8 8 Blockade wurde voll bis Juni, von da an für das mit seinen Erz⸗ tranevorten wicht’ge Ossseegebiet bis zum Jahres schluß aufrecht⸗
erhbalten, die Aut lieferung der noch gebli b nen Handeleflorte und des Hafenmaterials bis auf einen nur schwer nech entw icklungsfähigen Rest
erzwungen und die zwagsweise viquidation deutscher überser ischer deutscher Kauf⸗ leuie trotz der Bce digung des Kriegszustandes ohne Einschränkung
Geschäftsunternehmungen sowie die Ausweisurg durchg führt. Soweit nicht dadurch ein Wiederaufleben des für die au! Rovstoff infuhr angewiesenen Teile der Intustrie leb us⸗ notwendigen Außen handels unterbunden war, wirkse die Entwertung de Mork im Auslande in gleichem Sinne als Prohibitivzell auf Rehsteffeinfuhr und verschärfte auf der anderen Seite noch die wirt⸗ schaftliche Aus saugung dadusch⸗ daß sie zu einem devastatorischen Schleuder⸗ oue verkauf nicht nur von Produkten, so dern auch von (anzen Unter⸗ nehmungen an das Ausland verleitete. Robstoffknop pheit, Kohlennot and Verlehrsstörungen crreichten infolgedessen eine Starte, wie sie selbst das vierte Kriegsjahr nicht gesehen halte. Damals hatten sich alle Kräfte noch willig in den Dienst der Kriegsziele gestehlt. Nach dem gleichzeitigen außer⸗ und innerpolilischen Zusammenbeuche schn and diener Autri b. schwand auch ort⸗ und zeitweise jede öffentliche und private Autorität, brach der bis dahin verhaltene Wirerstreit zwischen Arbeiter, und Unternehmerschaft zu off nem Kan pfe aus und führte, ganz abgesehen von den auch im Auslande eirgenetenen Her⸗bsetzungen der Arbeilszeit, zu einer fast ahgemeinen Ablehnurg auch jeder ver⸗ nünftigen Akkordarbeit, zu einer Lockerung jeder unenthebrlichen Arbeits⸗ diszivl'n und zu einer Evidemie wirtschartlich⸗politischer Streiks von einer Heftigkeit und Ausdehnung, wie sie das deutsche Wittschafts⸗ leben bisher nie gekannt katte.
Die Folge dieser Nöte und der nach 4 Jabren der Kriegs⸗ vnd Margejwirischaft und dem darauffolgenden Zusammenhruch phvsisch wie psychisch n cht unverständlichen ollgemeirnen Arbeitsunlust war ein geradezu katast ophater Ruckgang der Arxbeitsteistung in allen In⸗ bussriezwrigen. Um vur eins der deutlichsten und wächtigsten Bei⸗ spiele zu nennen, sank die Steinkohlenförrerung Deutschlands, aus⸗ schleßtich Eisaß⸗Lethringens, von 191 511 154 t im Jahre 1913 und 160 526 036 t im Jahle 1918 auf 116 676 312 lt im Jahre 1919. Damit war das Wirtschaftsleben auf den verhängnit vollen übergeleitet, auf dem sich die Löhne stets vergel lich ben ühben, die no von oußn her susch fortschreitede
verlfogt ystems und gewerblichen Schlichtungswesens. Die Industrie, die kei dem plötzlichen Aufhören der Kriegsaufträge
sich vor rie rurch die Waffenstilstandsbedi gungen voppelt erschmerie
uf abe der Umlenkung in den Friedensbetrien gestellt sab, war infolge der Inlandkwirren, des Mangels an Koblen, Rehstosfen und Aufträgen aus Joxlond und Auesland außerstande, trotz des Verlustes von zwei Millionen leistungt fähiger Arkeitskräffe, den hemtehrenden Kriegern Arbeitsgeleger heit zu bieten. Ber bau und Landwirtschaft boten nach dem Ausfall der fremden Arheiter und der Kriegs⸗ gefargenen reiche Beschäftigungemöglschkest, aber die in der In⸗ dustr’e überschuüssig gewordenen Käfte stremten ihnen nur sehr langsam und auch nur in geringem Umfage zu; (s mag sein, daß fetmeige die Höhe der Erweri blosenu terstützurg hier eine Rolle ge⸗
elt hat, im (anzen genommen lagen die Gruünde dech wohl tieser.
ie E werbzslosi keit slieg zu einer nie gekannten Höhe. Nach den Berschten der Demobilmachungskommissare hetrug ihre Zabhl am 19. Februar rund 1 100 000, um dann allerdings langsam und, ab⸗ geseben von gelegentlichen Stockungen und Schwankurgen, gleichmäßig auf 1 076 000 am 9. März und eiwa 609 000 im August und 386 818 Ende Dezember 3“ sinken, wobet feilich nicht außer acht zu lassen ist, daß auch in England die Zahl der Erwerbslosen am
1. Mai 193 400, im August rund 500 000 und am 31. Oktober
immer noch 479 427 betrug, nootz der dort unvergleichlich günstigeren Gesamtlage.
Aus der langsamen, aber stetigen Abnahme der Erwerbelosenzahl, der entsprechend das ganze Jahr hindurch ständig steigenven Zahl der versicherurgspflichtigen Kronkenlassenmitaljeder, der ähnlich ver⸗ laufenden Arbeitslosigkeitsziffer der Gewerkschaften und den Berichten der Jndustrie läßt sich enin chmen, daß mit der Kensolidierung der inneren Zustände, der allmählichen Wiederanbahnurg der Auß n⸗ handelsbezichbungen und Rohstoffzusuhren im zweiten balben Jahre, der nach und nach auch wieder steigenden Kohlen⸗ sörderung erfreuliche Anzeichen für ein Wiederingangkon men der deutschen Industrie gegeben sind. Es näre aber ver⸗ früht, hieran an ere als die allerbescheidensten Hoff ungen zu knüpfen; denn noch übersteigt im Kcohlenbergbau ie Monatsfönd rung des Dezember 1919 mit 10 65 Millionen Tonnen irectz slärkerer Belegschaft als im Fiiesen nicht „, der Dezemberförderung des letzten Friedensjahres (15,60 Mil⸗ lionen Tonn n). Noch kämpfen die Betri be des Maschinenbaues, der Eektriztäls⸗ und der chemischen Industrie Schritt uvm Schritt mit der Stillegung infolge Brannstoßmangels, neoch erbeitet die Te til⸗ industrie bei den gleichen Hmmungen mit kaum mehr als der Hälfte aller Spindeln und Stühle, noch immer ruht jede größere Bau⸗ täsi keit, stockt der Verkehr und drohen polttisch⸗wirischaftliche Massenstreiks das Erwerbeleben zu stören; deoch ist immerhin so viel zu erkennen, daß ein Ausschalten der deutschen Arbeit aus dem weltwirtschaftlichen Auktausche sich als undenkbar erwiesen hat und daß damit der Weg pezeigt ist, der bei Wiederentfaltung der früheren intensiven Arbeitsamkeit emporbelfen kann.
Dem Gesamtüberblick läßt das „Reichs rbeitsblatt“ u. a. mwei Aufsätze über „Zusammensetzung und Löhne der Arbeiterschaft sowie die Arbei eit im März 1919“ und über „die Tarisverträge im Deutschen Reich am Ende des Jahres 1918“ solgen.
beeeAn
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AKrhbeitestreitigkeiten.
Nach Schlie ßung der Eisenbahnwerkstätten haben sich, wie „W. T. B.“ mitteilt, schiedenen Seiten Arbeitsgemeinschaften nach dem Muster
der vom Hauptmenn Schmude gegründeten angeboten, um die Arbeit in den geschlessenen Werlstätten zu übernehmen. Den Arbeitscemcin⸗-
chaften slehen sachrerständige Fübrer, urd in den Angelörigen der
rüheren sechnischen und Eisenkahntruxpen arch gecigrete Arbebekröfte
in ausreichender Zahl zur Verfügung. Das Eisen bahnminisierium ist diesen Angeboten ei stweilen noch nicht näbergeneten. — Bis zum Mittag des gestri en ersten Tages, an kem sich die Arbeiter der geschlessenen Eisenbahnweristätten zur Einslellung unter den neuen Arbeitsbedingungen melden zurften, hatten sich bei eder der geschlossenen Berliner und Breslauer Werk⸗ eüüren sowie in Nied bereits mehrere Hunderte von
rbeitern gemeldet. In Sebaldsbrück lagen 70. Mel⸗ dungen vor. Aus einigen Bezi ken fehlen noch Nachrichten. In Salbke (Magdeburg) und Jena hatten
Elemente kesondene YPorkebrungen getreffen, um die auch hier
ahlreschen arb itswilligen Arbeiter an der Meldung zu verhindern.
ür ausreichenden Schutz der Arbeitswilligen ist überall gesorgt.
Im Lugau⸗Oelsnitzer Steinkohlenrevier ist, wie „W. T. B.“ aus Leipzig erfährt, von der kommunistischen Bergarbeiterunion, deren Forderungen a.f Einfuͤhrung der 6⸗Stundeanschicht, Abschaffung der Afkerdarbeit, Brschafsunge beihilfe von 1.00 ℳ usw. durch den Bergbaulichen Verein abgelehnt worden waren, gestern ffüb der Ausstand erklärt worden. Auf einigen Schächten des Reviers wird noch ge rbeitet, voch dürften den Leipziger Abendblättern zufolge mindestens 75 vd der Belegschaften im Ausstand stehen. Es wird vefürchtet, daß sich der Aussand auf das
anze Revier und auch auf das Zwickauer Revier ausdehnt. Das sachsische Arbeitsministerium lehnt, wie das „Leipziger Tageblatt“ erfährt, die Forderung auf Anerkennung der Per arbeiter⸗ union und Eigführund ber 6⸗Stundenschicht unter allen Umständen ab und ist fest enschlossen, auf keinen Fall nachzugeben. Zur Ver⸗ richtng der Notstandsarbeiten ist die Technische Not⸗ hilfe aufgeboten worden. 11““
Papiergeldentwertung zu immer rascherem Steigen angetriebenen Preise einzuholen, totz aller erfrenlichen Bestr bungen der Einführurg eines gros zügigen Tarif⸗
8 “ 18 Die 84 ellten des Pariser Schlachthofes be⸗ finden sich „W. T. B.“ zufolge im Ausstand.
Nach einer von „W. T. B.“ übermittelten Havasmeldung aus Brüssel würden die Bergleute des Beckens von Char⸗ lerot folgende Bedinaungen annehmen: Täglich eine Stunde Mehrarbeit, um die Kohlenausfuhr nach Frankresch zu ermöglichen, Regelung der Kohlen preise, Be reiung von der Einkon mensteuer, die von den Gesell chaften zu troger wäre, Amnestie für alle Verurteilungen wegen verweigerter Arbeits auf ahme.
Die „Nariecnaltidende“ meltdet aus Christiania: Die Minderheit der Arbeiterkommission von 1918 kat einen Vorschtag ausgearbe tet, worach in ollen industriellen Be⸗ trieben Norwegens, die mindestens 50 Arbeiter beschäftigen, durch Gesetz Betriebsräte eingeführt werden, die aus Vertretern de. Arbeitgeber, hder Beamten und der Arbeiter salechnehgees. sein sellen. Die Betriebsräte sollen ausschließlich eine beratende Voll⸗ macht haben. Im Gegensotz zu dem Vorschlage der Mehrheit der Kommission wird nicht die Einsetzung von Bezirks⸗ oder Landebräten vorgeschlagen.
Handel und Gewerbe.
In der heutigen Sitzung des Zentralausschusses
der Reichsbank berichtete der Vo sitzende, Prösident des
Reicht bonkdireklorims Dr. Havenstein, an der Hand der Uebersicht über die Lage der Reichsbank im letzten Monat.
(Weitere Nachrichten über „Handel u. Gewerbe“ s. i. d. Ersten Beilage.)
8 Literatur.
— Das neyeste Heft des im Auftrace des Großen Geperalstabes keraukgegebenen Werses „Der große Krieg in Einzelearstellungen“ (Verlag von Gerhard Stoll na, Olde burg. Preis 2,65 ℳ) enthält eine auf omtlickem Qu lenmatenial keruhende Darstehlung der „Schlacht bei Mons “im Auaust 1914 vom Hauptmann Raim und Frhrn. von Gleichen⸗Rußwurm und, Haupmann Ernst Zurborn. Der den rechten Flügel des deutschen He res bildenden I. Armee unter dem Generalobersten von Kl’ck war die Auf⸗
gabe zugefallen, in neit ausholendem Vormarsch die französischen Hanptkräfte zu umsassen Es galt daher, die Vereinigung der Belgier mit den Franzofen und der englischen Expeditiontarmee rater dem Feldmarschall French, die nach ihrer Landung auf dem Feßlande in der Cegend von Maubeuge veisammeit worden war, zu verhindern, da ander falls der Plan der Ob ꝛsten Heer⸗sleitung in Frage gestellt wurde. In lebendiger und anschaulicher Darstellung schildern die Verfosser das schnelle, außerordentliche Marschleistungen erfordernde Vordringen der deutschen Trupp n, die U berwindung aller ihm entpegengestellten Hindernisse, den uberraschenden Argriff auf die Engländer, die schweren und blutigen Kömpfe, in denen es gelang, sie aus ihren voreüglich ge wählten Süellungen am Kanal du Centre, die dem Verteidiger alle natürlichen Vorteile koten, während sie dem Angreifer die rößten Schwicrigkeiten bereiteten, zu werfen und sie zu über⸗ lürztem Rückzug zu zwi gen, auf dem der innere Halt der Truxpen völlig ins Warken geriet und sie der Vernichtung nur mit knapper Rot entgingen. Mit dem vorliegenden Heft muß leider die Schrift⸗ so'ge vorläufig abgebrechen werden, da der Geyner lstab gemäß dem Friedensvertrag mit dem 1. Oktober v. J. aufgelöst ist und seine Mitarbeit an den Darstellungen der heldenbaften Kämpfe des deutschen Heeres eirstellen muß. Wie der Verlag aber mitteilt, besteht die be⸗ geündete Hoffnung, daß bereits angeknüpfte Verhandlungen die Fort⸗ situng des Werkes ermöglichen. h“
Land⸗ und Forstwirtschaft.
Anläßlich seines zehnjährigen Bestehens veianstaltet der Ver⸗ band deutscher Kartoffel⸗Interessenten am 12. Fe⸗ bruar d. J., Nachmittags 2 ½ Uhr, im “ der Aeltessen der Kaufmannschan im Gel äude der Börse in Berlin eine General⸗ versammlung, deren nichtigster Beratungsgegenstand die künftige Bewirlschaftung der Kartoffeln sein wird. Im Arschluß daran solgt eine Jubiläumssitzung, zu der Finladungen an Ministerien und ondere Staotsbehörden, Kor⸗ po at'onen und Cinzelpersonen ergongen sie d. Nach der Begrüßang
Dauer seines Bestehens halten.
Theater und Musik.
Im Opernhause findet morgen, Freitag, Abends 7 ½ Uhr, das 6. Symphoniekonzert der Kapel le der Staats⸗ oper unter der Leitung des Generalmusikoirektors Leo Blech statt. Das Miltagskonzert hierzu beginnt am demselben Tage um 12 Uhr.
Im Schauspielhause wird morgen „Wilhelm Tell⸗ in bekannter Besetzung unter der Spielleitung von Leopold Jeßner (Anfang 6 ½ Uhr) wiederbolt. — Bei der am Sonntag, den 1. Februar, Vormittags 11 ½ Uhr, im Staatstbeater stattfindenden IV. Mittagsveranstaltung werden im Ansd luß an den Vor’rag des Dramattkers Karl Levst: „Das Zeitalter des Sturm und Drang“, Dichtungen von Lenz und Heinse durch Herrn Dr. Bruck, sowie von Günther, Bürger urd Schubart durch Frau Elza Wagner vor⸗
8 cetragen. dem Eisenbahnministersum von ver⸗ 1Ig
1t Städtetages wurde, wie „W. T die radikalen
Frau Marie Escher (Sta tséoper) singt Arien und L eder von Gluck und Diltersdorf. und durch ein Kammerorchester unter der Leitung von Heinz Etthofen werden Oichesterstücke aus der Entwick ungszeit der Symphonie von Monn, Michael Haydn, Leopold Mozart und Job. Stonitz ousgeführt. Zum Schluß wird von sen Mitgliedern des siaarlichen Balletts den Damen Leni Bowitz und Ella Bebrendt, ein Menuett aus der Militärsy phonie von Jos. Feen getanzt. Die Veranstaltung endet gegen 1 ½ Uhr Mittags. Karten lür 3 und 2 ℳ sind an der Kasse des Schauspielhauses zu haben. Ueber einen Teil der Pläͤtze ist bereits verfügt.
Mannigfaltiges.
In dem gestern unter dem Vorsitz des Oberhürgermeisters Wermuth tagenden Hauptaueschuß des Deutschen B.* berichtet, zunächst mit
warmen Worten der durch den Friedensvertrag von Deutsch⸗ jand akgetrennten früh 1en Miigliedtädte im Osten und Westen gedacht und als neue Mitglieder des Slädtetages zugleich die Hansastätte Han burg, Bremen und Lubeck be⸗ grüßt. Ueber den einzigen G genstand der Tagesordnung. die Er⸗ nährungsfrage, sand eine mehrnündige Erörterung statt, und zwar sowohl über die jetzige Lage, die uns schon während des laufenden Wirtschafttjahrs mit einer schweren Krisis bedroht, als auch über die Aufstellung des Wutschaftsplars für die nächsten Jabre. De ein⸗ gehenden Leitsätze der drei Berichterstatter wurden zur Kenntnis ge⸗ nommen und ei stimmig folgende grundzötzliche Entschließung gefaßt: 1) Aue den stöͤdttüschen Vawoltungen zugehenden Beobachtungen deuten mit beunruhigender Bestimmtheit daauf hin, daß im laufenren Erntejahre eine erh bliche Menge Brotgetreide ud Kartoffeln zur Aufrechterhaltung einer auch rur not⸗ dürstigen Volksernährung fehlt. Es muß de halb an die Reichs⸗ regierung die driege de Mahnung gerichtei werden, den Tatbestand dieser ungeheuren Gefahr fest ins Auge zu fassen und ohne Naefwne alle Maßnahmen zu ergreifen, um die Ernährung der Nädrischen Bevölkerung zu sichern. Gleichzeitig begrüßt der Deutsche
der Fesiversommlung wird der Verbandsrireiter Dr. Eagezew einen Vorfrag über die Tätt feit des Verban de während der zehnjährigen
Städtetag den Aufruf an die Landwirte, der kürzlich von den Vertretungen der Landwirischaft ausgegangen ist, und spricht die best mmie Hoffnung aus, daß die L ndwirtschaft dem an sie gerichteten Ruf folgen und alles tun wird, um die städtische Be⸗ vöskerung vor der drobenden Ernährungsnol zu bewahren. 2) Das rächste Erntejahr bedarf eines von der Reichsreglerung alsbald auf⸗ gestellten umfassenden Wrtschafteplanes, der davon ausgebt, daß bei unseren heutigen Verhältnissen zum Auts land der Berarf an Nahrungs⸗ milteln so weit als irgend möglich durch die heimische Erz ugung gedeckt wer en muß und daß es deehalb rötig ist, unsere durch den Krieg geschwächte Landwirtschaft mit allen geeigneten Mitteln zur böchsten Leistungefähigkeit zu bringen. Um die V. rwirk⸗ sichung dieses Plans zu sichern, sind bei seiner Aufstellung und Durch⸗ führung vor allem der Deutsche Städtetag und die Verttetungen der Landwirtschaft maßoehend zu beteili en. Der Deuische Stät tetag hält es dabei zur Sicherstellung der Ernährong der städtischen Be⸗ völkerung für geboten, daß den Städten auch weiterhin die Haupt⸗ nahrungsmittel, für die sie auch küaftin v rofl chtet sind an ihre Bevölkerung zu verteilen, durch geordnete ösfentliche Be⸗ wirtschaftung zugeführt werden.
Dortmund, 28. Januar. (W. T. B) Auf der Zeche „Schürbank⸗Charloltlenburg“ in Aplerbeck wurde heute morgen um 4 ½ Uhr infolge Wasserdurchbruchs die ganze Nachtschicht (*16 Mann) an der Ausfahrt be⸗ hindert und von der Außer welt abgeschnitten. Die Morgenschicht fonnte richt einfahren. Nach zehnstündiger Rettungs⸗ arbeit sind um 3 Uhr Nachmiltags die Eingeschlossenen glücklich gereltet worden. Der Betrieb ruht vorläsfig au der Zeche. Die Belegschaft wird auf den benachbarten Zechen untergebracht.
Offenburg, 28. Januar. (W. T. B.) Vergargene Nacht ist über Strofburg der erste Gefangenentransport in Stärke von 1025 Monn hier eingetroffen und nach dem Durch⸗ gangslager Rastatt weitergeleitet worden. Die Gefangenen kamen aus den zerstörten Gebieten in Nordfrankreich. u“
Wilhelmshaven, 27. Januar. (W. T. B) Im Minen⸗ depot Heppens ereignete sich beim Verbrennen von Schieß⸗ baumwelle eine Explosion. 5 Personen wurden ver⸗ wundet, von ihnen 2 schwer. 1
London, 27. Janvar. (W. T. B.) Nach „Lloyds Register’ betrug die Weltproduktion an Schiffen im Jahre 1911 sieben Millicnen Tonren, was gegenüber dem Jahre 1913 eine Ver⸗ mehrung von vier Millionen darstellt. England baute 1 600 000 t, Amerika 4 Millionen Tonnen. 1
London, 28. Januar. (W. T. B.) „Westminster Gazette“ meldet, daß eirem Ausschuß des Roten Kreuzes erlaubt wurde, sich nach Odessa zu begeben, um die Not unter den Kriegsgefangenen in Turkestan zu lindern. 60 000 von diesen Gefangenen sind bereits an Hunger und Krankheit zugrunde gegangen.
Paris, 28. Januar. (W. T. B.) „Petit Journal“ meldet, daß 10 00 Arbeiter mehrerer metallurgischer Betriebe in Billancourt infolge Kohlenmangels zu feiern ge⸗ zwungen sind. 8
Brüssel. 28. Januar. (W. T. B.) Nach einer Meldung aus Antwerpen müssen von heute abend ab die öffentlichen Lokale geschlosten bleiben, weil Kohlen fehlen. — Ua⸗ gefähr 800 belgische Soldaten aller Waffengattungen haben laut Havasmeldung in den Straßen von Namur Kund⸗ gebungen verarnstaltet. Die Lerigen unter ihnen beklagen sich darüber, daß sie 15 Monate dienen müßten, während die Verheirateten nur 4 Monate dienten. Sie wurden durch starke Patrouillen zerstreut.
Kopenhagen, 28. Januar. (W. T. B.) Der hollän⸗ dische Dampfer „Moskau“, der soeben vierhundert aus Amerika zuruͤckgetehrte Polen nach Danzig befö dert hat, ist heute nach Rouen abgegargen, um von kdont vierhundertfünfzig deutsche Kriegsgefangene nordschleswiagscher Herkunft abzuhosen, die in Gefangenenlagern in Alater und Corsica interniert waren. De Gefangenen werden derekt nach Flens burg und Sonderburg befördert, um noch an der Abstimmung teilnehmen zu können.
Nach einer Havas⸗ österreichischen, im Hafen Opfer
Brindisi, 28. Januar. (W. T. 9. meldung erfolgte der Untergang des fräberen jetzt fran ösi chen geschotzten Kreuzers „Novara“ von Brindisi insolge eines Konstruktionsfehlers. sind nicht zu beklagen.
(Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten Beilage.]
Theater.
Opernhaus. (unter den Linden.) Freitag: Mittags 12 Uhr: Symphoniemittagskonzert. (Programm wie am Abend.) — Abends 7 ½ Ühr: VI. Symphoniekonzert der Kapelle der Oper.
Sonnabend: Madame Butterfly. Anfang 7 Uhr.
Schauspielhaus. (Am Gendarmenmarkt.) Freitag: 30. Dauer⸗ bezugsvorstellung. Withelm Tell. Anfang 6 ½ Uhr.
Sonnabend: Friedrich der Große. I. Teil: Der Kronprinz. Anfang 6 ½ Uhr.
Familiennachrichten.
Verlobt: Fil Ruth⸗Susanne von Waldenburg mit Hrn. Ober⸗ leutnant zur See Werner von Bychelberg eh Gestorben: Hr. Savitätsrat Dr. med. Hans dorf). 4 “
Verantwortlicher Schriftleiter: Direktor Dr. Tvrol Charlottenbura⸗
Verantwortlich für den Anzeigenteil: Der Vorsteher der Gesckäftsstelle. Rechnungsrat Mengerung in Berlin.
Verlaa der Geschäftsstelle Menaerina) in Berlin. Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlagsanstalt,
Berlin Wilbelmstraße 3. Vier Beilagen (einschließlich Börsenbeilage)
und Erste, Zweite. Dritte, Vierte und Fü Zentral⸗Handelsregister⸗Beilage.
sowie die Inhaltsangabe Nr. 4 zu Nr. 5 Cbo111qm öffentlicht Anzeiger u6“
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(Fortsetzung aus dem Hauptblatt.) Preußische Landesversammlung. 106. Sitzung vom 28. Januar 1920, Mittags 12 Uhr. (Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger.)*)
Auf der Tagesordnung steht zunächst die Abstimmung über den Antrag des Abg. Herold (Zentr.), betreffend die Erzeugerpreise für Getreide, Kartoffeln und Zuckerrüben und die Belcha tun von Saat⸗ kartoffeln, und über den Antrag des Abg. von Kessel (dnat.) auf Aufhebung der Zwangswirt⸗ schaft für Zucker. “ Der Antrag Herold lautet: “
die Regierung zu ersuchen, dahin zu wirken, 1) daß, soweit die Aufhebung der Zwangswirtschaft noch nicht angängig erscheint für Geitesde, Kartoffeln und Zuckerrüben schon jeßt, entsprechend den erheblich gestiegenen und dauernd wachsenden Erzengungskosten, die Preise für die nͤchste Ernte festgestellt werden, weiche dem Erzeuger mindestens zu bewilligen sind, um dadurch im Interesse der Volke⸗ ernährung der sonst bestehenden Gefahr eines erheblichen Rückgangs der Erzeuger entgegenzuwirken, 2) daß den Landwiren für einen aus⸗ gegeheten Kartoffelbau Saatkartoffeln in hinrelchendem Maße belassen werden.
Die demokratischen Abgg. Dr. Friedher g und Genossen 884 ntragen, dem Antrag Herold folgende Fassung zu geben: . ddie Regierung zu ersuchen, dahin zu wirken, 1) daß, sobald die Ernte 1920 für den Verbrauch zur Verfügung stebt, alle land⸗ wirtschaftlichen Erzeugnisse, mit Ausnabme von Getreide und Milch, freigegeben werden, 2) daß für biejenigen landwirtschaftlichen Erzeugnisse, für die die Zwangswirlschaft aufrecht erhalten wird, schon jetzt entsprechend den erheblich gestiegenen und dauernd wachsenden Erzeugungstesten die Preise für die nächfte Ernte sestgestelt werden usw. (gleichlautend mit dem Antrag Herold in Zisf r 1), 3) daß den Landwirten ufw. (gleichlautend mit dem Antrag Ziffer 2).
Hierzu beantragen die Abgg. Peters⸗Hochdonn u. Gen⸗ (Soz.), folgende Ziffer 4 hinzuzufügen: 1”“ daß alle Arbeitgeber verpflichtet werden, die dadurch bervor⸗ gerufene Verteuerung der notwendigsten Lebensmittel durch Frhöhung der Löhne und Gehäͤlter poll auszugleichen.
Diesen Antrag Peters will das Zentrum, Abgg. Dr. Porsch u. Gen,, wie folgt, fassen: daß entsprechend der allgemeinen Teuerung eine Erhöhung der Löhne und Gehälter herbeigeführt wird.
Den Antrag von Kessel auf Aufhebung der Zwangs⸗ wirtschaft für Zucker beantragt der Landwirtschafts⸗ ausschuß abzulehnen und dafür die Staagtsregierung zu ersuchen, im Reichsrat dahin zu wirken, daß 1) eine sofortige Festsetzung pvon angemessenen, den Zuckerrübenbau lohnenden und den hohen Verarbeitungskosten Rechnung tragenden Zucker⸗ preisen ersage, 2) eine bessere Belieferung der Zuckerrüben bauenden Landwirte mit Stickstoff in die Wege Felete wird, 8) jeßt schon eine planmäßige Vermittlung von Arbeitskräften für den Zuckerrübenbau zu organisieren ist.
Dazu liegt der Antrag der Demokraten Dr. Schreiber⸗ Halle u. Gen. vor, a. den Antrag des Abg. von Kessel an⸗ zunehmen, b. die Staatsregierung zu ersuchen, inmi Neichsrat dahin zu wirken, daß.. (1 und 2 gleichlautend dem Ausschuß⸗ untrag).
Bei der Abstimmung wird Ziffer 1 des Antrags Friedberg auf Antrag des Abg. Dr. Reinicke (Zentr.) gegen die Stimmen der Rechten dem Landwirtschaftsausschuß überwiesen, Ziffer 2 gegen die Stimmen der Deutschnationalen, Ziffer 3 einstimmig angenommen.
„Die Zusatzanträge Peters und Dr. Porsch werden eben⸗ falls dem Landwirtschaftsausschuß überwiesen.
Se Leinert ist der Meinung, daß nach der Uederweifung der Z ffer 1 des Antrages Friedberg an den Ausschuß über den An⸗ trag Dr. Schreiber, betreffend den Zucker, jetzt nicht abgestimmt werden kann.
Die Abgg. von Kessel und Dr. Schreiber widersprechen dieser Auffassung und treten für die sofortige Vornahme der Ab⸗ stimmung ein. 1
Abg. Dr. Heß (Zentrum): Wir können dech den Ausschuß nicht in bezug auf den Zucker einseinig binden.
Abg. von Kessel: Der Ausschuß hat die Frage bereits auf das Eingehbendste durchberaten; es würde sich nur um ganz fruchtlose Wiederholungen handeln.
Abg. Dr. Friedberg: Es kann doch auch sehr wohl ein einzelner Artikel berausgegriffen werden, über den die Meinungen geklärt sind und die Abstimmung sofort vorgenommen werden kann.
Abg. Dr. Reinicke beantragt nunmehr, auch den Antrag Schreiber an den Ausschuß zu verweisen.
Abg. von Kessel beantragt hieruͤber namentliche Ab⸗ ftimmung. 1
Dieser Antrag wiird von den gesamten Deutschnationalen unterstützt.
„Bei namentlicher Abstimmung wird der Antrag auf Ueberweisung des Antrages Schreiber an den Ausschuß mit 183 gegen 102 Stimmen angenommen.
Dem Ausschuß wird auch der Abänderungsantrag Porsch mitüberwiesen.
Die Ziffern 2 und 3 des Ausschußantrages nimmt das Haus fast einstimmig an. Dann folgt die Beratung der Anträge 1) des Abg. Dallmer (dnat.): ö“ die Staatsregierung zu ersuchen, dahiu zu wirken, daß bei der Schaffung eines Haen ah liIwer te die besonderen Verhältisse der landwirtschaftlichen sowie der rein gewerblichen Zwecken dienenden Hausangestellten eine gesonderte Berücksichtigung finden. 88 2) des Abg. Schmidt⸗Coepenick (Soz.:d: die Staatsregierung zu ersuchen, bei der Reichsregierung dahin gebend vorstellig 77 werden, daß alsbald für die lankwirt⸗ chaftlichen Arbeiter und Arbeiterinnen und die Hausangestellten gesetzliche Maßnahmen getroffen werden: 1) für alle gegen Lohn oder Gebalt beschäftigte Peisonen,
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*) Mit Ausnahme der Reden der Herren Minister, die im Wortlaute wiedergegeben werden.
Reichsanzeiger und Preußis
Berlin, Donnerstag, den 29.
Januar
sowest sie nicht dem Gewerbe⸗ oder Kaufmannsgerichte unterstehen, entscheider bei Streitigkeiten aus dem Arbeitsverhältnis, die nicht durch Schlichtungsausschüsse erlerigt werden, ein Arbeiter⸗ gericht, das im organisatorischen Aufbau dem Gewerbegericht ent⸗ fpricht und je nach Bedarf besondere Kammern und Ableilungen für in eine Berufsgruppen enthält; 2) zur Durchführung und Beauf⸗ sichtigung von Schutzbestimmungen für landwirtschaftliche Arbeiter
und Arbeiterinnen und für jugendliche Arbeiter sind landwirt⸗
schafrliche Inspektionen, ahnlich den Gewerbeinspettionen, zu errichten, wobei Vertreter der Arbeiterschaft mitzuwirken haden,
Der Landwirtschaftsausschuß, dem beide An⸗ träge vorlagen, hat eine Entschließung beantragt, wonach die Staatsregierung bei der Reichsregierung die tunlichst be⸗ schleunigte Vorlegung eines Gesetzes über die Bildung von Arbeitsgerichten mit besonderen Abteilungen für Land⸗ und Forstwirtschaft an die Nationalversammlung betreiben soll. Die Anträge Schmidt zu 2 und Dallmer sollen angenommen werden.
Von den Demokraten, Abgg. Dr. Friedberg und
Genossen, ist vorgeschlagen, den Ausschußantrag durch folgende,
Fassung zu ersetzen: 4
die Regierung zu ersuchen, bei der Reichsregierung dahin zu wirken, daß der Deutschen Narsonalversammlung möglichst bald die vom Reichskanzler angekündigten Geseten twürfe zur Regelung des allgemeinen Ardeitsrechts und zur Regelung der Schiedsgerichtsborkett bei allen aus dem Arbeitsverhällnss sich er⸗ gebenden Streilfragen zux Beschlußfassung vorgelegt werden.
Ahg. Poetel (Soz.): Wir müssen angesichts der geraßein unͤaltdaren Verbaͤltnisse auf dem Lande gröbten Wert darauf legen, daß Schlichtungsausschüsse in weuestem Maße eingerichtet werden. Soweit Schlichtungsausschüͤsse schon desteben sind sie nicht zwingenden Rechts. Wir haben gegenwärtig schon 700 000 Landarbeiter in den Organisat onen, da ist es notwendig, für sie ebenfalls Einrichtuggen zu treffen, wie sie den Kaufmanns⸗ und Gewerbegerichten entsprechen. Die Einwendung, daß die Landarbeiter in zu garoßer Entfernung von⸗ finander wohnen ist nicht stichhaltig. Es gebt nicht an, daß Arbester, die 30 bis 40 Jahre auf demselben Gut beschäftigt woerden, nun, nach⸗ dem sie organisiert sind, aus ihren Stellungen berausgedrängt werden sollen. Jetzt sollen sie mit einemmal nicht mehr imstande sein, mit ihrer „gnäaͤdigen Herrschaft“ auszukommen. Wenn ein Landanbeiter zum 1. April entlassen wird, se wird ihm damit der Stempel. ein schlechter Arbeiter zu sein, aufgedrückt. Der richtige Land⸗ grbeiter sieht ium 1. Oklober, man wirft ihn ader nicht zum 1. Apbpril hinaus. Wir haben nun in diesen Tagen viel von einem Sichnähern zwischen Stadt und Land gebört. Wenn derartiges vorkommt, se muß man sich fragen, was da eigentlich vorgeht. Die Landwute sohnen v. nach der alten Zeit zuruück, wo dieses Haus einsach das Administrationsgebäude war, die Admini⸗ stratoren wurden dier unter die Lupe genommen, ob sie ihre Pflicht tun, namentlich der Landwirtschaftsminister und auch der Minister des Innern. Es wurde geprüft, ob — deut ichnational ausgedrückt — sie würdig seien, an der staatlichen Fatterkrirpe zu stehen. Die Landräte wurden daraufhin gepräft, eh sie waschecht seien. Die meissen von ihnen waren ja adlig und untadlig. (Heiterkeit.) Auch der Koͤnig von Preußen mußte parieren und tun, was die Herren Junker von ihm verlangten. Daß man sich nach diesen Zeiten jetzt zuruchsehnt, das beweist das Auftreten der pommerschen Besitzer. Glauden Se aber nicht, doß sich die Arbeiter es gefallen lassen, hinausgeworfen zu werden. Uns liegt ein Antrag vor, in dem es deißt: was gedenkt die Regierung zu zun, um die Kartoffel⸗ und Rüb 'nernte zu zetten? Weshalb wirft man denn die noch vorhandenen Landarbeiter binaus? Die ganze Behandlung der Leute muß wie ihre Besoldung eine andere werden. Wenn man die Leute immer noch mit „Du“ anredet, hält man sie nicht. Die Zwangswirrschaft ist unentbehrlich, wenn es nicht nach dem Kopfe der Lanbdwirte geht, kommt es ihnen nicht darauf an, die Früchte einfach verfaulen zu lassen. Das ganze Gerede, das wir in den letzten Tagen hier gebhört baben, ist für die Katz gewesen, wenn nicht Durchgreifendes folgt. Es müssen Arbeitsgerichte mit dem nöligen gesetzlichen Rückhalt ge⸗ schaffen werden. Sie müssen das Necht haden, zu entscheiden, ob solche Kündigungen überhaupt berechtigt sind. Würde auf allen Seiten der gure Wille besteben, so brauchten wir Schlichtungs⸗ ausschüsse überhaupt nicht.
Ag. Bergmann (Zentr.): Die Landarbeiter verlangen Arbeiter⸗ gerichte, weil das Verfahren bei ibren Streitigkeiten mit den Arbeit⸗ gebern vor den Amtsgerichten zu teuer und zu langsam ist. Den Juristen wird dadurch kein Arbeitsgebiet entzogen werden, denn die Vvo siten den der Arbeitergerichte werden ja doch Juristen sein. Gegen ländliche Arbeiterschutzinspektionen wird eingewendet, daß sie kein genügendes Betätigungsfeld finden werden, und daß bereits die land⸗ wirtschaftlichen Berufsgenossenschaften viel zur Unfallverhütung ge⸗ leistet hätten. Da wir sparsam sein müssen, sollten wir nicht unnösig neue Beamtenstellen schaffen. Wir wollen den Antrag Schmidt⸗ Cöpenick nur dahin annehmen, daß zu den Uafallverhütungsabteilungen der Berufsgenossenschaften Arbeiter mit herangezogen werden. Dem Antrag Dallmer zugunsten der Hausangestellten stimmen wir zu, sedoch glauben wir, daß alle diese Anträge am besten in der Form des Ankrages Friedberg erledigt werden, wonach sie der National⸗ versammlung unterbreitet werden sollen. Wir wünschen vor allem, daß zwischen den landwirtschaftlichen Arbeitgebern und Arbeitnehmern eine Ver ändigung erzielt wird. Die christlich organisierten Land⸗ arbeiter sind dazu durchaus bereit. Der Klassenkampf könnte uns nur immer weiter in das Elend hineinführen, denn er hemmt die Pioduktion. Die Massenkündigungen in Pommern und Provinzen wirken aufreizend, sie widersprechen auch der Klage über Arbestermangel. Hoffentlich kemmt auch auf dem Lande eine Arbeits⸗ gemeinschaft zwischen Arbeitgebern und Arbeitern zustande, die unserem gesamten Volk natzen wird.
Abg. Riedel⸗Charlottenburg (Dem.): Alle diese Anträge müßten im Rahmen des allgemeinen Arbeiterrechts erledigt werden und es ist eine Verschwendung von Zeit und Material, wenn wir hier Fragen beraten, die eigentlich in die Nationalversammlung gehören. Wir sollten auch in den Parlamenten rationeller wirtschaften. Durch die Regelung einzelner Fragen wird die Regelung des allgemeinen Arbeiterrechts nur verzögert, und das Arbeiterrecht erhält schließlich eine Buntscheckigkeit, die nicht gerade angebracht ist. Wir schaffen ferner hier eine Gerichtsbarkeit, ebe das Recht selbst geschaffen ist. Für die Beamten und Staatsarbeiter sind örtliche Berichte über⸗ baupt nicht praktisch, sondern nur Fachgerichte. Durch die Arbeiter⸗ serichte würden die Tarifschiedsgerichte ausgeschaltet werden. Deshalb önnen wir den Anträgen in dieser Form nicht zustimmen. Wir wollen mit dem Antrag Friedberg diese Fragen nur dem Reichstag überweisen, ohne ihn auf Einzelheiten festzulegen. Der Aus⸗ schußantrag wird den erhobenen Bedenken nicht gerecht. Unser An⸗ trag beseitigt sie und dringt p sitip den Willen zum Ausdruck, für das Arbeitsrecht und für die Beschleunigung des Arbeilsrechts die Staatsregierung mobil zu machen gegenüber der Reichsregierung. Zum politischen Recht muß sich das soziale Recht gesellen, um eine wahre Demokratie in Deutschland durchzuführen. Die Einführung des sozialen Rechts in unser Wirtschaftsleben ist zum Wiederaufbau der deutschen Wirtschaft nötig. Ein 5— Recht i der beste Schutz⸗ wall gegen den zerstörenden Klassenkampf. An dem Wiederaufbau
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1920.
der deut chen Wirtschaft baben Arbeitgeber und Arbeitnehmer ein hlesch⸗ gemeinsames Interesse. Das paftriarchalische System im Arbeitsvertrag hat ich üherlebt. Auf dem Boden des Rechtes müssen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zur Verständigung kommen; sie sind doch gemeinsame Volksgenossen und haben die gemeinsame deutsche Wirtschaft wieder aufzuhauen.
Aog. Dallmer (dnat): Wir haben schon im Februar 1919 in der Nationasversammlung einen Antraa emgebracht, der dieselbe Frage behandelte. Er wurde damals von den Sozialdemokraten zu Fall ebracht. Streifigkeiten aus einem Arbeitsbertrag und aus einem Tarifvertrag kann man nicht miteinander vermischen. Außer⸗ dem wird das Gesetz über den Schlichtungsausschuß in den nächsten Tagen der Nationalversammlung zugehen. Der Ausschußantrag ver⸗ langt ferner, daß die Arbeutergerichte auf alle Arbeiser ausgedehnt werden sollen, die nicht dem Gewerbe⸗ und Kaufmannsgericht unter⸗ stehen. Ich kann die Bedenken, die vorgebracht worden sind, nicht teilen. Wir haben in Ostpreußen vorlänfig die Schlichtungsausschüsse und haben damit recht gute Ergebnisse gehabt. Die Frage der Arbeitergerichte muß geregelt werden vor der Frage der Arbeiterräte. Es wird noch lange dauetn, bis das zesamte Arbeitsrecht geschaffen ist. Der Terror, von welcher Seite er auch kommen mag, wird von uns auf vas Schärfste perurteilt. Die Koalitionsfreihbeit, die wi setzt baben, besieht ebensogut fuͤr die Arbeitgeber wie für die Arbeit⸗ nehmer. Dadurch ist den Arbeitern viel mehr Schaden als Nutzen gebracht worden. Ein Koalitionsgesetz kann dem Arheiter belfen, nicht die absolute Koalitionsfreiheit. Was die Einrichtung von landwirtschaftlichen Inspeklionen betrifftt, so näie es praktisch abzuwarten, wie die Betriebsräte wirken, in welcher Wei die Leuie ihr Amt ausben und wie der ganze Betrieb geleitet wird. Betreffs der Wohnungeinspektion bin ich bereit, für jede Wohnung in der Landwirischaft eine noch viel schlechtere in det Sradt zu zeigen. Wenn Sie in der Stadt nichts
aben erreichen können, warum wollen Sie es da auf dem Lande? Doch nur der Agitation wegen. Wir lehnen es ab, daß der Land⸗ wirtschaft nur gtroß⸗ Kosten arferlegt werden, womit doch nichts Praktisches errescht wird. Wir sind nicht in der Lage, die Ausschuß⸗ anträne anzunehmen.
Abg. Klaufener (UU. Soz.): Die Ausfübrungen der Vorredners jeugen von absoluvter Unkenntnis der Dinge auf dem Lande und einer Weltfremdheit sondergleichen. (Zuruf rechts: Sie selbst haben doch gar keine Erfahrung!) Ich bin auf dem Lande geboren. (Erneute Zurufe). An den schlechten Zuständen auf dem Land ist nur die Unterdrückungspolitik der Großgrundbesitzer schuld, die auch jetzt noch immer nicht auf ihdre früheren Vorrichte verzichten wollen. Eine wahre Demokratie kann nur durch Uebergona zu einer wirklichen Ge⸗ meinwirtschaft erreicht werden, in der den Arbeitern in wirtschaftlicher Hinsicht vollständige Unabhängigkeit gewährleistet wird (Sehr richtig! links). Die Inspektionen auf dem Lande können sehr wohl eine segensreiche Tätigkei entfalten und den Arbeitern ein menschen⸗ würdigeres Dasein und bessere Wohnungsverbältnisse schaffrn Bei Betrachtung der Verbältnisse auf dem Lande muß jeder die Berechti⸗ gung der Einführung einer bestimmten Arbeitszeit anerkennen. Die Löhne entsprechen den beutigen Verhältnissen durchaus nicht. Ich habe z. B. auf dem Lande eine zehntöpfige Familie angetroffen, die nicht einmal mehr ein Hemd auf dem Leibe zu tragen hatte. Gewiß soll nicht bestritten werden, daß bei einigen Arbeitgebern ein guter Wille zur Besserung der jetzigen Verbältnisse vorbanden ist aber dieser muß doch auch in die Tat umgesetzt werden.
Abg. Held (D. Voltsp.): Es ist verwunderlich, wenn ein Redner meinte, wir dürften der Nationalversammlung keine Richt⸗ linien geben. Warum nicht? Der frühere Reichstag hat das gegen⸗ über dem früheren Preußtschen Abgeotrnetenhause wiederholt getan. Aiso brauchen auch wir beute daroauf keine Rücksicht zu nehmen. Hier handelt es sich in der Hauptsache um ein beschlevnigtes Verfahren im Streitfalle zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern Vor Sonderwünschen sohlte man sich aber hbüten Durch solche werden die Din e nur noch ve wickelter. Im üdrigen stehen wir ouf dem Boden des Antrages Dr. Friedberg und boffen, daß durch ihn ein besseres Verhältnis zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern geschaffen wird. Bei uns im Westen besteht ein gutes Verhältnis zwischen beiden Teilen. Da es im beiderseitigen Interesse liegt, ven Arbeiter arbeits⸗ freudig zu erb alten, so sorgt selbstverständlich der Arbeitgeber auch für gute Wohn ungsverbaͤltnisse und gute Arbeisslöhne Unser Antrag bezweckt in erster Linie ein gutes Verhältnis wischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern anzuhahnen. Gegen Maßnahmen, die von einem einseitigen Standpunkte aus diktiert werden, muß die Regierung unter allen Umständen in der Lage sein, mit allen Mitteln dagegen einzuschreiten. Die Hauptsache ist und bleibt die Hebung der Pro⸗ duktion. Auch den Antrag Dallmer nehmen wir an. Wir müssen alles tun, um die Nroduktion zu fördern und unserem Volke die Er⸗ nährung gewährleilten.
Die Besprechung wird darauf geschlossen. nimmt den Antrag Dr. Friedberg an.
Dem Handels⸗ und Gewerbeausschuß waren 1) der An⸗ trag des Abg. A d. Hoffmann (U. Soz), bei der reichs⸗ gesetzlichen Regelung des Arbeiterrechts auch die Hausange⸗ stellten vor Ausnützung zu schützen; 2) der Antrag der Abg. Frau Heßberger (Zentr.), bei dieser Regelung au f die Eigenart des häuslichen Dienstverhält⸗ nisses und auf die Bedürfnisse eines geord⸗ neten Wirtschaftslebens und gesunden Fa⸗ milienlebens Rücksicht zu nehmen, und 3) der Antrag des Abg. Gräf (Soz.) auf alsbaldige Schaf⸗ heutigen Zeit entsprechenden Arbeiterrechts für Haugangestellte zur Vor⸗ beratung überwiesen worden. Der Ausschuß beantragt fotgende Beschlußfassung:
die Staatsregierung zu ersuchen, bei der Reichsregierung dahin zu wirken, daß alsbald innerhalb der gesetzlichen Regelung des Ac⸗ beiterrechts eine der heutigen Zeit entsprechende Regelung des Haus⸗ ngestelltenrechts geschaffen wird, und bei dieser Regelung unter voller Berücksichtigung der berechtigten Wünsche der Hausangestellten auf die Eigenart des häuslichen Dienstverhältnisses und auf die Bedürf⸗ nisse eines geordneten Wirtschaftslebens und eines gesunden Familien⸗ lebens Rücksicht genommen wird.
Abg. Frau Kähler⸗Berlin (Soz.): Trotzdem behauptet wird, daß dieses Haus in der vorliegenden Frage nicht zunändig sei, müssen wir auch hier wünschen, daß ein einheitliches Recht für die pPaus⸗ angestellten geschaffen wird, und zwar möglichst schnell. Das ge⸗ schaffene Recht muß möglichst klar sein, es darf nicht im Juristen⸗ deutsch verfaßt werden, sondern so, daß alle Hausangestellten und een es verstehen. Besonders muß die Dauer der Arbeitszeit est umgrenzt werden. In den Abendstunden, in der Freizeit müssen die Angestellien freb über sich verfügen können. Es darf nicht vor⸗ kommen, wie mir heute geschrieben wurde, daß die Hausfrauen ihren Mädchen ins Gesicht werfen, daß. wenn sie länger als bis acht Uhr vom FPerse fernbleiben, sie zu den Dirnen zu rechnen seien. (Hört! hört! links.) Bei den bisherigen Abmachungen ift die Vertresung der Haus⸗ angestellten hinsichtlich der Dauer der Arbeitsbereitschaft in weitestem Maße entgegengekommer. Eine Regelung der Arbeitszeit ist uns nicht gelungen, um so dringlicher muß die Regierung aufgefordert werden, eine solche festzusetzen. (Zutuf rechts: Sechsstündige Arbeits⸗
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Das Haus