8
Kommunistenkonferenz, wie man das vielfach behauptet hat. An der
Konferenz haben die ersten Oberbürgermeister des Industriegebietes nd des Bergischen Landes teilgenommen, Vertreter des Zentrums, der Mehrheitssozialisten, der Demokratie und der Unabhängigen. Es waren da Vertreter der christlichen Gewerkschaften, der Hirsch⸗ Dunckerschen und der sozialistischen Gewerkschaften. Es handelte sich also nicht um eine Konfenrenz von Leuten, die irgend etwas wollten, sondern alle das ehrliche Bestreben hatten, einen Modus zu finden, m das drohende furchtbare Blutvergießen zu verhindern.
Am ersten Tage der Konferenz nach einer sehr energischen und entschiedenen Auseinandersetzung trat eine Kommission zusammen, die sich die Aufgabe stellte, die Frage zu prüfen, ob es einen Weg gäbe, den Zusammenstoß der Armeen und den Kampf momentan zu ver⸗ hindern, gewissermaßen einen Waffenstillstand herbeizuführen. Das war Abends bereinigt. Abends hat die Konferenz diesen Vorschlag der Kommission akzeptiert, und dieser Vorschlag, daß keine Kampf⸗ handlungen unternommen werden sollten, wurde von der Reichswehr sofort an die ganze Reichswehrfront telegraphisch und telephonisch weitergegeben. Auch die Herren von der Unabhängigen Partei, die dort waren, haben davon ihre Freunde an der Front telephonisch und telegraphisch in Kenntnis gesetzt. An den Kommissionsberatungen habe ich nicht teilgenommen. Aber am Abend und am folgenden Tage war ich in der Lage, an den Beratungen teilzunehmen, weil weitere Punkte noch festzustellen waren. Sie wissen, Herr Abge⸗ ordneter Braß, daß, als wir mit unseren Beratungen beinahe fertig waren, die Nachrichten von Wesel kamen, daß die Roten Truppen dort angegriffen hätten. Formell war man berechtigt, mit diesem Bruch des Waffenstillstandsversprechens auch die Verhandlungen ab⸗ zubrechen (sehr richtig!) und dem Schicksal seinen Gang zu lassen. Ich habe die Reichswehr gebeten, das nicht zu tun, sondern den Fall von Wesel zu lokalisieren. Das ist geschehen. Denn ich dachte und ich denke immer noch mit Schrecken davan, was passiert wäre, wenn die beiden Parteien aufeinandergestoßen wären. Ich erinnere Herrn Abgeordneten Braß daran, daß ich auf der Konferenz bei der Be⸗ ratung des Waffenstillstandsabkommens davon gesprochen habe, daß man, wenn die Reichswehr in kleinen Punkten ihre Stellung ändere, das nicht als Bruch des Waffenstillstandsabkommens ansehen dürfe. Es waren Truppen der Reichswehr im Anmarsch, deren Führer über die Verhandlungen nicht unterrichtet sein konnten, und es konnte somit formell vielleicht ein Grund gefunden werden, zu sagen, daß
die Reichswehr das Abkommen nicht gehalten hätte. Die Reichs⸗
2
wehr hat aber das Waffenstillstandsabkommen gehalten.
(Abg. Braß: Nein!) Sie haben den Nachweis nicht erbringen können, daß die Reichswehr zu dem Zeitpunkt, wo das Waffenstillstands⸗ abkommen bestanden hat, Kampfhandlungen vorgenommen hat. Jeden⸗ falls ist es seitens des Reichswehrkommandos entschiedne bestritten worden, daß irgend eine Formation etwas unternommen habe. Ein Befehl von dem Reichswehrkommando habe jedenfalls nicht vor⸗ gelegen.
Meine Herren, aber das sind nebensächliche Dinge. Man muß die große Linie immer im Auge behalten, und die war doch: Mög⸗ lichst bald die Elemente an der Front zu überzeugen, daß jeder Kampf überflüssig sei. (Sehr richtig!) Dann muß noch eins fest⸗ gestellt werden. An jenem Tage, wo die Bielefelder Konferenz zu⸗ sammentvat, lag ein Grund dafür, bewaffnete Arbeiter an der Front zu haben, nicht mehr vor, wenn man in der Abwehr des Lichtschlag⸗ Vormarsches und in Abwehr des Kapp⸗Putsches gewiß die Berechti⸗ gung anerkennen und Verständnis dafür haben kann, daß die Arbeiter⸗ schaft mit Waffengewalt verhindern wollte, daß das Industriegebiet im Sinne der Kapp⸗Regierung von Reichswehrtruppen beherrscht wurde. Nicht nur sozialdemokratische und unabhängige Arbeiter, son⸗ dern auch christliche Arbeiter haben hier mitgekämpft. Die Erregung über diese Dinge — das mögen sich die Herren von der Rechten gesagt sein lassen — ist gerade in dem Bergischen Lande außerordent⸗ lich groß gewesen. Das ist mir von meinen eigenen Parteifreunden mitgeteilt worden. Aber als wir in Bielefeld zusammentraten, war der Kapp⸗Putsch erledigt, und jede Aktion, die da unternommen wurde, konnte viel eher als gegen die verfassungsfäßige Regierung gerichtet aufgefaßt werden als umgekehrt. Ich habe immer noch keine Antwort davauf erhalten, welches Kampfziel sich die Rote Armee noch gesteckt hatte. Ein wirklicher Grund lag dafür nicht mehr vor. Ich bedauere das um so mehr, als die Plünderungen und Erpressungen, die vor⸗ gekommen sind, von böswilliger Seite den Arbeitern an die Rock⸗ schöße gehängt worden sind. Ich nehme die Arbeiter ausdrücklich in Schutz dagegen, daß sie Mörder und Plünderer seien. Alle Par⸗ teien kennen doch die Arbeiterschaft des Industriegebietes. Das sind andere Leute gewesen, die das getan haben. Aber es ist ein unver⸗ antwortliches Vorgehen der Führer der Bewegung gewesen, daß sie auch solche Elemente mit herangezogen haben. (Sehr richtig!) Eine wichtige Forderung wind es sein, eine genaue Kontrolle der Ein⸗ wohnerschaft des Industriegebietes bezüglich dieser Elemente vor⸗ zunehmen, die dort eine so unheilvolle Rolle gespielt haben. (Sehr richtigl) Ich kann auch nicht finden, daß die im Bielefelder Ab⸗ kommen getroffenen Vereinbarungen über die Ortswehren so ge⸗ fährlich sind, wie sie zum Teil im Industriegebiet auch von meinen Parteifreunden angesehen werden, wenn die Ortswehr so aufgezogen wird, wie wir das in Bielefeld ins Auge gefaßt haben. Wenn wirklich die organisierte Arbeiterschaft der Mehrheitsparteien (Zuruf: Auch die Unabhängigen?!) — Das sind doch auch Menschen! (Zuruf: Sie stehen aber nicht hinter der Verfassung!) — Sie gehören doch auch nicht zu den Mehrheitsparteien! Ich weiß schon, was be⸗ fürchtet wird. Man befürchtet, zu den Ortswehren würden sich nicht die richtigen Elemente melden, sie würden nicht da hineingehen. Das wäre ein sehr bedauerlicher Mangel in unserer Bürgerschaft. Wir leben doch in der Zeit der Revolution. Da darf man nicht sagen, daß man sein Haupt friedlich niederlegen will. Da muß die Bürgerschaft auch etwas tun; mit der Methode, einfach zu sagen: „Ich will geschützt sein“, ist bei den Verhältnissen, unter denen wir heute leben, die Frage nicht gelöst. Ich bin der Meinung, wenn eine Ortsweht richtig aufgezogen wird — und ich betone, daß die Ortswehr kein selbständiges Organ, sondern nur ein Hilfsorgan
Meine Herren, es ist gesagt worden, daß die an der Front kämpfenden Arbeiter über den Zusammenbruch des Kapp⸗Putsches nicht rechtzeitig unterrichtet worden seien. Ich glaube, Herr Hue hat das erwähnt. Das mag stimmen. Die Berichte sind sehr spärlich durchgekommen. Aber ich glaube, beim Zusammentreten der Biele⸗ felder Konferenz war im ganzen Industriegebiet durchaus bekannt, daß der Kapp⸗Putsch restlos zusammengebrochen sei, auf Grund des Generalstreiks, wie auf Grund des Verhaltens der Beamten. Ich möchte also das nicht ohne weiteres bestehen lassen. Allerdings muß die Frage des Nachrichtenwesens im Industriegebiet während des Putsches noch besonders untersucht werden.
Aber das ist die Preisfrage: Wie kommt es, daß Frankreich so grundfalsch über das Industriegebiet informiert worden ist? (Hört, hört!) Frankreich hat doch Korrespondenten dort gehabt wie auch Eng⸗ land, die dort den „Sonnenweg“, wie man sagt, geführt worden sind und sich deshalb kein richtiges Bild haben machen können. Mir ist es unerklärlich, daß ein französischer General dem Ministerpräsi⸗ denten Millerand gegenüber sich darauf berufen hat, daß Deputationen von Ruhrbergwerkleuten ihm diese rosigen Schilderungen gemacht haben; er erklärte, daß alles ruhig sei und ein Einmarsch der Truppen nicht notwendig wäre, das sei lediglich das Verlangen der Millitär⸗ kamarilla. Zu der Zeit, wo der Einmarsch erfolgte, ist von seiten der Arbeiterschaft wie von bürgerlicher Seite und den Beamten Tag für Tag ausgesprochen worden, wenn die Reichswehr nicht einmarschiere, gehe alles in Mord und Brand zugrunde. (Hört, hört! im Zentrum und rechts.) Diese falsche Information ist eine Frage für sich. Aber ich muß auch nochmals den Bewohnern im Ruhrgebiet sagen, sie müssen mehr Selbsthilfe lernen (sehr richtigl), man darf sich in diesen Zeiten nicht nur auf die Behörden verlassen, die durch die Besetzung des Industriegebiets vielfach außer Kraft gesetzt waren. Also das Nachrichtenwesen hat ganz gewiß daßu bei⸗ getragen, eine falsche Stimmung und Meinung über die ganze Be⸗ wegung im Industriegebiet zu bringen.
Aber die wichtigste Frage ist doch die: Wie kommen wir aus dieser übben Lage heraus? (Sehr richtig!) Es ist ein unerträglicher Zustand für Deutschlard, daß das Industriegebiet fortgesetzt Gegen⸗ stand revolutionärer Umwälzungsversuche ist. Wenn ein Gebiet in Deutschland arbeitsfähig und intakt sein muß, dann ist es das Ruhr⸗ gebiet des Westens, wenn wir unsere Volkswirtschaft wieder auf die Beine bringen wollen. (Sehr richtig!) Ich erwähne ausdrücklich, daß die Bevölkerung im Industriegebiet durchaus den guten Willen hat (erneute Zustimmung), daß die Bergleute zugestanden haben, dreimal Ueberstunden in der Woche zu verfahren. Das ist ein ganz heworragendes Zugeständnis. Das zeigt, daß der weitaus größte Teil der Bevölkerung im Industriegebiet Menschen sind, die die gegenwärtigen Aufgaben verstehen und gern arbeiten wollen. Wir dürfen daher diesen guten Willen der Industxriebevölkerung nicht fort⸗ gesetzt beunruhigen lassen, auch nicht beunruhigen lassen durch Dinge wie den Kapp⸗Putsch. (Sehr richtig! bei den Mehrheitsparteien.) Das möchte ich auch den Rednern auf der Linken sagen: Wenn man das Industriegebiet in Mord und Flammen aufgehen lassen will, muß man versuchen, eine Konterrevolution im militärischen Sinne zu machen. Das ist auch die Meinung weiter Kreise der
der Sicherheitspolizei ist —, da kann kaum etwas passieren. Aber ich bin belehrbar, ich bin gern bereit, eine andere Form zu suchen.
Ich mache aber darauf aufmerksam, daß, wenn die Reichswehrtruppen
aus dem Industriegebiet herausgezogen werden sollen, dann muß
etwas anderes an ihre Stelle gesetzt werden. (Sehr richtig! im
Zentrum und rechts.) Es ist das eine wichtige Aufgabe, auf die
ich noch zurückkommen werde. 1“
Arbeiterschaft gewesen.
Ich habe einleitend gesprochen, daß die Stimmung im Industrie⸗ gebiet panikartig ist, daß jeder mit Schrecken den nächsten vier Wochen entgegensieht. (Hört, hört! im Zentrum.) Jeder glaubt, daß die Reichswehr nun ausmarschiere, zum Teil aus militärischen Gründen, zum Teil aus anderen Gründen. Aus militärischen Gründen! Da ist die Lage doch nicht so einfach, wenn auch Herr Braß sie noch so rosig geschildert hat, daß im Bergischen Lande keine Rote Armee ist. Aber das Land liegt voller Waffen, die nicht ab⸗ gegeben sind. Das ist für die Truppen schließlich kein erträglicher Zustand. Daß organisierte Arbeiter durch solche Marodeure, die sich zusammenfinden, überfallen werden und abgeschlachtet werden, das kann eine Truppe nicht ertragen. Deshalb ist die Frage der Waffen⸗ abgabe doch sehr wichtig. (Sehr richtigt im Zentrum und rechts.) Im Industriegebiet bekommen wir keine Ruhe innerhalb der Be⸗ völkerung, bevor nicht die Waffen restlos herausgegeben worden sind. (Zurufe von den Sozialdemokraten: Besonders von den Balti⸗ kumern!) — Von allen, von denen erst recht, Herr Kollege. — Alle diejenigen müssen nach meiner Ueberzeugung entwaffnet werden, die ihre Waffen nur dazu brauchen, um zu versuchen, die Regierung zu stürzen und namentlich ein System nach rechts einzurichten. (Zurufe von den Sozialdemokraten: Die werden aber nicht entwaffnet!) — Ja, Herr Kollege, lassen Sie der Regierung Zeit; sie wird sie schon entwaffnen. Verlassen Sie sich darauf. Ich wüßte nicht, Herr Kollege, was das schließlich für eine Einwirkung haben sollte, wenn man im übrigen tatsächlich unzuverlässige Truppen von Reichswehr in Pommern hätte, was die dagegen arbeiten könnten. Aber die Ab⸗ gabe der Waffen ist eine Forderung, die mir gerade auch bei meinem letzten Aufenthalt im Industriegebiet mit auf den Weg gegeben worden ist.
Weiterhin wird man zur Aufrechterhaltung der Ruhe und Ord⸗ nung, wenn wir schon nach dem Friedensvertrag keine Truppen dort halten dürfen, wenigstens erne ordnungsmäßige starke Polizeitruppe haben müssen. Ich füge aber hinzu: böse Dinge im Industriegebiet werden am besten dadurch verhindert, daß endlich die gesamte Be⸗ völkerung die innere Ueberzeugung gewinnt, daß das Industrie⸗ gebiet in seiner kompakten Mehrheit sowohl der Bevölkerung als auch der Polizeiorgane und der Behörden auf dem Boden der Demo⸗ kratie und der Republik steht. (Sehr richtig! bei den Mehrheits⸗ parteien.) Das ist eine Frage von ausschlaggebender Bedeutung, und ich freue mich, daß gerade in der Presse des Industriegebiets der Gedanke immer mehr um sich greift. Das Industriegebiet kann selbst am meisten zur Beruhigung beitragen, wenn seine prominenten Vertreter nach der Richtung hin eine entschiedene Stellung ein⸗ nehmen.
Eine weitere Forderung, die hier erhoben worden ist, ist die Forderung einer starken Einwohnerkontrolle. Ich bin kein Freund irgendeines Spitzelsystems; aber ein Industriegebiet, das so zu⸗ sammengesetzt ist wie das rheinisch⸗westfälische Industriegebiet, be⸗ darf einer Kontrolle nicht nach politischen Gesichtspunkten, nicht einmal nach kriminellen Gesichtspunkten, sondern einer Kontrolle der Bevölkerung auf Grund ihrer Betätigung. (Abg. Hue: Aber keine Spitzell) — Keine Spitzell Wir müssen eine Einwohner⸗ zontrolle haben, Herr Kollege Hue, die wir auch vertreten können.
Alle jene unlauteren Elemente, die unsere Arbeiterbewegung immer
und immer wieder kompromittieren, müssen wir endlich einmal end⸗
gültig aus dem Industriegebiet herausbringen. (Sehr richtig! rechts und im Zentrum.) Dann müssen wir allerdings auch die Forderung aufstellen, daß die slawischen Elemente aus dem Industriegebiet entfernt werden. Ich habe schon in Weimar einmal in der National⸗ versammlung gesagt, und demals haben die Herren von der Rechten mir zugestimmt: wenn man jetzt von slawischen Gestalten im Industriegebiet, von russenähnlichen Gestalten, von polnischen Ge⸗ stalten usw. spricht, wer hat alle diese Menschen in der Vorkriegs⸗ zeit hereingeholt? (Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Wer
sich jetzt. Aus diesen wurzellosen, enttäuschten Kreisen kommen jetzt manche unzuverlässigen Personen. schehene nicht rechten: das einzige lehrt wenigstens diese Sache, daß man das deutsche Volkstum nicht verderben und zersetzen darf. Wer im Industriegebiete unsere Berg⸗ und Hüttenleute kennt, die sich aus sich heraus vermehrten und reichlich genug vermehrten — denn die Hüttenarbeiter haben stets massenhaft Kinder gehabt —, der wird
Dinge im Industriegebiet nicht möglich wären. Aber das hindert nicht, daß wir strenge Kontrolle haben müssen.
sehr verschieden beurteilt wird, auch bei der christlichen Arbeiterschaft. Aber ich möchte doch dem Manne, der eine so ungeheuer schwierige und undankbare Aufgabe hat (sehr richtig!l bei den Soz.), insofern gerecht werden, als er auf der Bielefelder Konferenz mit mir gemein⸗ sam gegen seine eigenen politischen Freunde die verschiedenen Punkte des Bielefelder Abkommens verteidigt hat und sich vor allem der Ab⸗ berufung von Watters mit mir gemeinsam entschieden widersitzt hat. Ich will ausdrücklich feststellen, daß die Abberufung von Watters schließlich der Hauptpunkt war, an dem beinahe die ganze Sache zu scheitern drohte. Severing und ich haben uns davon nicht irre machen lassen, sondern haben daran festgehalten und ich möchte das wenigstens feststellen, da falsche Auffassungen hierüber im Lande vertreten sind.
Ueber das Institut der Reichskommissare kann ich⸗ mich nicht äußern. Das ist eine Frage für sich. Aber ich möchte nun eine Be⸗ merkung aufgreifen, die Herr Braß gemacht hat. Herr Braß hat gemeint — und zwar glaubte er das aus einer Aeußerung des Herrn Abgeordneten Trimborn herausgehört zu haben —, das Bielefelder Abkommen habe dem Militär die Lage erleichtert und er fragt mich, ob ich vielleicht deshalb die Bielefelder Verhandlungen geführt habe, um Zeit zu gewinnen. Nein, Herr Kollege Braß, die Bielefelder Verhandlungen habe ich in ehrlicher Absicht und Ueberzeugung ge⸗ führt, daß sie den Boden abgeben könnten zu einer Verständigung und vor allen Dingen zu einer unblutigen Bereinigung der Sache. (Zurufe von den U. S.) Daß tatsächlich auch das Bielefelder Ab⸗ kommen auf die Ereignisse mildernd eingewirkt hat, das möchte ich in Anspruch nehmen. Darüber ist ja gar kein Zweifel: Wenn das Bielefelder Abkommen nicht gekommen wäre, dann wäre ein Kampf zwischen der geschlossenen Arbeiter⸗ und Reichswehrfront, ein ent⸗ setzlich blutiger Kampf gekommen. So sehr wir die Opfer bedauern, die jetzt gefallen sind — das Bielefelder Abkommen hat den Verlauf der Ereignisse gemildert und das ist Grund genug zu sagen, daß ich mich freue, daran mitgewirkt zu haben trotz mancher Mißverstäm⸗ nisse, die auch im eigenen Freundeskreis entstanden find. Herr Kollege Braß hat die Sache doch nach einer Richtung hin zu harmlos dargestellt. Er hat gesagt, man hätte das Volk dadurch wild ge⸗ macht, daß man ihm die Rätediktatur vorgemacht hat. Ja, Herr Kollege Braß, die ganze Aktion macht doch den Eindruck einer be⸗ stimmt vorbereiteten Aktion (hört! hörtl rechts) mit einem be⸗ stimmten Ziel. (Sehr richtig! bei den Mehrheitsparteien.) Ich kann mir nicht helfen, ich urteile nach gesundem Menschenverstand und nach dem Augenschein der Dinge. Es ist nicht möglich, eine Front von Wesel bis Münster aufzurichten innerhalb 24 Stunden ohne vor⸗ herige Vorbereitung. (Sehr richtig! bei den Mehrheitsparteien.) Es ist möglich, daß sich Gruppen zusammenfinden von 100 Mann, meinetwegen von 1000 Mann, auch daß sie sich draußen Schützen⸗ gräben machen, weil sie sich sagen, daß die Leute das alles gelernt haben und viele das gut können; aber meine Herren, eine Armee, die einheitlich geleitet wird, die Requisitions⸗ und Sanitätsabteilungen hat, muß einen Plan gehabt haben! (Lebhafte Zustimmung im Zentrum und rechts.) Das sollte man auch nicht leugnen. Die im „Münsterschen Anzeiger“ Nr. 147, 148, 149 vom 25. und 26. März veröffentlichte Denkschrift sagt das auch. Meine Herren, wenn das wahr ist, dann muß man doch fragen, zu welchen Zwecken und Zielen ein solcher Plan aufgestellt war. Ich will durchaus nicht unterstellen, daß man etwa den Plan gefaßt hat, um schließlich das Ruhrgebiet unrer Mord und Brand zu setzen oder sonstige Schreckenstaten zu verüben. Ich halte mich an die Tatsache, daß der Plan mit dem Kapp⸗Putsch los ging, und da haben allerdings die Herren, wenn sie überhaupt auf einen Erfolg der Sache rechneten, einen guten Griff getan. Der Kapp⸗Putsch hat die Leidenschaften aufgerührt. Wenn der nicht gewesen wäre — da stimme ich allen Rednern, vor allem dem Herrn Reichskanzler zu —, wäre auch die vorbereitete Bewegung
in wenigen Tagen erledigt gewesen. Denn der vernünftige Teil des
Industriegebiets hätte nicht mitgemacht, es hätte kein gewerkschaftlich organisierter Arbeiter die Flinte auf den Buckel genommen. Aber durch den Kapp⸗Putsch wurde das alles verdorben, dadurch war die Stimmung erwacht, wonach man glaubte, man kämpfe für die Ver⸗
fassung und für die Regierung.
Aber daß Pläne im Hintergvund standen, und daß die Bevölke⸗
rung des Industriegebiets davon Kenntnis hatte, ist doch klar. Ich
gestatte mir, hier ein Protokoll vorzulegen, ein Programm, das in einer Parteiversammlung der kommunistischen Partei der Ortsgruppe Oberhausen abgefaßt und später in den Akten des Zentralrats in Essen gefunden worden ist. (Zuruf von der Deutschen Volkspartei: Datum?) — Das Datum steht nicht dabei, das Schriftstück ist jetzt durch das Reichswehrkommando in Essen im Zentralrat in Essen gefunden worden. (Abgeordneter Braß: Der Zentralrat ist ja mit seinen ganzen Akten schon vier Tage, bevor die Reichswehr da war,
nach Barmen gezogen; das wird also Spitzelmache sein!) — Herr Braß. Wich kann nicht glauben, daß Herr Oberst Baumbach und seine Leute ein derartiges Ding fingieren können. Wenn ich das Schrift⸗ stück vorgelesen habe, wird die Versammlung mir zustimmen:
1) sofortige Wahlen zu den Betriebsräten in allen Betrieben vornehmen zu lassen. In Großbetrieben Werkstatt⸗ und Betreebs⸗
räte (auf je 100 Memm ein Werkstattvat, dieser wählt aus seiner
hat mit diesen armen Menschen das System groß gemacht, das uns mit England in den Krieg verwickelt hat? Diese Sünde rächt.
Wir wollen aber über das Ge-
wissen, daß, wenn dieser Standpunkt ausschlaggebend wäre, solche
Nun ein Wort zugunsten des Herrn Reichskommissars Sevbe⸗ ring. Ich weiß, daß die Tätigkeit des Reichskommissars Severing
Mitte den Betriebsrak). Wählber sind alle im Betriebe beschäf⸗ .-2 Arbeiter, die auf dem Boden der Diktatur des Proletariats ehen;
(Hört, hört! im Zentrum und rechts. — Zuruf bei den U. Soz.:
Nun jal) wahlberechtigt sind alle im Betrieb beschäftigten Arbeiter. 2) Klein⸗ betriebe werden zusammengelegt und wählen für sich einen Be⸗ triebsrat für Handel und Gewerbe. 3) Die Betriebsräte sämtlicher Betriebe am Orte wählen aus ihrer Mitte einen Aktionsausschuß, welcher die Angelegenheiten der sich am Orte befindlichen Betriebe zu regeln hat. Er hat sofort Fühlung zu nehmen mit den Aktions⸗ ausschüssen des Bezirks zwecks Bildung eines Bezirkswirtschafts⸗ rates. In den Aktionsausschuß können Genossen aus den links⸗ stehenden Parteien delegiert werden. Diese müssen Befüuvorter der Rätediktatur sein.
(Hört, hört! im Zentrwum und rechts.) 4) Der jetzige Vollzugsrat bleibt bestehen. 5) Sämtliche beschlag⸗ nahmten Lebensmittel und Bedarfsartikel sollen nur durch die Be⸗ triebsräte verteilt werdben. J 1““
(Sehr gutl bei den U. Soz.) 8 6) Vernichtung sämtlicher politischen Akton.
(Hört, hört! im Zentrum und rechts.) 7) Verhaftung der gesamten politischen Polizei.
(Hört, hört! im Zentrum und rechts.) 8) Errichtung von Revolutionstribunalen.
(Lebhafte Rufe: Hört, hört!) 9) Sofortige Errichtung einer politischen Propagandastelle. 10) Sofortige Herausgabe eines kommunistischen Parteiorgans am Orte. 11) Einsetzung einer Lebensmittelbeschl⸗ bekommissi welche Haussuchungen “
(hört, hört!) 8
„Ruhrecho“ erwähnt. Er hat gesagt,
bei den besitzenden Klassen vornimmt,
ssehr gut! bei den U. Soz.) . 8 um die sich in deren Besitz befindlichen überflüssigen Lebensmittel der Proletarierklasse zuzuführen.
(Sehr gutl bei den U. Soz. Zuruf rechts: Den Führernl)
Sie werden mir zugeben, daß man nicht gut annehmen kann, doß Oberst Baumbach, also ein Offizier, ein solches Programm zu⸗ sammengeschrieben hat. (Zuruf von den Sozialdemokraten: Unter⸗ zeichnet von wem?) — Ja, das weiß ich nicht. (Ahal bei den u. Soz.) — Das ist nur eine Abschrift, kein Original. Es kann auch Spitzelarbeit sein, das weiß ich nicht. Ich bin nicht verant⸗ wortlich. Aber, meine Herren, diese Dinge sind im Ruhrgebiet bekannt und werden geglaubt, und die Bevölkerung im Industrie⸗ gebiet sagt sich: wenn wir jetzt keinen Schutz haben, dann geht die Geschichte los (lebhafte Zustimmung im Zentrum und rechts), damn kommen eben diese Beschlagnahmungen. (Zuruf im Zentrum: Das hat man schon getan!) Ich bin nicht verantwortlich dafür, woher das Reichswehrkommando das hat. Aber wenn ich recht umterrichtet bin, ist das in den Akten des Zentralrats in Essen im Polizei⸗ präsidium gefunden worden.
Also so einfach ist die Sache nicht, wie Herr Braß es hingestellt hat. Die Befürchtungen der Bevölkerung sind nicht so ohne weiteres von der Hand zu weisen. (Zustimmung im Zentrum und rechts.)
Dann hat Herr Braß einen Fall bezüglich des Redakteurs des ich hätte an der Besprechung habe ich am Samstag auf Wunsch von ja alle kennen, und des Obersten von Baumbach einer Besprechung mit dem Redakteur des „Ruhrecho“ beigewohnt. Das „Ruhrecho“ hatte einen Artikel mit der Ueber⸗ schrift gebracht „Wo sind die Mörder?“ Meine Herren, dieser Artikel ist eine schwere Beleidigung der Reichswehr nicht nur im ganzen, sondern auch in der Verdächtigung jedes einzelnen Reichswehrsoldaten. (Hört, hört! rechts.) Das hat uns auch Herr Lachsé selbst zugegeben. Nun wundere ich mich, daß bei der Unterredung so ebwas heraus⸗ gekommen sein soll. Wir haben uns friedlich und nett unterhalten. Ich habe den Herren vorgestellt: daß Sie viel Material über Ueber⸗ griffe der Reichswehr bekommen, das glaube ich Ihnen ohne weiteres; aber wir bitten Sie doch, Ihrerseits dazu beizutragen, daß nun die Stimmung etwos vuhiger wird; bringen Sie all das Material und die Zeugnisse an die ordentliche Stelle. Oberst v. Baumbach hat zugesagt, daß er im Rathaus in Essen im Polizeipräsidium eine Stelle einrichten will, in der die Zeugen vernommen werden. Darauf wird vereinbart, der Redakteur Laché sollte jedem eine bestimmte Karte geben, und mit dieser Karte geht der Mann an die betreffende Stelle. Kann er nicht sofort vernommen werden, so wird ein Termin bestimmt, wamm er vernommen werden soll. Ich muß also den Obersten v. Baumbach dagegen in Schatz nehmen, daß er irgend etwas zu vertuschen versucht; nein, nach der Erklärung — ich habe keinen Grund, an der ehrlichen Stellung des Obersten v. Baumbach irgendwie zu zweifeln — hat er den richtigen Weg gewählt, indem er das „Ruhrecho“ auf den Weg gewiesen hat, die Zeugen direkt vorthin zu bekommen, wo sie hingehören, um Aufregung möglichst zu verhindern.
Zum Schluß möchte ich nur noch einige wenige Worte sagen. Es ist ein Irrtum, wenn man glaubt, daß Deutschland die Revo⸗ lutionsepoche überwunden hat. (Sehr richtig! rechts.) Das wäre auch nicht verständlich. Nach einem so furchtbaren Kriege und nach einer Revolution, die bei einer bankrorten Volkswirtschaft einsetzt, bei einem zermürbten Volkstum einsetzt, ist es begreiflich, daß unsere Volksseele noch lange in Irrung und Verwirrung bleibt, ganz be⸗ sonders auch aus dem Grunde, den der Herr Reichskanzler unter⸗ strichen hat, weil wir unserem Volke bis jetzt noch nicht die phy⸗ sischen Lebensbedingungen, vor allem Lebensmittel geben können, die seine Seele und seinen Verstand gesund werden lassen. (Sehr richtig! im Zentrum.)
Es ist viel Not und Enttäuschung, Enttäuschung auf beiden Seiten. Es ist begreiflich, daß vor allen Dingen die linksstehenden Kreise über den Gang der Entwicklung eine furchtbare Enttäuschung erleben. (Hört, hört! rechts.) Ich bann mir vorstellen, daß ein Sozialdemokrat unter den Ereignissen sich ganz etwas anderes vor⸗ gestellt hat, als das, was eingetreten ist (sehr richtig! im Zentrum), daß es außerordentlich bitter ist, eine solche Enttäuschung zu erleben. (Hört, hört! rechts.)
Die Enttäuschung rechts wird bitter sein. Sie (nach rechts) haben auch nicht geglaubt, daß die Monarchie mit 26 Bundesfürsten in 24 Stunden erledigt sein werde. (Zustimmung rechts.) Wenn man Ihnen das vor dem Krieg gesagt hätte, hätten Sie uns aus⸗
gelacht. (Sehr richtig! rechts.)
teilgenommen. In der Tat Herrn Obermeyer, den Sie
Erachtens ist die Sachdarstellung, wie der
Das ist eine Enttäuschung nach rechts und nach links. Aber, meine Herren, es gibt noch einen Mittelpunkt, den wir ins Auge fassen wollen, den auch der Herr Kollege Trimborn so kraftvoll hervorgehoben hat. Wir müssen doch die politischen Gegensätze, die uns trennen, in dem einen Ziele gemeinsam zu überwinden versuchen: das Reich in seiner Einheit zu erhalten. (Sehr richtig! bei den Mehrheitsparteien und rechts.) Ich möchte den Herren von links sagen: was ich aus der Ruhrbewegung befürchte, ist, daß sie schließlich der Beginn des Auseinanderfallens unseres deutschen Vater⸗ landes ist. (Lebhafte Zustimmung bei den Mehrheitsparteien.) Die Besetzung von Frankfurt und Darmstadt, das kürzlich veröffentlichte Protokoll von Mainz läßt doch den Schluß zu. Man braucht nicht bloß solche Dokumente zu haben, man braucht nur den Friedens⸗ vertrag zu lesen, man braucht nur die Aspirationen der französischen Militärpartei zu kennen, um zu wissen, daß der Verfall Deutschlands, sein Auseinandertreiben ein Kriegsziel ist und bleiben wird. (Er⸗ neute Zustimmung.) Sollen wir Deutsche nun so verbohrt und verblendet sein, daß wir selbst diesen Zerfall begünstigen? Cebhafte Rufe: Sehr gut!) Nein, das dürfen wir nicht. Wir müssen auch mit den Volkskreisen, die politisch anderer Meinung sind, als wir, mögen sie nun noch so rechts oder links stehen, zusammenstehen für die einheutliche Geschlossenheit des Deutschen Reiches, die die Grundlage der Existenz des deutschen Volkes bildet. Ich meine, das sollten wir trotz aller politischen Wirren und trotz der Ruhrvorgänge als ein gemeinsames Programm aus diesen traurigen Tagen heraus⸗ nehmen. (Lebhafter Beifall bei den Mehrheitsparteien.)
Reichswehrminister Dr. Geßler: Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es wird mir eigentlich schwer, nach den warmherzigen Ausführungen, die Herr Kollege Giesberts eben gemacht hat, noch etwas zu sagen, und doch muß ich einiges sagen. Ich knüpfe an das an, was er immer wieder betont hat: wie kommen wir aus den uner⸗ träglich geworden Verhältnissen heraus? — das ist doch die Frage, die wir uns jetzt täglich und stündlich vorlegen —, da muß ich sagen: wir kommen nicht heraus, wenn es uns nicht gelingt, diese Atmosphäre des Mißtrauens zu entgiften. (Sehr richtig! bei den Mehrheits⸗ parteien.) Da muß ich allerdings sagen, tragen dann Ausführungen, wie sie von Herrn Abgeordneten Braß gemacht worden sind, nicht dazu bei. (Lebhafte Zustimmung bei den Mehrheitsparteien.) Meines Abgeordnete Braß sie vor⸗ getragen hat, nicht so, daß er sagen durfte: das ist bistorische Wahr⸗ heit. Ich muß Einspruch gegen die Darstellung einlegen, wie sie Herr Braß gegeben hat.
Der Herr Abgeordnete Braß hat eine gange Fülle von Material hier vorgebracht, die uns, wenn wir das Material bekommen hätten, vielleicht die Möglichkeit gegeben hätte, die Spuren der Kapp⸗Ver⸗ schwörung in ihren Einzelheiten zu verfolgen. Wir haben sie nicht bekommen. (Hört, hört!) Bei den Verhandlungen in Bielefeld ist der Herr Abgeordnete Braß ausdrücklich ersucht worden, uns das Materioal zu geben. (Cebhafte Rufe: Hoört, hört!) Er hat uns nicht einmal eine Abschrift von diesem Material gegeben. Ich muß mir deshalb eine nähere Prüfung vorbehalten; denn es ist nicht möglich, diese Fülle von Material im einzelnen zu verarbeiten.
Aber eigentlich bin ich enttäuscht gewesen. Was ich an schlüssigem Material gehört habe, vor allem gegen den General von Watter, das kam mir außerordentlich dürftig vor. (Rufe von den Unabhängigen Sozialdemokraten: Noch mehr!) Ja gewiß, aber dann bitte ich, doch das Material zu geben. Sie verlangen von uns — mit Recht — energisches, vasches Durchgreifem. Dazu sind wir bereit. Wir haben die gangen gesetzlichen Vollmachten auf die Zwilgerichte übertragen. Wir tun alles, aber wir können das Material nicht bekommen. Ab und zu bekommen wir irgend eine Zeitung, irgend einen Brief oder so etwas, aus allem Zusammenh gerissen, einen Brief, der möglicher⸗ weise sehr belastend sein könnte, einen Brief aber auch, der sych als verhältnismäßig harmlos herausstellte, wenn er eben in den Zu⸗ sammenhang der Dinge gestellt ist.
So kann ich sofort sagen: wegen des einzigen Briefes, der jetzt gegen Herrn von Watter in der Zeitung veröffentlicht worden ist, und in dem dovon gesprochen gesprochen ist, daß die Aktion am 15. März beginnen soll und daß das Korps Lützow hierber abgeordnet werden soll, ist Herr von Watter sofort zur Verantwortung g. und er hat die dienstliche Erklärung abgegeben, daß niemals in seine Hände gekommen ist. Wohl hat aber der General von Watter erklärt, daß er allerdings alles getan hat, um zu verhindern, daß die Freikorpe, die offenbar bestimmte Pläne gehabt haben, nach Berlin gekommen sind. (Zuruf von den Unabhängigen Sozialdemokraten: Und das glauben Sie?) — Meine Herren, ich glaube nichts, ich bin außerordentlich ungläubig und sehr kritisch; aber ich bemühe mich doch andererseits, nicht leicht⸗ fertig zu sein, und jemanden bloß deshalb, weil er in schwieriger Lage ist oder weil er da und dort mit Leuten übers Kreuz gekommen ist, ungehört zu verurteilen. Wenn man die Reichswehr wieder in Ordnung bringen will — und das halte ich für eine Lebensaufgabe für das deutsche Volk —, dann werden Sie das nur tun können, meine Damen und Herren, wenn Sie auch der Reichswehr den Rechtsschutz zuteil werden lassen, auf den jeder Bürger des Deutschen Reiches, auch der geringste, Anspruch macht. (Sehr richtig!l bei den Mehrheitsparteien.) Daran müssen wir unter allen Umständen fest⸗ halten. Ich behalte mir vor, das Material, das mir ja nun wohl durch die Reichstagsverhandlungen zugeht — auf andere Weise habe ich es nicht bekommen können —, nachzuprüfen und auf Grund des hier vorliegenden Materials durchzugreifen.
Ich hatte schon in meinen ersten Ausführungen bemerkt, daß mir gwei Dinge in der Reichswehr dringend notwendig scheinen zu reformieren. Das eine ist der Nachrichtendienst (sehr richtig! links), das andere der Aufklärungsdienst. Ich stehe nicht an, zu sagen, daß ich aus meiner Erfahrung als Oberbürgermeister von Nürnberg das Gefühl habe, daß sich allerdings in dem militärischen Nachrichtendienst eine Anzahl von Existenzen herumtreiben, in denen ich eine große Gefahr für die öffentliche Moval erblicke. (Sehr richtig! links. — Zuruf von den Sozialdemokraten: Nicht bloß im militärischen!) — Die anderen Sachen gehen mich, Gott sei Dank, nichts an. (Heiterkeit.) Ich habe mit meiner Sache zurzeit mehr zu tun, als mir lieb ist, aber ich habe vor, vor allen Dingen da einzugreifen.
Eine zweite Sache ist der meines Erachtens nicht weniger moderne, vorurteilsfreie Menschen bedarf,
militärische Aufklärungsdienst, der gründlich der Behandlung durch die den Soldaten zwar
nicht parteipolitisch ausnützen sollen, die ihm aber das Maß von
8 F
allgemeiner und staatsbürgerlicher Bildung vermitteln, die ihn hindert, auf jedes Schlagwort hereinzufallen.
Nun noch einige Bemerkungen zur Sache! Ich erkläre hier noch einmal: Wir haben keinen anderen Wunsch als den, unsere Truppen möglichst rasch aus dem Ruhrgebiet herauszuziehen. Wir müssen das aus internationalen Gründen tun, und wir müssen, wenn wir von der Entente verlangen — und wir verlangen das —, daß sie uns loyal nimmt, unsere Verpflichtungen auch loyal halten. (Sehr richtig! bei den Mehrheitsparteien.) Damit das aber möglich ist, ist eine Be⸗ ruhigung nötig. Die Unruhe im Ruhrgebiet ist ganz außerordentlich groß. Jetzt, nachdem einigermaßen der rote Terror sich von der Be⸗ völkerung gelöst hat, nachdem man sich einigermaßen getraut, zu reden, wie die Dinge gewesen sind, erklären auch Tausende von Beamten: Wenn die Regierung nicht in der Lage ist, bei dem Abzug der Truppen alle möglichen Garantien zu geben, daß dieser rote Terror nicht wieder⸗ 8 kehrt (sehr richtig! rechts), dann ist ein Verbleiben im Ruhrgebiet nicht möglich (sehr richtig! im Zentrum), das würde in einem Gebiet, das von einer so ungeheuren volkswirtschaftlichen Bedeutung ist wie das Ruhrgebiet, unerträglich sein. (Zuruf von den Unabhängigen Sozialdemokroten.) — Nein, wir sehen keine weißen Gespenster. Ich mache nur auf folgendes aufmerksam: ich habe hier vor mir die „Dortmunder Zeitung“ vom 13. April, Morgenausgabe. (Abgeordneter Hue: Sehr vorsichtig zu geniehen!) — Herr Abgeordneter Hue, wollen Sie einen Angenblick warten. Ich würde es mir nicht erlauben, diesem hohen Hause Zeitungsartikel vorzulesen; dazu stehe ich der gangen Sache viel zu mißtrauisch gegenüber. Nein, es sind Beratungen der Dort⸗ munder Stadtverordnetenversammlung. Nach der Erklärung des Ober⸗ bürgermeisters nimmt das Wort der Stadtverordnete Beumken, und dahinter steht in Klammern „Sozialist“. (Heiterkeit.) — Meine Herren, ich möchte Sie bitten, die Sache ist ja so furchtbar ernst (sehr richtig! bei den Deutschen Demobkraten), und mir liegt es absolut fern, diese Dinge irgendwie parteipolitisch zu behandeln; denn es handelt sich um eine Lebensfrage des deutschen Volkes. (Sehr richtig! im Zentrum und bei den Deutschen Demokraten. — Zuruf von den Sczialdemokraten.) — Meine Herren, ich sagte ja: ich bitte Sie, damit wir in diesem Widerspruch der Meinungen doch zu eimer gewissen Klärung kommen und uns in der Debatte doch etwas in die Lebens⸗ notwendigkeiten des Volkes versenken. (Zuruf rechts: Und gestern?) — Das hat ja keinen Wert mehr, gestern ist vorbei; es kommt nur darauf an: wie kommen wir heraus? (Lebhafte Zustimmung.)
Also der sozialestische Stadtverordnete sagt — und ich unter⸗ schreibe das, was er sagt, auf die Gefahr hin, num wieder als roter Wehrminister zu erscheinen, wie mir das als roter Bürgermeister so oft passiert ist —:
Aber nach Lage der Verhältnisse wͤrde ich es als einen Fe hetvachten, wenn die Reichswehr eher abrückt, als bis das gange Industriegebiet von Waffen gesänbert ist. Ich würde es für ein um⸗ geheures Unglück halten, wenn eine große Anzahl von Waffen noch im Besitz von unkontrollderbaren Elementen bliebe. Die ruhige Bürger⸗ und Arbeiterschaft wirde dann vielleicht noch etwas Schlimmeres erleben, als wir am 11. März erlebten.
— Und nun, meine Herren, geben Sie acht! — Zur Illustration möchte ich ein Fugblatt derlesem dos in Hörde vertellt worden ist. Es lautet:
Volkdsgenossen! Haltet fest un den Ümkostehenden Parteien! Scheinbar haben die Mehrheitssohialisten die Gewalt, aber die Tage dieser Sippschaft find gegählt. Die rote Armee wird zu neuem Schlägen ausholen (hört, hört!) und vielleicht abrechnen mit denen, die sich heute daßs hergeben, ihre eigenen Bolksgenossen zu verbaften. Merkt Euch diese Glendigen, damit sve der gerechten Strafe nicht entgehen!
att?) — Das ist ein Flugblatt, das nach den Mitteillungen des
sozwolistischen Sbedtverwordneten in Hörde verteibt worden ist. (Zeruf von den Unabhängigen Sogiwldemclvaten: Von wemf — Heiterbeit.) — Es wendet sich an die Volksgemossen. — Ich habe den Einwand erwartet: „Spitzelarbeit!“ Darauf möchte ich fobgendes erwidern: Selbst wenn es Spitzelarbeit ist, ist es außerordentlich gefährlich (leb⸗ hafte Zustimmung bei den Mehrheitsparteien), weil dadurch das ver⸗ hindert wird, was allein die Wiederbehr der Ordmumg im Rubvgebiet verbürgen bann, nämlich die Beruhigung der Bevölberumng. Scolange der eine dem anderen nicht über die Stvaße tvanen komn, tritt keime Bevuhi⸗ deshalb, ob es mm echte Arbeit oder Spitzel⸗ arbeit ist, nmß i daß die Reichsvegievung die Ver⸗ pflichtung hat, jedem Stacttsbürger seimen verfossumgsmäßigen Schutz zu garantieren. Wer wünscht, daß wir aus dem Ruhrgebiet vasch herauskommen, der muß dort selbber heer Berubhigung beitvagen.
Ich habe allerdings — dos muß ich gegenüber den Ausfühvungen des Herrn Braß bemerken — ein weiteres Bedenken. Wenn man sagt, Entente, etwa der Senegalneger, die vor der Frankfunber Univerf liogen, als den Einmnensch der Reichéwehr. so ist das eine Gesinnumg, die ich nicht versteben körmrte von jemomd, der auch nur einen Tvopfen
Blubs in seinen Adern het. (Tebhafte Zustiinmmung.) Nein. an deven Spitze der Oberbürgermeister Huther stehht, ein Mom wir alle als einen ruhigen und besonnenen Mann kennen, hat einstimmig eine Resolutiomn gefaßt, worin anerkamt wird, daß die Reichswehr erst eingerückt ist, cls sie unter dem Zwang der Umstände gar nicht anders komnmte. Und außerdem aber auch, daß die Reichswehr — Ausschreitungen können wir im eimn nicht verhindern, die kommen büben und duüben vor. Es gilt nicht für uns, was Herr Braß füͤr den Mam in Amspmuch nimmt, der einen Fabvikdirektor totgeschlagen hat, indem er sagt: das sind Dinge, die wir verurteilen ssehr gut! bei den Mehvrheitsparteien und rechts), derartige Ausschreitungen müssen wir auch im Bürgerkrieg, in diesem Scheußlichsten, was es gibt, natüͤrlich bedauern. b U wüche ben Hanm AMCeolrehe
Also so ist die Soche nicht, und i ber er wieder zur Rheimlandkommission nach Koblenz
gehte um dort ücber deutsche Verhältnisse Aufschluß zu geben (lebhafte Rufe: Hört, hörtl und Bewegung), — ich würde bitten, daß danm Herr Bruß doch auch der Objenttitat umt der hifborischen Waörbeit zu Liebe diese Dinge, diese offügtellen Erklänmgen der Stedtver⸗ waltungen mitteilt; denn Herr Braß geht zur Rheinlandkommission. (Stövmische Rufe: Hört. hövtt und Pfuil — Große Bewegung.) — Meine Damen und Herren! Wir wollen die Dimge feststellen, wie
sie sind. Ich soge es ohne Leidenschaft. Ich habe nämlich hier ein