Der § 5 der Verordnung sieht vor, daß der Reichswehrminister
im Falle von Aufruhr und Landfriedensbruch die Bildung von Stand⸗ gerichten anordnen kann. Die Maßregel soll, falls es wirklich zu einem
Kampfe kommt, den wir ganz gewiß nicht wünschen (Abgeordnete I
ietz: aber provozieren! — Lachen.) — die Maßregel soll, wenn es wirklich zu Straßenkämpfen kommt, willkürlichen Erschießungen vor⸗ beugen, wie wir sie durch den Marloh⸗Prozeß schaudernd kennen ge⸗ lernt haben. (Zuruf von den U. Soz.: Sie haben auch dabei ge⸗ schaudert?) Gewiß bin auch ich außerordentlich tief erschüttert durch die Feststellungen, die im Marloh⸗Prozeß gemacht worden sind, und infolgedessen ist darauf Bedacht genommen worden, daß, wenn es wieder einmal — was keiner von uns wünscht — zu Auseinandersetzungen kommt, nicht mehr ein einzelner die Möglichkeit haben soll, über Leben und Tod von Personen zu entscheiden, sondern daß mindestens ein Dveimännerkollegium zu urteilen hat, das aber dann auch wiederum nicht die Möglichkeit bat, die Vollstreckung eines Urteils herbeizuführen. sondern das Urten! muß erst einem höhenen Befehlshaber vorgetragen und von ihm die Bestätigung eingeholt werden. Es ist also genau das Gegenteil von dem bezweckt, was Herr Cohn mit seiner lebhaften Phantasie in diesen Paragraphen hineinlesen zu sollen glaubt.
teilnimmt.
Daß die Lage im Induftriegebiet in jenen Januartagen äußerst bedrohlich war, kann unmöglich bestritten werden. Die Wiederherstellung der Ordnung war unbedingt geboten. Trotzdem haben wir mit der An⸗ wendung schärfster Mittel bis aufs äußerste gewartet. Vereinbart und unterzeichnet ist die Verfügung von dem Reichspräsidenten, von mir gegengezeichnet, am 13. Januar. Sie ist dann dem Befehlshaber nach Münster übermüittelt worden mit der Anweisung, sich nach erteilter Zustimmung des Reichskommissars Severing darüber klar zu werden,
ann der Zeitpunkt gekommen ist, bei dem etwa die Verfügung in Kraft zu setzen sei. Beide, der Befehlshaber sowohl wie der Reichs⸗ kommissar, haben noch drei Tage gezögert. Als es dann aber in den Tagen vom 13. bis zum 17. nicht gelungen war, in Hamborn die öffentliche Sicherheit wieder herzustellen, als dann auch bei der Zeche Heinrich bei Eppen sich Zusammenstöße zwischen den Mannschaften der Sicherbeitowehr und Arbeitern ereigneten, als eine Wohlfahrts⸗
gusstellung in Karsstadt ausgeplündert worden war, und als das große
Wasserwerk Mühlheim, das 35 Zechen und zahlreiche andere industrielle Unternehmungen mit Wasser versorgt, durch Sabobage zur Stillegung gebracht werden sellte, erst da ist eingegriffen worden. Am 17. ist die Publizzerung der Verordnung für den besonders bedrohten Bezirk vor⸗ genommen worden. Für die verspätete Mitteilung über den Erlaß an die Nationalversammlung, für die übrigens mich und mein Mini⸗ sterium bein Verschulden trifft, ist selbstverständlich um Entschuldigung zut bitten.
Wirklsam gemacht ist von der Verordnung lediglich der erste Teil, betreffend die außerordentlichen Kriegsgerichte. Es sind solche Gerichte singefübrt worden in Duͤsse dorf, Wesel, Essen und Elberfeld. Es ist eine ganz bewußte Täuschung, wenn unabhängige und kommunistische Blätter zetern, die Bergarbeiter seien solchen Gerichten oder gar Stand⸗ gerichten unterstellt, um sie zu vermehrter Arbeitsleistung zu bewegen. Heute morgen habe ich in dem Berliner Kommunistenblatt sogar gelesen, die Verordnung stelle die Arbeiter direkr unter das Henkerbeil.
Festgenemmen und abzuurteilen sind durch diese 4 Kriegsgerichte
wegen Raub, Plünderung und Gewalttätigkeit 400 Personen. Ich frage, wer sich denn eigentlich schuͤtzend vor diese Plünderer stellen will,
die unendlichen Schaden im Bezirk angerichtet haben? (sehr wahr!) und
diee zum Leil ibre erbeigenen armen Klassengenossen um Hab und Gut bei den Plünderungen gebracht haben? (Sehr richtig! — Zuruf von den U. Soz.: Haben bisher die Gerichte nicht ausgereicht?)
Mit welcher Skrupellosigkeit auch jetzt wieder versucht wird, eine Verhetzung der Bergarbeiter zu betreiben mag ein Zitat aus einem bonrmunestischen Blatt dartun, das schreibt:
„Das Standgericht verurteilt jeden zum Tode, der sich dem Rankbau an den ausgemergelten Kürpern der Bergarbeiter ensgegen⸗ stellt.
(Tachen.) Aber sekbst das gendgt der Reglerung noch miecht einmal gur Verffla⸗ vung der Arbeiter.“
Standgerichte sind aber überhaupt auf Grund dieser Verfügung nicht eingesetzt worden. Der Befehlohaber hätte lediglich dazu auf meine besondere Anweisung vorgeben Lönnen. Och habe sie nicht zu erteilen brauchen, meil er nicht darum ersucht hat. Es ist kein Todesurteil gesällt, sclbswerständlich insolgedessen auch krin Todesurteil vollstreckt worden. Ich freue mich, daß die bloße Androhung ver scharfen Maß⸗ nahmen dazu geführt hat, daß weitere Gewalttätigkeiten nicht mehr verübt worden sind. (Lebhaftes Bravo.) Für die Massen der Bevöl⸗ kerung im Industriegebiet stellt die Verfügung kelne Bedrobung, son⸗ dern eine Wohltat gegenüber Gzewalttätigkeiten einer Minderheit dar. (Sehr richtig!)
Ich will übrigens nur ganz knapp mit einem Satz andeuten, daß jenseits des Rbeins nicht wenig Leute sitzen, danen nichts will⸗ kommener wäre, als ein Anlaß infolge des Ausbleibens von Kohlen⸗ wesferungen aus dem Industriogebiet, hewvorgerufen durch Unruben, dieses Gebiet auch noch besehen zu können. (Sehr richtig!) Darunter wurden nicht nur die breiten Massen des deutschen Volkes leiden, soudern selbstverständlich auch die Arbeiter des Bezirks selber.
Meine Damen und Herren, wie haben sich denn — um mit wenigen Worten auch das noch ganz kurz darzustellen — die Verhält⸗ nisse im Kohlengebiet entwickelt? Die Revolution brachte auch dort allen Arbeitern weitgehendste Freiheit. Eine Minderheit hat mit dieser Freiheit in frechster Weise Schindluder getrieben. (Sehr nichtig!) Ein paar Tausend Narren oder Verbrecher haben wochen⸗ zum Teil monatelang das ganze Gebiet unter Schrechen gesetzt. Wahn⸗ witzige haben sich geradezu austoben können. Das war übrigens die Zeit, als die Unabhängigen in Düsseldorf wie in anderen Teilen mit der Verhängung des Belagerungszustandes sehr fix bei der Hand waren. (Lebhafte Zustimmung.) Und in demselben Düsseldorf, in dem jeyt ein außeordentliches Kriegsgericht unter weitgehenden Rechtgarantien richtet, haben in jenen Tagen der Unabhängigenherrschaft im Rhein⸗ und Industriegebiet die Unabhängigen die Einsetzung von Stand⸗ gerichten proklamiert. (Hört, hört!) Und mit der Androhung von Todesstrasen sind die Herren und Damen Unabhängigen damals ganz und gar nicht zimperlich und zurückhaltend gewesen. (Lebhafte Zu⸗ stimmung.) Also die Herrschaften sollen uns doch nicht zumuten, so
Bedroht wird lediglich, wie ich noch einmal feststelle, wer an einem Aufruhr
der Erde ein absolut unwirksames Verfahren. der Lage ist den Arbeitern geschildert worden, und ihre wirtschaftliche
wird.
damit sie die Möglichkeit haben, eines Tages ganz nach Belieben uns Schlitten fahren zu können. (Große Heilerkeit.)
Schon damals ist es am verrücktesten im Hamborner Bezirk zu⸗ gegangen. Ein paar hunderttausend Bergarbeiter sind im Industrie⸗ gebiet immer wieder von Bewaffneten vergewaltigt worden. ich an die Tage zu erinnern, wo die Leute zwar in Scharen zu den Gruben gingen, aber mit vorgehaltenen Pistolen und mit geschwungenen Handgranaten am Einfahren verhindert worden sind? (Zuruf von den Unabhängigen Scozialdemokraten.) — Sie waren natürlich nicht dabei, Frau Zietz. Das habe ich aber auch gar nicht behauptet. Warum wehren Sie sich denn dagegen? Ich habe es nicht behauptet und nehme noch einmal davon Notiz, daß da, wo es besonders brenzlich war, von den hier anwesenden Unabhängigen niemand dabei war. (Große Heiterkeit.) Es kann aber nicht bestritten werden, daß die Unab⸗ hängigen und ihre Presse hinterher die Treiber bei einem politischen Streik nach dem andern auch im Kohlengebiet gewesen sind. (Lebhafte Zustimmung bei den Sezialdemokraten.) Damals erfuhr die Kohlen⸗ förderung eine außerordentlich empfindsame Verminderung. Unser Wirtschaftsleben und die Verkehrsverhältnisse erlitten dadurch einen Schaden, der, in absehbarer Zeit überhaupt nicht wieder gutzumachen ist. Die Zahlungsfähigkeit des Reichs ist mit infolge dieser Narren⸗ wirtschaft, die monatelang getrieben worden ist, rapide zurückgegangen. (Lebhafte Zustimmung bei den Mehrheitsparteien, Zurufe von den Un⸗ abhängigen Sozialdemokraten.) Statt Kohle, Kali, Stickstoff, Fertig⸗ waren, die wir ins Ausland hätten schicken müssen, haben wir dem Ausland dauernd riesig wachsende Massen bedruckten Papiers in Zahlung gegeben. (Sehr gut! bei den Mehrheitsparteien.) Das ist die Hauptsache alles unseres wirtschaftlichen Elends, unter dem wir zurzeit leiden. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Ver⸗ schlechterung der Valuta, geringere Zufuhr von Nahrungsmitteln, ge⸗ ringe Zufuhr von Rohstoffen ist eine Folge ungenügender Kohlen⸗ produktion. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Wer den Arbeitern etwas anderes erzählt, belügt sie absolut bewußt (sehr richtig! bei den Sozialdemokraten), und wer auch jetzt noch den Eindruck zu erwecken sucht, daß die Regierung den Arbeitern aus bösem Willen vermehrte Arbeitsleistung zumute und ihnen dafür ungenügend Speck gebe, verfündigt sich an diesen Arbeitern selber (sehr richtig! bei den Mehrheitsparteien), versündigt sich, wenn er den Arbeitern einzureden sucht, daß sie im Interesse des Profits der Unternehmer unter einen Ausnahmezustand gestellt werden. Mit allen übrigen Arbeitern würden auch die Bergarbeiter zugrunde gehen, wenn die Kohlenproduktion nicht allmählich wieder steigt. (Sehr richtig! bei den Mehrheitsparteien.)
Es ist kein Gewaltmittel angewendet worden, um die Berg⸗ arbeiter zu vermehrter Arbeit zu veranlassen. Das wäre auch unter Der ganze Ernst
Einsicht hat sie veranlaßt, sich zur Verlängerung der Schichtdauer zu verstehen. Die Vernunft hat erfreulicherweise über blöde Hetzerei gesiegt.
Wo sich Bergherren — um darüber ein Wort zu fagen — als einsichtslos ermweisen, um das zu tun, was erforderlich ist, wird die Regierung es verstehen, auch sie zu dem zu gvingen, was notwendig ist im Interesse der Masse des deutschen Volkes. (Bravo! bei den Mehrheitsparteien. Zurufe von den U. Soz.)
Wir kommen aber damit nicht weiter und kommen nicht zu 1
erträglichen Verbältnissen und vor allen Dingen nicht zu einem Zu⸗
stand, bei dem, wie sich Herr Cohn heute endlich einmal gewünscht
hat, jede Art von Gewalttätigkeit ausgeschlossen ist, wenn von der Presse der Herrschaften ganz links dauernd jeder Versuch der Re⸗
gierung, durch erhöhte Produktion das deutsche Volk vor einer furcht⸗
baren Katastrephe zu bewahren, glossiert, verhöhnt, heruntergerissen (Sehr wayhrl bei den Mehrbeitsparteien) der „Freiheit“ noch in den allerletzten Tagen heißt es: Mit Zuckerbrot und Peitsche haben die Machthaber einst die doutsche Arbeiterklasse waktiert. Heute sieht es fast so aus, als glaube man, die Sache noch billiger haben zu können, höchstens daß man den Bergarbeiteorn etwas Spock bietet. Dafür regsert der Be⸗ Lagerungszustand wie ehedem. Die Lage der deutschen Arbeiter ist sehr viel Peitsche, ganz wenig Speck, gar kein Zuckerbrot. Ich frage: Ist venn eine nichtswürdigere Demagogie und schamlosere Verhetzung der Arbeiter denkbar (sehr wahr! bei den Mehrheits⸗
parteien), als diese Art der Einwirkung auf die Arbeiter angesichts
der Tatsache, daß auch die Arbeiterschaft, die sich zu dem Programm
der Unabhängigen Soziabdemokratie bekennt, rettungslos mit in das
Elend hineinresseln würde, wenn wir nicht zu einer Verbesserung der Verhältnisse koammmen? (Sehr wahe! bei den Mehrheitsparteien.) Gewalt wurde angewandt, um der Gewalt einer Minderheit zu
begegnon. Lediolich zu dem Zweck ist vor gevaermer Zeit schon der
Belagemmosgustond im Induwftriebezirk verbängt worden und lediglieh un diesem Zweck bleibt der Belagemngsgustand im Indwustrebezirk
besbehen. (Sehr gut! bei den Mehrheitsparteien.) Tausendfältig sind immer wieder Hilfevufe aus dem Bezirk, auch aus anderen Bezirken on uns gerichbet worden. Tewsendfchltig ist uns gerede aus dem Indusbriegebiet immer wieder die Mechnemng gekommen: Schützt uns vor Gewalt und Tervor, vor dem Terror, der dauernd ouf den Grruden und auf den Schaäͤchten von den Unabhängigen und Kommunisten cuogecbt wird. Ledeglich zur Abmehr solcher Terrors sind auch Truppen in das Gebiet geschickt worden, und dieser erforderliche Schutz wird weiter gewährt werden.
Gs ist sesbswwerständsich, daß die Regierms bestrett ist, Hwance⸗ maßmahrnen nur so Lange und soweit anzinwenden, wie es die Nol des Volles und des Landes dringend erheischt. Die Verondnung wird, soweit die Standgerichte in Betracht kommen, da zurzeit Ruhe herrscht, aufgehoben werden. Die außerordentlchen Kriegsgerichte werden die Straffälle erledigen; demn eine Ueberweisung an die Sckwurgerichte würde eine außevordentlichs Verzögerung des Vev fohrens zur Folge haben.
Die Regierung muß das hohe Haus darum eorsuchen, daß die Anträge der Unabhängigen veostlos abgelehnt werden. (Sehr richtig! bei den Mehrheiteparteien.) Wo gemildert werden honn, werden wie es num. Ich Anweisung an die Milttärbefehlshaber hineügehen lassen, da, wo Gefahr nicht besteht, von den außerordentlichen Macht⸗ mitteln, die in ihre Hände gelegt worden sind, möglichst wenig oder gar keinen Gebrauch zu machen. Die meisten Verhaftungen sind rück⸗ gängig gemacht worden. Aber darüber hinaus, meine Henen, darf bein Zweifel bestehen: Der furchtbare Ernst der Lage unseres Qandes gestattet zurzeit noch nicht, auf die Möglichkeit raschester Abwehr⸗ maßnohmnen zu verzichten. Alle, die jetzt über Gewaht scheejen, muügen
8
Brauche
stimmt. vatie „ noch immer der kapitalistische Staat besteht.
macht des RNeichspräsidenten lisgt.
In einem Artikell’
das war
2 selbst auf Gewalt verzichten (sehr richtig! bei den Mehrheitsparteien),
mögen dem Volke das geben, was es notwendig braucht: eine Besserung seiner Existenz durch vermehrte Produktion, mögen die Freiheit und die Demokratie achten lernen, dann werden Ausnahmemaßnahmen in Deutschland nicht mehr notwendig sein. (Lobhafter Beifall bei den Mehrheitcparteien.)
Abg. Löbe (Soz.): Wir haben der Verfassung zugestimmt un dem Reichspräsidenten die außerordentlichen Vollmachten eingeräumt: diese sind eine Waffe zur Verteidigung der demokratischen Republi
und ihrer Bürger gegen Gewalt. Daß diese Waffe nötig ist, haben die
politischen Ereignisse dargetan, und das sie heute noch nötig ist, b
weisen auch die Bestrebungen auf den Gütern zu monarchistischen Putschen. Nicht nur die mililaristischen Regierungen der Vergangenheit icht nur die kapitalistischen Regierungen des Westens. sondern auch die
Machthaber der bolschewistischen und kommunistischen Staatsform in
Rußland und Ungarn sind ohne diesen Ausnahmezustand nicht aus⸗ gekommen. Das Standrecht ist auch in München, Düsseldorf, Braun⸗ chweig, Bremen und anderen deutschen Städten von Kommunisten und
nabhöngigen verhängt worden. (Hört, hört!) Die Verordnung vom 13. Januar mit ibrer Verschärfung von Strafvorschriften und Ein⸗ setzunn anderer Gerichte hat zunächst auch bei uns starke verfassungs rechtliche Bedenken obwalten lassen, ob sie mit der Verfassung im Ein⸗ klang stehe; aber die Verhandlungen der Nationalversammlung über den Artilel 48 beweisen, daß Anhänger und Gegner dieser Bestimmung sie in dersslben Weise ausgelegt haben wie jetzt die Regierung. Besonders
eht dos aus den damaligen Ausführungen des Abgeordneten Cohn zu
esem Artikel hervor. Demnach ist an der Rechtsgültigkeit dieser Ver⸗ ordnung nicht zu zweifeln. Eine solche Verfügung ist allerdings nur a
der höchsten Not des Landes bei gewaltsamer Bedrohung des Lebens
und Eigentums der Bürger gerechtfertigt. Der Umstand, daß die Auf⸗ bebung der Verordnung über die Standgerichte und die Todesstrafe schon in Aussicht genommen war, ehe der Antrag der Unabhängigen vorkag, und in kurzer Zeit erfolgen wird, setzt uns in den Stand, von der Zustimmung zu den Anträgen Abstand zu nehmen. Wir wünschen aber, daß das in der Verfassung vorgesehene Reichsgesetz, das die Be⸗ fugnisse des Reichspräsidenten genau umgrenzt, bald erlassen und daß das Gesetz über die hacgetan der Militärgerichtsbarkeit noch in dieser Sitzungsperiode eingebracht wird. (Beifall bei den Soz.)
iL--
Abg. Dr. Spahn (Zentr.): Wir schließen uns den Gründen der Regierung für die Rechtsgültigkeit der Verordnungen an. Die da⸗ maligen Auseinandersetzungen über den Artikel 48 der Verfassung lassen keinen Zweifel, daß der Sinn der Verfassung richtig ausgelegt wird. Wir lehnen deshalb die Anträge ab, wünschen aber gleichsalls, daß das Reichsgesetz über diese Befugnisse des Reichspräsidenten bald erlassen werden möge.
Abg. Dr. Petersen (Dem.): Wir erachten diese Verordnungen rechtlich für gültig und politisch für geboten. ebenso wenig der Machtmittel entbehren wie jede andere Staatsform. Es gibt keine Staatsform, wo diese Machtmittel so unbedenklich sind wie in der Demokratie, weil diese auf der Gleichberechtigung aller Staats⸗ bürger beruht. Die Machtmittel des Obrigkeitsstaats würden in er⸗ höhtem Maße geboten sein in dem Staate der Räteregierung, die auf der Minderheit der Bepölkerung beruhen würde. (Heiterkeit.) Wenn der Abgeordnete Cohn behauptet, daß seine Partei im Gegensatz zur jetzigen Regierung gegen die Gewalt sei, so hat die Nationalversamm⸗ lung zu wenig Zeit, um diese Auffassung ausführlich von der Tribüne
aus zu widerlegen. (Beifall.) Damit schließt die Diskussion. Das Schlußwort hat
Abg. Henke (U. S.): Wir haben gegen die Verfassung ge. Die Demokratie kann ohne Gewalt nicht auskommen, weil
Alles läuft darauf hinaus, die. Arbeiterklasse im Interesse der Kapitalisten nieder⸗ zuhalten. Gerade Noske und seinesgleichen üben die Diktatur der Minderheit. Herr Noske hatte es heute nötig, zur Beruhigung der Arbeiter einen anderen Ton als sonst gegen uns anzuschlagen; er ist ja auch in den letzten Tagen als Be⸗ ruhigungsapostel im Lande herumgereist. Alle Gefahren sind nur vurch seine Politik heraufbeschevoren. Herr Noske ist nichts anderes As der Handlanger der Kapitalisten. Wenn Herr Petersen von der Diktatur der Minderheit spricht, so vergißt er, daß die Arbeiterklasse die Mehrbeit der Bevölkerung ist. Heute der Minderheit, beute herrschen Junkertum und Industriekapital. (Lebhafter Widerspruch rechts.) Junkertum und Bourgeosie herrschen in dar Reichswehz, um, wenn ihre Stunde gekommen ist, auch mit der Regierung aufmräumen. (Lachen.) Ihr Lachen ist das Lachen der Verl eit. Die Verordnurgen sind im Intenese der Kapi⸗ halisterherrschaft erlassen. Die Flebrbelemialdemb natie benutzt Schutzhaft und Belagerungszustand, um die Macht des Proletarials 3 schwaͤchen. Vor den Mördern und Plünderern schützend stehen * denen Herr Noske gar nicht fern steht. (Sehr richtig! b. d.
Durch die Erschießung der Matrosen in der Französischen
Serche war Herr Noske tief erschüttert, aber Herr Kfchvunde hat im Prozeß 0 gt, daß Herr Noske bei der Nachricht davon gan 8 8. 1 ganz
ten sei. Das war sein wahres Gesicht. (Präsident
lei S 8 8 9 seneen och erklärt diesen Ausdruck für ungehörig. — Ruf: Das
t aber sein Peist! — Prasident Fehrenbach: Ueber den Geist habe ich nicht in urteilen. — Heiterkeit.) Wenn die Verfassung so aueggeleg! win, so kommt es uns darauf an, den Charakter dieser ge 9 kenmeichnen; die Arbeiter werden es verstehen, auch die 18 im Jentrum. Die Vexrfassung ist eine Verfassung des lapi tallstischen Ssaates, nicht eine demokratische Verfassung, darum mussen sich die Arbeiter zu einer revolutionären Partei zusammen⸗ scleh n. Diese Verordnungen besorgen am besten unsere Geschäfte. Wir brauchen nur die Reden von Noske und Schiffer und die Ver⸗ erdnungen bekanntmachen, um dem dümmsten Arbeiter klarzumachen, was er zu tun hat. Die Klassemustig der letzten Monate beweiß daß alle Zusicherungen, die den Arbeitern gegeben sind, eitel Dunst sind. Noske glaub schieben, und er wird geschoben. Und wie wird er hesch en? as ist er für ein Schieber geworden? (Erbhe ine Regierung, die solche Gewaltmittel braucht, hat schon kerott gemacht. Herr Noske hat sich mit dem Verbot unserer Zeitungen nur blamiert. Das ist der Fortschritt gegen das krühere Regime, daß beute Zeitungen ohne jede Begründung ver⸗ bolen werden können Herrn Noske wird jetzt schon selbst schwül ums Herz er steht, daß es so nicht weiter gehen kann. Was Wil⸗ helm II. seinerzeit überall sprach vom Schutz der Arbeitswilligen, hall und Nauch gegen das, was wir jetzt hören. 8 Noeke mußte erst kommen, um das praktisch zu machen, dieser sozia⸗ listische Wilhelm II. (Heiterkeit.) Aber er 8 reden, was er will, die Axbeiterschaft lacht darüber. Das Zeitungsverbot sollte die Wahrheit über die Vorgänge vom 13. Januar unterdrücken. Herr Noske, der eine Zeitung wegen der Wiedergabe seiner Photo⸗ graphte mit seinem Freunde Ebert verklagt hat, will die Zeitungs⸗ verbote damit rechtfertigen, daß lügenhafte Darstellungen verhindert werden sollen. Diese Gewalwolitik richtet sich nur gegen den Fort⸗ schritt des Soualismus. (Beifall b. d. U. 22
Darauf werden die Anträge auf Au hüee der Ver⸗ ordnunzen des Reichspräsidenten gegen die Stimmen der Unabhangigen abgelehnt.
Es folgt die zweite Beratung des Entwurfs eines Kapitalertragssteuergesetzes.
I Braun: Dieses Gesetz beuweckt, das Rentner⸗ vermögen in schärferer Weise zu erfassen als das Vermögen, das aus irgendeiner Arbeit kommt; daher ist es Fteeee
Die 88 1 und 2 der Vorlage, die die steuerbaren Kapitals⸗ erträge kennzeichnen, werden ohne Aussprache angenommen.
3 “ Steuerbefreiungen, . Dernburg (Dem.) beantvagt, auch die Banken und Bankiers in diese Bestimmung wieder ei die m. 8 een 9— sind. ecgaset Rahaa
Abg. 8 un m.) tritt für Freilassung der auf reichs⸗
gssetzlicher Jlage beruhe b
Die Demokratie kann
eerr Spahn erkennt selbst die Gefahr, die in der Voll.
haben wir eine Diktatur
uden Varsichepungen ein. Diese müßten
den Ländern und Gemeinden gleichgestellt werden. Auch die Kirchen sowie die kirchlichen und re igiösen Gemeinschaften des öffentlichen techtes müßten frei bleiben.
Abg. Dr. Ludwig (Dem.) wünscht die Freilassung guch der Träger der reichsgesetzlichen Kranken⸗, Unfall⸗, Alters⸗, Hinterbliebenen⸗ und Angestelltenwersicherung.
„Abg. Gruber (Soz.): Die Münchner Pensionsanstalt für Jour⸗ nalisten und Schriftsteller und ähnliche humanitäre Einrichtungen müssen gleichfalls von der Kapitalertragssteuer befreit werden. Die bayerische Finanverwaktung zeigt dieser Anstalt wegen ihrer gemein⸗ nützigen Bestrebungeg größtes Entgegenkommen.
Unterstaatssekrekär Moesle: Mit der Steuerbefreiung müssen wir recht vorsichtig sein, es kann aber keinem Zweifel unterliegen, daß EE“ mit rein humanitärem Charakter unter diese Steuerfrei⸗ heit fallen.
Abg. Dr. Rießer (D. V.): Der Anregung auf Begünstigung der freien Beruse stehen wir sehr sympathisch gegenüber. Vielleicht läßt sich von der Mehrheit ein entsprechender Antrag sormylieren. Blecben die Banken und Bankiers außerhalb der Steuerfreiheit, so wird die Steuer auf die Geldgeber abgewälzt werden müssen. Auch angesichts des Vorsprunges, den die auscrärtigen Banken gegenüber den deutscken Banken haben dadurch, daß das Bankgebeimnis bei uns auf⸗ gehoben worden ist, ist eine solche Begünstigung unbedingt erforderlich.
Abg. Dr. Blunck: Die Versicherungsanstolten haben als öffent⸗ lich⸗rechkliche Einrichtungen Ansproch darauf, ebenso wie die Gemeinden behandelt zu werden und steuerfrei zu bleiben.
Abg. D. Mumm (D. Mat.): Die Familkenstiftungen benötigen dieses Schutzes gleichfalls vielleicht einigen sich die Mehrheitsparteien zu einem entsprechenden Antrage. Der Freilassung der Kirchen und religiösen Gemeinschaften des öffentlichen Rechts stimmen wir z.
Abg. Dr. Blunck hält es nicht für angängig, die Banken vund Bankiers gnundsätz ich freizulassen. Die Kapitalertragssteuer sei nicht eine Vermöcenssteuer, sondern zu einer Steuer auf den Zinsverkehr geworden. Den Interessenten sei weitgehend entgegengekommen worden. Alle gemeinnützigen und mildtätigen Stiftungen, diese Familien⸗ stiftungen, seien von der Steuer befreit.
Bei der Abstimmung wird ein Kompromißantrag, wonach bei Sparkassen die Befreiung auf die dem Sparkassen⸗ verkehr eigenen Geschäfte, im übrigen auf das Darlehne⸗ geschäft sch beschränkt, angenommen. Der Kompromißantrag wegen Befreiung der Kirchen sowie der kirchlichen und eeli⸗ giösen Gemeinschaften wird angenommen. Im uübrigen wird § 3 mit unwesentlichen Aenderungen in der Ausschußfassung angenommen.
Der Antrag wegen Befreiung der Banken und Bankiers ist bis zur dritten Lesun zurückgezogen.
Der 8§ 6, der den einheitlichen Steuersatz von 10 % des Kapitalertrags bestimmt, wird nach kurzer Erörterung unver⸗ ändert angenommen.
Bei § 7, der die Abwälzung der Steuer verbietet, fra
Abg. Dr. Rießer (D. W.), ob diese Bestimmmmg nur juriflisch, nicht aber wirtschaftlich aufzufassen sei. v“ Unterstaatssekretär Moesle bestätigt dies. § 7 wird in folgender Form angenommen.
n de ö ist der Gläubiger, die Ueberwälzung der Steuer ist verboten.
Der Rest des Gesetzes wird im wesentlichen unverändert angenommen.
Nächste Sitzung Donnerstag, 1 Uhr (Zuständigkait des Neichsgerichts zur Aburteilung von Kriegsvergehen und Landes⸗ steuergesetz).
Schluß nach 6 Uh.
Preußische Lande zvorfammluntg. 129. Sitzung vom 3. März 1920, Mittags 12 Uh (Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger.)*)
Zunäͤchst wird einem noch nicht verabschiedeten Antrage der Geschäftsordnungskommission über die
Unverletzlichkeit des Gebäudes der Lande 2⸗
versammlung zugestimmt, der dahin geht, die Staats⸗ regierung zu ersuchen, dahin zu wirken, daß in der Versamm⸗ lung und in der Gesetzgebung des Reiches und die Frage gelöst werde, ob und wann in bezug auf das Gebäude der Landesversammlung eine gerichtliche, polizeiliche oder militärische Tätigkeit entfaltet werden darf.
Sodann wird auf Antrag des Geschäftsordnungs⸗
ausschusses in mehreren Fällen die Genehmigung zur Durch-
ühcung von Feanessen verweigert, und zwar gegen die Abgg. Bräucker (Soz.), Dr. Berndt (Dem.), Boldt (Soz.) und Oswald (Soz.); ein Antrag auf Vernehmung des Abg. Stendel (D. V.) als Zeuge wird gleichfalls abgelehnt.
Es folgt sodann die Beratung des Antrages des Abg. Hammer über die Vertretung des Handwerks und des Einzelhandels im Reichswirt⸗ schaftsrat.
Abg. Hammer (D. Nat.): Bereits vor resfrist wir in der gleichen Sache einen Antrag ei acht, 84 haben damals auch den Erfolg gehabt, daß ein Vertreter des deutschen Handaverks und ein Vertreter des Einzelhandels in den Rrichdvirtschaftsvat hinein⸗ dirigiert wurden. Jetzt ist die Zahl der Mitglieder des Reichswirt⸗ schaftsrats wesentkich erhöbt worden, dabei sind nur zehn Hon werker⸗ vertreter vorgesehen, von denen fünf Arbeitnehmer sein mussen. Das deutsche Handwerk verlangt aber, daß zehn bezw. zwanzig Mihglisder in den Reicheevixtschaft hineingenommen werden. ndere Kategorien unsever Wirtschaft sind weit günstiger gestellt, so erhalten die Verkehrs⸗ und Sladibeiriehe 34 an Btelle der bieherigen 14 Ver⸗ treier. Der Reichswirtschaftsrat soll ein gengswicht gegen den Reichstag bilden und so, etwa, dem Vorschlag des Fürsten Bismarck folgend, ein berufeständisches Parlament bilden. Seine Hauptver⸗ sammlung wird nicht sehr oft “ werden. Seine Arbeit wird haupifächlich in einem soßalpolitischen und einem volkewirtschaft⸗ lichen Ausschuß, die je aus 24 Personen bestehen sollen, erledigt werden. Diese Aueschüsse erhalten weitgehende Befugnisse, ewwa wie der Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten. Das Handwerk, das etwa 1,4 Millionen selbständige quantité negligeable behandell werden. Der Reichsverband des deutschen Handwerks verlangt auch daß der mit ihm eng verbundene Verband deutscher kaufmännischer Genossenschaften in den Reichswirt⸗ schaftsrat kommt, der seit zwei Jahmehnten die deutsche Wirtschaft in großzücioster Weise vertritt. Gs solljen mindestens 30 Vextreter des Handwerks und ehn Vertreter des Einzelhandels in den Reichswirt⸗ schaffs it aufgenommen werden. 2 o. Dr. Faßbender (Gentr.) bält auch seinerseits eine Vertretung des Handwerkb im ee ür duich⸗
oten desgleichen eine solche auch für den Einzelhandel. Gogen Vortlaut des Antrags bezigkch der „entsprechenden Stellung⸗ nahme im Reichorate“ —hat er n Bedenken.
Die übrigen Redner, 3 Rasch (D. V.), Düker 88 Stephan (Sez.) tweten vorbehaltlos dem Antrage
mmar bei.
Abg. Menzel⸗Halle (U. Sof. will dem Handwerk auch eine angemessene Vertretung zugestehen, hält aber den vom Antragsteller gewiesenen Weg nicht für den richtigen. Die Lefemmen ezano des Reichewirtschaftsrats sei von vornherein zu bemängeln, schon des⸗
— —
laut wi
kraten, Abgg.) Generalstreik.
seitigen Unterstützun
Die Unternehmerverbände antworteten, sie seien bereit
Dienstmädchen, hat, weil der Zentralverband der Angestellten mit einem unheschreib⸗
in andere
ersonen umfaht, kann nicht mehr als
*) Mit Auewohme der Reden der Herwen Mielber, die im im
wegen, weil auch in ihm die Landwirtschaft dominieren werde.
Antrag Hammer macht dem Redner den Eindruck, als wenn da bloß der Mittelstandsrollwagen werden solle. trag sei an den “ für Hande
und Gewerbe zu verweisen. ein besseres Begräbnis. Die
Abg. Hammer: Das wäre blo
Landwirtschaft wird in Zukunft im Deutschen Reiche der erste Be⸗
rufsstand sein, und wenn die nicht unterstützt wird, werden Herr Menzel und seine Unabhängigen Freunde ebenso verhungern müssen, wie wir
alle. Die Mittelstandsfreundlichkeit der U. Soz. werden wir draußen
in das gebührende Licht setzen.
Der Antrag auf Ausschußberatung wird abgelehnt, der Antrag Hammer einstimmig angenommen.
Es folgt die förmliche Anfrage der Demo⸗ ansen u. Gen., über den Solinger
Im Anschluß an eine TLohnbewegung der Schlägereiarbeiter ist nach dem Wortlaut der Anfrage von einer wilden Streikleitung der Generalstreik im Solinger Bezirk erklärt worden. In Solingen, Wardd und Obligs seien von Gemeinde wegen zur Unterstützung der Ausständigen Volksküchen eingerichtet, die unter der Aufsicht der Streikleitungen stehen und für jede Mahlzeit allein 3,50 Mark Un⸗ kosten für Materialbeschaffung verursachen. Es wird gefragt, ob der Regierung bekannt ist, daß auf diese Weise öffentliche Mittel zur ein⸗ einer Streikpartei verwendet werden, daß die Arbeitgeber sich infolgedessen weigern, weiterhin Steuern zu zahlen, und was die Regierung zur Verhinderung solcher rechtswidrigen Ver⸗
wendung öffentlicher Mittel zu tun gedenkt.
Die Regierung hat sich zur Beantwortung bereit erklärt. Abg. Jansen (Dem.): Im Bergischen Lande stehen schon seit
Wochen alle Räder still, kein schlägt, keine Esse raucht.
In der Solinger Industrie hat sich eine geradezu skrupellose Verant⸗ wortungslosigkeit bei der Arbeiterschaft geltend gemacht, die sich ganz in der Gewalt oiner wilden Streikleitung befindet und sich des von dieser ausgeübten Terrors gar nicht zu erwehren vermag. — Redner geht näher auf die Vorgeschichte des Streiks eimn, erwähnt des im August 1919 abgeschlossenen Tarifvertroges und der seitdem im be⸗
setzten Gebiet eingetretenen kolossalen weiteren Teutrung und richtet
an das Finanzministerium die Zwischenfrage, warum angesichts dieser Tewerungsverhältnisse zwar Solingen, nicht aber Ohligs, Wald und Höhscheid in die Teuerungsklasse A versetzt worden sind. Die Ar⸗ beiterschaft habe im Januar einen Versuch zur Erneuerung des Kol⸗ lektivtrages gemacht, und die Unternehmerschaft sei damals auch zmu Verhandlungen bereit gewesen. Aber die wilden Bemfs⸗ und Be⸗ triehsräte bätten sofort eine Teuerungszulage von 50 % gefordert.
am Tage nach dem Ablauf des Vertrages, am 27. Februar, eine Neuregelung zu wreinbaren. Die wilde Streikleitung wartete aber diese Ver⸗ handlung ger nicht erst ab, sondern erklärte sofort den Generalstreik, und zwar auch für alle hauswirtschaftlichen Betriebe, so daß jedes jede Verwalterin streiken sollte und auch gestreikt
sichen Terror, auch mit Versammlungssprengungen und Mißhand⸗ lungen weiblicher Angestellter vorging. Auch der Uebergang der Leitung Hände zeikigte keine größere Verhandlungsbereitschaft auf seiten der Arbciter. der scharfmacherische Ton überwog auch noch jetzt. In den beteiligten Stadtverwaltungen sind zum Teil unabchängige und kommunistische Mohrbeiten. Haben wir doch die Schunde erhek daß der Sobnger Kreistag beschloffen hat, die Reichsregierung zu erluchen, die Auslieferung der 900 zu bewirken. (Pfu rufe rechts.) 8. Obligs und Wald haben die Streikenden es durchgesetzt, daß die Volksküchen eingerichtet und die Streikenden und ihre Angehörigen daraus gespeist werden. Es handelt sich hier um eine ganz gewoltige Belastung der Stedtsäckel. Gegen eine derartige Auflösung unserer ganzen Ver⸗ waltung muß die Regierung eingreifen. Die Arbeiterschaft fühlt sich dort unter der Herrschaft der Engländer gewissermaßen sicher. Wenn man sich derart vom Staate lossagt, so erkenme ich einen Unterschied zwischen dem, was diese Arbeiter iun und was Herr Dorten tut, nicht mehr. (Sehr richtig! rechts.) Die Regierung muß zegen, daß sie noch etwal zu sagen hat; sonst kommen wir aus diesem Elend über⸗ haupt nicht heraus. 1 3
Unterstoatssekretär Göhre: Der Regierung ist bekannt, daß Fffentliche Mittel für die erwähnten Volksküchen “ des Streiks zur Verfügumg gestellt worden sind und lediglich den Streikenden und ihren Angebhörigen zugute kommen. Es Niegt der Regierung fern, in Beschlüsse der Kommunen einzugreifen; hier aber handelt es sich um Beschlüsse politischer Natur zur Unterstützung der Arbeiterschaft in einer Streikaktion, die wesentlich politischer Natur ist und öffentliche Wohl geföhrdet. Die Regierung mißbilligt auch aufs schärfste diese Beschlüsse als einen Mißbrouch komnmunaler Mittel zu polit schen J. eJen und wird den Staatskommissar Severing beauf⸗ trogen, die erforderlichen Schritte zur Beseitigung der zu unternehmen und, wenn nökig, mit den verfücbaren Machtmitteln S Von einer Steuewenweigerung ist der Regierung nichts
annt.
Abg. Bellert (. ): Der Abg. Jansen ist ganz einseitig nur ven den Unternehmern imformiert. Die Begründung der Anfrage steht fast durchweg mit der Wahrheit gf Kriegsfuß. Ansang Janucr haben Betriobsräse und Gerverkschaften die unumgänglich nofwendigen Lohnerhöhengen beantragt. Die Arbeitgeber haben darauf nicht ein⸗
eine Antwort gegeben, und auch später eine Verscheppungstaktik Enolgt. Darauf traten die Schlägereierbeiter als die ersten in den Streik und verharrten in demselben, da die Unternehmer statt der ver⸗ langten 35 % nur ein ganz ungenügendes Brotgeld zugestanden. Am 4. sFebruar beschloß die rterzedmezchef weil die Schlägereiarbeiter die Arbeit nicht wieder aufnehmen wollten, die gesamte Avrbeiter⸗ schaft auszusperren und diese Maßregelung beantworteten die Be⸗ triebs⸗ und Berufsräte einstimmig, auch mit Zustimmung der christ⸗ lichen Orpanisation, mit der Aufforderung zum Generalstreik, in den am 9. Februar 40 000 Arbeiter eintraten. Von Versammlungs⸗ sprengungen u. dgl. ist mir nichts bekannt; Gas⸗, Wasser⸗ und Eeek⸗ trizitätsrverde sind nicht een worden. Von politischen Motipen kann bei diesem reinen Notwehrstreik nicht die Rede sein. Die Schützlinge der Demokraten haben die ungeheuerliche Lüge in die Welt binausposaunt, daß die Arbeiter Stundenlöhne von 8 bis 15 ℳ gefordert hötten. Tatsächlich gehen die Forderungen auf 3,85 bis 5,26 ℳ und damit keineswegs etwa zu weit, nachdem dort in wischen den Bauarbeitern Stundensäte von 4,45 bis 4,90 ℳ bewilligt und bekangtlich seitdem auch u. a. die Löhne der Reichswehrleute sehr erheblich beraufgesetzt worden sind. Der „Terror“ ist weit mehr auf seiten der Unbernehmer zu finden. An der Spitze der 15 „Be⸗ dingungen⸗ de sie neuerdings aufgestellt haben, steht die 48 Bhunderwesr, Aott der in Solingen seit langen Jahren bestehenden ½⸗Stundemvoche. Die Arbei tgeberverhände üben sogar i ihre eigenen Mitglieder den brutalsten Terror aus, denn diese etwa ihren Arheitern entgecenkommen wollen. Wenn 30. is 40 000 Aweiter auf die Straße gesetzt sind, ist eine Mahnahme wie die Wiedereröffnung der kommunalen Volksküchen einfach eine Selbswerstöndlichkeit, und die zuständigen Bürgermeister haben nur im kommunalen Interesse gehandelt, wenn sie sich auf die Seite der ungernden Ausgesperrten stellten. Dem Erscheinen des Herrn Seperin
hen wir mit großer Ruhe entgegen, bei uns hat, solange die englische Besatzung da ist, Herr Noske nichts zu fagen. (Große Bewegung und Zurufe bei den Sozialdemokraten und in ver Mitte.) Zu Ehren der Briten muß gesagat werden, daß sie die Arbeiterforderungen gerecht und unparteiisch würdigen bemüht sind. Geht die Unternehmerschaft zur Steuerverweigerung über, so wird sie nur einen neuen und noch er⸗ hitterteren Femf⸗ entfesseln. 3
Abg. Linz⸗Barmen (D. Nat.): In der Beurteilung und Ver⸗ nrteilung der Zustände in Solingen herrscht zweifellos bei der über⸗ wieogenden Mehrheit des Hauses volle Uebereinstimmung. Kollege Bellert hat den Mehrheitssozialisten vorgeworfen, daß sie nicht ge⸗ nügend auf die Seite der Streikenden sich gestellt haben. Wir stimmen der Staatsregierung zu, daß sie duxchgreifende Mittel zur Beseitiguna der vorhandenen Mißstände in Aussicht gestellt hat. Es handelt sich in
Ordnung sgeeen will.
würde.
Streik als einen wilden Strei
Es wird ferner eine 48 stündi
worden. gen sie ist zu schwach. Eime Verstärkung der Polizei ist an dem eng⸗
Der Solingen um einen wilden Streik großen Stils, der von politischen
Parteien organisiert worden ist und systematisch genährt wird. Fast die gesamte dortige Arbeiterschaft ist in diesen Streik hineingezogen worden.
Der eigentliche Lohnkampf tritt mehr und mehr zurück hinter die politischen Gesichtspunkte. Die Gewerkschaft und ihre Führer ver⸗ lieren die Herrschaft über die Massen, und politische Elemente, die
nicht einmal zu den Arbeitern gehören, reißen die Herrschaft an sich.
Ihnen ist die Arbeiterschaft Mittel zum Zweck; für sie ist die Not des Volkes nur ein Mittel zur Aufpeitschung der niedrigsten Leidenschaften Wir bedauern sehr die Verquickung wirtschaftlicher und politischer Ziele in der Arbeiterbewegung, weil sie die Verständigung zwischen den
verschjedenen Erwerbs⸗ und Wirtschaftsgruppen äußerst erschwert. Wir
sind überzeugte Anhänger des Tarifvertrages, weil er das beste Mittel zum sozialen Frieden ist. Wir meinen auch, daß die Arbeitgeber bei Abschluß von Tarifpexträgen der Arbeiterschaft soweit entgegenkommen sollen wie irgend möglich. Andererseits dürfen die Arbertgeber über eine gewisse Grenze hinaus nicht geben, wenn sie die Industrie aufrecht erhalten wollen, denn ihr Ruin wünde auch zum Ruin der Arbeiterschaft führen. Die einmal geschlossenen Verträge müssen aber auch treu ge⸗- halten werden. Es ist kein Zweifel, daß es sich um einen wilden Streik unter Kontraktbruch handelt, um einen politischen Streik. Die Lohn⸗
bewegung der soegnannten Schlägereiarbeiter griff auf die gesamte In⸗ dustrie über urd es kam zum Generalstreik. Da griffen die Engländer
ein und drohten mit der Verhängung des Belagerungszustandes. Es handelt sich um 50 000 Arbeiter. Es ist eine traurige Tatsache, daß
die Engländer, unsere Henker, für Ruhe und Ordnuna sorgen und in die inneren Verhältnisse Deutschlands eingreifen müssen.
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Da auch die Wächter der Fabriken streikten, wird natürlich riesig gestohlen. Die treibende Macht ist hier die unabhängige Sozialdemokratie, die in
erster Linie die Verantwortung trögt für die Fülle von Not und Elend, das über die rbeit Die Stadtverordnetemwersammlung von Solingen, Wald und Ohligs
Solinger Arbeiterschaft gekommen ist.
hat beschlossen, Mahlzeiten aus der Volksküche den Streikenden und
deren Familien zu verabreichen, von denen jede einzelne 3,50 ℳ
Unkosten verursacht. Prinzipiell steht die Tatsache fest, daß also hier die Streikenden aus öffentlichen Mitteln unterstützt werden. Die ruhige und besonnene, äntstliche und eingeschüchterte Solinger Bürgerschaft steht diesen Zuständen machtlos gegehüber. Wir unter⸗ stützen die Regierung, w 8 he Fe mit festem Entschluß Ruhe und SBeifall.
Abg. oldenhauer (D. V.): Abg. Bellert hat widerlegen wollen, es * hier um einen wilden Streik handelt. Die letzte Tariferhöhung fand am 23. Dezember statt; Anfang Januar wurden neue Forderungen gestellt. Die Fordernden, die Schlägereiarbeiter, sind die höchstberahlten Arbeiter, die täglich 40 ℳ verdienen, was einen Jahresverdienst von 12 000 ℳ ergibt, womit mancher Selb⸗ ständige, mancher mittlere und höhere Beamte sehr zufrieden sein Als den Schlägereiarbeitern ihre neuen Forderungen nicht bewilligt wurden, sind sie in den Ausstand getreten. Die Verhand⸗ lungsmöglichkeiten sind nicht ausgeschöpft worden, wie ein Zentral⸗ vorstandsmitglied des Deutschen Metallarbeitewerbandes ausdrücklich erklärt hat; er hat ferner erklärt, daß seitens des Deutschen Metall⸗ arbeiterverbandes keine Unterstützung geleistet werde, weil man diesen betrachte. Gegenüber dieser klaren Feststellung des Zentralvorstandesmitgliedes des Deutschen Metall⸗ arbeitewerbandes brauchen wir den ein elnen Argumenten des Abg. Bellert nicht nachzugehen. Es handelt sich tatsüchlich nur um einen wilden Streik, da die Verhandlungsmöglichkeiten nicht erschöpft worden sind. Die Arbeiter sagten: Wir wollen hier das durchsetzen, was wir im Reich nicht durchsetzen können, weil wir unter dem eng⸗ lischen Schutz eine größere Bewegungsfreihert haben, sofern wir uns
von äußeren Exzessen fernhalten. Als die Schläger in den wilden
Streik traten, haben die Arbeitgeber von ihrem vierzehntägigen Kün⸗ digungsrecht Gebrauch gemacht, nicht aber rücksichtslos die Leute auf die Straße geworfen. Darauf haben die Arbeiter mit dem General- streik geantwortet.
den 15 Punkten, die aufgestellt wurden, heißt es, daß die Arbeiter aufs neue in Sklaverei 8e werden sollten. s Arbeitszeit festgelegt, das ist doch keineswegs bedenklich in der jeßigen Zeit, wo die Bergarbeiter frei⸗ willig länger arbeiten. E ist nach jeder Richtung hin Terror geübt eider ist die Solinger Polizei ungenügend organisiert,
lischen Widerspruch gescheitert. Ich richte an die Staatsregi erung die Aufforderung, sich mit der Rheinlandkommission in Verbindung u setzen, daß unsere Polweimannschaften wieder verstärkt werden e Der Schutz der britischen Behörde ist doch ein sehr merk⸗ würdiger. Der Engländer greift nur ein, wenn lebenawichtige Be⸗ triebe gestört werden, weil dadurch seige eigene Lage gefährdet wird. Er beobachtet aber peinlichste Zurückhaltung, wenn solche Betriebe gestört werden, die nicht für die englische Besatzung unbedingt not wendig sind. Er gibt in allen Dingen möglichst den Forderungen der Arbeiter nach, damit er Ruhe hat. Wenn das die Industrie nicht aushält, so wird nicht er dadurch geschädigt; die Erschwerung der deutschen Industrie kann dem Engländer nur angenehm sein Es sicht unweiselhaft fest, daß aus öffentlichen Mitteln an die Streikenden Lebensmittsl gegeben worden sind. Die Kontrolle über die Personen, welche Mittagessen bekamen, übten die Streikenden selbst aus. Wo da die Prüfung der Bedürftigkeit bleibt, will ich nicht untersuchen. Wir echeben schärfsten Protest dagegen, daß die Streikenden aus öffentlichen Mitteln unterstützt worden sind in einem Streik, den die eigenen Vertreter der Geverkschaften als einen wilden bezeichnet haben. Wir bätten gewünscht, daf die Regierungs⸗ erklärung eiwas eher erfolgt wäre, und wir wünschen, daß hinter den schönen Worten auch die Tat steht, denn wir sind etwas skeptisch geworden gegenüber einer energischen Haltung der Staatsregierung. Die irregeleitete Solinger Arbeiterschaft muß den Gedanken der Ar⸗ beitsgemeinschaft annehmen, sie muß gemeinsam mit den Arbeitgebern die öö festseten, damnn aber auch an diesen Bedin⸗ ingen festhalten. Nur auf diese Weise werden wir zum sozialen rieden kommen. (Beifall.) “ Abg. Woldt (Soz.): Es handelt sich auch hier um einen Wirt⸗ schaftskampf, einen Gewerkschaftskampf, der seine besonderen Gesetze hat und aus Ursachen entstanden ist, die man von hier aus nicht sicher erkennen kann. Das Unternehmertum in Solingen ist be⸗ sonders zäh. Gerade die Unternehmer, die aus kleinen gewerblichen Verhältnissen stammen, sind bekanntlich in ihrer Stellung zum Allgemeinen häufig viel kleinlicher als die Großfabrikanten. Man muß auch hier Licht und Schatten äschckehgs verteilen. Mir scheint es, als oh wir in der Landesversammlung die wirtschaftlichen Fragen zu kurz kommen lassen. Das Problem der kleinen Lohnskala muß ausführlich behandelt werden. Die Vorarbeiten, die schon in einem Wanisterium vorgenommen sein sollen, müssen schleunigst zu Ende geführt werden. Ich kann mir keine andere Basis vorstellen, wie wir in Zukunft schlichtend und ordnend in die Arbeiterverhält⸗ nisss eingreifen können, um alle diese wilden Lohnbewegungen bei⸗ 2 gen. In den Arbeitzämtern müssen Leute sißen die rruhigend auf die Bevpölkerung wirken und die Arbeitsverhältnisse nach wirklich sozialen Gesichtspunkten regeln. Bevor wir nicht wirt⸗ chaftliche Fvagen sozial lösen, legen wir den politischen Unter⸗ trömungen und Oberströmungen nicht das Handwerk. Ich hoffe, die ruhige Besinnung unter den Solinger Arbeitern wieder Platz greifen wird. egen. Damit ist die Besprechung geschlossen. Es folgt die förmliche 2 88 age der Abgeordneten Dr. Laucher u. Gen. über die im Kreise Monschau und die Bahnlinie Aachen —
St. Vith.
Abg. (Zentr.): Mit den Kreisen Eupen und Malmedy ist ein erheblicher Teil der Bahnlinie Aachen —St. Vieth an Belgien gefallen. Jetzt beabsichtigt die belcische egierung auch die dem Kreise Monschau zugehörige Strecke dieser Saha eech in ihren Besitz zu bringen. Die in Paris t Grenzkommission hat sich für zuständig erklärt, gegen anderweitige Kompensationen auch Nv Grenzveränderungen vorzunehme Das widerspricht dem Frie svertrage. Wir würden damit nicht
de deutsch⸗belgische
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