1920 / 26 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 31 Jan 1920 18:00:01 GMT) scan diff

demokratischen Partei: H. die Wahrheit sagt! Große Heiterkeit.)

Noch einmal wiederhole ich es: nicht Erziehungsmaßregeln, nicht Belehrungsversuche sind es, die man mit diesen Zeitungsverboten und anderen Zwangsmaßregeln be weckt, sondern nichts anderes als ein Notwehrmittel. Es ist eine tödliche, eine vergiftete Wasfe, die gegen das ganze Volk geschwungen wird, und diese Waffe muß man unschädlich machen. (Andauernde Unruhe bei den U. Soz.) Darum kann ich es auch nur sehr richtig finden, daß die Räume beschlag⸗ nahmt worden sind und dauernd unter Aufsicht gehalten werden, die Räume, in denen die Zeitungen hergestellt worden sind, und in denen sofort Ersatzzeitungen hergestellt werden würden, wenn man dort nicht Tag und Nacht eine Aufsicht ließe. (Sehr gut! bei den Mehrheitsparteien. Unruhe und Zurufe bei den U. Soz.) Man macht das auch an anderer Stelle so. Man hat das Polizeipräsidium im höchsten Grade belobt, als es kürzlich angefsangen hat, wenn es Schieber⸗ und Schlemmerlokale und Spielklubs aushob, dem Treiben dadurch ein Ende zu machen, daß es alle Möbel auf Automobile lud und damit davonfuhr (sehr gut!), damit nicht hinter dem Rücken der Polizei, sobald die sich wegbewegt hätte, wieder von neuem das strafbare und schmähliche Treiben begönne. Etwas anderes ist die Bewachung dieser Druckereien auch nicht. (Anhaltende große Unruhe und lebhafter Widerspruch bei den U. Soz. Beifall bei den Sozial⸗ demokraten. Erneuter lebhafter Widerspruch und stürmische Zu⸗ rufe bei den U. Soz. Glocke des Präsidenten.)

Kann ich jetzt wieder zu Herrn Leid übergehen? So hat er sich darauf berufen, daß die „Bergische Arbeiterstimme“ im Belagerungs⸗ zustandsgebiet verboten wäre, aber im besetzten Gebiet verbreitet werden könnte. Ja, das kann sehr wohl die Folge sein. Die Macht des Staatskommissars Severing endet an der Grenze, am Anfang des be⸗ setzten Gebiets. Aber wenn die Freunde des Herrn Leid und die⸗ jenigen, die eine Agitation à la Hamborn treiben wollen, (sehr gut! bei den Mehrheitsparteien), im besetzten Gebiete wären, dann wäre uns wohl (große Heiterkeit und Zustimmung) und ihnen übel. (Wieder⸗ holte Heiterkelt und Unruhe bei den Unabhängigen Sozialdemokraten.) Die Herren von dort drüben wissen das ja ganz genau, und wenn sie es nicht sagen, dann verschweigen sie es absichtlich, wie drüben im besetzten Gebiet mit den wirklichen Arbeitern umgesprungen wird, nicht solchen, die bloß Hetzer und Schreier sind. (Andauernde große Unruhe. Glocke des Präsidenten.) Sie wissen, daß im besetzten Gebiet die deutschen Arbeiter, die Gewerkschaftsführer namentlich, die treu zur deutschen Sache’ halten, ausgewiesen, eingekerkert worden sind, im Sowargebiet und in anderen Teilen des besetzten Gebiets. (Rufe von den Unabhängigen Sozialdemckraten: Sie machen es noch schlimmer! Däumig!) Dagegen wissen wir, daß unabhängige Blätter mit dem Gelde der Franzosen gegründet worden sind! (Lebhaftes Hört, hört! rechts, im Zentrum und links. Andauernde stürmische Zurufe bei den Unabhängigen Sozialdemokraten: Welche Zeitungen! Namen nennen! Lüge! Lügner! Andauernder großer Lärm Glocke des Präsidenten.)

Wir kennen die Intimität der Dortenschen Pläne mit gewissen unabhängigen Kreisen. (Stürmische Rufe von den U. Soz.: Beweise! Beweise! Glocke des Präsidenten.) Sie unterschätzen meine Nerven! Erkundigen Sie sich bei den wirklichen Sozialdemokraten, die im Rheinland die schmerzhafte Aufgabe haben (sehr richtig!), das deulsche Gefühl gegen die Zwischenträgereien der Unabhängigen auf⸗ recht zu erhalten. (Lebhafte Rufe von den U. Soz.: Beleidigung! Beweise! Welche unabhängigen Blätter werden mit Ententegeld bezahlt? Lügner! Glocke des Präsidenten.)

Der Zusammenhang der Unabhängigen Partei mit denen, die im Auslande gegen Deutschland hetzen und schüren, ist ja heute hier wieder durch die Rede des Herrn Leid hervorgetreten. (Abg. Adolph Hoff⸗ mann: Beweise! Großer Lärm, Rufe der U. Soz.: Beweise! Be⸗ weise! Große Unruhe. Abg. Adolph Hoffmannr Welche unab⸗ hängigen Blätter werden mit ausländischem Gelde unterhalten? Beweise! Andauernde große Unruhe und erneuter Lärm. Der Vize⸗ präsident läutet anhaltend mit der Glocke.) Ich fahre fort. Herr Leid hat heute aus der „Humanité“ zitiert: Noske sei der Typ der Sozialdemokraten, die zum Feinde übergegangen wären, er sei der Schlächter von Berlin. (Sehr richtig! bei der U. Soz.) Das ist eine anmutige (Große Unruhe bei den N. Soz.; lärmende Rufe: Beweise! Abg. Adolph Hoffmann: Welches Blatt wird mit Ententegeldern bezahlt? Beweise! Oder Sie sind ein Lügner! Abg. Paul Hoffmann: Ein schamloser Lügner! Glocke des Präsi⸗ denten.) Sie werden schon das Ihrige zu hören kriegen, Herr Hoff⸗ mann; jetzt lassen Sie mich zu Ende reden.

Das ist das anmutige Spiel: die Angriffe werden von diesen Herren in die ausländischen Blätter dirigiert, und dann üitieren sie diese Blätter zum Beweise. Lärm links; Zuruf von den U. Soz.: Ein neuer Schwindel!) Eine ganze Anzahl von Unabhängigen hat sorthährend in der „Humanité“ gebetzt gegen die deutschen Sozial⸗ demokraten, gegen die Rogierung. (Evneute andauernde große Unruhe links. Abg. Adolph Hoffmann: Beweise! Abg. Paul Hoffmann: Schamloser Lügner! Mehrfache Rufe: Beweise! Glocke des Präsidenten.)

Bitte, meine Herren, halten Sie (nach rechts) doch wenigstens Ruhe, machen Sie nicht noch mehr Lärm; mit diesen Schreiern werde ch fertig, aber nicht, wenn das ganze Haus mitmacht. (Andauernde Unruhe. Glocke des Präsidenten.)

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Herr Abgeordneter Adolph Hoffmann, ich anhworte Ihnen nach⸗

ker. (Erneute stürmische Zurufe bei den Unabhängigen Sozialdemo⸗ kraten: Nein, nein! Gleich! Große Unruhe.) In welcher Weise die Unabhängigen (Wiederholte stürmische Zurufe bei den Unab⸗ ängigen Sozialdemokraten: Lügner! Verleumder! Große Unruhe m ganzen Hause.) In welcher Weise (Andauernde stürmische Zu⸗ ufe nud große Unruhe. Glocke des Präsidenten.) In welcher Weise so die Unabhängigen lügen und betrügen, ergibt sich aus der Be⸗ hauptung, die Herr Abgeordneter Adolph Hoffmann in der ersten Sitzung dieses Landtages nach dem Zusammentritt aufgestellt hat. Erneute stürmische Zurufe bei den Unabhängigen Sozialdemokraten. Glocke des Präsidenten.) Er behauptete damals, daß schon eindge Tage vor dem 13. Januar (fortgesetzte Unterbrechungen durch die Unabhängigen Sozialdemokraten. Glocke dee Präsidenten.) In welcher Weise die Unabhängigen dieses Haus durch falsche ätteilungen hinters Licht führen, und die Oeffentlichkeit blüffen (erneute stürmische Zurufe bei den Unabhängigen Sozialdemokraten: Welches Blatt! Rufe bei den Unabhängigen Sozialdemokraten und

in der Mitte: Nuhe, Ruhel) geht daraus hervor (fortgesetzte, sich

immer mehr steigernde große Unruhe und stürmische Zurufe bei den Unabhängigen Sozialdemokraten. Glocke des Präsidenten.)

Durch tobende Ausbrüche von links wird die Fort⸗ setzung der Rede des unterbrochen oder doch für die Presseempore unvernehmbar. Da der Präsident trotz aller Bemühungen den Lärm nicht zu bewältigen vermag, ver⸗ tagt er schließlich um 334 Uhr die Sitzung auf 4 Uhr.

Gegen 4 ½ Uhr wird die Sitzung vom Präsidenten Leinert für wiedereröffnet erklärt.

Präsident Leinert: Die abgebrochene Verhandlung ist ein Beweis für die Mißachtung der Redefreiheit, ohne die ein Parla⸗ ment nicht bestehen kann. Jedes Mitglied dieses Hauses hat die Verpflichtung, die Redefreiheit unter allen Umständen zu achten. Nur von diesem Grundsatze aus kann ich die Geschäfte leiten.

Minister des Innern Heine: Ich werde das, was die Herren von mir wünschen, am Schluß meiner Rede sagen. Jetzt werde ich mich in der Reihenfolge, die ich mir vorgenommen hatte, nicht unterbrechen lassen.

Der Herr Abgeordnete Leid hat vorhin ein sehr deutliches Zeugnis von der Art der Propaganda gegeben, die die unabhängigen Führer hier im Hause und an anderen Stellen treiben. Er berief sich darauf, daß ich auf eine Aeußerung, die der Herr Abgeordnete Hoffmann in der Landesversammlung am 21. Januar getan hätte, nicht geantwortet hätte. Ich muß gestehen: ich habe diese Aeußerung des Herrn Hoffmann, die in einer Rede zur Geschäftsordnung gemacht worden war, übersehen. Die Zeitungen scheinen darüber auch nicht berichtet zu haben, das Protokoll habe ich mir erst heute hier geben lassen. Da hat Herr Hoffmann erzählt: Bereits am 12. wäre ein Regierungsausschuß, bestehend aus dem Reichspräsidenten Ebert, den Ministern Noske, Bauer und Koch mit diktatorischer Gewalt ein⸗ gesetzt worden, unter der Bezeichnung Direktorium, und mit weit⸗ gehenden Vollmachten ausgestattet. Herr Leid hat vorhin gesagt, weil ich darauf nicht geantwortet hätte, wäre es bewiesen, daß bereits am 12. dieses Vorgehen vom 13. geplant gewesen wäre, und daß die Regierung zu diesem Zweck die Zusammenstöße provoziert hätte. Ich kann die Herren beruhigen. Die ganze Behauptung, die Herr Hoffmann aufgestellt hat von der Einsetzung eines Regierungsaus⸗ schusses und all diesen Dingen, ist vollständig unwahr. Kein Wort ist davon wahr. (Hört, hört! bei den Mehrheitsparteien. Lebhafte Zurufe bei den U. Soz. Glocke des Präsidenten.)

Ich werde, vertrauend auf die Redefreiheit, die dieses hohe Haus mir gewährt, meine Rede so disponieren, wie ich mir vor⸗ genommen habe (Zurufe bei den U. Soz.), und werde mir von Herrn Hoffmann keine anderen Dispositionen vorschreiben lassen. (An⸗ haltende Zurufe bei den U. Soz.) Auf den Punkt werde ich nachher zurückkommen (stürmische Zurufe bei den U. Soz. Glocke des Präsidenten), werde aber trotz allem Gebrüll und Geschrei so sprechen, wie ich will, und nicht, wie diese Herren wollen. (Zurufe bei den U. Soz.)

Präsident Leinert: Sie haben gar kein Recht, jemand zu zwingen, seine Rede so zu halten, wie Sie es wollen. Ich verlange von Ihnen, daß Sie ruhig sind, wenn ich etwas im Interesse der Auf⸗ rechterhaltung der Ordnung zu sagen habe. Sie haben kein Recht, von irgend einem Redner zu verlangen, das er das sagt, was Sie wollen, und zu einer Zeit, wie Sie es wollen. Das ist eine Unterbindung der Redefreiheit. Vielleicht haben Sie nicht alle gehönt, daß der Minister sagte, in der Disposition seiner Rede lasse er sich nicht von Ihnen Vorschriften machen, und daß er darauf, worauf es Ihnen an⸗ kommt, am Schlusse seiner Rede zu sprechen käme. (Zurufe: Ver⸗ leumder!)

Minister des Innern Heine: Ich erkläre noch einmal, meine Damen und Herren, was eben auch der Herr Präsident gesagt hat: ich werde am Schluß meiner Rede auf diese Frage zurückkommen. Ich spreche nur noch wenige Minuten, und ich wäre längst bei diesem Punkt, wenn Sie nicht durch Ihr Gcbrüll fortwährend die Verhandlungen gestört hätten. (Sehr gut!) Ich bitte also, mich fortfahren zu lassen.

Unter dem, was Herr Abgeordneter Leid gesagt hat, war ein Punkt, der auch mir im höchsten Grade ernsthaft und beachtenswert erscheint, es war der Hinweis auf die soziale Grundlage all dieser Beunruhigung, dieser Aufregungen, dieser Revolten, dieser fort⸗ währenden Streikversuche. Ich möchte dem Herrn Redner darin nur beipflichten: wir denken gar nicht daran, anzunehmen, daß diese Un⸗ ruhen und Verwirrungen in unserm Wirtschaftsleben einzig auf Hetzer und Schreier zurückzuführen sind; wir kennen die furchtbare Not, in der die Arbeiterklasse lebt, wir kennen auch die Entkräftung, an der sie infolge der mangelhaften Ernährung leidet. Wir wissen auch, daß, wenn eine Lohnsteigerung eintritt, sie häufig schon wieder wettgemacht ist durch neue Preissteigerungen. Alles das ist uns klar. Aber gerade aus diesem Grunde wäre es von vornherein, als der neue Staat ge⸗ gründet war, notwendig gewesen, daß sich alle Schichten der Bevölke⸗

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0. rung zunächst einmal dem Aufbau des Wirtschaftslebens gewidmet

hätten. (Sehr richtigl bei den Mehrheitsparteien.) Es ist voll⸗ kommen richtig: die Arbeiter fördern wenig Kohlen, weil sie schlecht ernährt sind, und sie sind schlecht ernährt, weil unsere Aecker nichts her⸗ geben, weil wir aus dem Ausckande wegen unserer schlechten Valute nichts einführen können. Unsere Aecker geben aber nichts her, weil keine Kohle gefördert wird, weil wir keinen Kunstdünger herstellen können. Gegenwärtig leiden wir daran, daß das Getreide, das noch in genügendem Maße vorhanden ist, nicht ausgedroschen werden kann, weil es an Koble fehlt. (Zuruf.) Jawohl, so ist es in Pommern Ostpreußen und in vielen Geobieten! Wir können keine Lebensmittel aus dem Ausland kaufen, weil unsere Valuta so schlecht ist, und unsere Valuta ist so schlecht, weil in unseren Kohlengruben nicht gearbeitet würd. So geht alles im Kreise herum.

Aus diesem fehlerhaften Kreise aber kommen wir nicht dadurch heraus, daß keiner auf den andern und auf das Ganze Rücksicht ninimt. Mit Recht würde der Großgrundbesitzer angegriffen werden, der sagt: Es ist mir ganz gleichgültig, ob das Volk verhungert, ich erfüttere jetzt mein Korn. Mit Recht werden diejenigen angegriffen, die da sagen: es kommt mir nicht darauf an, wieviel Kohle produziert rard, ich muß soundso viel Lohn haben. Immerhin handelt es sich dabei um wirtscheftliche Torheiten und Kurzsichtigkeiten. Wenn es aber Leute gibt, die sagen: Vor allen Dingen muß das jetzige Regiment gestürzt werden, und es ist ganz egal, ob darüber auch die Arbeit und das Wirtschaftsleben noch mehr zugrunde geht, so sind das keine wirt⸗ schaftlichen Kurzsichtigkeiten, nicht die Unvernunft de? Hungers, son⸗ dern das ist ein politisches Verbrechen! (Lebhafte Zustimmung rechts, im Zentrum und links.) 1“

Ich habe es in diesem hohen Hause schon öfters gesagt und bitte um Verzeihung, wenn ich mich wiederhole: es gibt keim Ausweg aus diesem ganzen Leid und Elend für das Volk, als doß jeder nur an das Ganze denkt, als daß diese Parteizänkereien zuruch⸗ gestellt werden (sehr richtig!), daß diese persönlichen und Klassen⸗ egoismen zurücktreten, daß man jetzt auf allen Gebieten nun, einmal anfängt, nur produktiv zu arbeiten. Wenn man hier entgegen gehalten hat, die Zeitungen könnten nicht erscheinen, es würden die Arbeiter, die Gewerkschaften gestört uswö. niemand stört eine Bewegung, di darauf ausgeht, die Arbeiter an der Arbeit zu halten. Wenn abern wie in den Flugblättern, die ich gestern hier vorgelesen habe, im Westen den Leuten gepredigt wird: Fördert keine Kohlen, das wirt⸗ schaftliche Leben soll zum Stillstand kommen, damit das Ganze zusammenstürzt, befördert keine Kohlen auf der Eisenbahn aus dem⸗ selben Grunde dann ist das nicht das Mittel, wodurch wir wisder boch kommen können. Dadurch wird das Volk in immer noch tieferes Elend hineingestürzt, dadurch wird es uns immer mehr unmöglich, uns aus unserm tiefen Fall zu erheben.

Darum richte ich noch einmal den Appell, nicht an Sie dort (zu den U. Soz.), aber an die Arbeiter draußen (sehr richtig!), die Ihnen nachlaufen, die durch diese hetzerischen Zeitungen, die wir verboten haben, getäuscht werden sollen. (Sehr richtig!) An diese richte ich den Appell. (Rufe bei den U. Soz.: Wir wissen, daß un⸗ abhängige Blätter mit dem Gelde der Entente begründet werden! Beweisen! Andauernde Unruhe. Glocke des Präsidenten.) Herr Hoffmann, Sie wünschen nicht, daß die Arbeiter draußen diesen Appell an ihre Vaterlandsliebe hören! (Fortgesetzte Rufe von den U. Soz.: Beweise! Glocke des Präsidenten. Abg. Klaußner⸗Storkow: Jetzt haben wir ihn genug reden lassen!) In einer halben Minute bin ich mit diesen Ausführungen zu Ende, dann wird Herr Hoffmann das Seinige zu hören bekommen. Ich sage es aber noch einmal, ich lasse mich nicht von Ihnen unterbrechen und dirigieren. (B.

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(Bravo! Andauernde Rufe von den U. Soz: Lüge! Beweise! Glocke des Präsidenten.) Ich will es noch einmal sagen, da ich durch diese Herren gestört worden bin.

Ich richte die Bitte, den Appell an die Arbeiter draußen, sich von dieser Führung loszusagen (lebhafter Beifall), sich nicht hinein⸗ hetzen zu lassen in weitere Zerstörungen unseres Arbeitslebens, in Zer⸗ störungen, die nur zu einer Unterminierung der deutschen Freiheit und Selbständigkeit führen könnten; die Republik würde stürzen, aber auch das Vaterland würde verkleinert werden. (Zustimmung) Ich sage kein Geheimnis, ich sage nur, was jeder weiß, der im Westen Bescheid weiß: wenn die Entente sieht, daß durch neue

Streiks und Unruhen im Westen wir verhindert werden, ihr die Kohlen zu liefern, die zu liefern wir verpflichtet sind, dann kommt

sie und holt sie sich. (Sehr richtig!) die es soweit bringen. (Sehr richtig!) Nun kommen die Beweise!)

Und daran sind die schuld, (Abg. Adolph Hoffmann:

Und nun zu Ihnen, meine Herren. Der Parteisekretär damells

Parteisekretär der Unabhängigen Sozialdemokratie Deutschlands

Herr Smets ist der Gründer der Zeitung „Die Rheinische Republik“

gewesen. Diese Zeitung wurde in ihren ersten Nummern fast ausschließ⸗ von dem Unabhängigen Baumann geschrieben und gezeichnet. Diesen

Baumann ist dann nach Berlin gekommen und hat in Berlin ver⸗

sucht, von Regierungsstellen einige Millionen zu bekommen (hört, hört!) unter dem Hinweis darauf, daß er das Geld sonst von seinen unabhängigen Freunden und Genossen bekäme; wenn wir es aber gähen, dann wollte er die „Rheinische Republik“ zu einem sagen wir: Spitzelorgan für die Regierung machen. (Hört, hört!) Selbst⸗

verständlich hat die preußische Regierung dieses Ansinnen auch schen Inzwischen sind der große Summen zugeflossen, ohne die das Blatt nicht durchgehalten werden könnte, Summen, die zweifellos franzosenfreundlichen Propagandafonds entstammen. (Abgeordneter Adolph Hoffmann: „Zweifellos“, das ist kein Beweis!) Na, Herr Hoffmann, Sie haben sie doch aus dem Ministergehalt lich von dem Unabhängigen Baumann geschrieben und gezeichnet. Dieser von damals nicht bezahlt. (Große Heiterkeit.) Abg. Adolph Hoff⸗

g

beim ersten Schritte abgelehnt. (Bravo!) Zeitung „Die Rheinische Republik“

mann: So lenkt er von dem Beweise ab! Rabulist) (Abg. Stöcker:

Das ist eine neue Schamlosigkeit!) Bitte, wollen Sie mich nicht forkfahren lassen. (Andauernde Unmhe.) (Zum Präsidenten gewandt):

Darf ich weiter fortfahren? Die „Rheinische Republik“ arbeitet seitdem außenpolitisch zeten

Deutschland und innerpolitisch im Stil und im Sinne der Unab⸗ hängigen Sozialdemokratie gegen die Sozialdemokratische Partei und

gegen die Regierung in Preußen und im Reicke. (Lärm links. Zuruf

von den U. Soz.: Unerhörte Verleumdung!) Sie brauchen sich nur

eine Nummer dieses Blattes anzusehen und mir liegen viele vor —, dann werden Sie sagen, daß ganz im Stil der „Freiheit“ dort gegen die S. P. D. gehetzt wird. (Zurufe.) Außerdem aber liegen

mir aus anderen Teilen des Westgebietes Nachrichten vor, wonach ähn⸗ siche Beziehungen zuch an anderen Stellen (Zuruf von den U. Soz:: Welche?) zwischen Unckängigen und den Besatzungsmächten be⸗

stehen. Ich möchte zunächst einmal diesen Herren dort raten, sich von

ihren Parteifreunden in Cöln das Protokoll über die Verhandlungen,

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die die dortigen Unabbängigen Sozialdemskraten mit der englischen 2, 28 C - v, r 8 . 24 „. Besatzungsbebörde geführt haben (hört, hört!), geben zu lassen, ein

Protokoll, das uns übrigens in ganz legaler Weise zugegangen ist. (Hört, bört!) Aber nicht alle Mitteilungen (Abg. Adelph Hoff: mann: Lesen Sie es doch vor!) Ich lese Ihnen weiter vor: Der „Vomvärts“ ünks: Ach) Arser eciner Anzahl Unabbängiger in der Pfalz haben

sich auch Führer der Unabhängigen in Cöln bereit gefunden, in Ge⸗ meinschaft mit anderen im Dienste Frankreicks und dann der rheini⸗-

schen Republik mitzuarbeiten.

Anzabl Namen: Es sind dies: O. H. Müller,

Vorsitzender der U. S. P. D., Smeets, der im Namen der

U. S. P. bei allen Behörden beglaubigt war, und Lesimple, Ver⸗ at b

treter der U. S. P. im Arbeiterrat beim Cölner Regierungspräsi⸗

denten, und Eidnever, Voisitzender der Pressekommission des Cölner

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U. S. P.⸗Blattes. (Hört, hört!) Es sind mir noch mohr, namentlich

aus anderen Teilen des Landes, namentlich aus der Pfalz, solche Be⸗

richte zugegangen, Berichte von Vertrauensleuten im Westgebiete, we⸗

mach ähnliche Beziebungen auch in der Pfalz und in anderen Orten 8 8 3

bestehen. (Zurufe im Zentrum: Eupen! Nachgewiesen!) Ich werde mich nun aber hüten, meine Gewäbrsleute (Rufe: Ahl und Unruhe bei ven M. Soz.) und ihre Familien dem auszusetzen, daß Unabhäntige

sie Pei den Okkupationsmächten denunzieren. (Lebhafte Zustimnmeg bei den Mehrheitsparteien. Abg. Adolph Hoffmann: Rückzug!) Wie

vund gewinnen!

bat unter dem 5. September 1919 geschrichben: (Ruf

(Hört, bört!) Nun kommen eine

früher

wissen, daß im Okkupationsgebiete diejenigen, die gegen die Abreißung dicser Länder vom Vaterlande Front machen, von den Okkupations⸗ chton mücksichtesles eingekerkert werden. Wir können das leider nicht zerhindern, wir wollen es aber guch nicht berbelführen. (Abg. Dr. Sdmedding: Aber auch nicht vergessen!) Ich glaube, daß schon in der Wirkung die Zusammenarbeit der Unabhängigen mit den Mächten, die wir ja nicht mehr feindliche nennen können, zie Deutschland geschlagen haben, im Laufe dieses Jahres hin⸗ wichend bekannt geworden ist. Wir wissen, daß unabhängige Journa⸗

Uhsten fortwährend nach dem Auslande gereist sind, wir kennen die

Schmähartikel, die in der „Humanité“, veranlaßt durch einen unab⸗ aingigen Sozialisten, fortwährend erscheinen. Wir wissen vor allen ingen, daß wir wahrscheinlich in den Friedensbedingungen nicht so ir gesunken wären, wenn die Unabhängigen nicht vom ersten Tage an mklärt hätten: Deutschland wäre im Unrecht, müsse bestraft werden, müsse jede Friedonsbedingung annehmen (Lebhafte Zustimmung bei den Mehrheitsparteien), alle diese Friedensbedingungen. (Stürmische Zu⸗ ufe bei den Unabhängigen Sozialdemokraten. Große Unruhe. Glocke dos Präsidenten.).

Ich danke dem Hause dafür, daß es allen Störungen zum Trotz e Geduld gehabt hat, mich anzuhören. Ich bitte, mir zu gl. 45 das, was ich gesagt habe, im Interesse unseres Vaterlande wendig war. (Stürmischer Beifall. Erneute Pfuirufe und Zischen un) große Unruhe bei den Unabhängigen Sozialdemokraten. Erneuter enhaltender Beifall.)

Präfident Leinert: Die Abgg. Paul Hoffmann und Dr. Rosen⸗ sah machen fortwährend beleidigende Zwischenrufe, wie Verleumder

gimm.; sie stehen noch zu tief für einen Ordnungsruf. (Lauter Beifall,

(Hendeklatschen.). Die letzten Worte des Ministers Heine bleiben bei Demn ungeheuren Lärm und Pfuirufen unverständlich.

Abg. Ad. Hoffmann (zur Geschäftsordnung): Ich protestiere zgen die Art und Weise, wie der Herr Präsident die Geschäfte des Feanses führt. (Große Unruhe.) Er hat gesagt, die Zwischenrufer stehen 6 Ordnungsruf zu tief. (Zustimmung bei der Mehrheit. Großer

rm.

Präsident Leinert unterbrechend: Sie können sich aus dem tenogramm überzeugen, daß ich nicht von Zwischenrufern, sondern von Lwischenrufen gesprochen habe.

Als der Abg. Ad. Hoffmann die An beine zu kritisieren versucht, verhindert der weil dies nicht zur Geschäftsordnungerklärung gehöre.

Abg, Schreck (Soz.): Man kann darüber streiten, ob von der pechten oder von der (inken Seite des Hauses dem Volksstaate größere Gefahren drohen. Unbestritten dagegen ist, daß die Rechtsstehenden viel versichtiger sind, als die Unabhängigen. Das Attentat gegen Erzberger st durchaus die Frucht der verhetzenden Tätigkeit der Zeitungen, die, wenn auch in versteckter Form, zur gewaltsamen Entfernung von Erz⸗ hergsr aufgefordert haben und jetzt, wie z. B. die „Post“, dasselbe in bezug zaf den Minister Heine verlangt. Die Regierung muß überhaupt den gechtsstehenden Parteien schärfer auf die Finger sehen. In einem Fchlosse sollen größere Mengen von Waffen gefunden sein. Die Land⸗ birtschaft muß mit der notigen Kohle und Düngemitteln versorgt werden, um die Ernährung des deutschen Volkes sicherzustellen. Auf vr anderen Seite aber muß die Regierung Maßregelungen von Land⸗ cheitern auf alle Fälle zu verhindern suchen. Wenn ein gesetzlicher kbeitsgwang eingeführt werden sollte, so muß er vor allen Dingen auf se ausgedehnt werden, die es bisher als ihr Vorrecht betrachteten, berhaupt nicht zu arbeiten. Der Einführung des sechsstündigen Ar⸗ hitstoges im Bergbau stehen rein sachliche und praktische Erwägungen umntgegen, das ist auch se bst von unabhängigen Bergarbeitern anerkannt worden. Auch nach ihrer Ansicht muß das Menschenmögliche geleistet

rden, weil urssere ganze Volkswirtschaft vom Berghau abhängig ist. 2 ist keine Frage, daß die Blutopfer vom 13. Januar zum sberwiegenden Teile auf das Schuldkonto der Unabhängigen Sozial⸗ skraten, zum anderen auf das der Kommunisten zu sind, kann ich als Augenzeuge der Vorgänge bestätigen, während Herr seid sich nur auf Augenzeugen berufen kann. Die Blutschuld jener uksradikalen 9 nicht abzuwaschen. Die Sicherheitsmannschaften en eine unglaubliche Langmut bewiesen. Nicht zehn Minuten

en vielleicht 30 Sekunden hat die Schießerei gedauert. Auch nicht auf Fliehende geschossen worden. Das würde auch Herr Koesenfeld bekunden können, wenn er sich nicht vorzeitig zurückgezogen hätte. Die ganzen Vorgänge waren darauf angelegt, die National⸗ ersammlung auseinanderzujagen und denen draußen ein blutiges fche für die Errichtung der Rätediktatur aufzustecken. In Leipzig aben sich die Unabhängigen Sozjaldemokraten in einer aufrechter kzialisten ganz umpürdigen Weise der dritten Internationale an⸗ inbiedern versucht; sie sind in Wahrheit die schlimmsten Reaktio⸗ gäre, wie 8 auch längst die Gefangenen der Kommunisten sind. Der Mehrheitswille muß den Terror der Minderheit brechen, wenn 8 sein muß, mit Gewalt. In Düsseldorf sind es gerade die Un⸗ ebhängigen Sozialdemokraten gewesen, welche ein Standgericht ein⸗ esetzt und die Presse unterdrückt haben. Jetzt verhunzen und ver⸗ 5 die Unabhängigen Sozialdemokraten das endlich errungene freie Wahlrecht und appellieren an die Gewalt, weil sie gar nicht hie innere Kraft besitzen, im Zeichen des freien Wahlrechts zu siegen. ür die Zeitungsverbote wünschen wir dringend Befristung und Beschwerdeinstanzen. Die starke Erregung der äußersten Linken über die Andeutungen des Ministers Heine hat über das Ziel hin⸗ ausgeschossen. Natürlich freut sich die Entente, wenn im bhesetzten Gebiete Blätter erscheinen, die den jungen Freistaat Deutschland bis aufs Messer bekämpfen, und sie begünstigt sie selbstverständlich. Nur duͤch Arbeit, durch ruhiges, festes Schaffen können wir uns wieder aufrichten und die Voraussetzungen für einen wahren Völker⸗

Hierauf wird Vertagung beschlsen. In persönlicher Bemerkung wendet sich

Abg. Hoffmann (II. Soz.) gegen den Abg. Schreck und gegen

den Minister Heine und wird wegen der Wiederholung des Aus⸗ drucks „Verleumder“ gegen den letzteren wegen Beleidigung zwei⸗ mal zur Ordnung gerufen.

Schluß nach 6 Uhr. Nächste Sitzung Sonnabend, 12 Uhr.

(Fortsetzung der Beratung; vorher Siedelungsgesetzentwurf,

nackher Gesetzentwurf, betr. Vermögensauseinandersetzung dem preußischen Staat und dem vormaligen Königs⸗ ause.)

Die „Korrespondenz Hoffmann“ meldet, daß am Freitag vormittag im Justizministerium die Verhandlungen der bayerischen und der coburger Regierung über die endgültige Festsetzung des Staatsvertrages, betreffend den An⸗ schluß des Freistaates Coburg an den Freistaat Bayern, begonnen haben. Nach endgültiger Festsetzung durch die Regierung werden die beiden Landtage die Zustimmung zum Staatsvertrag zu erteilen haben. Feles wird die Sanktio⸗ nierung des Anschlusses durch Reichsgesetz erfolgen.

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Der Chef der Admiralität, Vizeadmiral von Trotha, hat an den Oberbürgermeister Sahm in Danzig ein Ab⸗ schiedstelegramm gerichtet, in dem ausgeführt wird, die Marine denke in Trauer und Treue der alten deutschen See⸗ stadt Danzig. In unverbrüchlich treuem Gedächtnis werde ihr Name stets in der Marine leben.

Gestern früh ist ein englisches Vorkommando von 20 Offizieren und 150 Mann in Danzig eingetroffen.

Oesterreich.

Die Nationalversammlung hat dem „VTelegraphen⸗ Korrespondenzbüro“ zufolge die Vorlage, betreffend die Be⸗ gebung einer ausländischen Anleihe gegen Sicherstellung Lurch das Erträgnis des österreichischen Tabakmonopols angenommen. Im Laufe der Aussprache erklärte der Staats⸗ sekretär Reisch, Oesterreich müsse der Entente für das Entgegenkommen danken, das sie Oesterreich durch die Frei⸗ gabe des Tabakmonopols ermwiesen habe. Der Staats⸗ sekretär legte die Gründe dar, weshalb nicht nur die Erträg⸗ nisse des Monopols verpfändet, sondern auch der Betrieb felbst an eine Gesellschaft übertragen werden müsse, und stellte fest, daß die Regierung sich auf die den Betrieb des Tabak⸗ monopols übernehmende Gesellschaft den weitestgehenden Einfluß sichern werde. Das Konsortium werde zunächst einen Vorschuß von etwa 30 Millionen holländischer GSulden als Voraus⸗ zaͤhlung auf künftige Gewinne gewähren. Im übrigen werde der Staat an dem künftigen Erträgnis des Tabakgeschäfts im weiten Umfange beteiligt sein. Das Haus verhandelte dann über das Gesetz, betreffend die Regelung der Rechts⸗ verhältnisse der Journalisten. Der Abg. Austerlitz er⸗ stattete einen eingehenden Bericht.

Ungarn.

Nach einer Budapester Blättermeldung hat der General Bandholz, der Budapester Vertreter der Vereinigten Staaten, am Donnerstag dem Ministerpräsidenten Huszor einen Be⸗ such abgestattet und, wie das „Ungarische Kprrespondenzbüro“ meldet, bei dieser Gelegenheit die Unterstützung der ungarischen Friedenedelegation seitens Amerikas angeboten. Er würde die ungarische Friedensdelegation nach Neuihy begleiten und die Friedenskonferenz auf Grund seiner in Ungarn gemachten Er⸗ fahrungen über die ungarischen Verhältnisse unterrichten.

Ein Teil der ungarische Presse macht seit Abschluß der Wahlen zur Nationalversammlung Propaganda für eine Aende⸗ rung in der bisherigen Konzentrationsregierung. Der Armee⸗ oberkommandant Horthy erläßt nun einen Befehl an seine Truppen, in dem er dem „Ungarischen Telegraphen⸗Korre⸗ spondenzbüro“ zufolge darauf hinweist, er habe seinerzeit die Bildung des Konzentrationskabinetts mit einem Ver⸗ treter der Entente vermittelt und sein Amt unter der Bedingung übernommen, daß die Konzentrationsregierung bis zum Zusammentritt der Nationalversommlung im Amte bleibe. Diese Vereinbarung könne nur so ausgelegt werden, daß die Nationalversammlung das provisorische Oberhaupt 8 wählen hat und die Konzentrationsregierung ihr Mandat in dessen Hände zurückleat. Das Staatsoberhaupt hätte dam den neuen Ministerpräsidenten zu ernennen. Es sei der ent⸗ schiedene Wille des Oberbefehlshabers des Heeres, diesem Standpunkte gegen jede woher immer kommende Bestrebung Geltung zu verschaffen, da es im Interesse des Landes liege, daß das Konzentrationskabinett nur unter Einhaltung der ge⸗ setzlichen Formen einem neu zu bildenden Ministerium seinen Platz übergebe, damit eine die politische und wirtschaftliche Lage gefährdende Erschütterung vermieden werden könne. Die Disziplin und das patriotische Gefühl der nationalen Armee und ihre Waffengewalt seien eine Gewähr dafür, daß der Oberbefehlshaber seine entschiedene Absicht unter allen Um⸗ ständen durchführen werde. - 8

Tschecho⸗Slowakei. G

Die tschecho⸗slowakische Regierung gibt eine Mitteilung aus, worin laut Meldung des „Wolffschen Telegraphenbüros“ gesagt wird, daß von deutscher Seite der Artikel 84 des Friedens⸗ vertrags mit Deutschland in der Weise ausgelegt wird, als hätten deutsche Staatsang ehörlge, die in der tschecho⸗ slowakischen Republik ansässig sind, das Recht, in die ständi⸗ gen Wählerverzeichnisse eingetragen zu werden. Dies sei durchaus unrichtig und durch den Friedensvertrag in keiner Weise gerechtfertigt, dessen Artikel 84 die Staatsbürgerschaft für die in dem an die Tschecho⸗Slowakei abgetretenen Gehiete Preußisch⸗Schlesiens ansässigen deutschen Staatsangehörigen regelt. Bezüglich der Staatsbürgerschaft der in anderen Teilen der Tschecho⸗Slowakei ansässigen deutschen Staatsangehörigen enthält der Friedensvertrag keine Bestimmungen.

Gestern ist die interalliierte Grenzregulierungs⸗ kommission in Prag eingetroffen, die berufen ist, die Grenzen zwischen dem tschechoslowakischen Staate und Schlesien zu ziehen. Die Kommission besteht aus je einem englischen, amerikanischen, französischen und japanischen Obersten.

In der vorgestrigen Sitzung der Nationalver⸗ sammlung wurde der Gesetzentwurf über die Einverleibung des Hultschiner Ländchens in die tschecho⸗slowakische Republik vorgelegt. Es heißt dem „Wolffschen Telegraphen⸗ büro“ zufolge darin u. a., daß die Grenzen von der inter⸗ alliierten Kommission endaültig festgelegt werden. Die bts⸗ herigen Gesetze und Verordnungen in dem inkorporierten Ge⸗ biete bleiben weiter in Kraft, solange dies mit der Aenderung der Souveränität vereinbar ist, und solange sie nicht durch Gesetze und Verordnungen der Eg.cc. Republik auf⸗ gehoben oder geändert werden. Die tschecho⸗slowakischen Gesetze, die vom 1. Mai dieses Jahres an veröffentlicht werden, er⸗ langen Wirksamkeit auch für das inkorporierte Gebiet, soweit

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nicht das Gegenteil bestimmt wird.

Großbritannien und Irland.

Nach einer Havasmeldung hat sich Asquith kürzlich gegen die Verstaatlichung der Bergwerke ausgesprochen, wenn sich dadurch die Kontrolle des Staates auf die Organi⸗ sationen der mit dem Bergbau zusammenhängenden Industrie ausdehnen sollte. So schwer auch die Mängel des jetzigen Systems wären, diejenigen der Verstaatlichung seien noch größer.

38 8 Frankreich. In gestugen Kabtnettsrat vnterbreltete der Finmeminister de Grundlagen zur Einberusung einer internationalen Valutakonferenz. 8

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Nach dem „Echo de Paris“ sett sich die Oberste Heeresleitung Frankreichs solgendermaßen zusammen⸗ Marschall Foch bleibt Höchstkommandierender der, leren Streitkräfte; Marschall Pstain wird Oberbefehlshaber der französischen Armee und zugleich Vizepräsident des Obersten Kriegsrats; General Puat wird Chef des Generalstabes mit drei Unterstabschefs. Dem Obersten Kriegsrat präsidiert der Kriegsminister; als Mitglieder gehören ihm an die drei Marschälle von Frankreich Joffre, Foch und Pétain und 10 Dioisionsgenerale, denen in Kriegszeiten das Romehag einer Armee zusteht.

Die Kammer verhandelte gestern, nachdem der Finand⸗ minister sich bereit erklärt hatte, kommenden Freitag eine Inter⸗ pellation über den Niedergang des Frankkurses zu beantworten die Interpellation der Abgeordneten Pavier, Le Megallen und Gerald über die allgemeine Politik der Regierung und über die Zusammensetzung des Ministeriums Millerand. 6 1

Laut Bericht des „Wolffschen Telegraphenbüros wollte der erste Redner wissen, ob die Regierung die Gerechtigkeit nach innen und nach außen realisieren wolle, ob auch die Schuldigen und Verräter bestraft würden, und sprach seine Verwunderung aus, daß Baron Sarraut Mitglied des Kabinetts sei und daß ein Politiker wie Steeg ihm angehöre. Gerald wollte Aufklärung über die Finanz⸗ wirtschaft und äußere Politik des Kabinetts und fragte an, ob das Parlament nicht die nötigen Sachverständigen besitze, die die Verantwortlichkeit für die Ministerien übernehmen könnten. Der Ministerpräsident Millerand erklärte, es genüge nicht, eine arbeitsfähige Kammer zu haben, man müsse guch eine Regierung besitzen mit einer unantastbaren Autorität. Die Kammer müsse sagen, ob sie Vertrauen zu der Regierung habe, deren Präsident er sei, und erklären, daß die Strafverfolgungen, die vom ehemaligen Kabinett eingeleitet worden seien, aufrecht erhalten würden. 3 Man werfe ihm vor, die Minister nicht nach der Bedeutung der einzelnen Gruppen ausgewählt zu haben. Er babe absichtlich keine Rücksicht auf die Gruppen genommen. Er habe neue Methoden angewandt und Sachverständigen Portefeuilles an⸗ vertraut, selbst wenn sie außerhalb des Parlaments stehen. Er habe Mitarbeiter ausgesucht, die ihrer Aufgabe gewachsen seien und sich voll ihrer Aufgabe hingeben wollten. Das sei der Wille des Landes gewesen. Wenn die Kammer kein Vertrauen zu den Männern habe, die das Kabinett bilden, dann müsse sie es sagen. Der Miß⸗ brauch von Interpellationen bedeute eine Gefahr. Er sei überzeugt, daß die Zusammenarbeit des Parlaments und der Regierung sich hauptsächlich in den Ausschüssen geltend machen müsse. Er stehe der Kommission für auswärtige Angelegenheiten zur Verfügung, um hier alle Aufklärungen zu geben. Die Regierung werde sich, was die finanzielle und wirtschaftliche Wiederaufrichtung des Landes betreffe, mit Frankreichs Alliierten in Verbindung setzen. Wiederholen könne er, daß die Regierung entschlossen sei, alle Klauseln des Friedensvertrages von Versailles ausführen zu lassen, das heißt, von Deutschland zu verlangen, daß es alle seine Ver⸗ pflichtungen erfülle. (Beifall.) Millerand sprach sich dann über

die Solidarität des Kapitals und der Arbeit aus und endete mit

einem warmen Avppell an die Einigkeit aller Franzosen. Diese Einigkeit müsse erbalten werden. Diese Politik habe er in Elsaß⸗ Lothringen in die Praxis umgesetzt, und er sei der Ueberzeugung, daß sie für ganz Frankreich gut sei. Das sei seine Politik und die Kammer müsse klar zum Ausdruck bringen, daß es auch die ihrige sei. .

Darauf wurde mit 510 gegen 70 Stimmen eine Tages⸗ ordnung angenommen, die erklärt, die Kammer nehme Kenntnis von der Erklärung der Reaierung und habe das Vertrauen zu ihr, daß sie das vom Ministerpräsidenten entworfene Pro⸗ gramm ausführen werde. Die Interpellation über die äußere Politik wurde auf kommenden Donnerstag vertagt.

Gestern nachmittag fand in der Sorbonne die an⸗ gekündigte Festsitzung zu Ehren des Völkerbundes unter dem Vorsitz des Präsidenten Poincaré stat!, der auch der Präsident Deschanel beiwohnte. Der Senatspräsident Leon Bourgeois wies als Vorsitzender der französischen Vereinigung für den Völker⸗ bund darauf hin, daß heute in allen Schulen Frankreichs die Be⸗ deutung des Völkerbundes erörtert worden sei, damit die französische Jugend, in deren Hände man das Schicksal des Vaterlandes lege, wisse, welchen großen Anteil Frankreich an dem Geschicke der Menschheit habe. Der Völkerbund wolle die Einheitsfront ver⸗ ewigen gegen jeden Feind, der die Gerechtigkeit und den Frieden in Zukunft antaste. Ansprachen haben u. a. außerdem gehalten Kardinal Amette, Professor Ernest Lavisse, Senator Ribot und Präsident Poincaré. 1

Niederlande. 1b

Die Kammer wird nach dem „Algemeen Handelsblad“ uͤber den Gesetzentwurf, betreffend das Kreditabkommen mit Deutschland, im April verhandeln. Die Möglichkeit, daß die holländische Regierung das Abkommen nicht annimmt, erscheine so gut wie ausgeschlossen, vorausgesetzt jedoch, daß eine Regelung bezüglich der Anwendung des Lebensmittelkredits erfolgt.

Belgien.

Die „Nation Belge“ meldet nach Nachrichten aus offiziellen Kreisen, daß die Konferenz von Ypern hauptsächlich über militärische Maßnahmen zur Verteidigung der französisch⸗ belgischen Grenze gegen Deutschland beraten habe. Auch die Finanzkrise Europas, soweit sie den Kredit Frankreichs und Belgiens betrifft, sei Gegenstand des Meinungsaustausches gewesen, und man habe Maßnahmen ins Auge gefaßt, um den Sturz des französischen und belgischen Frankens aufzu⸗ halten, der die Handelsbeziehungen beider Länder besonders mit Großbritannien und den Vereinigten Staaten benachteilige. Die Beratungen werden fortgesetzt werden.,

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Der ehemalige Minister des Innern und demokratische Parteiführer Michael Takew ist nach einer Havasmeldung am 24. Januar in Petschera in Südbulgarien das Opfer eines Anschlags geworden. Das Verbrechen hat keinen politischen Charakter, soncbern entsprang rein lokalen Beweg⸗ M““ 6

Der amerikanische Staatssekretär Lansing erklärte i einem Bericht an den Senat über den Außenhandel, wie Reuter meldet, Amerika habe, ohne sich anzustrengen, eine hervorragende Stellung erreicht, die man mit der früher von Deutschland erstrebten vergleichen könne. Er empfehle ein vollkommene Reorganisation des Staatsdepartements, besonders der Handelsabteilungen, und die Herstellung einer einheitlichen Leitung in Angelegenheiten des Außenhandels, wobei die diplomatischen und Konsulardienststellen gegeneinander aus⸗ gewechselt werden können.

1 Nach einer Havasmeldung hat die brastlianische Regierung eine Note veröffentlicht, in der sie über die Ver⸗ handlungen seit Beschlagnahme der deutschen Schiffe durch Brasilien bis zur Friedenskonferenz berichtet, die Brasilien das