer⸗

jeder Monat früher, in dem wir zur Tariferhöhung schreiten, ist eine Erleichterung auch für die Verfrachter, weil wir durch den früheren Tevmin eine weitere Hinaufsetzung hintanhalten können.

Der Landeseisenbahnrat ist diesmal nicht gefragt worden wegen der drängenden Kürze der Zeit, aber auch noch aus einem anderen Grunde, auf den Herr Abgeordneter Neumann hin⸗ gewiesen hat. Der Landeseisenbahnrat entspricht in seiner jetzigen Zu⸗ sammieensetzung nicht mehr den Anforderungen, die man stellen darf; die Konsumentenkreise sind darin nicht genügend vertreten, es sind Arbeiter⸗ und Beamtenvertreter im Landeseisenbahnrat nicht vor⸗ handen. Diese Körperschaft muß also auf eine neue Grundlage gestellt werden, die zu fünden Aufgabe des Reichs sein wird, nachdem in der Verfassung vongesehen ist, daß die Eisenbahnen Beiräte bekommen sollen.

Num, meime Doamen und Herven, habe ich nicht den Wunsch, bei dieser Gelegenheit auf die Vorgänge in den Werkstätten einzugehen. Wenn Herr Abgeordneber Paul Hoffmann von dem „Helotentum“ der Arbeiter gesppvochen hat, von der „Brutalität“, mit der gegen sie vorgegangen sei, so besteht die einzige Brutalität, die begangen wurde, darin, daß man verlangt hat, daß für den Lohn auch gearbeitet wird (lebhafte Zustimmung), und daß diejenigen, die längere Zeit hindurch nicht entsprechend arbeiten wollten oder ihre Mitarbeiter aufgefordert haben nicht zu arbeiten, auf die Dauer nicht annehmen durften, sie würden in der Eisenbahnverwaltung durchgefüttert werden.

Es würde aber einen pollständig folschen Eindruck in der Oeffent⸗ lichkeit machen, wemn mamn die Schließung der Werkstätten etwa als eine Strafmaßmahme gegen die Arbeiter auffassen möchte. Sie mag insofern, als Arbeiter in Betracht kommen, die absichtlich nicht arbeiten wollden, eine Strafmaßnahme sein. Wir sind aber darüber hinaus geywungen gewesen, um die Wirtschaftlichkeit der Betriebe herzustellen, cuch einen anderen Teil von Arbeitern zu entlassen, gegen die von der Eisenbahn kein besondever Vorwurf vorlag. Wir haben etwa 25 9 ter Werkstätten geschlossen. In den übrigen Werkstätten verfahren wir

so, wie es Herr Abgeordneter Neumann gewünscht hat: es wird die

Entlassung der überzähligen Arbeiterschoft vorgenommen, ohie daß die Werkbstätten vorher geschlossen werden. Durchschmittlich haben wir 17 % der Arbeiter entlassen müssen, darunter viele Arbeiter, die wir in normalen Verhältnissen zweifellos im Betrieb behalten hätten. Die Grundsätze, nach denen hierbei verfahren wird, sind in einem Erlaß vom 30. Obtober festgestellt worden, in dem auch die Reihenfolge festgestellt ist, in der die Entlassung mit Rücksicht auf die notwendig zu beachtenden Gesichtspunkte zu erfolgen hat, daß zunächst die Ledigen und die nicht Ortsansässigen zu entlhassen sind, dann die Verheirabeten in ganz bestimmter Reihenfolge. Nach diesem Erlaß haben die Direk⸗ zionemn zu verfahven. Es ist möglich, daß der eine oder andere Mißgriff vorgekommen ist, wo mamn selbftverständbich eingreifen und ihn be⸗ sertigen kann.

Im großen und ganzen möchte ich auch bitten, in der Oeffentlich⸗ keit daran festzuhalten, daß die von mir entlassenen Arbeiter nicht etwa stmfweise entlassen werden sollten und entlassen worden sind, sondern tatsächlich entlassen sind, um die Wirtschaftlichkeit der Be⸗ triebe herzustellen, nachdem man sich vollständig darüber einst war, daß die Uebervölkerung der Werkstätten die Arbeiter behindert hat.

(Abg. Paul Hoffmann: Lauter Funktionäre der Arbeiter!) Ich kann

zu meiner Freude sagen, daß in einem ganz überraschend großen Maße diese Arbeiter in anderen Betrieben wieder Unterkunft gefunden haben. Es ist mir aus einer Reihe von Städten gemeldet worden, daß keiner

der entlassenen Arbeiter ohne Arbeit sei; sie sind schlankweg von der

Privatindustrie aufgenommen worden. (Zuruf.) Daß das nicht überall der Fall ist, ist ohne weiteres zuzugeben. (Zurufe von den Sozialdemokraten und Unabhängigen Sozialdemokraten.) Meine Damen und Herren, wenn Leute aufgefordert haben, nicht zu arbeiten, wenn sie dahin gewirkt haben, daß nichts geleistet wird, dann sind sie allerdings in unseren Betrieben auf die Dauer nicht zu gebrauchen. (Sehr richtig!) Von diesem Grundsatz basse ich mich nicht abbringen.

Das eine darf ich vielleicht für mich enwähnen, daß irgend welcher politischer Gesichtspunkt bei mir nicht in Betracht kommt. (Abg. Limbertz: Aber für die untergeordneten Organe!) Sollte das der Fall gewesen sein, so werde ich dem abhelfen; dann bitte ich aber um den Beweis dafür. Ich bin eine unpolitische Verwaltung und kümmere mich um die politische Stellungnahme des einzelnen nicht. Ich bin aber eine Verwaltung, die wieder in die Höhe kommen muß, in der also wieder gearbeitet werden muß. (Lebhafte Zustimmung.)

Die Vorlage wird dem Haushaltsausschuß überwiesen. Darauf wird die Beratung der Anträge, betr. die Elteen⸗ beiräte, fortgesetzt.

Abg. Gottwald (Gentr.): Die Elternbeiräte hat das Zentrum schon immer gefordert. Der Volksschule muß der konfessionelle Charakter erhalten werden. Daß durch die Verfassung die Simultam⸗ schule Regel⸗ und Normalschule geworden sei, wie der Abg. Linz meinte, kann weder aus dem Wortlaut der Verfassung noch aus ihrem Zustandekommen hergeleitet werden. Wir würden nie darein gewilligt haben, den christlichen Geist in der Volksschule zurüch⸗ drängen zu lassen. Die Haltung der Deutschnationalen war außer⸗ ordentlich schwankend. Die ft ist zum größten Teil gegen die Verfügung. Die Erlasse des Ministers müssen in mancher Be⸗ ziehung abgeäncert werden.

Abg. Heller (Soz.): Die Elternbeiräte dünfen nicht bloß auf die höheren Lehranstalten beschrämkt bleiben, sondern müssen auch auf die Volksschulen ausgedehnt werden. Auch auf dem Schulgebiete müssen sich Umwälzungen vollziehen, die Schule darf nicht mehr im Dienst einer Klasse, sondern des Frtben Volkes stehen. Zu politischen Zwecken sind die Wahlen zu den Elternbeiräten gerade von der Rechten ausgenutzt worden. Das Wesen der Elternbeiräte soll eine reine Ver⸗ tretung der Giternschaft sein. Wir bedauern, daß dem ersten Erlaß noch der zweite gefolgt ist, wo das Wort „persönlich“ herausgestrichen wurde. Provinzialregierungen haben die Stiefeltern nur bei den höheren Schulen aber nicht bei den Volksschulen für wahlberechtigt erklärt. Namentlich in den unteren Verwaltungsstellen sitzen noc⸗ immer die alten Leute, die der Reaktion Vorschub leisten. Dadure ist Verwirrung in die Wahlen gebracht worden, und deshalb sollte das Ministerium diese Leute von ihren Plätzen entfernen, weil sie das Gegenteil von dem tun, was die Regierung will. Herr Linz hat er⸗ klärt, daß in der Vergangenheit Machtpolitik in der Schule gebrioben worden ist. Wir sind für dieses Eingeständnis dankbar, aber was haben die Herren denn getan, um diese Machtpolitik zu verhindern? Nicht von uns ist die Agitation in die Wahlen hineingetragen worden, sondern, wie aus einer Versammlung im Herrenhaus, die den Deuts nationalen sehr nahe stand, und aus Flugblättern klar hervorgeht, gerade von den rechtsstehenden Parteien. inzelne Behörden baben sogar den amtlichen Apparat benutzt, um kostenlos eine solche A. itation zu treiben. Wir begrüßen es, daß die Wahlen stattfinden sollen und daß die Demokraten und das Zenttum sich von der Regierung so haben überzeugen lassen, daß diese ihre Unterschrift unter den gemeinsamen

seine Fraktion für jede Bestimmung jener

Antrag zurückgezogen haben. Der Erlaß darf nicht so ausgelegt werden, daß die Wahlen bis zum Herbst hinausgeschoben werden. Abg. Frau Arendsee (U. Soz.): Der Agitation der rechts⸗ stehenden Parteien, wie sie zum Beispiel in der „Deutschen Tages⸗ zeitung“ getrieben wurde, konnten wir leider nicht entgegenwirken, da unsere Presse verboten war. Die rechtsstehenden Parteien sind gegen die Elternbeiräte überhaupt, die ganze Richtung paßt ihnen nicht. Wir müssen hier den Kampf gegen die Reaktion aufnehmen. Die Elternbeiräte sind notwendig als Bindeglied zwischen Haus und Schule, zwischen Haus und Lehrerschaft. Die Elternbeiräte müssen auch das Recht haben, an dem Schulunterricht teilzunehmen; um sich eellbst ein Urteil zu bilden und die Schule zu kontrollieren. Wir, die wir überhaupt auf dem Boden des Rätesystems stehen, fordern auch Schülerbeiräte, die mit den Elternbeiräten Hand in Hand arbeiten. Whe werden alle zur Frage der Glternbeiräte gestellten Anträge ab⸗ lehnen. . Damit schließt die Beratung. Es ist namentliche Ab⸗ stimmung über den Antrag Linz beantragt; diese wird auf morgen verschob

Ein Antrag der Sozialdemokraten auf schleunige Vorlegung eines Gesetzentwurfs, durch den die Be⸗ stätigung und Vereidigung der Bürgermeister, Beigeordneten und Schöffen durch den Land⸗ rat in Wegfall kommen soll, wird ohne Erörterung dem Gemeindeaus chuß überwiesen.

Einen Antrag des Zentrums, betreffend Hinzu⸗ ziehung von Vertretern der Privatarchi⸗ tekten zum Wiederaufbau in Nordfrankreich, überweist das Haus dem Ausschuß für Handel und Gewerbe. Hierauf begründet Abg. Dr. Schloßmann (Dem.) einen Antrag seiner Partei auf eines Gesetzent⸗ wurfes über die Baulastenbücher. er Antrag geht dahin, die Regierung aufzufordern, zur Sicherung eines sach emäßen Bauens den Entwurf eines Gesetzes über die Bau⸗ astenbücher, wie er aus ommissionsberatungen des früheren Abgeordnetenhalses 1916/18 hervorgegangen ist, sofort aufs neue einzubringen.

Abg. Hammer (D. Nat.): Das Baulastengesetz ist schon 1913 be⸗ raten worden. Das Baulastenbuch soll ein Ersatz für das Grund⸗ buch sein und den amtlichen Gescha isgang vereinfachen. Das Ge⸗ setz ist bisher an dem Widerspruch von Interessentengruppen im Hausbesitz und auch des Deutschen Städtages gescheitert. Wir sind bereit, am ö“ des Gesetzes mitzuarbeiten.

Abg. Dr. Görck (D. Vop.) gibt die gleiche Erklärung ab, ohne

e zu binden. Der Antrag gelangt zu einstimmiger Annahme.

Es folgt die Beratung der Verordnu 8 vom 15. November 1918, betreffend Auflösun 8 des Abge⸗ ordnetenhauses und Beseitigung des Herren⸗ hauses. r Verfassungsausschuß beantragt Genehmigung. Abg. Dr. Rosenfeld (U. Scs.) verlangt im Anschluß hieran die schleunige Auflöjung der Landesvers ammbung, die Uängst überfällig sei, 1 diesem öer die schleunigste Vorlegung des Verfassungs⸗ entwurfs.

Abg. von der Osten (D. Nat.): Wir haben uns auf den Boden der Tatsachen gestellt, bleiben aber dabei, daß die Auflösung des A ordnetenhauses und die Beseitigung des Herrenhauses weder recht⸗ mößig noch zweckmäßig war. Einkammersystem ist zumal bei der finanziellen fhae dieses Fauses für das Land eine Ge⸗ s

fahr. Nicht eine Beseitigung, sondem eine Reform der ersten Kammer

hätte in Frage kommen müssen; diese Erbenntnis dringt sogar in dehaldemokeatsce Kreise, wie ein Artikel von Peus in den „Sozial⸗ demorkatischen Monatsheften“ beweist. Bei der Verfassungsberatung werden wir darüber weiter sprechen. Für die Genehmigung können wir nicht stimmen. 8 8 .

Abg. Gräf⸗Frankfurt (Sos.): Die Rechte wollte bis zum Aus⸗ bruch der Revolution nichts davon wissen, das Hmsklassemvabtrecht zu ändern. Das Herrenhaus war längst überlebt; es zu erhalten lag nicht im Interesse des Volkes. Mit unserer Zustimmung kann es niemals wieder eingeführt werden. Wir wollen in ruhiger, sachlicher zum Wohle Vaterlandes weiterarbeiten und keine Schwatz⸗

zude sein.

Abg. Dr. Rosenfeld (U. Soz.): Wir vertreten auch heute die Auffassung, daß man im November 1918 die Macht den Arbeiter⸗ räten nicht hätte nehmen sollen. Sie haben damals die Interessen des Volfkes verraten. (Heiterkeit.) Die Aufgaben der Landesversamm⸗ lung müssen möglichst schleunigst beendet werden, damit Neuwahlen stattfinden können, die nur zu unseren Gunsten ausfallen werden. (Heiterkeit.) Auch in der preußischen Regierung soll von einem scheinsozialistischen Mitgliede die Beseitigung des Einkammersystems erstrebt werden. Nach unsever Auffassung darf nie und nimmer an dem Einkammersystem gerüttelt werden. Wir wünschen, daß jeder so stimmt, wie er es verantworten kann, und ich nicht darauf verläßt, daß nachber ein anderes Haus die Beschlüsse rektifiziert. Die Auf⸗ fassung des Volkes muß so unverfälscht wie möglich zum Ausdruck gelangen und auch in der Gesetzgebung sich durchsetzen. Wir wenden uns auf das entschiedenste gegen jeden Versuch, ein Zweikammersyfter einzuführen. Wann kommt end!ich die Verfassung, wann kommen endlich die Neuwahlen?

Ministerpräsident Hirsch: Meine Damen und Herren! Der Herr Vorwdner hat daraus, daß die Regierung bisher das Wort nicht ergriffen hat, den Schluß gezogen, daß sie zur Verteidigung ihrer Ver⸗ ordnung vom November 1918 kein Wort mehr übrig hat. Hevr Rosenfeld glaubt doch wohl selber nicht an diesen Vovwurf, den er der Regierung macht. (Widerspruch.) Ich bitte um Entschuldigung; aber dafür halte ich Sie noch für etwas zu vernünftig, als daß Sie ernstlich solchen Vorwurf erheben könnten. (Heiterkeit.)

Wenn die Regierung bisher das Wort nicht ergriffen hat, so aus einem Gefühl der Höflichkeit heraus; wir wollten Herrn Dr. Rosen⸗ feld und seinen Freunden nicht zuvorkommen. Außerdem halten wer es auch nicht für notwendig, zu jeder Sache fortgesetzt zu sprechen. Wohin das führt, wemm man dauernd über alles Mögliche vedet, ha eben Herr Abgeordneter Dr. Rosenfeld bewiesen (sehr richtig! bei den Sozialdemokvaten), indem er irgendwelche dunklen Geheimnisse an⸗ deutete, an denen kein wahres Wort ist. (Hört, hört! bei den Sozjal⸗ demokraten. Zurufe bei der Unabh. Sozialdem. Partei.) Ach Goth was in der Presse alles über Sie steht, wer das glauben wollte!

Er hat also irgendwelche geheimnisvollen Andeutungen gemach t, wonach eine Ideengemeinschaft zwischen den Deutschnationalen und einem „Scheinsozialisten“ in der Regierung bestehe, der für das Zwei⸗ kammersystem eingetreten sei. Deran ist kein wahres Wort. (Hört,

hört! im Zentrum, bei den Deautschen Demokraten und Sozial-

demokraten.)

Mit dem Herrn Abgeordneten Dr. Rosenfeld stinrme ich darin überein, daß es dringend wünschenswert und notwendig ist, die Ar⸗ beiten der Landesversammlung nach Möglichkeit zu fördern. Ich glaube aber nicht, daß es zur Förderung der Geschäfte der Landes⸗ versammlung beiträgt, wem, wie wir das hier wiederholt erlebt haben, Dauerveden gehalten werden, wenn hier bei jeder Gelegenheit immer und immer wieder dasselbe Thema lang und breit erörtert

wird. (Zurufe bei der Unabh. Sozialdem. Partei.) Es wird hier gesagt: Heben Sie den Belagerungszustand auf! Meine Damen und Herren, wir hatten ihn aufgehoben, und die Folgen davon waren die tieftraurigen Ereignisse des 13. Januar d. J., an denen Sie und Ihre Freunde die Schuld tragen. (Widerspruch bei der Unabh. Sozialdem. Partei. Zustimmung im Zentrum bei den Deutschen Demokraten und Sozialdemokraten.)

Mit Herrn Abgeordneten Rosenfeld stimme ich ferner darin über⸗ din, daß es dringend envünscht ist, dem Hause so bald als möglich die Verfassung vorzulegen. Der Herr Minister des Innern hat bereits vor langen Monaten den Entwurf der Verfassung ausgearbeitet. Er hat hier wiederholt erklärt, daß er, bevor er die Verfassung dem hohen Hause vorlegt, erst die Gewißheit darüber sich verschaffen will, daß die Verhandlungen einen glatten Verlauf nehmen und nicht, wie es

bei der Reichsverfassung der Fall gewesen ist, die einzelnen Bestim⸗ mungen mit wechselnden Mehrheiten zustande kommen. Es liegt der

Regierung daran, daß die Verfassung ein Werk aus einem Guß ist.

Infolgedessen haben, wie der Herr Minister des Innern es angekündigt

hat, mit den Vertretern der Mehrheitsparteien (Hört, hört! bei

den Unabhängigen Sozialdemokraten. Zuruf rechts: Unter Aus⸗

schluß der Oeifentlichkeit!) So war es früher aucht Soll ich Sie

daran erinnern, wie früher hier vorgegangen ist! (Abg. Paul Hoff⸗

mann: Das haben Sie damals bekämpft!) Damals wurden alle Voylagen erst von Ihnen (nach rechts) vorberaten, dann wurden sie

den übrigen Parteien und dem Hause vorgelegt. (Widerspruch rechts.) Das stimmt sehr wohl!

Erst als der Krieg ausbrach, hat man gnädigst auch Vertreter der Sozialdemokratie hinzugezogen.

Nun wird gesagt, daß wir früher dieses Vorgehen bekämpft haben. Jawohl! Wir haben früher aber auch keine parlamentarische Re⸗

gierung gehabt, die sich auf bestimmte parlamentarische Parteien stützen

muß. Das ist der wesentliche Unterschied. (Zuruf.) Herr Ab⸗ geordneter Dr. Rosenfeld, mit Ihnen über Errungenschaften der Re⸗ volution zu reden, hat keinen Sinn! (Sehr richtig!) Wir dürfen bei einem so wichtigen Werk, wie der Entwurf einer Verfassung es ist, nicht von den Parteien, die die Mehrheit bilden, und die ihre Ver⸗ treter in die Regierung entsenden, im Stich gelassen werden. Das ist

etwas Selbstverständliches. Infolgedessen haben zwischen dem Mini⸗

sterium des Innern und den Vertretern der Mehrheitsparteien Ver⸗

handlungen stattgefunden, die sich ihrem Abschluß nähern. Ich glaube,

daß schon in ganz kurzer Zeit dem Hause der Entwurf der Verfassung unterbreitet wenden wird.

Herr Dr. Rosenfeld hat dann den Wunsch ausgesprochen, daß möglichst bald Neuwahlen statifinden. Hier kann ich mich auf dis Erklärung berufen, die ich bereits früher abgegeben habe, daß die Neu⸗ wahlen nicht unmittelbar, nachdem die Verfassung verabschiedet ist, stattfinden können, sondern daß wir noch andere wichtige Aufgaben

zu erfüllen haben (hört, hört! bei den Unabhängigen Sozialdemokraten),

nämlich daß wir diejenigen Gesetze noch zu verabschieden haben, die unbedingt notwendig-find, um die Demokratisierung in Meußen durch⸗ zuführen.

Abg. Gräf⸗Frankfurt (Soz.):

aadausozlalisten bekommen. Sie haben kein Recht, sich als

Sie dürfen uns

Namen Proletariervertreter aususpielen. (Unzuhe links.)

auch nicht Arbeiterwerrat vorwerfen. Wäre es nach Ihnen Kesncgen 1 Hem

so bekämen wir überhaupt keine Verfassung, sondern russi Pannern die Anarchie. (Beifall.) ea

Abg. Dr. Rosenfeld (U. Soz.): Der Name Radausozialist stört uns nicht. Wir sind Leee von den Mehrheitssozialisten mit iden.

Schmutz beworfen zu we (Heiterkeit.) Wenn man mir das Recht abstreitet, mich als Proletariervertreter zu fühlen, so wundert mich das, da ich bis zur Trennung der Partei unbeanstandet als Ver⸗ treter der Prolctarier anerkannt worden bin. Sie haben das vergessen,

weil ich nicht hit Ihnen die Arbeiterschaft verraten habe. (Unruhe

bei den Sozialdemokvaten.)

Stimmen der Deutschnationalen und der Deutschen Volkspartei.

Die Mitteilungen des Ministers des Innern über die Ver⸗ waltung von Teilen der Kreise Heydekrug und Tilsit sowie über die Ausübung von Befugnissen des Bezirksausschusses Oppeln und der Kreisausschüsse in Neustadt (Oberschlesien) und

Namslau werden durch Kenntnisnahme erledigt.

Ein Antrag des Ausschusses für Bevölke⸗ rungspolitik über Berücksichtigung des Alters

und des Familienstandes bei der Regelung

der Beamtengehälter wird ohne Debatte dem Aus⸗

schuß für Beamtenfragen überwiesen.

Hierauf begründet Abgeordneter Lukassowitz (D. Nat.) 1

einen Antrag seiner Partei, die Regierung zu ersuchen, da⸗ hin zu wirken, daß diejenigen Lehrer, die die Mittel⸗

schullehrer⸗ und Rektorenprüfung abgelegt

haben, und die teilweise durch den Krieg in ihrem Fort⸗ kommen erheblich behindert worden sind, jetzt aber auf Grund des Erlasses für die Wahl zum Schulleiter nicht mehr als Schulleiter gewählt werden, eine Anstellung erhalten, die den

gebrachten Opfern an Zeit, Geld und Gesundheit bei der Vor⸗

bereitung für die genannten Prüfungen entspricht.

An der Erörterung beteiligen sich die Abgg. Kimpel (Dem.), Behrendt⸗Danzig (Zentr.) und 1 sämtlich für Verweisung an die verstärkte Unterrichtskommission aus⸗ sprechen. 9 88

Es wird demgemäß beschlossen.

Ein Antrag der Deutschen Volksp artei will

die Regierung ersuchen, 1) möglichst bald anzuordnen, daß die

preußische Domänenverwaltung von der Ab⸗ haltung von Weinversteigerungen bis auf

weiteres absieht, 2) bei der Reichsregierung dahin zu

wirken, daß die Abhaltung von Weinversteigerungen im Reiche

für die nächste Zeit zum mindesten für ein Jahr verboten werde.

Der Antrag wird vom Abg. Dr. Kalle begründet.

Ein Vertreter der Staatsregierung: Der Antre bezweckt eine weitere Preissteigerung. Dies kann schon deshalb nich erreicht werden, weil die erste Folge des Füntssss die sein wird, daß ein großer Teil der Weinbestände künstlich zurückgehalten wird. Die Domänenverwaltung bann auf die Weinversteigerung nicht verzichten. Der Wein ist keine vertretbare Sache. Jedes Fuder Wein hat seinen Liebhaberwert. Wie soll der Preis einseitig bestimmt werden?

» Nach kurzer Aussprache wird die Ueberweisung an die verstärkte Kommission für Handel und Gewerbe beschlossen.

Das Haus vertagt sich dann auf Freitag, den 20. Februar, 12 Uhr (kleine Anfragen; Abstimmung über die Anträge, betr. die Elternbeiräte; Beratung der Verordnung, betr. Versetzung

Wir sind selbst als sozialdemokratische Fraktion bis zum Ausbruch des Krieges niemals hinzugezogen worden.

Regierung 1 . einem Vierteljahr vergeblich der Abnahme harren; es wird ge⸗

Abg. C Son): Ich warne Sie davor, uns Scheinsozialisten zu nennen, fonst könnten Sie (nach links) leicht den

Hollmann (D. V.), die sich

der unmittelbaren Staatsbeamten in den Ruhestand; Beratung

des Antrages des Ausschusses für Bevölkerungspolitik). Schluß gegen 6 Uhr. 1

1“

117. Sitzung vom 20. Februar 1920, Mittags 12 Uhr. (Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger.)

„Nach einer Mitteilung der Zeitung „Freies Wort“ in Neisse, wird der Abg. Kneifel vermißt; der Vorstand wird ermäͤchtigt, Ermittlungen anzustellen.

8

Auf der Tagesordnung stehen zunächst 10 Anfragen.

Anuif eine Anfrage des Abg. Schmidt⸗Stettin (D. Nat.), betr. den Schutz Beamten gegen Streik⸗ terror erwidert ein Vertreter der Staatsregierung, daß die Regierung ein Streikrecht der Beamten nicht, anerkennt, daß bei der Eigenartigkeit der Beamtenstellung der streikente Beamte seine Amtspflicht verletzt und daß ein Streik die Einleitung des Disziplinar⸗ verfahrens zur Folge habe; gegen den Terror streikender Beamten würden zum Schutz der pflichttreuen Beamten alle Maßregeln er⸗ griffen werden, . Auf die Anfrage des Abg. Herbert⸗Stettin (Soz.), was die egierung zu zun gedenfe, um die Auflehnung landwirt⸗

A Kreise gegen die Zwangsbewirt⸗

aftung landwirtschaftlicher Produkte zu verhindern und die Volksernährung sicherzustellen, wird erwidert, daß der Ober⸗ prösident von Pommern die landwirtschaftlichen Kreise nachdrücklich darauf hingewiesen hat, daß solche Auflehnung gegen die ergangenen Gesetze und Verordnungen verstößt, und daß sämtliche Oberpräsidenten angewiesen sind, unverzüglich ein strafrechtliches Verfahren gegen alle einzuleiten, die zur Verletzung der Vorschriften über die Zwangswirt⸗ schaft auffordern.

. Im Anschluß an eine Anfrage der Demokraten läßt die Re⸗ 9ee erklären, daß sie mit der Reichsregierung sich in Ver⸗ bindung gesetzt hat, um eine Abänderung oder Aufhebung veralteter Privilegien der Abdeckereien herbeizuführen.

Auf die Anfragen der Abgg. Lukassowitz (D. Nat.) und

Cassel (Dem.), ob die Regierung dovon Kenntnis habe, daß Ge⸗ meindevorstände bei der öffentlichen Ausschreibung von Lehrer⸗ und Rektorstellen ein Bekenninis zur soßaldemo⸗ kratischen oder zu einer anderen politischen Partei für die Wahl zur Bedingung machen, wird durch einen Vertreter der Unter⸗ richtsverwaltung erklärt, daß die Regierung dieses Verfahren als mit der Reichsverfassung unvereinbar und als ungehörig ansieht und bedauert; lediglich die Befüht ung und die berufliche Bewährung hätten maßgebend zu sein. Die Regierung hoffe, daß in Zukunft die Gemeideverwaltungen derartige Ausschreibungen unterlassen werden.

Weitere Anfragen betreffen die Forderung der Berufung von Vertretern des deutschen Bäckerhandwerks in die Reichs⸗ getreidestelle und in das Schiedsgericht, die Schädigung des Urmachergewerbes durch das Einfuhrverbot für Taschenuhren und die Ver etzung der Gendarmen in die Klasse der mittleren Beamten.

Die von den Regierungsvertretern verlesenen Antworten bleiben auf der Presseempore vollkommen unverständlich.

Eine Anfrage der deutsch⸗hannoverschen Abge⸗ ordneten bezieht sich darauf, daß 75 von der Firma Kenschel u. Sohn in Cassel für Rechnung der ungarischen hergestellte Lokomotiven seit über

fragt, ob deutsche Firmen noch Lokomotiven an das Ausland liefern dürfen.

Geheimer Rat Busch; Die ungorische Staatseisenbahnverwaltung hat p die Entscheidung über den Verkauf dieser Lokomotiven an die preußisch⸗hessische Ersenbahnverwaltung noch vorbehalten. Die Loko⸗ motiben eignen sich wegen ihrer besonderen Bauart aber nicht für unsere Eisenbahn, deshalb sind diese Lokomotiven auch nicht leihweise bei uns verwendet worden. Ihrer Ausfuhr nach Ungarn stehen Be⸗ denken nicht entgegen. Der Weiterbau dieser Lokomotiven konnte seinerzeit nicht verhindert werden, weil die ungarische Regierung sonst breußische Lokomotiven beschlagnahmt hätte. Im übrigen steht die preußische Regierung auf dem Standpunkt, daß verwendungsfähige Lokomotiven nicht ins Ausland ausgeführt werden dürfen.

Eine vrag; der Abgg. Kaulen (Zentr.) u. Gen. ver⸗ weist darauf, daß die Tierbesitzer nicht damit einverstanden sind,

v 8 8 daß der Erlös aus den Häuten von lachtvi Die Genehmigung der Verordnung erfolgt gegen die 5 1 8 Schlachtvieh

zu sechs Zehnteln den Tierbesitzern und zu vier Zehnteln der Kommunalverbänden zufällt.

Unterstaatssekretär Dr. Peters: Diese Angelegenheit ist von Reichs wegen geregelt. Das Reichswirtschaftsministerium hat den Kommunalverbänden empfohlen, ihren Anteil den Viehhandelsver⸗ bänden zur Bildung eines Prämienfonds für gute Schlachtviehabliefe⸗ rungen seitens der Landwirte zur Verfügung zu stellen. Die Vieh⸗ handelsverbände sollen den Prämienfonds an alle Landwirte verteilen, die ihr Liefersoll zu mindestens 60 Prozent erfüllt haben. Das preu⸗

ische Landesfleischamt hat den Kommunalverbänden mit einer Fleisch⸗ 8s. von 200 oder 150 Gramm ermächtigt, mit den Viehhandels⸗ perbänden Vereinbarungen jn diesem Sinne zu treffen. So soll auch der Vierzehntelrestbetrag des Mehrerlöses den liefernden Tierbesitzern zu gute kommen.

Darauf erfolgt die namentliche Abstimmung über den gemeinsamen Antrag der Demokraten, der Zen⸗ trumspartei und der beiden Rechtsparteien auf vorläufige Aussetzung der Wahlen zu den Elternbeirät en und Ueberweisung der Erlasse uͤber die Elternbeiräte an den Unterrichtsausschuß. Nach einer Mitteilung des Präsidenten haben die Abgeordneten Dr. Friedberg (Dem.) und Dr. Porsch (Zentr.) die Unter⸗ schriften ihrer Parteien unter dem Antrag zurückgezogen, so daß der Antrag nur noch Antrag Hergt lautet.

Der Antrag Hergt wird mit 163 gegen 57 Stimmen ab⸗ gelehnt; auch der Antrag Linz (D. Nat.) (Verschiebung der Wahlen zu den Elternbeiräten, bis die Erziehungsberechtigten die Entscheidung über den Charakter der Volksschule getroffen haben) fällt gegen die Stimmen der Deutschnationalen und der Deutschen Volkspartei.

Die Verordnung vom 26. Februar 1919, betr. die einstweilige Versetzung der unmittelbaren Beamten in den Ruhestand, beantragt der Haus⸗ haltsausschuß zu genehmigen.

§ 13 der Verordnung besagt, daß unmittelbare Staats⸗ beamte, die nach Vollendung des zehnten Dienstjahres bis Ende 1920 ihre Pensionierung nachsuchen, zu pensionieren sind, ohne daß Dienstunfähigkeit oder Vollendung des 65. Lebensjahres die Voraussetzung wäre. Für diese Beamten beträat das Ruhe⸗ gehalt durchweg drei Viertel des Diensteinkommens.

Der Ausschuß beantragt, die Regierung zu ersuchen, den § 13 auch auf die 419 zu diesem Zweck eine Vorlage zu machen.

Abg. Oelze (D. Nat.): Viele Beamte, die sich auf Grund der Verordnung vom 26. Februar 1919 in den Ruhestand haben versetzen lassen, sind in schwere Not geraten, da die Entwertung des Geldes seitdem außerordentliche Flortsch ät gemacht hat. Die Staats⸗ regierung verhält sich betreffs der Teuerungszulage ablehnend, deshalb möchte ich die Bitte an die Staatsregierung richten, die Teuerungs⸗

terlichen Beamten auszudehnen und