— und ich verweise darauf und unterstreiche das Wort: im Be⸗ harrungszustande — große Erträgnisse bringen werden. Naturgemäß bedarf es immer noch eines gewissen Uebergangs⸗ stadiums bis der Beharrungszustand erreicht ist und die vollen Er⸗ träge fließen. Aber das wichtigste ist, daß die Brunnen geschaffen sind, mit denen die direkten Steuerquellen ausgeschöpft werden können. Es sind aber nicht etwa bloß Steuern auf Steuern gehäuft worden ohne Sinn und inneren Zusammenhang, sondern es ist auch das ganze Steuerwerk systematisch ausgebaut worden. Konnte man bisher von einem Steuersystem in Deutschland eigentlich überhaupt nicht sprechen, so ist wenigstens, was die direkten Steuern anlangt, heute ein großzügiges, auf einheitlichen Gedanken aufbauendes System gegeben. Mag in der Zukunft an dem einen oder anderen Gesetz noch manches zu ändern sein — und es wird auch Ihrer Aufmerksamkert nicht entgangen sein, daß manches änderungsbedürftig ist —, das Werk einer direkten Steuergesetzgebung ist bis auf die letzte Steuer, die Besitzsteuer, zu Ende geführt. Diese wird bis nach den Wahlen Hurückgestellt werden; durchgeführt wird sie natürlich, denn sie enweist sich als Schlußstein des ganzen direkten Steuersystems. Der Vermögenszuwachs ist das dritte Quellgebiet der direkten Steuern neben Einkommen und Vermögen. Darum muß natur⸗ gemäß auch diese Steuer ausgebaut werden. Man wird also sagen können, das Ziel, das sich mein Vorgänger gesetzt hat, um die Finanznot des Reiches einzudämmen, den Besitz bis an die Grenzen der Leistungsfähigkeit zu belasten, hat er erreicht. Ich gestehe offen und mit ihm: der Besitz ist in Deutschland schwer, sehr schwer belastet. (Sehr richtig! rechts.) Das soll und muß zu⸗ gegeben werden. Man kann es auch begreifen, daß bei den besitzenden Kleassen diese Steuerreform nicht allzu beliebt ist. Würden aber alle, die von diesen Steuern betroffen werden, eine wirkliche Uebersicht haben über die Lage der Finanzen, so würde doch mancher die Steuer⸗ forderungen mit anderen Augen ansehen, würde die Steuern ohne dauerndes Murren und Schimpfen ertragen. Eine auffallende Er⸗ scheinung im deutschen Lande ist, daß nichts geringer verbreitet ist als die Kenntnis über die Lage unserer Finanzen. (Sehr richtig! Sehr wahr!) Ebenso befremdlich ist es, daß in dem Augenblick, wo der neue Reichsfinanzminister, wie angekündet worden, eine Darlegung der Finanzen geben wird, das Haus auffallend schwach besucht ist. (Zuruf bei den Deutschen Demokraten: Sie wissen das alles schon!) — Wenn Sie das alle schon wüßten, Herr Kollege Dernburg, — — (Abg. Dr. Dernburg: Das war sehr ironisch gemeint!) — Dann danke ich Ihnen. — Eine Staatsnotwendigkeit ist es, daß der Besitz so hoch wie möglich belastet wird, weil nur dann die Steuersummen aufzubringen sein werden. Vergessen wir nicht: der Krieg und seine Folgen haben wohl die Hälfte unseres ganzen früheren realen Volks⸗ vermögens vernichtet. Da ist es doch kein Wunder, daß außerordent⸗ lich hohe Steuern gerade vom Besitz gefordert werden müssen. Aber auch ein sozialethisches Gebot liegt vor. Man sollte sich stets ver⸗ gegenwärtigen, welche Opfer dao Volk als Ganzes infolge des Krieges bringen mußte. Ich mache darauf aufmerksam, welche Opfer auch heute noch Millionen in ihrer Lebenshaltung bringen müssen und auf Jahre hinaus werden bringen müssen (sehr richtig!), denn die Lebenshaltung wie vor dem Kriege werden weitaus die meisten Deutschen auf lange Zeit hinaus nicht mehr führen können. 1
Darühber täuscht uns auch das Schlemmen und Prassen von Tausenden in der Gegenwart nicht himweg. Das ist nur Schein. Unter dem Schein einer verschwenderischen Oberschicht liegt das Darben von Millionen unserer Volksgenossen. (Sehr richtig!) Darüber müssen wir uns klar sein: eine innere Verarmung ist in Deutschland eingetreten, die auch durch Lohnsteigerungen nicht aus⸗ geglichen werden kann, wenigstens solange nicht, als ein Mangel an Bedarfsgütern vorhanden ist; denn jede Lohn⸗ und Gehaltssteigerung wird im anderen Falle durch die Erhöhung der Nachfrage und durch das dadurch bedingte stärkere Steigen der Preise für diese Güter wieder aufgebhoben.
Dann erst die Opfer an Leben und Gesundheit, die der Krieg von der Nation gefordert hat! Da wäre es ein schreiendes Unrecht gewesen, wenn der Steuergesetzgeber an dem neuen Reichtum vorbei⸗ gegangen wäre, ohne mit aller Schärfe zuzufassen. (Sehr richtig!) Aber auch der alte Besitz mußte herangeholt werden. Das war unbe⸗ dingt nobtwendig. Wenn bei dem Reichsnotopfer die Millionen⸗ vermögen mit einem sehr hohen Prozentsatz erfaßt werden, so muß man sich ouch die Frage vorlegen, ob denn diese Millionen des alten Besitzes wirklich bloß der Arbeitsamkeit und dem Fleiße ihrer Be⸗ sitzer ihren Ursprung verdanken (sehr richtig!), oder ob sie nicht zu einem sehr reichen Teil sich als ein Sozialprodukt darstellen. Alle diese Riesenvermögen konnten nur gewonnen werden, weil doch der Staat und die gesamte Gesellschaft die wirtschaftlichen Voraus⸗ setzungen für solche Vermögensgewinnung geschaffen haben; weil die soziale Arbeit und die soziale Wirtschaftspolitik uns emporführten, deshalb war es möglich, daß einzelne Leute bei diesem Aufschwung
eeutschlands große Vermögen ansammelten. Dabei ist gewiß die edeutung der Unternehmerfunktion nicht zu unterschätzen; diese soll nicht verkleinert werden, durchaus nicht. Aber ebenso klar ist, daß auch die genialsten Köpfe im Wirtschaftsleben nichts erreichen können, wenn nicht in der gesamten Volkswirtschaft die Voraussetzungen für einen Aufstieg gegeben sind. (Sehr richtig!) Jeder individuale Reichtum ist darum zu einem nicht unbedeutendem Teile ein Produkt der all⸗ gemeinen sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung (sehr richtig), und sch von diesem Gesichtspunkt aus besteht die Opferpflicht.
Sie werden fragen, warum ich in einer Rede diese Opferpflicht noch einmal besonders unterstreich. Wenn man die deutschen Heitungen der letzten Tage überschaut, so beginnt bereits — nicht erst seit gestern, sondern schon seit Monaten, aber jetzt in verschärftem Maße, und das ist ja erklärlich in Anbetracht der kommenden politischen Bewegung in Deutschland — eine auffallende Steuerhetze. Gerade diese Hetze gibt mir die Pflicht, in wenigen Worten dieser Opfewflicht der besitzenden Kreise hier in dieser Nationalversammlung noch einmal zu gedenken. (Sehr richtig! bei den Mehrheitsparteien.) Ich wäre den werten Damen und Herren außerordentlich dankbar, wenn Sie nach den Anstrengungen der letzten Tage mit einer größeren Ruhe mir Ihre Aufmerksamkeit schenken würden.
Das bisher fertiggestellte Steuerwerk trägt in allen seinen Ge⸗ setzen wie in seiner gesamten Zusammensetzung durchaus sohzialen
harakter. Niemals war die Verbindung dieser beiden Ideen enger gewesen, ja, ich möchte geradezu sagen, die gegenwärtige Finanzreform ist zugleich eine Sozialreform, deren Auswirkung allerdings nicht in
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Jahren voll in Erscheinung trelen wird. (Sehr richtig!) Wie ve⸗ seitigt größtenteils — diese Finanzreform als soziale Reform gedacht — die ungesunden und ungerechten Verschiebungen in der Vermögens⸗ struktur, wie sie durch Kriegskonjunktur oder gar durch Wucher herbeigeführt worden sind. Der Krieg hat auch auf diesem Gebiete kontradiktorische Wirkung ausgeübt: solide Unternehmungen sind zum Teil überschwemmt worden durch Elemente, die sich die Not des Vaterlandes bewußt zunutze gemacht haben (sehr richtig!), die früher unter Umständen nicht in den betreffenden Erwerbszweigen tätig ge⸗ wesen sind. Es ist hier eine Ueberfremdung unserer Erwerbszweige, besonders des Handels, durch Emporkömmlinge eingetreten, die schädlich wirken muß. (Erneute Zustimmung bei den Mehrheitsparteien.) Die neuen Reichen in Deutschland — ich bitte sie nur zu betrachten unter der Form des Luxus, wie sie auftreten (sehr richtig!), unter der Form von Zurschaustellern von Diamanten an Händen und, fast hätte ich gesagt: an Füßen — (Heiterkeit), die neuen Reichen sind nicht immer die wirtschaftlich Tüchtigsten. Ein Vordrängen durch Emporkömmlinge, die nicht durch kaufmännische und technische Fähig⸗ keiten, sondern dank ihrer Skrupellosigkeit und durch ihre großen Gewinne reich geworden sind, kann den. deutschen Volke nichts nützen. (Sehr richtig! bei den Mehrheitsparteien.) Auch jene, die wirklich wirtschaftliche Werte während des Krieges erzeugt haben und dabei zu Reichtum gekommen sind, müssen sich doch immer sagen, daß jeder froh sein kann, wenn er mit einem mäßigen Verlust aus diesem furcht⸗ baren Geschehnis der Weltkatastrophe des Krieges hervorgegangen ist. (Sehr richtigt bei den Mehrheitsparteien.) Umgekehrt aber wirken die progressiven Sätze der Kriegsgewinnsteuer dahin, daß die Ver⸗ mögen bei den kleinen Leuten und dem unteren und gehobenen Mittel⸗ stand wesentlich größer geworden sind als vor dem Kriege. Daß der Mittelstand durch die Steuergesetzgebung mit der nötigen Schonung behandelt wird, kann ein jeder nachsehen, der die Steuertarife verfolgt. Nehmen wir ein Beispiel an. Ich bringe das Beispiel mit Absicht; denn es sind in den letzten Wochen, seit denen ich die Ehre gehabt habe, in dieses Amt einzutreten, bei mir bereits so viele Protest⸗ schreiben eingegangen, als ob das große Gesetzgebungswerk der letzten Jahre ein ausgesprochen mittelstandsfeindliches gewesen sei. (Hört, hört! bei den Mehrheitsparteien.) Mit wenigen Zahlen kann ich Ihnen das vorführen. Nehmen wir nur ein Beispiel. Angenommen, es hätte ein kleiner Gewerbetreibender oder ein kleiner Bauer vor dem Kriege ein Reinvermögen nach Abzug aller Schulden von 10 000 ℳ gehabt. Durch Fleiß und Arbeitsamkeit ist es ihm nun ge⸗ lungen, sein Vermögen bis zum 30. Juni 1919 zu verdoppeln. Er besitzt also 20 000 ℳ Reinvermögen. Was hat er an Zuwachssteuer zu zahlen? Während bei Millionengewinnen alles weggenommen wird, was über 172 000 ℳ hinausgeht — wenn ich Zeit hätte, würde ich diesen Satz dreimal wiederholen: was über 172 000 ℳ hinausgeht, also jede einzelne Mark des Mehrgewinns wieder völlig weggesteuert wird, — hat man in den unteren Klassen mit vollem Recht eine große Milde walten lassen. Dieser kleine Mittelständler, den ich Ihnen vorhin nannte, braucht von den ersten 5000 ℳ Zuwachs überhaupt nichts zu zahlen, von den anderen 5000 ℳ Zuwachs 500 ℳ. Es bleiben ihm vom Vermögenszuwachs infolgedessen 9500 ℳ oder 95 %. (Hört, hört! bei den Sozialdemokraten.) Demjenigen, der 10 Millionen Mark Zuwachs hat, bleiben aber nur 172 000 ℳ übrig nach Abzug der Vermögenssteuer oder 1,72 ͤ. (Hört, hört! bei den Sozialdemokraten.) Da kann man nicht sagen, daß diese Steuerreform mittelstandsfeindlich sei. Auch die Leute, die es zu einem Vermögenszuwachs von 50 000 ℳ gebracht haben, sind nicht allzu hoch belastet; sie müssen von ihrem Vermögenszuwachs für die ersten 5000 ℳ nichts, für die anderen 45 000 ℳ 9000 ℳ Steuer entrichten. Beim Reichsnotopfer bleiben die ersten 5000 ℳ frei; dann aber bleiben frei für die Ehefrau und das zweite und jedes folgende Kind weiter je 5000 ℳ. Da es sich beim Mittelstand meistens um verheiratete Leute handelt, da sich weiter gerade die Kreise des Bauern⸗ und Mittelstandes ebenso wie die des Arbeiterstan es durch Kinderreichtum auszeichnen, so bleiben im allgemeinen bedeutend höhere Summen vom Reichsnotopfer frei, als es auf den ersten Blick erscheinen könnte. Ein Beispiel. Ein Ehepaar, das fünf Kinder hat und ein Geschäft mit einem Reinvermögen von 30 000 ℳ besitzt, unterliegt überhaupt nicht dem Reichsnotopfer. (Hört, hört! bei den Sezial⸗ demokraten.) Oder nehmen wir den Fall eines Mannes, der zu den besser situierten Kreisen zu rechnen ist. Der Betreffende soll vor dem Kriege 60 000 ℳ Reinvermögen gehabt, 1919 aber 100 000 „ 6, also einen Kriegsgewinn von 40 000 ℳ, gemacht haben. Er gehört zu dem nicht sehr großen Prozentsatz der Bevölkerung, die während des Krieges ganz erheblich in ihrem Vermögen gewonnen hat. Zu⸗ nächst sind von diesen 40 000 ℳ Gewinn 6000 ℳ Zuwachssteuer zu hahlen; von dem verbleibenden Vermögen sind, wenn die Familie aus Mann, Frau und drei Kindern besteht, 7400 ℳ Reichsnotopfer zu zahlen. Wenn nun dieser Mann das Reichsnotopfer sofort ent⸗ richtet, wenn er vielleicht Kriegsanleihe gezeichnet hat, so bleiben ihm nach Abzug dieser beiden Steuern noch 86 600 ℳ Reinvermögen, also ein Zuwachs von 26 600 ℳ. Er hat also trotz dieser beiden ein⸗ schneidenden Steuern noch 45 % mehr als vor dem Kriege. Während demnach die Millionengewinne überhaupt weggesteuert werden und auch der alte Millionenbesitz außerordentlich erfaßt wird, ist in den Kreisen des Mittelstandes, auch des gehobenen Mittel⸗ standes, gleichviel ob er gewerblicher oder bäuerlicher Natur ist, sehr schonend vorgegangen worden. Der Anteil des Nationalvermögens, der auf die unteren und mittleren Klassen der Bevölkerung entfällt, ist auch nach der Steuerreform größer als vor dem Kriege, während umgekehrt der Großbesitz bedeutend kleiner ist als damals. Das Machtverhältnis zwischen dem Großbesitz einer⸗ seits und dem mittleren und kleineren Besitz andererseits ist also stark zugunsten des letzteren verschoben worden. Diese Stützung und Festigung des kleinen und mittleren Besitzes ist eine soziale Er⸗ rungenschaft ersten Ranges. Die Finanzreform ist nicht mittelstands⸗ feindlich, sie ist nicht bauernfeindlich, sondern sie bedeutet umgekehrt eine viel größere Stärkung dieser sozialen Ständegruppe, als sie früher durch irgendwelche sozialpolitische, mittelständlerische oder agrarische Gesetzgebung möglich war (Sehr richtig! im Zentrum.) Der größte Teil des Bauernstandes wird heute entschuldet sein. Auch durch Vermögenszuwachssteuer und Reichsnotopfer wird an dieser Tat⸗ sache im allgemeinen nichts geändert. Das ist außerordentlich zu begrüßen, weil gerade in der Landwirtschaft eine unserer Quellen der Wiedergesundung liegt. Wenn ich dabei vom Bauernstand spreche, so meine ich natürlich nicht die 60 000 Betriebe, die über 50 Hektar
wenigen Stunden und in wenigen Tagen, sondern erst in einigen
Die Stärkung der Mittelschicht ist von der allergrößten Be⸗ deutung nach der wirtschaftlichen und sozialen Seite. Man denke doch, was geschehen sein würde, wenn die Kriegsgewinne nur wenig erfaßt worden wären. Dann wäre der Bauer ausverkauft worden von den neuen Millionären, die ihre Gelder in Grund und Boden anlegen wollten. Sie kennen ja das Wettlaufen nach dem Grundbesitz aus allen Ländern. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Es wäre ein neues Bauernlegen in großem Maßstab losgegangen. Statt einer gesunden Besitzverteilung wäre auch in der Landwirtschaft der Großgrundbesitz noch viel mächtiger geworden als früher.
Und beim Handwerk? Hat man nicht von seiten des Hand⸗ verks und der kleineren Fabriken schon vor dem Krieg über die fast ungerträgliche Konkurrenz der Großbetriebe des Großkapitals ge⸗ klagt? Welch eine Akkumulation hätte nun erst erfolgen müssen, nachdem im Krieg die Zusammenballung von Vermögen so gewaltig fortgeschritten war, wie sie früher nicht in irgendeiner Reihe von Jahrzehnten denkbar gewesen? Hätten infolge dieser Uebermacht der oberen 20 000 nicht Hunderttausende, ja Millionen kleiner Existenzen bedroht werden müssen? Diese Gefahr ist durch die gerechte Steuer⸗ ordnung, die geschaffen worden ist, zum mindesten — ich will mich sehr bescheiden ausdrücken — vermindert worden.
Andererseits sollte sich aber auch der Großbesitz, wie ich vorhin schon sagte, stets vor Augen führen, daß es für ihn besser ist, selost die Hälfte seines Vermögens zu opfern, als in den Gluten einer sozialwirtschaftlichen Revolution, eines richtigen Kladderadatsches das ganze Vermögen und dazu vielleicht auch das Leben zu verlieren. (Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.)
Die eben angedeuteten Tatsachen schaffen zusammen eine Besitz⸗ reform, wie man sie auf dem Weg anderer Gesetzgebung kaum er⸗ reichen konnte. Die Wirkung der Kriegs⸗ und Vermögensbesteuerung nach der sozialen Seite wird sein: die von jedem Sozialpolitiker be⸗ klagte Tendenz zu rascher Akkumulation der großen Kapitalien wird wesentlich verringert. Das Schwergewicht des völkischen Besitzes verschiebt sich mehr nach der Seite der breiten Massen der Bevölke⸗ rung. Auch die Quellen der Kapitalneubildung werden sich infolge der sozialwirtschaftlichen Umgestaltung und nicht zuletzt infolge der Steuerreform verschieben. Heute brauche zwar der Arbeiter und der Beamte im allgemeinen auch das erhöhte Arbeitseinkommen voll⸗ kommen auf, wenn es nur ausreicht, und werden nicht imstande sein, irgendwelche Ersparnisse zu machen.
Im Jahr 1919 haben zwar die Einlagen in den Sparkassen noch veichlich um 4 ¼ Milliarden Mark zugenommen. (Hört, hört! bei den Sozialdemokraten.) Das Jahr 1920 aber weist leider eine Abnahme auf. Das hängt aber zusammen mit der außerordentlichen Teuerung der Warenpreise auf den Gebieten, auf welchen eine behördliche Beein⸗ flussung der Preise nicht erfolgte. Wenn aber einmal das wilde Auf und Ab der Preis⸗ und Einkommensrevolution sich gelegt hat und eine gewisse Stabilität, wie wir hofsen — das ist das eigentliche Ziel unserer politischen Arbeit in Finanz⸗ und Wirtschaftspolitik —, eine gewisse Stabilität der Preise erzielt ist, dann wird meines Erachtens gerade in den Kreisen des arbeitenden Deutschlands eine erhebliche Kapital⸗ neubildung beginnen können. Die Besitzer von Riesenvermögen sahen in der Vorkriegszeit ihre Vermögen wachsen, auch dann, wenn sie eine glänzende Lebenshaltung führten. Es war bei vielen eine Art auto⸗ matischer Zuwachs. Heute geht es natürlich nicht mehr an, daß eine solche Vermögensvermehrung in den Händen einzelner Platz greift. während das ganze Volk unter ren schweren Lasten der Gegenwart und Zukunft seufzt. (Sehr richlig! bei den Sozialdemokraten.) Auch die Einkommensbesteuerung ist derum so, daß auch bei Millionenein⸗ kommen keine zu rasche Afkumulation des Vermögens stattfinden wird. Dafür aber dürfte die Ersparnismöglichkeit beim Mittelstand und auch in den unteren Klassen des Volkes nach Ueberwindung der Teuerung erheblich stärker sein, was einen ganz neuen Aufbau der Vermögens⸗ verteilung zur Folge haben kann und wohl auch haben muß. Wirkt die Steuer nach dieser Richtung — und mir scheint es, daß die Möglichkeit, daß sie in diesem Sinne wirken wird, gegeben ist —, dann ist ein Doppeltes erreicht: einmal ist dem Proletarier wieder der Weg zu einem, wenn auch mäßigen und bescheidenen Besitz eröffnet; sodann aber wird die Kapitalbildung, wenn sie von Millionen von Volks⸗ genrssen ausgeht, unter Umständen rascher vorwäris schreiten, als wenn sie sich in der Hauptsache auf einige wenige beschränkt. (Sehr richtig! im Zentrum.) Die Hebung des Volkswohlstandes, nicht die Hebung des Wohlstandes von 10 000 bis 20 000 einzelner, ist aber Sinn und Zweck aller Wirtschafts⸗ und Sozialpolitik. (Sehr wahr! Wenn nun die Steuerpolitik nach dieser Richtung hin wirkt, so be⸗ deutet sie zu gleicher Zeit Sozialreform im besten Sinne des Wortes. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.)
Die sozials Aufgabe im Rahmen der Reform ist im wesentlichen erfüllt, ist allerdings in vielem ein Wechsel auf die nächsten Jahre. Ich sage auch mit Absicht: im wesentlichen. Denn auch die Zu⸗ sammenhange zwischen Finanzpolitik und Wirtschaftsvolitik, auf die ich noch zu sprechen komme, wirken doch auch wieder auf das soziale Gebiet zurück.
Wenn man das direkte Steuersystem, das Deutschland jetzt ge⸗ schaffen hat, vielleicht als das sozialste der ganzen Welt ansprechen darf, so liegt darin die beste Anerkennung für die Parteien und die Männer, welche dieses Steuersystem geschaffen haben. (Sehr richtig! bei den Mehrheitsparteien.) Das wird einst die Finanzgeschichte aus⸗ weisen und anerkennen.
„Wie groß nun auch diese Leistung sein mag, so ist damit doch das “ nicht vollkommen abgeschlossen. Zwischen der Zeit des letzten Sommers und der Gegenwart liegt ein grundstürzender Wandel auf dem Gebiete des Staatsbedarfs. (Hört, hört!) Er hat sich seit dieser Zeit gewaltig erweitert. Und der Grund dafür? Es ist Ihnen ja allen bekannt: er ist in der Entwertung unseres Geldes gelegen; wir sind nicht imstande, die alten Schätzungen für die Zukunft
† Arb den sind und erhöht werden mußten, damit wieder die Gleichung zwischen Teuerung und notwendigstem Lebensbedarf gefunden wird, so ist es auch bei den öffentlichen Körper⸗ vezen ist 985 als dies bisher der Fall ge⸗ Die Besoldungsreform ist deshalb eine der drinalichsten Auf⸗ gaben, die erledigt werden müssen. Wir haben ja heute morgen in dem Haushaltsausschuß im wesentlichen ein Kompromiß über die Be⸗
groß sind, sondern ich meine damit die 5 675 000 Betriebe, die bis 50 Hektar zählen, also den eigentlichen bäuerlichen Besitz.
soldungsreform zustande gebracht, — und cch nehme an, daß dieses große Werk morgen in der Nationalversammlung verabschiedet werden
“
wird. Es ist deshalb nicht am Platze, daß draußen im weiten Kreise gerade heute — nach den neuen Nachrichten, die mir zugegangen sind — in der Beamtenschaft eine Beunruhigung eintritt. Die National⸗ versammlung hat in Ruhe und Würde unter voller Würdigung des Ernstes unserer wirtschaftlichen und politischen Lage diese Fragen durch⸗ beraten. Aber mit diesen neuen großen notwendigen Forderungen, die ja darin gipfeln daß wir den Angestellten im Reich, im Staat und in den Gemeinden und Ländern ihren Lebensunterhalt garantieren müssen, verschiebt sich das gesamte Bedarfsbild.
Vor uns liegt zunächst ein Notetat. Neben diesem Notetat möchte ich aber noch einige Ziffern für das Jahr 1920 bereits vor⸗ legen soweit dieselben bisher feststehen. Es ist natürlich für einen Finanzminister durchaus zu bedauern, daß der Etat für das Jahr 1920 bis jetzt noch nicht vorgeleat werden konnte und auch gegenwärtig nur in den Hauptziffern vorgelegt werden kann. Für einen Finanzminister gibt es nichts Unangenehmeres, als wenn sich die Etatsarbeiten stark im Rückstande befinden. Seine ganzen Finanzpläne können dadurch gestört werden, die ganze Reformarbeit kann unendlich erschwert werden.
Wenn aber heute der Etat für 1920 noch nicht vorliegt, so darf man nicht vergessen, daß auch hier nichts anderes gegében sst als eine Folgeerscheinung des Krieges und der Kriegspraxis. Die richtige Etatswirtschaft mußte zu Beginn der Kriegswirtschaft der Fonds⸗ wirtschaft weichen. Wir haben ja im Kriege darüber des öfteren Debatten geführt, und es ist eine ungeheuer schwere Arbeit, das Haus⸗ haltungswesen wieder voll in Ordnung zu bringen.
Die endgültige Abrechnung über die Kriegskosten ist ja auch jetzt noch nicht gegeben. (Hört! hört! bei den Deutschen Demokraten.) Die Anmeldung aller Forderungen muß jetzt getätigt sein. Sie kennen die bekannte Verordnung, die hinausgegangen ist mit Gesetzeskraft, und ich warte mit Spamnung den Moment ab, wo mir die Ergebnisse der betzten Anmeldungen mitgeteilt werden. Ich hoffe, daß nach Eingang aller dieser Anmeldungen die endgültige Abrechnung möglichst bes chleunigt wird, und ich werde meinerseits alles versuchen, um dieses Ziel so rasch wie möglich zu erreichen. Das dient auch dem Grundsatze der Spar⸗
keit. nun, meine Damen und Herren, nehmen Sie mit Geduld, rhne unruhig zu werden, noch einmal wie im Haushaltsausschuß die Hauptzahlen aus dem Bilde des Etats für 1920 entgegen. Es ist un⸗ angenehm für einen Minister, diese Zahlen in ihrer ganzen Furcht⸗ barkeit Ihnen vor Augen führen zu müssen. Allein, es wäre notwendig, daß man an die Türen und Pforten aller großen Versammlungslokale, in denen neue Forderungen besprochen werden, diese Zahlen anschlagen
ürde. (Allseitige Zustimmung.)
“ im vorigen Jahre damit gerechnet, daß der Normal⸗ bedarf des Reiches sich auf 17 ½⁄½ Milliarden stellen würde, so ist in⸗ zwischen eine völlige Verschiebung in den Grundlagen eingetreten, auf denen jene Berechnung beruht. Das Sinken unse ves Geldwertes im Auslande, das Sinken der Valuta hat zu einem Steigen der Preise im Inloand geführt. Die Warenpreissteigerung zwingt zu Lohn⸗ und Gehaltserhöhungen. Diese Ausgaben aber bedeuten wieder eine Ver⸗ teuerung des ganzen volkswirtschaftlichen, aber auch des ganzen staat⸗ lichen Apparats. Der Staat hat bei weitem noch nicht eine solch⸗ Ver⸗ veuerung mit durchgemacht wie die Prwvatindustvie. Das muß fest⸗ gehalten werden. Wenn der Staat die Preise für seine Leistungen, z. B. auf dem Gebiete der Post und Eisenbahn, in dem Tempo ge⸗ steigert hätte wie die Privatindustrie oder, worauf es mir ankommt, hätte steigern können, dann würden diese Betriebe keine Fehlbeträge aufweisen, sondern reichliche Gewinne bringen. Die Verteuerung der staatlichen Maschinerie ist im Verhältnis zu der Gesamtteuerung vcben· falls noch niedrig; aber sie ist wahrhaftig groß genug, um uns die energische Frage vorzulegen, ob nicht in unserer Volkswirtschaft die größten Schwierigkeiten für die Gesundung unserer staatlichen Ausgabe⸗ vittschoft gegeben sin. Die Konsequens dieser allgemeinen Präs⸗ steigerung äußert sich in den Etats aller öffentlichen Köxperschaften, beim Reich, bei den Ländern und bei den Gemeinden. Die Steigerung ist vielleicht bei den Gemeinden noch relabid stärker als beim Reiche, wenn man bedenkt, daß Länder und Gemeinden nicht unter den furcht⸗ haren Wirkungen der Kriegslast so zu leiden haben wie das Reich. .
Der Reichsetat für 1920 trägt natur gemaß ausgeprägt die Züͤge dieser Preisrevolution an sich. Die Ausgaben im ordentlichen Etat I ich betone: im ordentlichen Etat — sind anzusetzen auf 27 950 Millionen Mark, also rund auf 28 Milliarden Mark. Di Einnahmen im ordent⸗ lichen Etat werden geschätzt — ich bitte, diese Zahl aber mit Resewwe aufzunehmen — mit 27 950 Millionen Mark. In der letzteren Ziffer sind jedoch enthalten 2,9, also rund 5 Milliarden, 92 aus noch zu bewilligenden Steuern fließen sollen oder die auf Anleihe genommen
5984 damit die Charckteristik des ordentlichen Etats schon gegeben. Das sind die Endziffern des ordentlichen Ebats. Es fragt sich nun: wie gliedert sich der ordentliche Etat? Da sind zunächst die fortdauernden Ausgaben. Diese “ 23,8 Milliarden Mark, also so viel, wie man im vorigen Jahre als Gesamtbedarf für Reich, Staat und Gemeinden zusammen ba’s nommen hat. Eine solch ungeheure Verschiebung ist in einem va in der Bedarfsrechnung eingetreten. b habe Ihnen diesen Satz des⸗ lb mit besonderem Nachdruck vorgetragen. “
Es fragt sich nun: aus welchen Einzelkosten setzt sich 8 zusammen? Dabei ist wichtig, die Hauptposten beea vn. v9
sind dies deren nur sechs. An erster Stelle steht die g5 Länd Reichsschuld einschließlich br b geegnS 1E
und Gemeinden für ihre Kriegsausgaben, -H Mani 1 in haben, mit einem Betrage von 12 Milliarden 400 Mi ionen 8 8 folgt ein Posten für veex e an üspas bliebenenfürsorge einschließlich einer Summe von 1,2 Mi e. 1 neuen Wehrmachtsversorgungsgeseten im 8 78298 1⸗ 3,8 Milliarden Mark. Daran schließt sich die ga2 .“ sodungsreform — ich bitte Ff Herren, sich die 9 vs7 7. Hie Gesetzgebung mit dieser Zahl vor Augen führen 8
3 Milliarden. Die Ausgabe für Heer und Marine macht 1 fir das Reichsarbeitsministerium 814 Millionen, für das “ 62 Nilli Diese sechs Posten allein Ministerium des Innern 621 Millionen. Diese va4 8
machen eine Gesamtsumme von 22 Milliarden 579 Mitk e6seh aus. Dazu ist noch folgendes zu bemerken. Die Ausgaben für die Reichs⸗ schuld sind so eingestellt, daß auch die wãhrend des Jahres kommende Reichsschuld bereits ihre Verzinsung finden wird. Die Aus⸗
weil wir eben ein entlohntes Heer haben. Diesen Satz möchle man auch unseren Feinden gegenüber jeden Tag einmal unterstreichen, damit sie sehen, was der Friedensvertrag auch auf diesem Gebiete uns für Lasten auferlegt. Die Kosten, die das Arbeitsministerium verursacht, sind bekannter⸗ maßen darin begründet, daß das Arbeitsministerium die Lazarett⸗ behandlung der Kriegsbeschädigten sowie die Regelung der Versorgungs⸗ und Rentenansprüche der ungeheuren Zahl der Kriegsbeschädigten zu erledigen hat. Man müßte eigentlich. sachlich genommen, diese Summe zu den Rentenausgaben für die Kriegsbeschädigten und die Hinter⸗ bliebenen hinzurechnen. Dann käme man bereits auf 4,679 Milliarden it den fortdauernden Ausgaben für diese Zwecke. Dabei ist zu bedenken, daß diese Ausgaben nach den Erfahrungen von 1870 im Laufe der Zeit steigen werden, um erst nach einer Reihe von Jahren wieder eine ab⸗ fallende Kurwe zu zeigen. Bei den Ausgaben des Ministeriums des Innern sind es die Auf⸗ wendungen für die Sicherheitspoligei, die einen Zugang von 602 Millionen in diesem Ministerum gegenüber dem Vorjahre in erster Linie bedingen. Was die einmaligen Ausgaben des ordentlichen Etats an⸗ belangt, so betragen sie 4,1 Milliarden, den Löwenanteil an dieset Summe trägt die Ausgabe für die Lebensmittelverbilligung in Höhe von 3 Milliarden Mark. Ich darf mir dazu noch einen be⸗ sonderen Satz gestatten und wäre den Herren wirklich dankbar, wenn Sie diese meine Ausführungen jetzt schon anhören würden, damit Sie sich nachher die Lektüre der Rede sparen können. Heuterkeit und: Sehr gut!) Ich sprach soeben von der großen Aktion, die zur Verbilligung der Lebensmittel weiter notwendig ist. Es ist ja eine Ironie, von der Verbilligung der Lebensmittel zu sprechen. Das Reichskabinett war sich aber darüber klar, daß es gerade nach dem Kapp⸗Putsch unmöglich gewesen wäre, in der Lebensmittelsteigerung, die so wie so in ganz exorbitantem Maße eingetreten ist, eine noch höhere Steigerung eintreten zu lassen, um damit schließlich die Grund⸗ lagen unserer Staatsordnung völlig umzukehren. In diesen 3 Mil⸗ liarden, die allein für die Verbilligung der Lebensmittel notwendig waren, haben Sie einen der Faktoren, die rechnerisch die Wirkungen des Kapp⸗Putsches zum Ausdruck bringen. (Sehr richtig! bei den Mehrheitsparteien. — Lachen und Zurufe rechts.) — Meine Damen und Herren! Lassen Sie die Zwischenrufe! Die Finanzpolitik müssen wir aus dem Gebiete der Polemik herauslassen. Suruf rechts: Na also!l) — Ja, was wollen Sie denn mit den Zurufen? Wollen Sie damit vielleicht zum Ausdruck bringen — um auf den besonders inter⸗ essanten Zwischenruf einzugehen —, daß Sie die Venuntmortung übernehmen wollen? (Sehr gut! bei den Mehgheitsparteien.) — Wer müssen in unserer Finanzpolitik aus dem Gebiet der Polemik end⸗ lich herauskommen. Wir müssen nüchtern die Zahlen auf uns wirken lassen, deshalb habe ich gebeten, diese Zahlen mit der gebührenden Aufmerksamkeit entgegenzunehmen. Würden wir imstande sein, unsere Volkswirtschaft so zu balan⸗ zieren, daß wir unsere Nahrungsmitteleinfuhr wieder mit Pro⸗ dukten der eigenen Volkswirtschaft bezahlen könnten, so daß also das Reich keine Zuschüsse zu leisten brauchte, dann würden wir diese 3 Milliarden schon gespart haben. Die Zuschüsse, die das Reich zur Lebensmittelverbilligung zahlen muß, find meines Erachtens ein Zeichen dafür, daß unsere Volkswirtschaft gegenwärtig immer noch nicht so viel produziert, um das Gleichgewicht zwischen Produktion und Verbrauch vollkommen herzustellen. Das ist aber auf vre Dauer ein unhaltbarer Zustand. (Sehr richtig!) Auf diese Weise wird das Volksvermögen aufgegessen (sehr richtig), um leinen stärkeren Ausdruck zu gebrauchen, wie er in Süddeusschland mitunter üblich ist. (Heiterkeit.) Darum kann nur Erhöhung der Produktion und der Arbeitsleistung aus dieser Schwierigkeit helfen. 1 Ich habe damit das Kernproblem unserer gesamten Finang⸗ und Wirtschaftspolitik berührt. Wenn wir nicht so viel produ⸗ zieren, wie wir verbrauchen, wenn der Luxus nicht auf ein Peimi nu reduziert wird, wenn es nicht möglich ist, die Luxusproduktion wxan nach innen nach außen zu lenken, um dafür etwas nach Deutschland hereinzubringen, dann wird die Rettung des deutschen Volkes in unendlich weite Ferne gerückt. (Sehr richtig!) Es ist möglich, daß man ein Volk in Samt und Seide kleidel; und 8 Sie eimaal durch die Berliner Straßen gehen und diese vielen Luxuswaren an⸗ sehen, die in den Schaufenstern ausgestellt sind, und sich dann fragen, woher der Samt und die Seide, woher diese Luxuswaren kommen, die hier feilgeboten und verbauft werden, so kann ich Eüü teer⸗ hinweisen, daß man in Seidenkleidern verhungern kann, und daß die Einfuhr der Seide aus Italien uns auf der anderen ufpear b.n Einfuhr — ich will ein einfaches Wort gebrauchen — 2 vvsess roni sehr verteuert, wenn nicht die Luxuswaren, ven Prg⸗ n ich durchaus anerkenne, wieder nach außen gelenkt werden. Was nun die Einnahmen im ordentlichen Etat anlangt, so sind sie, wie gesagt, auf 27,95 Milliarden geschätzt. Darunter sind aber 3 Milliarden einmalige Einnahmen gus der Kriegsabgabe vom Ver⸗ mögenszuwachs, ferner 29 Milliarden, die erst durch neue Steuern geschaffen werden müssen. Ich habe bereits im Haushaltsausschuß auf dieses besondere Moment unseres Etats hingewiesen. Nichis liegt mir ferner, als Ihnen ein frisiertes Zahlenwerk vor die Augen hinzulegen. Es wäre ja für einen Finanzminister eine ganz nette Aufgabe, Ihnen heute ein frisiertes Budget zu servieren, dessen Zahlen durch den ersten Sturmwind, bei der ersten politischen Aussprache des neu zusammen. gekommenen Reichstages, weggefegt werden würden. Ich babe in der Kommission darauf aufmerksam gemacht, daß diese 3 Milliarden vom Vermögenszuwachs nur noch einmal, und zwar dieses Jahr, eingestellt werden können. I Die großen Posten der laufenden Einnahmen sind gekennzeichnet durch die Einnahmen aus den neuen Steuergesetzen, aus den Zöllen der Kohlen⸗ und Tabaksteuer, dem Bankwesen und den Ausfuhrabgaben. Auch hier seien bloß die wichtigsten Posten hervorgehoben: Reichs⸗ anteil an der Einkommensteuer 2,1 Milliarden, Aufkommen aus der Kapitalertragssteuer 1,3 Milliarden, Reichsnotopfer 2,25 Milliarden,
2,5 Milliarden, Kohlensteuer 4,5 Milliarden. (Hört, hört!) Ich will dazu bemerken, daß der neue Reichstag nach seiner Wahl auch in bezug auf die Steuergesetzgebung nicht auf Rosen gebettet sein wird. (Sehr richtigl) Auch eine neue Wahl kann auf steuerlichem Gebiet keine paradiesischen Zustände hervorzaubern. Der Reichstag wird bald nach
Erbschaftssteuer 05 Milliarden, Umsatzsteuer 3,1 Milliarden, Zölle
seinem Zusammentritt vor die Frage gestellt werden, das Kohlensteuer⸗
Ich nenne weiter: Tabaksteuer 1 Millliarde, Ausfuhrabgaben 1 Milliarde — auch dieser Posten wird sich nicht verewigen lassen —, Bankwesen 0,95 Milliarden. Dazu kommen noch etwas über 500 Millionen aus der Körperschaftssteuer, der Besitzsteuer und der Grunderwerbssteuer zusammen. Außerdem sollen die Reichsstempel⸗ abgaben und die Abgaben vom Personen⸗ und Güterverkehr insgesamt 1,04 Milliarden erbringen. Das gibt bereits eine Summe von nahezu 21 Milliarden Mark. Die noch verbleibende eine Milliarde an ordentlichen fortdauernden Einnahmen setzt sich aus einer Reihe von kleineren Steuern und son⸗ stigen Beträgen zusammen. Dazu kommt noch ein Betrag von 2,9 Milliarden, bezüglich dessen der zu wählende Reichstag beschließen muß, ob er auf Schulden genommen oder durch Steuern gedeckt werden soll. Einschließlich der 3 Milliarden einmaliger Einnahmen aus dem Vermögenszuwachs ergibt sich dann eine Gesamteinnahme im ordent⸗ lichen Etat von 27,95 Milliarden, wodurch sich dann die ordentlichen Einnahmen mit den ordentlichen Ausgaben bis auf eine verschwindende Summe von 291 000 ℳ decken werden. Ein rechnerisch glänzendes Exempel! Wolle Gott, daß man Ende dieses Jahres dem neu zu wählenden Reichetag diese Endzahlen vorlegen könnte! Es wird uns also, wenn die Einnahmen, so wie sie geschätzt sind, laufen werden, und wenn für die für die Verbilligung der Lebensmittel notwendig werdende Summe von 2,9 Milliarden neue Steuern bewilligt sein werden, die Riesenaufgabe gelungen sein, einen ordentlichen Etat von rund 28 Milliarden zu balanzieren. Sie dürfen also nur noch, wenn die verehrten Kollegen und Kolleginnen wiederkommen, für diese 3 Milli⸗ arden Mark Ihre Zustimmung geben, und ein großes Riesenwerk ist seinem Abschluß nahe. So groß mun auch der Eindnuck sein mag, den die Höhe der Gesamtausgaben im ordentlichen Etat auf uns machen muß, so muß man andererseits doch zugeben, daß es eine gewaltige Leistung ist, wenn eine dervartig umfassende Summe nunmehr in den Etat eingesetzt werden kann. Bedenken wir eines — und ich möchte Sie bitten, von den jetzt zu nennenden Zahlen in den nächsten Wochen von der äußersten Linken bis zur äußersten Rechten den lebhafbesten Gebrauch machen zu wollen —: Anfang Juli 1919, also vor noch nicht einem Jahre, hatte das Reich fortdauernde Einnahmen aus den Steuern in Höhe von jährlich 4 ½6 Milliarden Mark, und jetzt können rund 20 Milli⸗ arden Mark mehr an Steuererträgen in den Etat eingesetzt werden. (Hört, hört!) Was das für die deutsche Volkswirtschaft an Belastung, wie an Opfern und Pälichten bedeutet, brauche ich nicht mehr des näheren darzulegen. Damit soll aber nicht gesagt sein, daß wir im Rechnungsjahr 1920 wenig Schuldaufnahmen zu machen hätten. Der aißevordent⸗ liche Etat läßt sich noch nicht vollkommen übersehen In seinen Grund- zügen steht er aber bereits fest. Aus dem Rechnungsjahr 1919 sind noch 10 Millianden Mark verfügbar. Daher kommt es auch, daß die Schuldensumme bis zur Stunde nicht so hoch angewachsen ist, wie mein Vorgänger, Herr Erzberger, für Ende März prophezeit hat. Wir haben am 31. März dieses Jahres eine Gesamtschuld von 197 Milliarden gehabt, darunter 92 Milliarden fundierte Schulden und 105 Milliarden schwebende Schulden. In diesem Rechnungsjahre werden nun noch notwendig werden 11,6 Milliarden Ausgaben für den außerordentlichen Etat, wobei ich meine Hand nicht ins Feuer legen möchte, daß da nicht noch einige Milliarden hinzukommen werden. (Sehr richtig! bei den Deutsch⸗Demokraten.) Darunter stecken 5 Millia arden für den Friedensvertrag, 1 Milliarde für Kriegsgefangene und — wollen Sie bitte einen Augenblick auch im Privatgespräch innehalten, denn die Zahl, die ich jetzt zu nennen habe, bevarf Ihrer besonderen Aufmerksamkeit und ich möchte sie Ihrer Venrendung empfehlen, um hier rasch zu einem Ende zu kommen —, es werden bir mir angefordert 2,1 Mlliiarden für die Abwicklung des alten Heeres. (Lebhafte Rufe hört, hört!) Wir müssen zu Ende konnnen mit diesem Abwicklungs⸗ geschäft, und die Reichsregierung hat mir die Ermächtigung erteilt, mit allen zu Gebote stehenden Mitteln das Abwicklungsgeschäft des alten Heeres möglichst vasch zu einem Ende zu führen. (Sehr gut!) Ich nenne in diesem Zusammenhang aber auch 1 Milliarde, die wir für die Tumultschäden einzusetzen haben. Ich bin nicht in der Lage Ihnen mitzuteien, ob nach Erledigung des Tumultschaden⸗- gesetzes diese 1 Milliarde auch nur annähernd reichen wird. Aber welchen Eindruck muß eine solche Zahl auf das Ausland und auf das deutsche Volk maochen! Dieses arme Volk, ausgebeutet in allen seinen Volksteilen, hungernd frierend, nicht im Besitze der genügenden Kohlenmengen, nicht einmal für den Hausbrand, leistet es sich, derartig große Tumultschäden auf die Kasse des Reichs und der Volksgemein⸗ schaft zu laden. Jeder Tumult, jede Sachbeschädigung in unserem Volke ist das größte Verbrechen an den eigenen Kindern dieses armen deutschen Landes. (Lebhafte Zustimmung bei den Mehrheits⸗ parteien.) Ich nenne weiter, um im Zusammenhang mit dem Heere zu bleiben, 150 Millionen für die Abwicklung der alten Marine, ich nenne Ihnen 200 Millionen für Minenräumungsarbeiten. Wenn keine höheren Summen auf Schulden gegeben werden müßten, wäre ja rein äußerlich betrachtet die Besserung gegen frühere Jahre sehr stark. Zu den ungeheueren Ausgaben — und damit wende 8 ich mich in einer besonderen Form zu der Frage der eingesetzten 5 Milliarden— ich bin ja von allen Seiten von Kollegen gebeten 1 worden, darüber einige Worte zu sprechen —, zu den ungeheueren Ausgaben, die uns aus eigener innerer Wirtschaft bevorstehen, treten also noch die unabsehbaren Lasten aus dem Friedensvertrage hinzu. (Sehr richtig! bei den Deutschen Demokraten.) In dem außerordent⸗ lichen Haushalt für 1919 waren hierfür 17 Milliarden eingestellt, und ich beabsichtige, für das neue Wirtschaftsjahr hierfür einen Posten von 5 Milliarden vorzusehen, wobei ich mir darüber klar bin, daß es zurzeit völlig ungewiß ist, ob diese Summe zureichen wird. Gegen⸗ über den Behauptungen, die vielfach von der Gegenseite aufgestellt worden sind, als wenn wir bisher auf Grund des Friedensvertrags nur wenig geleistet hätten, muß ich einmal ausdrücklich auf die un⸗ geheueren Werte himveisen, die bereits der deutschen Volkswirtschaft entzogen und in die Hände der Entente gelangt sind, wie z. B. unsere Handelsflotte, das liquidierte Privateigentum im Ausland, das im Feindesland zurückgelassene Heeresgut. Für die Lieferungen an Kohlen, Kali, Maschinen, Weeh, die bereits erfolgt sind, haben ge⸗ waltige Summen vom deutschen Fiskus an die deutschen Lieferanten geczahlt werden müssen. Es muß ja unterschieden werden zwischen den Exportmöglichkeiten der deutschen Volkswirtschaft und der Leistungsfähigkeit des deutschen Fiskus, Sachgüter den Gegnern ohne
gesetz, das mit dem 31. Juli sein Ende findet, zu verlängern, wenn
8 ö lti Beschränkung aben für Heer und Marine sind trotz der gewaltigen Besch 8 5 Wehrmacht durch den Friedensvertrag so außerordentlich groß.
nicht gar weitere Maßnahmen vorzusehen sind. “
Gegenleistung zur Verfügung zu stellen. (Sehr richtigl bei den Deut⸗
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