1920 / 56 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 06 Mar 1920 18:00:01 GMT) scan diff

1 Erregung und Unruhe rechts. Zuruf des Abgeordneten D. Traub.) Herr Abgeordneter Traub, wenn Sie nur gehört hätten: ich habe

mehrfach erklärt, daß das ganze deutsche Volk es erzielt hat, daß die

Entente von ihrem Begehren zurückkam. Aber nicht nur Sie, sondern bis zur äußersten Linken hinaus!

Nun komme ich zu der Note vom 25. Januar. Es ist der Re⸗ gierung der Vorwurf gemacht worden daß sie, ohne die Nationalver⸗ sammlung m fragen, in ihrer Note vom 25. Januar zu weit gegangen sei, daß in dieser Note insbesondere eine zweite Instanz, die übrigens keine alliierte, sondern eine unparteiische sein sollte, angeboten sei. Ich möchte dazu das Folgende feststellen: In der Note der Regierung vom 25. Januar ist kein einziges Zugeständnis enthalten, das nicht im Auf⸗ trage der Regierung die Unterhändler in den Novembertagen in Paris bereits gemacht hatten, als sie die ersten Verhandlungen hierüber führten. (Hört! Hört! bei den Mehrheitsparteien.) Als das Gesetz vom 18. Dezember beraten wurde, ist darüber auch von der Regierung Mitteilung gemacht worden (Zustimmung links; Widerspruch rechts), so daß die Regierung in keiner Weise mehr getan hat, als sie den Par⸗ teien der Nationalversammlung mitgeteilt hat. (Zurufe rechts: Wem? Den Mehrheitsparteien!) Das ist nicht richtig. Als das Gesetz vom 18. Dezember beraten wurde, sind darüber Mitteilungen gemacht worden. (Erneute Zurufe rechts: Wem?) Dem Ausschuß, der das Gesetz beraten hat. (Zuruf rechts: Nicht der Nationalversammlungl) Ich war bisher nicht der Meinung, daß jede Auskunft, die über ein solches Gesetz gegeben wird, im Plenum der Nationalversammlung wiederholt werden muß.

Nun ist von dem Herrn Abgeordneten Dr. Kahl zuletzt auch die Frage der Gegenliste berührt worden. Ich möchte dazu zunächst materiell bemerken, daß ein großer Teil des Materials, das wir gegen die früher gegen uns kriegführenden Parteien vorzuführen haben, bereits in amtlichen Denkschriften vornliegt. Zum Beispiel über die Behandlung der Gefangenen in Frankreich ist eine Broschüre von der Regierung vor Jahr und Tag herausgegeben, die nicht weniger als 312 Seiten umfaßt. Ein weiterer Band dieser Serie schildert die Behandlung der Kriegsgefangenen in England, der 60 Seiten umfaßt, so daß das Material selbst zunächst vorliegt. (Zuruf rechts⸗ Teilweise!) Es ist eben das amtlich nachgeprüfte Material, und dadurch unterscheidet es sich wesentlich von anderem Material, das auch vorgebracht wird. Im übrigen kann man feststellen, daß heute es kommen ja insbesondere die neutralen Länder in Betracht die Ueberzeugung allgemein vorhanden ist, daß während dieses Krieges Schweinereien und Verbrechen in allen Ländern vorgekommen sind (sehr wahr! links), von allen Armeen und einzelnen Teilen derselben verübt worden sind. Die ganze neutrale Welt ist der Ueberzeugung, daß die früber so vielfach verbreitete Legende, daß der Krieg ein Stahl⸗ bad oder ein Jungbrunnen war, sich als absolut falsch erwiesen bat. (Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Aber wenn Sie wegen der Verbrechen, die von der anderen Seite begangen sind, auf die neu⸗ tralen Länder insbesondere einwirken wollen, so wird das viel weniger geschehen mit dem Material, was bei uns hier gesammelt worden ist diese Erfchrung ist gemacht worden —, als mit dem Material, das jetzt selbst in den anderen kriegführenden Ländern gesammelt wird. Ich erinnere insbesondere daran, daß sowohl in England wie in Frankreich solches Material von den französischen und englischen Soldaten beigebracht wird, und das wird wesentlich mit dam bei⸗ tragen, auch eine objektivere Darstellung der Verhältnisse zu ermög⸗ lichen. (Zuruf rechts: Und unsere Gegenliste!) Ich komme noch darauf zurück, warten Sie doch nur, Herr Kollege. Ich erinnere insbesondere daran, was Barbusse und andere in Frankreich hierzu bereits an Material beigebracht haben.

Ich will aber nicht unterlassen, bei dieser Gelegenheit noch auf einen Punkt einzugehen, der in der Debatte nicht berührt worden ist. Gerade weil zum Beispiel auch in Frankreich die Stimme der Ver⸗ nunft in steigendem Maße sich bemerkbar macht, wird es in Frank⸗ reich zur Abtötung dieser Stimmen der Vernunft so dargestellt, als ob die deutsche Regierung, wenn sie gesiegt hätte, ein ähnliches Aus⸗ Ueferungsbegehren in den Friedensvertrag hineingeschrieben hätte. Es wird drüben behauptet, daß auch Foch und Joffre und andere eventuell vor deutsche Gerichte gestellt worden wären. Ich halte mich für ver⸗

pflichtet, das zurückzuweisen, um so mehr, als von unserer Seite aus der Wahrheitsbeweis dafür zu erbringen ist, daß ein solches Ver⸗ langen von uns nicht gestellt worden wäre. Denn wir haben ja auch die schrecklichen Vewwüstungen in Ostpreußen erlebt, wir haben

hinterher die Frieden von Brest⸗Litowsk und Bukarest abgeschlossen. Es ist aber damals der deutschen Regierung nicht eingefallen, gegen

ingendeinen, der verantwortlich sein könnte für die Vergehen in Ost-

preußen das Verlangen zu stellen, daß er sich später vor einem deutschen Kriegsgericht zu verantworten hätte. (Hört, hört!)

mnachweisbar unwahr.

Und nun vor allen Dingen noch einige Bemerkungen in bezug auf die Gegenliste. Wir haben, wie ich ausführte, das Material seit langer Zeit gesammelt, und ich will wegen dieser Gegenliste einige Bemerkungen machen, weil ich weiß daß das Verlangen nach einer solchen Liste auch vie fach in den Kreisen erhoben wird, die glauben, daß aus verletztem Rechtsempfinden heraus Deutschland mit einer solchen Gegenliste kommen müßte. (Sehr richtig! rechts.) Was kann die Gegenliste, wenn sie im Augenblick herauskommen soll, für einen Zweck haben? Daß die Herausgabe der Gegenliste dazu führen würde, daß die alliijerten Regierungen ihre Kriegsverbrecher bestrafen, das nimmt wohl niemand an. Denn in den Verhandlungen, die im Mai vorigen Jahres in Versailles geführt worden sind, ist ja dieses Verlangen bereits gestellt worden, und die Gegner haben es abgelehnt, wie es doch überhaupt nicht der Ausfluß der Gerechtigkeit ist, daß die allijerten Regierungen die §§ 228 bis 230 in diesen Vertrag auf⸗ genommen haben. Sondern weiter nichts als der Siegerübermut ist es gewesen, der sie hierzu veranlaßt hat. (Sehr richtig!) Also praktisch würden wir damit zunächst nichts erreichen.

Dann kommt die Frage der Propaganda in Betracht. Es ist fest⸗ gestellt, daß zunächst die allijerten Regierungen mit ihren Listen in größerem Maße Propaganda in den neutralen Ländern nicht ge⸗ trieben haben, und ich glaube, daß wir unsererseits deswegen nicht die Offensive auf diesem Gebiet zu ergreifen haben, vor allen Dingen deswegen, weil es auch wenig nützen wünde. Denn in den neutralen Ländern ist man dieser Haßpropaganda von allen Seiten gründ⸗ lich satt.

Aber maßgebend dafür, daß die Regierung bisher die Gegenliste

gicht herausgegeben hat, sird politische Gesichtspunkte, die ich jetzt offen

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Wenn also solche Behauptungen in Frankreich aufgestellt werden, ist das

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1 1“ v““ hier nennen muß, nachdem Sie offen diese Frage an mich gerichtet haben. Die Koalition, die gegen uns diesen Krieg geführt hat, hält zusammen, und die Regierung hat die feste Ueberzeugung, daß in dem Augenblick, in dem jetzt die Gegenliste herauskommen würde, die Koalition, die gegen uns Krieg geführt hat, nur noch mehr zusammen⸗ geschweißt würde, als das an sich schon der Fall ist. Und aus diesem politischen Gesichtspunkte muß es die Regierung zurzeit ablehnen, die Gegenliste herauszugeben, und sie wird sich den Zeitpunkt vorbehalten, den sie für geeignet hält, von der Gegenliste Gebrauch zu machen. (Bravo! bei den Sozialdemokraten.)

Abg. Katzenstein (Soz.): Auch wir stimmen dem Gesetz nur mit tiefem Bedauern zu. Bei uns besteht keinerlei Neigung, uns vor Kriegsverbrecher zu stellen. Hätten die Herren rechts ie politische Verantwortung zu tragen, so würden sie den Gegnern noch stärkere Zugeständnisse haben machen müssen, als es unter der heutigen Regierung notwendig geworden ist. Die Regierung darf die Milderung des Friedensvertrages, die sie erreicht hat, mit einer ge⸗ wissen Genugtuung begrüßen. Die raffinierte Propaganda des Hasses wird langsam, aber allmählich doch einer gerechteren Erkenntnis weichen, und das wird um so rascher geschehen, je fester sich die Regierung entschlossen zeigt, wirklichen Verbrechen auch die gebührende Sühne angedeihen zu lassen.

Abg. Falk (Dem.): Bis z den Ausführungen des Abggeordneten Düringer hat sich die Debatte auf einer Höhe gehalten, auf die das deutsche Volk stolz sein konnte; bis dahin hat niemand zu einer partei⸗ politischen Aeußerung auch nur den Mund aufmmachen gewagt. Wir lehnen seinen Vorwurf ab, als leiteten uns andere als vaterländische Gesichtspunkte. Diese Zionswächter des nationalen Gedankens, die immer allein vaterlandsliebend zu sein behaupten, werden auf die Dauer dafür wenig Gläubige finden. Wäre Herr Düringer auch damit heraus⸗ gekommen, wenn er gewußt hätte, daß der Abgeordnete Kahl sich voll⸗ kommen auf unseren Standpunkt stellen würde? Auch mit der An⸗ nahme des Antrags Warmuth würde das Ansehen der Gerichte um nichts mehr geschützt, die Rechtshoheit des Reiches um nichts mehr gestärkt werden. Die Politik des Gesetzes vom 18. Dezember und der

der Finanzhoheit der Einzelstaaten haben. die gefahrolle Unifizierung nicht d gefordert werden, daß Verfassungsänderungen, wenn sie einmal nicht

eine gemäß der 1 1 Durch Annahme des vorliegenden Gesetzentwurfs wird das Reich

der Verfassung; dem Geist, weil er das e

Note vom 25. Januar hat uns von der namenlosen Schmach der

Auslieferung befreit. Und jetzt wollen Sie das Ergänzungsgesetz ab⸗ lehnen! s hätten Sie denn mit Ihrer Geste des Patriotismus erreicht? Wenn uns von deutschnationaler Serte Mangel an natio⸗ nalem Dank vorgeworfen wird, so läßt mich das kalt, seitdem diese Partei beim Friedensschluß die Weisung ausgegeben hat, der Vertrag müsse parteipolitisch ausgenutzt werden. n Abg. Dr. Kahl: Ich danke dem Außenminister för seine Er⸗ ärung. Mitglieder, die ich habe befragen können, etwas davon gehört, daß von einer Oberinstanz über dem Reichsgericht die Rede gewesen wäre. Ich würde mich auch sofort mit aller Energie dagegen gewendet haben. Möglich daß in anderen vertraulichen Verhandlungen davon gesprochen worden ist.

Reichsminister des Auswärtigen Müller: Ich kann dazu mur das folgende bemerken: Ich habe persönlich an den Ausschußberatungen damals wegen anderweitiger amtlicher Beschäftigung nicht teil⸗ genommen; mir ist aber mitgeteilt worden, daß seinerzeit im Ausschuß über die Verhandlungen, die im November in Paris stattgefunden haben, im ganzen berichtet warode und damit mußte ich annehmen, daß auch über die Schaffung einer gweiten Instanz gesprochen worden war. Der Gesetzentwurf wird darauf im einzelnen und schließlich in der Gesamtabstimmung gegen die Stimmen der Deutsch⸗ nationalen Volkspartei endgültig genhmigt.

Dnarauf setzt das Haus die zweite Lesung des Entwurfs eines Landessteuergestzes bei 81 fort.

Zu § 1: Die Länder und Gemeinden sind berechtigt, Steuern nach Landesrecht zu erheben, soweit nicht die Reichs⸗ verfassung und die gemäß der Reichsverfassung erlassenen reichs⸗ rechtlichen Vorschriften entgegenstehen führt

‚Leicht (baper. Zentr.) aus: Gegenüber dem Gesetz, wie es aus der Ausschußberatung herausgekommen ist, bestehen i uns schwerste Bedenken. Wir sehen in ihm die äußerste Bedrohung der politischen und wirtschaftlichen Selbständigkeit der Länder und r nohrendigen Bewegungsfreiheit der Gemeinden. Das Gesetz ist nichts, als eine alimentierende Bevormundung der Länder und Gemeinden durch das Reich. Sparsamkeit wird allenthalben jetzt gepredigt, Spar⸗ samkeit ist schon immer eine Tugend gewesen, aber Geld allein macht nicht glücklich, man muß es auch haben! Dieses Gesetz bedingt die Einstellung von nicht weniger als 1123 neuen Beamten, darunter 350 Gadzählern. Ich möchte wissen, wozu wir die überhaupt noch brauchen. Weil dieses Gesetz ein weiterer Schritt zum Einheits⸗ taat ist, lehnen wir es ab.

Abg. Dr. Becker⸗Hessen (D. VP.): Das Gesetz halten wir für das gefährlichste aller neuen Gesetze, sowohl in bezug auf seine Wir⸗ kung auf den Steuerzahler, wie auch auf seine Hirdung auf die Länder und Gemeinden. Wenn auch im Ausschuß mehrere Ver⸗ besserungen vorgenommen worden sind, so müssen wir doch unsere endgültige Stellungnahme noch vorbehalten. Die in der Verfassun festgelegte Abgrenzung wischen Reich und Einzelstaaten ol 8 durch Spezialgesetze verrückt werden. Diesee Gesetz bietet hierzu die schlimmste Handhahe. Den Ländern und Gemeinden bleibt so gut wie nichts zur Besteuerung übrig. Mit der finanziellen Selb⸗ ständigkeit wird auch die Verwaltungsselbständigkeit von Ländern und Gemeinden schwinden. Wer die Hand auf den Geldbeutel legt, beeinflußt auch die ganze andere Wirlschaft. Es wird allenthalben

In den Ausschußverhandlungen hat aber auch keines der

ein Stillstand eintreken, den wir aufs tiesste beklagen müssen. Gerade

die Gemeinden und Einzelländer haben uns zu einem blühenden Wirt⸗ schaftsleben verholfen. Der Ruf zur hat aber bisher wenig genützt. Wir konnten uns einen gewissen Lurus gestatten, jetzt naoch dem verlorenen Kriege geht dies nicht mehr.

rsamkeit ist nicht neu, er

Wir müssen mit sachlichen Ausgaben sparsam sein, Prunkbauten können

wir nicht mehr ausführen, vor allen Dingen müssen wir aber in per⸗ sönlichen Ausgaben größte Sparsamkeit üben. Berlin hat gestern beschlossen, seine Mehrmsgaben durch 40 Millionen neuer Steuern zu decken. Die Gemeinden werden allenthalben die Realsteuerquellen bis aufs äußerste auszunutzen. Greme gesteckt werden. Das Gesetz ist ein Sprung ins Dunkle, seine Wirkung läßt sich noch nicht übersehen. Wenn den Gemeinden hinsichtlich ihres Anteils an der Kögperschaftssteuer diejenigen Steuern nicht in Ansatz gebracht werden sollen, die nach 1920, welcher Termin jetzt bis zum 31. März hinausgeschoben werden soll, beschlossen worden sind, so bleibt ihnen nichts anderes übrig als ihren Bedarf aus neuen Realsteuern zu decken. Das geht nicht an. Man darf den Gemeinden die Kehle nicht so zuschnüren, daß sie verhungern müssen. Wir bedauern die Entwicklung, die unsere Steuergesetzgebung seit dem 1. August v. J. genommen hat, aufs tiefste und konnen der Vorlage nur zustimmen, wenn nicht durch weitere Anträge sein Inhalt noch verschlimmert wird.

Damit schließt die Aussprache. § 1 wird gegen die Stimmen der beiden Rechtsparteien und des bayerischen Zen⸗ trums angenommen. 1

§ 2 lautet in der Ausschußfassung: „Die Inanspruchnahme von Steuern für das Reich schließt die Erhebuna gleichartiger Steuern durch die Länder und Gemeinden (Gemeindeverbände) aus, wenn nicht reichsgesetzlich ein anderes vorgeschrieben ist. Die Erhebung von Zuschlägen zu Reichssteuern ist den Ländern und Gemeinden nur auf Grund reichsgesetzlicher Ermächtigung gestatte.“ Von den Unabhängigen Sozialdemokraten wird folgende Fassung des zweiten Satzes vorgeschlagen: „Die Ge⸗ meinden und Gemeindeverbände können zu ihrem Anteile am Ertrage der Reichzeinkommensteuer und Körderfchatzs sbae⸗ ge⸗

8 8 8— s 6

Dem muß noch in diesem Gesetz eine

dem 20. Februar V

Abg. Dr. Beyerle (Bayr. Vgg.): Die Reichsverfassung ist

schon in manchen Punkten abgeändert worden, besonders durch die Verabschiedung der Reichsabgabenordnung. Wir verschließen uns nicht gegen die finanzielle Bedrängnis, aber wir müssen immer wieder auf die schweren Bedenken hinweisen, die wir gegen die Erdrosselung uf diesem Gebiete ist gerechtfertigt. Mindestens muß zu umgehen sind, nicht vertuscht werden, sondern daß sie in der Ge⸗ ftenhae hingestellt werden. Die sachverständigen Ausführungen des

r. Düringer in seinem Artikel „Die Verfassungswidrigkeit

V der Reichsabgabenordnung“ in „Recht und Wirtschaft sind sehr be⸗

achtenswert; ich schließe mich ihnen voll inhaltlich an. Die Reichs⸗ abgabenordnung widerspricht besonders dem Artikel 84 der Reichs⸗ verfassung. ei Annahme des Gesetzes, besonders des § 2, wird

die Finanthoheit der Länder untergraben; § 2 nimmt ihnen das,

was § 1 ihnen gibt. Damit sinkt § 1 zu einer inhaltlosen De⸗ koration herab. 2 widerspricht der Reichsverfassung, er ist nicht 1 3 eichsverfassung erlassene reichsrechtliche Vorschrift.

eradezu zum Geschäftsführer der Länder und Gemeinden gemacht. Per 2 widerspricht sowohl dem Geist wie dem klaren Wortlaut zip der bundesstaatlichen Verfassung an seiner empfindlichsten Stelle tief verletzt. § 2 wider⸗ spricht auch dem klaren Wortlaut der Verfassung; er befindet sich um Widerspruch mit Artikel 8, 11 und 12. § 2 verkehrt die bis⸗ herige Rechtslage in das vollständige Gegenteil. Niemals wird das Recht des Reiches zur Steuergesetzgebung so weit ausgedehnt, daß die Landesgesetzgebung ausgeschlossen werden könnte. Falls § 2 an⸗

llte, können wir darin ein verfassungsmäßiges

genommen 5 t Zustandekommen des Gesbes nicht erblicken.

Unterstaatssekretär Moesle: Ich widerspreche entschieden der

Auffasfung, daß der § 2 mit der Reichsverfassung in Widerspruch stehe.

Das ist ebensowenig bei diesem Gesetz der Fall wie bei der Reichs⸗ abgabenordnung. Da Reichsrecht immer noch Landrecht bricht, so ist es guch selbstverständlich, daß Beschränkungen in der Erhebung von Zuschlägen zu den Reichssteuern den Ländern auferlegt werden können.

Abg. o hlmann (Dem.): Ich schließe mich dieser Auffassung an. Es entspricht auch dem Interesse dr eeegn⸗ der Reichseinheit, wenn bestimmte Normen gegeben werden, an die alle Länder 8 sind. Die Finanzhoheit der Länder und Gemeinden bleibt gleichwohl

kenügend gewahrt. Das Reich muß nur die Möglichkeit haben, die

renzen zu ziehen, über die das einzelne Land nicht hinausgehen darf. Dadurch, daß wir den Ländern die Verpflichtung auferlegen, einen Lastenausgleich herbeizuführen, sorgen wir auch für gesunde Verhält⸗ nisse in den Gemeinden. 8

Abg. Vogel (Soz.): Die timmung des 5.2 ist, die Finanzhoheit des Reiches zum Ausdruck zu bringen. Talsächlich sind dem Reiche beim Notopfer bis zu 63, bei der Eö1 bis

u 60, bei der Erbschafts⸗ und bei der Vermögenszuwachssteuer bis bis 95 ₰% der Erträge zugefallen. Diese Zahlen drücken noch weit mehr als der geschriebene Buchstabe den tatsächlichen Charakter der Reichsvwerfassung aus; die rauhen ß drängen eben immer mehr zum Unitarismus. Wir haben allen Respekt vor der Reichsverfassung und wünschen nur, Herr Dr. Heim läse einmal seinen Freunden ein verfassungsrechtliches Kolleg über das Verhältnis von Reich und Ländern und über die Betzasunaopeergte der Propaganda Füncga. reicher Führer der bayerischen Volksparlei, die Länder selbst über ihr rwhältnis zum Reich abstimmnen zu lassen. Dr. Beyeyle hat in seinem vommentar zur Reichsverfassung selbst anerkannt, daß dem Reich der Zuͤgriff auf die direkten Steuern bei seinen ungeheuren Kre egsschulden ve mehr vorenthalten werden könnte, dem Reich muß die Fipang hoheit überlassen werden; dagu treibt vor allem der Druck der dur den Friedensvertrag geschaffenen und der Kriegsnach⸗ wirkungen. Ehwa 75 % dar öffentlichen Gesamtausgaben entfallen auf das Reich, 15 auf die Gemeinden, nur 10 auf die Länder. Wie wollen diese bestehen, wenn nicht der Bestand des Reiches gesichert ist? Es ist sehr leicht, vom Standpunkt der Länder immer neue Anforde⸗ wungen an das Reich zu stellen, aber dem Reiche bei der Aufbringung der Mittel die größten Schwierigkeiten in den Weg en legen. Da werden allein 45 Milliarden für die Abtretung der Eisenbahnen ver⸗ langt! Solche engherzigen Anforderungen erczehen doch sehr merk⸗ würdig, wenn man die deleee. ; der Verkehrsverhältnesse erstrebt. Auf diese Weise muß der Gedanke der Reichseinheit von allem Anfang an diskreditiert werden. Als die Verfassung geschaffen wurde, hat niemand gedacht, daß jemals solche Anforderungen an das Reich gestellt werden würden. Der Vorstoß der bayerischen Volkspartei läuft, ge⸗ wollt oder ungewollt, darauf hinaus, Mißstimmu im bayerischen Volke gegen das Reich zu erzeugen und Bayern vom Reich zu trennen. Es ist 8 auch wohl dem Dr. Heim bebannt, daß die Reichsregierung solchen Aspirationen nicht Rechnung tragen darf. Meine bayer schen bpe c. ihm. haft zu leisten. (Widerspruch bei der Bayerischen Volkspartei. 1

Abg. Ir. Düringer (D. Nat.): Der Artikel 84, der bestimmt, daß die Verwaltung der direkten Steuern Sache der Länder ist, ist vom Verfassungsausschuß in vollem Bewußisein in die Verfassung hineingeschrieben worden. Artikel 84 ist auch nicht, wie der Unter⸗ staatssekretär meinte, absolet geworden, die Verfassung ist doch erst ein halbes Jahr alt. Wir halten nicht gerade den § 2, wohl aber die aame Steuergesetzgebung für unvereinbar mit der Verfassung; wir timmen für den § 2, während wir das ganze Gesetz ablehnen, da wir es für höchst bedenklich halten, daß den visen Steuergesetzen, die die Steuerkraft bereits aufs äußerste anspannen, auch noch dieses hinzu⸗

fügt wird. 8 g. Dr. Schneider⸗Franken (bayer. Zentr.): Wenn Unter⸗ staatssekretär Moesle auch immer beteuert, daß seine Auffassung allein richtig ist, so befindet er sich doch im Irrtum. Es handelt sich hier doch um eine Verfassungsanderung. Die Sr ch der Landesgesetz⸗ gebung daerf nicht ausgeschaltet werden. Selbstverständlich kann das Reich sämtliche Steuerquellen für sich in Anspruch nehmen, aber nicht chließlich für sich. Das Reich hat nur das Kontrollrecht über die bances etzgebung. Das Richteramt darüber, ob eine Steuerquelle aus ecce ist, darf dem Reich nicht zustehen. Wir sind hier wie die Kinder (Große Heiterkeit und Sehr nchtig9, wir haben nicht berück⸗ sichtigt bei der Geldentwertung die Laͤnder und Gemeinden bei ihren Anteilen noch schlechter wegkommen. Herr von Haller hat von einem finanziellen Trauerspiel gesprochen, das sich jetzt abspielt, ein Trauerspiel mit unitarischer Tendenz. Die Nationalversammlung sollte nicht so unverständig sein und die Länder und Gemeinden finanziell vernachlässgen. Einstimmig hat der bayerische Landtag Protest gegen dieses Verfahren eingelegt. Die Erhebung und Veranlagung zur Steuer ist nur eine staatsrechtliche Form. 8 . g. Dr. Zöphel (Dem.): Wozu der Lärm, wenn es nur eine ormsache ist, wer die Steuern erhebt? Einerseits verweigern die rren vom bayerischen Zentrum dem Reich die Einnahmeguellen, auf der anderen Seite lassen sie sich für ihre Eisenbahnen goldene Berge versprechen. 1

Abg. Burlage (Sentr.): Artikel 12 der Verfassung sagt aus⸗ drücklich solange und soweit das Reich von seinem Gesetzgebungsrechte keinen Gebrauch macht, behalten die Länder dieses Recht. Also gilt auch das Umgekehrte.

Abg. Braun⸗Franken (Soß.): Wir sind stets für die Einheit des Reiches eingetreten, in den letzten Wochen haben sich die bayerischen Bezirkstage in diesem Sinne ausgesprochen. Wir sind gerne bereit, mit Herrn Dr. Heim und seinen Freunden bei den Wahlen in den Kampf zu treten.

Damit schließt die Besprechung des § 2. Der Antrag der unabhängigen Sozialdemokraten wird zurückgezogen. namentlicher Abstimmung gelangt § 2 mit 219 33 Stimmen bei einer Stimmenthaltung zur Annahme.

Nachdem noch §§ 3—5 in der Ausschusfashung ohne Erörterung angenommen sind, wird nach 6 Uhr die Fortsetzung der Beratung auf Sonnabend 1 Uhe vertagt.

aus

gegen

zum

Deutschen Reichs

3 weite Beil age

anzeiger und Preußischen

Berlin

Staatsanzeiger.

1920.

Sonnabend, den 6. März

Richtamtliches.

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Verkehrswesen.

8 Der Reichspostminister Giesberts wird am 10. d. M., Abends 8 Uhr, im Festlage der Handelskammer in Berlin für deren Mitglieder und ihre Fachausschüsse einen Vortrag über den .““ des Post⸗ und Telegraphenwesens alten.

Briefbeförderung nach Südamerika. Der nächste Postabgang nach Brasilien, den La Platastaaten und Chile findet mit dem italienischen Dampfer

statt. Postschluß tritt in Frankfurt (Main) am 7. März ein.

„Auf Anordnung der Interalliierten Kommission für das Ab⸗ stimmungsgebiet Oberschlesien dürfen im Abstimmungs⸗ Pbtet chiffrierte Telegramme ausgenommen die der

ommission und der Besatzungstruppen nicht mehr angenommen werden. In verabredeter Sprache sind nur Handelstelegramme zu⸗ gelassen unter ennh n der gebräuchlichsten Telegraphenschlüssel. Die Vorlegung der Schlüssel kann vom Ueberwachungsbeamten der Kommission verlangt werden. Alle im Abstimmungsgebiet eingehenden Telegramme werden, soweit sie nicht aus dem Abstimmungsgebiet selbst 8 abschriftlich dem Ueberwachungsbeamten der Kommission

rgelegt.

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Land⸗ und Forstwirtschaft.

5

Bildung einer Reichsarbeitsgemeinschaft land⸗

und forstwirtschaftlicher Arbeitgeber⸗und Arbeitnehmervereinigungen.

Unter Beteiligung des Reichsverbandes derdeutschen land⸗ und forst⸗

wirtschaftlichen Arbeitgebervereinigungen, des Deutschen Landarbeiter⸗

verbandes, des Zentralverbandes der Forst⸗, Land⸗ und Weinbergsarbeiter Deutschlands, des Reichsverbandes land⸗ und forstwirischaftlicher Fach⸗ und Körperschaftsbeamten und des Verbandes land⸗ und forstwirt⸗ chaftlicher Angesellter wurde im Reichswirtschaftsministerium eine teichsarbeitsgemeinschaft land⸗ und forstwirtschaftlicher Arpeitgeber⸗ und Arbeitnehmervereinigungen, Berlin, gegründet. Ein von den Vertretern der einzelnen Verbände vorberatener Satzungsentwurf fand bis auf einige Aenderungen allseitige Zustimmung. Die in der Reichs⸗ arbeitsgemeinschaft zusammengeschlossenen Vereinigungen erblicken in der Erhaltung und Sicherung des wirtschaftlichen Einvernehmens, insbesondere durch Vorbereitung, Abschluß und Durchführung von Tarifverträgen zwischen den Arbeitgebern und Arbeitnehmern ihr vornehmues Ziel. Sie übernehmen für sich selbst und die ihnen angeschlossenen Uülter⸗ organisationen die Verpflichtung, darauf hinzuwirken, daß vor endgültiger Entscheidung etwaiger Streitfälle durch die Schlichtungsinstanz weder die Arbeiter die Arbeit einstellen noch die Arbeitgeber zu einer Aussperrung schreiten. Die Reichsarbeitsgemeinschaft hat keine geschlossene Mitolieder⸗ zahl, sondern ist zur Aufnahme weiterer Vereinigungen als Mitglieder bereit, sofern sie 1) die Satzungen der Arbeitsgemeinschaft und das hierzu getroffene Abkommen anerkennen, 2) ihr Wirkungsgebiet auf das ganze Reich erstrecken, 3) mindestens 10 000 Einzel⸗ mitglieder haben. Arbeitnehmervercinigungen, die die Aufnahme nach⸗ suchen, müssen außerdem die gewerkschaftlichen Grundsätze anerlennen, die von allen der Zentralarbeitsgemeinschaft angeschlossenen Arbeiter⸗ und Angestelltenorganisationen innezuhalten sind. („Mittetlungen aus dem Reichswirtschaftsministerium.“)

Theater und Must oo Konzerte. C Man kann den Konzertbericht der verf ossenen Woche nicht wür⸗ diger einleiten als mit einem Hinweis auf die 25 jährige Tätig⸗ keit Arthur Nikischs als Dirigentder Philharmoni⸗ schen Konzerte. In ihm ist Hans von Bülow, der diesen Kon⸗ zerten ihre erste Stellung im musikalischen Leben Deutschlands ver⸗ schaffte, ein Nachfolger erwachsen, der die Philharmonischen Konzerte nicht nur auf der erreichten Stufe erhielt, sondern sie zu noch größerer Höhe führte. Mit Recht erblickt man heute in Arthur Nikisch den bedeutendsten Orchesterdirigenten der Gegenwart. Den Grückwünschen, die ihm jetzt von allen Seiten dargebracht, und den Ehrungen, die ihm gelegentlich des letzten Philharmonischen Konzerts am Montag bereitet wurden, kann man sich nur von ganzem Herzen anschließen und der Hoffnung Ausdruck geben, daß es ihm vergönnt sein möge, sein verdienst⸗ volles nünstlerisches Wirken als Leiter der Berliner Philharmonischen wie der Leipziger Gewandhaus⸗Konzerte noch lange fortzusetzen. Im VII. Symphoniekonzert der Kapelle der Staats⸗ oper dirigierte nach längerer S

1I“

igerer Pause wieder Richard Strauß, vom Publikum freudig begrüßt, die C⸗moll⸗Symphonie Beethovens und seine eigene „Sinfonig domestica“ Beide schon oft von ihm aus⸗ gedeuteten Werke erfuhren unter seiner Leitung eine Wiedergabe, wie sie nur mit einem so vollkommenen Klangkörper, wie die Staatskapelle einer ist, erzielt werden kann. Auch bei Richard Strauß darf man den Wunsch aussprechen, daß er als Leiter dieser Symphoniekonzerte Berlin weiterhin erhalten bleiben möchte. Otto Taubmanns „Deutsche Messe“, bereits vor 9 Jahren durch den Philharmonischen Chor erstmalig aufgeführt, erlebte unter der Stabführung Professor Dr. 1ö. Schumanns durch den Chor der Singakademie unter Hinzuziehung nam⸗ hafter Solisten und des Philharmonischen Orchesters jüngst ihre Wiedergeburt. Und das mit Recht. Das gewaltige Werk, eine der wertvollsten neuzeitlichen Tonschöpfungen, birgt eine Fülle von Glanz und Schönheit, die noch mehr zutage treten würden, wenn sich ihr Schöpfer an einigen Stellen zu Kürzungen verstände. Die „Deutsche Messe“ zeigt Taubmann als den Meister der Form, besonders da, wo er, aller schulmeisterlichen Architektonik abhold, rein Melorisches gibt, wie in dem wunderschönen „Gloria“, dem „Sanclus“ und „Osanna“, im „Benedictus“ und „Dona nobis pacem“, die zu dem Erhabensten geistlicher Musik gehören, das nach Beethoven geschaffen wurde. Schwerfällig und als Fremdkörper wirken dagegen die einge⸗ streuten Choralsätze aus Kindermund, die leider auch oft unsauber und unrhythmisch gesungen wurden. Großartig und majestätisch erklang die Schlußsuge. Die Aufführung unter Georg Schumanns Leitung Fh als wohlgelungen bezeichnet werden, wenn auch inbezug auf das usammenwirken des Kinderchors mit dem Haupt⸗ chor und das Geschlossensein des Soloquartetts noch mancherlei Wünsche unerfüllt blieben. An dem Gelingen hatten, außer dem trefflichen Chor und dem Orchester, Frau Käte Neugebauer⸗Ravoth sstimnlich außergewöhnlich gut aufgelegt), Paula Werner⸗Jansen, Waldemar Henke und eine neuere Kraft, Dr. Leonhardt von Herget (Baß) beson⸗ deren Anteil. An der Orgel zeigte der Musikdirektor Senftleben seine feine Begleitkunst. Ein weiteres Chorkonzert fand im Konzert⸗ Saal der Hochschule für Musik statt und bot ausschlieslich bebräische Gesänge, die unter der Leitung des auf diesem Gebiete unermüdlich schürfenden Kapellmeisters Albert Kellermann von seinem „Verein zur Pflege hebräischer Gesänge“ mit gutem Erfolge aufgeführt wurden. Eine Fülle des Schönen liegt in dieser alten

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„Garibaldi“, ab Genua am 10. März,

Musik, die durch Neuschöpfungen Kellermanns mancherlei Abwechs⸗ lung und Bercicherung erfahren hat. Aus dem Dargebotenen verdienen das „Ono adonoj hoschionoh“ für Chor (für Simchaß⸗Torah) und „Tikanto schaboß’ für Chor, Sopran und Bariton⸗Solo, die ihren Schöpfer als kundigen Tonmaler und Könner zeigen, hervor⸗ ehoben zu werden. Im Verlaufe des Abends wurden noch Werke für

rgel von Arno Nadel, Solo⸗ und Chorgesänge von Sulzer und M. Domergue geboten, zu deren Gelingen noch Frieda Wolf vom Deutschen Opernhaus, der Kammersänger Desider Zador und Professor Walter Fischer ihre Kräfte liehen. Der gut diszipli⸗ nierte Chor folgt mit reger Aufmerksamkeit den Winken seines Dirigen⸗ ten und geht auf seine Absichten ein, auch ist der Klang rein, so daß der Gesamteindruck als vorzüglich bezeichnet werden kann. Das II. Winterkonzert des Berliner Lehrer⸗Gesangvereins in der Philharmonie fand ohne Solisten statt und zeigte diesen berühmten Chor wieder in gänzender Verfassung. Professor Hugo Rüdel zeigte im ersten Teil des Programms, was er und seine erlesene Sängerschar in klassischen Werken von Mozart, Schubert, Weber und Schumann zu leisten vermögen, der zweite Teil enthielt neuzeitkliche Chöre von Curti, Othegrabven und Rudolf Buck, deren gewaltige Schwierigkeiten von dem Meisterchor unter Prof. Rüdels überlegener Leitung mühelos überwunden wurden. Da Kritisieren in diesem Falle nur Anerkennen und Bewundern bedeutet, braucht nur noch erwähnt zu werden, daß sieben Kammermusiker von der Staatsoper in zwei Chören von Schubert und Weber die Begleitung von Waldhörnern und Posaunen ausführten und daß der ausverkaufte Saal den Ausführenden be⸗ geisterten Beifall spendete. Die Neue Musikgesellschaft brachte in ihrem 5. Orchesterkonzert in der Siingakademie unter Hermann Scherchens ein sehr reichhaltiges Programm. An erster Stelle stand ein äußerst selten gespieltes Werk von Liszt: „Von der Wiege bis zum Grabe“; es fällt besonders durch seine vornehme Instrumentierung angenehm auf. Ihm folgten einige neue Klavierstücke von Bela Bartok, der sich vergebens Mühe gab, durch sein vortreffliches Spiel die leider sehr großen Schwächen seiner Kompositionen, die eigentlich nur ein Nebeneinanderstellen von Akkor⸗ den darstellen, zu verdecken. Zwei Werke von Busoni waren den Zu⸗ hörern schon verständlicher. Wenn sie auch im Inhalt etwas dürftig sind, so bieten sie in der Instrumentierung doch viel Interessantes. rr Conrad, der Solokrarinettist der Philharmoniker, Uües Busonis schwieriges Konzertino für Klarinette mit großer Technik und schönem Ton. Im Gegensatz zu Busoni bewegt sich Heinz Tiessen in ge⸗ mäßigten Bahnen; „Ophelias Tod (aus der Musik zu „Hamlet“) ist ein sehr stimmungsvolles Werk. Den Schluß des Konzerts bildete eine Kammersymphonie von Schreker, die schon einmal an dieser Stelle gewürdigt worden ist. Hermann Scherchen brachte mit dem Philharmonischen Orchester sämtliche Werke gut zur Geltung. Ir der Singakademie ließ

sich der geschätzte Pianist Julius Dahlke mit starker Wirkung hören. Seine musikalischen Fähigkeiten, die glänzende Technik und sein feinsinniger Anschlag sichern ihm stets die Anerkennung der Kenner und des großen Publikums, so daß er wieder einen bedeutenden Erfolg davontrug. Auf seinem Programm standen neben Beethoven, Schumann und Liszt neue Werke von Arnold Ebel und Alfred Bortz.

Vpon dem ersteren empfehlen sich Novellette und ein für seinen harm⸗

losen Titel zu groß angelegtes Scherzino als gedicgene Arbeiten mit ansprechendem Inhalt und feinem Klaviersatz. Von Bortz wurden „Der Hirt auf dem Berge“, „Das alte Lied“ und „Bei den Kobolden“ gespielt. Alle drei sind feinsinnige, lyrische Poesien und enthalten sehr reizvolle Musik; besonders das dritte Stück gefiel ungemein. Therese und Willy Bardas widmeten im Bechsteinsaal inen Abend dem Andenken Robert und Klara Schumanns durch Auf⸗ führung der Werke, in denen die unvergeßliche Künstlerliebe dieser beiden ihren reinsten und ergreifendsten Ausdruck findet, der fis-moll⸗Sonate und dem Liederzyklus „Dichterliebe“. Man muß an⸗ erkennen, daß es ihnen gelang, die Hörer mit dem Zauber jener innigen Gefühlswelt zu erfüllen. Willy Bardas besitzt einen weichen Anschlag und feines Verständnis für die Schumannsche Dieses zeigte sich auch in der Begleitung der Lieder, die Therese Bardas mit warmer Empfindung vortrug. Ueber einen Klavierabend, den Fritz Vogel im Meistersaal gab, ist nicht viel Bemerkenswertes her⸗ vorzuheben. Der Künstler verfügt über eine saubere Technik, nur klingt der Ton etwas nüchtern und stumpf; es fehlt ihm an Leben. Ernstine Färber⸗Strasser, die Altistin des National⸗ theaters in München, ließ sich hier zum ersten Mal im Blüthner⸗ Saal hören. Die Künstlerin verfügt über eine schöne Stimme und versteht ihren Vorträgen dramatische Kraft zu geben, aber trotz aller Vorzüge hinterließ sie keine zwingenden Eindrücke. Außerdem schien sie mit einer Indisposition zu kämpfen, wodurch wohl auch eine Pro⸗ rammänderung zu erklären war. Im vollbesetzten Beethoven⸗ sagl veranstaltete Cornelis Bronsgeest, der beliebte Bari⸗ tonist unserer Staatsoper, nach längerer Pause einen Lieder⸗ und Balladenabend, den einzigen dieses Winters. Die Vortragsfolge kündigte Schumanns Eichendorff⸗Lieder (op. 39), Vierzeiler des Omar Khajjam von „Liebe und Wein“ von Hans Hermann, sowie Fen Archibald Douglas⸗ von Löwe an. Für Schumanns Eichendorff⸗ ist das Organ des Sängers zu wenig schmiegsam, fehlt ihm die G Beichheit. „Anders wirkt bei ihm das Balladeske. Hier ist Br onsgrest in seinem Element und weiß schon durch seine große Ge⸗ Feltengskrgft lebhaft zu fesseln. Er erntete großen Beifall. Meta Steinbrück stellte sich im Klindworth⸗Schar⸗ wenkg⸗Saal als eine recht beachtenswerte Sängerin dar. Sie beherrscht ihren schönen, dunkel klingenden Sopran gut, nur muß sie sich die üble Angewohnheit, allen Konsonanten noch einen merk⸗ würdigen Anlaut vorzusetzen, abgewöhnen. Einige hübsche Lieder von Richard Trunk. fürbte sie noch zu opernhaft. Friedrich Lornow zeigte sich in einigen Cellostücken als ein gediegener Musiker; leider fehlte es ihm manchmal an der Sauberkeit in der Technik. H. H. von Twardowski sprach außerdem ein Gedicht von Rainer Maria Rilke, das sich aber für den öffentlichen Vortrag weniger eignete. Bei der Sängerin Hedi Giese machte die gesangliche und musikalische Gestaltung ihrer Liedervorträge im ganzen einen noch unfertigen Eindruck. Ihr Konzert⸗ partner, Franz Reisinger vom Deautschen Opernhaus, mit dem 1 im Schiller⸗Saal konzertierte, ist ihr bedeutend überlegen. Besonders gut lagen ihm naturgemäß Arien und Lieder dramatischen Inhalts. Eine angenehme, be⸗ sonders im Piano hübsche Stimme hat Vera Danziger, die, von Ru dolf Krasselt begleitet, im Klindworth⸗Schar⸗ wenkg⸗Saal sang. Ihrem Vortrag hätte man freilich mehr Vergeistigung gewünscht, aber alles in allem bot sie immerhin eine gute Durchschnittsleistung. Ein buntes, abweslungsreiches Pro⸗ gramm bot das beliebte Tänzerpaar Lo Hesse und Joachim von Seewitz im Blüthner⸗Sagl. Das starke Tanztemperament, die technische Vollendung in ihren Leistungen ebenso wie die kostbar⸗phan⸗ tastischen Kostüme der Künstler taten das ihre, um das Publikum stark zu fesseln. Anziehend wirkte besonders die Tanzdichtung „Helio⸗ gabal“ mit Orgelbegleitung; sie spielt sich im Tempel des Sonnen⸗ gottes ob und wird in ganz eigenartiger Weise von Joachim von See⸗ witz tänzerisch dargestellt. Anheimelnd und reizvoll in seiner ganzen Anlage, der das Gepräge des Vornehmen, Traulichen gegeben war, verlief ein Kunstabend von Clara Luise Düberg (VPortrag) und Elisabeth Hapke⸗Kemmer (Klavier) im Meister⸗Saal. Alles war auf Süimmuna berechnet: auf dem Podium stand ein

Lehnstuhl für die Vortragende, ein Ziertischchen mit grünseidener Standlampe daneben, silhouettenhaft hoben sich ferner die Umrisse des Flügels und der Pianistin vom Hintergrunde ab. Weich und duftig ließ diese zunächst die G-moll⸗Sonate von Schumann durch den Raum klingen, mit deren letzten Tönen sich dann die ersten zarten Worte der Vortragenden paarten, die mit warmem, wohltuendem Organ J. P. Jacobsens Novelle „Frau Fönß“ den Zuhörern zum Erlebnis werden ließ. Brahms’ „Intermezzo“ in E-moll schloß den durch die Güte seiner Kunstdarbietungen, nicht nur durch die äußer⸗ liche Gestaltung eindrucksvollen Abend ab. Mannigfaltiges.

In der Deutschen Kolonialgesellschaft, Abteilung Berlin⸗Charlottenburg, spricht am Freitag, den 12. März, Abends 8 Uhr, im großen Festsaal der Gesellschaft der Freunde, Potsdamer Straße 9, Herr C. Fink, früher Schanghai, Chefredakteur des „Ost⸗ asiatischen Lloyd“, der „Deutschen Zeitung“ in Chiaa und anderer Zeitungen und Zeitschriften Ostasiens, über „Ostasien und Deutsch land“. Gäste sind willkommen.

Prag, 5. März. (W. T. B.) Eine Abordnung des Partei⸗ vorstandes undder Gesellschaftderösterreichischen Sozialdemokraten sprach gestern beim Ernährungs⸗ minister vor, um die bedrohliche Ernährungslage in den deutschen Bezirken darzulegen, wo die Arbeiterschaft vor der Gefahr der Hungersnot stehe. Der Minister versprach, das Möglichste zu tun, aber die Regierung werde trotz aller Vorkehrungen 68 nicht in der Lage sein, die volle Ration zur Verteilung zu

ringen.

Prag, 6. März. (W. T. B.) Aus den nachträglichen Be⸗ richten der Blätter ist zu ersehen, daß die Plünderungen in Olmütz viel größer waren, als nach den vorgestrigen Meldungen an⸗ zunehmen war. Wie „Narodni Politika“ berichtet, versagte die aus⸗ gerückte militärische Hilfe, da die Soldaten Gewehr bei Fuß standen und die Bajon trte von ihren Gewehren nahmen, was die Plünderer nur noch ermutigte.

Kopenhagen, 6. März. (W. T. B.) Der Hamburger Dampfer „F. Malcolm“ ist gestein bei Skagen ge⸗ strandet. Er kam aus Norwegen. Die Mannschaft hat bis jetzt den Damp'er nicht verlassen; sie hofft, bei Eintreten der Flut den Dampfer wieder flott zu bekommen.

Handel und Gewerbe. Heute findet kein Börsenverkehr statt.

Nach der Wochenübersicht der Reichsbank vom 28. bruar 1820 betrugen [+ und im Vergleich zur Vorwoche):

Akttve. 1920 1919 1818 ug8 8 Meraslbestand). . 1 ((+ 1 960 000) (— 1745 000) 1+ 246 000) barunter Gold 1 091 341 000 2 245 715 000 2 407 842 000 1 Ct

8 348 000) (— 1 657 600) (+ 51 000)

kassenscheine 12 829 318 000 5 932 354 000 1 323 063 000 (+ 53 342 000) (+³ 146 102 000) (+ 58 783 000)

Noten and. Banken - 3 8 1 88 4 119 000 2 064 000 828 000) ⁷⁸ 697 000) (— 4 554 000 Wechsel, Schecks u. V V

diskontierte Reichs⸗ schatzanweisungen. 38 934 844 000 27 349 116 000 13 048 493 000 (+ 1022406000) (+ 2428713000) (+ 692 598 000) 6

1 116356 000 2 286 494 000 2523 629 000 1

Reichs⸗ u. Darlehns⸗

Lombardforderungen 19 614 000 9 629 000 8 632 000 2 (+ 8802 000) (+ 404 000) (+ 2 629 000) Effekten.. 240 816 000] ꝙ141 343 000)⁄9⁰% 7 956 000 (— 11 122 000), (— 29 000) (— 3 981 000) sonstige Aktiven. 3 375 076 000 2 373 553 000] 1 846 618 000 (+ 565 295 000) (— 75 382 000) s— 27 760 000) Passiva.

Grundkapital..

180 000 000 180 000 000 180 000 000 (unverändert) (unverändert) (unverändert) Reservefonds. 99 496 000 94 828 000 90 137 000

(unverändert) (unverändert) (unverändert) umlaufende Noten 41 033 767 000 24 102 823 000 11310 828 000 1 z(9 1513570000) (*† 355 721 000) (+ 188 357 000) sonstige tägl. fälllge

Ferbindlichkeiten :12842 283 990 41 889 886 99 6 490 131 000 8 (As 2)( 1936808000) (+ 420 813 000) sonsttge Passtva. 3 564 085 000] 1 868 321 0000 769 359 000

274023 000) ( 204 837 000) 108 801 000)

*) Bestand an kursfähigem dentschen Gelde und an Gold in E usländischen Münzen, das Kilogramm sein zu 2784 derechnet.

—— Seit dem 1. März hat sich laut Meldung des „W. T. B.“ die Wagengestellung im Ruhrrevier ganz erheblich ge⸗ bessert. Während in der letzten Woche des Februar werktäglich 16 700 Wagen gestellt wurden bei einer Fehlmenge von 6580 Wagen, ist die Gestellziffer vom 1. bis 4. März von 17 200 auf 22 600 Wagen gestiegen, während die Fehlziffer gleichzeitig von 6100 auf 950 ge⸗ jallen ist. Ein weiteres Telegramm des „W. T. B.“ besagt: Im Ruhrbezirk sind für Kohle und Koks am 3. März 21 570 und am 4. März 22 688 Wagen gestellt worden.

Die Bank für Handel und Industrie, Berliner Handels⸗Gesell⸗ schaft, Commerz⸗ und Disconto⸗Bank, Deutsche Bank, Direction der Disconto⸗Gesellschaft, Dresdner Bank, Mitteldeutsche Creditbank geben laut Meldung des „W. T. B.“ durch eine Anzeige bekannt, daß sie sich infolge der ungeheuer gewachsenen Arbeitsanhäufung und der Notwendigkeit, aus Gründen der Verkehrssicherbeit und im wohl⸗ verstandenen Interesse ihrer Kundschaft die Rückstände aufzuarbeiten, gezwungen sehen, neue Börsenaufträge für die Börsen am 10., 12., 15. und 17. März 1920 abzulehnen. Um die Aus⸗ führung laufender Limite und der bis zum 8. März 1920, 2 Uhr Mittags, bei ihnen eingegangenen, bis auf Widerruf gültigen Orders werden sie sich jedoch auch in der Zwischenzeit bemühen. Ebenso werden sie in der Zwischenzeit Auf⸗ träge zum An⸗ und Verkauf von Bezugsrechten ausführen und Annullicrungen (dagegen nicht Abänderungen) von Effektenaufträgen entgegennehmen. Aufträge, welche ihnen nach dem 8. März 1920, Mittags 2 Uhr, bis zum Mittwoch, den 17. März 1920, etwa zu⸗ gehen sollten, werden sie dagegen nicht ausführen und nicht vor⸗ merken. Aufträge, welche von Donnerstag, den 18. März 1920, ab hier eintreffen, werden sie wieder wie üblich vormerken. Effekten⸗ einlieferungen werden sie in der Zeit vom 8. bis 17. März 1920 nicht entgegennehmen. Unberührt von vorstehenden Einschränkungen bleiben Aufträge zum An⸗ oder Verkauf von Devisen, Sorten und

Noten 1 8 8— 8 8