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bedingungen der Alliterten überreichen. Zur Eingabe Ihrer Be⸗
merkungen ist Ihnen eine Frist von 15 Tagen eingeräumt. Wir haben das Schreiben des Grafen Apponvi erhalten, in dem er den Wunsch aus rückt, der Konferenz die Lage der ungarischen Regierung unter den gegenwärtigen Umstärden darzulegen. Die Konferenz hat einstimmig beschlossen, ihn unter der Bedingung anzuhören, daß
diesem Exposé keme Erörterung solgt. Wenn es Ihnen angenehm ist, wird die Konferenz die Chre haben, Sie morgen nachmittag um
2 Uhr anzubören.
Der Generalsekretär Dutasta übergab hierauf dem Chef der ungarischen Delegation die Friedensbedingungen der Alllierten. Graf Apponyi erhob sich und erklärte in französi⸗ scher Sprache, daß er sich damit begnüge, Kenntnis von den Frieder sbedmgungen zu nehmen, die ihm soeben übergeben worden seien.
Die Friedensbedingungen bauen sich in gleicher Weise auf wie der Vertrag von St. Germain.
Die Abschnitte, die sich auf den Völkerbund, die ungarischen Interessen außerhalb Europas, die Kriegsgesangenen, die Wiedergut⸗ machung, die Luftschiffahrt, die Häf⸗n, die Wasserstraßen, die Eisen⸗ bahnen beziehen, lauten in beiden Dokumenten gleich. Der Vertrag erwaͤhnt sodann genau die Grenzen Ungarns gegenüber Oesterreich, dem serbo⸗kroatisch⸗slowenischen Staat. Rumänien und der Tschecho⸗Slowatei. Ungarn erkennt die volle Unabhängigteit des serbo⸗ kroatisch⸗slowenischen und des tschechoflowakischen Stoaates an. Die Grenzen zwischen Ungarn, dem serbo⸗kroattsch⸗flowenischen Staat und Rumänien werden durch eine siebengliedrige Kommission be⸗ zeichnet, von der fünf Muglieder von den alltierten und assoziierten Mächten, eins vom Hhzere etten Staat und eins von Ungarn er⸗ nannt werden. Ungarn verzichtet zugunsten Italiens, des serbo⸗ kroalisch⸗slowenischen Staats, Rumäniens und der Tschecho⸗ Slowakei auf alle Rechte und Titel jener Gebiete der ehemaligen
österreichisch⸗- ungarischen Mongrchie, die als Bestandteil diesen
Staaten einverleibt werden. Rumätien nimmt die Bestimmungen an, die die alliierten und assoziterten Hauptmächte als notwendig erachtet haben, um die Interessen jener Bewohner Rumäniens zu schützen, die von der Mehrheit der Bevölkerung durch Rasse, Sprache oder Reltgion verschieden sind. Run änien genehmigt auch die Bestimmungen, durch welche die Freiheit des Transits und ein gerechtes Reime fün den Handel ‚der beiden Nationen gesichert werden sollen. Der tschecho⸗slowakische Staat verrflichtet sich, keine Festungewerte auf dem rechien Donauufer südlich von Brati lawa (Preßburg) zu errichten. Ungarn verzichtet auf alle Rechte üͤber Fieme und die angrenzenden Gebiete, die dem früheren ungarischen Königreich angehörten, zugunsten Italiens in den Grenz⸗ linien, wie sie später sestgelegt werden, und es verpflichtet sich, alle vertragsmäßigen Bestimmungen, die daruͤber aufgestellt werden, anzu⸗ erkennen. Ungarn verzichtet zugunsten Oesterreichs auf alle Rechte des ungarischen Königreichs, foweit es außerhalb der festgelegten Grenzen liegt. Die militärischen Bestimmungen sind identisch mit denjenigen des Vertrages von St. Germain mit Aus⸗ nahme von zwei Punkten. Die Gesamtstärke der ungarischen Wehrmacht wird auf 35 000 Mann festeesetzt. Es darf kein schweres Geschütz, d. h. kein 927g. sefüdet werden, dessen Kaliber mehr als 105 Millimeter beträgt. Was die Wiedergutmachung betrifft, so sind die Bestimmungen identich mit jenen des Vertrages von St. Germain. Immerhin Ungarn den alliierten Mächten ein Optionsrecht für die jährliche Lieserung einer bestimmten Menge Kohle aus dem Bergwerk von Pees waͤhrend eines Zeitraums von 5 Jahren. Die Höhe der Liefe⸗ rung wird von der Reparationekommission festgesett werden, die auch über die Lieferungen zugunsten der H Republik verfügen wird. Die Verteilung und die Art der finanziellen Lasten Ungarns, soweit sie der ischecho⸗slowakische taat, Rumänien und der serbo⸗kroazisch⸗lowenische taat zu tragen haben, werden gemäß dem ihrer Oberhoheit unter⸗ ssellten Gebiet nach den finanziellen Bestimmungen des vorliegenden Vertrages festgesetzt, die mit jenen des Vertrages von St. Germain identisch sind mit Ausnahme ven zwei Zusätzen. Die Bestimmung, wonach der Unterhalt der alltierten Armee, die Ungarn besetzt hält, zu inen Lasten fällt, findet keine Anwendung aut die militärtschen .2 seit dem 13. Novembr 1918 ohne die Zustimmung der allijerten und assoziierten Hauptmächte. In diesem Falle wird die Reparationekommission den Anteil der Ausgaben festsetzen, der Ungarn anzurechnen ist. Andererseits wird noch besonders bestimmt daß die ungarische Regierung über die äͤußere ungarische öffentliche Schuld hinaus auch noch ihren Teil der österreichischen Schuld sicher⸗ zustellen hat als Beitrag zu der allgemeinen Schuld von Oesterreich⸗ Ungarn. Die wirtschaftlichen Bestimmungen sind sdentisch mit den entsprechenden Bestimmungen des Vertrags von St. Germain mit Ausnahme einiger Einzelbestimmungen über die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Oesterreich und Ungarn.
— Die seit einer Woche zwischen den Ministerpräsidenten Clemenceau, Lloyd George und Nitti einerseus und der füdslawischen Delegation unter Führung von Paschitsch und Trumbitsch andererseits gepflogenen Verhandlungen sind laut Meldung des „Wolffschen Telegraphenbüros“ zum Abschluß gekommen. Die diei Regierungschefs unterbreiteten den serbo⸗ kroatsch⸗slowenischen Bevollmächtigten den En twurf zu eir em Uebereinkommen, der von Jalien gebilligt wird. Cle⸗ menceau beschwor in einer Ansprache Paschitsch und Trumbitsch, im Interesse des Friedens das Uebereinkommen anzunehmen. Diese erklärten, die Wichtigkeit der Angelegenheit zwinge sie, in Belgrad darüber Bericht zu erstatten, und setzten sich sofort telegraphisch mit ihrer Regierung in Verbindung. —
Die Regierungschefs genehmigten gestern der „Agence Havas“ zufolge den Wortlaut der Note, die im Namen des Obersten Rats an die holländische Regierung gerichtet wird, und die das Begehren auf Ausliefe⸗ rung des Kaisers Wilhelm II. enthält. Die Note, die wahrscheinlich am Sonntag übermittelt wird, bezieht sich auf Artikel 227 des Versailler Vertracs, der die Versetzung des früheren Deutschen Kaisers in den Anklagezustand vor⸗ siebt. Die Alliterten laden Holland ein, sich an der Er⸗ füllung dieses Werkes der Gerechtigkeit zu beteiligen. Die Note ist in freundschaftlichem Tone gehalten.
— In der heutigen ersten Sitzung des Völker⸗ hundsrats werden im Namen Frankreichs Léon Bourgeois, für Großbritonnien Lord Curzon, süe Griechenland Weniselos, für Beigien Hymans sprechen. Von neutralen Staaten haben Spanien, Schweden und Tävnemonk Clemencean ihren Beitritt zum Völkerbund erklärt. Die Zustimmung Norwegens ist ebenfalls sicher.
— Ein Ministerrat im Elysée hat den Finanzminister Klotz ermächtigt, den Haus haltsentwurf für 1920 in der Kammer einzubringen. Der Präsident Poincaré hat
einen Gesetzentwurf unterzeichnet, nach dem der Bau von
5 Panzerschiffen des Typs Normandie eingestellt und 6 Auf⸗ klärungskreuzer für Geschwaderzwecke gemäß dem Gesetz vom 30. Januar 1912, und 12 Torpedobootezerstörer für Auf⸗ klärungszwecke im Jahre 1920 auf Stapel gelegt werden sollen.
— Die Delegierten der Gruppen des Senats und der Kammer haben die vorbereitende Versammlung zur Wahl des Präsidenten der Republik auf Freitag nachmittag
angesetzt. Von einigen Mitgliedern des Parlaments befragt,
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erklärte der
für die Präsidentschaft der Republik nicht angeboten habe, sondern doß diese mit seiner Zustimm ung von seinen Freun den 8n worden sei. Somit nimmt Clemenceau die Kandi⸗ atur an.
— Die Generalversammlung der Confédération Générale du Trarail hot vorgestern mit 110 gegen 22 St mmen einen Antrag der Extremisten auf Erklärung des General⸗ streiks abgelehnt.
8 Rußland.
Laut Meldung des „Nierwe Rotterdamsche Courant“ hielt Lenin in einer Versammlung in Moskau eie Rede, in der er sagte, der Friede von Versailles sei der härteste Schlag, den sich die Entente sel st habe zufügen können, da die kleineren Völker, die bis her die Entente als ihren Beschirmer angesehen hätten, jetzt einsähen, doß sie mit raubsüchti en Völkern zu zun hätten. Wilson habe Europa weder Freiheit noch Demokratie gebracht. Ueber die Beziehungen Sowjetrußlands zu den östlichen Völkern sagte Lenin, um die Schweerigkeiten zu uͤberwinden, müßten die kom munistischen Methoden ab⸗ geändert werden, um sich dem östlichen Volkscharakter anzu⸗ passen. Erst wenn der Osten für den Kommugtsmus gewonnen sei, werde der Westen den Sieg des Soajelsystems anerkennen.
Türkei.
Blättermeldungen zufolge ist die Kommer wegen un⸗ genügender Arzahl der in den Sitzungen anwesenden Telegierten vertagt worden.
Bulgarien.
Auf Grund outhentischer Nochrichten ist, wie „Wolffs Telegrapher büro“ meldet, die Kgl. Bulgarische Gesandt⸗
schaft in Berlin in der Lage, die in letzter Zeit wiederum
austauchenden Meldungen über angebliche blutige Zu⸗
sammenstöße in Bulgarien, sowie über einen Rücktritt
der Regierung auf das erntschiedenste in Abrede zu stellen. In Sofia hat sich kein Vorfall ereignet, die Stellurg der Re⸗
gierung ist fester denn je zuvor, und der Streik der Eisenbahne und Telegr phenbeamten sjann als beigelegt bencchtet werden. Diese
Arbe iter waren noch dem Verbot der von ihnen für den 24. De⸗
zember angesagten Kurdgebungen in den Ausstand getreten. Die be⸗ absich tigten Demonstrationen hätten angeblich einen Protest gegen die Teuerung zum Ausdruck bringen sollen, in Wuklichkeit handelte es sich um einen von den Kommunisten ausgehenden Versuch, die Regierung zu stürzen. Diese jedoch ordrete ohne Zöceern die
Militaristerung der Post, Telegraphen und Eisenbahnen, sowie die
Einstellung eines neuen Personals an. So wurde der Ausstand vom ersten Tage an aussichtslos.
Erklärung ab, die wiederaufgenommene Anbeit gewissenhaft versehen zu wollen. Das Ende des Ausstandes steht bepor. Angesichts des Mißerfolges ihres Unternehmens sollen sich die kommunistischen Anstifter von der Streik⸗ leitung zurückziehen nollen. Im ganzen Lande herrscht Orduung. Vereinzelten Versuchen der Ausständigen, Gewast zu gebrauchen, wurde ohne Blutvergießen Einhalt getan. Alle Schwierigkeiten sind bereits überwunden und der gesamte Verkehr wiederhergestellt. Die Bevölkerung hat sich während dieser Vorkommnisse volltommen ruhig verhalten und die Regierung unterstützt, die in jedem Augenblicke
Herr der Lage gewesen ist. Amerika.
MNach einer Reutermeldung aus Washington empfingen die Senatoren Lodge und Hilchcock im Namen der Republikaner bezw. Demokraten eine Abordnung von Gesellschasten mir ins⸗ gesamt 20 M llionen Mitgliedern, die die Ratifikation
des Friedensvertrages fordern. Beide Senatoren ver⸗ sicherten der Abordrung, die demokratischen und republikanischen
Senatoren seien gemeinsam bestrebt, über den Kyotenpunkt in den Verhandlungen hinwegzukon men. Hücchcock sagte, er er⸗ warte, daß der Friedensvertrag mit einigen Vorbehalten in zwei Wochen ꝛatifiziert sein werde. ““
Asien.
Die „Daily News“ melden zu den Kämpfen zwischen Franzosen und Syriern, daß die Laue in Syrien außer⸗ ordentlich ernst sei. In Damoaoskus habe sich ein natonaler Vereinigungsaus schuß gebildet, der sich gegen jede ausländische Intervention erklärt habe. Die allgemeine Militärdienstpflicht sei eingeführt worden.
Kunst und Wissenschaft.
Im Auftrage der Preußischen Akademie der Wissenschaften wird am Sonnabend, den 17. d. M., Abends 7 Uhr, im Festsaal der Akademie, Unter den Lenden 38, der Geheimrat Prosessor Dr. Lüders einen wissensche ftlichen Vortrag „Die indische Gottes⸗ idee“ halten, deßsen Ertrag für wissenschaftliche Zwecke bestimmt ist. Karten zum Preise von 3 ℳ sind zu haben bei A. Wertheim, im Kaufhaus des Westens und beim Pförtner der Akademie.
Wohlfahrtspflege. 1
In Berlin hat sich gestern, wie „W. T. B.“ berichtet, ein Arbeilsausschuß des „Deutschen Hilfswerkes für die Kinder Oesterreichs“ gebildet. Es gehören ihm u. a. an: Vertreter des deutschen und des österreichischen Roten Kreuzes, des evangelischen Kinderrettungsvereins, der katholischen „Charitas“, der juͤdischen Wohlfahrtsvereine sowie der österreichische Konsul in Berlin. Der Arbeitsausschuß wird die Zentralstelle der Aktion zur Unterbringung österreichischer Kinder in Deutschland sein. In einzelnen Städten Deutschlands haben sich bereits Oitsausschüsse gebildet; andere Städte sind im Begriffe nachzufolgen. In Wien werden die erforderlichen Arbeiten vom „Städtischen Jugendfürsorgeamt“ besorgt. Auskünfte werden durch den Arbeitsausschuß des Deutschen Hilfs⸗ werkes für die Kinder Oesterreichs, Berin NW., Moltkestraße 3 (im Hause der österreichischen Gesandtschaft), erteilt.
Verkehrswesen.
Da der Kohlenvorrat zu Ende ist, wird am 15. d. M der gesamte Güterzugsvertehr in Bayern eingestellt bis auf die Beförderung von Lebensmitteln und Brennstoff n. Die Frlaflen des Personenverkehrs zu den noch verbleiben en Zügen bleibt vollständig ausgeschlossen. Die Zahl der Nah⸗ zugsverkehrszüge wird gleichfalls eingeschränkt und der Lokalbahnverkehr wird überall eingestellt, wo eine wirk⸗ some Kohlenersparnis sich ergibt. Von Schnellzügen werden nur D 39,/40 zwischen München und Berlin beibehalten.
Im in⸗ und a
Ministerpxäsident, doß er seine Kandidatur Ministerprasident, doß er seine Kandidatur s 2u gse, 39, Tn Pe., mitkeilt, inzolge zaßsbeicher och nichi be.
geführt worden sind.
Die Auesständigen kehren bereits in Gruppen zur Arbeit zurück und gaben die schriftliche
“
ssländischen Telegraphenverkehr
hobener Leitungsstörungen noch erhebliche Betriebeschwierig⸗
keiten, so daß größere Postversande weiter unvermeidlich waren. Mit Frankreich besteht noch keine Verbindung. Der Verkehr mit Eng⸗
land und Holland wurde wieder aufgenommen. Zm Fernsprech verkehr Berlins sind noch einige 70 Fernleitungen gestört. Dir von einzelnen Zeitungen gemeldeten Sabotageakte im Industriegebiet sind am 10. verübt worden, nachdem bereits vom 8. Januar
ab fortgesetzt erhebliche Störungen in den Telegrapbenlinien
infolge Surmes aufgetreten und Telegraphenbaukolonnen zu
ihrer Beseitigung auf die Strecke entsandt worden waren. 88
Sabotageakte umfassen nach einem von der Oberpostdirektion
Münster heute beim Reichepostmmisterium eingegangenen ausführlichen schriftlichen Bericht vom 12. Januar 11 verschiedene Fälle, wo ober
und unterirdische Telegraphen⸗ und Ferusprechleitungen durchgeschnitten
und sonstige Störungen, auch durch Zertrümmerung von Porzellan
isolatoren, absichtli Nach den amtlichen Feststellungen handelt es sich hierbei um ein regelrechtes, von Telegrapben arbeitern vorbereitetes Komplott. Bisher sind drei Telegraphen
an den Reichstelegraphenanlagen herbei⸗
231 6
arbeiter der vorsätzlichen Beschädigung von Telegraphenanlagen über⸗ führt. Der Haupträdelsfüͤhrer ist dem zuständigen Kriegsgericht über⸗
geben. Die Oberpostdirektion hat die zus um Ermsttlung der weiteren Täter und um Einleitung des strafrechtlichen Verfahrens ersucht, soweit nicht die verschärften Bestimmungen des Gesetzes über den Belager ingszustand Platz Mehrere Sabotage⸗ akte sind außerdem in den Bezirken Dortmund und Düsseldorf feftgestelt worden. Die gestörten Leitungen und Linien sind zum Teil bereits wieder in Betrieb oder werden in turzer Zeit wieder hergestellt sein. Wie den Zeitungen vom Reichspostministelium am 13. Vormittags in der Berliner Pressekonserenz miigeteilt wurde, lag die erste Meldung der Oberpostdirektion Münster über „an einigen Stellen“ verübte Sabotagefase bereits am 10. Januar dem Reichspostministerium vor. Da jedoch aus diesem Telegramm noch nicht hervorging, wer die Sabotage verübt batte und 1b es sich um ernstere Fälle handelte, sah das Reichspostministerium bis zur Klärung des Sachverhalts zunächst davon ab, auf die Vorfälle bei Bekanntgahbe der durch die Stürme hervorgerufenen schweren Störungen im Telegraphen⸗ und Fernsprech⸗ verkehr in den amtlichen Wolffnachrichten mit einzugehen. Die in der „Post“ vom 13. Januar gegen die Regierung erhobene Unterstellung, daß die orkarartigen Stürme ihr sehr gelegen gekommen seien, um
dabinter die Folgen jener Sabotageakte verstecken zu können, läßt sich
daher nicht weiter verwerten.
Theater und Muiir.
9.
Im Anschluß an die morgen, Sonnabend, statffindende „Par⸗ 2
sifal“⸗Vorstellkung im Opernhause wird zu Ehren des Herrn Robert Philipp, der an diesem Tage auf eine 50 jährige Künstlertätigkeit zurückblicken kann, von der Leitung der Staat oper und der Kollegenschaft eine kleine Feierlichkeit veranstaltet werden, um dem Jubilar die Symoathien zum Ausdruck zu bringen, deren er als Mensch und Künstler sich von peber an dem Inst tut zu erfreuen hatte. Das Datum der „Fledermaus“⸗Aufführung, welche aus Anlaß seines Jubiläums mit ihm als Eisenstein, sowie unter Mitwirkung nam⸗ hafrer Kräfte in Aussicht genommen ist, wird noch bekannt gegeben werden.
Im Großen Schauspielhause ünndet die morgige Erst⸗ veffdürung von „Hamlet“ außerhalb des Dauerbezugs statt. Die erste Dauerbezuge vorstellung des Werkes ist für .en0g. und zwar für die 33. Abteilung der Dauerbezieher, angesetzt. Die 34. bis 45. Ab⸗ teilung erhalten als erstes Werk im Dauerbezuge den „Hamlet“; es ist beabsichtigt, für diese Abteilungen die „Orestie“ als zweites Werk zur Darstellung zu bringen. — Für die „Hamlet“,Aufführungen sind eine Anzahl von Rollen doppelt besetzt worden. Es spielen den Hamlet: Alexander Moissi und Ernst Deutsch, den König: Paul Wegener und Joseph Klein, den Polonius: Werner Krauß und Wilhelm Voelcker, den ersten Schauspieler: Ludwig Wüllner und Paul Lange, den Horatio: Hermann Thimig und Aribert Wäscher.
(Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Erstemn Beilage.)
Theater.
GOpernhanus. (Unter den Linden.) Sonnabend: 11. Dauer⸗ bezugsvorstellung. Dienst⸗ und Freiplätze sind aufgehoben. Parfifal. Ein Bühnenweihfestspiel in drei Aufzügen von Richard Wagner. Musikalische Leitung: Generalmusikdirektor Leo Blech. Spielteitung: Hermann Bachmann. Anfang 5 Uhr. .
Schanspielhaus. (Am Gendarmenmarkt.) Sonnab.: 17. Vauer⸗ bezugsvorstellung. Dienst⸗ und Freiplätze sind aufgehoben. Wilheltz Teli. Schauspiel in fünf Aufzügen von Friedrich Schiller. Spiel⸗ leitung: Leopold Jeßner. Anfang 6 ½ Uhr.
Sonntag: Opernhaus. 10. Kartenreservesatz. Der Dauerbezu die ständig vorbehaltenen sowie die Dienst⸗ und Freiplätze sind auf⸗ gehoben. Parsifal. Ein Bühnenweihfestspiel in drei Aufzügen von Richard Wagner. Anfang 4 Uhr.
Schauspielhaus. Nachmittags: 29. Kartenreservesatz. Der Dauerbezug, die ständig vorbehaltenen sowie die Dienst⸗ und Frei⸗ plätze sind aufgehoben. 26. Volksvorstellung zu ermäßigten Preisen: Heimat. Anfang 2 ½ Uhr. — Abends: 18. Dauer⸗ bezugsvorstellung. Dienst⸗ und Freiplätze sind aufgehoben. Wilhelm Tell. Schauspiel in fünf Aufzügen von Friedrich Schiller. Spiel⸗ leitung: Leopold Jeßner. Anfang 6 ½ Uhr. 8 .“
Familiennachrichten.
von Burchard (Gerlin).
Geboren: Ein Sohn: Hrn. Regierungsrat Carl Achatius von Kitzing (Hannover).
Gestorben: Hr. Rittmeister a. D. Ernst Frhr. v (Erebasx — Hr Retmeister Gari geht rhch er Hree⸗ heimer Justizrat Gustav Dedolph (Cottbus).
Verlobt: F. Eent. enrach mä Hrn. eutnant Wolfpeng
Verantworklicher Schrifkleiter: Direktor Dr. Tvrol. Charlottenszura.
Verantwortlich für den Anzeigenteil: Der Vorsteher der Geschäftsstelle. [Rechnungsrat Mengering in Berlin.
Zerlag der Geschäftsstelle (Mengerina) in Berlin.
Druch der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlagsansta!: Berlin. Wilhelmstraße 32. 1u““]
“ Fünf Beilagen (einschließlich Börsenbeilage und Warenzeichenbeilage Nr. und Erste, Zweite und Dritte Zentral⸗Hondelsregister⸗Beilags
tändigen Staatsanwalt schaften
E881
AFichtamtliches. (Fortsetzung aus dem Hauptblatt.]
beutsche Nationalversammlung in Berlin. 137. Sitzung vom 15. Januar 1920, Vormittags 10 Uhr. (Bericht des Nachtichtenbüros des Vereins den ischer Zeitungsverleger.)*)
Etzz wird die zweite Lesung des Entwurfs eines Gesetzes über Betriebsräte fortgesetzt.
Zu §. 1 wird der Antrag der Deutschen Volkspartei, die ganze Vorlage dem Reichswirtschaftsrat zur Vorberatung zu überweisen, gegen die Stimmen der beiden Parteien der Rechten abgelehnt. § 1 wird in der Fassung der Ausschuß⸗ vorschläge, wonach zur Wahrnehmung der gemeinsamen wict⸗ schaftlichen Interessen der Arbeitnehmer (Arbeiter und An⸗ gestellte) and zur Unterstützung des Arbeitgebers in der Er⸗ füllung der Betriebszwecke in allen Betrieben, die in der Regel mindestens 20 Arbeitnehmer beschäftigen, Betriebsräte zu er⸗ richten find, gegen die Rechte und die äußerste Linke ange⸗ nommeon, nachdem auch der Antrag der Unabhängigen Sozial⸗ demokruen, in allen Betrieben mit mindestens 10 Arbeit⸗ nehmmern zur Ueberführung der kapitalistischen Wirtschafts⸗ orbreung in⸗ die sozialistische Betriebsräte zu errichten sind, gegen die Stimmen der Antragsteller abgelehnt worden war.
Nach § 2 der Ausschußvorschläge ist in Betrieben, die in der Regel weniger als 20, aber mindestens 5 wahlberechtigte Arbeitnehmer beschäftigen, von denen mindestens 3 wählbar sind, ein Betriebsobmann zu wählen. Beschäftigen solche Betviehe mindestens 5 wahlberechtigte Arbeiter und 5 Angestelkto, so kann ein gemeinsamer Betriebsobmann ge⸗ wählt werden. Ist eine Einigung der Mehrheit beider Gruppen nicht zihe erzielen, so wählen die Arbeiter und Angestellten einen Betriebsobmann. — Die Deutsche Volkspartei veantwchgt hinzuzufügen: „Kein Arbeitnehmer ist in mehr als einem Betriebe wahlberechtigt oder wählbar“. Die Deutschnationalen wollen in § 2 die Ziffer „5“ durch „IH“ ersetzen, eventuell soll in Betrieben des Handwerks und des Kleinhandels ein Betriebsobmann erst dann gewählt werden, wenn minbestens 10 Arbeitnehmer, darunter 3 wähl⸗
bare, vorhanden sind. — Die Unabhängigen Sozial⸗
bemokraten wollen in § 2 bestimmen, daß Betriebe, die weniger als 10 Arbeitnehmer beschäftigen, ortsweise nach Industrien zu Wahlabteilungen zusammengefaßt werden sollen, die auf je 200 Beschäftigte gemeinschaftlich einen Ortsbetriebs⸗ rat wählen.
Abg. Biener (D Nat.): Dem Betriebsobmann sollen nach § 2 die Befugnisse des Berriebsrats zustehen, d. h. er wird in seiner Person ein weitgehendes Recht der Mitbestimmung im Betriebe ver⸗ einigen. Unter die Wirkung dieser Bestimmung werden namentlich die Handwerksbetriebe fallen. Es muß aber anerkannt werden, daß gerade in ihnen die beklagenswerten Zustände der Großbetriebe nicht bestehen. Da Handwork arbeitet individuell und ist in seinen Be⸗ trieben darauf eingestellt, sich seinen Nachwuchs selber heranzuziehen. Es erneuert sich aus sich heraus. Deshalb darf man nicht die Be⸗ triebsräte schematisch auf das Handwerk übertragen. Den Minister frage ich, weshalb nicht die Berufsvertretung des Handwerks, die Handwerks⸗ und Gewerbekammern bei Vorbereitung dieses Gesetzes befragt worden sind. Das deutsche Handwerk hat vor, während und nach dem Kriege in vollstem Maße seine Schuldigkeit getan und sich auch nicht durch die Revolution in seinen Pflichten irremachen lassen. (Beifall rechts.)
Abg. Dr. Most (D. V.): Unser Antrag will verhindern, na⸗ mentlich im Interesse der Kleinbetriebe und bei Hausgewerbetreibenden, die zu mehreren Betrieben gehören, daß eine mehrfache Wahlberechti⸗ gung und Wühlborkeit cintritt. Dieser einfachen Erwägung bitte ich Ihre Zustimmung zu geben. 1 Abg. Koenen (il. Sez.); Unser Antrag bezweckt, auch den Klein⸗ betrichen mit weniger als fünf Arbeitnehenern durch die Zusammen⸗ fassung in einen Ortsbetriebsrat eine Vertretung zu geben. Würden die Kleinbetriebe ganz ausfallen, so würde man ein Drittel der ge⸗ samten arbeitenden Bevölkerung aus der Wirkung dieses Gesetzes aus⸗ schalten. Die Bestimmung, daß unter den wenigsten fünf wahlberech⸗ tigten Angestellten eines Betriebes drei wählbar sein müssen, um diesen fünf eine Vertretung zu geben, ist für uns unannehmbar. Auch die Ausländer und die Lehrlinge müssen auf die Arbeitsverhältnisse und besonders die hygienischen Einrichtungen des Betriebes gewissen Einfluß bekommen. Das liegt auch im Interesse der Produktions⸗ steigerung und der Modernisierung der Arbeitsmethode, die besonders für die Kleinbetriebe notwendig ist. Uns liegt es fern, die Klein⸗ betriebe kaputt machen zu wollen, deshalb wollen wir sie ortsmäßig zu⸗ sammenfassen. Die Obleute müssen vor kapitalistischer Beeinflussung geschützt werden, deshalb ersuchen wir Sie, unserm Antrag zuzu⸗ stimmen und dem faulen Kompromiß den Abschied zu geben.
Abg. Behrens (D. Nat.): Auch die Stimme der Arbeitgeber muß bei einem so wichtigen Gesetz zur Geltung kommen. Wir sind für eine gute und ausreichende Arbeitervereinigung in den Betrieben; daran kann kein Zweifel sein. Die Vorlage hat sehr große Mängel. (zleich beim ersten Paragraphen geht die Ungerechtigkeit los; hier ist eine Ausnahmebestimmung gegen die Landarbei ter aufgenommen worden. Ich habec ein Interesse daran, vor der Oeffentlichkeit fest⸗ zustellen, Laß die Mehrheitssozialdemokratie bereit ist, einer Aus⸗ nahmebestimmung betreffs der Landarbeiter zuzustimmen. Man kann darüber verschiedener Meinung sein, ob fünf oder zehn richtig und aweckmaäͤßig ist. Aber deshalb darf man nicht ins Land hinausgehen und die Leute gegeneinander aufhetzen. Was die Frage betrifft, ob fünf oder zehn Arbeiter in einem Betriebe notwendig sein sollen, um einen Obmann zu wählen, so sage ich: wenn man das will, dann muß es auch für die anderen Betriche, die Handwerker usw. gelten. Ich wäre damit einverstanden, wenn die Betriebe mit fünf Beschäftigten bereits einen Obmann wählen.
Abg. Schneider⸗Sachion (Dem.): Der Reichsverband des Deutschen Handwerks war bei der ersten Lesung noch nicht gegründet, folglich konnte er auch damals noch nicht gehört werden. Der Be⸗ triebsobmann ist doch nichts weiter, als die historische Weiterentwick⸗ lung des Altgesellen. Das Handwerk kann man nicht aus den Be⸗ stimmungen herausnehmen. Wir bitten, die zu § 2 gestellten Anträge, sowohl die von der Rechten wie von der linken Seite, abzulehnen.
Der Antrag der Deutschen Volkspartei wird dahin abgeändert, daß nur noch die Forderung übrig bleibt, daß kein Arbeitnehmer in mehr als einem Betriebe wählbar sein soll.
Mit, Aasnahne bder Nedrn Fei Nmwon Minister, Vle
im
Wortlaute wisdergegeben werden, 8 8;
8
Dentschen Reichsanzeiger und Preußischen
Berlin, Freitag, den 16. Januar
Die Anträge der U. Soz. und der Deutschnationalen wer⸗
den abgelehnt, ebenso der Antrag der “ Volkspartei
gegen die Rechte und die Unabhängigen. 2 wird unver⸗ ändert nach den Ausschußvorschlägen angenommen. Ueber den Eventualantrag der Deoutschnationalen wird bei § Za nament⸗ lich abgestimmt.
§ 3 der Ausschußvorschläge besagt, daß für Betriebe, die mindestens 20 Hausgewerbetreibende beschäf⸗ tiden, ein besonderer Betrieberat errichtet werden muß.
Die U. So z. beantragen folgende Fassung: „Haus⸗ gewerbetreibende wählen zu den Betriebsräten des Betriebes, für den sie beschäftigt sind“.
Abg. Laukant (U. Soz.) begründet diesen Abänderungsantrag. -83 wird unter Ablehnung des Antrages der U. Soz. in
ier von den Mehrheitsparteien vorgeschlagenen veränderten
Fassung angenommen.
Hierauf erfolgt namentliche Abstimmung über den zu
2 gestellten Eventualantrag der Deutschnationalen Volks⸗
i. Der Antrag wird mit 227 Stimmen gegen 66 Stimmen abgelehnt.
Nach § 4 der Ausschußbeschlüsse finden die §S 1 und 2 auf die Betriebe der Land⸗ und Forstwirtschaft und auf deren Nebenbetriebe mit der Maßgabe An⸗ wendung, daß bei der Zahl der Arbeitnehmer nur die ständigen Arbeitnehmer berücksichtigt werden. In diesen Betrieben ist erst dann ein Betriesobmann zu wählen, wenn mindestens 10 ständige Arbeitnehmer vorhanden sind, von denen 3 wähl⸗ bar sind, — Die Deutsche Volkspartei will hier die Zahl „10“ ersetzen durch „15“, unter denen für die Wahl des Obmanns mindestens 6 die Wählbarkeit müssen.
Die U. Soz. wollen im § 4 diese Betriebe, soweit sie in der Regel weniger als 10 Arbeitnehmer beschäftigen, nach Gemeinden oder Gutsbezirken zusammenfassen und einen Ge⸗ meindebetriebsrat wählen lassen. — Ein Antrag der Deutsch⸗ nationalen will hinter dem Worte „ständigen“ ein⸗
schalten: „ausschließlich oder überwiegend im Betriebe be⸗
schäftigten“. 4
Abg. Dusche (D. V.): Alle landwirtschaftlichen Behörden sind gegen die Ausdehnung des Gesetzes auf die Landzvirtschaft. Die Aus⸗ schließung der Landwirischaft ist uns nicht gelungen. Wir stellen deshalb unsere Anträge, um im Interesse der Konsarmenten zu ver⸗ hindern, daß immer mehr zur extensiven Wirtschaft übergegangen wird. Tausende won Hektaren, die jetzt Ackerland sind, werden dann den Schafherden dienen.
Abg. Laukant (IlI. Soz.): Nach dem Antrag der Deutschen Volks⸗ partei würden überhaupt kaum noch in der Landwirtschaft Betriebsräte gewählt werden können. Es kann die Landwirtschaft nicht schädigen, wenn die Arbeiter mit dem Landwirt beraten, wie am besten gewert⸗ schaftet werden soll. Die Landwirte wollen nur die Arbeiter weiter ausbeuten, ohne daß diese sich wehren können.
§ 4 wird unverändert in der Ausschußfassung ange⸗ nommen.
85 bestimmt in der Ausschußfassung, daß für die See⸗ schiffahrt und Binnenschiffahrt die Einrichtung von Arbeitnehmervertretungen durch besonderes Gesetz zu regeln ist. ’
Abg. Dr. Most (D. V.) begründet einen Antrag seiner Partei, wonach dies guch für die Krankenhäuser, Heil⸗ und Pflege⸗
anstalten zutreffen soll. In den Krankenhäusern usw. sei der leitende
Arzt für das Leben seiner Patienten vevantwortlich und die Patienten dürften nicht durch Verhandlungen oder Forderungen des MPflege⸗
personals in Gefahr gebracht werden.
85 wird unverändert angenommen. 1 Nach § 6 der Ausschußvorschläge sind in allen Betrieben,
in deren Betriebsräten Arbeiter und Angestellte
vertreten sind, Arbeiterräte und Angestelltenräte zu errichten. Sie werden gebildet durch die Mitglieder der betreffenden Gruppen des Bezirksrates und durch Ergänzungsmitglieder, die durch die betreffenden Gruppenangehörigen gewählt werden. Die U. Soz. beantragen die Streichung des 8 6, eventuell wollen sie statt „Arbeiterräte“ und „Angestelltenräte“ die Bezeichnung „Arbeiterausschüsse“ einführen. Abg. Koenen (U. Soz.): In diesem Paragraphen sofl ein neuer Begriff, nämlich der der Arbeiterräte und Angestelltenräte, eingeführt und der Begriff der Betriebsräte in zwei Teile zerrissen werden. Auf diese Art sollen die beiden Gruppen gegen einander ausgespielt werden. Wie will man feststellen, welche Schichten zu den viresätee und welche Schichten zu den Proletariern gehören? Eine solcche Unter⸗ scheidung ist auch heutigen Tages, wo infolge der jetzigen Beichältnisse selbst ein Unterschied in der Kleidung nicht mehr zu machew ist, ab⸗ solut unmöglich. Eine solche Unterscheidung ist auch umso unver⸗ ständlicher, als immer weitere Schichten sich bemühen, eine Brücke zu schlagen zu dem E“ Proletarigt infolge ihrer gemein⸗ samen Interessen. Alle Tendenzen, wie 8.⸗B. der Achtstundentag, die Tarifverträge und die sonstigen Errungenschaften der Arbeikerschaft baben das gesetzliche Vorrecht der Angeftellten illusorisch zemacht. Die ewige Kompromißmacherei unter den drei stärksten Cxuppen des Hauses sollte doch endlich aufhören, es ist bedaverlich, daß die Mehrheitssozialdemokraten zu diesen beständigen Kom⸗ ihre Hand bieten. Auch der früher bestehende Unter⸗ schied in der Bildung hat aufgehört. Dies ist auch daraus vrsicht⸗ lich, daß die Angestellten die allgemeine Führung ihrer polutischen Kämpfe den Füchrern der Arbeiterschaft unbestritten überlassen. Das Schlagwort von Kopfarbeitern und Handarbeitern ist in der
„hHeutigen Zeit völlig geschmacklos und trifft nicht zu. Kann man
sich einen Handarbeiter ha der ohne Kopf arbeitet, und einen Kopfarbriter ohne die Arbeit seiner Hände? Selbst die heu⸗ tigen Gesetzgeber verstehen nicht recht, was mit den Begriff der Arbeiterrate und Angestelltenräte gemeint ist. Eine Festlegung auf den Begriff „Angestellte und Arbeiter“ ift also nicht mehr moöglich. Die wichtigsten Industrien stehen alle unter dem Gedanken der ge⸗ meinsamen Betriebsräte, und dem sollte die jetzige Regierung a0 Rechnung tragen. In den wichtigsten Wessgasebeetrichen Dentsch⸗ lands sind die gemeinsamen Bektiebsräte schon nnumschränkt an⸗ erkannt. Sie wollen hier als eine reaktionäre Mehrheit diese Er⸗ rungenschaft der Revolution wieder zerschlagen. BZir verlangen ge⸗ meinsame Betriebsräte; ein in sich zerfetzter Betriebsat kann dem Unternehmer gegenüber nicht wirksam genug “ Sie wollen dem Unternehmer Zersetzungsmöglichkeiten geben, um die Zer⸗ reißung des Proletamats zu sichern. Das ist kein Arbeiterrat, wie Sie ihn schaffen wollen. Wenn diese Arbeiterräte nachher, nechdem Sie sie geschaffen haben, sagen: „Wenn man uns schon den Namen gibt, dann wollen wir uns auch politische Rechte anmaßem dagn haben Sie sc das selbst zuzuschreiben. ir wollen, daäß Blie
Arbeiterausschüsse sagen. ℳ₰
Reichsarbeitsminister Schlicke: Herr Koenen hat der Regie⸗ rung vorgeworfen, daß sie die Versprechungen, die sie am 5. und 20. März gegeben habe, nicht gehalten habe. Er hat behauptet, daß den Arbeitnehmern damals ausschließlich Betriebsräte versprochen worden seien und daß damit die besonderen Arbeiter⸗ und Angs⸗ stelltenausschüsse aufgehoben würden. Ich weise darauf hin, daß in der Erklärung der Regierung vom 5. März gesagt ist: ..
Für die einzelnen Betriebe sind Betriebsarbeiter⸗ und ⸗ange⸗ stelltenräte zu wählen, die bei der Regelung der allgemeinen Arbeitsverhältnisse gleichberechtigt mitzuwirken haben.
Dieser Erklärung folgte später die Vereinbarung vom 12. März 1919, von der Herr Koenen auch gesprochen hat. Diese Vereinbarung bestimmt über die Grundsätze für die Errichtung von Betriebsrären unter 2:
Die Arbeiter⸗ und Angestelltenausschüsse des einzelnen Be⸗ triebs wählen aus ihrer Mitte in gemeinsamer, geheimer und unmittelbarer Wahl als ausführendes Organ den Betriebsrat.
Nun kann natürlich eine Vereinbarung, die zwischen Regie⸗ rungsvertretern und einer Gruppe von Arbeitern getroffen wird, nicht einfach Verordnungen aufheben, die bereits Gesetzeskraft er⸗ langt haben. (Sehr richtig! bei den Mehrheitsparteien.) Die Ver⸗ ordnung, die die Angestellten⸗ und Arbeiterausschüsse eingesetzt hat, hatte Gesetzeskraft erlangt und war infolgedessen durch die Verein⸗ barung gar nicht aufzuheben. Die Vereinbarung setzt aber voraus, daß die Angestellten⸗ und Arbeiterausschüsse bestehen bleiben, denn sie macht sie zu Wahlkörpern der Betriebsräte. Nur da, wo ein Angestellten⸗ und ein Arbeiterausschuß nicht besteht, soll die Wahl in anderer Weise erfolgen können. So lautet die damalige Verein⸗ barung:
Sofern nach den gesetzlichen Vorschriften Arbeiter⸗ und An⸗ gestelltenausschüsse nicht bestehen, erfolgt die Wahl durch die Arbeiter und Angestellten unmittelbar.
An diese Vereinbarung hat sich die Regierung durchaus gehalten bis auf den einen Punkt, daß sie auch für die Wahl der Betriebsräte die direkte Wahl vorgesehen hat, während sie nach der Vereinbarung damals eine indirekte und nur in besonderen Ausnahmefällen eing direkte Wahl zugestanden hat.
Der Regierungsentwurf stellt übrigens auch — das habe ich gestern schon dargelegt — die Betriebsmite in den Vordergrund und wollte die Angestellten⸗ und Arbeiterausschüsse nur als Untergruppen betrachten, deren Wirkungskreis durch eine Geschäftsordnung oder durch eine Vereinbarung des allgemeinen Betriebsrats festgestellz wird. Hiernach kann gar keine Rede davon sein, daß die Regierung ihr Wort nicht eingelöst hätte. Sie hat es durchaus eingelöst, hat gllerdinss dahei auch Wünsche berücksichtigt, die aus anderen Arbeit⸗ nehmerkreisen an sie gelangt sind. Es muß immer festgehalten werden, daß es sich bei den Vereinbarungen vom 5. und 20. März lediglich um eine, allerdings vielleicht große Arbeitergruppe handelt. Die Regierung hat aber bei ihren Maßnahmen die Gesamtinten essen der Arbeitnehmerschaft zu berücksichtigen. (Sehr richtigl bei den Mehrheitsparteien.) .
Der Herr Abgeordnete Biener hat an mich die Frage gerichtet, ob der Reichsverband des deutschen Handwerks bei der Vorberatung des Gesetzes zugezogen worden ist. Das ist nicht geschehen, weil damals dieser Reichsverband, als die Vorberatungen des Gesetzen im Ministerium stattfanden, noch nicht bestand, sondern sich erft später zusammengeschlossen hat. (Zuruf rechts) — Ich komme darauf! — Der Deutsche Handwerks⸗ und Gewerbekammertag ist zu der ersten Besprechung über das Gesetz hinzugezogen worden. Eon handelte sich um eine ziemlich große Versammlung von Arbeit⸗ gebern und Arbeitnehmern. Die Versammlung hat sich nachher dahin geeinigt, einen besonderen Ausschuß einzusetzen. Die Arbeitgeben haben unter sich die Mitglieder der Ausschüsse bestimmt und ebensa die Arbeitnehmer unter sich. Diese Ausschüsse sollten künftighin mis der Regierung in Verbindung bleiden und die Regierung beraten. Diese Ausschüsse sind auch in Arbeit getreten; mir ist später bekannt geworden, daß die Handwerker in diesem Ausschuß, namentlich seitens der Arbeitgeber, nicht berücksichtigt worden sind. Ich habe aber, nachdem ich das Recht, die Vertréker zu bestimmen, den Inter⸗ essenten selbst überlassen habe, keine Möglichkeit mehr gesehen, ein⸗ zugreifen und noch Handwerker in die Vertretung der Arbeitgeben zu delegieren.
Abg. Giebel (Soz.): Die heftige Obstruktionsrede des Ab⸗ Koenen ist nichts anderes als die schärfste Anklage gegen die Tadel⸗ losigkeit des Gesetzentwurfs. Seine Fraktionsvertreter haben im Ausschuß nicht einmal das Wort ergriffen, geschweige denn einen Antrag gestelt. Wenn es deshalb in Ihrem Sinne zu beklagen ist, daß das Betriebsrätegesetz das nicht bringt, was die Angestellten und Arbeiter erhofft so fällt die Schuld auf Sie. Wire haben das ee nicht mit Ihnen machen können, und allein wir nicht die Mehrheit, ein Gesetz in der Nationalversammlung durchzusetzen.
Abg. Koen —2): Ich verwahre mich dagegen, heine sehs 8 . Sognah. Die dher ni idahes ee unter dem Stigma, ein Kompromiß zustande zu bringen unter den Mehrheitsparteren. Infolgedessen war es hoffnungs⸗ und aussichts⸗ los, sich einzubilden, daß unsere Partei überhaupt in der Lage wäre, ihren Standpunkt dur zudrücken. Die Mehrheitssozialisten müssen immer dabei sein, sie kleben an der Regierung und an der Macht, die man gar nicht hat. Der Kampf kann nur geführt werden in dem Stile wie vorgeftern. (Großer Länn.) Durch Demonstrationen muß das Proletariat sich das wieder erobern, was ihm jetzt ge⸗ nommen wird.
Reichsarbeitsminister Schlicke: Ich will mit Herrn Koenen nicht diskutieren. Ich verweise die Frauen und Herren Abgeordneten auf die Begründung, die zu Artikel 34 der Verfassung gegeben ist, Anlage 2 von Seite 10 ab. Da können Sie sehen, wer recht hat (Bravo!)
Abg. Bender (Sc9. Wir haben im Ausschuß und in den Nebenverhandlungen das .“ liche getan, um in diesem Ge⸗ sete die Rechte der Arbeiter sgerzuselen Wenn wir nicht mehr haben herausholen koͤnnen, so Uegt das nicht an uns, sondern an Ihnen. (Sehr richtig!) 1
b Keenon (U. n): Am verhat Re Knhhanhea e nicht nait. . 8 “ 7 böö“
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