1920 / 27 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 02 Feb 1920 18:00:01 GMT) scan diff

Besgarbeiterorganisalionen des Ruhrgebiets haben deshalb die gewalt⸗ Einführung der Sechsstundenschicht abgelehnt. Alle anderen In⸗ zustritzweige schreien nach Kohle und liegen wegen Kohlenmangels ben auch der Erz⸗ und Kalibergbau. Von zweibundert Kaligruben liegen 120 vollkommen still, die Arheiter sind brotlos und die Land wirtschaft bekommt kein Kali. Bestellungen aus England und Amerika für Kali können nicht ausgeführt werden, und wir können da⸗ für nicht Lebensmittel kaufen. Die 2000 Delegierten der christlichen Bergarbeiter haben am vorigen Sonntag einstimmig im Interesse des Vaterlandes an der siebenstündigen Schicht festgehalten. Nun muß aber auch die Regierung für den Schutz der Arbeitswilligen sorgen. (Seohr richtig!) Die Neunerkommission unseligen Angedenkens hat die Vorfälle im letzten Frühjahr verschuldet. Aber auch die Arbeit⸗ geber müssen den Wünschen der Arbeiter, nachdem die Gefahr der Sechsstundenschicht abgewehrt ist, weiter entgegenkommen, besonders in bezug auf die Ernährungs⸗- und Mrlaubsfrage. Während im Sommer 1919 wöchentlich 750 Lokomotiven fertig⸗ estellt wurden, waren es im November nur noch 6659 und im Januar 1920 nur noch 520. Ein so gewaltiger Rückgang in der Leistung läßt die Schließung der Betriebe verständlich t

ch erscheinen. Der Erlaß des Eisenbahnministers, überzählige Kräfte zu entlassen, hat leider icht die gebührende Beachtung gefunden. Es muß demoralisierend auf den ganzen Betrieb wirken, wenn eine Menge Arbeiter im Be⸗ triebe beschäftigungslos sind; sie müssen dann anderswo beschäftigt werden, wo sie der Volkswirtschaft wirkliche Dienste leisten können. Die Akkordarbeit muß in den Betriebswerkstätten unbedingt wieder eingeführt werden. Daß Eisenbahnbeamte Eisenbahnarbeiter in den letzten Streik hineingehetzt haben, ist entschieden zu verurteilen. Wir sind uns darüber einig, daß für die Beamten das Streikrecht gar icht in Frage kommen kann. (Sehr richtig!) Wir erwarten, daß bei der Besoldungsreform gerade dieser Frage die größte Aufmerksam keit geschenkt wird und den Beamten das Streikrecht nicht zugebilligt wird. Die berechtigten Wünsche müssen in den Tarifperträgen be⸗ rücksichtigt werden. Das Weiterarbeiten im Bergbau ist abhängig von der genügenden Ernahrung der Bergarbeiter. Deshalb muß die Landwirtschaft mit Kohlen versorgt werden zum Ausdrusch des Ge⸗ rreides. An der Einführung des Belagerungszustandes hahen auch die Unabhängigen des Ruhrgebietes ein vollgerütteltes Maß Schuld. genn es selbst unter der Herrschaft des Belagerungszustandes möglich war, daß kürzlich in Hamborn alle Geschäfte vollständig ausgeraubt und sämtliche Schaufenster eingeschlagen wurden, dann kann von der Aufhebung des Belagerungszustandes keine Rede sein, sondern es müssen noch verschärfte Maßnahmen eintreten. Eine solche Ver⸗ vohung und Verwilderung haben wir in unserem Mitgliederkreise doch nicht zu verzeichnen. Auch ich war Augenzeuge der Vorgänge am Reichstage am 13. Januar und konnte vom Hause des Vereins deut⸗ her Ingenieure aus die Vorgänge vor Portal 2 beobachten. Was ich die Sicherheitssoldaten von der Menge dort haben gefallen assen, das hätten Sie (zu den Unabhängigen Sozialdemokraten) sich nie und nimmer gefallen lassen. Der Belagerungszustand kann nicht ausgehoben werden, auch nicht das Zeitungsverbot; über dem Juter⸗ esse einer einzelnen politischen Partei und einiger Zeitungen steht das Volksinteresse und das Gesamtinteresse unserer deutschen Wirt schaft. (Sehr richtig!) Daß die monatelang betriebene Hetze der nationalistischen Blätter gegen Erzberger eine Attentatsatmosphäre vorbereiten helfen mußte, ist außer allem Zweifel; ich verwerse da noch besonders auf eine Aeußerung in der „Post“. Sehr sonderbar muß auch der Bericht über das Interview anmuten, das über die Stellungnahme der Eltern des jungen v. Hirschfeld Auskunft gibt. Die Agitation in der Presse wie in den Versammlungen der Rechten scheint ganz darauf berechnet, aus der Not des Volkes politrsches Kapital zu schlagen. des öffentlichen und wirtschaftlichen Lebens müssen im Gesamtinteresse des Volkes hintangehalten werden, sonst kommt unser Volk aus dem Elend überhaupt nicht mehr heraus.

Abg. Dr. Schloßmann (Dem.): Einen demokratischen Staat, das Ideal eines freien Staates, wie es uns Naumann schilderte, haben wir heute, wir haben eine demokratische Regierungsform und demokratische Minister; aber der Staat, den wir hahen, gleicht nicht dem Idealbild, das uns vor Jahrzehnten vorschwebte, nicht in politischer, nicht in sozialer Hinsicht. Man muß weit zurückgeben in der Geschichte, um auf eine Epoche zu stoßen, wo die Freiheit so be⸗

Storung

schränkt und beschnrtten war wie heute bei uns; und schuld daran

sind die Ultra⸗Radikalinskis rechts und links. Als Schmach, als Schlag ins ene Gesicht habe ich es empfunden, daß ich in dieses Haus und in diesen Sitzungssaal nur hinein konnte unter dem Schutz von Drahtverhauen und Militär, umd das alles veranlaßt durch eine kleine Rotte gewerbsmäßiger Hetzer! Eine Aeußerung des Abgeordneten Ad. Hoffmann läßt sogar darauf schließen, daß die Unabhängigen Sozialdemokraten die Absicht hatten, hier im Saale einen „Budenzauber“ aufzuführen. (Widerspruch von A d. Hoff mann.) Wenn jetzt die Unabhängigen Sozialdemokraten sich uüber Verhaftungen ohne Gerichtsurteil beschweren, so haben sie es sein zeit in Düsseldorf ganz ebenso und mit der (Einsetzung von Stand gerichten noch viel schlimmer getrieben. Die Zeitungsverbote be⸗ dauern wir außerordentlich, denn wenn wir auch die Notlage der Regierung anerkennen, stehen wir Demokraten doch allesamt auf, dem Standpunkt Friedrichs des Großen: „Gazetten dürfen nicht genieret werden!“ Aber Sie (nack der äußersten Linken) haben das geringste Recht, sich darüber zu entrüsten, denn die ärgsten Verbrechen gegen die Presse sind von „Unabhängigen“ gerade in Düsseldorf begangen worden. Hoffentlich wird sich die U. S. P. bald so entwickeln, daß die Verbote aufgehoben werden können. (Heiterkeit und Zurufe.) Was am 13. Januar in Berlin vor sich ging, war keineswegs so harmlos, wie es Herr Leid dargestellt hat. Herr Dr. Rosenfehr hat sich ja dabei hübsch in der Ctappe gehalten. (Heiterkeit.) Aber im Lande sah anders aus. In Düsseldorf suchten die Spartakisten und Kommunisten bewaffnet die Fabrikarbeiter vom Betreten der Fabriken abzuhalten, die Vorgänge in Hamborn hatten mehr Erfolg, als der Berliner Zug vor dem Reichstag; in Hamborn wurde das Natbhaus gestürmt. Tat die Steuerakten vollkommen vernichtet wurden, und seofort der dert wurde, war ein Uhre damm die Plünderung vicler und den Eisenbahnarbeitern außerordentlich sympathisch gegenüber, ein⸗ mal, weil sie wihrend des Krieges Tüchtiges geleistet haben, und dann weil uns die materielle Notlage bekannt st. Nur der Notlage ist es zuzuschreiben, daß die Agitation der Unabhängigen bei ihnen zum Teil auf fruchtbaren Boden gefallen ist. Wie richti

Düsseldorfer am eigenen Leibe erfahren müssen. Es lag die Gefahr nahe, daß infolge des Eisenbahnerstreiks alle Industrien hätten still gelegt werden müssen und jegliche Zu⸗ von Nahrungémitteln unter⸗ bunden worden wäre, wenn nicht der Streik ein schnelles Ende gefunden hätte. Die Beschwerden des Abgeordneten Leid über die Schließung der Eisenbahnbetriebswerkstätten sind um so underständlicher, als doch von seiten der Unagbhängigen Flugblätter verteilt worden sind mit der Auf⸗ sorderung: Heraus aus den Werkstätten. (Sehr gut!) Daß die Räumung der Werkstätten so schnell hat epolgen müssen, dedauern auch Arbeitern ist es unser ¹ Cohal dabei verfahren und keine Schikane bei Wiede AMbeiter Platz greifen möge. Tat⸗

1 .

ist, daß nach Erstürmung des Rathauses

8 9 ed

ElUUsle⸗ 81 ren sache ist, daß in den Werkstätten ven 12 Monaten 11 Monate fort⸗ gesetzt gestreikt wurden und eine unerhörte Verschwendung von National⸗ eigentum stattgefunden hat. Mit der Erklärung des Herrn Ministers in gen die Agitation der äußersten Linken energisch einzuschreiten, durchaus einverstanden. Cyarakteristisch für die Anschauungen

r außersten Linken ist cb, daß sie infolge des hiesigen Versammlungé⸗ verbotes in dem besetzten Gebiet am 27. Jannar eine Protestversamm⸗ ag abgebalten haben, noachdem sie vorber bei der franzüsischen Be⸗ hHorrs um die Erlaubnis zur Abhaltung der Versammlung eingekommen waren und dieselbe von der französischen Behörde auch erteilt war.

ig die Ansicht ist, daß

(Pfuirufe.) Wir bhitten aber auch den Minister, nicht nur den Ultra⸗ tatkalen von Unt, sondern auch von rechts mit aller Schärfe entgegen⸗ euneteten. Justitta lundamentum rezgnorum! Der Seismograph be., der Regierung registriert vorzaufig nur die leiseste Bewegung, die von links kommt, er muß auch in Zuctunf: auch die leiseste Bewegung von rechts registrieren. Es hat DLen Anschein, als ob auf der rechten Seite des Hauses Morgenluft gewittert wird. Wir sehen auf der Rechten einen Koagentrationsprozeß, der die echt konservativen Männer wieder und die unzuverläassigen Leute, wie den Grafen

ill. Der „Berriner Lokal⸗Anzeiger“ ist jetzt 2 ster des Ministers Erzberger an die Rockschöße hanger gehandt wird, obgleich doch das Verbrechen ein aus⸗ politisches ist.

un Ne e brin

Als seinerzeit Kullmann das Attentat auf rck während des Kulturkampfes verübt hatte und Bismarck in der Rieichstagssitzung sagte, daß das Zentrum es nicht vermöge, den Atien⸗ täter von seinen Rockschoßen abzuschütteln, ertönte auf der rechten Seite des Hauses tosender Beifall. Also eine sittliche Entrüstung ist hier wirkeich nicht am Platze. Zu keiner Zeit ist ein Meuchelmord gegen einen Staatsmann so verabscheuungswürdig wie in unserer Zeit. (Sehr richtig!) Es mag nicht alles, was Minister Erzberger tut, für richtig gehalten werden, so lange er aber das Vertrauen seiner Partei und der Mehrheit hat, muß er geschützt werden. Wenn wir jetzt sehen, daß dauernd der Meuchelmord in den Blättern der Rechten verherrlicht wird, namentlich auch in der früher so hoch stehenden „Täglichen Rund⸗ schau“ (Zuruf vom Jentrum: Konfessionell verhetzt hat sie immer!), dann kann man sich denken, welche Wirkung damit erzielt wird. Vor Gewalt schreckt man auch auf der Rechten nicht zurück; das beweisen . 2 :. 3 . „—S- 2†2 7 8 die Theatervorgänne in Halle, wo ein Stück von der urteilslosen Jugend bei, der Aufführung gestört wurde. Hat denn in Deutschland eine rheit das Recht, nur ihren Willen durchzusetzen? Ebenfalls war in Halle, wo Generalsekretär Kuntze ausführte, der Staatsbankerott sei das einzige Mittel, um wieder Ordnung zu schaffen, die Demokraten und Sozialdemorcaten seien nur Gegner des Staatsbankerotts, weil sie die Schuützer des Kapitals seien. Jedenfalls tragen die Deutschnationalen die Verantwortung dafar, wenn sie Derartigem nicht entgegentreten. (Zuruf: Kuntze ist nicht Generalsekretär der Partei.) Ein Hallenser Blatt ußert sich so: Wenn Dr. Schreiber zur Einigkeit mahnt, so heißt das, einem gewohnheitsmäßigen Einbrecher einen hohen Vertrauensposten in einer Wach⸗ und Schließgesellschaft anvertrauen. (Zuruf links: Echt national!) Im Falle des Professors Nikolgi habe ich selber dem Minister Vorhaltungen gemacht, daß ein solcher Mann zum Professor gemacht würde. Nachdem er aber ernannt worden ist, hat kein Mensch das Recht, durch Störung seiner Vorlesungen ihn an der Ausübung des ihm vom Staate übertragenen Lehramts zu hindern. Die Studenten mögen wegbleiben, Störungen dürfen sie aber nicht vornehmen. (Zuruf: Sie gehen sogar bewafnet dahin!) Wie die Dinge heute liegen, fragt es sich nicht: Monarchic oder Republik, Ministerium Hirsch oder Hergt, sondern um Sein oder Nichtsein. Der einzige Kredit, den wir noch . „der Personalkredit, wird vurch derartige Vorgänge von rechts links verkummert. Die schwersten Zeiten haben wir noch vor

. Wir können sie nur überwinden, wenn wir alle zusammenstehen. Die Regierung ist bemüht, die Ordnung aufrecht zu erhalten. Deutsch⸗ land und Preußen sind auf sich allein angewiesen; von auswärts haben wir keine Hilfe zu erwarten, weder von Kapitalisten noch von Pro⸗

8 7 . TI 6 16 5 letariern, deshalb müssen wir uns solbst helfen; selbst ist der Mann. (Beifall links.) 56 1“

bg. Dr. Friedberg (Dem.) zur Geschäftsordnung: Die Er⸗ w Abgeyrdneten Ad. Hoffmann, in der er ausführte, das ahren des Präsidenten verstoße gegen die an seine Geschäftsführung stellenden Ansorderungen; er sei berufen, die Würde des Parla⸗

s nach allen Seiten hin zu wahren und jedes seiner Mitglieder,

tlich der Minorität, gegen Beschimpfungen auch seitens der 2 ter zu schützen, was nicht geschehen sei, hat bei ollen Parteien des Hauses mit Ausnahme der äußersten Linken, tiesste Entrüstung her⸗ vorgerufen. (Lebhafte Zustimmung.) Diese Entrüstung wird noch ge⸗ steigert, weil die Erklärung von einem Abgeordneten abgegeben wurde, der niemals das Bestreben gezeigt hat, die Würde des Hauses zu wahren. (Lebhaftes Sehr wahr!) Ich stelle fest, daß nach Auffassung aller Parteien mit Ausnahme der Freunde des Herrn Hoffmanm der Präösident sowohl stets die Würde des Hauses gewahrt, als auch die Geschäfte immer in vollständigster Unparteilichkeit geführt hat. (Leb⸗ bofte Zustimmung. Abg. Ad. Hoffmann: Das war wohl Leinerts Bedingung, daß er bleibt!) Minister der öffentlichen Arbeiten Oeser: und Herren! Der Herr Aoögeordnete Steger hat verhin von einem Erlaß gesprochen, den ich bereits im Sommer vorigen Jahres zu dem Zwecke herausgegeben hatte, eine Erleich⸗ terung in den Werkstätten herbeizuführen. Diesem Erlaß war eine Verständigung mit den Organisationen vorangegangen, und er sah vor, haß in einer gewissen Reihenfolge die überflüssigen Arbeiter aus den Werkstätten entfernt werden sollten.

Ich muß dem Herrn Abgeordneten tatsächlich leider zugeben, daß dieser Erlaß einen nennenswerten Erfolg nicht gehabt hat. (Hört, hört! im Zentrum.) Es sind vielleicht 3000 bis 4000 Arbeiter darauf⸗ hin weniger geworden, aber der überflüssige Bestand wurde nicht ver⸗ ringert. (Hört, hört! im Zentrum.)

Wir haben alsdann noch, nachdem wir über die Einführung eines Akkord⸗ oder Prämiensystems mit den Gewerkschaften erfolglos ver⸗ handelt hatten, auf Anregung der Arbeiterschaft sogenannte Leistungsausschüsse eingesetzt, die die Berechtigung bekamen, rhrerseits arbentsunwillige Arbeiter zu bezeichnen, die unter ihrer Mit⸗ wirkung aus den Werkstätten entfernt werden sollten. Wir haben auch den Erfolg dieser Maßnahmen noch äabgewartet. Der Erfolg war ein verschwindend geringer; vielleicht mit Ausnahme einer einzigen Werkstätte, wo der Leistungsausschuß schon vorber tätig gewesen war,

diesem Wege eine Gosundung ebenfalls nicht herbeizuführen war. Erst nachdem alle diese Versuche, in Gemein⸗ schaft mit der Organisation oder in Gemeinschaft mit der Arbeiter⸗ schaft eine Aenderung herbeizuführen, fehlgeschlagen waren, ttel greifen, und zwar in einer Zeit,

geringen Lokomotivbestandes erwas anderes

Meine Damen

. zoeigto ge. üc dah güur zelgte es sich daß auf

nicht mehr übrig blieb. Nachdem die Gewerkschaften sich nun bereit erklärt haben, auf der Basis eines Akkordverfahrens in Verhandlungen einzutreten,

liegt für mich ein Grund nicht vor, diese Verhandlungen abzulehnen. Bedingung dabei ist aber, daß über den Grundsatz selbst nicht mehr

verhandelt wird. Der Grundsatz, daß ein Akkordsystem eingeführt wird, steht fest und außer Frage. Grundsatz ist auch, daß jeder mittel⸗ mäßig begabte Arbeiter bei einigermaßen normaler Leistung auf den

Tariflohn kommen kann, wobei wir auf Kriegsbeschädigte und Unfall⸗

verletzte Rücksicht nehmen werden. b

werden, über den Tariflohn hinaus, durch einigermaßen fleisige Arbeit enisprechend mehr Verdienst zu erhalten. Aber der Platz in der Werkstätte ist gegenwärtig so wertvoll daß er nur für den vorhanden ist, der die Gewähr bietet, daß er nach seiner Fäbigkeit und seinen Krästen an dem Wiederaufbau des Eisenbahnwesens mitwirten will. (Sehr richtig! rechts.) Selbstverständlich werden wir bei der Aus gestaltung des Akkordsystems auf die Erfahrungen Rücksicht nehmen, die wir früher gemacht haben. Es soll ein leicht verständliches Akkord⸗ system sein. Die Aabeiterschaft soll bei seiner Amvrenbung mitwirken,

sei es in Form des Arbeiterausschusses, sei es in Form der kommen⸗

den Betriebgräte.

Es wird die Möglichkeit gegeben

Wenn man uns immer einwendet ed ser ausgeschlossem be

Reparaturen ein Akkordsystem durchzuführen, so ist dieser Einwand

durch die Praxis widerlegt. Ich bin erst vor einigen Tagen in einer Privatfabrik gewesen, die für die Eisenbahnverwaltung Lokomotiven

und Wagen repariert. Dont ist jede einzelne Arbeit im Akkord vergeben. praktisch durchführbar erwiesen, aber mit dem Ergebnis, daß die

Leistungen, nachdem infolge des Metallarbeiterstreiks im Dezember die Fabrik ihren Arbeiterstand auf 77 v. H. zurückgeschraubt hatte, 130 v. H. betrugen. (Hört, hört!) Es war also eine erhebliche Steigerung

der Leistungen eingetreten, obgleich nachweisbar eine Ueberarbeit oder

Ueberanstrengung nichkt erfolgte. Ich kann weiter hinzufügen, daß

mindestens 10 Privatfabriken, die für uns Reparaturarbeiten aus⸗

führen, samt und sonders das Akkordsystem haben. Ich muß zugeben, daß die eine oder andere Arbeit nicht im Akkord vergeben werden kann; dann wird man eine Ausnahme machen und sie nach dem Tarif⸗ lohn vergeben. Aber grundsätzlich zu erkläven, Akkordarbeit sei aus⸗ geschlossen, ist durch die Erfahrung widerlegt.

Die Fragedes Materials ist auch hier schon angeschnitten women. Wir haben uns die größte Mühe gegeben und werden uns auch weiter die großte Mühe geben, das Material rechtzeitig heranzu⸗ schaffen. Es darf aber nicht übersehen werden, daß wir mit den abge⸗ tretenen Lokomotiven und Wagen an die Entente auch Ersatzstücke abgecben mußten, die uns naturgemäß gefehlt haben. Die Schwierig⸗ keiben, die in der Materialbeschafsung infolge der Arbeitsverhältnisse vorliegen, treffen auch die Privatwerke, vor allem der Mangel an Kohle. Wir haben zeinweilig Kupfer zur Verfügung gehabt, aber die Werke hatten keine Kohle, so daß das Kupfer nicht bearbeitet werden konnte. Es liegen da erhebliche Schwierigkeiten vor, die wir zu über⸗ winden suchen. In der Regel gelingt es auch. Wenn aber die Materiolbeschaffung einmal stocken sollte, ist es selbstverständlich, daß

der Akkord darunter nicht leiden darf, sondern daß die Arbeiter, die

wegen Materialmangels genötigt sind, eine andere Arbeit zu über⸗ nehmen, alsdann entweder im Tariflohn oder aber zu einem andern Akkord arbeiten. Eine Schädigung der Arbeiterschaft soll damit nicht verbunden sein.

Weiter ist die Frage der Werkzeugbeschaffung zur Er⸗

IͤSel

örterung gelangt. Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir,

Ihnen einige recht instruktive Zahlen zu nennen über die Entwicklung in den Werkstätten selbst. Im Jahre 1895 haben wir für die Werk⸗

stätten 62 Millionen Mark ausgegeben, im Jahre 1913, also in dem Jahre vor dem Kriege, waren die Ausgaben auf 200 Millionen Mark gestiegen. Im Jahre 1918 betrug die Ausgabe bereits 828 Millionen Mark und für 1920 sind die Ausgaben für die Werkstätten auf 2853 Millionen Mark veranschlagt (hört, hört!), eine Steigerung im Verlaufe weniger Jahre! sich aber nicht allein auf den Arbeitslohn, sondern selbstverständlich auch auf die Materialpreise. in früheren Jahren die Löhne die Hauptausgabe in unseren Werk⸗ stätten waren, gegenwärtig das Verhältnis umgekehrt ist, so daß die Materialienpreise die Löhne übersteigen. (Hört, hört!) Für das Jahr 1919 sind 1100 Millionen Mark Löhne und 1753 Millionen Mark für Materiaglien veranschlagt; hierin drückt sich die enorme Steigerung der Kohlen⸗ und Eisenpreise aus. Allerdings wird sich das Verhält⸗ nis wieder dadurch verschieben, daß nun auf Grund des neuen Tarif⸗ lohns die Arbeitslöhne erheblich in die Höhe gehen. Aber, meine Damen und Herren, schon diese Zahlen zeigen Ihnen, wie wertvoll augenblicklich jeder Platz in unseren Werkstätten ist, und wie notwendig es ist, den Grundsatz durchzuführen, daß in den Werkstätten niemand vorhanden sein darf, der nicht bereit ist zu arbeiten.

Nun mard immer eingewendet, es fehle überall an Werkzeug. Wir haben im größten Maßstabe Werkzeuge bestellt und besorgt; wir haben für die Cimichtung der Werkstätten enorme Summen ausgegeben. In der ersten Hälfte des laufenden Jahres 1919 sind 88 000 000 für die Ausrüstung der Werkstätten ausgegeben worden, und diese Summe wird sich für das ganze Haushaltsjahr auf 200 000 000 berechnen, es ist also im weitesten Maßstabe Vorsorge getroffen. Wenn das nicht überall zum Ausdruck kommt, meine Damen und Herren, so muß ich dabei doch auf einen Punkt hinweisen, der ja ein öffentliches

Geheimnis ist, nämlich daß sehr vielfach Werkzeuge und Einrichtungs⸗ gegenstände aus unseren Werkstätten entwendet werden. (Hört, hört!) Nach einer mir vorliegenden Darstellung betrugen die Entwendungen in dem letzten Jahre an Werkzeug den Wert von 4 989 930 ℳ. (Hört, hört!) Auch darin steht leider Berlin voran mit 971 500 ℳ. Ich glaube nicht, daß diese Zahlen vollständig sind, denn es ist auch bekannt, daß in den Werkstätten sohr viel sogenannte Fuscharbeit ge⸗ leistet worden ist, d. h. Arbeit mit Materialien der Eisenbahnver⸗ waltung, aber für die pridaten Zwecke desjenigen, der arbeitet. In dem Berichte von Nied war immer wieder darauf hingewiesen, daß die Arbeiter Fuscharbeit leisteten, während sie die eigentliche Arbeit scbotierten.

Die Frage der Diebstähle bei der Eisenbahn habe ich hier schom wiederholt behandelt; sie hat sich beinahe noch ernster gestaltet, ob⸗ wohl wir seit Monaten durch ein eigenes Referat im Ministerium in der schärfsten Weise gegen alle Diebstähle vorgehen und der Grundsatz jetzt rücksichtslos darchgeführt wird, daß jeder, der sich an Diebstahl oder Schieberei beteitigt, aus der Eisenbahn entfernt wird. Das kann im Einzelfalle hart sein, das gebe ich zu, aber dieser Grundsatz muß durchgeführt werden, damit wir auch in dieser Hinsicht zu einer Roinigung kommen. Im November sind 1500 Eisenbahnbedienstete wogen Diebereien angezeigt worden und im Dezember 1200. Ich lasse diese Fälle jetze in den einzelnen Direktionen bekanntmachen, eben o guch das Schicksal, daß jeder einzelne erfahren hat, damit jeder weis, was ihm droht, mwenn er sich untreu verhält. Bei der Bekämpfung dieser Diebereien sind leider auch treue, wackeve Leute zu Schaden ge⸗ insotern, als sie tätlich angegriffen worden sind. In Magde⸗

in Hilfswärter durch Bauchschuß niedergestreckt,

Auf Berliner Bahnhöfen: in

Lichtenberg, Rummelsburg, Grunewald, in Wrstermark, Frank⸗

O. usw. haben bei Diebereien gefaßte Ersenbahnbedienstete

sind Bedienstete, die sich um die Dier stablsbekämpfueng verdient ge⸗

macht haben, von ihren Mitarbeitern solange geschädegt und bedroht

worden, bis sie versetzt wurden. (Hört hört!) Trotz dieser Schwierig⸗ keiten werden wir natürlich die Diebstahlsbekampfung fortsaetzen.

(Fortsetzumg in der Zweiten Beilage.) 1191. 1.

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burg⸗Buckau wurde e als er Diche verfolgte. (Hört, hört!)

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Das Akkordverfahren hat sich durchaus als

enorme Diese Steigerung bezieht

Da ist es charakteristisch, daß, während

zum Der No 27.

Fortzetzung aus der Ersten Beilage.)

itschen

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Nun hat Herr Abgeordneter Schreck gestern die Frage auf⸗ geworfen: was geschieht mit den Beamton, die sich gegen die Re⸗ publik versündigen. Meine Damen und Herren, das Beamtemrecht steht an sich fest. Aber es ist selbstverständlich, daß die Republik ein Interesse daran hat, Beamkte zu emfernen, die die Republik schädigen. Das kann aber nicht durch den Machtwillen des Ministers erfolgen, wie hier oft angenommen wird, als ob es nur in dem Belieben des Ministers stünde, ob er einen Beamten aus dem Dienst entfernt oder nicht. Das beruht auf gesetzlichen Ansprüchen und kann nur auf dem vorgeschriebenen Wege eines Disziplinawerfahrens geschehen. Ich bitte, das festzuhalten. Der Beamte hat das Recht auf seine Stellung erworben, und er kann aus dieser Stellung nicht ohne weiteres entfernt werden.

Meine Damen und Herren, ich muß leider zugeben, daß auch in den Werkstätten die Vorgesetzten nicht allenthalben und nicht überall so ihre Pflicht und Schuldigkeit geban haben, wie es erwünscht ge⸗ wesen wäre. Sie haben zum Teil die Zügel schleifen lassen, weil es für sie bequem war oder weil sie Furcht hatten, daß sis korperlich attackiert und angegriffen würden, wie es ja tatsächlich vorgekommen ist. Ich will aber keinen Zweifel darüber lassen, daß ein derartiges Verhalten für die Verwaltung und für unser Volk schädlich ist, und daß ich dagegen ebenso vorzugéehen beteit bin, wie ich gegen andere Elemente, die sich im Dienste etwas zuschulden kommen lassen, vorgehen muß. Ich habe hier schon vor einiger Zeit ecklärt, daß ich dem Beamten, der seine Pflicht und Schuldigkeit tut, auf jede Konsequenz hin zur Seite stehon und nicht dulden werde, daß ihm etwas zeschieht. Aber auf der anderen Seite muß ich unbedingt verlangen, daß auch der Beamte der Verpflichtung, die er der Allgemeinbeit gegen⸗ über hat, nachkommt, auch auf die Gefahr hin, daß es für ihn un⸗ bequem werden kann. 1

Meime Herren, in bezug auf die Arbeitervertretung muß ich doch goch mit einem Wort auf die Ausführungen zurückkommen, die der Abgeordnete Paul Hoffmann gemacht hat. Er hat den Fall Michels in Frankfurt a. M. angezogen und einen Erlaß der Eisenbahndirektion Frankfurt a. M. zur Sprache gebracht, der den Dienftstellen aufgab, mit dem Michel nicht mehr in Verkehr zu treten. Er hat gesagt, die Arbe tervertreter würden behandelt, als ob sie eine Seuche wären, oder so hnlich. Meine Damen und Herren, die Eisenbahndirektion Frankfurt a. M. war meines Erachtens durchaus im Rechte, als sie diesen Erlaß herausgeben ließ; denn Herr Michels hat sich die schwersten Beleidigungen des Eisenbahndirektionspräsidenten und der Beamten zuschulden kommen lassen. Es kann auch einem Arbeitervertreter nicht gestattet werden, daß er in Wahrnehmung seiner Interessen schwere Beleidigungen gegen die Leiter einer Dienststelle ausstößt, und wenn in einem solchen Fall gesagt wird: bis dieser Fall erledigt ist, bis die Klage, die erhoben ist, zu einem Spruch geführt hat, ist ein Verkehr nicht mehr zuzulassen, so ist das verständlich. Außerdem besteht der Verkehrsalsschuß in Frankfurt a. M. nicht mehr, so daß hierbei von einer Vertretung der Arbeiterschaft nicht mehr die Rede sein kann.

Außerdem hat Herr Paul Hoffmann einen Fall zur Sprache zebracht, der sich in der Werkstätte Grunewald abgespielt hat. Dort sind zwei Arbeiter auf meine Veranlassung entfernt worden. Warum, meine Damen und Herren? RNicht etwa, weil sie Mitglieder des keistungsausschusses gewesen sind, wie Herr Abgeordneter Paul Hoff⸗ mann gesagt hat sie sind das gar nicht gewesen —, sondern sie sind entfernt worden, weil sie in einer Betriebsversammlung ihre Arbeitskollegen aufgefordert haben, nicht zu arbeiten, noch weniger zu arbeiten (hört, hört!), mit dem Hinzufügen, daß man auf diese Weise den Sturz der Regierung herbeiführen müsse. Wenn jemand

der politischen Meinung ist, daß die Regierung gestürzt werden soll,

so ist das nicht eine Sache meiner Verwaltung; meine Verwaltung ist eine unpolitische, und ich bemühe mich, politische Einflüsse aus ihr fernzuhalten. Wenn aber jemand in einer Betriebsversammlung

auftritt und die Arbeitskollegen bestimmen will, daß sie die Arbeit

sabotieren, daß sie nichts leisten, damit noch weniger aus den Werk⸗ stätten herauskommt, dann werde ich ihn aus den Werkstätten heraus⸗ setzen, mag es sein, wer es will. Eebhafte Zustimmung bei den Deutschen Demokraten.) Deshalb habe ich jede Vermittlung in diesem Falle abgelehnt. Nach meinem Dafürhalten sind sie mit Recht aus den Werkstätten entfernt worden, und wer in Zukunft ähnlich verfährt, mit dem wird in Zukunft ebenso vorgegangen werden wie mit diesen beiden Arbeitern in Grunewald. (Sehr richtig!) Nur so kommen wir dazu, daß gearbeitet wird, daß nicht unaus⸗ gesetzt politisiert wird, daß nicht unausgesetzt diejenigen, die arbeiten wollen, bei der Arbeit gestört werden, daß also endlich einmal pro⸗ duktive Arbeit geleistet wird.

Was nun die Meldungen zur Wiederaufnahme der Arbeit anbelangt, so will ich Ihnen die einzelnen Zahlen nicht mehr vortragen. Ich kann Ihnen nur als Schlußergebnis der ersten drei Tage mitteilen, daß sich mehr Arbeiter gemeldet haben, als wir n den Werkstätten überhaupt gebrauchen können. (Hört, hört! und Hravo!) Die Meldungen gehen zum Teil erheblich über das Maß essen hinaus, was wir wieder einstellen können. Auch hier ist es un ganz bezeichnend, daß vielfach gerade jene Kreise, die am meisten ur Beunruhigung der Arbeiterschaft beigetragen, die dahin gewirkt aben, daß nicht gearbeitet werden soll, die allerersten gewesen sind, ie sich wieder melden. (Lebhafte Rufe: Hört, hört! Ahl) Leute, ie vorher erklärt hatten:; wenn man uns mit dem Akkordsystem ommt, dann gehen die Werkstätten in Rauch und Flammen auf, haben ich zu allererst wieder zur Aufnahme der Arbeit bereit erklärt (hört, brt); sie haden auch erblärt, sie würden die Arbeit zu jeder Be⸗ ingung aufnehmen, nur um wieder in die Betriebe hineinzukommen voraussichtlich, um dann ihre Agitation fortsetzen zu können. So 8 mir aus Breslau ein gang charakteristischer Vorgang mitgeteilt. Breslau haben die Organisationen die Parole ausgegeben: nicht belden bis die Gewerkschaft und die Organischion Stellung genommen zat. Der Metallarbeiterverband, der 600 Mitglieder in den Werk⸗ tätten zählt, hat dann beschlossen, auf ein Akkordsystem einzugehen,

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anzeiger und Preuß

Berlin, Montag, den 2. Februar

und erhlärt, ihr könnt euch melden. Die anderen Gewerkschaften haben, sooiel ich weiß, dasselbe beschlossen. Als sie aber kamen, waren schon 1100 von denen, die nicht zu diesen Organisationen ge⸗ hörten, dagewesen und hatten ihre Namen eingetragen. Wir erleben also hier das Schauspiel, das wir erlebten, als in Berlin bei dem Streik ein Termin gesetzt wurde, und man nun meinte, die radikalsten Elemente würden am meisten gegen den Termin Sturm laufen, näm⸗ lich, daß, bevor noch die Werkstätten geöffnet waren, Spartakus schon draußen stand, um schnell wieder herein zu kommen. (Sehr gut! und Heiterkeit.) Was nun die Wiedereröffnung der Werkstätten angeht, so hoffe ich, daß wir vom Montag nächster Woche ab die Werkstätten wieder so weit haben, daß sie auf Grund des Alkordsystems wieder aufgemacht werden können. Wir werden dann das frühere Akkord⸗ system als provisorisches benutzen, bis wir mit den Gewerkschaften über die neuen Einzelheiten verhandelt haben. (Lebhafter Beifall.)

Minister des Innern Heine: Ich wütde das Wort nicht ge⸗ nommen, sondern abgewartet haben, was noch weiter besprochen wird, wenn es nicht zweifelhaft wäre, ob ich heute noch zum Wort komme.

Ich knuͤpfe an eine Aeußerung des Herrn Abg. Schloßmann an, der Anstoß daran genommen hat, daß ich gestern eine Bemerkuüng über die „Demokralische Korrespondenz“ und das „Berliner Tageblatt“ gemacht hatte, das eine Notiz aus dieser Korrespondenz mit Angriffen gegen das Ministerium des Innern verbunden hat. Herr Schloßmann hat mir mitgeteilt, daß er den Namen des Offiziers kenne —; übrigens hat es sich nicht um einen Offizier der Sicherheitspolizei handelt (Zustimmung des Abg Dr. Schloßmann), davon habe nicht gesprochen, das ist ein Hörfehler irgend eines Korrespondenten. Da kann ich nur immer wieder sagen: wenn man mir den Namen des Offiziers mitgeteilt bätte, ohne die die Geschichte zu einer sensationellen Zeitungsnotiz auszuwalzen, dann hätte ich Gelegenheit gehabt, sofort ein⸗ zugreifen, sobald ichwußte wann und wo diese Versammlung stattgefunden hat. Jetzt, nachdem durch diese Zeitungsnotiz die Beteiligten gewarnt worden sind, werde ich, fürchte ich, verflucht wenig herausbekommen. Das ist leider bei Ermittelungen immer so, daß, wenn man die Schuldigen vorher warnt, um seinem Sensationsb⸗dürfnis zu genügen, die Schuldigen nachher Gelegenheit finden, Ausflüchte zu machen. Aus diesem Grunde kann ich ein solches Verfahren nicht für geschtckt halten.

Im übrigen will ich es dahingestellt sein lassen, ob es praktisch ist und den Bedürfnissen der parlamentarischen Politik entspricht, wenn Zeitungen der Koalitionsparteien nichts Gescheiteres zu tun wissen, als sich an der von ihnen eingesetzten Regierung zu reiben (Heiterkeit bei den U. Soz.⸗Dem. und rechts.) Auf den Angriff, den der „Berliner Lokalanzeiger“ heute gegen mich gerichtet hat, werde ich im weiteren Verlaufe zurückkommen, nicht jetzt in dieser Rede.

Herr Abg. Schloßmann hat von den Beamten gesprochen. die Morgenluft witterten; er hat durchblicken lassen, daß der Minister diesmal die Lust zu haben scheine, einzugreifen; und er hat mich und die mir unterstellten Beamten mit wenig versteckten Wendungen der Lässigkeit in der Bekaͤmpfung von staatsfeindlichen Bestrebungen, wenn nicht gar meine Beamten des Sympathisierens mit solchen Bestrebungen bezichtigt. Ich lasse auch hier wieder dahingestellt, wie⸗ weit solche Angriffr im Interesse einer einheitlichen Pol'tik liegen. Ich mache aber den Herrn Abg. Schloßmann darauf aufmerksam: in meinem Ministerium sitzt ein Mitglied seiner Partei als Unterstaats⸗ sekretär; der hat Einblick in die Personalverhältnisse meines Mmi⸗ steriums und der mir unterstellten Beamten. Der parlamentarische Weg wäre gewesen, wenn sich der Herr Abgeordnete mit diesem Herrn in Verbindung gesetzt und die nötigen Aufklärungen erbeten hätte. (Sehr richtig im Zentrum und bei den Sozialdemokraten.) Ich arkläre heute aber folgendes: wenn sich in meinem Ministerium

jemand gefunden hätte, der offen oder persteckt reaktionäre ⸗Tendenzen

unterstützte und gegen mich arbeitete, glauben Sie mir, ich bin nicht der Mann, der sich auf der Nase herumtanzen läßt. Es ist eine vollkommen unbegründete Beschuldigung gegen die Herren, die mit mir zusammen arbeiten, wenn man hier durchblicken läßt, daß sie dies in einer nicht ehrlichen Weise täten. Es kann auch gar nicht der Fall sein; dazu halte ich die Dinge zu sehr persönlich in der Hand.

Es wird immer wieder die Klage erhoben, daß in den Mini⸗ sterien noch eine große Anzahl von Beamten wären, die aus der alten Zeit stammen. Ich muß die Herren, die diese billigen An⸗ klagen erheben, darauf aufmerksam machen, erstens daß es nicht darauf ankommt, woher einer stammt, sondern was er tut, und zweitens, daß diese Beamten zum größten Teil unabsetzbar find, daß sie nur auf Grund eines Disziplinarverfahrens bei erwiesener Pflich twidrig⸗ keit abgesetzt werden könnten, daß ich ebenso an die Gesetze gebunden bin, wie andere, und daß ich schließlich auch diese Beamte zwar gegen ihren Willen versetzen könnte, aber nur in eine ihrem Rang und ihrem Gehalr gleichwertige Stellung; und solcher Stellen gibt es nicht so sehr viele.

Ich teile Ihnen weiter mit, Herr Abg. Schloßmann, daß ich die Verteilung der Dezernate in meiner Hand habe und daß ich schon dafür sorge, daß Dezernate nicht von Herren verwaltet werden, die sie nicht mit gutem Gewillen und nicht meinen Intentionen gemäß verwalten könnten. Sie brauchen sich also keinen Besorgnissen in dieser Beziehung hinzugeben, und ich bitte Sie, nicht durch solce Anspielungen Mißtrauen gegen die Absichten und die Energie meines Ministeriums in der Bekämpfung aller Erschütterungen der gegenwärtigen Verfassung und Ordnung, von welcher Seite sie auch kommen mögen, zu erwecken. Ich mußte das hier sagen, um es nicht unwidersprochen zu lassen, um die Herren in meinem Ministerium, auf deren Mitarbeit ich angewiesen bin und ohne deren unerhörten Fleiß und gründliche Sachkenntnis ich auch nicht mit der Arbeit fertig werden könnte, gegen unbegründete Vorwürfe in Schutz zu nehmen. (Brapol rechts.) n

Wenn Herr Abg. Schloßmann meinte, das Ministerium des Innern schlüge nach alter Gewohnheit mehr nach links aus als nach rechts, so kann ich ihm sagen: ich werde immer dahin schlagen, von

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Staatzsanzeiger.

wo die Gefahr kommt. Heute kommt die Gefahr, wie wir am 13. Januar gesehen haben, von der linten Seite. Ich behalte aber die Augen offen, und es fällt mir gar nicht ein, mich vor wirklichen Gefahren zu verschliehen. Im Augenblick aber bin ich der Ueber⸗ zeugung, daß das, was zur Bekämpfung und zur Vorbeugung von Gefahren, die von der anderen Seite drohen, geschehen ist, vollständig genügen wird. Ich habe am 13. Januar die notwendigen Schutz⸗ maßregeln nach links getroffen; ich bitte, mir zu vertrauen, daß ich zu geeigneter Zeit auch die Schutzmaßregeln nach der anderen Seite treffen werde.

Abg. Dr. Kaufmann (dnat.): Abg. Steger hat erklärt, daß er uns den Atlentater nicht an die Rockschöße hängen will. Der Minister des Innern hat gesagt, daß in unserer Presse nicht das Attentat verherrlicht worden sei, sondern der Attentäter. In allen Blättern ist die Tat auf das Schärfste mißbilligt worden. Redner zutiert die „Tägliche Rundichau“, „Die Post“, den „Deutschen Kurier“, den „Reichsboten“, die „Kreuzzeitung“ und den „Lokal⸗Anzeiger“. Der letztere ist besonders vom Minister Heine angeführt worden und ber⸗ wirft ebenfalls den Mordversuch auf das Schärfste. Man muß zu⸗ geben, daß hier im „Lokal⸗Anzeiger“ von einer Verherrlichung weder des Verbrechens noch des Verbrechers die Rede ist. (Sehr richtig!) Wir befinden uns in einer merkwürdig ähnlichen Lage wie im ver⸗ gangenen Jahre; wir haben wie damals Unruhben in Berlin, Blut⸗ vergießen, kommunistische und spartakistische Hetzer, und diejenigen, die wirklich Anzgetilagte sein sollten, treten als Ankläger auf. Es banden sich um Ablenkung der Verantwortlichkeit von den eigentlich Schuldigen auf andere. Das Auftreten der Unabhängigen ist genau so wie im Reichstag und in der Berliner Stadtverordneten⸗ versammlung. In geradezu erbaulicher Weise werden gegenüber⸗ gestellt einerseits die friedlichen Demonstranten und andererseits die blutrünstige Polizei. Wie dort die HPerren Dr. Rosenfeld und Dr. Weyl aufgetre en sind, ist ja bekannt, und das Vertrauen, das dem letzteren von den bürgerliven Parteien gekündigt worden ist, wird er nie wiedergewinnen. Die traurigen Vorfälle am Reichstags⸗ gebäude sind nur ein kleines Glied der Ketre der Machenschaften, mit denen diese Unabhängigen unser ganzes öffentliches und Wirtschafts⸗ leben in den Fabriken, auf den Eisenbahnen usw. zu ramponieren und zu zerstören bemüht sind. Ein unerträglicher, sinnlofer Terroris⸗ mus wird von diesen hetzerischen Elementen ausgeübt, und alle ihre Gewalttätigkeiten haben dem Zweck der Errichtung der Räterepublik zu dienen, das russische bolschewistische Idral im Deutschen Reiche zu verwirklichen. Geradezu verbrecherisch handeln sie damit gegen die große Masse der arbeitswilligen Arbeiter. Uns ist es nicht gleich⸗ gültig, wenn die Betriebe schließen müssen, weil keine Kohlen da sind. Die Schädigung, die sie damit der Allgemeinheit zufügen, ist gar nicht wieder gutzumachen. Unglaublich sind die Störungen des Verkehrs, die durch ein solches gemeinschädliches Verbalten hervorgerufen werden. Die Unabhängigen sind es doch nicht allein, die das Recht auf die Straße haben. (Andauernode Zurufe bei den Unabhängigen Sozialdemokraten.) Plünderungen und Dieb⸗ stähle sind im Gefolge solcher Unruhen an der Tagesordnung. Eine weitere Folge dieses gemeingefährlichen Treibens ist die Ruinie⸗ rung des ganzen Wirtschaftslebens. Dieses Treiben macht den Wiederaufbau unseres Vaterlandes unmöglich. Ohne Rohstoffe, ohne Arbert können wir nie zu einer Exportproduktion gelangen; wir werden dadurch zu sklawischer Abhängigteit vom Auslande verurteilt. Damit gerät auch die deutsche Arbeiterschaft in Abhäng gkeit von der Willtür des Auslandes; damit steigern sich aber auch die Ernährungs⸗ und Versorgungskalamitäten bis zur Unerträglichkeit und zum Zu⸗ sammenbruche, und daß schließlich die ungeheuerlichen wirtschaftlichen Zerstörungen die der russischen Sowjetregierung zur Lau fall n, am Auftreten der Pest in Moskau die Schuld kragen, in gewiß. Na⸗ türlich wollen die Gegner von einem bolschewistischen Deutschland, von einem Sowjetregtment in Berlin nichts wissen. Diesenigen, die in unserem Lande alles zerstören wollen und zum Teil schon zerstört haben, zerstören damit auch die Einheit unseres Vaterlandes. Können denn die Neutralen einem Lande noch Vertrauen schenken, in dem eine solche Wirischaft besteht? Unser Staat wird durch das Ver⸗ halten der Unabhängigen und Kommuntsten im Auslande in einer Weise distreditiert, daß es uns nicht möglich sei wird, Verträge mit den Neutralen abzuschließen. Wir zuͤchten uns künstlich eine ausländische Konkurrenz unseter Produktion. Der Gang der Ent⸗ wicklung hat gezeigt, daß es nicht genuͤgt, daß man eine Regierung übernimmt, man muß diese Regierung auch führen wollen und können. Dazu gehört aber insbesondere auch die Anwendung von Mittem, die notwendig sind, um jede Srörung im Lande zu vperhindern. Wenn die Regierung ernst, fest und vernunftsgemäß auftritt um die Sicherheit aufrechtzuerhalten, dann wird sie auch uns hinter sich haben. Am Verbalten der Regierung gegenedie Unabhöngigen ist zu eerkennen, daß sie ernst, fest und vernunftsgemäß handvslt. Nur eine kleine Sorge habe ich, und das ist das bestasdige Zuruckweichen der Regierung und der Mehrheitsparteien vos dem Ansturm und den Drohungen der Unabhangigen. Selbstverständlich müssen berechtigte Forderungen der Arbeiter erfüllt werden, nach Möglichkeit sogar ihnen zuvorgekommen werden. Eine betufsständige Vertretung er⸗ kennen auch wir als berechligt an, sie muß aber auch das ganze Volk umfässen. In der Erfüllung der Arbeiterwünsche gibt es aber eine Grenze, um unser Volk vor dem wirtschaftlichen Tiefstand oder gar einem Niedergange zu bewahren. Wir dürfen den Forderungen der Arbeiterschaft nur so weit entgegenkommen, daß unsere Industrie, unser Handwerk und unsere Landwirtschaft lebenskräftig bleiben. Ein Weitergehen in der Erfüllung der Forderungen wäre ein Zeichen der Schwäche, und das muß selbstverständlich vermieden werden. Unsere Partei will alles tun, um unserem Vaterlande zu helfen. Das Vater⸗ land steht turmhoch über der Partei.

Abg. Dr. Rosenfeld (U. Soz.): Unser Antrag auf Auf⸗ hebung des Belagerungszustandes hat hier im Hause von vornherein den größten Widerstand gefunden. Dieser Widerstand läßt erkennen, wie unbequem unser Vorgehen der Regierung und den Mehrheits⸗ parteien ist. (Zurufe.) Dem Mmister Heine ist es nicht gelungen, die Anschuldigungen meines Parteifreundes Leid gegen das Ver⸗ halten der Regierung am 13. Januar zu entkräften. (Gelächter.) Das Verhalten der Regierung am 13. Januar, die in die Massen vor dem Reichstag hat hineinschießen lassen, ist ein Beweis für die Verwilderung der Sitten. Unter der früheren Wilhelminischen Re⸗ gterung wäre eine solche Brutalität nicht möglich gewesen. Die Behauptung des Ministers Heine und des Abg. Schreck, die Unab⸗ hängigen haͤtten sich der Demonstration ferngehalten ist mcht richtig. Ich habe stundenlang an der Demonstration vor dem Reichstage teil⸗ genommen. (Hört! hört! und Bewegung.) Ich verstehe ja ihren Aerger, daß die Scharfschützen vor dem Portal uns Abgeordnete nicht haben da draußen stehen sehen. (Erxegte Zurufe und Lachen.) Zeigen Sie mir einen einzigen Führer unserer Partei, der am 13. Januar nicht vor den Eingängen des Reichstages gewesen ist. Alle Führer sind draußen gewesen. Sie wollen uns nur bei den Massen das Mißtrauen verschaffen, daß Sie in höchstem Maße genießen. Allet, was Minister Heine über Ledehour gesagt hat, ist beweisloses Gerede⸗ Es ist unerhört, daß ein Minister die Freisprechung als zu Unrecht geschehen hinstellt. Ledebour häat, wie auch der Staaksanwalt be⸗ stätigte, auch vor den Schranken des Gerichts seine Handlungsweise voll vertreten. Das Recht auf die Straße, daß wir uns in der Re⸗