1920 / 96 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 06 May 1920 18:00:01 GMT) scan diff

den des täglichen Be⸗ und Lebensmitteln aller gkeit hierfür wegen Unzuver⸗

der Handel mit Gegenstän darfs, insbesodere mit Milch Art, sowie die Vermittlertät

lässigkeit untersagt worden. Bochum, den 27. April 1920. Die Stadtpolizeiverwaltung. J. A.: Alfers.

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Nichtamtliches.

Deutsches Reich.

8 Der Reichsrat versammelte sich heufe zu einer Voll⸗ sitzung; vorher hielten die vereinigten Ausschüsse für Durch⸗ führung des Friedensvertrags, für Volkswirtschaft und für Haushalt und Rechnungswesen, die vereinigten Ausschüsse 88 und Rechnungewesen, für innere Verwaltung und für

eewesen die vereinigten Ausschüsse für Haushalt und Rech⸗ nungswesen und für Verkehrswesen, die vereinigten Ausschüsse ür Haushalt und Rechnungswesen und für Versassung und

eschäftsordnung, der Ausschuß für Houshalt und Rechnungs⸗ wesen, die vereinigten Ausschüsse für Voltswirtschaft und für Reichswehrangelegenheiten, der Ausschuß für Vo kswirtschaft sowie die vereinigten Ausschüsse für Rechtspflege, für Reichs⸗ wehrangelegenheiten und für innere Verwaltung Sitzungen.

Der König und die Königin von Schweden passierten gestern Abend, von Süden kommend, Verlin auf der Heimreise, um den Bessetzungsfeierlichkeiten für die Kronprinzessin Marga⸗ reta in Stockholm beizuwohnen.

Die deutsche Friedensdelegation in Paris hat der Reparatonskommission eine Denkschrift überreicht, in der dem „Wolfsschen Telegraphenbüro“ zufolge in Ergänzung der von der deulschen Schiffahrtsdelegation bereits im März d. J. übergebenen ersten Denkschrift gezeigt wird, wie groß die Ein⸗ fuhr der für Deutschland lebenswichtigen Rohstoffe vor dem Kriege war, und wie diese Einfuhr sich nach dem Kriege in⸗ folge der Wirkungen des Friedenevertrages einschränken mußle. Zugleich zeigt die Denkschrift, daß eine weitere Einschränkung im Hinblick auf die Volksgesundheit, die Notwendigkeit der Arbeitebeschaffungen und die innere Ruhe und Ordnung nicht möglich ist. Es wird ferner statistisch dargetan, wieviele von den eingeführten Rohstoffen vor dem Kriege zur See nach Deutschland trans⸗ portiert worden sind und wesche Mengen dementsprechend von dem jitzt verminderten, für Deutschland unbedingt not⸗ wendigen Rohstoffbedarf künftig zur See eing führt werden müssen. Die füuͤr den Transport dieser Mengen von Roh⸗ stoffen erforderliche Tonnage wird alsdann berechnet und gezeigt, daß bei strikter Durchführung des Friedensvertrags 700 000 Tonnen Schiffsraum fehlen würden. In der Er⸗ wartung, daß die Hälfte hiervon irgendwie anderweitig be⸗ schafft werden kann, tommt die Dentschrift zu dem Ergebnis, daß, wie schon in der ersten Dentschrift beant agt, Deutschland zur Vermeibung des wirtschaftlichen Zusammenbruchs 350 000 Tonnen seines eigenen zur Uebergabe an die Alliterten bestimmten Schiffsraums zunächst belassen werden müssen.

Gestützt auf diese Darlegungen der Denkschrift, richtet die Deutsche Regierung an die Wiederautmachungskommission das Ersuchen, Peutschland diesen Schiffsraum zu überlassen und schlägt hierfür die folgende Regelung vor:

1) Die Ablieferung und Uebereignung der noch in deutschem Besitze befindlichen Frachtschiffe über 1600 Br.⸗Reg.⸗Ts. wird auf 2 Jahre hinausgeschoben. Zum Ausaleich für die während dieser Zeit durch die Benutzung entstehende Wertminderung wird die Deutsche Regierung einen angemessenen Abschreibungs⸗ satz zahlen. Die Deutsche Regierung wird bestrebt sein, die Ablieferung und Uebereignung der Schiffe schon vor Ablauf der zweijährigen Frist zu bewirken, soweit sie dies nach Lage der deutschen Wirtschaft für durchführbar erachtet. Für die vor Ablauf der Frist abgelieferten Schiffe wird der Abschrei⸗ bungssatz nur bis zum Taͤge der Ablieferung gewährt. Sollte während der Frist der zwei Jahre ein nach Absatz 1 über⸗ lassenes Schiff verloren gehen, so wird die Deutsche Regierung hierfür einen gleschwertigen Neubau als Ersatz liefern. Hinsichtlich der Schiffe zwischen 1000 und 1600 t erklärt sich der Wiedergutmachungsausschuß mit den Schiffen dieser Größe, die sich als Embargoschiffe oder als Schiffe, die in Ausfubrung des Waffenstihstandsabtommens übergeben worden sind, bereits im Besitz der olliierten und assoztierten Regierungen befinden, als befriedigt im Sinne des § 1 Abs. 3 Anlage III zu Teil VIII des Friedensvertrages.

Soweit infolge der Auslieferung von Schiffen die Deutschland

nach 1 und 2 überlassenen Schiffe nicht den Schiffsraum von

350 000 Br.⸗Reg.⸗Ts. erreichen, wird ihm der hieran fehlende

Schiffsraum aus den von Süd⸗ und Miltelamerika beim⸗

kehrenden Frachtschiffen unter den Bedingungen zu 1 zur Ver⸗

fügung gestellt.

Die Wiedergutmachungskommission wird ersucht, den Maritime

Service zu bevollmächtigen, über die Ausführung dieses Vor⸗

schlage mit der deutschen Schiffahrtsdetegation, die sich jetzt

wieder nach London begibt, zu verhandeln.

„Es muß nochmals“, so schließt die deutsche Note, „mit Rachdruck und Ernst hervorgehoben werden, daß, wenn Deufsch⸗ land der geforderie Schiffsraum nicht belassen wird, das deutsche Wirtschaftsleben und die innere Ordnung Deutschlands in einer Weise gestört wird, daß die Erfüllung der deutschen Wiedergutmachungsverpflichtungen in Frage geftellt wenn nicht

d

unmöglich gemacht wird.“

—.

Die französischen Militärbehörden in Frankfurt a. M. verlangten gestern, wie „Wolffs Telegraphenbüro“ meldet, vom Polizei räsidium die Herausgabe der seit der Revolution für die Hilfeposizei aufbewahrten Waffen. Die Auslieferung erfolate. Der Polizeipräsident Erler stellte aus diesem Anlaß sein Amt zur Verfügung, bleibt aber solange im Amte, bis die Entscheivung des Ministers eingetroffen ist. Noch Abliefe⸗ rung der Waffen verbleiben der 1500 Mann starken Polizei, die aus 500 sogenannten blauen Polizisten und 1000 Hilfs⸗ polizisten zusammengesetzt ist, nur ungefähr 500 Gewehre. Daber glaubt der Polizeipräsident die Verantwortung für Auf⸗ rechterhaltung der Ordnung und Ruhe nicht mehr tragen zu können und bat die Regierung um Enthebung vom Amt oder Rückgängigmachung des Befehls. Gleichzeitig machte er von seinem Entschluß dem General Vidalon Mitteilung.

Der Reichsminister des Innern hat durch eine gestern veröffentlichte Zekanntmachung angeordnet, daß die Wähler⸗ listen und Wahlkarteien vom Era. den 9. Mai, bis Sonntag,

1““

den 16. Mai, 8en werden müssen. T luslegung der Wählerlisten haben die Gemeindevorstände bekannt zu geben, wo und wie lange die Wählerlisten zu jedermanns Einsicht ausgelegt werden, sowie in welcher Zeit und in weicher Weise Einsprüche gegen die Wählerlisten erhoben werden können.

Die Bekanntmachung hat spätestens am 8. Mai zu erfolgen.

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Einsprüche gegen die Richtigkeit ’e“ der Wähler⸗

listen sind spätestens am 16.2 den Ee⸗

meindebehörde einzulegen.

bei

Preußen.

Die blutig verlaufenen Polenkundgebungen am Sonn⸗ tag in Ratibor haben dort sämtliche politischen Parteien, Arbeiter⸗ und Ar LTT und Beamienverbände veranlaßt, einen energischen Protest an die Interalliierte Kommission in Oppeln zu richten, in dem eine sofortige ein⸗ gehende Untersuchung und die Bestrafung der Urheber sowie deren dauernde Entfernung aus dem Abstimmungsgebiet ge⸗ fordert wird. 1b

Statistit und Volkswirtschaft.

Exrxistenzminimum in Groß Berlin im Februar 1920.

In einer Abhandlung von dem Direktor des Statistischen Amts

von Berlin⸗Schöneberg Dr. Kuczynski, deren Ergebnisse im

Aprilheft des „Reichsarbeitsblatts“ mitgeteilt werden, sind unter

Zugrundelegung der Ausgaben für die rationierten Nahrungsmittel,

vermehrt um die billigsten Zuschläge zur Erreichung der ö1ö8 Mindestnährwerte, des Mindestbedarfs an Wohnung, Heizung, leuchtung, Bekleidung und eines prozentualen Zuschlags für alle übrigen Lebensnotwendigkeiten die Kosten Veeregnn gihms für Februar 1920 in Groß Berlin für einen Mann auf 133 ℳ, für ein kinderloses Ehepaar auf 196 ℳ, für ein Ehepaar mit 2 Kindern auf 256 21 berechnet.

Verglichen mit den Berechnungen für die entsprechenden Mindest⸗

ausgaben im Februar 1914, ist das wöchentliche Existenzmintmum in Groß Berlin für den Mann auf das 7, fache, für ein kinderloses Ehepaar auf das 8,8 fache, für ein Ehepaar mit 2 Kindern auf das 8,o fache gestiegen. An diesen Ergebnissen gemessen, ist der Stand der Mart auf 12 Pfennige gesunken, ist mithin zur Bestreitung der Aus⸗ gaben für den alleinstehenden Mann ein hähelkche⸗ Mindest⸗ verdienst von 6950 ℳ, für das klinderlose Ehepaar ein solcher von 10 200 ℳ, für das Ehepaat mit 2 Kindern ein solcher von 13 350 erforderlich.

Arbeitsstreitigkeiten.

Die Lage im Ausstand der Binnenschiffer hat sich

hiesigen Bläͤttern zufolge seit Dienetag verschärft. Während bisher der Ausstand sich nur auf die märlischen Wasserstras en beschränkte, ist durch den Eintritt von 3000 Privatschiffern, von Schiffs⸗ eignern, die ein bis zwei Dampfer oder Frachtkähne besitzen, die Lage wesentlich ernster geworden. Gestern ist bereits der gesamte Ver⸗ kehr von Kosel (Oberschlesien) bis nach Stertin und von der tschecho⸗slowakischen Grenze bis nach Lübeck lahmgelegt. Das bedeutet eine schwere Gefahr für die Lebens⸗ mittel⸗ und Kohleversorgung.

Der Ausstand der Berliner Kinovangestellten ist

der „Börsen⸗Ztg.“ zufolge beendet. Gestern ist die Arbeit in den Betrieben der ilmindustrie wieder aufgenommen worden.

In Kiel beschlossen, wie „W. T. B.“

mittag einstimmig, in den Ausstand zu treten.

Eine am 4. d. M. abgehaltene Versammlung der Bankbeamten in Görlitz beschloß, wie „W. T. B.“ mitteilt, gestern früh in den Ausstand zu treten. Der Streikbeschluß erstreckt sich jedoch nur auf die Aktienbanken. Da die Privatbanken sich auf den Boden der Forderungen der Angestellten gestellt haben, arbeiten die in ihnen cheigen Beamten und Angestellten, haben sich aber verpflichtet, den stilliegenden Bankhäusern keine Kräfte zuzuführen.

Die Münchener Bankangestellten sind „W. T. B.“ zufolge gestern in den Ausstand getreten. Die Streik⸗ bewegung breitet sich über ganz Bayern aus, doch ist der Ausstaud bis jetzt nicht allgemein. Hauptsächlich feiern weibliche und jüngere Kräfte.

Der Hamburger Hotelbesitzerverein hat, wie

W. T. B.“ erfährt, in einer gestern abgehaltenen Versammlung

einstimmig beschlossen, von Sonnabendmitlag an keine Gaͤste mehr

Kunst und Wifs enschaft.

Die Akademie der Künste hat in diesem wie im vorigen Jahre wieder eine größere Zahl von Wertbewerben für bildende Künstler ausgeschrieben. Mit Rücksicht auf die gegen⸗ wärtigen Zeitumstände sind die Zulassungsbedingungen wesentlich er⸗ leichtert, insbesondere sind für ehemalige Kriegsteilnehmer die für die Bewerbung vorgeschriebenen Altersgrenzen anderweit festgesetzt. Zur Verteilung gelangen: die Großen Staatspreise für Maler, Bildhauer und Archttekten, ferner für Maler: der Julius Helfft⸗Preis, der Blechen⸗

Preis und der Erste Michael Beer Preis, für Bildhauer; der Dr. Hugo

Ranußendorff⸗Preis, der Rohr⸗Preis, der Dr. Paul Schultze⸗Preis und

des wöchentlichen

b meldet, die Ange⸗ stellten sämtlicher kaufmännischer Betriebe gestern nach-

der Schmidt⸗Michelsen⸗Preis, für Graphiker; der Zweite Michael

Beer⸗Preis. Die gleichzeitige Ausschreibung dieser Preise, die im einzelnen 1500 big 4200 betragen, bedeutet eine große soziale Hilfsaktion der Akademie für die in jetziger Zeit besonders notleidenden Künstler. Die Preise werden Ende Juni d. J. verteilt werden. Die näheren Bestimmungen für die einzelnen Wettbewerbe sind durch das Büro der Akademie, Pariser Platz 4, zu beziehen.

Die Vererbung der Begabung. Der Frankfurter Forscher H. W. Rath ist, wie die „Münch. med. Wochenschr.“ be⸗ richtet, bei seinen genealogischen Studien in Schwaben auf eine Tatsache gestoßen, die für unsere Kenntnis geistiger Zusammenhänge in Deutschland hohe Bedeutung gewinnen dürfte. In der Tochter Regina des Tübinger Professors Georg Burckhardt (1539— 1607), die mit dem 1600 in Thüringen geborenen Dr. Bardilli verheiratet war, fand er die leibliche Stammutter fast aller großen schwäbischen Dichter, Denker und Philosophen, die seit dem 18. Jahr⸗ hundert das deutsche Geistesleben bewegten Unter den Nachkommen jener merkwürrigen Frau finden sich die drei großen Lyriker Hölderlin, Uhland und Mörke, die beiden Philosophen Schelling und Hegel, die drei Mäͤrchenerzähler Hauff, Schwab und Ottilte Wildermuth, ferner Friedrich Theodor Vischer, der Dichter der „Palmblätter“ Karl Gerok und der Tibullübersetzer Graf v. Reinhard. Bis zu den Goethe⸗Textors, bis zu Martin Luther spinnt sich das erstaunliche Ver⸗

wandtschaftsgewebe.

V Theater und Mufik.

Im Opernhause werden morgen „Hoffmanns Erzählungen mit den Damen von Catopol, Hansa, Branzell, Birkensrem und den Herren Hutt, Schwarz, Krasa, Henke, Sommer, Lücke, Bach⸗ mann und Philipp besetzt, unter der musikalischen Leitung von Dr. Fritz Stiedry gegeben. Anfang 7 Uhr.

Im Schauspielbhause wird morgen „Peer Gynt“ (außer dem Dauerbezuge) in bekannter Besetzung wiederholt. Spielleiter ist Dr. Reinhard Bruck. Anfang 6 ½ Uhr.

Nr. 7 des Ministerialblatts der Handels⸗ und Gewerbeverwaltung“, bherausgegeben im preußischen Ministerium für Handel und Gewerbe, vom 14. April 1920 hat folgenden Inhalt: I. Persönliche Angelegenbeiten. II. Allgemeine Verwaltungsangelegenbheiten: Portoablösungsverfahren und Eintührung von Dienstmarken; Kriegsteuerungszulagen. III. Handelsangelegen⸗ heiten: Handel mit Tabaf; Gebrauch von Telegrammschlüsseln; Zu⸗ lassung zu den nautischen Schiffsingenieur⸗ und Maschinistenprüfungen; Ernennung von Handelsrichtern. IV. Gewerbliche Angelegenheiten: Herstellung, Aufbewahrung und Verwendung von Azetylen; Eintritt von Lehrlingen in Vereine; Betriebsrätegesetz. V. Gewerbliche Unter⸗ richtsangelegenheiten: Schulordnungen; Prüfungsgebühren an gewerb⸗ lichen Privatschulen; Schulgeld an Fachschulen. .

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1 Nr. 14“ des Reichsgesund⸗ heitsamts“ vom 28. Apr 1 1920 hat folgenden Inhalt: Gesundheitsstand und Gang der Volkskrankbeiten. Zeitweilige Maß⸗ regeln gegen ansteckende Krankheiten. Gesetzgebung usw. (Deutsches Reich.) Vierte Aus abe der Deutschen Arzneitaxe 920. (Preußen.) eots für Tuberkulose. Lymphgetäßentzündung der Pferde. Tierärzte. Vierte Ausgabe der Deutschen Arzneitaxe 1920. (Mecklenburg⸗Schwerin.) Hrpnotische Vorstellungen. (Schweiz.) Influenza. (Kanton Bern.) Verwendung von Impftieren. Tier⸗ seuchen im Deutschen Reiche, 15. April. Verhandlungen von gesetz⸗ gebenden Könperschaften, Vereinen, Kongressen usw. (Preußen.

BVerlin.) Anzeigepflicht bei Geschlechtekrankveiten. Vermischtes. (Deutsches Reich.) Gewerbeaufsichtebeamte und Bergbehörden. (Schweiz.) (Encephalitis lethargica.) G schenkliste. Wochen⸗ tabelle über die Geburts⸗ und 1terblichkeitsverhältnisse in deutschen Orten mit 40 000 und mehr Einwohnern. Desgleichen in einigen größeren Städten des Auslandes. Erkrankungen in Krankenhäusern deutscher Großstädte. Desgleichen in deutschen Stadt⸗ und Landbezirken. Witterung Beilage: Gerichtliche Entscheidungen auf dem Ge⸗ biete der öffentlichen Gesundheitepflege (Heilmittel, Gifte).

in den Hotels aufzunehmen wegen Ausstands und Terrors 3

der Angestellten.

Zur Ausstandsbewegung in Frankreich bahnerausstand gestern auf allen Li ien des Westens, des Nordens und des Südens sowie bei den Staatsbahnen ziemlich unver⸗ ändert war. Terrorismus fort. Im Osten und auf der Paris⸗Lyon⸗Mittelmeerbahn ist der normale Dienst gesichert. In den Bergwerksbezirken hat sich der Ausstand zum Teil verschärft, so besonders im Rhonebecken. Ebenso sind zahlreiche Bergleute im Bezirk von St. Etienne in den

Ausstand getreten, so daß der Ausstand im Lotrebecken jetzt allgemein

ist. Die in Denain versammelten Vertreter der Grubenarbeiler des

Beckens von Anzen haben beschlossen, sich dem Streitaufruf des All⸗

gemeinen französischen Arbeiterbundes anzuschließen und haben auf heute, Donnerstag, den Beginn des Allgememaue standes der Gruben⸗ arbeiter dieses Beckens feßgesetzt. uch bei den organisierten

Arbeitern in Hafenstädten scheint sich nach den letzten Nach⸗

richten der Ausstand weiter auszudehnen. So wird aus Rouen gemeldet, daß die Seeleute beschlossen haben, sich dem Ausstand anzuschließen. Ferner haben sich die Metallarbeiter des Seine⸗Departements dem Ausstand der zur C. G. T. zu⸗ samme geschlossenen Gewerkschaften angeschlossen. Die genannte Organisation hat der Regierung eine Denkschrift überreicht, in der sie die Forderungen der ausständigen Eisen⸗ bahner, Bergleute und Dockarbeiter auf völlige Um⸗ gestaltung der Betriebe eingehend darlegt. Es wird Verstaatlichung der Eisenbahnen und Umgestaltung der Hafenbetriebe verlangt.

Aus Rom wird dem „W. T. B.“ telegraphiert: Anarchi⸗ stische Elemente, die sich gegen den Beschluß der Arbeits⸗ kammer wegen Beendigung des Ausstands in Livorno auf⸗ lehnten, plünderten zwei Waffenläden, wobei es zu einem Zu⸗ sammenstoß kam. Eine Person wurde getötet, 20 verwundet, darunter fünf Carabinieri. In Viareggio hat der General⸗ leutnant Marincola die Leitung der Geschäfte übernommen und die Beseitigung der Hindernisse in den Straßen ge⸗ fordert, die den Truppen den Zugang sperren. Die Arbeitsk. mmer fordert zur Wiederaufnahme der Arbeit 886 Aus einer offiziösen Meldung des „Messaggero“ über die Vorgänge in Viareggio geht ferner hervor, daß 200 Carabinieri in Viareggio eingerückt sind, daß das Automobil des Generals Mangiarolli verbrannt und das des Generals Graziesi beschädigt ist. Der Allgemeinausstand hält dort an. In Livorno ist der Allgemeinausstand unter Teilnahme der Eisenbahner erklärt worden.

teilt „W. T. B.“ nach der „Agence Havas“ mit, daß die Lage im Eisen⸗

Im Westen dauern die Ausschreitungen und der

(Fortsetzung

Theater.

Opernhaus. (unter den Linden.) Freitag: 93. Dauer⸗ bezugsvorstellung. Hoffmanns Erzählungen. Anfang 7 Uhr. Sonnabend: Carmen. Anfang 6 ½ Uhr.

Schauspielhaus. (Am Gendarmenmarkt.) Freitag: Karten⸗ reservesatz 72. Peer Gynt. Anfang 6 ½ Uhr.

Sonnabend: Friedrich der Große. I. Teil: Der K 1 Anfang 6 ½ Uhr. er Kronprinz

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Familiennachrichten.

Verehelicht: Hr. Haupimann a. D. und Kreisrat mit Frl. Uh bn 8 nd Kreisrat Heinz Bödeker

Fricke (Fallingbostel).

Gestorben: Hr. Diplom⸗Ingenijeur, Hauptmann d. L. Dr. Julius Fischer (Charlottenburg). Hr. Professor Carl Röchling (Char⸗ lottenburg). Hr. Rittergutsbesitzer Leopold von Kameke (Varchminshagen).

Verantwortlicher Schriftleiter: Direktor Dr. Tyrol. Charlottenburg⸗

Verantwortlich für den Anzeig Rechnungsrat Mengerin g in Berlin.

Verlag der Geschäftsstelle Mengerina) in Berlin. Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlaagsanstalt 1

Berlin. Wilhelmstraße 32. Sieben Beilagen

Jleinschließlich Börsenbeilage und Warenzeichenbeilage Nr. 36

und Erste, Zweite und Dritte Zentral⸗Handels

enteil: Der Vorsteher der Geschäftsstele.

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2431, möchte ich ebenfalls bitten, abzulehnen. siedlungsverbands kann nicht beliebig erweitert werden, wenn nicht

zum Dentschen Reichs

No. 96.

anzeiger und Preußi

Erste Beilage

Berlin, Donnerstag, den 6. Mai

Aichtamtliches, (Fortsetzung aus dem Hauptblatt.) Preußische Landesversammlung. 142. Sitzung vom 5. Mai 1920, Nachmittaas 3 Uhr. (Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger“*).)

Auf der Tagesordnung steht an fünfter Stelle die zweite und dritte Beratung des Gesetzentwurfs, betreffen Verbands⸗ ordnung für den Siedlungsverband Ruhr⸗ kohlenbezirk. Der Ausschußbericht über die Vorlage ist heute nachmittag um 1 Uhr zur Verteilung gelanat.

Es wird beantragt und nach kurzer Besprechuna beschlossen, den Gegenstand trotz der verspäteten Verteilung des Ausschuß⸗ berichts vorweg zu erledigen. Dieser am 4. Mai 1920 vom Ausschuß festgestellte schriftliche Bericht umfaßt 226 Druck⸗ seiten. Der Ausschuß hat drei Lesungen der Vorlage vorge⸗ nommen.

§ 1 statuiert den Verband als öffentlich⸗rechtliche Körper⸗ schaft zur Verwaltung aller Angelegenheiten, die der Förderung der Siedlungstätigkeit im Verbandsgebiet dienen; er ist sowohl Selbstverwaltungs⸗ als auch Regierungsorgan.

Bei § 1 entspinnt sich eine allgemeine Erörterung, in der

die Abgeordneten Martin (D. Nat.) und Eberle⸗Barmen (Soz.) sich für die Tendenz der Vorlage und für die Ausschuß⸗ fassung aussprechen, aber in einzelnen Punkten noch Abände⸗ rungen für nötig erklären. Abg. Martin befürwortet, auch die Kreise Hagen und Schwelen dem Verbandsgebiet ein⸗ zuverleiben. Abg. Eberle befürwortet die Wahl der Wahl⸗ männer zur Verbandsversammlung nach dem System der Ver⸗ hältniswahl. . Abg. Dr. Ruer (Dem.): Wir werden dem Gesetzentwurfe in der sehien Fassung zustimmen. Der Vorsitzende muß von der Körper⸗ schaft selbst gewählt werden. Der Verbandspräsident darf nicht nach politischen Rücksichten ernannt werden.

Abg. Dr. Reinicke (Zentr.): Wir halten es für bedenklich, daß der Verbandspräsident gleichzeitig Vorsitzender der Verbandsversamm⸗ Lung sein soll. Wir sind für unveränderte Annahme des Gesetzentwurfs.

Abg. Tegeder (D. V.): Wir stimmen dem Gesetzentwurfe in der Ausschußfassung zu.

Abg. Weissermel (D. Nat.) bleibt auf der Tribüne wegen der Unruhe des Hauses unverständlich.

Minister für Voltswohlfahrt Stegerwald: Meine Damen und Herren! Nach Schluß der Generaldebatte möchte ich namens der Staatsregierung dem hohen Hause den Dank für die Mitarbeit an diesem Gesetzentwurf abstatten. Schon in dem seitherigen Ver⸗ lauf der Distussion ist zum Ausdruck gekommen, daß dieser Gesetzentwurf in der dritten Lesung einstimmig angenommen worden ist, und diese Tatsache ist um so höher anzuschlagen, als von mehreren Seiten aus⸗ gesprochen wurde, daß durch diesen Gesetzentwurf mehrfach neue Wege eingeschlagen werden mußten. Das trifft z. B. zu für die Stellung und die Kompetenzen des Verbandspräsidenten, für die Zusammensetzung der Vertreterversammlung, für die Abgrenzung der Kompetenzen zwischen dem Ruhrsiedlungsverband und den einzelnen Kommunalverbänden usw. Wenn trotzdem die Ein⸗

stimmigkeit in der dritten Lesung erzielt worden ist, so ist damit zum

Aus druck gebracht worden, daß es sich hier tatsächlich um ein Gesetz handelt, das bestimmt ist, unserer Volkswirtschaft wieder empor⸗ zuhelfen; und daß das hohe Haus hier so einmütig mit⸗ gearbeitet hat, dafür möchte ich ihm den Dank der Staatsregierung

aussprechen.

Die vorliegenden Anträge, besonders die Anträge Nr. 2424 und Der Umfang des Ruhr⸗

der ganze Apparat erschwert werden soll. Darüber sind ja die

Verhandlungen im Ausschuß geführt, die Gründe im einzelnen er⸗

örtert worden, so daß ich bitten möchte, es hinsichtlich des Umfangs bei den Beschlüssen der dritten Lesung zu belassen.

Dasselbe möchte ich hinsichtlich der Stellung des Verbands⸗ präsidenten sagen. Gewiß, wenn man eine Sache vom rein abstrakten demokratischen Standpunkt aus ansieht, dann muß es jeder Vertreter⸗

versammlung überlassen bleiben, ihren Präsidenten selbst zu wählen.

Wenn man sich aber hier vergegenwärtigt, daß es sich bei dem Ruhr⸗

siedlungsverband um zwei Provinzen handelt, daß die Rivalitäten zwischen den beiden Provinzen bei vielen Fragen hervortreten werden, dann ist es doch zweckmäßig, daß man an die SEpitze dieser Verbandsvertreterversammlung einen Staatsbeamten stellt, gegenüber dem die Rivalitäten von vornherein ausgeschlossen sind. Aus diesen Erwägungen möchte ich bitten, es bei der Stellung des Verbandspräsidenten nach den Beschlüssen der dritten Lesung zu belassen. 8 Auch die Staatsregiernng wünscht, daß dieser Gesetzentwurf baldigst zur Verabschiedung gelangt und daß ein einträchtiges Zu⸗ sammenarbeiten zwischen dem Staat und den neuen Selbstverwaltungs⸗ körpern zustande kommt, zum Segen unserer Volkswirtschaft und zur Zufriedenheit der Bevölkerung an der Ruhr. (Bravo!)

Unter Ablehnung sämtlicher Abänderungsanträge wird das Gesetz einstimmig angenommen. In sofortiger dritter Beratung erfolgt auf Antrag des Abg. Ruer en bloc- Annahme; auch hierbei wird Einstimmigkeit erzielt. (Lebhafter Beifall.) 1 Es folgt die zweite Beratung des Gesetzes über die Bil⸗ dung von Bodenverbesserungsgenossenschaften. Abg. Winter (Soz.): Alle zu diesem Gesetz gestellten Ab⸗ änderungsanträge lehnen wir ab und stimmen der Fassung des Gesetzes, wie sie aus der I herausgekommen ist, zu. Wir wollen nicht, daß das Zustandekommen des Gesetzes irgendwelche Ver⸗ tögerungen erleidet. 6

8 Abg. Müller⸗Prüm (Zentr.): Gegen die ursprüngliche Forde⸗ rung haben wir erhebliche Bedenken, nach den in der Kommission be⸗

schlossenen Verbesserungen können wir jedoch zustimmen, Abänderungs⸗

antrage lehnen wir ab.

Abg. Weissermel (D. Nat.): Mit der Tendenz des Gesetzes, die auf den genossenschaftlichen Zusammenschluß der an den Kultivierungs⸗ arbeiten beteiligten Faktoren hinzielt, waren wir von vornherein ein⸗ verstanden. Gegen Einzelheiten haben wir indessen noch erhebliche Bedenken. Das Gesetz, an sich ein Kulturwerk ersten Ranges, be⸗ deutet doch einen Wechsel auf lange Sicht, die Arbeit kann nur lang⸗ sam und allmählich durchgeführt werden. Wir dürfen keine Illusions⸗ politik treiben, aber wir müssen dahin wirken, unsere Volksernährung schnellstens zu bessern. Das Gesetz enthält für die Landwirtschaft alles andere als freiheitliche Bestimmungen. Die Freiheit, von der heute so viel die Rede ist, scheint sich auf die Landwirtschaft nicht zu erstrecken, überall sieht man Zwang, der sogar bis zur Enteignung geht. Trotz alledem werden wir dem Gesetze schließlich doch zustimmen können, setzen aber dabei voraus, daß gemäß unseren Anträgen noch hier und da Verbesserungen vorgenommen werden.

Präsident des Staatsministertums und Minister für Landwirt⸗ schaft, Domänen und Forsten Braun: Meine Damen und Herren! Der zur Beratung stehende Gesetzentwurf den ich in der Fassung, die er nach eingehenden Beratungen in der Kommission erlangt hat, akzeptiere, wenngleich ich einige Aenderungen gern vermißt hätte stellt ein wichtiges Glied dar in der Kette der gesetzgeberischen Maß⸗ nahmen, die die Durchführung des von mir seinerzeit vor dem hohen Hause entwickelten und von ihm gebilligten Agrarprogramms not⸗ wendig macht. Ich will in diesem Stadium der parlamentarischen Arbeit auf die von dem Herrn Vorredner angeführten Einzelheiten der Vorlage und der Kommissionsberatung nicht eingehen. Aber der Umstand, daß neuerdings in der Oeffentlichkeit verschiedentlich der Vorwurf erhoben worden ist, es geschehe auf diesem Gebiete nicht genug, oder es geschehe gar nichts, gibt mir zu einigen allgemeinen Ausführungen Veranlassung.

Meine Damen und Herren, wie liegen die Dinge? Wie auf sämtlichen Gebieten des Wirtschaftslebens die herrschende Not uns zwingt, alle Kräfte unseres Volkes anzuspannen, um unsere Produk⸗ tion nach Möglichkeit zu steigern (sehr richtig! rechts), so gilt dies in erster Linie von der Landwirtschaft. (Sehr richtig! rechts.) Denn wir sind heute gezwungen, zur Ernährung unseres Volkes große Mengen von Lebensmitteln aus dem Auslande zu beziehen, die wir bei dem niedrigen Stande unserer Valuta überaus teuer bezahlen müssen. Es handelt sich zunächst darum, die Erzeugung auf dem alten, voll in Kultur befindlichen Ackerland durch Verwendung leistungs⸗ fähigen Saatgutes, durch musterhafte Bestellung des Ackers, absolute Reinhaltung der Felder von Unkraut und sonstige pflegliche Behand⸗ lung der in der Entwicklung befindlichen Feldfrüchte und vor allem reichliche Zufuhr von Stalldung und Kunstdünger auf die größtmög⸗ liche Höhe zu bringen. Da die Einfuhr von Kraftfutter aus dem Ausland durch die schlechte Valuta fast unmöglich ist, auf diesem Wege also die Steigerung der tierischen Erzeugung, namentlich auch die Erzeugung reichlicher Mengen gehaltreichen Stalldüngers unmöglich erscheint, muß durch Beschaffung des erforderlichen Kunstdüngers dafür gesorgt werden, daß die Ernten der Feldfrüchte nicht nur zur Ernährung der Bevölkerung ausreichen, sondern darüber hinaus noch so viel an Körnerfrüchten und sonstigem wertvollen Futter erzeugt wird, daß die Tierhaltung und tierische Erzeugung wieder auf die alte Höhe gebracht werden kann. (Sehr wahr! rechts.) Nur wenn so die Erträge in Feld und Stall gehoben werden, wird in den Ernäh⸗ rungsverhältnissen unseres Volkes eine wirksame Besserung eintreten können. (Abg. Weißermel: Sehr richtig!)

Der Herr Vorredner hat gemeint, daß die Regierungsvertreter in der Kommission den Wert der zur Beratung stehenden Vorlage für die augenblicklichen Volksernährungsnöte etwas übertrieben hätten. Meine Damen und Herren, ein unmittelbarer Einfluß auf die der⸗ zeitigen Ernährungsnöte ist freilich von dieser Vorlage nicht zu er⸗ warten, ist aber auch von den Kommissaren des Mrnisteriums nicht in Aussicht gestellt worden. Soll jedoch die Volksernährung gebessert werden, dann muß eben auch auf diesem Gebiete einmal begonnen werden, und je schneller man damit beginnt, desto eher wird es mög⸗ lich sein, eine nachhaltige Besserung auf dem Gebiete der Volks⸗ ernährung herbeizuführen. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Es ist also nicht nur notwendig, auf dem augenblicklich unter dem Pflug befindlichen Boden die Wirtschaft intensiver zu gestalten, sondern daneben müssen schleunigst alle Hindernisse beseitigt werden, die hin⸗ sichtlich der natürlichen Beschaffenheit der Besitzverhältnisse des Bodens einer weiteren Steigerung der Produktion im Wege stehen.

In dieser Beziehung kommt in Betracht: erstens die Urbar⸗ machung gänzlich ertragloser Grundstücke, wie Moor⸗ und Oedland. Zweitens, die Ueberführung von Waldgrundstücken in landwirtschaft⸗ liche Nutzung, soweit sich die Grundstücke dafür eignen und ein dringendes Bedürfnis für die Ueberführung anzuerkennen ist; drittens, die Ent⸗ und Bewässerung der Grundstücke; viertens, die Beseitigung der durch zu weitgehende Besitzteilung herbeigeführten Gemengelage und Parzellenwirtschaft; und fünftens, die anderweite Verteilung des Grundeigentums durch Auslegung neuer Betriebseinheiten, sei es duürch die Besiedlung oder die Zusammenlegung von Grundstücken, von nicht leistungsfähigen Wirtschaften, in Eigentum und Pachtland. Das sind die fünf Hauptforderungen, die auf diesem Gebiete erfüllt werden müssen.

Dem zu eins erwähnten Zweck soll das hier heute dem hohen Hause vorliegende Bodenverbesserungsgesetz dienen. Die wesentlichsten Gesichtspunkte sind Ihnen aus der Begründung und dem ausführ⸗ lichen Kommissionsbericht hinlänglich bekannt. Nur das eine möchte ich nochmals hervorheben, daß die in Betracht kommenden umfang⸗ reichen Flächen in absehbarer Zeit nur dann in Kulturböden umge⸗ wandelt werden können, wenn der Regierung, speziell dem von mir vertretenen Ressort, durch die Gesetzgebung die Mittel an die Hand gegeben werden, die zur Erreichung des Zieles unerläßlich sind. Wenn unsere Moore Jahrhunderte lang unkultiviert gelegen haben, so ist nicht anzunehmen, daß sie beim Fortbestehen dieser Verhältnisse nun plötzlich durch ihre derzeitigen Besitzer aus eigener Entschließung in Kultur gebracht werden würden. Es gilt also, zu entscheiden, ob die Kultivierung für die Volksernährung notwendig ist oder nicht, und ob, wenn die Frage bejaht wird, was ich annehme, zur Tat geschritten werden oder es beim alten bleiben soll. Das ist die Frage, die ent⸗ schieden werden muß.

schen Sta

Im Ausschuß ist bemängelt worden, daß das Gesetz mit Zwang in das Eigentumsrecht der Grundbesitzer eingreift. Das ist richtig. Aber nach der Reichsverfassung ist die Bewirtschaftung und Nutzung des Grund und Bodens eine Pflicht des Eigentümers gegenüber der Ge⸗ samtheit. Erfüllt er diese Pflicht nicht freiwillig, so muß er dazu ge⸗ zwungen werden (sehr richtig! bei den Sozialdemokraten), denn wir können uns in unserer Armut den Luxus unkultivierten Landes nicht mehr leisten. (Sehr richtigt bei den Sozialdemokraten. Abge⸗ ordneter Weißer nel: Habe ich ausdrücklich gesagt!) Meine Damen und Herren, nach überschläglicher Berechnung gibt es in Preußen an Oed⸗ land, Moor und Heiden in Staatshand etwa 150 000 ha, in Privat⸗ hand etwa 1 400 000 ha, zusammen über 1 % Millionen Hektar. (Hört, hört! bei den Sozialdemokraten.) Nach Schätzungen wurden kultiviert genaue Aufzeichnungen sind leider nicht vorhanden von 1850 bis Ende 1918 von dem in Staatshand befindlichen Land 100 000 ha, von dem in Privathand befindlichen Land 700 000 ha, zusammen also 800 000 ha. Da ist ohne weiteres zu ersehen, wie langsam es handelt sich hier um eine Arbeit von. 70 Jahren die Kultivierung bisher vor sich gegangen ist und wie energisch zugefaßt werden muß, wenn Er⸗ folge erzielt werden sollen, die für die Volksernährung bald in die Wagschale fallen. (Zurufe rechts: Kunstdünger!) Kunstdünger! Ich unterstelle als ganz selbstverständlich, daß der beschafft wird; auf dem Gebiete ist meine Verwaltung auch unermüdlich tätig gewesen und, wie ich hervorheben kann, auch nicht ohne Erfolg. Das Gemeinwohl er⸗ heischt gebieterisch die nachhaltigste Kultivierung aller Oed⸗ und Mcworländereien. Da muß auch das freie Eigentumsrecht zurück⸗ stehen, und das kann um so mehr verlangt werden, als den Eigen⸗ tümern dieser Grundstücke ja letzten Endes die Kultivierung auch zum Vorteil gereicht. (Zurufe rechts.) Akzeptiere ich ja auch mit Dank, daß Sie zustimmen. Ich will Sie auch nicht bekehren, Herr Weißermel. Vor allem müssen wir jetzt Land schaffen für die Landhungrigen und Brot für die hungernde Bevölkerung. Freilich müssen wir auch noch weitere Landquellen erschließen. Seit ich die Leitung des laͤndwirt⸗ schaftlichen Ressorts übernommen habe, sind in großer Anzahl Anträge an mich gerichtet worden, die die Umwandlung von Wald und Wald⸗ teilen in Ackerland zum Ziele haben. Wenn die Fläche, auf der bisher Wald stockte, nach ihrer Lage und Bodenbeschaffenheit zur nachhaltigen landwirtschaftlichen Nutzung geeignet erschien und das Bedürfnis zur Umwandlung in Ackerland anerkannt werden mußte, habe ich solchen Anträgen bisher schon in weitestgehendem Umfange stattgegeben. Die preußische Staatsforstverwaltung hat seit Ende 1918 bis heute etwa 4000 ha Waldboden zu Eigentum und 2000 ha in Pacht meist an kleine Leute abgegeben. Das Forstkulturgesetz, das ich demnächst dem hohen Hause vorlegen werde, hat die Regelung dieser Frage zum Ziel. Dabei wird allerdings auch die große Holznot, unter der wir zurzeit leiden, die in der nächsten Zukunft wohl kaum behoben werden dürfte, nicht übersehen werden können. (Sehr richtig! rechts.)

Zur Verbesserung des Bodens durch Entwässerung möchte ich noch bemerken, daß noch gewaltige Flächen, namentlich bessere schwere Böden und Niederungsmoore, vorhanden sind, die zwar Erträge ab⸗ werfen, deren Ertragfähigkeit aber durch Entwässerung und Drainage außerordentlich gesteigert werden kann. In welchem Maße sich die Erträge der von Natur nassen und kalten Böden durch Drainage steigern lassen, hat die Erfahrung ja längst gelehrt. Die preußische Meliorationsbauverwaltung hat in der Zeit von 1850 bis heute auf genossenschaftlichem Wege melioriert etwa 1 Million Hektar Acker⸗ land und 550 000 ha Niederungsmoor. Nach überschläglicher Be⸗ rechnung sind an drainagebedürftigen Ackerböden und entwässerungs⸗ bedürftigem Niederungsmoor noch etwa 2 Millionen Hektar vor⸗ handen. Daraus ergibt sich der Umfang der Aufgabe, die noch zu lösen ist.

Eine weitere große und dankbare Aufgabe hat die landwirtschaft⸗ liche Verwaltung auf dem Gebiete der Umlegung von Grundstücken zu lösen. Die Kleinsiedlung und die unbeschränkte Erbteilung des Grundbesitzes namentlich in den westlichen Provinzen hat eine Grund⸗ besitzverteilung gezeitigt, die mit einer fortschrittlichen Bodennutzung schlechterdings unvereinbar ist. Die den einzelnen Besitzern gehörigen Grundstücke sind in einer außerordentlich großen Zahl von kleinen Parzellen mit zum Teil äußerst ungünstigen Formen in den einzelnen Fluren und Feldmarken verteilt, deren Bestellung eine große Ver⸗ schwendung von Arbeitskräften durch die Zurücklegung der Wege von einer Parzelle zur anderen bei der Düngung, Bestellung und Ernte zur Folge hat. Dabei werden alljährlich durch Ueberfahren und Um⸗ wenden große Mengen von Werten und Arbeit vernichtet. Außerdem ist mit der vorherrschenden Gemengelage vielfach der tatsächliche Flurzwang verbunden, weil anders eine Bewirtschaftung nicht möglich ist. Zusammenlegungen werden hier unerläßlich, wenn eine erfolg⸗ reiche Landbestellung möglich sein soll. Die von mir dem Hause vorgelegte und in der Kommission bereits verabschiedete Umlegungs⸗ ordnung soll hierin Wandel schaffen. Seit Bestehen der General⸗ kommissionen, der jetzigen Landeskulturbehörden, sind in dem ver⸗ flossenen Jahrhundert etwa 5 Millionen Hektar umgelegt worden. Nach überschläglicher Berechnung siud in Preußen noch ebwa 21 ༽ Millionen Hektar umlegungsbedürftige Flächen vorhanden. Auch diese für die Landeskultur überaus wichtige Arbeit kann in dem durch die Not der Stunde gebotenen Tempo nur erledigt werden, wenn der Staat seinerseits die Initiative ergreift, und wenn die Umlegung auch dann durchgeführt wird, wenn ein Teil der Interessenten sich ablehnend ver⸗ hält. (Sehr richtig! links.) Wie durch eine zweckmäßige Umlegung die Bewirtschaftung einer Dorfgemarkung erleichtert wird, geht am klarsten aus den Karten und Reliefmodellen hervor, die ich auf den Tisch des Hauses niedergelegt habe und von denen die eine eine Ge⸗ markung vor, die andere dieselbe Gemarkung nach der Umlegung darstellt.

Da das zur Beratung stehende Gesetz nicht zuletzt auch die Aufgabe hat, neues Siedlungsland zu schaffen, gestatten Sie mir wohl noch, kurz auf die Siedlungsfrage einzugehen, die die wichtigste ist in dem Komplex der Fragen, die wir unter dem Begriff innere Kolonisation zusammen⸗ fassen. Wenn auf dem Gebiete der Siedlung bisher nicht alle Wünsche erfüllt werden und deshalb in der Oeffentlichkeit so oft die