1920 / 88 p. 7 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 26 Apr 1920 18:00:01 GMT) scan diff

Ländern böses Blut erregt. In der Preußischen Landesversammlung haben der Minister der öffentlichen Arberten, der Berichterstatter und eine Reihe von Rednern hiergegen entschieden Verwahrung eingelegt. Dabei ist von fast sämtlichen Rednern mit Einschluß des Vertreters der mehrheitssozialistischen Partei betont worden, daß der für Preußen festgesetzte Uebernahmepreis von 30,6 Milliarden keineswegs zu hoch, sondern durchaus angemessen sei. Pflicht der Loyalität des Reiches gegenüber den Ländern gebietet es die Länder gegen den in dieser Schärfe ausgesprochenen Vor⸗ wurf in Schutz zu nehmen, zumal dadurch gleichzeitig der Reichs⸗ regierung vorgeworfen wird, daß sie sich von den Ländern habe übers Ohr hauen lassen. Einflußreiche Länder hatten bei den Verhandlungen betont, daß mit Zugrundelegung des Standes der Valuta das 10⸗fache des Friedenswertes des statistischen Anlagekapitals in Betracht als angemessen kommen würde, daß sie sich aber mit dem 3—5⸗fachen zu⸗ frieden gäben. Demgegenüber habe ich mit aller Schärfe die Länder vor einer Ueberspannung ihrer Forderungen gewarnt und besonders nachdrücklich heworgehoben, daß eine Ueberkapitalisierung und die dadurch unvermeidlicherweise bedingte unerträgliche Tarif⸗ er höhung nicht etwa nur das Reich schädigen, sondern daß sich eine unwirtschaftliche und unsolide Tarifpolitik, am ehesten bei den Ländern rächen werde, die dadurch naturnotwendig in ihrer Verkehrsentwicklumg und Wirtschaftsgebarung gehemmt und geschädigt würden. Nach langwierigen Verhandlungen haben sich die Länder schließlich mit der Erklärung, daß dies ihr äußerstes Entgegenkommen bedeute, zu dem vorliegenden Kompromisse bereitgefunden. Wenngleich die Reichsregierung selbstverständlich dem dringenden Wunsch gehabt hatte, mit einem billigeren Uebernahmepreise abzukommen, so glaubte sie doch aus sachlichen Erwägungen sich hiermit abfinden und die Verantwortung für ein Scheitern des Staatsvertrages nicht tragen zu können. Bevor ich Ihnen diese finanziellen Erwägungen der Reichsregierung erörtere, muß ich zum Verständnis der Vorlage eine Erläuterung über ibren Werdegang machen.

Der rechtliche Charakter der Vorlage orgibt sich aus seiner Doppelnatur als Staatsvertrag und Gesetz. Ihre Einteilung und ihr wesentlicher Inhalt sind bereits vom Herrn Be⸗ richterstatter vorgetragen worden.

Artikel 171 der Reichsverfassung sah als äußersten Zeitpunkt der Uebernahme der Staatseisenbahnen den 1. April 1921 vor. Mit Zu⸗ grundelegung der in Weimar hierüber gepflogenen Verhandlungen glaubte das Reichsverkehrsministerium seine Organisation darauf ein⸗ stellen zu sollen, daß eine frühere Uebernahme nicht angängig sei. Die Greignisse erwiesen sich laber als stärker wie diese Vorausberechnungen. Hochpolitische, wirtschaftliche, finanzielbe und betriebliche Gründe zwangen dazu, einen früheren Zeitpunkt der Uebernahme herbeizuführen und alles darauf einzustellen, die Ueber⸗ leitung zum 1. April 1920 zu datieren. Ich will es mir versagen, diese von mir im Ausschusse eingehend dargelegten Gründe hier noch einmal zu wiederholen. Erinnern darf ich Sie nur daran, doß die im November v. J. infolge des vorzeitigen Winters eingetretene Verkehrsnot, die katastrophal auszuarten drohte, das Reich zu durchgreifenden Maßnahmen zwang, zumal auch die Länder und die breiteste Oeffentlich⸗ keit hierauf drängten. Wollte man aber von Reichs wegen der Gefahr zukünftiger Verkehrskatastrophen rechtzeitig begegnen, dann mußte man dem Reichsverkehrsministerimm auch die erforderlichen Zu⸗ ständigkeitem gewähren. Dazu halfen aber nicht halbe Maß⸗ nahmen, wie sie von manchen Seiten vorgeschlagen wurden, sondern nur ein entschlossener Schritt, der allein in der unverzüglichen Uebernahme des gesamten Eisenbahnnetzes bestehen konnte. Lagen die politischen Gründe vornehmlich in den fort⸗ gesetzten vnd unerträglichen Störungen des Wirtschaftslebens, Putschen und Streiks, so gesellten sich dazu die wirtschaftlichen Gründe, die einen beschleunigten Neoeuaufbau in einer von einem Einheitswillen beseeblten Verwaltung bedingten. In finanzieller Hinsicht war die Tatsache durchschlagend, daß die Länder auf die Dauer die fortgesetzten Fehlbeträge der Eisenbahnver⸗ waltungen umsoweniger tragen konnten, als ihnen durch die neuer⸗ liche Steuerpolitik des Reiches die Steuerquellen ab gegraben wurden. Schließlich kam noch das unaufhaltsame Drängen des gesamten Eisenbahnpersonals dazu, das unter allen Umständen die Uebernahme zum 1. April 1920 ver⸗ langte, weil es unbedingt aus der Unruhe herauskommen wollte und die zum 1. April 1920 vorgesehene Reichsbesoldungsordnung auch für sich ni Anspruch nahm. 1

Diese zwingenden Tatsachen stellten das eben erst aus der Taufe gehobene Reichsverkehrsministerium vor zwei überaus dringliche und schwierige Aufgaben, nämlich die schleunige Fertigstellung des Staats⸗ vertrages für die Uebernahme der Bahnen und die Neugestaltung des gesamten Eisenbahnwesens. Zur Durchführung dieser Aufgaben erwies sich die Notwendigkeit einer Arbeitsgemeinschaft mit Personal und Wirtschaft. Die Arbeitsgemeinschaft mit dem Personal hat sich durch Angliederung ihrer Organisationen an das Reichsverkehrsministerium als durchaus ersprießlich erwiesen. In⸗ zwischen ist auch eine Arbeitsgemeinschaft mit Technik und Wirtschaft geschaffen worden. Neben dem Hauptausschuß, der zur Zeit etwa 65 Mitglieder zählt, besteht ein engerer Ausschuß, zu dem Vertreter der wichtigsten Wirtschaftsgebiete, insbesondere Landwirtschaft und Industrie, Handel und Gewerbe, Verkehr und Presse, gehören. Dabei soll es sich nicht etwa um ein nach dem starren System gebildetes, sondern je nach Bedarf zu ergänzendes und umzugestaltendes Gremium handeln. Dem Ausschusse habe ich bei seiner Errichtung überzeugend dargelegt, aus welchen Gründen eine früheve Zusammenberufung leider nicht möglich war. Ausdrücklich hervorheben muß ich hierbei, daß durch diesen Hauptaus⸗ schuß und seine Nebenausschüsse keineswegs etwa die Bedeutung der parlamentarischen Körperschaften und der im Artikel 93 vorgesehenen Mitarbeit von praktischen Männern des Wirtschaftslebens herabgesetzt werden soll, ebensowenig wie die Mitwirkung der ständigen Tarif⸗ kommission. Der vom Ausschusse vorgeschlagene „besondere Bei⸗ rat“ wird demgemäß eine zweckentsprechende Organisation und Zu⸗ sammenschließung alsbald in die Wege leiten müssen.

Auf Einzelheiten der Vorlage und der hiergegen sprechenden Be⸗ denken will ich in der Vollversammlung nicht mehr eingehen. Nur einen Punkt möchte ich herausheben. .

Besonderen Anstoß hat § 8 der Vorlage erregt, wonach das Reich

bedarf. Dazu bemerke ich ausdrücklich, daß § 3 nicht etwa auf Ver⸗ anlassung der Reichsregierung, sondern auf Wunsch der Länder auf⸗ genommen worden ist, die diese Bestimmung glaubten zu ihrer Sicherung und namentlich zum Schutze der Eisenbahnobligationäre und sonstigen Gläubiger zu benötigen. Der vom Ausschuß vorgeschlagenen Entschließung stellt das Reichsverkehrsministerium hiernach keine Bedenken entgegen. Nachdrücklich wird aber betont, daß die Reichsregierung an eine Veräußerung oder Verpfändung der Eisen⸗ bahnen niemals gedacht hat. Alle entgegenstehenden Ge⸗ rüchte und Aeußerungen entbehren jeder tatsächlichen Unterlage. Wenn hierzu in der Preußischen Landesversammlung der Antrag gestellt wurde, Eisenbahnen als unveräußerliches und unverpfändbares Gut zu bezeichnen, so wurden durch diesen Vorschlag offene Türen eingerannt.

Der Fehlbetragderkünftigen Reichseisenbahnen von 10 Milliarden fällt nicht dem Staatsvertrage zur Last, sondern ist Folge der Verreichlichung, die durch die Verfassung vorgeschrieben ist.

Die Länder hätten etwa den gleichen Fehlbetrag. Zu Lasten des Vertrages geht nur die Erhöhung der Zinsen, diese ist aber nicht aus⸗ schlaggebend. Jetzt sind an Zinsen und Tilgung etwa 2 Milliarden auf⸗ zubringen. Die Länder hätten bei 25 Milliarden Eisenbahnschulden mindestens 1 Milliarde aufzubringen, wahrscheinlich mit Rücksicht auf die vorhandenen Fehlbeträge noch mehr.

Außerdem kann dem Reichseisenbahnetat bei richtiger Bilanzauf⸗ stellung nicht die Zinslast für die volle Abfindung aufgebürdet werden, weil darin Beträge enthalten sind, die das Reich als Entschädigung ohnehin hätte zahlen müssen, nämlich für die an die Entente abzutretenden Strecken (schätzungsweise 3 ½ Milliarden) und für die nach dem Waffen⸗ stillstandsvertrage auszuliefernden und für die verlorenen Betriebsmittel noch etwa 2 1.¼ Milliarden. Auch die Fehlbeträge von 7 ½ Milliarden hätten als Kriegsfolge auch ohne Verreichlichung gezahlt werden müssen. Demnach können billigerweise der Eisenbahn nur die Zinsen für etwa 30 Milliarden mit etwa 1400 Millionen zur Last gelegt werden.

Die Mehrlast von etwa 400 Millionen schlägt bei dem Anwachsen der Ausgaben nicht mehr zu Buche. Während die Zinsen im letzten Friedensjahr mit 600 Millionen von 3 Milliarden Ausgaben rund 20 Prozent ausmachten, machen sie im neuen Etat der Reichseisenbahnen mit 2 Milliarden bei 20 Milliarden Ausgaben nur noch 10 Prozent aus. Wenn es demnächst gelingt, was gelingen muß, Ausgaben und Ein⸗ nahmen in Einklang zu bringen, dann spielt diese Zinsdifferenz keine ausschlaggebende Rolle.

Eine reichliche Abfindung mußte zugestanden werden, aus folgenden Gründen:

1) Ueber den eigentlichen Anlagewert konnte hinausgegangen werden, weil mit einer dauernden Gelldentwertung zu rechnen ist. (Sehr richtig!t) Der Zuschlag zum Anlagewert, der den Ländern im Vergleichswege zugebilligt ist, wird etwa einer Geldentwertung um ein Drittel entsprechen. Die Länder haben die Verfügung über ihr wert⸗ vollstes Vermögensobjekt aufgegeben. Ihre Behauptung, daß in Zu⸗ kunft bei Wiedereintritt besserer Verhältnisse auch wieder eine Rente aus den Eisenbahnen herausgewirtschaftet werden würde, läßt sich nicht widerlegen, auch wenn man dies nicht für wahr⸗ scheinlich hält.

2) Es handelt sich nicht um eine Veräußerung an Fremde, sondern um eine finanziellle Ausgleichung der verschiedenen Staatsorganisationen des deutschen

Wirtschaftsgebietes. Die Abgeber der Bahnen sind zu⸗ gleich ihre Erwerber, da das Reich sich in der Hauptsache aus den Eisenbahnländemn zusammensetzt. Es wird also nur aus einer Tasche in die andere Tasche gezahlt. Was die Landesangehörigen nach dem Vertrag etwa zu viel erhalten, müssen sie als Reichsangehörige zur Deckung der Fehlbeträge wieder aufbringen, besonders nachdem die ein⸗ heitliche Steuergesetzgebung durchgeführt ist.

3) Eine kleinliche und karge Bemessung der Abfindung hätte der Gegnerschaft gegen die Verreichlichung, die noch sehr heftig war, ein starkes Agitationsmittel in die Hand gegeben. Wenm die deutsche Einheit auf einem ihrer wichtigsten Gebiete gekauft werden mußte, so darf man nicht davor zurückschrecken, auch einen hohen Preis anzulegen.

Im übrigen liegt der Schwerpunkt der Vorlage und dementsprechend auch das Schwergewicht der hiergegen gerichteten Bedenken einmal in den Vorschriften über die Organisations⸗ und weiter in der Regelung der Finanzfrage.

Was die Organisationsfrage anlangt, so will ich nicht verschweigen, daß auf das unbedingte Verlangen der Länder manche Be⸗ stimmungen haben in Kauf genommen werden müssen, die für die erwünschte möglichst fessellose Ausgestaltung der Organisation dem Reichsverkehrsministerium nicht gerade bequem waren. Das gilt von den Uebergangsvorschriften wie von der späteren endgültigen Regelung. Aber sie konnten schließlich doch als erträglich hingenommen werden, zumal dadurch Hoheitsrechte des Reichs nicht erschüttert werden. Vor⸗ gesehen ist überall die entscheidende Mitwirkung des Reichsrats. Grundlegend ist der Gedanke einer weitgehenden Dezentrali⸗ sation der Verwaltung, die der maßgebenden Einheit des Verkehrs keineswegs entgegensteht, sondern sie bei sinngemäßer und zweckentsprechender Durchführung erst ermöglicht.

Auch die Rechte und Interessen der eisenbahnfreien Länder sind gebührend gewahrt und geschützt worden. Hierüber verhält sich ein nach eingehender Beratung mit den Vertretern der Eisenbahnländer festgelegter Vertragsentwurf, der voraussichtlich demnächst rechtsver⸗ bindlich wird.

Weiter wind zur Lösung der schwierigen Finangfrage äußerste Sparsamkeit auf allen Gebieten des Betriebs und der Verwaltung sowie der Bahnbauzen unerläßlich sein. Natürlich muß auch hier Sparsamkeit zur rechten Zeit und am rechten Ort gewaltet werden. Notwendige Bauten und sonstige wirtschaftliche Maßnahmen, die der Förderung des Verkehrs nachweislich dienen, dürfen selbstwerständlich nicht unterbleiben.

Die zur Besserung des Verkehrs dienlichen Mittel, vor allem Förderung der Leistungen des Personals, Steige⸗ rung der Leistungsfähigkeit des Apparates und finanzielle Regelung sind unverzüglich in Angriff zu nehmen. Hierbei wird die Arbeitsgemeinschaft mit Personal⸗ und Wirtschaftsvertretung an erster Stelle einzusetzen haben. Auf eine gut bezahlte und arbeitsfreudige Be⸗ amtenschaft und Arbeiterschaft ist Bedacht zu nehmen. Andererseits sind aber an die Selbstzucht und gesteigerte

Unter dem Komplex von Problemen, die sich mit der Förderung der Leistungsfähigkeit des eigentlichen Eisenbahnapparates zu beschäf⸗ tigen haben, ist am einschneidensten in Verbindung mit der Betriebs⸗ führung und Verkehrsgestaltung das Werkstättenwesen. Der Materialmangel, aber auch sonstige beklagenswerte Umstände, haben den denkbar schädlichsten Einfluß auf das gesamte Werkstättenwesen ausgeübt. Die Werkstättenfrage darf daher tatsächlich als die brennendste bezeichnet werden, zu deren Lösung die tiefgründ ge Zusammenarbeit mit Personal⸗ und Wirtschaftsvertretung geboten ist. Dabei werden die von den Ländern, besonders von Preußen unter Zu⸗ ziehung von Sachverständigen geleisteten dankenswerten Vorarbeiten eine willkommene Unterstützung bieten. Für die unbedingt erforderliche Erhöhung der Leistungen im Werkstättenwesen wird die zeitgemäße und zweckentsprechenee Vereinbarung eines Lohnsystems und die Gleichartigkeit der Betriebe geboten sein. Sorgfältige Kontrolle des Materials ist mit äußerster Sparsamkeit bei den Beschaffungen zu ver⸗ binden.

Auch der Betriebs⸗ und Verkehrsdienst bedarf einer gründlichen Umgestaltung. Das gilt namentlich von einer zweck⸗

tsprechenderen Ausnutzung des Eisenbahnnetzes und einer rationelleren Regelung des Güterverkehrs. Auch das wichtige Problem der Einführung des Zwei⸗ klassensystems wird baldigst zu lösen sein.

Vielleicht darf ich Ihnen nunmehr einzge Bilder aus deutscher Vergangenheit vorführen, aus der guten alten Zeit, wo man noch mit Millionen rechnete statt mit Milliarden, mit Ueberschüssen statt mit Fehlbeträgen, wie sie uns Kriegsverlust und sonstige Folgewirkungen brachten.

Die Eisenbahnen waren vor Kriegsausbruch nicht nur in Preußen, sondern auch in den andeven Ländern das Rückgrat der Finanzen. Das kam insbesondere darin zum Ausdruck, daß im Jahre 1913, im letzten Jahre vor Kriegsausbruch, ein Ueberschuß der preußischen Eisenbahnen in Höhe von 462,9 Millionen Mark erzielt worden ist. Damals wurde in den Parlamenten darüber gestritten, in welcher Weise dieser Ueberschuß zweckentsprechend verwendet und auf den Eisenbahnetat, wie auf das Gesamtbudget, verteilt werden solle. Dieses Streites sind wir für absehbare Zeit überhoben.

Im Jahre 1914 senkte sich im preußischen Eisenbahnetat der Ueberschuß auf 103 Millionen Mark herab, ging aber im folgenden Jahre auf 351 Millionen Mark und im Jahre 1916 sogar auf 444,9 Millionen Mark in die Höhe. Die Kurwe senkte sich dann im Jahre 1917 auf 149,6 Millionen Mark. Das letzte Kriegsjahr 1918 endete sogar mit einem Fehlbetrag von 1712,9 Millionen Mark, und das Jahre 1919 steigerte diesen Fehlbetrag auf die enorme Höhe von 43 Milliarden Mark. .

Aehnlich gestaltete sich die Entwicklung in den übrigen Eisenbahn⸗ ländern, wie sich aus folgender Gegenüberstellung ergibt:

Die deutschen Staatseisenbahnen wiesen im Jahre 1913 eine Gesamtbetriebseinnahme von 3,3 Milliarden, gegenüber einer Gesamt⸗ betriebsausgabe von 2,3 Milliarden Mark, mithin einen Betriebsüber⸗ schuß von 1 Milliarde Mark auf. Im Jahre 1918 bezifferte sich da⸗ gegen die Gesamtbetriebseinnahme auf 4,6 Milliarden Mark, gegen⸗ über einer Gesamtbetriebsausgabe von 5,9 Milliarden Mark, mithin der Betriebsfehlbetrag auf 1,3 Milliarden Mark.

Diese Zahlen beleuchten grell die schädlichen Ein⸗ wirkungen des verlorenen Krieges, die mit erschrecken⸗ der Deutlichkeit sich im Jahre 1919 zeigten. Der Betriebsfehlbetrag beträgt nämlich schätzungsweise für das Jahr 1919 4,951 Milliarden Mark. Auch für das Jahr 1920 ist trotz der Tariferhöhungen noch mit einem bedeutenden Betriebsfehlbetrag zu rechnen. Dabei fällt ins Gewicht, daß der Mehrbedarf für die Beamtenbesoldungen 1,8 Mil⸗ liarden Mark und für die Arbeiterlöhne auf Grund des neuen Reichs⸗ tarisvertrages 1,5 Milliarden Mark beträgt. Diese Beträge steigern sich noch durch die vor einigen Tagen von der Nationalversammlung beschlossene Tariferhöhung. Geht man den Gründen dieser enormen Steigerung der Ausgaben nach, so fallen dabei namentlich die Auf⸗ besserung der Bezüge der Beamten und Arbeiter, weiter die Wirkung des Achtstunden⸗Arbeitstages und die ständig anschwellenden Ausgaben für Material⸗ preise ins Gewicht. Besonders nachteilig hat auch die Tatsache gewirkt, daß man in den Ländern sich nur allzu zögernd zu den infolge der ständigen Mehrausgaben unvermeidlichen Tariferhöhungen ent⸗ schlossen hat. Daraus ist die Folge eingetreten, daß seit dem Jahre 1914 die Einnahmen um 381 %, dagegen die Ausgaben um 614 % gestiegen sind.

Die Frage, wie in Zukunft der Eisenbahnetat angesichts dieser erschreckenden Steigerung der Ausgaben zum Balancieren gebracht werden kann, wird begreiflicherweise eine Hauptsorge des Reichsverkehrsministers sein. Diese Frage kann aber, wie sich die Verhältnisse heute gestaltet haben, der Verkehrsminister unmöglich allein beantworten. Die Ausgestaltung des Eisenbahnetats und die Entwicklung des Betriebs und Verkehrs wird wesentlich beeinflußt bleiben durch die Art und die Möglichkeit der Lösung der dem Finagzministerium, dem Wirtschafts⸗ ministeriuun und dem Ernährungsministerium zufallenden Aufgaben. Ausschlaggebend ist die Tatsache, daß Finanz, Wirtschaft und Verkehr in engster Wechselwirkung zueinander stehen. Dabei darf nicht rer⸗ gessen werden, daß durch Putsche, Streiks und sonstige Unruhen alle Vorausberechnungen des Reichsverkehrsministeriums über den Haufen geworfen werden können. Im dringenden Interesse der Förderung der Eisenbahn und der Entwicklung des Verkehrs, aber auch der Sicher⸗ heit und Ruhe unseres ganzen Staatsorganismus und der Volkswirt⸗ schaft liegt es daher, daß wir endlicheinmal Ruhe im Lande bekommen und von solch beklagenswerten Störun⸗ gen befreit werden.

Im engsten Zusammenhang mit diesen Finanzfragen steht die grundlegende Frage der Auslegung und prak⸗ tischen Anwendbarkeit des Artikels 92 der Reichs⸗ verfassung. Nach Artikel 92 soll das Eisenbahnwesen ein selbständiges wirtschaftliches Unternehmen sein, dessen Ausgaben aus den Einnahmen zu decken sind, und bei dem auf eine Rücklage der Ueberschüsse Bedacht zu nehmen ist. Um diese aus Artikel 92 dem Reichsverkehrsministerium gestellte schwierige vafgabe

Leistungsfähigkeit des Personals die stärksten An⸗

u einer Veräußerung oder Verpfänduna der durch diesen Vertrag erworbenen Eisenbahnen der Zustimmung der Landesregierungen

forderungen zu stellen.

(Fortsetzung in der Zweiten Beilage.)

lung von

Berlin. Montag, den 26. April

lösen zu können, wird ihm auf etatlichem und finanziellem Gebiet eine größere Elastizität, Bewegungsfrei⸗ heit und Selbständigkeit einzuräumen sein. Das ist auch der Wunsch aller Kreise des Personals sowie von Wirtschaft und Technik.

Ueber die im Flusse befindlichen Vorarbeiten für die not⸗ wendige Neugestaltung des Eisenbahnwesens, die unter ständiger Mitwirkung der Personal⸗ und Wirtschaftsvertretungen erfolgen soll, will ich mich im einzelnen heute nicht auslassen. Nur so viel darf hervorgehoben werden, daß mit Zugrundelegung der praktischen Erfahrungen aus der Privat⸗ wirtschaft der wirtschaftliche Charakter des Eisenbahn⸗ unternehmens das bisher zu stark betonte bureaukratische Moment überwiegen muß. Namentlich wird dabei die Frage ein⸗ gehend zu prüfen sein, ob unter Wahrung des hierfür genau abzu⸗ grenzenden Etatsrechts des Reichstags der wirtschaftliche Charakter des Eisenbahnunternehmens auch in der Form der Ausgestal⸗ tung des Eisenbahnwesens zum Ausdruck kommen kann. Diese ebenso wichtige wie schwierige Frage muß aus den praktischen Erfahrungen sowohl der Arbeitsvorgänge wie der Wirt⸗ schaftsvorgänge unter sorgfältiger Abwägung aller für und wider sprechenden Erwägungen demnächst geklärt werden.

In diesem Zusammenhange, meine Damen und Herren, muß ich freilich mit Nachdruck betonen, daß die Verkehrsentwicklung durch die Lösung der in Artikel 92 der Reichsverfassung gestellten finanziellen Aufgaben nicht aufgehalten werden darf. Gerade darin zeigt sich die Wichtigkeit und Schwierigkeit der dem Reichsverkehrsministerium gestellten Zukunftsaufgaben, daß es mit starker Entschlossenheit der Schrittmacher für Wirtschaft und Finanzen wird. Marschiert der Verkehr, dann ist ein bedeutsamer Schritt geten für Wiederaufrichtung der Volkswirtschaft und Gesundung der Finanzen.

In dieser Hinsicht darf ich es als eine erfreuliche und zukunfts⸗ verheißende Tatsache ansprechen, daß sich im deutschen Eisenbahnwesen, und insbesondere in der preußischen Eisenbahnverwaltung, gerade in letzter Zeit eine beträchtliche Besserung der Leistungen und eine erhebliche Steigerung der Einnahmen bemerkbar ge⸗ macht hat.

Noch ein Schlußwort. Wenn ich an die Nationalversammlung namens der Reichsregierung die Bitte richte, trotz der vom Ausschuß geltend gemachten und auch vom Reichsverkehrsministerium keines⸗ wegs verkannten Bedenken der Vorlage, entsprechend dem Antrage des Ausschusses, möglichst einmütig zuzustimmen, so möchte ich die Recht⸗ fertigung zusammenfassen in den Gedanken: „Nehmt alles nur in allem, es ist und bleibt doch ein großes natio⸗ nales Werkl“ Für die Durchführung dieser mühevollen Arbeit spreche ich den ve rdienten Dank aus allen dabei Beteiligten, parlamentarischen Körperschaften und Regie⸗ rungsvertretern, Personal⸗ und Wirtschaftsver⸗ tretungen, nicht zuletzt auch der politischen und Fach⸗ presse, deren verständnisvolle Mitwirkung das Zu⸗ standekommen des Werkes wesentlich gefördert hat.

Der heutige Tag, der die Uebernahme des gesamten deutschen Eisenbahnnetzes auf das Reich gesetzlich festzulegen bestimmt ist, wird in der Geschichte der deutschen Nationalversamm⸗ markanter historischer Bedeutung bleiben. Die Reichslokomotiven, die in alle deutschen Gauen die ersten Maiengrüße hinaustragen, sollen in des Reiches schwerster Zeit und bitterster Not ein Sinnbild sein nicht nur für die errungene Verkehrseinheit, sondern weit darüber hinaus für die un⸗ erschütterliche deutsche Reichseinheit. Die grotze Errungenschaft der deutschen Verkehrseinheit soll, so hoffen wir mit Zuversicht, den Reichsgedanken festigen und stählen, Nord und Süd, Ost und West zur dauern⸗ den brüderlichen Zusammenarbeit verbinden.

Darum: „Mit Volldampf voraus zur Förderung zes Verkehrs, zur Wiederaufrichtung der Volks⸗ wirtschaft, zur Gesundung des Deutschen Vater⸗ landes!“ (ebhafter Beifall.) 116“

em Abg. Gandorfer kurz erklärt hat, daß der 111“ gegen die Vorlage stimmen müsse, wird diese unverändert nach den Ausschußbeschlüssen und sofort auch in dritter Lesung in der Gesamtabstimmung an 9 e⸗ nommen. Die Entschließungen des Ausschusses werden

angenommen. 1 In zweiter und dritter Beratung wird der Gesetzentwurf

di ebung der Gebührenfreiheit im Fber die 1131“4“ ohne Er⸗ örterung angenommen.

Es folgt die zweite Beratung des Gasebentga zur Aus⸗ führung des Artikels 170 der Reichsverfassung (Uebergang

der Post⸗ und Telegraphenverwaltungen Bayerns und Württember

gs an das Reich). Berichterstatter Abg. Schilgen (Zentr.) befürwortet die

Annahme der Vorlagen. Reichspostminister Giesberts: Durch die mit Bayern und Württemberg wird ein wirklich 8* postgebiet gebildet. Ich hoffe, daß dadurch auch eine 8 rkung x nationalen Einheitsgedankens erzielt wird unter glei Neit0,h. 1b r⸗ haltung der Eigenarten der süddeutschen Länder, wie im Vertrag vorgesehen ist. 1 . Der Gesetzentwurf wird in zweiter und dritter Beratung einstimmig angenommen. 1 b In b11.““ zweiter Lesung werden darauf die Gesetze über die Telegraphen⸗ und Fernsprechgebühren, über die Postgebühren und über die Aenderung des Postgesetzes (Erhöhung des Ersatzes für verlorengegangene

Briefen, Drucksachen, Warenproben, Geschäftspapieren und guch die

die Selbstkosten der Post heruntergesetzt werden. Die Post will für das Telephon eine Hinterlegung von einführen, weil sie Kapital braucht. Das ließe sich auch dadurch erreichen, daß sie die Postscheckkonten verzinst; denn dann würden die Postscheckkonteninhaber ihre Guthaben stehen lassen, und der Post stände ohne Zwang mehr Kapital zur Verfügung. Durch die Erhöhung der Zeitungsgebühren würden eine ganze Reihe von Gewerkschaftszeitungen und rein tech⸗ nische Zeitungen eingehen müssen. möchte Sie bitten, die Zei⸗ tungsunternehmer nicht allzusehr zu belasten, damit ihnen ihre Existenz nicht genommen wird.

Abg. Trimborn (Zentr.): Ich beantrage, die Erhöhung der Zeitungsgebühren erst am 1. Oktober eintreten zu lassen. Die Zei⸗ tungen sind tatsächlich in einer schwierigen Lage, namentlich die kleine Presse. Hier sind die Zustände wirklich besorgniserregend. Durch das Hinausschieben des Termins auf den 1. Oktober ist es den Zeitungen möglich, sich darauf einzurichten.

Reichspostminister Giesberts: Infolge der Erhöhung der Beamtengehälter sind wir leider gezwungen, höhere Gebühren festzu⸗ setzen. Eine Bankerottwirtschaft konnen wir nicht machen. Ich habe volles Einverständnis für die schwierige Lage der Presse. Wir versuchen aber nur, das Defizit herauszuholen und haben schon die Erhohung auf das geringste Maß beschränkt. Auf den Vorschlag des Abgeord⸗ neten Trimborn, die Erhöhung für die Zeitungsgebühren erst am 1. Oktober in Kraft treten zu lassen, bin ich gern eingegangen. Das Defizit der Reichspostverwaltung wird durch die 12 um kein Jota vermindert. Eine Reform des ckwesens erstrebe i schon lange, eventuell in Verbindung mit einer Reichssparkasse. Doch sind hiergegen in weiten Kreisen große Bedenken erhoben worden. Augenblicklich strömt uns das Geld im Schechwesen auch ohne Ver⸗ zinsung in sehr großem Maße zu. Wenn wir die Verzinsung der Scheckgelder einführen wollten, würde uns das jährlich 6 Millionen Mark kosten. Die Reparaturarbeiten an den Fernsprech⸗ und Tele⸗ graphenleitungen, die seit Jahren nicht ausgeführt worden sind, er⸗ fordern mindestens anderthalb Milliarden Mark infolge der ungeheuren Erhöhung der Materialpreise. Es ist also die pure Not, die uns zwingt, die Gebühren zu erhöhen.

Abg. Nuschke (Dem.): Die Teuerung wirkt nicht nur auf die ost, sondern auf die ganze Privatwirtschaft. Die Post soll den Verkehr fördern und nicht eine Einrichtung sein, die sich selbst be⸗ zahlt macht. Die Post muß zu Methoden kommen, wie sie sich auch für die Privatwirtschaft ergeben, durch einfache Preiserhöhung kann man das Minus nicht ausgleichen, Reorganisationen sind notwendig. Man sollte nicht achtlos an den Eingaben des Verbandes zur Förderung des deutschen Außenhandels vorübergehen, der u. a. die Schaffung eines einheitlichen Formats für den Briefverkehr empfiehlt. Würde dieses eingeführt werden, so würde Abstempelung. Ver⸗ packung und manches andere vereinfacht werden können. Man könnte auch ein Normalkuvert herstellen, in dessen Bezug gleich das Porto mitberechnet ist, dann könnte auch die Abstempelung wegfallen. Es wäre vielleicht auch zu erwägen, ob man nicht die Scheidung zwischen

Untergruppierung nach Gewicht aufgeben könnte. Wir müssen zu solchen grundlegenden Reformen kommen, dadurch erzielt man hohere Einnahmen und kann die Gebühren herabsetzen. In den Tarif⸗ erhöhungen sehen wir eine katastrophale Belastung des Verkehrs. Die Vorlage betrachten wir als ein Provisorium, es geht nicht an, daß auf die Dauer die Gebühren um ein Vielfaches erhöht werden. Ein Postabholefach kostet künftig 30 ℳ, bisher 16 ℳ, in Bayern hat man nichts dafür genommen, die Post hat sogar auch dabei ein gutes Geschäft gemacht, weil sie das Personal ersparte. Es ist un⸗ möglich, die Postgebühren für Zeitungen gleichmäßig zu gestalten ohne Rücksicht darauf, ob die Zeilungen von dem Empfänger abgeholt werden oder diesem zugestellt werden müssen. Die Post muß aus der bürokratischen Versteinerung herauskommen, die guten Er⸗ scheinungen der alten Priwatpost sollten nicht ausgeschaltet werden. Meine Partei hat sich nach sehr ernster Prüfung entschlossen, gegen die Telephonanleihe zu stimmen. (Beifall.) Diese Zwangsanleihe ist die unwirtschaftlichste Form, die man sich denken kann, namentlich die wirtschaftlich Schwachen werden dadurch getroffen, die Hebamme, der kleine Handwerker, die unbedingt einen Fernsprecher haben müssen. Die Zinsberechnung für diese Anleihe erfordert einen besonderen bürokratischen Apparat, namentlich, weil die 1000 zu ver⸗ schiedenen Terminen einbezahlt werden. Es besteht bei der Post eine Stelle für Reformen, kommt aber ein Erfinder mit Vorschlägen, so wird er abgewiesen, diese Stelle darf in Zukunft nicht mehr als Abwehrkanone angesehen werden. (Beifall.)

Abg. Bruhn (D. Nat.): Was man den ; für ihre Fortexistenz in anderen Ressorts bewilligt hat, nimmt ihnen jetzt die Postverwaltung wieder ab. Die in längeren Zwischenräumen er⸗ scheinenden Zeitungen, z. B. Sonntagsblätter, müssen unter den

neuen Lasten erliegen. Abg. Dr. Most O;. 889 Bei der ungeheuren Steigerung der Fernsprechgebühren wird der Mittelstand nicht in der Lage sein, den Wettbewerb mit dem Großunternehmertum aufrecht zu erhalten. Gerade im Hinblick auf die Verteuerung des Straßenbahnverkehrs ist dieses Experiment auf Kosten des deutschen Wirtschaftslebens doppelt bedenklich. Man sollte sehen, ob nicht in anderen Teilen der Reichsverwaltung Ersparnisse erzielt werden können um die Minder⸗ einnahmen der Post zu decken. Nichts läßt sich leichter erlernen, als reine Fiskalität und Bürokratie. Das zeigt sich auch hier. * Postminister hätte uns nachweisen müssen, daß alle anderen Mittel erschöpft waren, ehe er diesen Weg beschritt. Wir beantragen die Gleichsellung der Ortstelegramme mit den Pressetelegrammen, also die Beförderung auch der ersteren zum halben Preise. Wir bitten ferner, den § 10 und damit die so sehr anfechtbare Zwangsanleihe zu streichen, mindestens aber für bestebende Telephonanschlüsse eine Ent⸗ lastung eintreten zu lassen und epentuell, wenn die Zwangsanleihe doch esnlosen werden sollte, die Zahlung in Kriegsanleihe zuzulassen. Der Postminister hat erklärt, er brauche Geld, weil seit 1914 keine Reparaturen im deutschen Telephonnetz vorgenommen seien; warum sollen dann aber die unglücklichen Telephonteilnehmer diese Unter⸗ lassungssünden hn Auf den Gedanken, es mit einer freiwilligen Anleihe bei den Interessenten zu versuchen, scheint die Verwaltung

nicht gekommen zu sein. Wir beantragen schließlich eine neue Skalo der Telephonsätze; wir gestehen eine gewisse Erhöhung der Sätze als unumgänglich zu, lehnen aber die ungeheuerlichen Sätze ab, ohne die die Verwaltung nicht auskommen zu können erklärt. Sie selbst nimmt ja einen Rückgang des Verkehrs um 34 % an; tatsächlich wird bei solcher Verteuerung der Ausfall noch viel größer sein. Wir halten 20 6 für die Postkarte, 30 Pfg. für den einfachen Brief für ausreichend.

Ministerialdirektor Runge wendet sich gegen den Antrag der Deutschnationalen auf weitere Verbilligung der Gebühren für die Beförderung der seltener als einmal täglich erscheinenden Presss be⸗ sonders der Sonntagsblätter. Er legt dar, daß eine solche Maß⸗ nahme einen kolossalen Minderertrag bringen wird, sucht nachzu⸗ weisen, daß sie zugleich eine kolvssale Belästigung für den Postdienst bedeuten würde, da sie ein zweites Gebührensystem und damit eine wesentliche Verstärkung des Beamtenapparates notwendig mache.

1920.

vorliegt, so soll darauf Rücksicht genommen werden. Ich bitte, die gestellten Anträge nicht anzunehmen.

Abg. b (u. Soz.): Weite Kreise unseres Volkes werder durch die Gebührenerhöhungen schwer belastet. Die Herren haber es sich sehr leicht gemacht und einfach Position um Position um 100 % oder mehr erhöht. Der Verband sächsischer Industrieller sagt in einer Eingabe, daß die Erhöhung offenbar die Grenzen, die Handel und Verkehr noch tragen können, überschreiten. Die Postverwaltung 8e nicht geprüft zu haben ob nicht durch die Vereinfachung der

erwaltung eine Verminderung der Ausgaben herbeigeführt werden kann. Wenn die Kräfte, die in großer Zahl im Postbetriebe vor⸗ handen sind, m den Platz gestallt würden, und man nament⸗ lich das Aufsichtspersonal auf das notwendige Maß einschränkte brauchte man nicht derartige Erhöhungen zu fordern, Nach unten wird gespart, nach oben muß aber für die Speichellecker Platz ge schaffen werden, wo im wahrsten Sinne des Wortes gespart werde könnte. Das Publikum wird als melkende Kuh betrachtet. Jetz kommt auf zwei Arbeiter ein Aufsichtsbeamter, das nennt man spaten. Durch die Verteuerung der Zeitungsgebühren würde namentlich die rovinzpresse sehr leiden; auch sie ist durch die Verteueruna von Papier, Farbe usw. sowieso schon sehr in Mitleidenschaft gezogen. Für uns sind die Erhöhungen unannehmbar.

Abg. Irl (Bayer. V.): Wir stimmen der Vorlage nur mit schwerem Herzen zu, der Erschwerung des Telephonverkehrs können wir aber im Interesse der Gewerbetreibenden nicht unsere Zustimmung eben. Bei dieser gewaltigen Verteuerung kann sich höchstens ein

chieber ein Telephon leisten, nicht aber der Gewerbestand. Zum mindesten sollte man einen Unterschied machen zwischen den Teil⸗ nehmern, die den Fernsprecher geschäftlich haben müssen, und denen, die den Anschluß zum Privatbedarf haben.

Reichspostminister Giesberts: Für Reformvorschläge im Postwesen Ain ich jederzeit zu haben, wir können aber den Betrieb nicht reformieren, wenn wir kein Geld haben. Ich müßte die Ver⸗ antwortung ablehnen für alle Klagen über den Betrieb.

Der Antrag Dr. Most, betreffend Ermäßigung der Orts⸗ telegramme, wird abgelehnt. Mit geringer Mehrheit bleibt § 3 (Fernsprechteilnehmerbeitrag von 1000 ℳ) aufrechterhalten. Für die Streichung stimmen die beiden Parteien der Rechten, die Bayerische Volksvartei, die Demokraten und die Unabhän⸗ gigen Sozialdemokraten. Auch die Befreiung für die bereits bestehenden Anschlüsse wird abgelehnt, ebenso die Zulässigkeit der Leistung in Kriegsanleihe. 1—

Das Haus erledigt die Vorlage, betreffend Tele⸗ graphen⸗ und Fernsprechgebühren, in dritter Lesung nach den gleichen Beschlüssen. Bei der zweiten Beratung des Gesetzentwurfs über die Postgebühren wird der neue Portotarif angenommen, der Antrag der Deutschen Volkspartei auf Annahme einer er⸗ mäßigten Skala abgelehnt. Der Antrag Arnstadt (D. Nat.), betreffend billige Tarifierung der weniger als einmal täglich erscheinenden Blätter, wird angenommen. Nach dem Antrag Trimborn wird beschlossen, die erhöhten Zeitungsgebühren erst am 1. Oktober in Kraft treten zu lassen. Auch diese Vorlage wird in sofortiger dritter Beratung angenommen.

Die Novelle zum Postgesetz vom 28. Oktober 1871 (Ersatz für verlorengegangene Pakete 10 statt einen Taler —) wird gleichfalls in zweiter und dritter Lesung angenommen.

Es folgt die erste Beratung des Gesetzentwurfs über die Erhebung einer Abgabe zum Baukostenausgleich.

Präsident Dr. Fehrenbach: Bei der kurzen Dauer unserer Tagung hat es der Aeltestenausschuß für unmöglich erklärt, dieses schwierige Gesetz noch zu erledigen.

Reichsarbeitsminister Schlicke: Meine Damen und Herrenl Verzeihen Sie zunächst, wenn ich es wage, jetzt noch vor diesem „voll⸗ besetzten“ Hause eine Rede zu halten. Ich möchte bitten, das Gesetz heute wenigstens noch an den Wohnungsausschuß zu verweisen. (Widerspruch rechts.) Die Sache liegt folgendermaßen. Wird hier nicht ein Ausweg geschaffen und gelingt es nicht, Mittel bereitzustellen zum Bauen, so stockt für dieses Jahr die ganze Bautätigkeit. Ohne Zuschüsse zu bauen, ist vollständig ausgeschlossen. Das Reichsfinanz⸗ ministerium aber das wissen Sie alle selbst kann die Mittel nicht zur Verfügung stellen; es muß also ein Weg gesucht werden, anderweitig Mittel aufzubringen, um die Bautätigkeit fortzusetzen. Mit dem Zusoammenbruch der Bautätigkeit steigt selbstverständlich wieder die Arbeitslosigkeit, und wird davon nicht nur das Baugewerbe betroffen, sondern sämtliche davon abhängigen Gewerbe.

Ich gestatte mir auch darauf hinzuweisen, daß erst am 15. d. M. das Haus beschlossen hat, die Regierung aufzufordern, eine Gesetzes⸗ vorlage einzubrimgen, die gerade die Baukostenzuschläge regeln soll. Das ist ungefähr vor zehn Tagen gewesen. Nun meine ich, wenn das Gesetz hier und da Bedenken auslöst das hat sich ja bei der Be⸗ ratung im Reichsrat gezeigt —, so sollte wenigstens durch Ueber⸗ weisung des Gesetzes an den Ausschuß die Möglichkeit gegeben werden, zu prüfen, ob nicht ein Ausweg zu finden ist, wie hier Abhilfe ge⸗

schaffen werden kann. Vielleicht können durch ein Notgesetz die Mittel in irgend einer Weise bereit gestellt werden, damit noch in diesem Jahre gebaut werden kann.

Ich möchte Sie daher bitten, den von mir gemachten Vorschlag anzunehmen und die Vorlage dem 24. Ausschuß zu überweisen.

Abg. von Payer (Dem.): Der Aeltestenrat war einstimmig der Ansicht, daß die Erledigung dieses Gesetzes vollständig unmögli sei. Alles hat seine Grenzen, auch die Leistungsfähigkeit dieses Der Stoff ist nicht durchsichtig genug, daß sich darüber in

rzer Frist eine geschlossene Meinung bilden könnte. Abg. Löbe (Soz.): Ich möchte der Regierung doch nicht die Möglichkeit verschließen, mit dem Ausschuß darüber zu sprechen, ob wir einen Weg zur Hebung der Bautätigkeit finden. Mehr wird ja nicht herauskommen. 8

Abg. Dr. Runkel (D. V.): Auch ich halte es für möglich, daß wir uns am Dienstag mit der Vorlage weiter beschäftigen können.

Der Antrag der Demokraten auf Absetzung wird abgelehnt und die Ueberweisung an den Wohnungsausschuß beschlossen.

Der Ausschuß für Volkswirtschaft beantraat in Verfolg eines Antrages des Abgeordneten Hermann (Dem.), den Reichsfinanzminister zu ersuchen, zu verfügen, daß beim Er⸗ werb von Heeresgütern durch Zentralgenossenschaften die Zah⸗ lung in Kriegsanleihe auch dann gestattet sein soll, wenn die

Ein Vertreter des Reichsfinanzministeriums:

Pakete von 3 auf 10 für das Pfund) beraten.

Abg. Fischer⸗Berlin (Soz.): Im Ausschuß hat sich die Post⸗ verwaltung bereit erklärt, die Erhöhung der Zeitungsgebühren etwas zu ermäßigen. Vielleicht könnten durch eine andere Art der Bestellung

Dem Reiche bleibt nichts anderes übrig, als eine Zwangsanleihe bei den Interessenten einzuführen. Für die Mehrheit der Telephon⸗ teilnehmer ist die Zwangsanleihe keine Härte. Wenn Bedürftigkeit

Genossenschaften Zeichnungsnachweise der ihnen angeschlossenen Einzelgenossenschaften oder der Mitglieder der letzteren vor⸗ legen. Der Berichterstatter Abg. Hermann bemerkt, daß

der frühere Finanzminister eine bezügliche Zusage gegeben hat,