eine produktive Erwerbslosenfürsorge. Wäre das nicht der Fall ge⸗ wesen, dann würden die Mittel, die den Arbeitslosen zur Fristung des Lebens gewährt werden müßten, volkswirtschaftlich einfach ver⸗ loren gehen.
Nun ist gegen das Neckarkanalprojekt der Einwand laut ge⸗ worden, daß hierdurch das bayerische Großschiffahrtsprojekt als ein Konkurrenzunternehmen ausgeschaltet werde. Dieser Behauptung bin ich bereits im Hauptausschusse der Nationalversammlung entgegen⸗ getreten. Es handelt sich bei richtiger Würdigung aller einschlägigen Verhältnisse überhaupt nicht um Konkurrenzunternehmungen, von denen das eine das andere ausschalten soll, sondern das bayerische Großschiffahrtsunternehmen behält seine Bedeutung und verdient seine Würdigung auch dann, nachdem das Neckarprojekt bereits verabschiedet worden ist.
Die bayerische Staatsregierung hat sich in einer amtlichen Aus⸗ lassung darüber beschwert, daß das württembergische Projekt einseitig vom Reiche bevorzugt werde, während die große Schiffahrtsstraße von Aschaffenburg nach Passau zurückgestellt worden sei. Weiter hat das bayerische Verkehrsministerium am 5. Januar d. J. an das Reichs⸗ finanzministeriium und an das Reiichsverkehrsministerium ein Schreiben gerichtet, worin Bayern sich insbesondere darüber beklagt hat, daß die Mainkanalisierung durch die Neckartalkanalisierung ins Hintertreffen gerate. Vom 9. bis 12. März 1920 haben Verhand⸗ lungen des Main⸗Donau⸗Stromverbandes mit den maßgebenden Per⸗
sonen in Berlin stattgefunden. Dabei ist von bayerischer Seite erklärt
worden, die Finanzierung der Donau⸗Main⸗Verbindung sei durch die zu gewinnenden Wasserkräfte ebenso nachweisbar, wie dies Württemberg bei der Neckarkanalisierung gelungen sei.
Inzwischen hat denn auch die bayerische Regierung ihren Ge⸗ sandten in Berlin beauftragt, bei Einbringung der Neckar⸗Kanal⸗ Vorlage zum Reichsnotetat die Reichsregierung zu einer bestimmten Erklärung darüber zu veranlassen, daß die Vorlage des Neckar⸗ Projekts nicht etwa die bayerischen Großschiffahrtspläne beein⸗ trächtige. Es ist daran die Mitteilung geknüpft worden, es solle eine bayerische Vorlage über die Main⸗Donau⸗Verbindung in den nächsten Tagen veröffentlicht werden. Ich habe daraufhin nach Be⸗ sprechung mit der bayerischen Regierung und den bayerischen Ab⸗ geordneten im Hauptausschuß der Deutschen Nationalversammlung die Stellungnahme des Reichsverkehrsministeriums in Uebereinstim⸗ mung mit der Reichsregierung durch folgende formulierte Erklärung zum Ausdruck gebracht:
Die Einbringung des Neckar⸗Projekts kann die Durchführung der bayerischen Großschiffahrtspläne nicht beeinträchtigen. Die Reichsregierung ist bereit, die bayerischen Großschiffahrtspläne ebenso finanziell zu fördern und zu beschleunigen wie den Ausbau des Neckars, sobald Bayern die Voraussetzungen nachweist, wie sie für die württembergische Vorlage als ausreichend angenommen wurden.
Zu dieser Erklärung möchte ich nur einen kurzen Zusatz machen. Ich glaube, daß die Herren Abgeordneten aus Bayern und auch die bayerischen Regierungsvertreter die Ueberzeugung aus den Tatsachen entnommen haben, daß ich für berechtigte bayerische Wünsche und Interessen ein volles Verständnis habe. Ich glaube also, wenn ich eine derartige Erklärung hier abgegeben habe, wie das im Haupt⸗ ausschuß geschehen ist, so dürfen sich die Herren Vertreter der bayerischen Regierung und auch die bayerischen Mitglieder der Nationalversammlung hiermit zufrieden geben. Es gibt ja in der deutschen Reichsverfassung einen lapidaren Satz, der lautet: Eigentum verpflichtet. Nach unausgesprochenem Gewohnheitsvecht und nach den Grundsätzen der politischen Moral gibt es aber auch einen anderen Satz, der lautet: Regierungserklärung verpflichtet. (Sehr richtig! rechts.)
Aus diesen Erwägungen heraus muß ich natürlich vorsichtig sein bei Abgabe einer formulierten Erklärung, und darf sie nur so fassen, daß auch die Reichsregierung dazu stehen kann. Die inzwischen eingereichte bayerische Vorlage über die Donau⸗Main⸗Verbindung wird im Reichsverkehrsministerium ohne Verzug die notwendige technisch⸗ wirtschaftliche Prüfung unter Zuziehung der übrigen beteiligten Länder finden. Ich wiederhole also meine Erklärung ausdrücklich dahin, daß, wenn die bayerische Regierung den Nachweis dafür erbringt, daß das Main⸗Oonau⸗Kanalprojekt so rentabel ist wie die Neckarkanalisierung und einen solchen wirtschaftlichen Nutzen verspricht wie diese, die Reichsregierung und — wie ich überzeugt bin — auch die Deutsche Nationalversammlung dem bayerischen Großschiffahrtsweg in paritätischer Behandlung mit der Neckarkanalisierung das nãm liche Interesse entgegenbringt, und daß dann auch dem zukünftigen Reichs⸗ tage eine entsprechende Vorlage unterbreitet werden wird. (Beifall.)
Sexator Dr. Nebelthau Vertreter Bremens: Der Main⸗ Donau⸗Kanal wird die vierte Wasserstraße sein, die den Verkehr von den deutschen Nordseehäfen nach ausländischen Häfen, besonders nach Rotterdam und Antwerpen, ablenken. Vorausgegangen sind der Rhein⸗Herne⸗Kanal, die kanalisierte Lippe und der kanalisierte Main bis Aschaffenburg. Ein weiterer Verkehrsverlust ist für die deutschen Nordseehäfen unerträ lich angesichts der schweren Notlage, in der sie sich durch den unglü lichen Ausgang des Krieges befinden. Sie können eine neue Verschlechterung im ettbewerb mit Rotter⸗ dam und Antwerpen um so weniger ertragen, als 8 die Vor⸗ teile der westdeutschen Kanäle ohne jede Gegenleistung Felen. Deutschland braucht für seinen Wiederaufbau wettbewerbsfähige nationale Seehäfen mit ihren Warenstapelplätzen. Diese dürfen in ihrer Steuerkraft nicht durch Verdrängung des Verkehrs nach dem Auslande geschwächt werden. Die bremische Regierung will dem wichtigen Main⸗Donau⸗Kanal keine Hindernisse bereiten, muß aber einen Ausgleich verlangen, vnd bwor v e.
Bramsche ausgeht und is Breme lometer kanals, der won S. sh . wir eine Vergindaph mit dem
betragen wird. Damit erlan ndung mit inisch⸗westfälischen Industriegebiet. Die Baumöglichkeit dieses vef 9es; Bremen darf nicht das Schicksal Gents und Brügges teilen und darf Antwerpen und Rotterdam gegenüber nicht
zrückgestellt werden. Reichsverkehrsminister Dr. Bell:
von Bremen darf ich mich heute auf die Erklärung beschränken, daß
auch das von ihm befürwortete Kanalprojekt von der Reichsregierumg
sorgfältig geprüft und gewertet Hera e 1“ Abg. Hansmann (Soz.) begrün einen Antrag sei Partei 8 schleunige Heefüben der Sicherheits⸗ und Be⸗ ruhigungsmaßnahmen der zivilen un militärischen Behörden im rheinisch⸗westfälischen Gebiet. 1 an die unter Mitwirkung und mit Zu 1ng der Regierungs⸗ vertreter abgeschlossenen Vereinbarungen von Bielefeld und Münster und an die darauf fußenden Verordnungen des Ministers Severing halten. Zu den Sicherungen gehört auch die Waffenabgabe. Sind dabei Haussuchungen notwendig, so müssen diese . vorgenommen werden, daß sie nicht zur Beunruhigung der Bevölkerung beitragen.
8 8 8 8
Meine Damen und Herren! In Beantwortung der Ausführungen des Herrn Regierungsvertreters
Diese IWö müssen sich streng
Es müssen Vorkehrungen getroffen werden, daß die aus ihrer Heimat Geflüchteten wieder zurückkehren; wenn si auch in der Roten Armee gedient haben, so sind sie doch keine Verbrecher. Sie dürfen nicht mit Strafen belegt werden, die als Rache be⸗ zeichnet werden können, sie sind 8g Mitläufer der Roten Armee und wissen kaum, was sie getan haben. Eine schnelle und strenge Untersuchung über die s Faräea der Verhafteten ist notwendig. Schuldige müssen strengstens bes rraft werden. in die Provinz Hannover sind schon vor dem Kapp⸗Putsch große Mengen Waffen eingeschmuggelt und verschoben worden, namentlich an reiche Leute, die sich unter dem Deckmantel der Einwohnerwehr 116 haben. Nach dem Kapp⸗Putsch hat die Arbeiterschaft diesen Leuten die unberechtigt erworbenen affen wieder abgenommen. Redner tritt ferner dafür ein, daß auch den Soldatenräten, die nach der Revolution die Fi ceng übernommen haben, nicht aö daraus Ungelegenheiten ern achsen, und fordert seeesäic aß die Maifeier, für die seine Partei seit 30 Jahren kämpfe, endlich als gesetzliche Feier festgelegt werde. (Beifall bei den Sozialdemokraten.)
Reichsjustizminister Dr. Blunck: Was den Antrag Nr. 2793 betrifft, über den der Herr Vorredner sich hier ausführlich ausgelassen hat, so kann ich, soweit ich bisher Gelegenhert hatte, ihn zu prüfen, im allgemeinen nur erklären, daß er durchaus dem Sinne und Geiste dessen entspricht, was ich hier schon wiederholt als die Auffassung der Regierung (hört, hört! bei den Sozialdemokraten), in bezug auf die Strasverfolgung der an den letzten Unruhen beteiligten Personen dar⸗ gelegt habe. (Bravol links.) Wir haben insbesondere von der Re⸗ gierung aus alles mögliche getan, um dafür zu sorgen, Beruhigung in die Kreise der Flüchtlinge zu tragen und sie zu veranlassen, wieder nach Hause und damit zu ihrer Arbeit zurückzukehren. Es sind eine ganze Reihe von Maßnahmen, insbesondere von öffentlichen Aufforderungen nach dieser Richtung hin ergangen. Die letzte haben Sie gestern oder heute morgen in der Presse lesen können. Wir können nur die gesamte Oeffentlichkeit und insbesondere die Presse und alle Parteien bitten, nach Möglichkeit dazu zu helfen und beizutragen, daß dafür gesorgt wird, daß die Flüchtlinge sich beruhigen, und daß diejenigen, die wirklich nichts weiter getan haben, als daß sie mißverständlich, weil sie glaubten — oder auch, weil es wirklich so war —, daß die Republik bedroht sei, au den Waffen gegriffen haben, wieder in Ruhe zu ihren Familien zurückkehren können, wenn sie sich nicht eines gemeinen Verbrechens schuldig gemacht haben. Ich kann Ihnen die Versicherung geben, wir werden dafür sorgen, daß ihnen, wenn sie zurückkommen, tatsächlich nichts geschehen soll. (Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.)
Was die Frage der Soldatenräte betrifft, auf die der Herr Vor⸗ redner auch eingegangen ist, so sind mir darüber in den letzten Tagen von verschiedenen Seiten Mitteilungen gemacht worden. Nähere Angaben darüber sind mir aber bisher im einzelnen nicht zugegangen. Ich kann daher vorläufig, bis ich in dieser Beziehung weiteres Material bekomme, nur erklären, daß ich persönlich durchaus auf dem Boden stehe, daß die Soldatenräte, die nach dem großen Zu⸗ sammenbruch im November 1918 bei den einzelnen Heeresgruppen und Armeebestandteilen die Führung übernommen haben, sich in den allermeisten Fällen die redlichste Mühe gegeben haben, Ordnung und Disziplin hochzuhalten und dafür zu sorgen, daß Plünderungen und Ausschreitungen verhindert wurden. Wenn ich mich recht erinnere, ist ihnen von der Reichsregierung dafür auch der Dank öffentlich aus⸗ gesprochen worden. Ich persönlich weiß jedenfalls, daß in vielen Fällen durch das energische Einschreiten dieser Soldatenräte große Werte für das Reich gerettet worden sind. Es kann gar keine Rede davon sein, daß diesen Soldatenräten, die damals nach bestem Ge⸗ wissen ihre Pflicht zu tun glaubten, jetzt nachträglich deswegen irgend⸗ welche Verbrechen angedichtet werden könnten. Soweit das miß⸗ verständlich etwa doch unternommen werden sollte, werden die Fälle von der Regierung nach jeder Richtung aufgeklärt werden. (Bravo! bei den Sozialdemokraten.)
Abg. Gilsing (Gentr.): Die Kriegsgesellschaften müssen schleunigst aus dem Sentreg ende verschwinden. Der 2 daß auf die Unternehmer zur Bezahlung der Streiktage hingewirkt wird, ist für uns unannehmbar. Wer für politische Ziele kämpft, soll auch die wirtschaftlichen Opfer selbst tragen. (Sehr richtig!) Die Erleichterung des Generalstreiks durch Be ahlung der Streik⸗ tage wäre geradezu ein Anreiz dazu. Ich empfehle unsem Antrag, den notleidenden Knappschaftskassen usw. die Erhöhung der Invalidenrenten zu ermöglichen. Für den Antrag über den 1. Mai haben die Antragsteller den venkdar ungeeignetsten he⸗ wählt; sie verlangen eine Entschädigung für den Streik und wollen am 1. Mai die Arbeiter um einen Tagesverdienst schmälern. Fr den Sozialismus kann man auch am Sonntag demonstrieren, aber man darf nicht um der sozialdemokratischen Ideale willen die ganze Bevölkerung zur Arbeitsruhe zwingen. Den Antrag wegen der Maßnahmen im Ruhrrevier können wir nicht annehmen, er spricht ganz einseitig und unklar von Vergehungen der Reichswehr. Der Antrag der Unabhängigen wegen Aufhebung des Ausnahme⸗ zustandes ist gleichbedeutend mit der Untergrabung jeder Staats⸗ ordnung. er Ausnahmezustand ist nur da aufzuheben, wo Ruhe und Ordnung nicht nur vorübergehend, sondern dauernd gesichert sind. Der Antrag verlangt die Cfshe g aller Personen, aber diejenigen die an den Greueltaten der Roten Armee beteiligt sind, müssen doch verfolgt werden. Wegen all dieser Greueltaten, auch Mordtaten, kann nicht eine allgemeine Amnestie Cssn werden.
Abg. Riedmiller (Soz.) tritt ür einen von allen Parteien
Peeistgetes Antrag ein, die aus Elsaß⸗Lothringen vertriebenen Deutschen ausreichender zu unterstützen. Reichswehrminister Dr. Geßler: Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Herr Abgeordnete Henke hat einige Ausführungen zum Vollzug des Friedensvertrages gemacht, die nicht unwidersprochen bleiben dürfen. Er hat zunächst behauptet, daß das Heer noch gegen 300 000 Mann habe, während wir zurzeit nur noch 200 000 Mann haben dürfen. Ich darf bemerken, daß diese Behauptung unrichtig ist. Das Heer ist dem Stande von 200 000 Mann absolut nahe gebracht. Ich könnte es fast auf die Ziffer sagen, daß es 200 000 Mann sind, wenn ich nicht zu gewissenhaft wäre. Jedenfalls kann ich das eine sagen, daß, während wir beim Schluß des Krieges noch 30 000 Berufsoffiziere hatten, die Zahl der Berufsoffiziere heute auf 9000 zurückgedrückt worden ist. Darin, meine sehr verehrten Damen und Herren, liegt ein Teil der Schwierigkeiten, die wir haben, in diesen 21 000 Offizieren, die aus ihrem Beruf herausgeworfen worden sind. Heute bekommen wir allmählich Einblick in die Zusammen⸗ hänge des Kapp⸗Putsches und sehen, daß es vor allen Dingen ver⸗ abschiedete Offiziere sind und Offiziere, deren Ausscheiden aus der Reichswehr unmittelbar in Aussicht genommen war, die sich für diese Desperadopolitik gewinnen ließen.
Im übrigen möchte ich folgendes sagen: Sie werden die Ab⸗ rüstung und die Entwaffnung der Zivilbevölkerung um so mehr fördern, je mehr Sie selbst für Ruhe und Ordnung bei uns sorgen. (Sehr
gut! bei den Mehrheitsparteien.) Wenn wir noch nicht so weit vorgeschritten sind, wie es abgesehen von dem Friedensvertrag auch unsere eigene ökonomische Lage bedingt, so ist das meines Erachtens
nur die Folge der ständigen Unruhen und der ständigen Putsche, die jede ordentliche und ruhige Arbeit im Sinne der Abrüstung unmöglich gemacht haben. Darin sind wir doch einig: es ist nicht damit getan, die Leute, Offiziere, Unteroffiziere, Mannschaften, auf die Straße zu setzen, sondern es ist weiter nötig — darüber waren wir doch alle im ganzen Hause einig — für eine befriedigende Ueberleitung dieser Kreise in normale bürgerliche und soziale Verhältnisse zu sorgen. Erst wenn das einigermaßen gelungen ist, werden wir auch aus diesen Unruhen herauskommen.
Auch die bewaffneten Zeitfreiwilligen und die Einwohnerwehren, alle diese Dinge hängen doch nicht damit zusammen, daß wir den Friedensvertrag nicht vollziehen wollen, sondern die Bewaffnungen der Zivilbevölkerung sind einfach eine notwendige Folge der Klassenkämpfe geworden. (Widerspruch bei den Unabhängigen Sozialdemokraten.) — Ja, Frau Zietz, bekanntlich beschuldigt man sich da gegenseitig: aber ich lasse das einmal dahingestellt, mögen diejenigen, die auten Willen zur Abrüstung haben, einmal anfangen, Ruhe zu geben. (Zuruf von den Unabhängigen Sozialdemokraten.) — Ich will auch gar keine Be⸗ schuldigungen erheben, aber ich sage: diejenigen, die auten Willen haben, sollen anfangen. Die Sprache der Presse außerhalb des Hauses, die fast auf jeder Spalte das Wort Revolution wie einen Panegyrikus in den Mund nimmt — — (Zuruf von den Unabhängigen Sozial⸗ demokraten: Da brauchen Sie keine Angst zu haben!) — Sie sagen, ich brauche keine Angst zu haben. Ich habe auch keine Angst, aber wenn die deutsche Sprache einen Sinn haben soll und wenn man das mit gesunden Sinnen liest, dann hat man nicht den Eindruck, als ob gerade in den Kreisen, die Ihnen nahestehen, die Absicht nach einer Beruhigung besonders intensiv wäre. (Sehr gut! bei den Mehrheits⸗ parteien.)
Das ist die persönliche Seite; nun kommt die sachliche Seite. Auch die Ablieferung der Waffen, die Entwaffnung, die nach dem Friedensvertrag vorzunehmen ist, ist von uns mit aller Energie durch⸗ geführt worden. Es sind ganz ungeheure Mengen von Waffen und Ausrüstungsmaterial zerstört worden. Richtig ist, was der Herr Abgeordnete Henke bemerkt hat, daß gewisse Differenzen über den Bestand der Geschütze in den Festungen zwischen der Entente und Deutschland bestehen. Diese Differenzen werden aber in vollständig loyaler Weise ausgetragen. Es ist uns nicht vorgeschrieben, wieviel Geschütze wir in den Festungen haben dürfen. Selbstverständlich — das ist unser gutes Recht — wird in dieser Frage von uns die für uns günstigste Auslegung vertreten und verteidigt. Da die derzeitige Armeeausrüstung Deutschlands von vornherein jeden Angriffskrieg ausschließt, und da man mit Festungen auch nicht angreifen kann, was ohne weiteres jedem klar ist, da anderseits unsere Nachbarn ihre Heere auf einem ganz anderen Prinzip haben, bekommen unsere Festungen für die Verteidigung unseres Landes eine ganz andere Bedeutung, als sie sie früher gehabt haben. Deshalb haben wir die Verpflichtung dem deutschen Volke gegenüber, da wir keine Anariffswaffen mehr haben, wenigstens dafür zu sorgen, daß die Verteidigungswaffen in möglichst gutem Zustande sind.
Ich bin der Ueberzeugung, daß wir uns auch in dieser Froge mit der Entente ganz vernünftig auseinandersetzen werden, wenn mur endlich einmal diese ständigen Denunziationen aufhören (sehr richtig! bei den Mehrheitsparteien), als ob wir alles täten, um den Friedensvertrag zu umgehen und jeden Augenblick wieder drüben zu provozieren. (Zuruf von den Unabhängigen Sozialdemokraten.) — Frau Zietz, ich bin miß⸗ trauisch; seien Sie überzeugt, ich lasse mich nicht leicht belügen. Aber ich habe die Empfindung, daß Sie manchmal außerordentlich leicht⸗ gläubig sind und auf die törichsten Räubergeschichten hereinfallen. (Leb⸗ hafte Zustimmung.) Ich benütze die Gelegenheit, auch noch einige andere Dinge richtigzustellen. Man könnte meinen, wir lebten schon in der Saure⸗Gurkenzeit im August und es ist doch erst Ende April. Die törichtsten Gerüchte erfüllen jetzt fortwährend die öffentliche Meinung und die Presse; es wird außerordentlich viel in Sensationen gemacht. Es ist uns endlich gelungen, die Brigade Ehrhardt nach Munster zu bringen. Kaum ist sie in Munster, so wird auch schon alles mögliche von dort berichtet, Wahres und Falsches. Wahres insofern, als im Munsterlager noch ein überaus reger Zugang von allen möglichen Leuten ist. (Zuruf von den Sozialdemokraten: Kommen die im Auftrage der Regierung?) — Nein, ich will das gleich erläutern; ich bin der Auffassung, daß ich dem hohen Hause und der deutschen Oeffentlichkeit absolute Offenheit schuldig bin. Ich habe mich dieser Sachen sehr genau angenommen. Die Zustände im Munsterlager pasten mir nicht. Allein die Uebelstände kommen nicht von der Brigade Ehrhardt, die dort ist und zurzeit von einem Abwicklungsstab, der von mir eingesetzt ist, liquidiert wird, sondern die Uebelstände kommen von anderen Abwicklungsstellen her, die noch dort sind und in denen die Baltikumtruppen abgewickelt werden. Und nun kommen natürlich alle Leute, die irgendwann einmal mit den Baltikumtruppen in Ver⸗ bindung gewesen sind, dahin und lassen sich abwickeln. Ich habe die Amweisung gegeben, daß diesem Idyll schleunigst ein Ende gemacht wird. Spätestens bis zum 5. Mai müssen diese Abwicklungsstellen in Munster beseitigt sein. Ich hoffe, daß damit auch eine gewisse Er⸗ leichterung eintritt.
Sodann will ich nur noch eine Bemerkung machen. Wenn man meint, daß ich mich im Reichswehrministerium in den Personalien schieben lasse, so täuscht man sich. Ich weiß ganz genau, was ich will, und ich werde das, was ich für nötig halte, dort auch durchsetzen. Nun ist es interessant: die ersten paar Wochen hieß es: es ist alles beim alten geblieben; und jetzt wo der Wechsel nach den verschiedensten Richtungen hin zutage tritt — und es werden in den nächsten Tagen noch sehr viele Veränderungen auch in den wichtigsten Stellen vor⸗ kommen —, gibt es bei jeder Gelegenheit ein Zeter Mordio, von wem ich mich da alles täuschen ließe. Meine Absicht ist, daß es zwischen dem Ministerium und dem Minister keine Schiebehalle gibt, sondern daß der Minister die Möglichkeit hat, jederzeit mit den verantwort⸗ lichen Referenten in unmittelbarer Verbindung und in unmittelbarem Verkehr zu stehen. Ich lege großes Gewicht darauf, daß ich ständig im Personalamt tätig bin.
Es ist behauptet worden, das Personalamt sei nichts anderes als das frühere Zivilkabinett des Kaisers. Davon kann gar keine Rede sein. Es gibt im Personalamt keinen Chef und keinen Referenten — schon zu Zeiten meines Vorgängers, des Herrn Kollegen Noske, sind diese Veränderungen vorgenommen —, der vor der Revolution im Personalamt gewesen wäre. Das Personalreferat wird erledigt durch
Offiziere, die erst nach der Revolution berufen worden sind. Ich
(Fortsetzung in der Zweiten Beilage.)
“
Kellende Entschädigungen gezahlt.
erwarte nach wie vor, daß die Reichswehr in dem Trommelfeuer der Beschimpfungen, die von allen Seiten jetzt über sie losgehen, nicht nervös wird. Wir verfolgen die Verhältnisse aufs gespannteste und sind entschlossen, allen Versuchen, die öffentliche Ruhe und Ordnung zu stören, mit Nachdruck entgegenzutreten. (Zuruf von den Unab⸗ hängigen Sozialdemokraten: Bitterfeld!) Wie ist denn die Sache in Bitterfeld gegangen? Da ist ein Urlauberzug gefahren und da hat ein Zivilist die Urlauber mit dem Worte „Noske“ beschimpft (große Heiterkeit), und das haben sich die Leute nicht gefallen lassen. (Zuruf von den Unabhängigen Sozialdemokvaten: Da bmucht man doch nicht zu schießen!) Das behaupte ich nicht, das will ich auch nicht behaupten; allein das sind die Folgen der Verhetzung. (Lebhafte Zu⸗ stimmung. — Zuruf von den Unabhängigen Soizaldemokraten.) Ich bin auch nur auf Zeitungsnachrichten angewiesen; allein die Sache ist nicht von den beurlaubten Reichswehrsoldaten ausgegangen, sondern sie ist durch Provokation anderer hervorgerufen worden. Die Erzesse, die dabei vorgekommen sind, will ich nach keiner Richtung entschuldigen. (Zuruf von den Unabhängigen Sozialdemokraten.) — Ja, es ist halt gefährlich, wenn man die Reichswehr beschimpft (Heiterkeit), daran wird sich bei der Reichswehr nichts ändern lassen. Meine Herren (zu den Unabhängigen Sozial⸗ demokraten), gewiß, Sie haben aus dem Worte „Noske“ etwas ge⸗ macht, was Sie nicht daraus hätten machen dürfen. (Sehr richtig! — Zuruf von den Unabhängigen Sozialdemokraten.) Meinem Vor⸗ gänger Noske schuldet das deutsche Vaterland dauernden Dank. (Leb⸗ hafte Zustimmung. — Abgeordnete Zietz: Seine Parteigenossen sind ganz anderer Meinung! — Zurufe von den Sozialdemokraten.) — Aber nicht deshalb! Jedenfalls bitte ich, die Ruhe zu behalten und die Newen nicht zu verlieren, wie auch wir sie nicht verlieren wollen. Daß die Verhältnisse schwül sind, daß wir Sorgen nach verschiedenen Richtungen haben müssen, ist bekannt; aber ich bin überzeugt, daß wir auch die Schwierigkeiten überwinden werden, und ich habe das Gefühl, daß die Reichswehr aus den Erschütterungen des Kapp⸗ Lüttwitz⸗Putsches gefestigt hervorgehen wird, daß ihr nun die Augen geöffnet sind und daß sie nicht mehr jedem Agitator in die Hände fallen wird. Aber auch wir selbst können dazu beitragen, indem wir nicht bei jeder Gelegenheit allen möglichen Tartarennachrichten glauben, und wenn wir selbst auch etwas zur allgemeinen Besonnenheit beitragen, dann wird die Sache schon gehen. Es ist nicht mehr so schlimm, wie es vor acht Tagen gewesen ist.
8 B. schat (Dem.): Die ostpreußischen Abgeordneten bitien gie 1.“ ntsisegan Reichsregie⸗ rung wird, ausreichende Mittel zur Unterstützung der durch die Rothensteiner Explosionskatastrophe schwergeschädigten Bewohner Ostpreußens unverzüglich Mittel bereit zu stellen und Vorentschädi⸗ gungen zu gewähren. Hier liegt offenbar eine Schuld der Regierung vor. Die Not ist groß, doppelt gibt, wer schnell gibt.
Abg. Deglerk (D. Nat.): Unser Antrag, die Diätarzeit zu regeln, 1” keineswegs 70 000 neue Beamtenstellen schaffen, es sollen
nur Ungleichheiten beseitigt werden. 1. würde das wenig aus⸗ b t halten schon die Diätare das gleiche Ge⸗ nene n sech — Pehre schle 8 Antrag würde für sämtliche
alt bis auf 20 % Ortszuschlag. — ꝛt. Beamte eine 16“ Wohltat bedeuten, indem das Diätar⸗ elend endlich beseitigt wird.
Abg. Jaud (Bayer. Vp.): Für die Ablieferung von Maschinen und Moloren muß den Abllefernden eine auskömmliche Entschädigung bezahlt werden. Vor allem ist die schleunige Herausgabe von Richt⸗ linien zu verlangen. Für das abzuliefernde Vieh werden zufrieden⸗ Die Ablieferungsverpflichtung muß vom ganzen Volke getragen werden, deshalb ist von .. Ge⸗ werbszweigen nicht zu verlangen, deß sie besondere Opfer ragen.
Unterstaatssekretär Müller vom Reichsministerium für den Wiederaufbau: Die Richtlinien werden in den nächsten Tagen dem Reichsrat zugehen und dann dem Ausschuß der Nationalversammlung vorgelegt werden. Die Verzögerung ist dadurch entstanden, daß wir noch mit Interessenten verhandeln mußten.
Abg. Frau von Gierke (D. Nat.): Unsere Entschließung, die Reichsregierung zu ersuchen, dahin zu wirken, daß allen denen, die infolge der hrungbef steigenden Preise für Lebensmittel und Ge⸗ brauchsgegenstände sich durch eigene Ae ch ein Existenz⸗ minimum nicht sichern können, insbesendere Erwerbsschwachen und er⸗ werbsunfähigen Rentnern und Rentenempfängern, die zur Erhaltun ihrer wirtschaftlichen Lage notwendigen staatlichen Beihilfen gewähr werden, lege ich Ihnen besonders ans Herz. Diese Leute können nicht streiken und Forderungen stellen, ihnen mu vom Reiche geholfen werden. Das Reichsamt des Innern bitte ich, den leistungsschwachen .S. Mittel zur ordnungsmäßigen Ausbildung ihrer Kinder zur
erfügung zu stellen.
Damit schließt die Besprechung.
In persönlicher Bemerkung verwahrt sich Abg. Dern⸗ burg gegen den Vorwurf, den 9⸗Stunden⸗Arbeitstag verlangt zu haben, er habe lediglich einen hygienischen Maximalarbeits⸗ tag verlangt. 3
Der Etat des Reichsministeriums des Auswärtigen wird
bewilligt. Beim Etat des Reichsministeriums des
Innern liegt ein Antrag Löbe⸗Rießer⸗Dernburg vor: 8 „Zur Errichtung einer wissenschaftlichen Abteilung für Volks⸗ bildung an der Universität Frankfurt 500 000 ℳ.
Abg. Dr. Quarck, (Soz.): Die Universität Frankfurt hat bisher keinen Pfennig Zuschuß erfordert. Es ist den Bürgern rankfurts nicht zuzumulen, auch in Zukunft alle Lasten allein zu agen. Helfen Sie durch Bewilligung des Beitrages die neue Kukturgemeinschoft gründen zum Segen unserer Volksentwicklung. Abg. Ersing (Zentr.): Der Antrag i im Haushaltsausschu Wir verkennen nicht, daß die Üniversität Frank⸗
furt, die bisher ohne jede staatliche Hilfe gearbeitet hat, jetzt in eine bedrängte Lage gekommen ist. ber das geht anderen Hoch⸗ schulen auch so. Es ist zunächst Sache des preußischen Staates und nicht des Reiches, für diese Universität einzu eten. Wenn das Reich einmal den Anfang macht, wird nächstens Baden, Württem⸗ berg usw. mit ähnlichen Anforderungen kommen. bitte, den Antrag zurückzuziehen. Das Reich hat jetzt durch Uebernahme der
Eü die Länder entlastet. — isenbahnen 8 öb B.): Es handelt sich hier um die
Erfülkecg einer Dan seflicht gegenüber Frankfurt das sich bisher bei zahllosen Gelegenheiten stets opferwillig gezeigt hat. Es ist eine Kulturverpflichtung, ihr jetzt aus Bedrängnis herauszuhelfen.
abgelehnt worden.
—— “
Zweite Be anzeiger und Preußi
Mittwoch, den 28. April
Im Ausschuß ist der Antrag nur durch Zufall mit Stimmengleich⸗ heit abgelehnt worden. 8— Der Antrag wird angenommen.
Zu dem Antrag der Abgg. Dr. Beyerle ( ) und Gen. bei den einmaligen Ausgaben neu einzusetzen 3 Millionen Mar zwecks “ wissenschaftlicher Untersuchungen und Ver⸗ öffentlichungen zur erfügung des Verbandes der deutschen wissenschaftlichen Akademien, ergreift nach kurzer Begründung durch Abg. Dr. Beyerle das Wort
Reichsfinanzminister Dr. Wirth: Wenn der Vorredner aus⸗ führte, daß es ich hier nur um einige Millionen handle, die nicht in Betracht kämen gegenüber den Riesensummen des Etats, 18 sage 89 Wer die Millionen nicht ehrt, ist die Milliarde nicht wert. (Heiterkeit.) 8 verkenne daß wir alles “ um die Wissenschaft zu heben. Es ist aber zu bedenken, daß das Reich mit anderen Aufgaben überlastet ist und daß es sich hier um eine Sonderausgabe handelt, die in erster Linie den Ländern obliegt. Die Länder sind ja durch die Uebernahme der Eisenbahnen auf das Reich vom Reich entlastet worden und daher eher in der Lage, hier Zuwendungen zu machen. Man hätte in dem Haushaltsausschuß
r die Länder aufgeteilt werden. Es ist ein außergewöhnlicher Vorgang, wenn ein solcher Antrag von der Nationalver ammlung ge⸗ stellt wird ohne Beratung im Haushaltsausschuß. i Ausgaben von Millionen muß eine sorcfallige Prüfung im Haushaltsausschuß stattfinden.
Der Antrag wird gegen vereinzelte Stimmen abgelehnt.
Ein Antrag Schneider⸗Franken (Bayer. Vp.) wegen Erhaltung der Rechte der Geheimen expedierenden Sekretäre wird angenommen.
Beim Haushalt des Ministeriums für Er⸗ nährung und Landwirtschaft begründet Abg. Behrens (D. Nat.) einen Antrag auf Aufrechterhaltung des Deputats der Landarbeiter.
Reichsernährungsminister Dr. Hermes: Es besteht begründete Hoffnung, daß bei der Neuregelung der Getreide⸗ wirtschaft den Wünschen der Landarbeiter in gewissem Umfange entsprochen werden kann.
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Teuerungszuschlag zu den Beamten⸗ gehältern ist im Notetat einheitlich auf 50 Prozent fest⸗ gesetzt worden. Hierzu liegt ein Antrag Arnstadt (D. Nat.) auf Erhöhung auf 60 Prozent vor, ferner ein Antraa Stein⸗ kopf (Soz.) auf abgestufte Erhöhung in den Gruppen 7 bis 10 auf 55 und in den Gruppen 1 bis 6 auf 60 Prozent. RNeichsfinanzminister Dr. Wirth: Die Besoldungsordnung legt dem Reiche eine Last von 6 Milliarden Mark auf Im G e sind weitere Erhöhungen erfolgt, auf die ich mich nicht mit einem, sondern mit zwei nassen Augen eingelassen habe, und die eine weitere Belastung des Reiches um fast 2 Milliarden bedeuten. Ich bitte, es nun wenig⸗ stens bei diesen Beschlüssen zu belassen und nicht weitere Anträge zu stellen. (Zuruf: Wahlanträge! Antrag Arnstadt würde eine Mehvaufwendung von 396 und der Antrag Steinkopf eine solche von 346 Millionen bedeuten. (Hört, hört!) Es ist ein ganz außergewöhn⸗ licher Vorgang, daß hier solche Anträge eingebracht werden. Der trag der Rechten widerspricht sehr stark den Auffassungen, die der ver⸗ ehrungswürdige Graf Posadowsky gestern im Hause geäußert hat. Wenn die Rechte solche Mehraufwendungen fordert, dann muß sie zh. vrc Genehmigung des Etats die antwortung tragen.
eifall.
Abg. Deglerk (D. Nat.): Sparen Sie doch bei anderen Ge⸗ legenheiten aber nicht bei den Beamten. Ein ungelernter Eisenbahn⸗ arbeiter steht sich auf 11 200 Mark im 24. Lebensjahre, ein mittlerer Beomter aber in viel höherem Alter nur auf 10 400 Mark. Das ent⸗ spricht nicht der Gerechtigkeit.
Minister Dr. Wirth: Tun Sie doch nicht so, als ob der Haus⸗ haltsausschuß gar nicht da sei. Ibr Antrag ist eine Herausforderung, für die mir jeder Ausdruck fehlt. (Unruhe rechts.) Wir haben die Gehälter um 859 Millionen Mark erhöht. (Beifall.)
Abg. Steinkopf (Soz.) zieht seinen Antrag zurück.
Der Rest des Etats wird bewilligt. Angenommen wird die Ausschußentschließung, welche die Heeresverwaltung ersucht, die zur Entlassung kommenden Heeresangehörigen nicht in Wirt⸗ schaftsabteilungen zusammenzufassen, sondern unter Zusicherung der Gewährung ihrer Gebührnisse in die Heimat zu entlassen. Der Bericht über die Sparprämienanleihe wird zur Kenntnis genommen. Angenommen wird eine Entschließung auf Unter⸗ stützung der aus Elsaß⸗Lothringen verdrängten Reichsdeutschen.
Abgelehnt werden Anträge der Deutschnationalen auf Ge⸗ währung von staatlichen Beihilfen an die eines Existenz⸗ minimums entbehrenden Personen, Anträge der Unabhängigen Sozialdemokraten auf Beseitigung des Ausnahmezustandes und der Standgerichte, sowie auf Vorlegung eines allgemeinen Amnestiegesetzes.
Weiter werden abgelehnt die Anträge der Unabhängigen Sozialdemokraten auf Bezahlung der Generalstreiktage, bzw. der Unabhängigen Sozialdemokraten und Sazialdemokraten auf Anerkennung des 1. Mai als allgemeinen Feiertags sowie der Antrag der Sozialdemokraten wegen Beruhigung im Ruhrbezirk.
Angenommen wird ein Antrag Arnstadt (D. Nat.), wonach bei der zwangsweisen Schlachtviehabgabe keine Ein⸗ griffe in die Viehbestände der Landarbeiter und kleinsten Be⸗ sitzer erfolgen sollen und eine bessere Versorgung der Land⸗ arbeiter mit Bekleidung und Beschuhung einzutreten habe, ferner ein Antrag Trimborn (Zentr.), den in Not befind⸗ lichen Unfall⸗, Invaliden⸗, Alters⸗, Witwen⸗ und Waisen⸗ rentnern schleunigst eine angemessene Notzulage zu gewähren und einen Ausschuß zur Untersuchung der Rentabilität der Reichsbetriebe, der Post und Eisenbahnen einzusetzen.
6Gz folgt die dritte Lesung des Notetats.
Reichsfinanzminister Dr. Wirth: Ich werde Veranlassung nehmen, die Frage der notleidenden Akademien und Studienanstalten mit den Länderr zu prüfen; dem neuen Reichstage wird das Ergebnis
vorgelegt werden. Abgeordneter Geyer⸗ deipzig (u. Soz.): Wir werden gegen den Notetat stimmen. Wir sind nicht in der Lage, der Regierung Die Haltung des Militärs im
ein Vertrauensvotum zu erteilen. Ruhrgebiet ermuntert uns nicht dazu. Auch das, was der Justis⸗
minister über die Amnestie gesaagt hat, ist unzureichend.
deü darüber beraten müssen, inwieweit die geforderten 3 Millionen ü
Beim Etat des Reichsministeriums des Innern liegt ein Zentrumsantrag vor, die 500 000 ℳ für die
Universität Frankfurt wieder zu streig
zauzeiger.
en
Der Antrag wird abgelehnt, die Position bleibt. 1
In der Gesamtah timmung wird der Notetat gegen die Stimmen der beiden Rechtsparteien sowie der Unabhängigen Sozialdemokraten angenommen.
Sodann wird noch das Gesetz über die Auskunftspflicht über deutsche Güter, Rechte und Interessen im Gebiete der alliierten und assoziierten Mächte in allen drei Lesungen an⸗ genommen.
Nächste Sizung Mittwoch 11 Uhr. (Fall Braß, zweite Lesung des Besoldungsgesetzes, Betriebsrätegesetz, Militärver⸗ sorgungsgesetz, Tumultgesetz).
Schluß 7 ½ Uhr.
Preußische Landesversammlung.
139. Sitzung vom 27. April 1920, Mittags 12 Uhr. (Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger.)*)
Das Haus ist dicht besetzt. Die namentliche Schlußabstimmung über den Gesetzentwurf, betr. die Bildung einer neuen Stadt⸗ gemeinde Berlin, ergibt die Annahme mit 164 gegen 148 Stimmen, sünf Mitglieder haben sich der Stimme enthalten. Die des Ergebnisses wird von der Mehrheit mit lebhaften Beifallsrufen begrüßt.
Zur Verhandlung kommt der Antrag der Sozialdemokraten, die Staatsregierung zu ersuchen, den 1. Mai in Preußen zum gesetzlichen Feiertag zu erklären. Verbunden wird da⸗ mit der von den U. Soz. eingebrachte Gesetzentwurf über die Einrichtung eines allgemeinen Volksfeiertages am 1. Mai.
Abg. Krüger (Soz.): Ich bedauere, daß man noch nicht den Mut gefunden hat, der deutschen Arbeit das Zugeständnis zu machen, das ihr eigentlich zukam: den 1. Man zum gesetzlichen Feiertag, d. h. zum E des deutschen Volkes zu machen. Die Rechte sagt, wir wollten damit unsere Weltanschauung zum Ausdruck bringen, Propaganda machen für den Sozialismus. Leider fühlt ein erheb⸗ licher Teil Deutscher sich nicht als Arbeiter und hat absolut nichts übrig für diejenigen, die die Werte schaffen. Der 1. Mai ist ein uralker Naturfesttag (Lachen rechts), weil im Wonnemonat Mai die Natur wieder zu neuem Leben aufwacht und dementsprechend in den Kreisen der schaffenden Stände das Gefühl der Neubelebung Platz greift. Auch die alten Deutschen haben den 1. Mai als sogenannte Sonnenwende zum Nationalfesttag gemacht. Auf der Wartburg und auf der “ versteht man ja auch gut Frühlingsfeiern zu machen, also auch diese Kreise und Stände haben Verständnis für einen Naturfesttag. (Zuruf: Nehmen Sie doch den ersten Sonntag im Mai!) Die Arbeit, das wissen wir alle, ist eine Norwendigkeit, sie aber nicht einseitig zum Fluche einer Menschenklasse werden. Ein Weltfrieden, der am 1. Mai auch von der arbeitenden Bevölke⸗ rung als Gedanke der Verbrüderung sämtlicher Völker propagiert wird, gibt uns Sicherheit, daß auch weitere Kriege vermieden werden. Der 1. Mai bedeutet für uns ein Bekenntnis zum Sozialismus. Der Kampf der schaffenden Stände muß dahin gehen, daß der 1. Mai, auch wenn Sie den von den Unabhängigen und von uns gestellten Antrag ablehnen, trotzdem zum Feiertag gemacht wird. (Große Un⸗ ruhe rechts. Der Präsident ermahnt zur Ruhe.) Der Krieg, das Völkermorden hat uns bankerott gemacht. Für die deutsche Arbeiter⸗ bevölkerung bedeutet der 1. Mai das Gelöbnis zum Wiederaufbau. Lehnen Sie das ab, so beweisen Sie, daß Sie kein Verständnis haben für die Wünsche der Arbeiterbevölkerung. Selbst der fran⸗ b Kapitalismus ist bereit, den Arbeitern den 1. Mai als Feier⸗
zu gewähren. (Große Unruhe. Beifall b. d. Sozialdemokraten.)
Abg. Ad. Hoffmann (U. Soz.): Ich begreife einigermaßen Ihre Aufregung (nach rechts) über die Annahme des Gesetzentwurfs Groß Verlin. Wenn Sie das büßen sollten, was Sie in den letzten 4 % Jahren verbrochen haben, dann reicht das ganze Jahr nicht aus.
ber wenn die Arbeiter einen einzigen Tag für sich in Anspruch nehmen, dann geht gleich die Welt zugrunde, dann ist ein Sturm der Entrüstuna da. Das haben wir kennen gelernt vor 31 Jahren, als im Jahre 1889, 18 Jahre nach dem Kriege, bei der Hundert⸗ jahrfeier der französischen Republik, der Feier des Bastillensturmes, der internationale Arbeiterkongreß in Paris stattfand. Damals ist der 1. Mai als 5 eingesetzt worden zur Erinnerung eines internationalen Arbeiterschutzes und als en gegen allen Krieg.
Sie sind jetzt dabei, nach der Revolution den Achtstundentag wieder zu beseitigen. Die bis jetzt in diesem Parlament das Wort geführt haben, waren nicht Vertreter, sondern Unterdrücker der Arbeiter. Gegen den Krieg und für den Weltfrieden war dieser Tag eingesetzt worden. Nur die Arbeiterschaft kann uns erretten aus dem Zusammenbruch, in den wir hineingeraten sind. Der deutsche Finanzminister Wirth hat in der Nationalversammlung erklärt, heute setzt sich das arbeitende Deutschland gegenüber den Kapitalisten von gestern durch. Leider ist das nicht der Hs Dr. Wirth hat gestern erklärt, GG finanzieller Zusammenbruch in bedenkliche Nähe gerückt ist. r Zusammenbruch wird erfolgen, wenn die Arbeiter Sie (nach rechts) nicht retten. Sie denken dabei, daß der Arbeiter wieder so töricht sein wird, das kapitalistische System von neuem aufzubauen. nicht so töricht sein, einer so be⸗ scheidenen Forderung, den 1. Mai zum Fttan zu erklären, Widerstand zu leisten. Wir werden ihn als internationalen Feiertag begehen, als here gegen die kapitalistische Ausbeutung, als Protest gegen alle
riege. Die Arbeiter aller Länder werden sich zusammentun über die
Machthaber, über die Kapitalisten hinweg damit wir, wenn es nicht anders geht, durch die Weltrevolution zur Welterlösung kommen. Wir feiern den 1. Mai im Sinne der internationalen Verbrüderung aller Arbeiter. Die ganze Welt soll daran teilnehmen, denn nur so ist die Ausrottung der kapitalistischen Weltordnung denkbar. Der Aufbau einer neuen sozialistischen Welt wird erfolgen. Der Gedanke der Völkerverföhnung wird am 1. Mai gefeiert werden. Ich schließe mit den Worten Berengers: Schließt eure Reihen zum großen Völkerbund, recht Proletarier euch die Bruderhand. Wenn die Mehrheit den 1. Mai als Feiertag verweigert, so wird das Volk den Generalstreik erklären; es wird den 1. Mai feiern, Sie mögen wollen oder nicht.
Abg. Gronowski (Zentr.): Beschließt das Parlament nicht nach dem Gefallen des Herrn Adolf Hoffmann, so wird also der Generalstreik erklärt: das ist der Respekt der Herren vor der Demo⸗ kratie. Das muß vor dem Volke festaestellt werden. (Großer Lärm und Zurufe bei den Unabhängigen Sozialisten.) Sie haben von der Arbeit noch keine Schwielen an den Händen bekommen. (Sturm der Entrüstung bei den Unabhängigen Sozialisten.) Mit Zitaten aus französischen Dichtern empfiehlt uns Herr Adolf Hoffmann den Welt⸗ feiertag, und das in einem Augenblick, wo das deutsche Volk in die Zähne knirscht über die unerhörte Willkür der Franzosen gegen den wehrlosen Maingau. (Stürmische Zustimmung rechts und im Zentr.)
Das Zentrum lehnt hier, wie in der Nationalversammlung, diese An⸗
*) Mit Ausnahme der Reden der Herren Minister die im Wortlaute wiedergegeben werden.