1920 / 27 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 02 Feb 1920 18:00:01 GMT) scan diff

volntion erkämpft haben, werden wir uns nicht nehmen lassen. Es

ist Beweis dafür vorbanden, daß am 13. Januar ein Sturm auf das Parlament beabsichtigt war, und daß eine Baribholomäusnachn heraufbescha oren werden solte. Die Verhängung des Belagerungs⸗ zustandes an vielen Orten isnt ein B weis darfür, doß der altpreußische Geist noch besteht, und daß er auch in den Minister Heine gefahren ist. Das Verbot der unabhängigen Zeitungen ist ein Zeichen far die Freiheit der Republik im Sinne der Herren Heine und Hirsch. Wo die Macht Noskes nicht ausreichte, bat man die Papier⸗ bewirtschaftungsstelle aufgeforrert, um die Zeitungen lahmzulegen. Unverantwortlich ist die Verhafrung Däumigs, ber als Vorsitzend 1 der Partei verantwortlich gemacht werden soll für die Politik der ganzen Partci. Früher wetterte Ebert gegen die Majestätsbeleidigungen, jetzt stellt er und Noske Strafantrag wegen Bel⸗idigung. Der Frei⸗ spruch des angeklagten Redakteurs war die größte Abfuhr für Ebert. Es ist uns vorgeworfen worden, wir hätten gestern die Würde des Hauses nicht gewahrt, als wir uns gegen die Behauptung des Ministers Heine wehrten, daß unabhängige Blätter mit dem Gelde der Entente gegründet worden wären. Wenn Ihnen ein solcher Vorwurj gemacht worden wäre, wären sie ebenfalls entrüstet ge⸗ wesen. Daß es unwahrscheinlich war, daß ein Blatt der Unabhängigen mit dem Gelde der Enten’e gegründet werden konnte, mußte der Minister Heine aus einer Erklärung wissen, die wir mit Bezug auf die Loslösung der Rheimnlande abgegeben haben. Keine Partei in diesem Haufe ist in höherem Maße rein von Lotzllösungsbestrebungen als wir, während zum Zentrum eine Reihe von Herren gehören, von denen das Zentrum genau weiß, daß sie mit den Loslösungs⸗ bestrebungen spmpathiesieren. Der erwähnte Baumann von der „Rheinischen Republik“ ist in weiten Kreisen unserer Partei unbe⸗ kannt. Schon im August 1919 hat die Bezirksleitung unserer Partei am Mittehrbein mitgeteilt: eine erweiterte Vorstandesitzung der Kölner Partei bat gestern einstimmig beschlossen, die Mitglieder Baumann, Müller und Altmeyer aus der Partei auszuschließen. Ich tordere den Minister auf, das von ihm erwähnte Prototoll auf den Tisch des Haufes niederzulegen. Wenn sich kerausstellt, daß unabhangige Sozialdemokraten beteiligt sind hbei den Verhandlungen, werden wir dafür sorgen, daß diese Lrute sehr schnell aus unserer Partei herausfliegen. Der Minister Heine mußte wegen des angeblichen Protokolls sich söen längst an uns wenden; er zyrfte nicht schweigen. (Sehr wahr! inks.) Die Behauprung des Ministers Heine, wir wären so tief gesunfen, weil wir vom ersten Tage des Friedens an eine Bestrafung Deutschlands verlangt häiten, ist durch nichts bewiesen und eine schamlose Verleumdung. (Der Redner wird wegen dieses Ausdrucks X 8 zur Ordnung gerufen.) (Zwischenruf des Abg. Hoffmann. Präsident Leinert: Herr Abg. Hoffmann, Sie wollen absichtlich zur Ordnung gerufen werden, ich tue Ihnen aber diesen Gefallen nicht.) Dem Abg. Schreck erwidere ich, es ist immer noch besser Gefangener der Kommunisten zu sein, als ein Gefangener des Kapitals. G . 3„9 8e.e Der Verrat am Sozialismus wird den Mehrheitssozialisten sehr zeuer zu stehen kommen. Wir fordern nicht die Diktatur der Minderheit, sondern die Diktatur des Proletariats. Wir rechnen selbstverständlich nicht mit Abnahme unseres Antrages auf Aufhebung des Belagerungs⸗ zustandes, vertrauen aber darauf, daß die Wirkang des Belagerungs⸗ zustandes für unsere politischen Ziele für uns eine günstige sein wird.

Minister des Innern Hetne: Meine geehrten Damen und Herren! Ich will Sie in so vorgerück er Stunde nicht mehr lange in Anspruch nehmen. Ohnehin geben mir die Außerungen des Herrn Vorredners nicht viel Anlaß, das Wort zu nehmen.

Der Herr Verredner hat mich persönlich wezen der Vorgänge vom 10. März 1910 angezapft, wo ich selbst an dem Spaziergang, den wir damals im Tiergarten veranstalteten, teilgenommen habe. Er sagte: heute entrüftet sich der Minister über die friedliche De⸗ monstration vom 13. Januar 1920.

Als wir an einem schönen Märztage von 1910 im Tiergarten umhergingen, (Lachen und Zurufe bei den Unabhängigen Sozialdemo⸗ kraten) ich sagte es neulich schon —, war die Menge fortwährend in Bewegung. Sie demonstrierte wirklich durch ihre Menge. Aber sie hat nie, an keiner Stelle versucht sich aufzustauen, und die Ordner der Parteien hatten immer die Weisung gegeben, nirgends stehen zu bleiben. Am 13. Januar 1920 aber wurden 80000 Menschen von allen Seiten zusammengeführt und um das Parlament herum zu sammengeballt mit dem ausgesprochenen Zweck, die Abstimmung des Parlamentes zu beeinflussen. Ich sagte neulich schon und wiederhole es: wäre eine friedliche Kundgebung des abweichenden Wunsches der Bevölkerung geplant gewesen, dann hätte ma diese Massen am Parlament vorbeidefilieren lassen. (Zurufe bei den Unabhängigen Sozialdemotraten: Ist ja geschehen!) Man hat sie aber dort zusammengetrieben, hat sie sich dort aufstellen lassen, und man mußte sich sagen, man wußte es, daß das dazu fuͤhren würde, die Massen in das Parlament und auf seine Tore an drängen zu lassen. Am 10. März 1910 ist kein Polizist entwaffnet worden; am 13. Januar 1920 ist aus der Menge der angeblich fried⸗ lichen Demonstranten eine große Anzahl von Sicherheltspolizeileuten mißhandelt, verwundet, entwaffnet worden, es ist in das Parlaments⸗ gebaͤude hineingeschossen worden. (Zustimmung bei der Mehrheit. Unruhe und Zuruse bei den Unabhängigen Sozialdemokraten.)

Noch einmal sage ich: wir haben ja die vollkommen sichere Ge⸗ wißheit, daß nicht seitens der großen Massen, aber seitens einiger Führer auch noch anderes geplant war. (Große Unruhe und leb⸗ hafte Zurmufe bei den Unabhängigen Sozialdemokraten: Beweise!) Es war uns vorher berichtet worden, daß eine große Anzahl von Führern der radikalen Richtung in den Reichstag mit Hilfe von Karten zunächst einzudringen versuchen würde. Deswegen haben wir eine scharfe Kontrolle der Zulassung herbeigeführt. Es war auch ganz auffallend, welche große Menge von Leuten sich im Reichstagsgebäude befand, die auf die Visitenkarten von einigen Abgeordneten Einlaß gefunden hatten. (Lachen und Zurufe bei den Unabhängigen Sozialdemokrafen: Das sind die Beweise!) Einige von diesen haben mich ja selber nachher in der Zeitung an⸗ gesprochen. (Zuruf bei den Unabhängigen Sozialdemokraten.) Nein, nein, nicht ein Sturm mit Visitenkarten. (Große Heiterkeit bei den Unabhängigen Sozialdemokraten.) Aber wenn eine Masse von Leuten im Reichstage zusammen gewesen wäre, (Abg. Adolph Hoffmann: Sie reden sich ja immer weiter hinein!) Ich kenne wirklich die Gewohnheiten dieses Herrn da drüben nun schon so lange, (Abg. Adolph Hoffmann: Und ich kenne die Lügen dieses Herrn da hinten!) ich haͤbe nicht die Absicht, mich zum Schweigen bringen zu lassen. Ich bitte die Herren bloß, mich mit Geduld an⸗ zuhören und nicht zu hören, was der da drüben sagt. Wir wußten, daß die Absicht bestand, daß größere Gruppen sich auf diese Art im Reichstag ansammeln sollten, und das ganze Verhalten der Leute, die dort Hetzreren hielten, die die Massen auf die Tore des Parlaments hindrängten (Rufe bei den Unabhängigen Sozialdemokraten: Weg⸗ mann!), bewies, daß die Absicht bestand, hineinzukommen. Ich bin auch jetzt noch der Ueberzeugung, daß die Absicht war, sich im Par⸗ lament der Herrschaft über den Stmungssaal zu bemächtigen. (Leb⸗ hafte Zustimmung. Rufe bei den Unabhängigen Sozialdemokraten: Das müssen Sie ja sagen )

8 Dagegen mußte ich das Parlament schützen. Die Regierung hat auch weiterhin die Mittel ergreifen müssen es war dies mal die Reichsregterung —, um, wie ich gestern sagte, sich und das Bolt en. Herr Abg. Hoffmann, die Leute, die ihr persönliches Leben zu sichern und zu schützen suchen, die suchen Sie bei den Leuten, die bei allen folchen Stänkereien, bei denen es zum Schluß Blut gibt, hübsch im Hinterhalt bleiben, aber hetzen und schüren. (Sehr richtig;! Zurufe bei den Unabhängigen Sozialdemokraten.) Hier ist nicht die Rede davon, daß die Regierungsmänner ihre Person schützen wollten. Wenn ich sagte, die Regiernng wollte sich schützen, so heißt es: die jetzige Staatsform schützen, die Re⸗ gierung schützen vor gewaltsamem Sturz, was ein gewalt⸗ samer Sturz der Staats form gewesen wäre. (Sehr richtig!) Ich bitte mir allo aus, daß Sie mir nicht in dieser Weise die Worte im Munde umdrehen.

Da wird mir gesagt, in der „Freiheit“ wäre nicht zu Gewalt⸗ tatenaufgefordert worden. Herr Abg. Hoffmann, wenn am Morgen die „Freiheit“ zu Gewalttaten aufgefordert hätte, dann wäre um 9 Uhr der Belagerungszustand erklärt worden und dann wäre das Reichstagsg⸗bäude militärischhgbesetzt worden. So klug war man natürlich. Es war nur aufgefordert zu einer scheinbar friedlichen Demonstration. (Rufe bei den Unabhängigen Sozialdemokraten: Scheinbar! Sehr richtig! bei den anderen Parleien.) Der Ver⸗ lauf hat doch aber bewiesen, daß die Demonstration nicht fried⸗ lich verlief und daß sie das ist unsere Ueberzeugung nach der Meinung gewisser Führer auch nicht friedlich verlaufen sollte. (Abg. Klaußner: Das glauben Sie ja selber nicht!) Herr, ich weiß, was ich glaube, und ich verbitte mir solche Redensarten, wie „das glauben Sie selber nicht“. Ich habe jetzt auch die Geduld verloren, mit Ihresgleichen rede ich nicht mehr anständig. (Stürmisches Bravo. Andauernde Zurufe bei den Unabhängigen Sozialdemokraten. Glocke des Präsidenten.)

Minister des Innern Heine (fortfahrend): Nicht ohne Grund ist gesagt worden, daß der Belagerungszustand nicht geeignet wäre, im Abstimmungs⸗ und besetzten Gebiet Stimmung zu machen; ganz gewiß nicht. Aber es ist schlimm genug, daß ohne Rücksicht auf die Wirkung im Aus’ande solche Gewaliszenen hier herbeigeführt werden, die die Verhängung des Belagerungszustandes nach sich ziehen mußten. Die, welche die Massen um den Reichstag zusammengetrieben haben, die, die es zu diesen blutigen Ereignissen haben lommen lassen, die sind schuld an dem weiteren Sturz unserer Valuta (lebhaftes Sehr richtig! Große Unruhe), an dem weiteren Sturz unseres Ansehens im Auslande. (Erneute lebhafte Zustimmung. Lebhafte Zurufe bei den Unabhängigen Sozialdemokraten.) Wer heute in unserm Vaterlande solche Unruhen hervorruft, der ist ein Verräter am deutschen Vaterlande. (Bravo! (Zurufe bei den Unabhängigen Sozialdemokraten.) Wir brauchen gar nicht vach dem Dortenschen Arbeitsgebiet und nach der Zeitung „Die Rheinische Republik“ zu gehen; wir brauchen nur die „Hesfsische Arbeiterzeitung“, Unabhängiges sozialdemokratisches Organ für Hessen und Waldeck, in die Hand zu nehmen. (Lebhafte Zurufe bei den Unabhängigen Sozialdemokraten.) Bitte sehr, Un⸗ abhängiges sozialvemokrati ches Organ für Hessen und Waldeck! (Große Heiterkeit.) Da heißt es:

Wenn die Eisenbahner und die Arbeiterschaft endlich einmal den Abgcund wirklich sähen, vor dem Deutschland steht und die Un⸗ fähigkeit der Regierung, Deutschland vor dem Sturz in den Abgrund zu bewahren, würden sie ohne weiteres diese unfähige Regierung in den Abgrund stoßen, die Diktatur an sich nehmen und Deutschland an Rußland anschließen. (Lebhaftes Hört! Hört! Zurufe bei den Unabhängigen Sozial⸗ demokraten.) Deutschland ist unter kapitalistischer Wirtschaft rettungslos ver⸗ loren. Je schneller es zugrunde geht, um so besser. (Hört! hört!) 8 Die Qual dauert schon viel zu lange. Daß ist eine unabhängige Zeitung, die innerhalb des Reiches erscheint, und die nochnicht verboten ist. (Große Unruhe.) Auf dem Kopf dieser Zeitung steht es! (Zuruf bei den Unabhängigen Sozialdemokraten.) will der Herr nicht gefälligst den Mund halten und mir zuhören! (Lachen bei den Unabhängigen Sozialdemokraten.) Auf dem Kopf dieser Zettung steht: „Hessische Arbeiterzeitung, Unabhängig⸗sozial⸗ demokratisches Organ für Hessen und Waldeck. Zweiter Jahrgang. Nr. 11.“ (Große Heiterkeit.) Da behauptet dieser Mensch, der mich einen Lügner nennt, das Blatt wäre erst seit acht Tagen erschienen! (Große Heiterkeit. Unruhe.)

Meine Damen und Herren! Ich begreife ja, daß Ihnen das viel Vergnügen gemacht hat, aber ich bitte Sie trotzdem, damit die Sitzung zu Ende gehen kann, noch um einige Minuten Gehör. Da reden die unabhängigen Redner von „Säuseln nach rechts, Verbote nach links.“ Dieses Blatt ist, wie gesagt, nicht verboten, noch nicht verboten. (Zurufe: Leider!) Dieses Blatt und viele andere dürfen sich erlauben, taͤglich die unerhörtesten Beschimpfungen und Verleumdungen gegen unser Paterland, gegen die jetzige Staats⸗ form zu verbreiten. Solange nicht zu befürchten ist, daß es am Orte zu Gewalttaten kommt, hat man sie geduldet. In Berlin konnte man eben länger nicht mit ansehen, wie die „Freiheit“ es trieb.

Ich will auch noch ein anderes sagen. Es ist wahr, ich habe die verantwortlichen Politiker der Rechten und ihre Zeitungen neulich gebeten, sich zu besinnen, was aus einer solchen Art der Be⸗ sprechung, wie sie dem Mord auf Herrn Erzberger zuteil ge⸗ worden ist, unter Umständen für Folgen hervorgehen können. Da die Redner dieser Partei allseitig die Mordtat verurteilt hatten, glaubte ich und glaube ich noch, daß ein solcher Appell an die Vernunft dort genügen wird. Appelle an die Vernunft der „Freiheit“ und derer, die hinter ihr stehen, auszusprechen, halte ich längst für aussichtslos. (Sehr richtig!) Wenn also auf der einen Seite ein Appell an Vernunft und Gesetzlichkeit aus⸗ gesprochen wird und auf der anderen Seite Gewaltmittel ange⸗ wendet werden müssen, dann mögen Sie sich bei denen bedanken, die uns zu den Gewaltmitteln nötigen. Sollte von der rechten Seite ebenso gehandelt werden wie von den Unabhängigen und ihren Helfers⸗ helfern, so würde ich bei den Rechten dieselben Gewaltmittel an⸗ wenden. (Zuruf bei den Unabhängigen Sozialdemokraten.)

Ich habe mich ausführlich über die „Rheinische Republik“ ausge⸗ sprochen. Nichts hilft Ihnen darüber hinweg, daß die, die diese „Rhei⸗ nische Republik“ gegründet haben, Smets usw., zur unabhängigen Partei

Dortenschen Zeitung.

gehörten: sie sind inzwischen ausgeschloffen. Nicht ausgeschlossen ist Herr Lesimple, der immer noch eine große Rolle dort spiekt. Herr Lesimple hat, wie icch einem sicheren Bericht entnebme, in einer Versammlung gesagt, daß er ein ausgesprochener Preußenhasser sei, raß er Sympathie für Frankreich babe, er stehe auf internationalem sozialistischen Boden; er sei überzeugt, daß in Frankreich bald ein rein sozialistisches Ministerium komme; deshalb mußten die Sozialisten Orientierung nach dem Westen suchen. Dieser Lesimple bekennt sich zur unabhängigen Sozialdemokratie und ist zugleich Mitarbeiter der

(Zuruf bei den Unabhängigen Sozialdemo⸗ traten.) Die Herren finden auch manchmal den Weg zu uns, wenn sie irgend etwas werden wollen. (Heiterkeit.)

Der Vorwärts brachte am 13. Januar einen Artikel von gut informierter Seite aus dem besetzten Gebiet. Da erwähnt er:

Alle Zeitungen leiden unter Papiermangel, nur nicht die neuge⸗ gründeten Organe der Unabhängigen. Woher das Geld und Papier kommt, ist eine Frage, die bei der Bevölkerung des besetzten Gebiets ständig aufgeworfen wird. In Saarbrücken wurde eine Zeitung der Unabhängigen gegründet, deren Chefredakteur Angestellter des „Saarrouriers“ ist, eines Unternehmens, das von französischen Geldern begründet und ausgehalten wird. Herr Ganter, eine ühbel beleumdete Persönlichkeit, bekennt offen, im Dienst der Französlinge zu stehen. Er ist für die verschiedensten Unternehmungen der Propagandist. Es stehen ihm sehr erhebliche Geldmittel zur Verfügung. Auch dieser Herr ist ein fleißiger Agitator der Unabhängigen. Die Zusammenhänge zwischen den Unabhängigen und der fran⸗ zösischen Besatzung im besetzten Gebiet ,gehen mit einer enormen Deutlichkeit aus einem Buch hervor, das ein Kommandant Jaquot verfaßt hat und das in Straßburg erschienen ist. Dieser Jaquot war der Adjutant des Gencrass Gerard, des Kommandeurs des 8. franzö⸗ sischen Armeekorps in der Pfalz. Gerard betrieb unter Beihilfe des Majors Jaquot eine besonders eifrige Tätigkeit, um die Pfalz für den Anschluß an Frankreich zu gewinnen. Diese Dinge d wobl allgemein bekannt. Gerard stützte sich in der Pfalz auf einige sogenannte Notablen und auf Unabhängige. Da diese Basis den Pariser Staatsmännern etwas zu schmal für eine solche Politik erschien, wurde Gerard abberufen, und aus Aerger darüber hat Monsieur Jaquot dieses Buch geschrieben, das die fran⸗ zösische Regierung beschlagnahmt hat, von dem aber doch einige Exemplare hereingelangt sind. Dieses Buch, das in Kürze in deutscher Uebersetzung erscheinen wird, gibt eine interessante Darstellung, wie die Franzosen versuchten, in der Pfalz Stimmung für den Anschluß an Frankreich zu machen, eine sogenannte friedliche Durchdringung des Landes mit französischen Interessen und Sympathien zu erreichen, und wie sie dabei als ihre hauptsächlichsten Gegner die Sozialdemokraten, als ihre hauptsächlichsten Förderer die Unabhängigen bezeichneten. (Große Unruhe. Zurufe von den Unabhängigen Sozialdemokraten: Und did unabhängigen Arbeiter streikten mit!) Diejenigen Arbeiter, die den unabhängigen Führern folgen, sind, das weiß keiner besser als ich, zum größten Teil brave, treue Deutsche. Sie sind auch zum größten Teil gute Sozialdemokraten. Sie rennen bloß den verleumderischen und verführerischen Reden dieser Leute nach, weil sie noch nicht das nötige politische Urteil haben. (Lebhafte Zwischenrufe von den Unabhängigen Sozialdemokraten.) Nicht auf die Maschinengewehre und den Belagerungszustand, sondern auf das Durchdringen der Vernunft, auf die Selbstbesinnung der sozialdemokratischen Arbeiterschaft, die kommen wird, sobald der Terrorismus von dieser Teite gebrochen ist, gründe ich meine Hoffnung für die dauernde Wiederherftellung des inneren Friedens und der Arbeit in Deutschland. Das ist überhaupt unser Ziel. Es ist keine Freude, in dieser Zeit Politik zu treiben. Es ist aber flicht, wenn einen das Unglück des Vaterlandes auf eine solche Stelle berufen hat, dort zu bleiben und weiter zu arbeiten. Sie können schreien, soviel Sie wollen, Sie bringen die Männer, die das Pflichtgefühl haben, hier einzutreten für die Wiederherstellung der Arbeit, des Friedens, der Ordnung im Vaterlande, auch um den Preis, dafür von allen Seiten beschimpft zu werden, nicht um etne Linie von ihrem Wege ab. Seien Sie überzeugt, wir werden, immer in der Hoffnung, die Mehr⸗ heit des Hohen Hauses auf unserer Seite zu finden, wenn wir unser Vaterland retten wollen, durchhalten und wir werden auch dieses Geschreies Herr wer en. Die Geschechte wird einst das Urtei! sorechen, wer das Vaterland gerettet und wer es verraten hat (Stürmischer Beifall bei den Mehrheitsparteien. Andauernde Zu rufe bei den Unabhängigen Sozialdemokraten. Erneuter lebhaftet Beifall bei den Mehrheitsparteien.) 1

Nach 7 Uhr Abends wird die Weiterberatung auf Montat 12 Uhr vertagt (außerdem Siedlungsgesetzentwurf für den Ruhr kohlenbezirk und kleine Vorlagen).

Das Abkommen mit dem ehemaligen Königshause wirl auf Antrag des Abg. Graef⸗Frankfurt (Soz.) nicht auf die nächste Tagesordnung gesetzt, weil der Finanzminister Dr. Südekum nicht anwesend sein kann.

Sachsen. b

Vorgestern fand in Dresden auf Einladung und unten Vorsitz des Reichswirtschaftsministers Schmidt eine Sitzung von Vertretern der sächsischen, thüringischen, braur⸗ schweigischen und anhaltischen Regierungen stat, Der Reichswirtschaftsminister beabsichtiat, im Februar in Berlit mit den Vertretern sämtlicher deutschen Freistaaten die Grund rätze für unsere zukünftige Wurschaftspolstik und besonders die Durchführung der Ernährungswirtschaft im neuen Eernte jahre zu beraten und aufzustellen. Der Zweck der Dresdne

norddeutschen Freistaaten über die wirtschaftliche Gesamtlage und über das Fär und Wider bei der Behandlung der einzelnen Fragen zu unterrichten. Die Regierungen sollen dadurch in die Lage ve setzt werden, sich über ihre Stellungnahme zu den verschtedene wirtschaftlichen Fragen schlüssig zu werden und ihren Ve tretern für die Februarverhandlungen entsprechende Anweisunger zu erteilen. Der Ministerpräsident Dr. Gradnauer begrüßte den Reichswirtschaftsminister und dankte ihm für den Entschluß, zur Abhaltung dieser Tagung Dresden gewählt zu haben. Aus den eingehenden Darlegungen des Reichewirt⸗ schaftsministers verdienen besonders hervorgehoben zu werden seine Hinweisungen auf den Ernst unserer Ernährungs⸗ lage und die zwingende Notwendigkeit, ganz do

die Regierungen der

Tagung war laut Meldung des „Wolffichen Telegraphenbüro;“ i

Ernste

sonders auch die Brolgetreldebewirtschaftung mit gmößtem durchzuführen, und auf die verhänanisvolle, Zu⸗ ammenhänaeé zwischen der viel zu geringen Kohlenförkerung. heh dadurch hervorgerufenen Erliegen auch solcher Export⸗ industrien, die keiner aus ländischen Robstoffe bedürfen, und den sich dadurch unernäglich steigernden Schwiertgkeiten, im Aus⸗ lande Zahlungemittel ta die Haud zu bekommen, um von dort die ee Nahrungs⸗ und Futtermittel erhalien und einführen zu können. An die Ausführungen des Reichswirt⸗ schaftsministers schloß sich eine eingehende Aussprache, in der n. a. Minister Heldt die besonderen wirtschaftlichen Schwierig⸗ keiten Sachsens klarlegte.

8

DODesterreich. 1““

Der neu ernannte deutsche Geschäftsträger von Nosen⸗ berg ist in Wien eingetroffen und hat die Geschäfte über⸗ nommen.

Anläßlich der Abreise der Staatssekretäre Reisch und Löwenfeld nach Paris empfing der Staatskonzler Renner vorgestern die Vertreier der auswärtigen Mächte, schilderte die Lage Oesterreichs und ersuchte sie mizuwirken, daß die von den Staatssekretären in Paris vorzubringenden Wünsche Berücksichtigung finden.

Tschechv⸗Slowakei.

Der Ausschuß für Bodenreform bat der National⸗ versammlung ein Gesetz über Fateignung des Groß⸗ grundbesitzes vorgelegt, das Prager Blättermeidungen zu⸗ folge einstimmig genehmigt wurde. Danach wird der Groß⸗ grundbesitz an die kleinen Landwirte, Legionäre und Angehörigen der bewaffneten Macht sowie an deren Hinter⸗ bliebene und Kriegsinvalide verteist. Kramarz erklärte in Weinberge in einer Rede, er hoffe, daß sich auf den deutschen Gütern durch die Besiedlung mit tschechischen Legionären tschechische Dörfer bilden würden.

Großbritannien und Irland. Das Kolonialamt aibt bekannt, daß Deutsch⸗Ostafrika von jetzt an den Namen Tanganykagebiet führt.

Lord Churchill erklärte, über die Nenorganisation des Heeres sprecher d. daß nebdern dem regvlären Heere ein territoriales Freiwilligenheer in Kriegsstärke von 345000 Mann bestehen würde, das für die Verteidigung des Reichs einschließ⸗ lich der Verpflichtungen gegenüber Frankreich und Flandern bestimmt sei.

Nach einer Reutermeldung erklärte Asquith in seiner Wahlrede in Paisley noch, daß die von der Friedenskonferenz den vormaligen Feinden auferlegten Bedingungen völlig undurch⸗ führbar seien. Es sei die Pflicht des Liberalis mus, für die Ent⸗ wicklung des Völkerbundes zu wirken, dessen erste Aufaabe die Revision der territocialen Bestimmungen des Pariser Vertrans sein sollte. Asqaith erklärte ferner, die internationale Lage er⸗ fordere vor allem die Wiederherstellung des Friedenszustandes und die Wiederaufnahme der Handelsbeziehungen mit Rußland, und trat für die Berufung emer internationalen Wirischafts⸗ konferenz aller vom Kriege mitgenommenen Staaten ein.

Verschiedene Sinn⸗Fein⸗Milglieder der neu⸗ gewählten Dubliner Gemeindebehörden fird vorgestern durch Militärpersonen verhaftet worden.

Fraonkreich. 8 Die ungarische Friedensdelegation ist nach einer „Havasmeldung“ davon benachrichtigt worden, daß ihr Gesuch um Verlängerung der Frist für die Formulierung ihrer Bemerkungen zu den Friedensbedingungen bis zum 12. Februar angenommen worden ist. 1 Rußland.

Zwischen Litwinow und O'Graiy ist, wie das Blatt „Telegraaf“ meldet, die Grundlage für ein Abkommen zwischen Großbritannien und der Sowjetregierung festgelegt worden, wobei hauptsächlich die sofortige Wieder⸗ aufnahme der Handelsbeziehungen vorgesehen ist.

Die „Associated Preß“ meldet aus Honolulu, daß Koltschak enttommen sei und sich in der Mondschurei ver⸗ bo gen halte. Die amtliche „Prawda“ berichtet dagegen nach einer drahtlosen Meldung aus London, daß Koltschak vor einigen Tagen von seinen Soldaten auf die Bajonette gespießt

worden sei. 8 Estland. Auf Eingreifen der alliterten Missionen hin ist der

General Judenitsch in Freiheit gesetzt worden.

Das Amtsblatt veröffentlicht das königliche Dekret, durch das der Friedensvertrag von Versailles ratfiziert wird.

Eine Note an die Blätter besagt der „Agence Havas“ ufolge, daß der, italienische Standpunkt in der Abriafrage

ich seit der südslawischen Antwort nicht geändert habe. Die

italienische Reaierung beabsichtige, auf der Durchführung des Londoner Paktes zu bestehen. Die britische Regierung scheine ihre Haltung nicht geändert zu haben, während die Meinung des Kabinelts Millerand noch nicht genau festgestellt zu sein scheine. Die französische Regierung halte immer noch eine Verständigung zwischen Rom und Belgrad für möglich, und zwar auf der Grundlage der Annexion Fiumes ohne Hinterland.

Finnland.⸗ Noch dem „Nieuwe Courant“ ist in Londen die Meldung eingetroffen, daß in Finnland ein Aufstand ausgebsochen ist.

Südslawien. Gleichzeitig mit der Ablehnung des Ententeultimatums hat die serbische Regierung dem Wiener Blatte „Mutag“ zufolge die Mobilisserung weiterer drei Jahresklassen be⸗ schlossen. Aus den besetzten Gebieten Ungarns wurden zwei Divisionen abgezogen und nach Dalmatien gesandt. Auch aus Laibach und Agram winden alle verfügbaren Truppen eb⸗ gezogen. Die nationalist sche Presse fordert von der Negierung die Verweigerung der Unterzeichmmg des Friedensvertrags, solange die Wünsche Südslawiens bezüglich Fiumes und Zaras nicht erfüllt werden.

Portugal.

Nach einer Meldung des „Wolffschen Telegraphenbüros“ hat der Minister für auswärtige Angelegenheiten dem Parla⸗ ment einen Gesetzentwurf zugehen lassen, durch den der Friedensvertrag von wersaikles gebilligt werben soll.

Ichweden.

Derr deutsche Gesaudte Nabolny ist gestern in Stockholm angekommen und hat die Ceschäfte üvernommen.

Schweiz.

Die erste der am 30. Januor vom Bundesrat festgestellten Noten an das Sekretoriat der Völker bundes ersucht, wie „Wolfss Telegrophenbüro“ mitteilt, den Völkerbundsrat, die die Schweiz besonge 8 berührenden Frogen auf die Tages⸗ ordnung der nächsten Sitzung in London zu setzen. Die zweite Note faßt den Stondpunkt des Bundesrates hinsichtlich der immerwährenden Neuralisät der Schweiz zusammen und drinat darauf, daß der YNökerbundsrat in einer eingehenden Erkrärung besonders die Rechtslage der Schweiz im Völker⸗ bund feststellt.

Die französische Boischaft in Bern hat dem Volks⸗ wirtschaftsdepartement einen Vorschlag für ein provisorisches Wirtschaftsabkommen unterbreitet der gegenwärtig geprüft wird. Er sieht eine weitere Verlängerung der Kontingen⸗ jierung für Uhren und Stickereien vor. Es ist ferner in Aus⸗ sicht genommen, daß Frankreich der Schmweiz weiterhin gewiss Kohlenmengen sowie Thomasschlocke und Phosphate liefert.

Amerlka.

Nach einer Nrutermeldung aus Washington ist die Konferenz zwischen den republikanischen und demo⸗ kratischen Senatoren, in der öber den Friedensvertrag verhandelt wurde, abgebrochen warden, ohne daß eine Einigung erreicht worden ist. Der Senator Hitchcock teilte dem Büro des Senats mit, er werde om 6. Februar eine Tagesordnung einbringen, die eine neue Besprechung des Friedernsvertrago von Versailles herbeiführen solle.

Der von Taft abgefaßte Text des Vorbehalts zum Artikel 10 des Friedensvertrags lautet fo gendermoßen:

Die Vereinigten St aten weigern sich, vertragliche, gesetzliche oder andete Neröflichtungen auf sich zu vehmen oder Garxantien ein⸗ zugehen hinsichtlich der Unversehrtheit des Gebiets eines fremden Staats oder dessen volitischer Unabhängigkeit, wie sie in Artikel 10 des Friedensvertrags vorgesehen sind. Sie weigern sich, Verpflichtungen zu unterzeichnen, nach deren Wortlaut die Vereinigten Staaten ge⸗ halten wären, zu irgendeinem Zweck von den Land⸗ und Seestreit⸗ kräften Gebrauch zu machen gemäß den Bestimmuagen irgendeines Artikels des Friedensvertrags. Jedoch könnte der Kongreß, der nach der Staatsverfassung allei die Mecht dazu hat, über Garantien in besonderen und ausnahmsweisen Fällen hinsichtlich der moralischen Verpflichtungen Beschlüsse fassen, wenn dazu ein Anlaß vorliegt. Er könnte den Vereinigten Staaten ihre Haltung vorschreiben, wenn es sich darum handeln wiürnde, die Erforbernisse des Weltfriedens und der Gerechtigkein zu wahren. Er könnte unter diesen Umständen ihnen ihre Stellungnahme vorschreiben und die daraus sich ergebenden Maßnahmen treffen.

Nach einem Radioselegramm fand am 20. Januar im Senat eine große Arssprache über die finanzielle Lage in Europa statt.

Die Besprechung wurde eingeleitet von Senator Smitb, der einzelne finanztehe Berichte fremder Regierungen kfritisterte und fest⸗ stellte, doß die verschiedenen Regserungen angenblicklich Amerika 325 Millionen Dollar Zinsen für dewilligte Anleihen schulden. Der Senator Smoot erklärte, die Vereinigten Staaten könnten augenblicklich nicht die Zurückzahlung ihrer Forderungen verlangen, aber doch die Zahlung der Zimen, die man ihnen schulde. Der Senator Walsb drückte sem Erstaunen aus über die Langmut der Vereinigten Staaten gegenüber ihren Schuldnern. Er erklärte: „Man sagt uns, daß mehrere dieser Länder Hunderte von Millionen verausgaden, um eine mächtige Luftflotte zu besitzen. Dadurch erklärt sich die Tatsache, daß so verarmte Nationen nicht einmal die Zinsen für das Geid bezablen können, daß wir ihnen gelisehen haben. Außerdem stellen sie weitgehende militärische Pro⸗ gramme auf, die sie ganz einfach mit dem von uns erhaltenen Geld ausführen wollen.“ Der Senator King erklärte, er glaube, daß langfeistige Kredine notwendig seien, nicht nur um die Staaten auf⸗ zurichten, fondern um gewissermaßen die Sichechett von Europa zu gewädrleisten. Der Senator Smith sagte, daß, wenn England, dos augenblicklich 1144 Mellionen Dollar Zinsen schulde, diese Summe bezahlen würde, die Vereinigten Staaten sie dazu verwenden könnten, Polen und Oesterreich zu helfen, die tatsaͤchlich Hungers stürben.

Der Admiraol Taylor, der Chef der Abteilung für Schiffsbanten im amerikanischen Marinedepartement, teitt der Marinekommission des Repräsentantenhauses mit, daß die amenikavischen Seestreitkräfte am 1. Juli 1920 948 Einheiten umfassen wücden, doppelt soviel wie vor dem Kceiege, darunter 16 Dreadnoughts, 13 Ueberdreadnoughts, 8 Schlachtkreuzer und 17 leichte Kreuzer. Die Ausgaben werden cuf 27 900 000 Dollar veraaschlagt.

Der Schatzsekcetär Glaß hat der New YNorker Handels⸗ kammer ein Schreiben übersandt, in dem er erklärt, das Schatamt sei gegen eine internationale Finanz⸗ konferenz, damit nicht die vergebliche Hoffnnng auf eine Aktion von seiten der Vereinigten Stuaten zur Finanzierung der Bedürfnisse Europas wieder auflebt. Giaß erklärt nach⸗ drücklich, das wahre Mittel gegen den schlechten Stand des Weasselkurses sei die Aufhebung des Vervots der Gold⸗ verschiffung. Dem Amsterdamer „Telegraaf“ zufolge heißt es in dem Schreiben weiter:

Die Regierungen der Welt müßten jetzt damlt aufhören, bei den Banken und dem Handel Anlcihen zu machen, da dies nicht allein zur Erhöhung der Steuern, sondern auch dazu führe, daß die kredit⸗ gebenden Regierungen dauernd Kontrolle über die Privatbetriebe aus⸗ üben, wodurch eine gesunde Lösung des Problems verhindert wird. Das Schatzamt sei gegen die Kontrolle über den Auslandshandel und die Auslande finanzen, und noch wehr gegen die Kontrolle über die Pripatbetriebe. Das Amt sei überzeugt, daß die Kredite, die für die virtschaftliche Wiederherstellung des Handels notwendig seien, durch Privatleute verschafft werden müssen, und daß die Reagierungen der Welt an der Wiederherstellung des Ver⸗ trauens, der Stabilitäat und der Handelsfreiheit durch An⸗ wendung einer gesunden siskalischen Politik mithelfen müßten. Zur Lösung des Problems der Wiesberaufrichtung sollten die alliierten Regierungen die von Deutschland gesorderte Entschädigungs⸗ summe auf eine Ziffer berabsetzen, die es ihm gestatte, zu bezahlen. Heutschland sollte Obligationen in der Höhe dieser Summe emittieren, und man müsse ihm Zeit lassen, zu acbeiten, um semne Schulden be⸗ zahlen zu können. Diese Arn vorzugehen, würde die Zahlungsfähig⸗ keit Deutschlands erhöhen, das Vertrauen wiederherstellen und würde auch dem Handel der gesamten Welt einen neuen Antrieb geben. Die Zahlung von Summen, die unmöglich bezahlt werden können, zu ver⸗ langen, würde zu keinem praktischen Ergebnis führen und rufe Be⸗ sorgnis hervor.

Asien.

Der „Agence Havas“ zufolge haben englische Grenzruppen im Nordwesten Indiens am 23. und 25. Januar erfolg⸗ reiche Kämpfe mit Pruppen der Mahsuds gehabt, die nach glaubwürbigen Mitteilungen in Stärke von tansend Mann gegen Ahnai⸗Tangi vorgerückt waren.

Nach einer Erklärung des sepanischen Ministers des Auswärtigen hat, obiger Quelle zufolae, die japanische Regie⸗ rung Schritte eingeleitet, um dae Bündnis zwischen Eng⸗ land und Japan zu erneuern.

kines vom 31. Jonuar sich eine st Harka marokkanischer Stämme 40 km südlich der neuen Brücke von Tiflet nach Mekines an⸗ gesammett. Unter Führung von Offizieren wurden diese mit Untersützung von regulären französischen Truppen durch ein⸗ geborene Truppen in die Flucht geschlagen. Auf fran⸗ zösischer Seite sind 26 Mann tot, bei den Marokkanern gab es 60 Tote und zahlreiche Verwundete.

Statistikt und Volkswirtschaft.

Arbeitsstreitigkeiten. Zur gewerkschaftlichen Organisation der Post⸗ und Telegraphenbediensteten teilt „W. T. B.“ mit, daß auf einer Vertreterkonferenz der Postbediensteten in Berlin die Grün⸗ dung einer Gewerkschaft für Post⸗ und Telegraphenbeamten und arbeiter beschlossen wurde mit Anschluß an den Deuischen Gewerk schaftebund, der eine Zusammenfassung der nichtsozialistis chen Arbeit nehinervereinigungen darstellt. Geschäftselle des neuen Verbandes ist Berlin SW. 48, Wilhelmstraße 140 II. 8 Aus Breslau wird dem „W. T. B.“ vom 31. d. M. gemeldet, daß sich die Eisenbahner, nachdem ihnen bekannt geworde daß sich der Hauptvorstand des deutschen Eisenbahnerverbandes mit der Wiederalfnahe der Arbeit zu den von de Eisenbahnbehörde gestellten Bedingungen ein verstanden erklärt hat, geschlossen in den Betriebsämtern zur Wiederaufnahme der Arbeit baben einschreiben lassen. Au Königsberg wird mitget ilt, daß von der 3600 Mann starker Belegschaft der dortigen Eisenbahnwerkstätte sich bi zum Sonnabend rund 3000 zur Aufnahme der Arbeit ge⸗ meldet halten. Ferner teilt die Eisenbahndirektion Frank⸗ furt am Main mit, daß die Hauptwerkstatt Nied morgen, Dienstag, den 3. Februar, wieder eröffnet werden wird In Wien beschlossen, wie „W. T. B.“ erfährt, die Assi

stenten und Hilfsaͤrzte der Universitätstliniten

am Dienskag früb in den Ausstand zu treten, da nicht alle ihr Wünsche erfüllt worden seien.

Nach einer von „W. T. B.“ übermittelten Havasmeldung aus Rouen verlangten die dortigen Dockarbeiter eine Teuerungs⸗ zulage ven 5 Franes den Tag; da sie nicht bewilligt wurde, haben sie den Ausstand erklärt.

Laut „Gazette“ sollen „W. T. B.“ zufolge die Bergarbeiter es Beckens von Charleroi gewillt sein, eine Stunde laͤnger, lso neun Stunden am Tage, zu arbeiten. Sie ver⸗ angen aber Herabsetzung des Verkaufspreises der Kor le.

Die Hafenarbeiter von Amsterdam haben sich, wie „W. T. B.“ meldet, mit seur großer Mehrheit für den Aus⸗ stand erklärt. Auch bei einer Abstimmung unter den Hafen⸗ ar beitern von Rotterdam trat eine große Mehrheit für den Ausstand ein.

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Wohlfahrtspflege.

Der preußische Minister für Volkswohlfahrt hat in diesen Tagen in Gemeinschaft mit dem Minister für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung und dem Landwirtschaftsminister einen Runderlaß ergehen lassen, der sich mit der so wichtigen diesjährigen Aufnahme von Kindern der städtischen und Industrrebevölke⸗ rung in ländliche Familien befaßt. In dem Erlaß, der zunächst von dem Ergebnis der vorjährigen Arbeit des Vereins „Landaufenthalt für Stadtkinder“ im Reiche spricht bekanntlich konnten nur etwa 100 000 Kinder im abgelauf'nen Jahre untergebracht werden —, wird, wie „W T. B.* berichtet, allen denen der Dank ausgesprochen, die in selbstloser Ovferfreudigkeit ihbre Kraft in den Dienst des Unternehmens gestellt haben. Es heißt dann in dem Erlaß wörtlich: „Da der Land⸗ aufenthalt der Stadtkinder nach der übereinstimmenden Auf⸗ fassung aller maßgebenden Stellen, insbesondere des Reichs⸗ gesundheitsamts, auch für die Zukunft als ein unentbebrliches und in seiner Art unersetzliches Mittel zur Hebung der Volksgesundheit anzusehen ist, muß in der Ausnutzung seiner Werte ungeachtet aller Hemm⸗ nisse um so mebhr fortgetahren werden, als in der allgemeinen Lage der Volksecnährung eine nennenswerte Besserung leider noch immer nicht zu erhoffen ist. Auch um deswillen sind wir zu einer restlosen Erschöpfung aller Hilfsmöglichkeiten im Inland verpflichtet, als das neutrale Ausland unseren er⸗ holungs bedürftigen Kindern in dantenswerter Weise seine Fürsorge angedeihen läßt, uen uns unsere Arbeit zum Wohie der heranwachsenden Jugend zu erleichtern und sie zu ergänzen.“ Demzufolge haben die Minister der Bitte des Vereins Landaufenthalt für Stadtlinder“ als der nunmehr schon seit 3 Jahren auf diesem wichtigen Gebiete der Volkswohlfahrt tätigen Reichs⸗ zentrale entsprochen und ihm auch für das neue Jahr die weitestgehende behördliche Förderung seiner Arbeit zugesagt. Dem Erlaß sind die vom Verein auf Grund der por⸗ jährigen Erfahrungen ausgearbeiteten Richtlinien beigegeben, nach denen die Durchführung zu erfolgen hat. Die Gliederung der Organisation, die bekanntlich das ganze Reich umfaßt, ist die frühere geblieben, wie auch die Einzelvorschriften, so insbesondere bezüglich der Verteilung der Aufnahmegebiete an die in Be⸗ tracht kommenden Bedarfsgebiete, den vorjährigen im wesent⸗ lichen entsprechen. Die Zahl der erholungsbedürf⸗ tigen, unterernährtien Kinder in den Großsädten und Industriebezirken ist nach wie vor ungeheuer groß, und angesichts der sich wieder verschärfenden Lebensmittelknappheit wird die Lage sich von Monat zu Monat trostloser ge⸗ stalten. Da wir infolge der Verwirklichung des Friedensvertrags umfangreiche und in den früheren Jahren an Land stellen außerordentlich ergiebige Landesteile verlieren, wird es der Anstrengung aller Kräfte bedürfen, hier einen Ausgleich zu schaffen. Wenn der Bewegung nicht mit allen zu Gebote stehenden Mitteln neuer Schwung gegeben wird, wird cs schwer halten, auch nur der allerdringendsten Notlage abzuhelfen. Man darf wohl die feste Zuversicht hegen, daß die Landbevölkerung wieder wie in den Vorjahren ihre Hilfe nicht versagen wird und daß insbesondere auch die Geistlichkeit und die Lehrerschaft, deren Mitwirkung für den Erfolg immer entscheidend war, sich für die Werbetätigkeit nachdrücklich einseten werden. Das Reichsgesundheitsamt hat wieder wie im Vorjahre eine auf Grund neuesten Materials bearbeitete Flugschrift pem Verein zu Werbezwecken zur Verfügung gestellt. Die Aussendung der Kinder soll etwa im Mai erfolgen und der Landaufenthalt wie bisher möglichst 2 bis 3 Monate dauern.

Kunst und Wissenschaft.

Das Kaiser⸗Friedrich⸗Museum bleibt vom 3. Fehruar ab wegen Kohlenmangels his auf weiteres geschlossen. Die Zulassung

von Führungen und Kopisten soll nach Möglichkeit aufrecht erhalten