1920 / 57 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 08 Mar 1920 18:00:01 GMT) scan diff

Abg. He Ie (Dem.) beantragt, die Bestimmung einzufügen, und zwar im Interesse kinderreicher Familien, „der bei einem 10 000 1 Ma nicht überste genden Einkommen für die zweite und jede weitere Person steuerfrei bleibende Einkommensteil von 700 blecbt auch von dieser Steuer frei.“ 8

Dieser Antrag wird ebenso wie der Antrag Becker⸗Hessen angenommen, der der Unabhängigen abgelehnt.

Nach § 40 sollen den Gemeinden 5 % des auf sie ent⸗ fallenden Aufkommens an Umsatzsteuern, soweit sie von Arbeit⸗ gehmern entrichtet werden, aus dem Reichsanteil überwiesen werden. Die Unabhängigen Sozialdemokraten wollen statt 5 %ℳ 25 %, die Deutschnationalen 10 % überwiesen wissen.

Ministerialdirektor von Laer erklärt, der Satz von 5 sei der äußerste, der bew lligt werden könne. 1

Die beiden Anträge werden abgelehnt und die Ausschuß⸗ assung angenommen. 8

§ 52 gelangt in folgender Fassung zur Annahme:

„Die Länder sind gehalten, bis zum 1. April 1921 für einen Lasten⸗ ausgleich unter ihren Gemeinden und Gemeindeverbänden, insbesondere auf dem Gebiete der (nach einem Antrag der Demokraten) Armen⸗, Schul⸗ und Polizeilasten zu sorgen.“

In den Uebergangs⸗ und Schlußbestimmungen besagt § 53.

ach der Ausschußfassung: „Das Reich gewährleistet jedem Lande die Einnahmen aus den durch die Einkommen⸗, Körperschafts⸗, Kapitalertrags⸗ und Reichs⸗ erbschaftssteuer ersetzten Steuern des Landes und seiner Ge⸗ meinden in der bisherigen Höhe. Der Anteil an der Einkommensteuer muß mindestens das Aufkommen des Steuerjahres 1919 zuzüglich einer Steigerung von jährlich 6 % erreichen. Aenderungen in der Hohe der Steuern, die von Ländern und Gemeinden nach dem 20. Fe⸗ bruar 1920 beschlossen sind, bleiben außer Ansatz. Soweit das Reich Aufgaben übernimmt, die in den Rechnungsjahren 1917 bis 1919 den Ländern und den Gemeinden oblagen, oder ihnen neue Aufgaben über⸗ trägt, erfolgt eine entsprechende Aenderung des gewährleisteten Be⸗ trags.“

In der Regierungsvorlage stand „1. Oktober 1919“; nach einem Antrag der Mehrheitsparteien soll „5. März 1920“ gesagt werden.

Zentrum und statt 6 % zu setzen 25 %.

Abg. Wurm empfehlt einen Antrag der U. Soz., den An⸗ eil der Gemeinden an der Einkommensteuer so zu Cfreg. daß er mindestens das Aufkommen des Steuerjahres 1919 zuzüglich der durch die erhöhten Ausgaben notwendigen Summe erreicht. Redner ver⸗ weist dabei auf die inzwischen eingetretene und noch anhaltende Ver⸗ teuerung der Lebensmittel, besonders Brot und Kartoffeln.

Abg. Dr. Becker⸗Hessen (D. V.): Wenn das Reich den Ländern und Gemeinden ihre wesentlichen Einnahmen wegnimmt, so muß es auch eine Garantie geben dafür, daß sie leben können. 1— Mnterstaatssekretär Moesle wünscht Wiederherstellung der Regierungsvorlage, die Steuergerechtigkeit gegenüber den Gemeinden sei gerade durch die Regierungsvorlage gewährleistet.

Abg. Dr. Braun (Soz.) tritt für den Antrag auf Erhöhung auf 25 X% ein, obgleich er innerlich nicht ganz damit einverstanden sei.

Abg. Hesse (Dem.): Die Ausgaben der Gemeinden werden vor⸗ aussichtlich um mehr als 200 œ steigen, die 25 % reichen infolgedessen kaum aus. Die Gemeinden werden zu einer starken Kopfsteuer ge⸗ zwungen sein.

Der Antrag des Zentrums und der Demokraten wird an⸗ genommen, ebenso, ein handschriftlich eingegangener Antrag, als Stichtag den 5. März 1920 festzulegen. In dieser Fassung wird § 53 angenommen.

§ 57, der lautet: „Aenderungen der Vorschriften über die Beteiligung der Länder und Gemeinden am Entrage von Reichs⸗ steuern dürfen nur unter den Voraussetzungen erfolgen, die nach der Reichsverfassung für Verfassungsänderungen vorge⸗ sehen sind“, ist oom Ausschuß gestrichen worden. Anträge auf Wiederherstellung werden zugunsten eines von den Mehr⸗ heitsparteien eingebrachten Antrages auf Abände⸗ rung des § 59 zurückgezogen.

9 59 bestimmt im letzten Absatz, daß das Doppelsteuergesetz von 1909, 3 14 des Gesetzes über die Errichtung eines Reichs⸗ Ananzhofs von 1918 und § 46 des Gesetzes über die Reichs⸗ ünanzverwaltung vom 10. September 1919 aufgehoben werden

Uen.

Der Antrag der Mehrheitsparteieon geht dahin, die Worte „und der § 46 des Gesetzes über die Reichsfinanz⸗ verwaltung vom 10. September 1919“ zu streichen.

Abg. Herold (Zentr.): Unser Antrag bezweckt den § 46, nachdem im Landessteuergesetz § 57 gestrichen werden soll, aufrecht zu erhalten. DOurch diesen in Welmar beschlossenen § 46 ist das Minimum, das die Gemeinden erhalten sollen, unter den Schutz der Verfassung gestellt worden. Nun ist im § 53 des Landessteuergesetzes den Gemeinden mehr eugestanden, als in dem Gesetz unter dem Schutz der Be⸗ stimmungen in der Verfassung gestellt worden ist, und was im § 53 des Landessteuergesetzes über die in § 46 des Gesetzes von 1919 gegebene Zusicherung hinausgeht, stände dann nicht mehr unter dem Schutz der Verfassung. Immerhin wird das erwähnte Minimum geschützt, und diesen Schutz aufrecht zu erhalten ist eine Pflicht der Loyalität, da der Reichsrat und einzelne Bundesstaaten ihre Zustimmung zur Ueberweisung der Einkommensteuer an das Reich nur unter der Be⸗ dingung erteilt haben, daß dieses Aufkommen dergestalt gesichert wird.

Nach dem Ausschußantrag wird § 57 gestrichen; § 59 ge⸗ langt nach dem Antrage der Abgg. Herold und Genossen zur Annahme, ebenso der Rest des Gesetzentwurfs.

Damit ist die Tagesordnung erledigt.

Der Präsident schlägt vor, auf die Tagesordnung der Sitzung am Montag, 2 ⁄% Uhr, die erste Beratung des Gesetzentwurfs, be⸗ treffend die Grundschule, die erste Beratung des Besitzsteuergesetzes, die dritte Beratung des Einkommensteuergesetzes und des ap er ertregeenercefebes die Beraztung kleinerer Vorlagen und Berichte bes volkswirtschaftlichen Ausschusses zu setzen.

Abg. Schultz⸗Bromberg (D. Nat.) widerspricht der Beratung ds Besitzsteuergesetzes, das noch drei Jahre Zeit habe, da die Mehr⸗ beit die Lebensdauer der Versammlung doch wohl nicht bis 1923 aus⸗ Lang beabsichtige, so ängstlich die Mehrheit auch an ihrem Dasein zänge. 6

Unterstaatssekretär Moesle verweist demgegenüber darauf, daß das Gesetz auch Uebergangsbestimmungen enthalte, die schon früher in Kraft treten müßten.

Abg. Dr. Rießer (D. V.): Das scheint mir nicht entscheidend. Qhne dringende Not darf die Nationalversammlung nicht von ihrem Mandat abgehen, und avls eine dringliche kann man beim besten Willen diese Vorlage nicht ansehen.

Abg. Löbe (Soz.): Die Herren weollen das Gesetz nicht nur am Montag nicht beraten, sondern überhaupt nicht. Unsere Steuergesetz⸗

gebung soll doch ein einheitliches Steuersystem darstellen, und es wäre doch wunderbar, wenn das Besitzsteuergesetz von einam vielleicht anders zusammengesetzten Reichstage gemacht würde.

Abg. Dr. Rießer: Es könnten ja vielleicht noch zahlreiche andere Finanzgesetze auf diesem Wege an uns gebracht werden, die ebenso wenig dringlich sind. Entscheidend bleibt, daß wir vmfer⸗ veiten⸗ nicht über den Auftrag und den Willen unserer Wähler hinaus enweitern dürfen.

Abg. Schultz⸗Bromberg: Wir dürfen uns nicht ein Mandat

das uns vom Volk nicht übertvagen ist 1 duts aans . ne0 sen nt. 89

Demokraten beantragen,

Gegen die Stimmen der Rechten wird der Vorschlag des

1 Präsidenten gebilligt. 1

Schluß gegen 6 Uhr. Nächste Sitzung Montag 2 ½ Uhr: Erste Lesung des Grundschul⸗ und des Besitzsteuergesetzes, Be⸗ ratung anderer Steuervorlagen.

Parlamentarische Nachrichten.

Der Entwurf eines Besitzsteueraesetzes ist nebst Begründung der Deutschen Nationalver⸗ sammlung zur Beschlußfassung zugegangen. Er lautet wie folgt: 1 8 1 8

Von dem Vermögenszuwachse der natürlichen Personen wird nach den Vorschriften dieses Gesetzes eine Steuer (Besitzsteuer) erhoben.

1“ Persönliche Steuerpflicht. 1“

Steuerpflichtig sind:

I. mit dem Zuwachs an dem gesamten steuerbaren Reinvermögen: 1. Deutsche, soweit sie sich nicht länger als zwei Jahre dauernd

im Ausland aufhalten, ohne im Inland einen Wohnsitz zu Beamte des Reichs oder der Länder und Militärper⸗ sonen, die ihren dienstlichen Wohnsitz im Ausland haben, sowie die in ihren Diensten stehenden Deutschen sind ohne Rücksicht auf die Dauer ihres Aufenthalts im Ausland steuerpflichtig, soweit sie an ihrem ausländischen Wohnsitz nicht zu einer entsprechenden direkten Steuer herangezogen werden; Wahlkonsuln gelten nicht als Beamte im Sinne dieser Vorschrift; nichtreichsangehörige Personen, die auch eine fremde Staats⸗ angehörigkeit nicht besitzen, sowie Angehörige heedeschhe Staaten, die die deutsche Staatsangehörigkeit erst nach dem 3. Juli 1914 verloren haben, sofern sie im Deutschen Reiche einen Wohnsitz oder des Erwerbes wegen oder länger als sechs Monate ihren gewönhlichen Aufenthalt haben. Wird die Steuerpflicht durch einen Aufenthalt von mehr als sechs Monaten begründet, so erstreckt sich die Steuerpflicht auch auf die ersten sechs Monate;

II. mit dem Zuwachs an dem gesamten steuerbaren Reinver⸗ mögen mit Ausnahme des ausländischen Grund⸗ und Betriebsvermögens: nicht unter 1, 2 fallende Nichtdeutsche, wenn sie im Deutschen Reiche einen MWohnsit oder des Erwerbes wegen oder länger als sechs Monate ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben.

Die Vorschrift in Nr. I, 2 Satz 2 findet Anwendung; III. mit dem Zuwachs an dem inländischen Grund⸗ und Betriebs⸗ vermögen: alle natürlichen Personen ohne Rücksicht auf Staatsange⸗ hörigkeit, Wohnsitz oder Aufenthalt. Steuerbarer Vermögenszuwachs. § 3.

Als Reinvermögen im Sinne des § 2 gilt, soweit in den §§ 7, 8 nichts anderes vorgeschrieben ist, das gesamte bewegliche und unbe⸗ wegliche Rohvermögen nach Abzug der Schulden. Das Rohvermögen vna

1. Grundstücke einschließlich des Zubehörs (Grundvermögen); 2. das dem Betriebe der Land⸗ oder Forstwirtschaft, des Berg⸗ baues oder eines Gewerbes dienende Vermögen (Betriebs⸗ vermögen); das gesamte sonstige Vermögen, soweit es nicht nach den § 7, 8 unberücksichtigt bleibt (Kapitalvermögen).

Den Grundstücken 3 Nr. 1) stehen gleich Berechtigungen, auf welche die Vorschriften des bürgerlichen Rechtes über Grundstücke An⸗ wendung finden. .

8

₰n.

Zum Betriebsvermögen 3 Nr. 2) gehören alle dem Unternehmen gewidmeten Gegenstände.

Als Betriebsvermögen gelten auch aus dem Betriebe herrührende und andere Vorräte, die zur Weiterveräußerung bestimmt sind.

§ 6.

Als Kapitalvermögen 3 Nr. 3) kommen insbesondere, soweit die einzelnen Vermögensgegenstände nicht zum Betriebsvermögen ge⸗ hören oder Zubehör eines Grundstücks sind, in Betracht:

1. selbständige Rechte und Gerechtigkeiten; 2. verzinsliche und unverzinsliche Kapitalforderungen jeder Art; 3. Aktien oder Anteilscheine, Kuxe, Geschäftsguthaben bei Ge⸗ nossenschaften, Geschäftsanteile und andere Gesellschaftsein⸗ lagen; 4. bares Geld deutscher Währung, fremde Geldsorten, Bank⸗ noten und Kassenscheine sowie Gold und Silber in Barren; der Kapitalwert der Rechte auf Renten und andere wieder⸗ kehrende Nutzungen und Leistungen, welche dem Berechtigten auf seine Lebenszeit oder auf die Lebenszeit eines anderen, auf unbestimmte Zeit oder auf die Dauer von mindestens zehn Jahren entweder vertragsmäßig als Gegenleistung für die Hingabe von Vermögenswerten oder aus letztwilligen Ver⸗ fügungen, Schenkungen oder Familienstiftungen oder vermöge hausgesetzlicher Bestimmungen zustehen; . noch nicht fällige Ansprüche aus Lebens⸗ und Kapitalversiche⸗

rungen oder Rentenversicherungen, aus denen der Berechtigte⸗

noch nicht in den Rentenbezug eingetreten ist. Als Kapitalversicherung im Sinne dieses Gesetzes gilt jede Versicherung, auf Grund deren dem Versicherten unter allen Umständen eine Kapitalauszahlung gewährleistet ist; .die nach dem 31. Dezember 1919 entgeltlich erworbenen Gegenstände aus edlem Metall, Edelsteine, Perlen, Kunst⸗, Schmuck⸗ und Luxusgegenstände und Sammlungen aller Art, sofern der Anschaffungswert für den einzelnen Gegenstand fünfhundert Mark und darüber oder für mehrere gleichartige oder zusammengehörige Gegenstande eintausend Mark und darüber betragen hat. 0

Die Vorschrift im § 6 Nr. 5 gilt nicht: ana) für Ansprüche an Witwen⸗, Waisen⸗ und Pensionskassen;

b) für Ansprüche aus einer Kranken⸗ oder Unfallversicherung, der oder der gesetzlichen Versicherung der An⸗ gestellten;

c) für Renten und ähnliche Bezüge, die mit Rücksicht auf ein früheres Arbeits⸗ oder Dienstverhältnis gewährt werden.

Bei dem Rohvermögen sind ferner nicht zu berücksichtigen be⸗ wegliche Sachen, soweit sie nicht Zubehör eines Grundstückes 3 Nr. 1, § 4) sind oder zum Betriebsvermögen 3 Nr. 2, § 5) gehoten oder im § 6 besonders aufgezählt sind.

Von dem Vermögen sind abzuziehen: 1. die dinglichen und persönlichen Schulden; 2. der Wert der dem Steuexpflichtigen obliegenden oder auf einem Hausgut, Familienfideikommiß, Lehen, Stammgut oder einem san gebundenen Vermögen ruhenden

Leistungen der im § 6 Nr. 5 bezeichneten Art;

(die zur Bestreitung der laufenden Ausgaben nicht geschäft⸗ licher oder beruflicher Art für drei Wonate erforderlichen Fere. an Geld, Bank⸗ oder fanstsühn Guthaben, soweit sie dn aufenden Jahrescinkünften entstammen.

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Nicht abzugsfähig sind: 8 a) Schulden, die zur Bestreitung der laufenden Haushaltungs⸗ kosten eingegangen sind (Haushaltungsschulden); b) Schulden und Lasten, die in wirtschaftlicher Beziehung zu nicht steuerbaren Vermögensteilen stehen.

Wird die Abgabe nur von dem inländischen Grughnnt Betriebs⸗ vermögen erhoben 2 Nr. III), so sind nur die in ein wirtschaftlichen Beziehung zu diesen Vermögensteilen stehenden Schulden und Lasten abzugsfähig.

§ 10.

Für die Veranlagung der Besitzsteuer wird das Vermögen der Ehegatten zusammengerechnet, sofern sie nicht dauernd voneinander ge⸗ trennt leben.

§ 11.

Die Feststellung des Vermögenszuwachses erfolgt erstmals zum 1. April 1923 für den in der Zeit vom 1. Januar 1920 bis zum 31. Dezember 1922 entstandenen Vermögenszuwachs, späterhin in Zeitabständen von drei zu drei Jahren für den in den vorangegan⸗ genen drei Kalenderjahren entstandenen Zuwachs. . § 12. Der steuerbare Vermögenszuwachs ergibt sich, soweit in den §§ 13 Abs. 2, 14 bis 17 nichts anderes vorgeschrieben ist, aus der zergleichung des Wertes des steuerbaren Reinvermögens am. Ende des Veranlagungszeitraumes (Endvermögen) mit dem Werte, des steuerbaren Reinvermögens am Anfang des Veranlagungszeitraums (Anfangsvermögen). § 13 )

Hat der Steuerpflichtige am 1. Januar 1920 zu den im § 2 aufgeführten Personen gehört, so gilt als Wert des ersten steuerbaren Anfangsvermögens das Vermögen, das nach den Vorschriften des Gesetzes über das Reichsnotopfer vom 31. Dezember 1919. (Reichs⸗ Gesetzbl. S. 2189) zugrunde gelegt ist, nach Abzug des Reichsnot⸗ opfers; die nach den §§ 12, 13 des Gesetzes über das Reichsnot⸗ opfer angerechneten Beträge sind abzuziehen. Ist der Steuerpflichtige zum Reichsnotopfer nicht veranlagt, weil die in den §§ 23, 26 des Gesetzes über das Reichsnotopfer bezeichneten Freigrenzen nicht über⸗ schritten sind, so ist das steuerbare Vermögen des Steuerpflichtigen am 31. Dezember 1919 gleichzeitig mit der Ermittlung des ersten Endvermögens festzustellen.

Wird die persönliche Steuerpflicht 2) erst innerhalb eines Veranlagungszeitraumes begründet, so erfolgt die Feststellung des ersten steuerbaren Anfangsvermögens auf den Zeitpunkt des Eintritts in die persönliche Steuerpflicht. Entsprechendes gilt, wenn ein Steuerpflichtiger von der beschränkten in die unbeschränkte Steuer⸗ pflicht übergeht. Das für den Zeitpunkt des Eintritts in die Steuer⸗ pflicht festgestellte Vermögen gilt als Anfangsvermögen, es sei denn, daß dies niedriger ist als das früher festgestellte, von der beschränkten Steuerpflicht erfaßte Vermögen.

Das Reinvermögen an den im § 13 bezeichneten Zeitpunkten bleibt als Anfangsvermögen so lange maßgebend, bis eine Besitz⸗ steuer zu veranlagen ist. Ist es zu einer Besitzsteuerveranlagung gekommen, so ist das hierbei festgestellte Endvermögen nach Abzu der Besitzsteuer später wieder so lange als Anfangsvermögen maßgebend, bis erneut eine Besitzsteuer zu veranlagen ist. 1

§ 15..

Haben zu Beginn des Veranlagungszeitraums die abzugsfähigen Schulden und Lasten den Gesamtwert des Rohvermögens überstiegen, so gilt das für den Schluß des Veranlagungszeitraums festgestellte Reinvermögen als steuerbaxer Vermögenszuwachs.

§ 16. C

Scheidet ein Steuerpflichtiger vor Ahlauf eines Veranlagungs⸗ zeitraums aus der Steuerpflicht aus, so erfolgt die letzte Feststellung des Vermögenszuwachses auf den Zeitpunkt des Ausscheidens aus der Steuerpflicht.

Die Vorschrift des Abs. 1 gilt entsprechend, wenn ein Steuer⸗ pflichtiger aus der unbeschränkten in die beschränkte Steuerpflicht übergeht.

Ist die Steuerpflicht nur nach § 2 Nr. III begründet, so werden dem ersten maßgebenden Vermögensstand alle nachweislich aus dem der Besteuerung nicht unterworfenen Vermögen des Steuerpflichtigen gemachten, nicht zu den laufenden Wirtschaftsausgaben zählenden Aufwendungen für steuerpflichtige Vermögensteile hinzugerechnet.

Die Anrechnung nach Abs. 1 erfolgt insoweit nicht, als den Auf⸗ wendungen ein Vermögen gegenübersteht, das im maßgebenden Zeit⸗ raum der Besteuerung entzogen worden ist.

§ 18.

Zur Ermittlung des steuerpflichtigen Vermögenszuwachses sind von dem steuerbaren Vermögenszuwachse folgende im maßgebenden Veranlagungszeitraum 11) erworbene Beträge abzuziehen:

1. der reine Betrag eines Erwerbes im Sinne der §§ 20, 40 Erbschaftssteuergesetzes vom 10. September, 1919 (Reichs⸗

2 gesetzbl. S. 1543);

2. Kapitalabfindung, die als Entschädigung für den durch Körperverletzung oder Krankheit herbeigeführten gänzlichen oder teilweisen Verlust der Erwerbsfähigkeit an den Steuar⸗ pflichtigen gezahlt worden sind, sowie Kapitalabfindungen auf Grund der Reichsversicherung, der Militärversorgung und des Beamtenpensionsgesetzes;

3. Kapitalabfindungen, die auf Grund der §§ 1299, 1300, 1712, 1714, 1715, 1716 des Bürgerlichen Gesetzbuches gezahlt worden sind;

4. der Betrag einer Kapitalabfindung, die als Entschädigung für die durch Unfall oder Verschulden eines Dritten er⸗ folgte Tötung denjenigen gezahlt worden oder zu zahlen ist

denen gegenüber der Getötete unterhaltspflichtig war.

Steuersatz. § 19.

Sctcuerpflichtig ist nur der den Betrag von fünftausend Mark übersteigende Teil des Vermögenszuwachses. Bei der Veranlagung der Besitzsteuer wird der steuerpflichtige Vermögenszuwachs auf volle Tausend nach unten abgerundet. Die Besitzsteuer wird nur erhoben, wenn das Endvermögen 12) den Gesamtwert von zwanzigtausend Mark übersteigt.

Bei Vermögen, die den Gesamtwert von zwanzigtausend Mark, aber nicht dreißigtausend Mark, übersteigen, unterliegt der nach Abs. 1 steuerpflichtige Zuwachs nur insofern der Besitzsteuer, als durch ihn die steuerfreie Grenze (Abs. 2) überschritten wirrd.

Die Besitzsteuer beträgt für die ersten angefangenen oder vollen 10 000 nächsten 20 000

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§ 21. j Gewährt der Steuerpflichtige, dessen Vermögen den Betrag von bunderttausend Mark nicht übersteigt, Kindern auf Grund gesetzlicher Verpflichtung (§§ 1601 bis 1615 des Bürgerlichen Gesetzhuchs) Unter⸗ halt, so ermäßigt sich die Steuer für das dritte und jedes weitere

minderjährige Kind um fünf vom Hundert ihres Betrags⸗

Wertermittlungg.. 9 85 8 AIrebn

„Für die persönliche und sachliche Steuerpflicht sowie für die Er⸗ des Vermögenswertes ist maßgebend der Stand in den in §§ 12, 14 bis 17 bezeichneten Zeitpunkten.

85q1 86. ““

8

2 Für Betriebe, in denen regelmäßige jährliche Abschlüsse statt⸗

inden, kann der Vermögensfeststellung der Vermögensstand am Schlusse des letzten Wirtschafts⸗ oder Rechnungsjahrs zugrunde ge⸗ legt werden. Die seit dem Schlusse dieses Wietschafts⸗ oder Rech⸗ nungsjahrs bis zum gesetzlichen Stichtag eingetretenen Verschiebungen wischen dem im Betrieh angelegten Vermögen und dem sonstigen Vermögen des Steuerpflichtigen sind zu berücksichtigen.

§ 23.

Bei Grundstücken sind auf Antrag an Stelle des gemeinen Wertes die Gestehungskosten zugrunde zu legen.

Zu den Gestehungskosten sind zu rechnen der Gesamtwert der Gegenleistungen beim Erwerb (Erwerbspreis), sonstige Anschaffungs⸗ kosten sowie alle a das Grundstück gemachten besonderen Aufwendun⸗ gen während der Besitzzeit, soweit sie nicht zu den laufenden Wirt⸗ schaftsausgaben gehören und soweit die durch die Aufwendungen her⸗ gestellten Bauten und Verbesserungen noch vorhanden sind. Von den Gestehungskosten sind die durch Verschlechterung entstandenen Wertminderungen abzuziehen.

Der Steuerpflichtige bleibt an einen gemäß Abs. 1 gestellten Antrag auch für die künftigen Veranlagungen gebunden.

§ 24.

Hat der Erwerb vor dem 1. Januar 1920 stattgefunden, so gilt der bei der Veranlagung des Reichsnotopfers zugrunde gelegte Wert eines Grundstücks als Betrag der bis dahin entstandenen Gestehungs⸗ kosten.

Hat der Steuerpflichtige Grundstücke nach dem 31. Dezember 1919 von Todes wegen oder durch Schenkung im Sinne der §§ 20, 40 des Erbschaftssteuergesetzes vom 10. September 1919 erworben, so gilt der Wert, der bei der Veranlagung zur Erbanfall⸗ oder Schenkungssteuer zugrunde gelegt ist oder zugrunde zu legen gewesen wäre, als Betrag der bis zum Eintritt des Erwerbes entstandenen Gestehungskosten.

§ 26.

Hat der Steuerpflichtige Grundstücke nach dem 31. Dezember 1919 auf andere Art als nach § 25 zu einem Preise erworben, der um mehr als zehn vom Hundert hinter dem gemeinen Werte zur Fb. des Erwerbes zurückgeblieben ist, so tritt an die Stelle des Frwerbspreises 23 Abs. 2) der gemeine Wert.

Handelt es sich um Grundstücke, die dauernd land⸗ oder forst⸗ wirtschaftlichen oder gärtnerischen Zwecken zu dienen bestimmt sind, oder um bebaute Grundstücke, die Wohnzwecken oder gewerblichen Zwecken zu dienen bestimmt sind und ortsüblich bebaut und benutzt werden, und ist der vereinbarte Preis (Abs. 1) auch hinter dem nach § 152 der Reichsabgabenordnung vom 13. Dezember 1919 (Reichs⸗ Gesetzbl. S. 1993) berechneten Ertragswert zurückgeblieben, so tritt an die Stelle des Erwerbspreises der Ertragswert.

Die Vorschriften der §§ 23 bis 26 finden auf die zum Betriebs⸗ vermögen gehörigen Anlagen und sonstigen Gegenstände, die nicht ur Weiterveräußerung, vielmehr zum dauernden Geschäftsbetriebe be⸗ simt sind, sinngemäße Anwendung. 8 8 8

28.

Im Ausland außerhalb der alten Grenzen des Deutschen Reichs liegendes Betriebsvermögen, das der Steuerpflichtige schon am 31. Dezember 1919 besaß, und das zum Reichsnotopfer in der Währung des Landes, in dem es sich befindet, geschätzt und dessen Wert nach dem Vorkriegskurs in deutscher Währung umgerechnet ist, ist nach diesen Grundsätzen auch künftig zu bewerten.

Der Kapitalwert von Renten oder anderen auf die Lebenszeit einer Person beschränkten Nutzungen oder Leistungen ist bei Fest⸗ stellung des Endvermögens mit der gleichen Vervielfältigungszahl wie bei Feststellung des Anfangsvermögens einzusetzen, sofern und soweit das Recht auf die Nutzung oder die Verpflichtung zur Leistung schon bei Beginn des Veranlagungszeitraums bestanden hat.

§ 30.

Noch nicht fällige Ansprüche aus nach dem 31. Juli 1914 ein⸗ gegangenen Lebens⸗, Kapital⸗ und Rentenversicherungen sind mit dem zum ichsnotopfer eingesetzten Betrage zuzüglich zwei Drittel der nach dem 31. Dezember 1919 eingezahlten Prämien anzusetzen.

Besitzsteuererklärung.

Zur Abgabe einer Besitzsteuererklärung sind alle Personen mit einem steuerbaren Vermögen von zwanzigtausend Mark und darüber verpflichtet, wenn sie früher weder zum Reichsnotopfer noch zur Be⸗ sitzsteuer veranlagt worden sind, sowie alle Personen, deren Vermögen sich seit der Veranlagung zum Reichsnotopfer oder gegenüber dem für eine künftige Veranlagung zur Besitzsteuer als maßgebend festge⸗ stellten Vermögensstand um mehr als fünftausend Mark erhöht hat. Der Reichsminister der Finanzen bestimmt die Fristen zur Abgabe der Besitzsteuererklärung.

Das Finanzamt ist berechtigt, von jedem Steuerpflichtigen die Abgabe einer Steuererklärung binnen einer Frist von mindestens vier Wochen zu verlangen. Erschwert oder vereitelt ein im Ausland sich aufhaltender Steuerpflichtiger die Veranlagung der Besitzsteuer dadurch, daß er seine Steuererklärung nicht rechtzeitig abgibt, so kann sein im Inland befindliches Vermögen mit Beschlag belegt werden.

Besitzsteuer⸗ und Feststellungsbescheid.

§ 392

Das Finanzamt erteilt einen schriftlichen Bescheid über die zu

zahlende Besitzsteuer (Steuerbescheid).

Esrgibt sich kein oder nur ein steuerfreier Vermögenszuwachs, so ist dem Steuerpflichtigen mit einem Vermögen von 1 als zwanzig⸗ tausend Mark ein Bescheid über den für eine künftige Veranlagung maßgebenden Vermögenstand zu erteilen, sofern dieser nicht bereits rechtskräftig feststeht (Feststellungsbescheid).

Entrichtung der Steuer. 8 AA 2 egc WMoehe⸗ § 33. Die Besitzsteuer ist in Teilbeträgen zu entrichten. Im Falle des § 16 wird sie einen Monat nach Zustellung des

Steuerbescheides fällig. 8 Ausgleichvorschriften.

9 24 18 Oct. 5

8.

Im Falle der Zusammenrechnung des Vermögens der Ehegatten 10) gilt für ihre vermögensrechtlichen Beziehungen untereinander jeder Ehegatte als Schuldner des Steuerteils, der nach den Ver⸗ hältniszahlen berechnet wird, die sich ergeben, wenn jeder Ehegatte zur Besitzsteuer getrennt veranlagt worden wäre.

88 Deerr an einer fortgesetzten Gütergemeinschaft beteiligte Abkömm⸗ ling kann von dem überlebenden Ehegatten verlangen, daß der auf seinen Anteil am Gesamtgut entfallende Abgabebetrag aus seinem Anteil am Gesamtgut gezahlt oder ihm ersetzt wird.

Der überlebende Ehegatte ist neben dem Abkömmlinge für den auf dessen Anteil am Gesamtgut entfallenden Abgabebetrag der Staats⸗ kasse als Gesamtschuldner verpflichtet.

8 § 36.

Der Vorerbe ist berechtigt, den auf die Vorerbschaft entfallenden Teil der Abgabe aus dem Vermögen der Vorerbschaft nach dem auf sein Gesamtvermögen entfallenden Abgabesatze zu entnehmen.

§ 34 findet entsprechende Anwendung.

Straf⸗, Uebergangs⸗ und Schlußvorschriften. § 37. Wer die nach diesem gel zu entrichtenden Steuern hinter⸗ zieht, wird mit einer Geldstrafe im bis zwanzigfachen Be⸗ trage der hinterzogenen Steuer bestraft. Neben der Geldstrafe kann auf Gefängnis erkannt werden.

§ 38. Die Feststellung und Veranlagung des in der Zeit vom Januar 1917 bis 31. Dezember 1919 entstandenen Vermögens⸗ zuwachses erfolgt noch nach den Vorschriften des Besitzsteuergesetzes vom 3. Juli 1913 (Reichs⸗Gesetzbl. S. 524); jedoch sind von dem besitzsteuerpflichtigen Vermögenszuwachse der Teil dieses Vermögens⸗ zuwachses, der dem Geset; über die Kriegsabgabe vom Vermögens⸗ zuwachse vom 10. September 1919 (Reichs⸗Gesetzbl. S. 1579) unter⸗ legen hat, und der reine Betrag eines in dem maßgebenden Zeitraum angefallenen Erwerbes, der dem Erbschaftssteuergesetze vom 10 Sep⸗ tember 1919 unterlegen hat, alzuziehen. 1““ § 39. . die nach der Vorschrift des § 38 geschuldete Besitzsteuer ist von rdas Reichsnotopfer zugrunde gelegten Vermögen abzuziehen. Im Gesetz über das Reichsnotopfer wird hinter § 18 als § 18a

18a. Bei der Veranlagung sind deutsche Goldmünzen mit dem Metallwert zu bewerten. 8

88 1 § 41.

Mit⸗ dem Inkrafttreten dieses Gesetzes tritt das Besitzsteuer⸗ gesetz vamg 3. Juli 1913 unbeschadet der Vorschrift des § 38 und er Vorschriften der §§ 4, 5 des Gesetzes über die Kriegsabgabe vom Vermögenszuwachse vom 10. September 1919. außer Kraft.

88 § 42. Die Ausführungsbestimmungen zu diesem Gesetz erläßt der Reichsminister der Finanzen mit Zustimmung des Reichsrats.

folgende Vorschrift eingefügt:

Aecußerungen der Abendpresse vom 5. März zur anderweitigen Umschreibung des Aufgaben des 3. und 4. Unterausschusses des parlamentarischen Untersuchungsausschusses der deutschen Nationalversammlung haben, wie das „Nach⸗ richtenbüro des Vereins deutscher Zeitungsverleger“ berichet, teilweise den Eindruck hervorgerufen, als ob der Ausschuß gegenüber den Frogen, die er bezüglih Belgiens zu untersuchen hat, von vornherein auf dem Standpunkt stehe, daß hier deutscherseits Völkerrechtswidrig⸗ keiten vorlägen. Demgegenüber sei ausdrücklich bemerkt, daß erst durch die Untersuchung festgestellt werden soll, ob das deutsche Ver⸗ halten völkerrechtsmwidrig war oder nicht. Diese Untersuchungen sind noch nicht abgeschlossen.

Danzig.

„Der Oberkommissar hat dem „Wolffschen Telegraphen⸗ büro“ zufolge angeordnet, daß für Waren, die aus Deutsch⸗ land nach Danzig eingeführt werden, der Zoll nach dem deutschen Zolltarif erhoben und daß die über die Erhebang des Zolls in Gold erlassenen gesetzlichen Bestimmungen, insbe⸗ sondere das Gesetz vom 21. Juli 1919 nebst Bekanntmachung, bis auf weiteres bei dem Warenbezug von Deutschland nach Danzig nicht zur Anwendung gelangt. Weitere Anordnung wicd nach Inkrafttreten des Wirtschaftsabkommens erfolgen.

8

. Oesterreich.

Zu den Oesterreich betreffenden Beschlüssen des

Obersten Rates, wird dem „Neuen Wiener Tageblatt“ von unterrichteter Seite mitgeteilt, England habe zwar das Zustandekommen der Donauföderation angestrebt sich aber überzeugt, daß dieser Plan bei der ablehnenden Stellungnahme der Tschecho⸗Ssowakei, Südslawiens und Rumäniens kaum durchführbar sei. Selbst die Einführung gewisser gemeinsamer wirtschaftlicher Einrichtungen wade sich nicht verwir klichen lassen. Andererseits könne Oesterreich allein als selbständiger Staat nicht bestehen. Der Oberste Rat könne daher Entscheidungen bezüglich sterreichs wohl nur in dem Sinne treffen, daß Oesterreich unter gewissen Be diagungen wirtschaftlich an das Deutsche Reich angeschlossen und in dieser Wirtschaftsvereinigung am Wiederaufbau Mittiel⸗ eucopas beteiligt werde. „—— Vorgestern begann vor dem Hauptausschuß der Nationalversammlung die Verhandlung zwischen Ver⸗ tretern der Behörden und Vertretern der öffentlichen An⸗ gestellten über die Neuregelung ihres Besoldungs⸗ verhältnisses. Wie „Wolffs Telegraphenbüro“ meldet, betreffen die Forderungen insbesondere die Gewährung des Mindestbezugs von 24 000 Kronen jährlich für ledige Be⸗ dienstete. In Wien Verheiratete sollen außerdem für Frau und Kinder eine Teuerungszulage von se 1200 Kronen jähelich Der Staatssekretär der Finanzen Dr. Reisch ertlärte hierzu:

Die Forderungen würden das Gesamterfordernis für 214 000 Staatsangestellte auf jährlich 7 600 000 000 steigern, während die gesamte Staatseinnahme nach Durchführung der neuen Stenerreform nicht einmal 6 ½ Milliarden ergeben wurde. Auf Grund eines Be⸗ schlusses des Kabinettsrats teilte Dr. Reisch sodann mit, daß die Regierung zur Behebung des bestehenden Notstandes der An⸗ gestellten äußersten Falles den Gesam’b trag von emer Milliarde zur Verfügung stellen könne, wobei vielleicht durch Erhöhung der Tabakpreise und der Tarife staatlicher Unternehmungen Deckung für diesen Betrag geschafft werden könne. Eine definitive Neuregelung der Besoldungsverhältnisse könne derzeit nicht erfolgen. Der Staats⸗ sekretär unterbreitete neue Vorschläge, welche eine entsprechende Er⸗ höhung der Ortszuschläge, ferner eine hundertprozentige Erhöhung der Teuerungszulagen und Kinderzulagen unter Wegfall der gleitenden Zulage gewähren. Danegen müsse die Regterung eine Echöhung der Arbeitszeit der Beamten von derzeit sechs auf acht Stunden fordern.

Der Obmann der Gruppe der Arbeitnehmer in der paritätischen Lohnkommission erklärte, daß die Angestellten auf ihren ursprünglichen Begehren nach Schaffung eines Existenz⸗ minimums beharren; nur über seine Höhe könne verhandelt werden. Der Vorschlag der Regierung entspreche dem nicht. Insbesondere müßten die Angestellten an der Forderung der gleitenden Zulagen festhalten. Die Verhandlung wurde darauf vertagt. b 1

Gestern fand in Wien eine vom Hilfsverein für Deutschoöhmen und die Sudetenländer veranstaltete Gedenkfeier für die vor einem Jahre in Deutschböhmen und dem Sudetenlande gefallenen Opfer statt. Nach der Be⸗ grüßungsansprache des Vorsitzenden ergriff auch der Präsident Dinghofer das Wort, der u. a. erklärie, daß das oberste Ziel aller Deutschen hüben und drüben die Vereinigung zu einem einheill chen Staatsgebilde sein müsse Die Gedenkfeier wurde mit dem Absingen des Liedes „Deutschland, Deutschland über alles“ geschlossen.

Die Deutsch⸗demokratische Gemeinschaft in Tirol ruft in den „Innsbrucker Nachrichten“ das Tiroler Volk unter Hinweis darauf, daß es keinen anderen Ausweg zur Reitung vor vöhligee amichtung gebe, zur Durchfuhrung einer freiwilligen Volkoobstimmung für den Anschluß Tirols an das Deutsche Reich auf.

Tschecho⸗Slowakei.

Der Präsident der Republik hat das Mitglied der National⸗ versammlung Zahradnik zum Mitglied der Wiedergut⸗ machu gskommission und zum bevollmächtigten Minister in Wien ernannt.

In Beant wortung einer Ansprache des Präsidenten der Natioalversammlung hielt der Präsident M asaryk an seinem gestrigen 70. Geburtstag eine Rede, in der er laut Bericht des „Wolffschen Telegraphenbüros“ u. a. sagte:

Die tschecho⸗slowakische Republik könne hezüglich des Zusammen⸗ lebens der Nattonalifäten ein Muster für Curopa und die ganz⸗ Menschheit sein. Die Sprache sei ein sehr bedeutender Bestand⸗ teil der Nationalität, erschöpfe aber diesen Begriff nicht. Für einen moder en Staat habe sie hauptsächlich administrative Bedeutung. „Wir werden“, sagte der Präsident „das Sprachen⸗ und Minoritäten⸗ probleen richtig lösen, wenn die Sprachenfrage nicht wie in Oester⸗ reich und Ungarn vor allem eine polttische, sondeen eine admini⸗ strative Frage wird. Ein politisch unterdrücktes Volk ist gleich⸗ zeitig wirtschafrlich und sozial unterdrückt. Daher war das Ideal der Republik den Fübrern der narionalen und der sozialistischen Be⸗ wegung gemeinsam. Das humanistische Proaramm legt uns durch⸗ dringende oziale Reformen auf.“ Der Präsident wandte sich sodann in Besprechung der sozialen Verhältnisse gegen den Radi⸗ kalismus von rechts und links, und führte das Beispiel von Ruß⸗ land an. welches in seiner alten Form von den Bourgeois, in seiner neuen ssorm von der Linken romantisch und unkritisch betrachtet werde. Die Note Tschitscherins gebe der Regierung die offiztelle Grundlage für die Lösung der Frage des künftigen Verhältnisses zu Rußland. Der Präsident bekannte sich als Anhänger einer evolutiven Revolution. Eine soziale Revolution in ganz kurzer Zeit sei un⸗ möglich. „Die bevorstehenden Wahlen“, schloß Masaryk, „werden uns Gelegenheit geben, den Grad unserer politischen Bildung zu er⸗ weisen.“ . 1“

Ungarn.

Der Reichsverweser Horthy erklört sich in einem Auf⸗ rufe an die ungarische Nation, wie das „Korrespondenz⸗ büro“ meldet, für innere Ordnung, Rochtssicherh it und Kontinuität der Produktion, für die Herrschoft der christlichen Moral, für Duldung und Gerechtigkeit, gegen Partelleidenschaft, Klassenkampf und die Produklion lähmende Hetzerei und gegen den Lebensmittelwucher. Er vertraue auf die taufendjährige ruhmvolle Geschichte und die Eigenschaften der ungarischen Rasse und die Tapferkeit, Disziplin und Zuverlässigkeit der Armee. Mit gesundem sozialem Gefühl sei der Staat aus⸗ zubauen und Versöhaung und Verständigung nach außen, wie im Innern zu pflegen.

Nach einer Meldung des „Ungarischen Telegraphen⸗ Korrespondenz⸗Büros“ hielt der Ministerpräsident Huszar in einer Versammlung von christlichen Gewerbetreibenden eine Rede, in der er sagte:

Die Entente hat den Krieg gewonnen. Sie wird aber den Weltfrieden verlieren, wenn sie von den Besiegten moralisch, bistorisch und wirrschaftlich Unmögliches verlangt. Die geo⸗ graphische Einheit Ungarns kann nicht dauernd zerstört werden. In den b setzten Gebieten gehen Unmengen von Weizen und sonstigen Lebensmitteln wegen Uaterbindung des Verkehrs durch die Demarkatlonslinien zugrunde. Eine Volksabstimmung ist die einzige Lösung, die uns zufriedenstellen kann. Millionen und Abermillionen von Arbeiterhänden sind durch die Blockade und die Valutaverhältnisse zur Müßigkeit verdammt. Das muß unvermeidlich zum wirtschaftlichen Zusammenbruch Europas und zum Sturze der Gesellschaftsordnung in der ganzen Welt führen. Ungarn will an der Konsolidierungsarbeit und dem Wiederaufbau nach bestem W ssen und Können teilnehmen. Es begrüßt die Stimme der nüchternen menschlichen Weisheit und Moral im englischen Parlament und das Erwachen des menschlichen G ⸗wissens in Italien sowie die Stellun nahme der amerikanischen öffentlichen Meinung für einen gesunden Frieden. Großbritannien und Irland. „Laut Meldung des „Dally Telerapz“ hat die RNe⸗ gierung angesichis der ernsten Lage beschlossen, Konstanti⸗ nopel durch britische Land⸗ und Seestreitkräfte besetzen zu lassen, und die französische und italienische Regierung aufge fordert, daran teilzunehmen; Streirkräfte seien hinreichend vor⸗ handen. b —— Der „Daily Mail“ zufolge werden die Alliierten Oesterreich, Bulgarien und Ungarn gestatten, ihre „Kriegsverbrecher“ selbst abzuurteilen. Nur die Türkei müsse ihre Missetäter den Alliierten ausliefern. Die an Deutschland gerichtete Aufforderung, Enver Pascha aus⸗ zuliefern, bleibe, wenn er sich auf deutschem Boden befinde, aufcecht erhalten. 88

Frankreich.

Die Botschafterkonferenz hielt gestern vormiltag unter dem Vorsitz von Jules Cambon emne Sitzung ab. Dem „Wolffschen Telegraphenbüro“ zufolge nahm sie zunächst Keantnis von der Nachricht, daß Japan die Regierung der armenischen Republik als eine wirkliche Regierung anerkeunt. Die Konferenz erörterte alsdann die Frage, welche Mächte die Bewohner der Bezirke, die einer Volksabstimmung unterwo sen sind, diplomatisch vertreten sollen Beschluß, daß der Schutz für ein solches Gebiet der Macht zukomme, die den Vorsitz der Verwaltungskommission führt, aufrechtzuerhalten. Die Konferenz prüfte alsdann eine Note des Vorsitzenden der deutschen Friedensdelegation, Geheimrats betreffend die Vernichtung der deutschen Lufischiff⸗ hallen.

Die Antwort des Präsidenten Wilson auf die letzte Note der Alliferten, betreffend die Adriafrage, ist vorgestern abend im Mmisterium des Aeußern eingegangen. —— Die französische Regierung hat ihren Delegierten in London ihre Instruktionen bezüglich des wirtschaftlichen Memorandums übersandt. Diese Instruktionen, die sich namentlich darauf beziehen, daß es Frankreich unmöglich sei. irgendeine verhüllte Revision des Versatller Vertrages oder eine Verminderung der Befugnisse der Wiedergutmachungs⸗ kommission anzunehmen, haben laut Meldung des „Wolffschen Telegraphenbüros“ zur Folge gehabt, daß an dem ursprüng⸗ lichen Tert des Memorandums einige Aenderungen vorge⸗ rommen werden Andere kleinere Abänderungen sind von den Delegierten verlangt worden. Die diesbezüglichen Verhand⸗ lungen werden fortgesetzt.

Jga der Sitzung der Kammer am 5 Februar schlug der Ministerpräsirent Millerand vor, die Jaterpellationen über die auswärtige Politik Donnerstaa, den 18. März, zu beraten. Obaleich sich der Ministerpräsident mit dem Inter⸗ pellanten Barthou im voraus geemigt hatte, ergriff dieser das Wort und sagte obiger Quelle zufolge: 11“

Es sei eilig, daß die Regierung sich vor der Kammer ausspreche und daß diese ihre Wünsche 88 Ferüch. gebe. Frmee ee geche Kammer verlangten von der Regierung grösttmögliche Festig 1 bei der Auslegung des Vertrags, 8 S. Revision einen Verzicht auf

Es wuroe beschlossen, den