Hestehen Zweifel über die Person des Berechtiaten, so ist der Betpch nach den Vorschriften 8½ Feibünen Rechtes zu hinterlegen. 4 0 1
Einem Gläubiger kann im Falle dringenden wirtschaftlichen Be⸗ düshiger auf Antrag bereits nach der im § 17 vorgeschriebenen An⸗ meldung mit Zustimmung des zuständigen Finanzamts ein Vorschuß gewährt werden, foweit die Forderung dem Reichsausgleichsamte nach Grund und Betrag glaubhaft gemacht ist. Der Vorschuß soll die Hälfte des Betrags, der dem Gläubiger voraussichtlich auf Grund der Endahrechnung zustehen wird, nicht übersteigen; soweit er nachweislich zur Wiederaufnahme wirtschaftlicher Tätigkeit im Ausland ver⸗ wendet werden soll, kann er bis auf drei Viertel dieses Betrags erhöht werden.
Die Zustimmung des Finanzamts soll nur versagt werden, wenn Grund zu der Annahme besteht, daß ein Steueranspruch, des Reichs durch die Auszahlung des Vorschusses gefährdet werden würde. Die Zustimmung gilt als erteilt, wenn das Finanzamt binnen drei Wochen, nachkdem ihm das Ersuchen des Reichsausgleichsamts um Aeußerung zugestellt worden ist, keinen Widerspruch erhoben hat.
Die Gewwährung des Vorschusses sowie die Zustimmung des Finanzamts kann auch von der Leistung einer Sicherheit abhängig gemacht werden. b 8 8
Ist ein Vorschuß auf eine in ausländischer Währung ausgedrückte Forderung gewährt worden, so ist bei, der Endabrechnung über die Forderung von deren Neanbetrage derjenige Betrag abzuziehen, der sich bei der Umrechnung des Vorschusses in die ausländische Währung zu dem am Tage seiner Auszahlung an der Berliner Börse notierten Durckschnittsumrechnungskurs ergibt. Die Bestimmung des § 34 Abs. 2 findet entsprechende Eö
Auf die Beitreibung der auf Anordnung des Reichsausgleichsamts zu leistenden Zahlungen finden die Vorschriften des fünften Abschnitts des zweiten Teils der Reichsabgabenordnung entsprechende Anwendung mit der Maßgahe, daß an Stelle der Finanzämter das Reichsausgleichs⸗
amt tritt. 1 § 43. 1
Die Vorschriften des Abschnitts II 3 finden keine Anwendung auf Forderungen und Schulden Deutscher gegenüber den Angehörigen der neugebildeten Staaten (Artikel 296 d Abs. 4 des Friedensvertrags), soweit sie nicht nach § 10 Abs. 2 den Angehörigen eines anderen Staates gleickstehen, und gegenüber den Bewohnern dieser Staaten, die nach § 10 Abs. 2 deren Angehörigen gleichstehen.
Der Reichsminister für Wiederaufbau wird ermächtigt, diese Vor⸗
schriften auf die im Abs. 1 bezeichneten Forderungen und Schulden
auszudehnen oder andere Bestimmungen darüber zu erlassen. III. Mitwivkung des Reichsausgleichsamts bei anderweitiger Regelung don Geld⸗ verbindlichkeiten.
Die Vorschriften des Abschnitts III dieses Gesetzes finden An⸗ wendung auf
1. die in den Artikeln 296 und 72 des Friedensvertrags
bezeichneten Schulden Deutscher, soweit sie nach den Be⸗ stimmungen des Artikels 296 e oder infolge früherer Erfüllung oder aus anderen Gründen nicht durch Vermittlung von Prüfungs⸗ und Ausgleichsämtern zu regeln sind;
die in den Artikeln 296 und 72 des Friedensvertrags nicht
bezeichneten Geldverbindlichkeiten Deutscher, die während des
Krieges oder zur Zeit des Inkrafttretens dieses Gesetzes im
Deutschen Reiche ansässig gewesen sind, gegenüber solchen natür⸗
lichen oder juristischen Personen oder Handelsgesellschaften anderer Art, die im Gebiet eines alliierten oder assoziterten Staates während des Kriegszustandes zwischen diesem Staate und dem Deutschen Reiche ansässig gewesen sind, sofern das Rechtsverhältnis, auf welchem die Verbindlichkeiten beruhen, vor Beginn des Kriegszustandes entstanden, die Fälligkeit der Verbindlichkeiten vor Beendigung des Kriegszustandes ein getreten war und ihre Erfüllung nach Beginn des Kriegszustandes aus einem gerechtfertigten Grunde aufgeschoben worden ist;
.die in den Artikeln 296 und 72 des Friedensvertrags nicht
bezeichneten Geldverbindlichkeiten Deutscher, die während des
Krieges oder zur Zeit des Inkrafttretens dieses Gesetzes im Deutschen Reiche ansässig gewesen sind, gegenüber solchen natür⸗ lichen oder juristischen Personen oder Handelsgesellschaften anderer Art, die während der Zeit von Beginn des Kriegs zustandes mit Frankreich bis zum 10. November 1918 in Elsaß Lothvingen ansässig gewosen sind, sofern das Rechtsverhältnis, auf welchem die Verbindlichkeiten beruhen, vor dem 11. No⸗ vember 1918 entstanden, die Fälligkeit der Verbindlichkeiten vor dem 10. Januar 1920 eingetreten war und ihre Erfüllung nach dem 10. November 1919 entweder unverzüglich erfolgt oder aus einem gerechtfertigten Grunde aufgeschoben worden ist.
Die Vorschrift des § 24 Abs. 3 findet entsprechende Anwendung.
§ 45.
Als in einem Gebiet ansässig im Sinne des § 44 gelten diejenigen natürlichen Personen, die dort ihren Wohnsitz oder, sofern es sich um in ihrem Gewerbebetrieb' entstandene Forderungen oder Verbindlich⸗ keiten handelt, ihre gewerbliche Hauptniederlassung haben, sowie die⸗ jenigen juristischen Personen oder Handelsgesellschaften anderer Art, die in dem Gebiet ihren Sitz haben.
Der Inhaber eines gewerblichen Unternehmens, das in einem Gebiete nur eine Zweigniederlassung, micht aber seine Hauptniederlassung unterhält, gilt insoweit als auch in diesem Gebiet ansässig, als es sich um Forderungen oder Verbindlichkeiten handelt, die im Betriebe der Zweigniederlassung entstanden sind.
§ 46.
Ein Schuldner einer unter § 44 fallenden Verbindlichkeit, die arsdn deutscher Währung ausgedrückt war, auf Grund einer besonderen Rechtsnorm jedoch in einer ausländischen Währung bezahlt werden mußte, kann, sofern er die Verbindlichkeit ohne Verstoß gegen ein Zahlungsverbot erfüllt hat, von dem Reichsausgleichsamte die Erstattung des Unterschieds zwischen den Kosten der Beschaffung der von ihm für die Erfüllung aufgewendeten Zahlungsmittel, soweit diese Kosten den Tageskurswert der Zahlungsmittel nicht übersteigen, und dem Nennbetrage seiner Schuld verlangen.
Ein Schuldner einer unter § 44 fallenden, in ausländischer Währung ausgedrückten Verbindlichkeit kann, sofern er sie ohne Verstoß gegen ein Zahlungsverbot erfüllt hat, vom Reichsausgleichsamte die Erstattung des Unterschieds zwischen den Kosten der Beschaffung der von ihm für die Erfüllung aufzuwendenden und tatsächlich aufgewendeten Zahlungsmittel, soweit die Kosten den Tageskurswert der Zahlungs⸗ mittel micht übersteigen, und dem Vorkriegskurswerte des Nennbetrags seiner Schuld verlangen.
Die im § 46 bezeichneten Ansprüche erlöschen, wenn der Berechtigte sie nicht binnen sechs Monaten nach der Erfüllung der Verbindlichkeit oder binnen sechs Monaten nach Inkrafttreten dieses Gesetzes gegen⸗ über dem Reichsausgleichsamte gellend macht und wenn er nicht spätestens innerhalb einer ihm vom Reichsausgleichsamte gesetzten ongemessenen Frist das Bestehen der Verbindlichkeit oder der Erfüllung durch urkundliche Belege und durch eine von ihm ausgestellte Ver⸗ sicherung an Eides Statt nachweist.
Die Entscheidung über die im § 46 bezeichneten Ansprüche erfolgt durch eine Spruchstelle des Reichsausgleichsamts. § 48.
Auf einen Schuldner, der den im § 46 Abs. 2 bezeichneten Anspruch geltend macht, finden die Vorschriften des § 29 Abs. 1 entsprechende Anwendung.
Erfüllt der Schuldner die ihm nach Abs. 1 bis 3 obliegenden Verpflichtungen nicht, so ist sein Anspruch zurückzuweisen, es sei denn, daß seine Verbindlichkeit auf Grund einer besonderen Rechtsnorm in
einer von der Währung ihres Nennbetrags abrreichenden Währung zu zahlen war; in diesem Fall⸗ beschränkt sich sein Anspruch auf den Ersatz des Unterschieds zwischen den Kosten der von ihm für die Erfüllung aufgewendeten Zahequngsmittel, soweit diese Kosten den Tageskurswert der Zahlungsmittel nicht übersteigen, und dem Taͤgeskurswert des Nennbetrags seiner Schuld. 82 —
Der nach § 30 Abs. 2 als Währungsgewinn des Schuldners ermittelte Betrag ist von dem Betrage, den er nach § 46 Abs. 2 zu beanspruchen hat, in Abzug zu bringen. Ist die Verbindlichkeit auf Grund einer besonderen Rechtsnorm in einer von ihrem Nennbtrag abweichenden Währung zu bezahlen, so verbleibt der Anspruch dem Schuldner zum mindesten in dem im Abs. 2 Halbsatz 2 bezeichneten Umfang.
Die Vorschriften der §§ 31, 32 finden entsprechende Anwendung.
§ 49. ,
Für die Berechnung des Tageskurses im Sinne der §§ 46 und 48 ist der an der Berliner Börse notierte Durchschnittsumrech⸗ nungskurs am Tage der Erfüllung der Verbindlichkeit maßgebend. Die Vorschriften des § 34 Abs. 2 finden entsprechende Anwendung.
Der vom Reichsausgleichsamte dem Schuldner geschuldete Be⸗ trag ist mit 5 vom Hundert vom Tage der Erfüllung der Verbind⸗ lichkeit an zu verzinsen.
Im übrigen finden auf die Abrechnung mit dem Schuldner die Vorschriften des § 9 Abs. 2 und der §§ 33, 34, 35, 37, 39, 40 und 42 entsprechende Anwendung.
§ 50.
Dem Schuldner kann auf Antrag noch vor Erfüllung seiner Verbindlichkeit mit Zustimmung des zuständigen Finanzamts ein Vorschuß auf den von ihm nach den Vorschriften der §§ 46 bis 48 zu beanspruchenden Betrag gewährt werden, wenn die Voraus⸗ setzungen seines Anspruchs glaubhaft gemacht werden und die Ge⸗ währung des Vorschusses zur Abwendung schweren Schadens ge⸗ boten erscheint.
I Vorschriften des § 41 Abs. 2, 3 finden entsprechende An⸗ wendung.
IV. Rechtsmittelgegen die Anordnungen und Ent⸗ scheidungen des Reichsausgleichsamts. Gegen die Abrechnungen des Reichsausgleichsamts sowie gegen seine auf Grund der §§ 6, 15, 18, 21, 22 Abs. 2, § 31 Abs. 2,
§ 69 Abs. 2, § 40 Abs. 2, §§ 41, 46, 50 und im Beitreibungs⸗
verfahren ergangenen Anordnungen und Entscheidungen steht dem Be⸗ troffenen die Beschwerde an das Reichswirtschaftsgericht zu. Das gleiche gilt gegenüber den im Beweisverfahren vor dem Reichs ausgleichsamt ergangenen Entscheidungen, soweit nicht nach § 7 Abs. 2 eine Spruchstelle für die Beschwerde zuständig ist.
Gegen Anordnungen und Entscheidungen einer Spruchstelle des Reichsausgleichsamts steht, soweit sie nicht lediglich das Verfahren betreffen, auch dem Präsidenten des Reichsausgleichsamts die Be⸗ schwerde an das Reichswirtschaftsgericht zu.
Die Entscheidung des Reichswirtschaftsgerichts ist endgültig.
Die Beschwerde ist binnen eines Monats nach Zustellung der angefochtenen Anordnung oder Entscheidung durch Einreichung einer Beschwerdeschrift bei der zuständigen Stelle des Reichsausgleichs⸗ amts oder dem Reichswirtschaftsgericht einzulegen. Wird die Be⸗ schwerdeschrift bei dem Reichswirtschaftsgericht elngereicht, so hat der Vorsitzende sie dem Reichsausgleichsamt unverzüglich mitzuteilen.
Erachtet das Reichsausgleichsamt die Beschwerde für begründet, so hat es ihr abzuhelfen; andernfalls ist sie binnen einer Woche dem Reichswirtschaftsgerichte vorzulegen.
§ 53,
Durch die Einlegung der Beschwerde wird die Vollziehung der angefochtenen Anordnung oder Entscheidung, insbesondere die Ver⸗ pflichtung zur Leistung von Zahlungen, nicht gehemmt. Das Reichs ausgleichsamt kann jedoch anordnen, daß die Vollziehung auszu
setzen sei. § 54.
Das Reichswirtschaftsgericht, vor seinem Zusammentreten der Vorsitzende, kann von dem Reichsausgleichsamte die zur Aufklärung des Sachverhalts erforderliche Auskunft verlangen. Die hierzu nötigen Ermittlungen sind von dem Reichsausgleichsamt anzustellen.
V. Aufhebung oder Abänderung von Verträgen über Zahlung in ausländischer Währung oder Lieferung ausländischer Zahlungsmittel.
§ 55.
Ein Vertrag, durch den sich ein im Reichsgebiet ansässiger Deutscher einem andern im Reichsgebiet ansässigen Deutschen gegen⸗ über vor Eintritt des Kriegszustandes oder während seiner Dauer zu einer Zahlung in ausländischer Währung oder zur Lieferung aus⸗ ländischer Zahlungsmittel verpflichtet hat, kann, sofern er auf seiten eines Vertragsteils in wirtschaftlichem Zusammenhange mit einer deutschen Forderung oder Schuld gegenüber einer in einem alliierten oder assoziierten Staate ansässigen Person steht, auf Antrag des Schuldners durch eine endgültige Entscheidung des Reichswirtschafts⸗ gerichts aufgehoben oder abgeändert werden, wenn seine Aufrecht⸗ erhaltung dem Schuldner einen unverhältnismäßigen Nachteil bringen würde oder die Voraussetzungen, welche einen Vertragsteil zum Abschluß des Vertrags bestimmt haben, durch die Vorschriften des Friedensvertrags oder dieses Gesetz ganz oder teilweise beseitigt worden sind.
Bei der Entscheidung sind die Interessen beider Vertragsteile zu berücksichtigen und gegeneinander abzuwägen.
Im Falle der Aufhebung des Vertrags sind die Beteiligten ver⸗ pflichtet, bereits empfangene Leistungen oder, soweit ihre Rück⸗ gewähr unmöglich ist, ihren Wert zur Zeit des Empfanges Zug um Zug zurückzugewähren. Eine Geldsumme ist von der Zeit des Empfanges an mit 5 vom Hundert zu verzinsen. Die Vorschriften der §§ 320, 322 und des § 347 Satz 1, 2 des Bürgerlichen Gesetz⸗
buchs finden entsprechende Anwendung.
Das Reichswirtschaftsgericht, vor seinem Zusammentreten der Vorsitzende, kann vor der Entscheidung eine einstweilige Anordnung erlassen. Insbesondere kann angeordnet werden, daß die Erfüllung des Vertrags bis zur endgültigen Entscheidung sei.
Kommt das Reichswirtschaftsgericht zu dem Ergebnis, 8 die Aufrechterhaltung des Vertrags zu einer schweren wirtschaftlichen Schädigung des Schuldners führen würde, daß aber eine Veseltigung dieser Schädigung im Wege der Aufhebung oder Abänderung des Vertrags nicht ohne eine schwere wirtschaftliche Schädigung des Gläubigers möglich sein würde, so kann es vor seiner Entscheidung oder zugleich mit ihr dem Reichsminister für Wiederaufbau einen Vorschlag zur Unter 8.. eines Vertragsteils aus dem im § 8 be⸗ zeichneten Fonds unterbreiten. 8
Ist ein Vertrag auf Grund des § 55 aufgehoben oder abgeändert worden, so findet diese Vorschrift auf weitere, daran anschließende, die Zahlung in der gleichen Währung oder die Lieferung von Zahlungs⸗ mitteln der gleichen Währung betreffende Verträge zwischen im Reichs⸗ gebiet ansässigen Deutschen entsprechende Anwendung.
VI. Beteiligung Dyvitter am Verfahren vor dem Reichsausgleichsamte, dem Reichswirtschafts⸗ gericht und den Schiedsgerichten. § 58.
Wer ein rechtliches Interesse daran hat, daß dem Antrag der deutschen Partei im Verfahren über die Feststellung einer Forderung oder Schuld oder im Verfahren zur Durchführung der in den Ab⸗ schnitten II 3, III und V dieses Gesetzes enthaltenen Vorschriften statt⸗ gegeben nrerde, kann auf seinen Antrag zur Unterstützung der Partei im Verfahren vor dem Reichsausgleichsamt oder dem Reichswirtschafts⸗ gericht als Beteiligter zugelassen werden.
2—
Auf die Rechtsstellung des Beteiligten in dem Verfahren und auf die Wirksamkeit der Entscheidung des Reichsausghichsamts und des Reichswirtschaftsgerichts ihm gegenüber finden die §§ 67 bis 69 der Zivilprozeßordnung entsprechende Anwendung. F 1AX
Eine deutsche Partei, welche für den Fall des ihr ungünstigen Ausganges eines der im § 58 bezeichneten Verfahren einen Anspruch auf Gewährleistung oder Schadloshaltung gegen einen Dritten erheben zu können glaubt oder den Anspruch eines Dritten besorgt, kann bis zur endgültigen Erledigung des Verfabrens dem Dritten den Streit ver⸗ künden. Der Dritte ist zu einer weiteren Streitverkündung berechtigt.
Wenn der Dritte dem Streitverkünder beitritt, so hat er die Rechts stellung eines Beteiligten. Erklärt er seinen Beitritt nicht, so wird das Verfahren ohne Rücksicht auf ähn fortgesetzt. In beiden Fällen findet ihm gegenüber der § 68 der Zivilprozeßordnung entsprechend Anwendung mit der Maßgabe, daß statt der Zeit des Beitritts diejenige Zeit entscheidet, zu welcher der Beitritt infolge der Streitverkündung möglich war.
Die Streitverkündung und der Beitritt erfolgen durch Zustellung eines Schriftsatzes, dessen Abschrift der Behörde, bei der das Verfahren anhängig ist, mitgeteilt werden soll. In dem Schriftsatz, durch d⸗ die Streiwerkündung erfolgt, ist ihr Grund und die Lage des Ver⸗ fahrens anzugeben.
§ 60.
Wird ein Streit über das Bestehen oder die Höhe einer deutschen Forderung oder Schuld auf Grund der §§ 16, 20 der Anlage zu Artikel 296 des Friedensvertrags einem Schiedsgericht oder dem gemischten Schiedsgerichtsbof unterbreitet, so ist die deutsche Partei verpflichtet, den Beteiligten (§§ 58, 59 Abs. 2) sämtliche für den Gang des Verfahrens erheblichen Tatsachen, insbesondere die Erklärungen der Gegenpartei und der Prüfungs⸗ und Ausgleichsämter, die An ordnungen und Entscheidungen des Schiedsgerichts oder des gemischten Schiedsgerichtshofes und die Ergebnisse einer Beweisaufnahme, mit⸗ zuteilen, sorvie auf ihr Verlangen ihre Zuziehung zu Verhandlungen und Beweisaufnahmen, soweit sie zulässig ist, zu erwirken.
Der Beteiligte wird im Verhältnis zu der Partei mit der Be⸗ hauptung nicht gehört, daß der Rechtsstreit, wie er dem Schiedsgericht oder dem gemischten Schiedsgerichtshofe vorgelegen habe, unrichtig ent⸗ schieden sei. Er wird mit der Behauptung, daß die Gegenpartei den Rechtsstreit vor dem Schiedsgericht oder dem gemischten Schiedsgerichts⸗ hofe mangelhaft geführt habe, nur insoweit gehört, als der gerügte Mangel zur Zeit seiner Zulassung als Beteiligter beveits eingetreten war oder als er sich vergeblich bemüht hatte, den Mangel zu ver hindern oder zu einer solchen Bemühung infolge Nichterfüllung der nach Abs. 1 der Pantei obliegenden Verpflichtung außerstande war.
Die Vorschriften des Abs. 2 finden auf das Verhältnis gwischen dem Streitverkünder und dem Dritten auch dann Anwendung, wenn der Dritte dem Streitverkünder nicht beitritt. 8
Haftet für eine deutsche Schuld ein Bürge oder ein nicht zum Vermögen des Schuldners gehöriges Grundstück oder Pfand, so kann das Reichsausgleichsamt im Verfahren über die Feststellung der Schuld oder im Verfahren zur Durchführung der in den Abschnitten I1 3 und III dieses Gesetzes enthaltenen Vorschriften gegenüber dem Schuldner den Bürgen oder den Eigentümer des Grundstücks oder denjenigen, dem der Pfandgegenstand zusteht, zur Beteiligung auf⸗ fordern. Die Aufforderung hat im Verhäöttnis zwischen dem Deutschen Reiche und dem Empfänger die Wirkung einer Streitverkündung. 8
Die Vorschriften des § 59 Abs. 1 Satz 2, Abf. 2, 3 und des § 60
enisprechende Anwendung. 1
VII. Strafbestimmungen.
§ 62.
„Mit Gefängnis bis zu drei Jahren und mit Geldstrafe bis zu fünfzigtausend Mark oder mit einer dieser Strafen wird bestraft: 1. wer einem der Verbote des § 11 wissentlich zuwiderbandeft:
2. wer Maßnahmen trifft, um in Ansehung der in diesem Gesetze geregelten Angelegenheiten das Reichsausgleichsamt zu umgehen oder zu täuschen. S8
Der Versuch der unter Nr. 1 bezeichneten Zuwiderhandlung ist strafbar.
Neben der Strafe ist auf Einziehung der durch die strafbare Handlung erlangten Vermögenswerte zugunsten der Reichskasse zu erkennen. .
1 S 63. “
Ist die im § 62 unter Nr. 1 bezeichnete Zuwiderhandlung aus Fahrlässigkeit begangen worden, so tritt Gefängnis bis zu sechs Monaten und Geldstrafe bis zu zwanzigtausend Mark oder eine dieser Strafen ein. MNeben der Strafe kann auf Einziehung der durch die strafbare Handlung erlangten Vermögenswerte zugunsten der Reichskasse erkannt
werden. § 64
Mit Geldstrafe bis zu fünfzigtausend Mark und mit Gefängnis bis zu einem Jahre oder mit einer dieser Strafen wird bestraft, wer die ihm nach § 17 obliegende Anmeldung einer Forderung innerhalb der vom Reichsminister für Wiederaufbau bestimmten Frist wissentlich unterläßt.
Ist die Unterlassung aus Fahrlässigkeit begangen worden, so tritt Geldstrafe bis zu fünftausend Mark und Gefängnis bis zu drei Monaten oder eine dieser Strafen ein.
In den in Abs. 1 und 2 bezeichneten Fällen tritt Straflosigkeit ein, wenn die Anmeldung nachgeholt wird, bevor die Unternassung zur Kenntnis des Reichsausgleichsamts gelangt ist.
§ 65. „Mit Gefängnis bis zu einem Jahre und mit Geldstrafe bis zu fünfzehntausend Mark oder mit einer dieser Strafen wird bestraft, wer den Vorschriften des § 5 zuwider die Verschwiegenheit nicht beobachtet. “
Die Strafverfolgung tritt nur auf Antrag ein.
VIII. Schlußvorschriften.
Die Reichsregierung wird ermächtigt, unter Zustimmung des Reichsrats und eines von der Mationalversammlung zu wählenden Ausschusses von 15 Mitgliedern ergänzende Bestimmungen zu diesem Gesetze zu erlassen.
Der Reichsminister für Wiederaufbau kann bestimmen, welcher Zeitpunkt als Beginn des Kriegszustandes zwischen dem Deutschen Reiche und einem alliierten oder assoziierten Staate im Sinne dieses Gesetzes anzusehen ist.
Die näheren Bestimmungen über die Zusammensetzung und das Verfahren des Reichs virtschaftsgerichts bei der ihm durch dieses Gesetz zugewiesenen Tätigkeit werden von dem Reichsminister der Justiz erlassen.
8 v“
82—
§ 67.
Der Reichsminister für Wiederaufbau bestimmt im Einvernehmen mit dem Reichsminister der Finanzen durch Bekanntmachung im Reichs⸗ Gesetzblatt den Zeitpunkt des Inkrafttretens der Abschnitte II 3, III dieses Gesetzes.
Im übrigen tritt dieses Gesetz, soweit nicht im § 10 Abweichendes bestimmt äst, mit dem auf seine Verkündung folgenden Tage in Kraft.
Der Entwurf eines Gesetzes über die Wahl des Reichspräsidenten, der der deutschen Nationalversammlung zur Beschluß⸗ fassung vorgelegt worden ist, lautet, wie folgt: Wahlberechtigt ist, wer das Wahlrecht zum Reichstag hat und
sich am Wabhltag im Reichsgebiet aufhält.
b Die Wahl ist unmittelbar und geheim. Stimme.
Jeder Wähler hat eine
Den Wahltag bestimmt der Reichspräsident; es muß ein Sonn⸗ tag oder öffentlicher Ruhetag sein.
Die Wahl kann mit emer Reichstagswahl oder einer allgemeinen Volksabstimmung verbunden werden.
2 )
Der Stimmzettel muß den, dem der Wähler seine Stimme
geben wil!, bezeichnen und darf keine weiteren Angaben enthalten. ist, wer mehr als die Hälfte aller gültigen Stimmen erhält.
Ergibt sich keine solche Mehrheit, so findet ein zweiter Wahl⸗ gang statt, bei dem gewählt ist, wer die meisten gültigen Stimmen erhalten hat. Bet Stimmengleichheit entscheidet das Los, das der Reichswahlleiter zieht.
§
Die Stimmen werden zunächst in den Reichstagswahlkreisen gezählt, und das Ergebnis wird dem Reichswahlleiter mitgetellt.
Die Zählung besorat der Wahlausschuß; er besteht aus dem Wahlleiter als Vorsitzendem und vier Beisitzern, die dieser aus den Wählern beruft. Der Wahlausschuß beschließt mit Stimmen⸗ mehrheit.
Der Reichswahlausschuß stellt das Wahlergebnis im Reiche fest.
Er besteht aus dem Reichswahlleiter als Vorsitzendem und sechs Beisitzern, die dieser aus den Wählern beruft. Der Reichswahlaus⸗
schuß beschließt mit Stimmenmehrheit.
87. Das für den Reichstag gebildete Wahlprüfungsgericht prüft das Wahlergebnis. Wird die Wahl für ungültig erklärt, so findet eine neue Wahl statt. 8 8
Die Vorschriften des § 2 Abs. 2, 3, der §§ 3, 8 bis 13, § 14 Abf. 1, §§ 23 bis 25, §§ 39 und 41 des Reichswahlgesetzes gelten sinngemäß.
Wird die Wahl mit einer Reichstagswahl oder einer allgemeinen Volksabstimmung verbunden, so werden die im § 39 Abs. 2 des Reichswahlgesetzes vorgesehenen Reickszuschüsse zu den Kosten der Gemeinden nur einmal geleistet.
Das Gesetz tritt mit dem Tage in Kraft, an dem die erste Wahl des Reichspräsidenten ausgeschrieben wird.
In der beigegebenen Begründung wird ausgesührt:
Nach Artikel 41 der Reichsverfassung wird der Reichspräsident vom ganzen deutschen Volke gewählt. Das Nähere bestimmt ein Reichsgesetz.
Die Nationalversammlung ist zu dem Beschlusse, das Verfahren bei der Wahl des Reichspräsndenten nicht durch die Verfassung zu regeln, sondern einem Reichsgesetze zu überlassen, gekommen, weil sie sich weder für den in dem Verfass ungsentwurf enthaltenen Vorschlag der Reichsregierung noch für den Vorschlag des Verfassun gsausschusses zu entscheiden vermochte, sondern eine weitere Prüfung der Frage für erforderlich hielt.
Nach dem Verfassungsentwurfe war eine Stichwahl vorgesehen. Wenn bei der ersten Wahl kein Bewerber die Mehrheit der ab⸗ gegebenen Stimmen auf sich vereinte, so sollte eine engere Wahl zwischen den beiden Bewerbern stattfinden, die bei der ersten Wahl die meisten Stimmen erhalten hatten. Gewäbhlt sollte sein, wer von ihnen die Mehrheit der Stimmen erh'elt. Gegen diesen Vorschlag wurden in dem Verfassungsausschusse gewichtige Bedenken geltend gemacht. Es wurde hervorgehoben, daß bei der Zersplitterung der deutschen Parteiverhältnisse unter Umständen im ersten Wahlgang eine große Anzahl von Bewerbern auftreten würde und infolgedessen zwei Bewerber in die Stichwahl gelangen könnten, hinter denen im Grunde nur ein kleiner Bruchteil des Volkes stehe. Vor dem ersten Wahlgang aber eine Einigung benachbarter Gruppen über eine gemeinsame Bewerber⸗ aufstellung herbeizuführen, würde schwierig sein, weil eine solche Einigung es den beteiligten Gruppen unmöglich machte, zunächit die Werbekraft ihres eigenen Bewerbers festzustellen. Auf alle Fälle würde es der Stellung des Reichspräsidenten abträglich sein, wenn ein großer Teil der Personen, die ihn wählen, ihn unter einem Zwange wählen, nur um die Wahl einer ihnen noch unliebsameren Persönlichteit zu vermeiden. Alle Bedenken, die schon unter dem alten Reichstagswahlrechte gegen die Stichwahlen geltend gemacht worden seien, müßten sich hier in erhöhtem Maße wiederholen, wo es sich um die Wahl derjenigen Person handelt, die das höchste An⸗ sehen im Reiche genießen soll.
Aus der Abneigung gegen eine Stichwahe gelangte der Ver⸗ fassungsausschuß zu dem entgegengesetzten Vorschlag. Danach sollte gewählt sein. wer im ersten Wahlgang die meisten Stimmen (relative Mehrheit) erhält. Wenn dieser Vorschlag auch die Nachteile der Stichwahl vermeidet, so läßt sich gegen ihn mit noch mehr Recht als gegen den ersten Vorschlag einwenden, daß bei der Zersplitterung der deutschen Parteiverhältnisse unter Umständen ein Mann an die Spitze der Nation verufen werden würde, hinter den nur ein verhältnismäßig geringer Bruchteil der deutschen Bevölkerung steht, und daß der Ver⸗ such, diesen Bedenken durch vocherige Vereinbarung unter den Par⸗ teien zu begegnen, bei der Unsicherbeit über die Stärkeverhältnisse innerhalb der Parteien voraussichtlich nicht gelingen wird.
Nach einem dritten Vorschlag sollte die Stichwahl vorweg ge⸗ nommen werden, indem dem Wähler bereits bei der ersten Wahl gestattet werden sollte, eine zweite Person auf dem Stimnzettel zu vermerken, der er damit für den Fall, daß die erstvermerkte Person nicht die hinreichende Zahl von Stimmen erhielte, seine Stimme zu⸗ wendete. Der Vorschlag ging von der Annahme aus, daß es be⸗ nachbarten Gruppen auf diese Weise gelingen würde, von vornherein für den Fall, daß die erstbenannte Person ausfiele, zu einem Wahl⸗ kompromisse zu gelangen. Der Vorschlag hat den Vorzug, eine zweite Wahl zu vermeiden; er kann aber nicht zur Annahme empfohlen werden, weil das vorgeschlagene Verfahren der Durchsichtigkeit ermangelt und keinerlei Gewähr dafür gibt, daß sich der Wähler nach der Eventualabmachung seiner Partei richtet. Eine aut disziplinierte Partei, deren Wähler sich an die Abmachungen der Parteileitung halten, würde bet diesem Verfahren gegen eine schlecht disziplinierte im Nachteil sein. Es besteht die Gefahr, daß dieser Vorschlag zur Verwirrung führt und ein Ergebnis zeitigt, das nicht den wahren Voltswillen zum Ausdruck bringt, sondern von einer mehr oder minder guten Taktik der Parteien und Disziplin der Wähler abhängig ist.
Demnach bleibt nur ein Verfahren möglich, wie es im Ver⸗ fassungsausschusse gleichfalls bereits vorgeschlagen war, nämlich die zwei Wahlgange beizubehalten, aber die zweite Wahl nicht auf zwei Personen zu beschränken und bei ihr den⸗ jenigen für gewählt zu erklären, der die meisten Stimmen erhält. Dieses Verfahren mutet keiner Gruppe zu, bereits beim ersten Wahlverfahren das Opfer eines Verzichts auf eine vielleicht aussichtsreiche eigene Kandidatur zu bringen. Haben aber die verschiedenen Bewerber im ersten Wahlgang ihre Kräfte gemessen, so gibt dieses Verfahren einer freien Verständigung auf Grund des festgestellten Kräfteverhältnisses zwischen den verschiedenen Gruppen Raum. Bei dieser Verständigung braucht nicht ohne weiteres das bei der ersten Wahl erzielte Stimmenverhältnis maßgebend zu sein. Es ist so,ar möglich, eine Verständigung über einen Bewerber herbei⸗ zuführen, der in der ersten Wahl noch gar nicht aufgetreten war. Es wird zu hoffen sein, daß es auf Grund der Uebersicht, die sich auf das Ergebnis der ersten Wahl gründet, eine erhebliche Verringerung der Zahl der Kandidaten eintreten wird, so daß der gewählte Präsident entweder die Mehrheit aller Stimmen oder doch immerhin einen erheblich größeren Bruchteil aller Stimmen erhalten wird, als wenn bereits im ersten Wahlgang die relative Mehrheit entschieden hätte. Die Stimmen, die ein solcher Bewerber erhält, fließen ihm
8 8
auf Grund der freien Ueberzeugung der Bevölkerung zu; er wird auf Grund dieses Umstandes eher als der Vertrauensmann des Volkes gelten können, als wenn eine Mehrheit der Wähler im Stichwahlverfahren ihm gezwungen ihre Stimmen gegeben hätte. Es bleibt bei diesem Verfahren der Nachteil, daß in der Regel ein zweiter Wahlgang erforderlich sein wird. Die Beseitigung des zweiten Wahlgangs aber läßt sich überhaupt nicht durchführen, ohne daß man gleichzeitig die Klarheit beseitigt, mit der der Volkswille zum Ausdruck kommen soll. Da die Präösidentenwahl nur alle sieben Jahre stattfindet, wird die Vornahme einer zweiten Wahl um so eher in Kauf genommen werden können.
Die übrigen Vorschriften des Gesetzes sind den Vorschriften des Reichswahlgesetzes angepaßt; besonders ist der Kreis der Wäbler der gleiche wie bei den Reichstagswahlen. Auch erscheint es im Interesse der Vereinfachung der Wahl zweckmäßig, für die Vorbereitung und Durchführung der Wahl sowie für die Feststellung und Prüfung des Wahlergebnisses sich der gleichen Einrichtungen und Organe zu be⸗ dienen, die für die Reichstagswahlen nach dem Entwurf eines Reichs⸗ wahlgesetzes vorgesehen sind.
—.—
Der Entwurf eines Gesetzes über den Volksentscheid
ist gleichfalls nebst Begründung der Deutschen Nationalversammlung zugegangen. Er hat folgen⸗
den Wo 1 G I. Volksentscheid.
Ein Volksentscheid findet statt
1. wenn festzustellen ist, ob die Bevölkerung eine Gebietsänderung oder Neubildung von Ländern will (Artikel 18 Abs. 4 Satz 1 der Reichsverfassung), wenn ein Drittel der Stimmberechtigten eines Gebiets seine Abtrennung von einem Lande verlangk hat (Artikel 18 Abs. 4 Satz 2 der Reichsverfassung) — wenn der Reichstag mit Zweidrittelmehrheit die Absetzung des Reichspräsidenten beantragt hat (Artikel 43 Abs. 2 der Reichs⸗ verfassung), wenn der Reichspräsident den Volksentscheid über ein vom Reichstag beschlossenes Gesetz binnen einem Monat nach der Bfschlubsafsung anordnet (Artikel 73, Abs. 1 der Reichsver⸗ fassung), wenn ein Drittel des Reichstags verlangt hat, daß die Ver⸗ kündung eines Reichsgesetzes um zwei Monate ausgesetzt werde, und ein Zwanzigstel der Stimmberechtigten den Volks⸗ entscheid beantragt hat (Artikel 71 und 73 Abf. 2 der Reichs⸗
verfassung),
wenn ein Zehntel der Stimmberechtigten die Vorlegung eines Gesetzentwurfs begehrt hat (Artikel 73 Abs. 3 der Reichs⸗ verfassung), wenn der Reichspräsident bei Meinungsverschiedenheit zwischen Reichstag und Reichsrat über ein vom Reichstag beschlossenes Gesetz den Volksentscheid darüber anordnet (Artikel 74 Abs. 3 der Reichsverfassung), wenn der Reichstag entgegen dem Einspruch des Reichsrats eine Verfassungsänderung beschlossen und der Reichsrat binnen zwei Wochen den Volksentscheid verlangt hat (Artikel 76 Abs. 2 der Reichsverfassung). Der Reichspräsident veröffentlicht den Gegenstand des Volks⸗ entscheids und den Abstimmungstag im Reichs⸗Gesetzblatt. Abstimmungstag ist ein Soantag oder öffentlicher Ruhetag. § 4. Die Abstimmung ist unmittelbar und geheim. Jeder Stimm berechtigte hat eine Stimme. 885 Stimmberechtigt ist, wer das Wahlrecht zum Reichstag hat und sich am Abstimmungstag im Reichsgebiet aufhält. In den Fällen des § 1 Nr. 1 und 2 sind stimmberechtigt nur die Reichstagswähler, die am Abstimmungstage seit einem Jahre im Abstimmungsgebiete Wohnung oder Aufenthalt haben. Der Stimmzettel lautet nur auf Ja oder auf Nein; Zufätze sind
unzulässig.
Betrifft der Volksentscheid mehrere Fragen, so ist jede auf dem Stimmzettel einzeln mit Ja oder mit Nein zu beantworten.
Die Reichstagswahlkreise gelten als Stimmkreise und die Stimmen werden zunächst darin durch Abstimmungsausschüsse gezählt.
Die Ausschüsse bestehen aus dem Abstimmungsleiter als Vor⸗ sitzendem und vier Beisitzern, die er aus den Stimmberechtigten beruft.
Umfaßt das Abstimmungsgebiet in Fällen des § 1 Nr. 1 und 2 nicht ganze Reichstagswahlkreise, so bildet der Reichsminister des Innern besondere Stimmkreise.
Das Gesamtergebnis stellt der Reichsabstimmungsausschuß fest. Er besteht aus dem Reichsabstimmungsleiter als Vorsitzendem und sechs Beisitzern, die er aus den Stimmberechtigten beruft.
Der Reichsminister des Innern ernennt den Reichsabstimmungs⸗ leiter und dessen Stellvertreter.
Die Abstimmungsausschüsse und der Reichsabstimmungsausschuß beschließen mit Stimmenmehrheit.
§ 11.
Außer in den Fällen des Artikel 76 Abs. 1 Satz 4 der Reichs⸗ verfassung entscheidet die Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen. Bei Stimmengleichheit entscheidet das Los, das der
Reichsabstimmungsleiter zieht. § 12.
Unmittelbar nach Feststellung durch den Reichsabstimmungs⸗ ausschuß prüft das Wahlprüfungsgericht des Reichstags das Abstim⸗ mungsergebnis.
§ 13.
Wird die ganze Abstimmung für ungültig erklärt, so findet eine
neue Abstimmung statt.
§ 14. Wird in einzelnen Stimmbezirken das Abstimmungsergebnis dadurch wesentlich beeinflußt, daß Unberechtigte abgestimmt haben oder Stimmberechtigte an der Ausübung ihres Stimmrechts durch Naturereignisse oder Gewalt verhindert oder zur Abstimmung nicht zugelassen worden sind, so ordnet dort auf Antrag des Wahlprüfungs⸗ gerichts der Reichsminister des Innern eine Wiederholung der Ab⸗ stimmung an, die innerhalb sechs Wochen nach der Hauptabstimmung stattfinden muß. G
§ 15.
Der § 2 Abs. 2, 3, die §§ 3, 9 bis 13, § 14 Abs. 1, §§ 23 bis 25 und § 39 des Reichswahlgesetzes gelten entsprechedd.
II. Volksbegehren. 8 § 16. Ein Volksbegehren ist zuzulassen 8 1 1. zugunsten des Antrags auf Volksentscheid über ein Gesetz, dessen Verkündung auf Antrag von mindestens einem Drittel des Reichstags ausgesetzt ist (Artikel 73 Abs. 2 der Reichs⸗ verfassung), zugunsten eines ausgearbeiteten Gesetzentwurfs, den die Re⸗ gierung dem Reichstag unterbreiten soll (Artikel 73 Abs. 3. der Reicheverfasfncg. zugunsten des Verlangens auf Abtrennung eines Gebiets von einem Lande (Artikel 18 Abs. 4 Satz 2 der Reichsverfassung). S. 8 er Zulassungsantrag ist schriftlich an den Reichsminister des Innern zu richten. Er hedarf der Unterschriften von fünftausend
Stimmberechtigken. Doch kann davon abgesehen werden, wenn die Vorstandschaft einer Vereinigung den Antrag stellt und glaubhaft macht, daß ihn hunderttausend ihrer ISes,. Pevacee Mitglieder 8 unterstützen. 1 Im Falle des § 16 Nr. 3 werden nur die Unterschriften der nach § 5 Abs. 2 Stimmberechtigten berücksichtigt. Sind es weniger als hunderttausend, so genügen die vrcskee en von einem Zwanzigstel. 8 2₰ In den Fällen des § 16 Nr. 1 muß die Zulassung innerhalb zweier Wochen nach dem Tage beantragt sein, an dem im Reichstag der Aussetzungsantrag gestellt ist. H
Anträge auf Zulassung eines Volksbegehrens nach § 16 Nr. 2 und 3 können erst nach Ablauf eines Jahres von neuem gestellt werden. 8
§ 20. 8 Der Reichsminister des Innern prüft, ob die Voraussetzungen der §§ 16 bis 19 erfüllt sind. Fehlt es daran, so weist er den Antrag zurück. § 21.
Läßt der Reichsminister des Janern den Antrag zu, so ver⸗ öffentlicht er ihn in der zugelassenen Form im Reichs⸗Gesetzblatt und setzt dabei Beginn und Ende der Abstimmungsfrist fest.
Die Abstinmung darf frühestens drei Wochen nach der Ver⸗ öffentlichung der Zulassung beginnen. 8 der Regel dreißig Tage umfassen.
Nach der Veröffentlichung kann der Zulassungsantrag nicht mehr geändert, aber bis zum Ablauf der Abstimmungsfrist jederzeit zurückgenommen werden. Die Zurücknahmeerklärung ist gültig, wenn sie von mehr als der Hälfte der Antragsunterzeichner ab⸗ gegeben ist.
§ 23.
Die Gemeindebehörden müssen den Stimmberechtigten für die ganze Abstimmungsfrist Gelegenheit geben, während der üblichen Ge⸗ schäftszeit durch eigenhändiges Eintragen ihres Namens oder ihres beglaubigten Handzeichens in eine Liste ihre Stimme abzugeben.
Erklärt ein Stimmberechtigter, daß er nicht schreiben kann, so wird seine Unterschrift durch die Feststellung dieser Erklärung ersetzt.
Stimmberechtigt ist, wer am Tage der Stimmabgabe zum Reichstag wählen kann. 8
Im Falle des Volksbegehrens nach § 16 Nr. 3 sind stimm⸗ berechtigt nur die Reichstagswähler, die am Abstimmungstage seit einem Jahre im Abstimmungsgebiete W Anf nthalt haben. v .
Nach Ablauf der Abstimmungsfrist beurkunden die Gemeind behörden auf den Unterschriftensammlungen, ob die Unterzeichner am Tage der Unterzeichnung stimmberechtigt waren und in der Gemeinde ihren Wohnsitz oder Aufenthalt hatten.
§ 26. Das Ergebnis eines Volksbegehrens wird nach §§ 7 bis 10 fest⸗ gestellt und sodann veröffentlicht. § 27.
Als Zahl der sämtlichen Stimmberechtigten ist die amtlich ermittelte Zahl bei der letzten Reichstags⸗ oder Reichs⸗ präsidentenwahl oder allgemeinen Volksabstimmung.
§ 28.
Die Kosten beim Reichsabstimmungsleiter und bei den Ab⸗ stimmungsleitern tragen dort das Reich und hier die Länder, alle übrigen Kosten die Gemeinden.
III. Schlußbestimmungen.
§ 29. Der Reichsminister des Innern erläßt mit Zustimmung des Reichsrats die Bestimmungen zur Ausführung des Gesetzes. 8 Das Gesetz tritt mit dem Tage der Verkündung in Kraft.
In der beigegebenen Begründung wird ausgeführt:
Die Reichsverfassung sieht die unmittelbare Volksgesetzgebung vor, und zwar in den Formen des fakultativen Referendums (Volks⸗ entscheid) und der Initiative (Volksbegehren). Artikel 73 der Ver⸗ fassung bestimmt:
B „Ein vom Reichstag beschlossenes Gesetz ist vor seiner Verkündung zum Volksentscheide zu bringen, wenn der Reichs⸗ präsident binnen eines Monats es bestimmt.
EFin Gesetz, dessen Verkündung auf Antrag von mindestens einem Drittel des Reichstags ausgesetzt ist, ist dem Volks⸗ entscheide zu unterbreiten, wenn ein Zwanzigstel der Stimm⸗ berechtigten es beantragt.
Ein Volksentscheid ist serner herbeizuführen, wenn ein Zehntel der Stimmberechtigten das Begehren nach Vorlegung eines Gesetzentwurfs stellt. Dem Volksbegehren muß ein aus⸗ gearbeiteter Gesetzentwurf zugrunde liegen. Er ist von der
Regierung unter Darlegung ihrer Stellungnahme dem Reichs⸗ tag zu unterbreiten. Der Volksentscheid findet nicht statt, wenn der begehrte Gesetzentwurf im Reichstag unverändert ange⸗ nommen worden ist.
Ueber den Haushaltungsplan, über Abgabengesetze und Besoldungsordnungen kann nur der Reichspräsident einen Volksentscheid veranlassen.
Das Verfahren beim Volksentscheid und beim Volks⸗ begehren regelt ein Reichsgesetz.“
Ferner kann nach Artikel 74 Abs. 3 der Verfassung bei Meinungs⸗ verschiedenheit zwischen Reichstag und Reichsrat über ein vom Reichs⸗ tag beschlossenes Gesetz der Reichspräsident über den Gegenstand der Meinungsverschiedenheit einen Volksentscheid anordnen. Auch räumt Artikel 76 Abs. 2 der Reichsrat die Befugnis ein, einen Volksentscheid zu verlangen, wenn der Reichstag entgegen dem Einspruch des Reichs⸗ rats eine Verfassungsänderung beschlossen hat.
In der gleichen Form wie der Volksentscheid spielt sich das Ver⸗
fahren nach Artikel 43 Abs. 2 der Verfassung ab, wenn das Volk von 8 seinem Rechte auf Abberufung des Reichspräsidenten Gebrauch macht. Auch die bei Gebietsveränderungen und Neubildungen von Ländern vorgesehene Abstimmung der Bevölkerung ist nichts anderes, als ein auf bestimmt umgrenzte Teile der Reichsbevölkerung beschränkter Volksentscheid. Er erscheint daher zweckmäßig, für die in der Reichs⸗ verfassung vorgesehenen Formen der unmittelbaren Mitwirkung des Vorles an der Gesetzgebung und für die sonstigen Volksabstimmungen das Verfahren einheitlich zu gestalten. Abschnitt I regelt das Verfahren über den Volksentscheid. Infolge der nahen Verwandtschaft des Abstimmungsrechts beim Volksenkscheide mit dem Wahlrecht wird sich das Verfahren beim Volksentscheid in gleicher Weise wie die Stimmzettelabgabe bei den politischen Wahlen abspielen. Der Entwurf schsigt daher für die Durchführung des Volksentscheids und die Feststellung des Abstimmungsergebnisses di gleichen Einrichtungen und Ausschüsse vor, wie sie für die Reichstags⸗ wahlen und die Wahl des Reichspräsidenten im Entwurf eines Reichs⸗ wahlgesetzes und im Entwurf eines Gesetzes über die Wahl des Reichs⸗ präsidenten vorgesehen sind. Die Wahlkreise führen hier die Bezeich⸗ nung „Stimmkreise“, die Wahlbezirke die Bezeichnung „Stimm⸗ bezirke“, die Kreiswahlleiter und der Reichswahlleiter heißen „Ab⸗ stimmungsleiter“ und „Reichsabstimmungsleiter“, die Wahlausschüsse „Abstimmungsausschüsse“, der Reichswahlausschuß „Reichsabstim⸗ mungsausschuß“.
Der zweite Abschnitt betrifft das Verfahren beim Volksbegehren. In den Schweizer Kantonen und den Staaten der nordamerikanischen Union spielt sich die Initiotive meist in der Form der Sammlung von Unterschriften unter einer Petition ab.
In der Schweiz ist die Unterschriftensammlung von der Ge⸗ weindehehörde zwar zu bealaubigen, allein nicht in dem Sinne, daß die Echtheit der Unterschrift bestätigt wird, sondern nur insofern,