bie direkten und die intellektnellen Urheber des Verbrechens zu suchen sind. (Stürmische Rufe: Sehr wahrl bei den Mehrheitsparteien.) Ein deutschnationales Blatt macht den sächerlichen Versuch, uns ein⸗ zureden, das Verlangen nach strengster Sübne sei weder soachlich be⸗ gründet, noch menschlich (Lachen links), noch klug gedacht; denn die Behauptung, die Rechte hätte aus Mangel an Mut im Nodember 1918 keinen Widerstand geleistet, habe in diesen Kreisen geradezu das Ver⸗ kangen gezüchtet, durch einen Versuch, wie den des 13. März, den auf schwerste verletzten und schnöde herausgeforderten Gefühlen Genugtuung zu verschaffen. (Hört, hört! bei den Scozialdemokraten.) Demgegenüber erk öre ich: jawohl, die Machthaber des alten Regimes und mit ihnen die Parteien und Preßorgane der Kriegshetzer und des Annexionswahnsinns haben im November 1918 jede Position seig und kampfllos aufgegeben. (Lebhafte Zustimmung bei den Sozialdemokraten. Umuhe und Zurufe rechts.) Aber jetzt scheint diese Feigheit noch über⸗ bohen zu werden: jetzt scheint man auf der Rechten nichts mehr wissen zu wollen von dem Anteil, den man an dem Verbrechen hat, jetzt erklärt man, die Mehrheit des hohen Hauses und die Regierung wagen die Schuld am Putsch der feudalen Eitesbrecher, und ruft mit dem Brust⸗ ton der Ueberzeugung: unser Weg war das nicht. (Sehr richtig! rechts. — Lachen und Zurufe von den Sozialdemokraten.) Mieine Damen und Hevren, die Stunde ist gekommen, um nach⸗ zmweisen, inwieweit der Weg Kapps auch der Weg der Rechten ge⸗ wesen ist. (Rufe rechts: Immer los!) Zwei Kundgebungen erschienen am 138. März wenige Stunden nach dem Staatsstreich. Sie enthielten die parteiamtliche Stellungnahme der Deutschen Volkspartei (sehr richtig! links) und der Deutschnationalen Vollkspartei. (Zustimmung bei den Sozialdemokraten und Deutschen Demohraten.) In keiner steht auch mir ein Wort der Verurteilung für die Hochverräter (stürmische Rufe links: Hört, hört! vereinzelte Pfuirufe), in keiner auch nur eine Andeutung, daß hier Verfassung und Pavlamentarismus von einer Säbeldiktatur in Stücke gehauen worden waren (Unruhe rechts), und daber spielen sich beide Parteien als Hüter der Verfassung und der Volksrechte auf. In beiden Kundgebungen wird der Mehrheit Ver⸗ sassungsbruch vorgeworfen, weil sie die Wahllen nicht haben vornehmen lassen, und weil sie angeblich — jeder Beweis dafür fehlt: kein Antrag, kein Gesetzentwurf, keine amtliche oder parteiamtliche Kundgebung liegt vor — angeblich die Wahl des Präsidenten in der Verfassungsfrage sndern wolle. (Zurufe rechts. Erregte Rufe links: Ruhig!) Ja, das sist im allgemeinen üblich, wenn man Parteien verantwortlich macht, parteiamtliche Kundgebungen heranzuziehen! Ich frage vor aller Well, ich frage die Ucheber dieser Kundgebungen selbst: (andauernde Zurufe rechts; erregte Widerrnfe von den Sozialdemokraten) gibt es eine häßlichere Heucheleiẽ Stillschweigend heißt man einen Verfassungs⸗ bruch der brutalen Gewalt gut, und im gleichen Atemzuge beschuldigt man den Gegner eines angeblichen Bruches der Verfassung, weil man mit dem Wahltermin nicht einverstanden ist. (Heiterkeit bei den Scpzialdemokraten.) Seien Sie beruhigt, das deutsche Volk wird zwißchen Ihnen und uns richten! (Lebhafte Zustimmumng bei den Mehr⸗ heitsparteien.) Richten zwischen Ihnen, die eine Handvoll Hoch⸗ verräter, die sich auf meuternde Truppen stützen, ohne jedes Gewissens⸗ bedenken als Regievung anerkennen, und uns, für die ein ganges großes Vollk in allen Schichten darch den Generalstreik seine Stimme erhoben bat. Sie wolleen die Wahlen; hier haben Sie heute schon ein Wabhl⸗ ergebnis, das mit Flammenzeichen an die Wand geschrieben hat: Ge⸗ wogen und zu leicht befunden! (Sehr wahr! bei den Mehrheitsparteien.) Der Generclstreik bat schon die. Unwahrheit der demagogischen Be⸗ hauptung nachgewiesen, als habe die Regierung das Volb durch irgend⸗ welche Maßnahmen gegen das Kapp⸗Regiment aufgebracht. Wo war denn das Vofk des Kapp⸗Regiments, wo waren denn die Massen, die den Hochvervätern begeistert zujubelten? (Zuruf links: In der Tauentzienstraße!) Und hiermit komme ich zu dem zweiten Beweis für die Mitschuld der Rechten, vor allem die Mitschuld deutschnationaler Kreise. Im offiziellen Parteiaufruf kein Wort der Verurteilung des Hochverrats, jetzt nachträgliche begeisterte Anerkennung der Hochverräter durch den Grafen Westarp in der Kreuzzeitung (sehr richtigt bei den Mehrheits⸗ parteien), wo es heißt: „entschlossene Männer, durchglüht von heißer Vaterlandsliebe.“ (Lachen bei den Mehrheitsparteien.) Wer waren denn diese entschlossenen Männer? Herr Kapp ist Mitglied Ihres Zentral⸗ vorstandes (Widerspruch bei den Deutschnationalen), Herr v. Jagow, Herr Schiele, Herr Traub, Herr v. Kesselt (Zuruf bei den Deutsch⸗ nationalen: Alles Unwahrheit!) — Ist denn Herr v. Kessel kein Abgeordneler der preußischen Landesversammlung?! (Zurufe bei den Deutschnationalen: Alles gelogen!) Alle drei sind doch hervorragende. zum Teil führende Politiker der Deutschnationalen Volkspartei! (Leb⸗ hafte Zustimmung bei den Mehrheitsparteien. — Erneute stürmische Rufe rechts: Alles gelogen!) — Sie rufen: Alles gelogen! Meine Hepren. jetzt noch ein dokumentarischer Beweis! Wen hat denn Herr Kapp zum preußischen Landwirtschaftsminister gemacht? Hören Sie felgenden Erlaß: Der preußische Ministerpräsident. Berlin, den 16. März 1920. Ich habe die Leitung des Ministeriums für Landwirtschaft, Domänen und Forsten dem Freiherrn v. Wangenheim (Klein Spiegel) übertragen. . (Lebhafte Zurufe rechts.) — Kennen Sie diesen Pappenheimer auch nicht?! — Euer Hochwohlgeboren ersuche ich, Ihr Amt niederzulegen. Der dienstälteste Ministerialdirektor erhält Abschrift die erlasses. u Kapp. An den Unterstaatssekretäar Herrn Dr. Ramm WG“ Berlin⸗Dahlem, Cectilienallee. (Hört! Hört! bei den Mehrheitsparteien. — Erneute lebhafte Zurufe rechts.) — Ich weiß nicht, ob Sie den Mut haben, Herrn v. Wangen⸗ beim von Ihren Rockschößen abzuschütteln! (Zuruf rechts: Das ist durchaus nicht der Fall!) — Gewiß, ich weiß, nach der Entgleifung in der Kundgebung vom 13. März, die etwas voreilig erschien, als der Zusammenbruch noch nicht so deutlich erkennbar war, hat die offtzielle Parteileitung der Demtschnativnalen sich wieder auf dem Boden der Verfaffung zurückgefunden (sehr gut! bei den Mehrheitsparteien), nicht ohne den Kappschen Schwindel sich zu eigen zu machen von dem „das Haup! erbebenden Bolschewismus“. Auch die Deutsche Volkspartei rettet sich aus den Wirren ihrer ersten Stelbungnahme.
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stillschweigenden Zustimmung zu den Hochverrätern (sehr richtig! bei den Mehrheitsparteien), auf die Einheitsfront gegen „den hervor⸗
Deutschnationalen Worte entschiedener Verurteilung für jeden gegen die Verfassung gerichteten Staatsstreich.
Ich will aber ebenso klar feststellen, daß in beiden Rechtsparteien sich führende Münner mit Entrüstung über die Putschisten geäußert haben und vor und nach dem 13. März alles getan haben, um das namenlose Unheil aufzuhalten oder abzukürzen. (Zuruf rechts: Na also!) — Deswegen werden Sie Ihren Traub doch nicht los! — Demgegenüber ist an der Tatsache nicht zu rütteln, daß beide Parteien offiziell — — (Zurufe rechts: Winnig!) — Ich gebe Ihnen Ihren Winnig! Sie wissen, daß wir von unserer Partei Winnig sofort mit aller Entschiedenheit abgeschüttelt haben. Wann haben Sie die Ministerkandidaten des Herrn Kapp abgeschüttelt? (Große Unruhe und Zurufe rechts. — Glocke des Präsidenten.)
Präsident: Ich bitte um Ruhe!
Aber demgegenüber ist an der Tatsache nicht zu vötteln, daß beide Parteien offiziell am 13. März die Verfassung widerspruchslos brechen ließen, daß bis heute die Deutschnationalen noch kein ver⸗ urteilendes Wort gefunden haben (hört! hört! bei den Mehrheits⸗ parteien), daß aus ihren Reihen sämtliche Hochverräter stammen, daß ihre Presse die Putschisten verherrlicht und der Strafe entzichen will, daß schließlich zahlreiche ihrer Provinzorganisationen das Aben⸗ teuer Kapps zu ihrer Sache, zu ihrem Triumphe gemacht haben. (Sehr richtig! bei den Mehrheitsparteien.)
Hat nicht der Bund der Landwirte in Schleswig⸗Holstein der eneuen Regierung“ sein vollstes Vertrauen ausgesprochen? (Höͤrt! hört! bei den Mehrheitsparteien.) Hat nicht der Deutschnationale Landesverband von Mittelschlesien es mit größter Befriedigung be⸗ grüßt, daß die Putschisten Erfolg hatten, und anschließend in seinem Aufruf geschrieben, er bringe ähnen sein vollstes Vertrauen entgegen und sei überzeugt davon, daß die „neue Regierung“ ihren richtigen Weg eingeschlagen hat? (Hört! hört! bei den Mehrheitsparteien.)
Können Sie alledem gegenüber den Putsch von sich abschütteln? (Zurufe rechts: Jawohl! — Lachen bei den Mehrheitsparteien.) k16 I offen, nicht als Partei haben Sie das Unglück über unser Vaterland heraufbeschworen, sondern insgeheim und trotz ihrer offi⸗ ziellen Verurteilung aller Gewaltaktionen. Graf von Posadowsky, der eine Erklärung für Sie abgab, und zahlreiche andere stehen sicher auf dem Boden dieser Verurteilung. Die Blutschuld der unseligen Märzwoche fällt auf den Flügel Ihrer Partei, der sich um den Rene⸗ gaten Traub gebildet hat (sehr richtigt bei den Mehrheitsparteien) um den Mann, der die Organisation des Putsches in die Uaiversitäts⸗ jugend getragen hat (Rufe: Pfui!) — wir haben schriftliche Beweise dafür — fällt anf die Demagogen der nationalistischen Hetze, in deren vergiftendem Dunst der Wahnsinn dieses Putsches entstehen konnte. (Sehr richtig! bei den Mehrheitsparteien.) Ich klage Sie im Namen der ungeheuren Mehrheit unseres Volkes an, zum zweiten Mal für Deutschland den Krieg verloren zu haben und allein schuldig zu sein an allem Blut und an allen Trümmern, die heute Deutschland wieder erunstalten (sehr richtig; bei den Mehrheitsparteien. — Unruhe rechts), als allein schuldig! Die Herren haben ja schon versucht, den Mehrheitsparteien und der Regierung die Schuld aufzuladen. Ich haäbe bereitz nachgewiesen daß es eine Lüge sei, wenn behauptet wird, wir hätten durch irgend⸗ welche Handlungen das Volk gegen uns aufgebracht und damit den Putsch verschuldet. Volk war an diesem Putsch nicht beteiligt, nur deutschnationale Verräter und irregeleitetes Militär. (Sehr rie btig! bei den Mehrheitsparteien.) 88 Warum aber erzählen uns die Herren immer nur von den an⸗ scheinend harmlosen Forderungen, denen wir nicht entsprochen hätten, Forderungen nach Neuwahlen, Wahl des Präsidenten durch das Volk und nach Fachministern. (Zurufe rechts: Korruption! — Gegen⸗ rufe links: Bredereck!l) — Reden Sie doch nicht von Korruption Herr Abgeordneter von Gräfe; denken Sie an Ihren Bredereck da haben Sie genug Stoff. (Unruhe rechts.)
Der ganzen Welt ist schon aufgefallen, auf was für lächerliche gar nicht im Verhältnis zu den verbrecherischen Mitteln stehende For⸗ derungen hin ein Militärputsch angeblich gemacht worden sein soll. Mein Herr Vorgänger hat schon in Stuttgart des Rätsels Lösung angedentet. Nicht für Fachminister hat sich das irregeleitete Militär begeistert, als es Raubrittern gleich in Berlin wie in eine feindliche Stadt einbrach, sondern die letzte Forderung des Generals von Lütt⸗ witz war es, die den nationalistischen Taumel entzündete, die der urteilslosen, chauvinistisch verseuchten Jugend die Forderung im⸗
portierte: nicht Abrüstung, sondern Aufrüstung des Militärs (leb⸗ hafte Rufe: Hört, hörtt bei den Mehrheitsparteien), heimliche Sabo⸗ tierung des Friedensvertrags, Vorbereitung des Revanchekrieges. (Hört, hört! bei den Mehrheitsparteien.) Auch dieses Unkraut ist auf deutschnationalem Acker gewachsen. (Sehr wahr! den Mehrheits parteien.) Auch diese Parole stammt aus Ihrer (nach rechts) Ge⸗ dankenwelt (Zustimmung bei den Mehrheitsparteien) oder richtiger aus Ihrer Gedankenlosigkeit. (Lebhafte Zustimmung bei den Mehr⸗ heitsparteien.) Deshalb wehte drei Tage lang die Kriegsflagge über Berlin als Ihr teuerstes Symbol. Das war der Sinn des Kapp⸗ Putsches: Revanche. b
Wir haben Ihnen das Schweit aus der Hand geschlagen, das nicht
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den einstigen Gegnern, wohl aber dem eigentlichen Volke um so tiefere Wunden geschlagen hat. Der Generalstroik, dessen Pavole an tausend verschiedenen Stellen das deutsche Volk einheitlich ausgegeben hat, hat Sie bereits als Schuldige verurteilt. Der Tag der Wahlen wird Ihnen die endgültige Antwort geben, von der Ihnen rein Titelchen geschenkt werden soll. (Lachen und Zurufe rechis.) Noch lange wird das deutsche Volk unter den Folgen dieser abenwitzigen Vier-Tage⸗ Herrschaft zu leiden haben. Noch ist nicht das ganze Land beruhigt. Die Anarchie von rechts ist im rheinisch⸗westfälischen Indust riegebiet in Anarchie von links umgeschlagen. (Zunufe rechts.) Ni ht überall dort, wo gearbeitet wird, ist die staatliche Ordnung wiederhergestellt. Aber die Sehnsucht nach der Rückkehr zu verfassungsmäßigen Zu⸗
ständen wächft unter der friedlichen Arbeiter⸗ und Bürgerbevölkerung sagen uns Deputativnen und Meldungen von dort, die aus den Kreisen aller politischen Parteien stammen. In unserem westlächen I ndustrie gehiet sind viclfach Waffen in die Hände von Leuten gelangt, für lich machen werde. Die Fälle mehren sich dort, in denen bewaffnete Individnen in friedliche Bürgerhäuser oindringen, um sich fremdes Eigentum widervechtlich anzucignen. Mit vorgehaltenem Revolver versuchen Räuber Banken und städtischen Kasson Gelder abzupressen.
hungernd völkerung bestimm sind. Wesel stehen Heer⸗ haufen im Kenpfe, die von den Veröchtern der staatlichen Ordnund gegen verfassungstreue Tnuppen geführt werden, und das sechs Tage, nackdem die Verfassungsbrecher von rechts dusammenbrechen. Das sind Zustände, die nicht länger geduldet werden dürfen. (Lebhafte Zustim⸗ mung bei den Mehrheitsparteien.) Die Anarchisten von links müssen mit demselben Maß gemessen werden wie die Anarchisten von rechts. (Sehr richtig! bei den Mehrheitsparteien.) Die Regierung wird sich auch dieser Bewegung gegenüber durrchzusetzen wissen. Die Vorberei⸗ tungen dazu sind getroffen. Ich hosse, daß sich in letzter Stunde die Eimsicht durchsetzen wird, daß unser schwergeprüftes Volk nicht vor dem Untergange bewahrt bleiben wird, wenn sich nicht alle Volksgenossen schnell gurückfinden auf dem geordneten Boden der wahren Demokratie. Lebhafte Zustimmung links.) Meine Damen und Herren! Weg mit der Vergangenheit, die mit dem Bankwtt der deutsch⸗ nalionaleen Phreseologie gekennzeichnet ist. (Lachen rechts. — Lebhafte Zustinmmng bei den Mehrheitsparteien. — Ernentes Lachen rechts.) Auf in die demokratische Zukunft! Der Generalstreik ist abgebrochen. Alle Bevpölkerungskreise, alle Berufe, alle Schichten, soweit sie auf dem Boden der Verfassung stehen, haben den Kampf entschieden, haben das letzte Aufflammen des Militarismus erstickt. Diese gemein⸗ same Front, der sich die Unabhängigen in gleicher entschiedener Gegner⸗ schaft in Hochvwerrätereien angeschlossen haben, verliert ihren eigent⸗ lichen Wert, wenn sie nur aus der Not, nicht aus der politischen Ueberzeugung geboren ist, das heißt, wenn sie wohl bei der augenblick⸗ lichen Bedrohung zustande kommt, nicht aber dauernd als Grundlage unserer ganzen Politik gedacht ist. Wir haben weder Grund noch Zeit, Siege zu feiern oder die Hände in den Schoß zu legen. (Sehr richtig! Uinks.) Wem es mit der Republik ernst ist, der sieht die mannigfachen Gefahren, die uns noch bedrohen, der setzt alles Besserwissen, alle Rechthaberei im einzelnen zurück, um in Reih und Glied seine Pflicht gegen die Demokratie zu tun. (Sehr richtig! bei den Mehrheits⸗ parteien.) Wir kommen nur durch, die Republik, mehr noch das Reich, kann nur bestehen, wenn alle demokratisch Denkenden zusammen⸗ stehen. Geschieht das nicht, so hat das verbrecherische Zwischenspiel Kapps nur die katastrophalen Folgen, die wir überall feststellen können, und nicht einmal die einzige gute Folge, dem Volk die Augen über den Weg der Nationalisten und Militaristen zu öffnen. Heute hat das ganze Ausland sich überzeugt, daß das Deutschland Luden⸗ dorffs und Lüttwitz' endgültig abgewirtschaftet hat. (Bravol bei den Mehrheitsparteien.) Alle Meldungen aus dem Ausland und zahlreiche Besuche offizieller Vertreter haben den Nachweis geliefert, daß der Sieg der Demokratie jenseits unserer Grenzpfähle hoch und günstig gewertet wird. (Bravo! bei den Sozialdemokvaten.) Wir selbst würden dieses Aktivum der deutschen Weltpolitik zertrümmern, wenn wir von der Linie abwichen, die wir zusammen in dem Kampf eingenommen haben.
Mit dem Bolschewismus mache man uns nicht bange. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Wir lehnen ihn ab mit aller Entschiedenheit, mit aller Einmütigkeit. (Bravol bei den Sozial⸗ demokraten.) Wir werden ihn bekämpfen, wir werden alles tun, um ihm in Deutschland weder Nährboden noch Grund zu geben. Aber die größte Gefahr, die nächste, die bewaffnete, kommt von rechts. (Sehr richtig! links. — Zurufe rechts.) Wir haben die Pflicht, die Schuld der Rechten, die nach Menschenleben und Verlusten an Nationagleigentum rechnet, festzustellen. Ich zweifle keinen Augenblick daran, daß das Volk auf unsere Anklage hin sein gerechtes Urteil fällen wird. Eebhafter Beifall bei den Mehrheitsparteien.)
Auf den Vorschlag des Präsidenten wird die Aussprache der Parteien über die Erklärung der neuen Regierung bis nach Erledigung der Tagesordnung verschoben.
Der Gesetzentwurf über vorläufige Rege⸗ lung des Reichshaushalts für 1920, der dritte Nachtrag zum Reichshaushaltsplan für 1919 und der Entwurf eines Besoldungsgesetzes werden ohne Erörterung dem Haushaltsausschuß, der Staatsvertrag über den NUebergang der Staatseisenbahnen auf das Reich wird einem besonderen Ausschuß von 28 Mitgliedern, der Entwur eines Reichsausgleichsgesetzes dem VI. Ausschuß überwiesen.
Die “ über die Besteuerung der Reichsbank für 1919 und über das deutsch⸗ französische Abkommen, betr. den Kehler Hasen, gelangen ohne Erörterung in allen drei Lesungen durch unveränderte Annahme zur Erledigung.
Der Gesetzentwurf wegen Aburteilung
hochverräterischen Unternehmer aus dem März 1920 und der damit zusammen⸗ hängenden Straftaten durch die bürger⸗ lichen Gerichte wird dem Verfassungsausschuß, die Vor⸗ lage über ein Enteignungsrecht von Gemeinden bei Aufhebung oder Ermäßigung von
i s 1 der
b Rayonbeschränkungen dem Wohnungsausschuß über⸗ wiesen.
Hieran
r Sitzung bis 1 Uhr 1
f wird um 11 ¼ Uhr die Fortsetzung d interbrochen. 8
Um 1 Uhr 5 Minuten wird die Sitzung wieder aufge⸗ nommen.
Das Haus tritt in die Besprechung der Regierungserklä⸗ rung ein. Abg. Bolz
(Zentr.): Das deutsche Volk geht einen bitteren Leidenawvean. Das
89 deutsche Volk ist verloren, wenn wir uns kein Ziel stecken und den Glauben an unsere Zukunft verlieren. Das Ziel kann nur sein: Erbaltuna des Reiches und allmähliche Gesundung unsever Wirtschaft, und dieses Ziel kann nur erreicht werden, wenn die große Masse unseres Volkes zur Ruhe und Besonnenheit gebracht wird. Die überwiegende Mehrheit des Volkes hat sich zur politischen Arbeit bereit gefunden. Diese Politik der Sammlung birgt die Notwendig⸗ keit in sich zum Nachgeben, zum Verzicht, zum Vergleich. Ein solcher Verzicht bedeutet keine Schwäche, sondern Klugheit. Glück⸗ lich haben wir die Stunde überwunden, in der Großes an Kleinem zu scheitern drohte. Die in harter Arbeit erprobte Koalition hat Ohne sie gibt es keine Rettung für das deutsche Volk. (Sehr richtig! b. d. Mehrheit.) Bei uns herrschten ge⸗ gesteigerter Uebermut rechts und links und zu große Vertrauensselig⸗ keit in der Mitte. Ueber Nacht standen wir vor der größten Gefahr, hervorgerufen durch die politischen Narren von rechts und von links. Das Verdienst an diesem traurigen Werk bleibt der Rechten, einer deurschnationalen Gruppe, die nur nicht deutsch und nicht national war. (Sehr richtigt im Zentrum.) Die Opposition von rechts war
Proviantlager werden geplündert. Die ländliche Bevölkerung wird
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tretenden Bolschewismus“ und findet noch im Gegensatz zu den
der Neochmuongsmittel berxmbt, die zu gerechter Verteilung unter die
in die Pläne eingeweiht, wie weit sie sie gefördert hat, wissen wir zur Stunde noch nicht, sie sind aber die Frucht ihrer Presse und ihrer Acgita 8 8 bl 7 2 8 8 Presi L
Acgitation. Diese Aaklage wird nicht durch Erklärungen entkräftet,
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mögen auch besonnere Kreise der Rechten den Verfassungsbruch nicht billigen. Solange aber die Opposition das politische Narrentum und Verbrechertum in ihren Kreisen duldet, muß sie diese Anklage über sich ergehen lassen. (Sehr richtig!) Die Tat vom 13. März war keine deutsche, sie war geboren aus Heuchelei und Verlogenheit. Es gibt keine frechere politische Lüge als die, daß man mit dem Ver⸗ fassungsbruch den Schutz der Verfassung bezweckte. Heute sind baldige Wahlen in Aussicht gestellt worden (Juruf rechts: Endlich!) Ich zweifle daran, daß Sie (nach rechts) mit dem Ausgang sehr zu- frieden sein werden. (Zuruf rechts: Abwarten!) Eine Kandidatur Hindenburg als Sammelparole 8- aussichtslos. (Zuruf: Abwarten!) Bei aller Hochachtung vor der Person Hindenburgs meine ich, die letzten 14 Tage mit ihren Torheiten hätten Sie onders belehren sollen. Der Ruf nach einem Fachministerium war nichts als Kampf⸗ ansage an das parlamentarische System und die Demokratie. Zu einem Ministerium gehören natürlich Fachkenntnisse, mehr noch aber eine kluge politische Führung. (Sehh richtigt) Die Zentrums⸗ dartei hat es abgelehnt, sich dem Aufruf zum Generalstreik anzu⸗ chließen. (Hört, hört!) Wohl mag der Streik gegebenenfalls zur Verteidigung von Recht und Ordnung das einzige Mittel sein, aber ohne Not darf im Lande nicht zum Streik geschritten werden. Das Verhalten der Regierung gegenüber der Bewegung im Ruhrgebiet findet unsere volle Zustimmung. (Beifall.) Einmal muß aber Ernst gemacht werden. Neue Umsturzversuche von rechts und links müssen im Keime erstickt werden. Den Reichskanzler muß ich bitten, nicht nur nach rechts zu blicken, sondern auch die Gefahren des Bolschewis⸗ mus nicht zu unterschätzen. (Sehr richtig!) Der offenbarste Mangel der Demokratie ist das Fehlen einer verläßlichen bewaffneten Macht. Neben dem Schutz des Vaterlandes ist die zweite Aufgabe der der Schutz der verfassungsmäßigen Regierung. Diese zweite Auf⸗ e steht zurzeit im Vordergrunde. Wir sagen der Reichswehr und er Sicherheitswehr unseren wärmsten Dank, daß sie treu zur Ver⸗ fassung gehalten haben. Unsere Truppe muß gereinigt werden, die verdächtigen Elemente, sowohl Offiziere wie Mannschaften, müssen heraus. Wenn seitens der Unabhängigen und Kommunisten die ausschließliche Bewaffnung der Arbeiter verlangt wird und die Er⸗ füllung dieser Forderung als Vorstufe der Rätediktatur gepriesen wird, müssen wir das entschieden zurückweisen. Man mutet uns zu, das Messer aus der Hand zu geben, um uns die Kehle durchschneiden zu lassen. Wir verlangen auch die Aufhebung der heimlichen be⸗ waffneten Macht; sie ist eine ständige Gefahr für Ruhe und Ordnung. Wer nicht zur Reichs⸗ und Sicherheitswehr gehört, muß entwaffnet werden. Der Schutz der Verfassung verlangt auch die Bestrafung des Verfafsungsbruches. Mit den Amnestien muß endlich Schluß ge⸗ macht werden. Der Schutz der Verfassung muß nach rechts und nach links gleichmäßig durchgeführt werden. Die gleichmäßige Verfolgung des Verfassungsbruches nach rechts und links hindert aber nicht eine verschiedene Bewertung; auf der einen Seite stehen die Arbeiter⸗ massen, auf der anderen Seite “ die sich als Intelligenz be⸗ zeichnen und die Führung des Volkes beanspruchen. Der Unterschied im Maße der Bildung rechtfertigt auch einen Unterschied im Maße der Pflichten. Um eine politische Beruhigung unseres Volkes zu er⸗ reichen, vervlangen wir, daß energischer als bisher gegen die politische Verhetzung des Volkes vorgegangen wird. Es kann nicht länger ge⸗ duldet werden, daß das po 1 Gesindel aus dem Osten unser Volk verhetzt und korrumpiert. Diese müssen das Land verlassen. Das Arbeitsprogramm, das heute der Reichskanzler bekannt⸗ gegeben hat, zeigt uns eine Ueberfülle von Aufgaben. Die Herrschaft der Schieber, Michtzmer und Volksverräter hat ein Ende, so wurde in einer Proklamation gesagt. Bedauerlich ist es, daß wir uns ein⸗ gestehen müssen, daß die staatlichen Maßnahmen gegen die Wucherer und Schieber seither keinen Erfolg gehabt haben. Solange wir nicht einen Ueberfluß an Waren haben, können wir nicht an die Auf⸗ hebung der Zwangswirtschaft denken. Ich muß eingestehen, daß unsere Warnungen vielsach in den eigenen Parteikreisen nicht gehört wurden. Ich hoffe, daß die letzten 14 Tage den Mißmutigen und Zweiflern in unserer eigenen Partei die Augen geoffnet haben.
(Beifall.)
nig. Henke (. Soz.)“ Wie steht es mit Noske? Er hat alles veploren, sogar die Ebhre, die er als Sozicl⸗ demokrat zu verlieren hatte. Gewiß. aus den Kreisen des Unternehmertums trauem ihm manche Leute nach, aber sogar von seinen eigenen Parteigenossen fordern jetzt viele, daß er vor einen Stäatsgerichtshof gestellt werde. Mit den Heil⸗ mann und Winnig gehört er in einen Topf. Er ist ein toter Manm. In den Dank, den der Reichskanzser der alten Regierung abstattete, stimmen wir natürlich nicht ein. Große Worte hörten wir schon in Stuttgart. Aber was ist geschehen? Es haben standgerichtliche Er⸗ schießungen stattgefunden. Angehörige meiner Partei sind erschossen worden, und diese Schandtaten der Militärmacht hat die alte Regie⸗ rung nicht hindern können und die neue Regierung stützt sich wieder auf sie. Das Niederwerfen des Putsches ist nur den Arbeitern und proletarischen Beamten zu danken. Das Bürgertum hat nur ge⸗ zwungenermaßen mitgemacht. Daher auch die Angst vor der Arbeiter⸗ schaft und die Wut gegen sie. Nichts ist geschehen, um die Baltikum⸗ huppen zu entwaffnen. Die Feigen verkriechen sich jetzt hinter der Formel „Bekämpfung des Bolschewismus“. Die Handlungen der Regierungen stimmen nicht überein mit den Worten des Reichskanzlers gegen den Bolschewosmus. Die Regierung ist gegen den Militaris⸗ mus ohnmächtig, wenn sie sich nicht auf das bewaffnete Proletariat tützt. Die Mohrheitssozichsten haben nicht den Mut gehabt, unsew Forderung nach einer vein sozialistischen Regierung zu unterstützen. Wir können den Ministern leider kein Vertrauen entgegenbringen. Wir haben vor allen Dingen kein Vertrauen zu dem neuen Reichs⸗ wehrminister. Der Generalstreik ist kein Beweis für das Vertvouen des Volkes. Die Arbeiterschaft mu bei den Wahlen das Werk des Gaveralstreiks fortsetzen und eine sozialistische Mehrheit zustande bringen cef dem Wege des wirklichen Kampfes. 2 Frage der Sogra⸗ lisierung ist durch die Rede des Reichskanzlers nicht im minde eklärt. Schieber und Wucherer will man bekämpfen, aber die Repu⸗ blik bleibt doch lapitalistisch. Die Arbeiter im Westen fürchten mit Recht das Eindringen der Reichswehr, an deren ze Generval Watter steht. So darf man den Arbeitern nicht begegaen, wenn man ihr Vertrauen gewinnen will. Noch niemals hat man so große be⸗ waffnete Arbeitermassen gesehen wie jetzt. Sie haben geregelte Schlachten lefern können. Das hat die Arheiterschaft mit Feaßr. und Achtungsbewußtsein erfüllt. Wenn man den Leuten mit Ru begegnet und die Truppen zurückzieht, so wird es eine Kleinigkeit sein, die Arbeiter zum Niederlegen der Waffen zu bewegen. Sonst droht die Gefahr, daß unter den Arbeitern ein neues Blutbad angerichtet wird. Andererseits droht die wirtschaftliche Gefahr, daß, wenn die Arbeiter zur Verzweiflung getrieben werden, die Koblenberawerke zer⸗ stört werden. Die Arbeiter wuürden es nicht ruhig mit ansehen, wenn ihre Brüder im Ruhrrevier abgeschlachtet werden, ein neuer General⸗
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streik drobt. Diese Gesahr läßt sich nur durch eine verwünftige Poli⸗ tik abwenden. Das Hauptproblem unserer inneren Politik bleibt die
ekämpfung des Militarismus, die Beseitigung der Ueberreste des alien Mililarismus. In dieser Hinsicht sind wir durch die Rede des Reichskanzlers vollkommen enttäuscht. Die Arbeiterschaft sübt ein, daß sie nur der Zusammenschluß auf der Grundlage des revolutionären Klassenkampfes zur Verwirblichung ihrer Ziele führen lann (Beifall
i den U. Sez.).
Abg. Legien (Soz.): Die timmt dem Regierungsprogramm iu gierung ihr Vertrauen aus. Mein Vorredner hat allerdings sedem einzelnen Minister das Vertrauen abgesprochen. Diese rülärung steht im erfreulichen Gegensatze mden Gewerk⸗ haftsverkretern der Unabhängigen. (Hört! Hört!) Die Ge⸗ werkschaftsvertreter haben von den neuen Ministern nur die Aner⸗ kemung der sogenannten acht Punkte verlangt und waren im übrigen bereit, die neuen Minister zu unterstützen. Ich hoffe, daß dieser Gegen⸗ satz nicht lange bestehen wird, und die Unabhängigen endlich zu der Ueberzeugung kommen werden, daß es mit diesem System der Politik,
sozialdemokratische Frakkon und spricht der Re⸗
seit Soahrzehnken bei der deutschen Arbeikerklasse gegolien baben. 4 Sehr gut!) Ich hoffe, daß die Gewerkschaflen die unabhängige Sozial⸗
demokratie darüber belehren werden, was im Interesse der Arbeiter⸗
schaft notwendig ist. Das Vermögen der Hochverräter muß dazu dienen,
der arbeitenden minderbemittelten Bevölkerung die Versorgung mit
Nahrungsmitteln zu erleichtern. Der Generalstreik wurde vom Bun⸗
desvorstand schon am 13. März, 11 Uhr., beschlossen. ohne daß er
Kenntnis hatie vom Aufruf der sozialistischen Minister und des Reichs⸗
präsidenten; beide Kundgebungen waren gleichartig, wenn sie auch nicht
gemeinsam erlassen wurden. Es hat sich in diesem Kampfe gezeigt
daß keine Regierung ohne Zustimmung der Arbeitnehmerschaft existenz⸗
fähig ist, auch wenn sie über die gewaltigsten Machtmittel verfügt.
Der Rebner geht dann auf das Vorgeben der Gewerkschaften während
der Tage des Putsches ein. Der Abbruch des Generalstreikes konnte
nicht erfolgen, weil erst eine vollständige Reinigung von den konter⸗
revolutionären Truppen erzielt werden mußte. Es ist behauptet worden, daß die acht Punkte der Vereinbarung mit den Gewerkschaften in Wiverspruch ständen mit der Verfassung und den Grundsätzen der Demokratie. Der Vorredner hat weiter gesaat, daß die gewerkschaft. lichen Organisationen durch die Vereinbarung, betr. den Generalstreik den bisherigen parteipolitischen Boden perlassen hätten. Diese Be⸗ hauptungen sind unrichtig. Es handelt sich in diesem Falle nicht um eine parteipolitische Stellungnahme, sondern um den Kampf um ihre ureigensten Rechte, das Koalitionsrecht und die Freiheit des deutschen Volkes. Es war ausdrücklich gesagt, daß die neue gesetzliche Regierung erst nach Verständigung mit der gewerkschaftlichen Organisation auf⸗ gestellt werden sollte. Die Verfassung ist also nicht verletzt. Ebenso sollten die gewerkschaftlichen Organisationen bei der Vorarbeit der Ge⸗ setze herangezogen werden, nicht erst dann. wenn sie den Reichstag schon passiert haben. Nachdem diese Vereinbarungen getroffen waren, wurde der Generalstreik am 20. März, morgens, für abgebrochen er⸗ klärt, die Arbeit sollte am 22. März früh wieder aufgenommen werden. Aber an diesem Morgen glich Berlin wieder einem Heerlager. Eine ungeheure Aufregung bemächtigte sich der Arbeiterschaft. Beim Benzin⸗ lagerplatz in Köpenick kam es zu einem Kampfe zwischen den Re⸗ gierungstruppen und den Arbeitern. Unter diesen Umständen wurde die Fortdauer des Generalstreiks von der Arbeiterschaft erklärt, und neue Verhandlungen wurden mit dem Reichspräsidenen und dem Reichskanzler geführt, die den endgültigen Abbruch des Generalstreiks am 23. März ermöglicht haben. Die Erregung unter der Arbeiterschaft ist tatsächlich erst aufgetreten, nachdem ganz überflüssigerweise für den Montag wieder Militär aufgeboten war. Nun will die Unternehmer⸗ schaft diese Tage des Generalstreiks den Arbeitern nicht bezahlen. Ich richte an die Unkernehmerschaft wie an die Reichsregierung die Auf⸗ forderung, alles aufzubieten, um den Arbeitern für den Lohnausfall einen Ausgleich zu bieben, und ich boffe, daß die heutigen Verhand⸗ lungen der Arbeitsoemeinschaft über die Frage zu einem der Arbeiter⸗ schaft günstigen Resultat führen werden. Es darf aber nicht sein Be⸗ wenden haben bei der Vereinbarung: alles hänat von ihrer schleunigen Durchführung ab, und geradezu verhängnisvoll für das Reich wäre es. wenn die Arbeiterschaft auch diesmal wieder enztäuscht würde. Mit der unsittlichen Art der Agitotion gegen den Bolschewismus muf endlich auch aufgeräumt werden. Damit wollen die Kreise der Putschisten nur die Arbeiterschaft unter sich verhetzen. In Deutschland ist kein Boden für den Bolschewismus. (Stürmischer Wederspruch rechts.) Eine solche Regierungsform ist nur möglich in Ländern, wo keine ausreichende Arbeitnebmerorganisation vorhanden ist. In Deutschland hat die So⸗ zialdemokratie in Gemeinschaft mit den Gewerkschaften die Macht, zu überwinden, was man Bolschewismus nennt, und dazu wird auch die Vertretung der Unabhängigen in den Gewerkschaften mitwirken. (Bei⸗ fall bei den Sozialdemokraten.)
Reichswehrminister Dr. Geßler: Meine sehr verehrten Damen und Herren! In meinem Ressort ist zurzeit jedenfalls di Hauptsache mehr das Handeln als das Reden (sehr richtig!), und doch gebietet die Stunde wenigstens einige Worte.
Kein Teil unserer öffenklichen Verwaltung ist durch das ver⸗ brecherische Abenteuer von Kapp und Lüttwitz mehr erschüttert worden als unsere Landesverteidigung. Die Reichswehr steht mitten im Brenmn⸗ punkt der Krisis, die unser armes Volk erneut in einen Fieberzustand geworfen hat. Es hat sich nicht nur zwischen weiten Kreisen des Volkes und der Reichswehr eine breite Kluft aufgetan, sondern auch die Reichswehr selbst ist durch den verbrecherischen Wahnsinn des ge⸗ planten Staatsstreiches aufs schwerste erschüttert worden. Diese Kluft so schnell als möglich wieder auszufüllen, Ordnung auf der Grundlage des Vertrauens schleunigst wieder herzustellen, sehe ich als meine nächste Aufgabe an. (Sehr richtig!) Ich werde versuchen, sie zu lösen. Dabei ist es mir klar, daß die dauernde Heilung nicht durch Gewaltkuren von außen, sondern durch einen Gesundungsprozeß von innen heraus kommen kann (sehr richtig!); denn das Problem ist in erster Linie ein Problem der Gesinnung.
Die Konsequenz aus den Erfahrungen, die bei dem Lüttwitzschen Abenteuer gemacht wurden, mußte zu diesem Zweck rasch gezogen werden. Führer, die nicht rückhaltlos auf dem Boden der Verfassung stehen, und im kritischen Augenblicke des Staatslebens Politik auf eigene Faust machen, sind unmöglich. (Lebhafte Zustimmung bei den Mehrheits⸗ parteien.) Ihre Entfernung ist die erste Voraussetzung für die Wieder⸗ herstellung des Vertrauens. (Sehr richtig! bei den Mehrheitsparteien)
In Amvendung dieses Grundsates sind bisher ausgeschieden oder ven ihren Stellungen enthoben worden: die Generale von Lüttwitz, von Estorff, von Bernuth, Hagenberg, von Grodeck, von Crüger, Maercker, von der Hardt, General Strempel (Zuvuf bei den Sozial⸗ demokraten: Lettow⸗Vorbeck!), die Obersten von Owen, von Wangen⸗ heim, Ledebour, Zedlitz, die Oberstleutnants von Clewitz, die Majore von Miaskoweky und Hagemann. Außerdem sind zahlreiche Offiziem von ihren örtlichen Befehlshabern vom Dienste suspendiert worden.
Jeder Fall, der zu meiner Kenntnis kommt, wird eingehend und rücksichtslos, aber auch gerecht und unparteiisch untersucht werden. Deshalb habe ich eine Untersuchungskommission zur Prüfung des Verhaltens der Offiziere während der Märzvorgänge eingesetzt. Zu⸗ gleich ist auch diesem hohen Hause eine Vorlage vorgelegt worden, daß alle an den Märzvorgängen schuldig befundenen Militär⸗ und Zivilpersonen durch die bürgerlichen Gerichte abgeurteilt werden. Um aber keine Zeit zu verlieren, sind die militärischen Gerichtsherren angewiesen worden, für alle Fälle, die zu ihrer Kenntnis gekommen sind, sofort das gerichtliche Verfahren einzuleiten. Für die Gene⸗ rale habe ich das Kommandanturgericht in Berlin hiermit beauftragt.
Hauptsächlich aber — und darauf lege ich besonders Gewicht — habe ich nach allen Brennpunkten der Bewegung wie Hamburg, Stettin, Dresden, Halle, Magdeburg, Gotha, Altenburg, Schwerin, Jena, Naumburg bewährte Offiziere mit eingehenden Richtlinien entsandt, die angewiesen sind, in engster Verbindung mit den Zivil⸗ stellen für Aufklärung und Ruhe zu sorgen und sich über das Ver⸗ halten der militärischen Führer zu unterrichten. In die am meisten gefährdeten Bezirke sind sofort Zivilkommissäre mit umfassenden Vollmachten zur Feststellung des Sachverhalts abgeordnet worden.
Besonders schlimm haben sich die Verhältnisse in Kiel und Wil⸗ helmshaven dadurch gestaltet, daß Admiral von Trotha, der bis⸗ herige Chef der Admiralität, sich sofort den Herren Kapp und Lütt⸗
wie sie es treiben, nicht weitergeht, nämlich einfach zu kritisieren, ohne die bessernde Hand anzulegen; das entspricht nicht den Grundsätzen, die
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witz zur Verfügung gestellt hat (hört, hört! bei den Sozialdemokra⸗
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ken), wodurch eine ganz heillose Verwirrung in der Befehlsgebumd eingetreten ist.
Nach Wilhelmshaven ist der Herr Abgeordnete Vesper, nach Kiel als Staatskommissär Herr Dr. Köster entsandt worden. Die⸗ selben Absichten bestehen für Schleswig, Ostpreußen und Pommern. Wir erwarten von dieser Regelung rascheste Klärung der Verhält⸗ nisse. Ebenso notwendig wie rasches und energisches Vorgehen gegen die Schuldigen ist, — und darin glaube ich mich mit dem hohen Hause ebenfalls einig zu finden —, daß die Untersuchung mit absolu⸗ ter Gerechtigkeit und Unparteilichkeit geführt wird. (Sehr richtigl). Proskriptionen lehnen wir ab nach rechts und nach links (Sehr gut!). Auch die Reichswehr ist ebenso gut wie irgendein anderer Berufs⸗ zweig ein Teil des deutschen Volkes und hat wie alle Angehörigen des deutschen Volkes Anspruch auf ein geordnetes Rechtsverfahren. (Sehr richtig! im Zentrum und bei den Deutschen Demokraten). Dies ist um so notwendiger, als zweifellos eine ganze Anzahl von Offizieren durch ihre Gehorsamspflicht in einem überaus schweren Gewissenskonflikt hineingetrieben worden ist. Der Parole zum Generalstreik stand der strikte Auftrag an die Kommandos gegen⸗ über, die lebenswichtigen Betriebe unter allen Umständen für die Bevölkerung sicherzustellen. Dadurch entstanden in zahlreichen Orten Konflikte, die die Truppe in den Verdacht brachten, als ob sie für die Kapp⸗Lüttwitzschen Unternehmungen eintrete. Ich hoffe be⸗ stimmt, daß, wenn einwandfreie Feststellungen vorliegen, sich er⸗ geben wird, daß nicht nur in Süd⸗ und Westdeutschland, sondern auch in den übrigen Teilen Deutschlands weite Kreise der Reichs⸗ wehr durchaus treu hinter der Regierung gestanden haben. Diesen treugebliebenen Kommandostellen — Offizieren, Unteroffizieren und Mannschaften — volles Vertrauen entgegenzubringen, ist mir be⸗ sondere Pflicht.
Daß wir auch in kritischen Tagen auf einen festen Stamm tren⸗ gebhebener Truppenteile vechnen konnten, ist das historische Verdienst der hingebenden Arbeit, die mein Vorgänger Noske dem Wiederauf⸗ bau des Heeres gewidmet hat. (Beifall bei den Sozialdemokraten, bei den Deutschen Demokraten und im Zentrum.) Es wird das ganz besondere Verdienst meines Vorgängers Noske bleiben, daß wir nach dem schweren Zusammenbruch des Heeres in verhältnismäßig kurzer Zeit doch wieder eine Truppe aufstellen konnten, die auch über diese Krisis hinweg zum Schutze Verfassung ausgereicht hat. (Bravo! bei den Deutschen Demokraten.) Daß er in seinem Vertrauen von einer Anzahl Führer allerdings auf das schmählichste getäuscht worden ist, ist eine besondere Tragik, unter der heute nicht nur er, sondern die ganze Reichswehr leidet. (Sehr richtig! bei den Sozialdemo⸗ kraten.) 1—
Bei den Zusammenstößen, die in Berlin und auch anderwärts zwischen der Bevölkerung und der Reichswehr leider vorgekommen sind, ist es nach den Pressenachrichten und auch nach sonstigen Mit⸗ teilungen, die mir geworden sind, zu überaus bedauerlichen Aus⸗ schreitungen gekommen. (Sehr richtigt bei den Sozialdemokraten.) Ueber die Einzelheiten sind auch hier Untersuchungen im vollen Gange. Auch hier ist rasche und gerechte Sühne die erste Voraussetzung für die Wiederherstellung der Ordnung und des Vertrauens. Die Schul⸗ digen müssen rücksichtslos zur Vevantwortung gezogen werden.
Zuerst freilich, meine sehr verehrten Damen und Herren, muß alles geschehen, um äußerlich die Ruhe und Ordnung im Lande wiederherzustellen. Unter der Herrschaft des Belagerungszustandes ist eine grundsätzlich ordnende Arbeit nicht möglich. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten und bei den Unabhängigen Sozialdemo⸗ kraten.) Die Truppen müssen in die Kasernen und die Bevölkerung zur friedlichen Arbeit zurückkehren. (Sehr richtig! Uinks.) Das ist die erste Voraussetzung, um aus diesem Wirrwarr herauszukommen und ein einigermaßen klares Bild bekommen zu können. (Zustimmung.) Wir sind entscklossen, mit dem Abbau des Belagerungszustandes auf das rascheste vorzugehen und damit zum Ansdruck zu bringen, daß wir der Bevölkerung Vertrauen entgegenbringen, und die Beoob- achtung der Verhältnisse in Berlin in diesen Tagen gibt uns das Recht, den Belagerungszustand raschestens abznbauen. (Sehr gutl! links.)
Eine ernste Sorge freilich, meine sehr verehrten Domen und Herren, macht uns im Augenolick das Ruhrgebiet. Die Schywierig⸗ keiten dort bestehen darin, daß aus der Abarehr gegen das Kapp⸗ Lüttwitsche Unternehmen eine andere Bewegung hervorgewachsen ist auf die heute niemand mehe in diesem hohen Hause irgendeinen Einfluß hat. (Hört, hört! rechts. — Bewegung.) Auch der Partei des Herrn Abgeordneten Henke sind diese Kreise vollständig entglitten. (Hört, hört! rechts.) Auch die Unabhängige Partei hat auf diese Kreise keinen Einsluß mehr, (Hört, hört! rechts), und der Versuch der unabhängigen Führer, die abgeordnet waren, um zu veronlassen, daß von diesen An⸗ griffen auf Wesel endlich abgesehen wird, hat damit geendet, daß auch diese Abgesandten in Gefahr gekommen sind, an die Wand gestellt zu werden. (Stürmische Rufe: Hört, hört! bei den Mehvcheitsparteien — Lebhafte Rufe rechss. — Gegenruse links.) Meine sehr verehrten Herven! Ich glaube, wenn wir vorwärts kommen wollen, dann müssen wir Alar sehen, ich glaube, nichts not dem deutschen Vorke in diesen Tagen notwendiger als Klarheit, aus dem Fieberzustand herauszu⸗ kommen und die Dinge wieder zu nehmnen, wie sie sind. Dazu ist aber auch nötig — und das möchte ich den Herren der Rechten sagen —, daß wir alle anerkennen, daß bei den Verhältnissen, wie sie sich im Ruhr⸗ revier herausgebildet haben, das richtig ist, was der Herr Reichskanzler heute früh gesagt hat, daß man leiner der polikischen Parteien in diesem Hause die Verantwortung dafür in die Schuche schoeben kann, was zur⸗ zeit im Rußhrgebiet drüben herrscht. (Sehr wahr! vochts.) Daß aber die Verhältnisse im Ruhrrevier so werden konnten, das ist die Folge dieses Kapp⸗Lüttwitz⸗Putsches. (Lebhafte Zustimmung bei den Mehr⸗ heitsparteien. — Rufe vechts: Längst vorbereitet!) Das ist der Fluch der bösen Tat (erneute Zustimmung bei den Mehrheiteparteien), daß sie fortgeugend Böses muß gebären. (Sehr richbig! bei den Mehrheits⸗ parteien. — Wiederho te Zuruse rechts: Vorbereitet!) Meine sehr ver⸗ ehrten Damen und Herren, mir kRegt alles ferner, als eine Polemik zu entfesseln, mir ist die Sache aber so heilig ernst, um die es jetzt geht, daß ich mich für verpfkichtet halte, das festzustellen. Es liegt mir durchaus fern, Sie (nach rechts) enva für die Sache im Ruhrgebiet ver⸗
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zwei Minister entsandt, die Herren Kollegen Giesberts und Braun. Es hat das getan, was Herr Kollege Henke von uns gefordert hat,
nämlich die Arbeiberschaft über das aufzuklären, was vorgegangen ist,