1920 / 107 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 20 May 1920 18:00:01 GMT) scan diff

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und österreichischen Ablagerungen sind tot, an manchen Stellen wüchst der Löß noch fort. In der neuen Welt haben wir Löß in Fbweh, zwischen Mississippi und dem Missouri bei Natches, Vicks⸗ burg bis zum Golf von Mexiko. Nach aufwärts hat der Löß die Roränen der letzten Vergletscherung zur Grenze für seine Be⸗ voegung, so reicht er in Amerika bis zur Wisconsin⸗Moräne; an züngenen Moränen findet sich kein Löß. Kommt er noch bei Bednos Aires vor, so fehlt er ganz in Südafrika, und auch in Austzalien fand ihn Penck nicht, er mag bei Canterbury im füdlschen Neuseeland existieren. Auf Berggehängen schließt der Löß ssich den Geländefalten an. Von Richthofen hat seine Enkstehung erklärt, indem er annahm, er sei ursprünglich als Staub aus der Luft gefallen, da er nicht aus Schlamm entstanden ein könne. Auf den Gehängen der Gebirge wird der Staub abge⸗ hs und bewegt sich dann abwärts. Fragen wir nun, unter welchen Bedingungen der Staub sich auf den Gebirgen sammelt, so ist die Antwort., das Klima muß so beschaffen sein, daß es die Abspülung dieses aus der Luft gefallenen Staubes hindert, und ferner muß eine Vegetation vorhanden sein, die den Staub festhält. Der Staub muß auf trockenes Land gefallen sein, so daß er sich an der Vegetation hat festhalten können. Auf die Frage, woher der Staub komme, suchen vier Hypothesen die Ant⸗ wort zu geben. Von Richthofen hielt ihn für den Ver⸗ witterungsstaub, der von den Vergen selbst stamme, und für den Steppenstaub, der sich in die Becken lagere. Obrutschew meinte, der Staub komme aus der Tiefe und sei an den Bergen herauf⸗ geweht. Sauer suchte die deutschen Lößbildungen so zu erklären, daß er betonte, nach dem Rückgange der Gletscher hätten über das kahle Land die Winde den Staub geweht, und eine vierte An⸗ nahme will erweisen, daß nicht aus den Wüsten die Winde den Staub gebracht hätten, dieser entstamme vielmehr den Materia⸗ lien, die die Flüsse hinabführen, deren Verwitterungsschlamm. Ist Obrutschews Annahme kaum beweisbar, so ist die Hypothese F. von Richthofens ebenso wenig richtig, denn der Löß erfüllt nicht die Becken, sondern er liegt au den Gehängen der Gebirge. Der Löß hat auch kaum Beziehung zur letzten Vergletscherung, er fehlt in England, in Spanien, in Italien, an der atlantischen Küste von Amerika, er hat eine Verbreitung für sich selbst über die Erdoberfläche. Aber es gibt Beziehungen zwischen den Flug⸗ sanddünen am Rhein, bei Wien und in den großen asiatischen Stromebenen und dem Löß. Der Flugsand geht in Löß über: so geschieht es am Amu⸗Darja und an allen den Flüssen, die von den Gebirgen herabkommen, am Hoangho, dem gelben, nach der Farbe des Löß genannten Flusse, ebenso liegen die Dinge am La Plata. Nach Penck ist der Löß als verwehter Überschwemmungs⸗ lehm, der vom Winde umgelagert wurde, immerhin aus einer Ablagerung der Flüsse entstanden anzusprechen. Bei Tsinanfu konnte Penck die Staubwirkung beobachten; die Luft ist dort von Staub erfüllt, der in alle Poren dringt, sobald er vom Winde bewegt wird. Der Schlamm des Hoangho ist es dort, der den Staub bildet, und dieser Staub wird dann in den Gebirgen abge⸗ lagert. Demnach ist Löß ein Umlagerungsprodukt von Schlamm fluviatilen Ursprungs. Bei Überschwemmungen breiten die Flüsse den Schlamm über das Land aus, die Vegetation hält dann diesen Schlamm fest. An Steppenflüssen wird der Schlamm liegen bleiben und dann verweht werden, es entstehen die winterlichen Staubstürme in einem trockenen Klima, die den Staub verwehen. Die Verwitterungsmöglichkeit knüpft sich an ein kontinentales Klima mit ausgesprochener Regenzeit und mit ausgesprochener Trockenzeit, wo der Staub im Sommer von der Vegetation fest⸗ ehalten wird. Nun erhebt sich die Frage: Unter welchen Ver⸗ Häktnissen ist ein derartiges Klima in Europa zu rekonstruieren? Und da der Löß die letzte Vergletscherung meidet, so lautet die Frage: Wie war das Klima in Europa zur letzten Eiszeit? Diese iszeit muß als eine Periode geringerer ärme aufgefaßt werden, als sie heute herrscht; nicht als eine Zeit schärfster Kälte. Der Vortragende erörterte nunmehr die Windverhältnisse, die in der Eiszeit in Europa geherrscht haben können. Diese Dinge kann man erschließen aus der Schneegrenze, die nach dem Westen u sich tief senkte. Der Wasgau und der Schwarzwald sind sehr ief vergletschert gewesen, die Vergletscherung nahm in Europa von West nach Ost ab. Daraus folgt, daß der schneebringende Wind während der europäischen Eiszeit von Westen kam. Der Löß aber ist in der Richtung von Ost nach West verweht worden: so aus dem Wiener Becken auf die westlich gelegenen Höhen von Krems. Demnach ist der Löß unter Ostwind entstanden. Im Norden des Harzes und im Odertale sind keine sicheren Spuren alter Gletscher zu finden, ebensowenig im Erzgebirge. Ostwinde waren während der Eiszeit in Deutschland beschränkt auf einen schmalen Gürtel, der bis zur Mainmündung reichte, und sie traten im Winter auf. Aus diesen Verhältnissen machte es der Vor⸗ tragende klar, daß wir in Europa während der Eiszeit einen monsunartigen Wechsel hatten, von Ostwinden aus dem Land her⸗ aus, und von Westwinden, d. h. also ein chinesisches Klima. So entsteht die Möglichkeit, daß der Löß in Deutschland während der Eiszeit abgelagert wurde, aber diese Ablagerung hörte eher auf als die große Vergletscherung, denn diese dauerte lange, so daß wir die Lößbildung als gegen Schluß der letzten Zwischeneiszeit geschehen annehmen müssen. Nun finden wir im Löß die sogenannte „Leimenzone“. Diese erklärt Penck

devart, er zwei Artan von Löß annimmt. Der untere, ältere, braune Löß ist mehr dem Lehm verwandt, während der jüngere, höher abgelagerte seinen Lößcharakter rein erhalten hat. Wir tönnen demnach verschiedene Eiszeiten in Löß dargestellt sehen, obwohl nicht jede Binnenzone ein absolutes Zeugnis für eine be⸗ sondere Eiszeit sein muß. Die frühere Periode der älteren Stein⸗ zeit (Acheulien bis Mousterien etwa) würde demnach mit der älteren Lößbildung zusammenfallen, während die jüngere Periode (Aurgnacien bis Magdalénien) der jüngeren Lößablagerung ent⸗ spricht. Hier kann die Vorgeschichte der Geologie gegenüber der gebende Teil bei der Erklärung dieser Verhältnisse werden. Zum Schlusse suchte der Vortragende die Tatsache zu erklären, daß sich in unserem Löß Tiere der Steppe und Tiere der Tundra gemein⸗ schaftlich lebend finden. Er sieht den Grund darin, daß das große Waldgebiet, das Tundra und Setppe scheidet, im Osten des großen „Eiskuchens“ unterbrochen war, der den Norden Europas überdeckte. So konnten sich die Tundrentiere und Steppentiere vermischen, die sich im Löß finden. Aus dem im Osten des Eises herrschen⸗ den kontinentalen Klima, wie es für Zentralasien charakteristische ist, kam die Fauna der Steppe und andererseits kam mit dem Vorrücken des Eises ein Teil der Tundrenfauna nach der Zentval⸗ asiatischen Steppe zurück. So erklärt sich die Mischung beider Faunen in Europa. Im Westen Europas haben wir mehr Tundren⸗ klima während der Zeit der Lößablagerung anzunehmen, im Osften mehr Steppenklima. Es sieht so aus, als ob das Magdalénien mehr Tundrenkultur, das Aurgnacien mehr Steppenkultur gehabt hat. Das Magdalsnien ist durch das Renntier, das Aurgna⸗ eien mehr durch das Pferd vertreten. Da es kaum möglich ist, daß der Löß zu verschiedenen Zeiten sich abgelagert hat, so erhebt fich die Frage, ob wir nicht im Aurgnacien und im Magdalénien ethnograph 818 verschiedene Kulturstufen, nicht zeitlich verschiedene zu sehen haben. Haben wir da nicht Kulturen, die sich ineinander verschieben:

Der Professor Dr. Olshausen hat der Prähistorischen Sammlung des Berliner Museums für Völker⸗ kunde seine reiche Sammlung vorgeschichtlicher Junde von Amrum gestiftet. Olshausen hat die höchst wertvollen Stücke in den achtziger Jahren auf der friesischen Insel selbst ausgegraben, aus Grabhügeln der älteren Bronzezeit, die dann in der Latonezeit endlich auch von den Wikingern, die ja noch in geschichtlicher Zeit an der Leichenverbrennung festhielten, wieder benutzt worden waren. Gerade die Witingerfunde sind für eine deutsche Sammlung von aller⸗ größter Seltenheit. Unter den Haupistücken befinden sich ein großes zweshändiges Schwert, Schildkrotfibeln, Silbersachen. Olshausens musterhafte Beschreibung seiner Ausgrabungen veröffentlicht die Berliner Gesellschaft für Anthrop ologie, Ethnologie und Urgeschichte in einem eigenen Werke.

Literatur.

Das Maiheft der „Deutschen R hat folgenden Inhalt: Dr. J. Lulvès, Archivrar (Berlin): Papst Benedikts XV. Verhalten gegenüber Deutschland seit dem Erlöschen des Welt⸗ krieges. . Dr. Münch (Darmstaädt): Finnland. Eine wirtschaftsgeographische Studbie. Dr. Erich Melsbach, Referent in der Reichsgetreidestelle: Getreidezwangswirtschaft? Pro⸗ fessor Dr. Trumpler, Syndikus der Handelskammer Frank⸗ ur g. M.: We handelspolitischen Verhältnisse des besetzten Westens. Hans Würz: Max Havelaar. Ein Gedenkblatt für Multatuli (Eduard Douwes Dekker, geboren 1820).

rofessor Richard Eickhoff (Remscheid): Schule und Politik.

erhard Merrem: Die slowakische Frage in der inneren und äußeren olitik Tschechiens. Freiherr v. Griesinger, Gesandter z. D. Berlin): Das Rote Kreuz und der G (Sela Karl 185 Deutsche Bildungsfragen. Professor v. Starck (Kiel): Die Wohltaten der Seeluft für die skrofulösen und tuberkulöbsen Kinder. Ludwig Asch: Glossen zur Epigonenzeit (Schluß). Ernst Kahn: Die Erbolung der deutschen Valuta. Literarische Berichte. Em⸗ gesandte Neuigkeiten des Büchermarktez.

Land⸗ und Forftwirtscha

Bauholz für gemeinnützige Siedlungszwecke.

Wie der Pressedienst des Ministeriums für Landwirtschaft, Domänen und Forsten mitteilt, hat die preußische Staatsforstverwal⸗ Hgis Förderung des Wohnungsbaues den gemeinnützigen Siedlungs⸗ gesellschaften aus dem Einschlage des Wirtschaftsfahres 1919/20 660 000 im Bauholz zu mäßigen Durchschnittspreisen zur Verfügung gestellt. Hiervon entfallen auf die Provinz Ostpreußen allein 200 000 fm, auf die Wohnungsfürsorgeverbände der übrigen Provinzen 400 000 fm, davon auf den Wohnungsverband Berlin allein 50 000 fm. Für Ausbau und Vermehrung von Bergmannswohnungen in den Kohlengebieten werden 60 000 fm bereitgehalten. . stehen in Fällen kleinere Posten unter Vorzugoͤbedingungen dem örtlichen Bedarf für gleiche Zwecke zur Verfügung. (Muteilungen der Deutschen Landwirtschaftsgese llschaft.)

8 8 Den in Nr. 92 des Deutschen Reichsanzeigers vom 30. April 1920 veröffentlichten Reichsergebnissen der Viebhz die nicht genau den Gebieten entsprechen, in denen am 1. März 1920 gezählt wurde. Nachstehend werden die Reichsziffern der letzten Zähl

vom 1. Dezember und 1. März 1919 wiedergegeben.

Berichtigung.

Vieh⸗

besitzende Kälber

unter

Haus⸗ 3 Monate

haltungen alt

II. Rindvieb

lu

Verkehrbwesen.

Vom Reichskursbuch erscheint Anfang Juni eine neue Ausgabe zum Preise von 16 ℳ. Bestellungen nehmen alle Postanstalten und Buchhandlungen entgegen. Wegen der Schwierigkeiten bei der des Kursbuchs wird eine tunlichst früͤbzeitige Bestellung empfohlen, weil sonst möglicher⸗ weise auf Lieferung nicht zu rechnen ist

Postabgang nach New York über Gothenburg. Der am 29. Mai von Eothenburg nach New York abagchende schwedische Dampfer „Drottningholm“ wird zur unbeschränkten Be⸗ förderung von Briefsendungen nach den Vereinigten Staaten ven Amerika und Durchgang benutzt; Postschluß beim Postamt 1 in Hamburg am 25. Mai Mittags.

Briefpostbeförderung nach New York über Hamburg. Der am 29. Mat von nach New York abgehende Dampfer „Manchuria“ der Amefrican Line wird zur unbeschränkten Beförderung von Briefsendungen nach den Vereinigten Staaten von Amerika und Durchgang benutzt; Postschluß beim

Postamt 1 in Hamburg am 27. Mai Abends.

Reichspostministerium vom 15. bis 18. Juni im Künstlerhaufe in Berlin W. 9, Bellepuestraße 3, ab. Versteigert werden ungebrauchte Wertzeschen der früheren deutschen Postanstalten in China und in der Türkei (französische Währung). Lose mit Einzelsätzen dieser Marken werden einige Zeit nach der Versteigerung auch freihändig

nachrichtenblatt“ veröffentlicht und können bei jeder Postanstalt ein⸗ gesehen, ö vom Reichepostministerium (Verwertung der Sammelmarken) in Berlin W. 66 gebührenfrei bezogen werden.

Neue Postautoverbindungen. Die Postverwaltung ist eifrig dabei, ihr Kraftwagennetz zu erweitern, und dadurch Gebiete, die bisher abseits der großen lagen, dem Verkehr zu vnte So werden jetzt zu Pfingsten im Bezirk Potsdam fol⸗ gende Postkratw agenlinien eröffnet: Potsdam-— Lehnin-— Brandenburg, ferner Gransee- Rheinsberg —Zechlin Wittstock und Gransee— Lindow-Neurnppin Zechlin Rpeinsberg Zechlinerhütte. Diese neuen Kurse schaffen günstige Reise⸗ und Versendungsgelegenheiten und erschließen ganz besonders reizvolle Teile unserer Mark, die bisher nur schwer zu erreichen waren.

Neronautisches Observatorinm. Lindenberg, Kreis Beeskow. 18. Mai 1920. Ballonaufstieg von 5 ¼ à bis 6 ½ a. —— . —.—.,—. a— 8 . 1II1“ Wind Seehöhe Luftdruckk Temperatur Co Feuchtig⸗ Geschwind. keit Richtung Sekund.⸗ 1 Meter

9 oben unten

122 750,0 16,4 1 SWzW 300 734 FW ⸗S 500 717 WNW

1000 675 WNW 1130 665 W 1500 WziS

bedeckt. Dumnst. Sicht: 8 km. Inversion zwischen 35

500 m von 12,2 ° auf 12,7 °.

19. Mai 1920. Drachenaufstisg von 5 a bis 7-†½ 8. EE— —. Relative Wind

Sechöhe Luftdrus Temperatur C“ Feuctig chtung e wd

122 V 751,4 16,5 Wz S 4 800 500 1000 1500 2000 2000 3000 3500 3760 Bewölkt. Sicht: 6 km. Zwischen 220 und 650 m schwache Abnahme von 14,5° auf 14,83 °. Inve sion zwischen 1000) und 1190 m. von 12,5 ° auf 12,7 °. Zwischen 2650 und 3000 m überall 0,0 °.— Inversion zwischen 3460 und 3600 m von 3,5 ° auf 1,90°.

.üSSde do —n Cn 9

ng vom 1. März 1920 sind Vergleichsziffern fehe worden, ung und die entsprechend berichtigten Ziffern der Zählungen

Jungvieh 2 Jahre alte und ältere

Schafe

3 Monate 1 Jahr bis bis See

Kühe (auch und 1 Jahr Färsen, Kalbinnen)

Rindvieh— Schaf⸗ alte Schafe

noch nicht noch nicht Stiere 1 Jahr 2 Jahre alt alt ganzen

im darunter Milchkühe

3 lämmer und

überhaupt unter aältere

1 Jahr Schafe alt

überhaupt

5 392 154 6 301 753 5 810 587

.März 1920 ¹) . Dezember 1919 ²) 1. März 1919²)

1 511 925 1 393 354 1 589 391

2 778 106 V 2

1069 1 710

2 901 033 2 1 5 273

2 716 718 V 2

37 40 11

8 Schweine

unter 8 Wochen

bis noch nicht 1 Jahr alte Schweine

1 Jahr alte und ältere Schweine unter

16 213 454 16 310 09 15 882 164

2 004 239 4 195 242 1 625 617 3 730 780 1 878 113 3 806 430 V

1 Jahr 1 Jahr alte und 8

6 199 481 5 356 397 5 684 543

bis noch nicht ½ Jahr alte Schweine

Schweine (Ferkel)

ganzen anderen

davon Schweine alte ältere Ziegen

davon

Zucht. Zucht⸗ alle 8 Zucht⸗ gemzen

eber sauen Schweine eber

und und

2 2 anderen tegen. Ziegen⸗ sauen Schweine lämmer böͤcke

8 Ziegen Ziege “] Zucht⸗ alle überhaupt 8 Ziegen überhaupt

1. März 1920 1) 1. Dezember 1919 ²) . 1 19).

2 366 353 4 312 631 1 512 415 79 612 2 481 767 4 274 497] 3 220 657 98 588 1 851 952 2 978 506 1 045 425 70 116

709 095 723 708 1 132 045 46 771

633 961 341 348 879 933 40 882

¹) Vorläufige Ziffern. ²) Die Vergleichszahlen entsprechen den Gebieten, in denen am 1. März 1920 gezählt worden ist.

Berlin, den 19. Mai 1920

Statistisches Reichsamt. Delbrück.

9 704 247 2 422 722] 1 507 119 47 690 1 012 1 445 471 11 454 040 6 75

3 689 754 4 052 030

857 613 1 185 423 6 755 206 881 332

972 487 V 112 787 9 323 444

797 651 41 440]

Eine Versteigerung von Postwertzeichen hält daz

abgegeben. Die näberen Verkaufsbedingungen werden im „ost⸗

3 610 692

8 (Fortsetzung aus der Ersten Beilage.) Deutsche Nativnalversammlung. 176. Sitzung vom 19. Mai 1920, Nachmittags 3 Uhr. Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger.)“*) Das Haus ehrt das Andenken des am 3. Mai verstorbenen Mitgliedes Emanuel Wurm (II. Soz.) in der üblichen Weise. zentwurf über die

Zur zweiten Beratung steht der Gesetze ichsgesetze und im

9 steuerliche Behandlung der im Reichsausglei Enteignungsgesetze geregelten Ansprüche und Verbindlichkeiten (Ausgleichsbesteuerung).

Der Ausschuß für Volkswirtschaft empfiehlt die Vorlage mit geringen Abänderungen zur Annahme. Den mündlichen Bericht erstattet Abg. Dr. Dernburg (Dem.).

Von der deutschnationalen Volkspartei ist eine Abänderung dahin beantragt, die zum Wiederaufbau gewährten Ueber⸗ teuerungsgelder von der Sonderbesteuerung freizulassen.

Abg. Schiele (D. Nat.): Das Reichsausgleichsgesetz greift

den deutschen Auslandsschuldnern mit Unterstützungen unter die Arme; der vorliegenve Entwurf soll die Beschaffung der dafür er⸗ forderlichen Deckung erleichtern. Im einzelnen geht es dabei nicht ohne starke Ungerechtigkeiten ab. Es ist ein Unrecht, die Erlöse aus zwangsweisen Liquidationen der gleichen Sonderbesteuerung zu unter⸗ werfen wie die Kriegsgewinne. Die zum Wiederaufbau bestimmten Ueberteuerungsgelder müssen von Steuern freigehalten werden. Nur arbeiten, Produktionsmöglichkeiten schaffen kann die Quelle unserer Gesundung sein. In diesem Sinne würde die Vovlage nicht produktiv wirken, sondern sie muß destruktiv wirken; sie hat nach dem Urteil aller namhaften Volkswirtschaftler geradezu konfiskatorischen Charakter. Man kann den Existenzen, welche den Wiederaufbau übernommen haben, nicht versagen, was man den Reedereien, was man den Einzel⸗ staaten bei der Verreichlichung der Eisenbahnen mit vollem Bedacht zugestanden hat.

Abg. Dr. Becker⸗Hessen (D. V.): Das wichtige Reichsaus⸗ Aeichsgesetz hätte in der Nationalversammlung mehr Aufmerksamkeit verdient und hätte nicht so in der Hurrastimmung angenommen werden sollen; erst bei der praktischen Anwendung dieses Gesetzes werden dessen Bestimmungen für die Betroffenen fühlbar werden. Um den vorliegenden Entwurf über die steuerliche Behandlung der cns dem Reichsausgleichsgesetz erfolgenden Entschädigungen annehmbar zu machen, haben wir Anträge gestellt, die die Interessen derjenigen Deutschen berücksichtigen, die ihren Besitz im abzutretenden Gebiet verloren haben. Dieser Entwurf stellt sie steuerlich noch schlechter als den Besitz oder den Gewerbebetrieb im Inland. Der Landwirt oder Gewerbetreibende im Inland wird nur zu einem bestimmten e; seines Kapitals zum Reichsnotopfer herangezogen, der kandwirt und Gewerbetreibende aber, der für seinen verlorenen Be⸗ sis. im Ausland eine Entschädigung bekommt, wird mit diesem vollen Kapital besteuert. Im Ausschuß ist nur der Antrag Dernburg angenommen worden, daß diese Personen steuerlich so zu behandeln sind, als wenn sie im Inland geblieben wären, wenn sie die Entschädigungssumme wieder zum Wiederaufbau in der Landwirt⸗ schaft oder im Gewerbe anlegen. Unser Antrag verlangt im wesent⸗ lichen dasselbe, geht aber weiter, indem er den Finanzminister er⸗ mächtigt, die nötigen Maßnahmen u treffen, um den Eingang der Steuer zu sichern. Unser Antrag wurde im Ausschuß mit 13 gegen 13 Stimmen abgelehnt, weil das ““ sich gegen die dadurch entstehenden Steuerausfälle wendete. arsamkeit muß aber guf anderen Gebieten erzielt werden.

Reichsminister der Finanzen Dr. Wirth: Meine Damen und Herren! Ich bin mit Aufmerksamkeit der gewiß beachtenswerten Rede des Herrn Abgeordneten Dr. Becker gefolgt. Das hohe Haus steht nun vor der Entscheirung, entweder dem Antrag des Herrn Bericht⸗ exstatters beziehungsweise der Kommission zu folgen oder dem Antrag des Herrn Abgeordneten Dr. Becker und Genossen Folge zu geben. Ich bin der Auffassung, daß der Antrag des Ausschusses die Grengen des Möglichen bereits für uns erreicht hat, und wir haben große Be⸗ daken getragen, ihm stattzugeben. Ich will mich aber bereit erklären, den Antrag des Ausschusses auf Nr. 29071 anzunehmen. Der Antrag Dr. Becker (Hessen) geht nach unserer Auffassung zu weit. Er war in seiner ursprünglichen Fassung so ungenau und unbestimmt, daß der Herr Abgeordnete Dr. Becker selbst in Rücksprachen mit mehreren Herren des Hauses bereits drei Aenderungen vorgenommen hat. (Hört, hört! Abg. Dr. Becker (Hessen): Verbesserungen!) Ich will nicht leugnen, daß das Verbesserungen sind. Einmal haben Sie die Begriffe umschrieben, vor allem den Begriff des Wiederaufbaus, Sie haben dann die Worte in der Einleitung „Sorveit die für liquidiertes Vermögen gezahlten Beträge“ nun weiter präzisiert aus ihrer Herkunft her. Der Abgeordnete Dr. Becker wird mit mir aber der Auffassung sein, daß auch sein jetzt verbesserter Antrag durchaus noch mit sehr gtoßer Ungenauigkeit behaftet ist. Ich glaube, keine Reichsfinanz⸗ vHerwaltung kann diesem Antrag Becker zustimmen.

Meine Damen und Herren! Wenn ich Sie einen Augenblick bitten darf, dieser doch gewiß wichtigen Frage Ihre Aufmerksamkeit zu schenken, nachdem von allen Seiten des Hauses weitgehende An⸗ regungen bei uns im Amte eingegangen sind, so muß ich Ihnen er⸗ klären: das Gesetz des Reichsausgleichs bestimmt in § 67:

Der Reichsminister für Wiederaufbau bestimmt im Einvernehmen

mit dem Reichsminister der Finangen durch Bekanntmachung im

Reichsgesetzblatt den Zeitpunkt des Inkrafttretens der Abschmitte II

und III dieses Gesetzes. Im übrigen tritt dieses Gesetz, soweit nicht

im § 10 Abweichendes bestimmt ist, mit dem auf seine Verkündung

folgenden Tage in Kraft.

Ich wäre nicht in der Lage, mein Einvernehmen auszusprechen, wenn der Antrag Becker (Hessen) angenommen würde, und könnte die Ver⸗ antwortung dafür nicht übernehmen.

Der Abgeordnete Dr. Becker hat gewiß mit Recht! gesagt, man könnte an andern Orten sparen, nicht gerade an dem Platze. Sie haben nur das mwäre mir sehr angenehm gewesen bei dieser Gelegenheit vergessen zu sagen, wo wir nun diese Sparsamkeit ein⸗ treten lassen sollten. (Abg. Dr. Becker (Hessen): 12 Milliarden Eisen⸗

*) Mit Ausnahme der Reden der Herren Minister, die im Wort⸗ wiedergegeben werden. 24

ite Beilage Freußi

Berlin Donnerstag, den 20 Mai

Ege

bahndefigit!) Ja aber, verehrter Herr Abgeordneter! Diese Zahl ist schon längst überholt. Wenn gestern die Zahl 12 Milliarden Fehlbetrag genannt worden ist, so ist das heute längst überholt. Heuete beträgt der Fehlbetrag schon mehr als 14 Milliarden, und ich weiß nicht, welche Zahl mir als Pfingstgruß geboten wird. (Hört, hört! Bewegung.) Aber ich sage Ihnen: das können Sie doch nicht unter em Gesichtspunkt der Sparsamkeit bringen. Ich bin selbst mit Ihnen von der größten Sorge erfüllt wie wir diese 14 Milliacren Fehlbetröge auf die Dauer decken können. Ich muß es ablehnen ich muß den Gedanken ablehnen —, daß auf die Dauer derartige Fehl⸗ beträge der großen Betriebsverwaltungen aus allgemeinen Steuer⸗ mitteln gedeckt werden lönnen. (Lebhafte Zustimmung im Zentrum und rechts.) Ich habe hier in diesem Hause und in einer großen An⸗ zahl von Versammlungen bereits darauf hingewiesen, daß es unmög⸗ lich ist, daß das Reich in derartigen eminent sozialisierten Betrieben (Aha! rechts) aus allgemeinen Steuermitteln die Fehlbeträge auf⸗ bringen kann. (Hört, hört! rechts.) Das ist außerhalb des Bereiches jeder Möglichkeit.

Nun hat aber der Abgeordnete Dr. Becker, glaube ich, das Problem am falschen Zipfel angefaßt. Man kann hier die Reichseisenbahnen nicht beiziehen; denn wir müssen den verlorenen Krieg bedenken, die Herunterwirtschaftung der ganzen Betriebsmittel, die Wirkung des Waffenstillstandes, die Ablieferung der 5000 Lokomotiven und der Un⸗ zahl von Wagen. Alles das kann nicht von heute auf morgen wieder gut gemacht werden. (Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Das kann keine Hexe machen, und wenn sie sieben Besen hätte! Ich habe das im Ausschuß wiederholt hervorgehoben. Wir können uns also in diesem ersten Jahre, selbstverständlich unter Wahrung aller unserer Besorgnisse, mit dem Gedanken abfinden, daß die Reichseisenbahnschuld, die heute schon 43 Milliarden beträgt, bei Uebernahme dieses Be⸗ triebes um ein Namhaftes vermehrt wird. Nur das ist ausgeschlossen, daß wir dauernd Reichsmittel für sozialisierte Betriebe aus dem Steuer⸗ aufkommen zur Verfügung stellen können. (Sehr richtig! im Zentrum und rechts.) Das wird niemals ein Finanzminister billigen können. (Sehr gut! rechts.)

Nun möchte ich aber dem Herrn Abgeordneten Becker (Hessen) sagen, daß er das Beispiel falsch gewählt hat, wenn man von Spar⸗ samkeit redet. Die Frage wird hier im hohen Hause in kurzer Zeit wieder zur Entscheidung kommen. Die Herren wissen, welche Mah⸗“ nungen ich bei der Aufstellung neuer Forderungen von seiten der Be⸗ amten und Arbeiter ausgespro habe. Wir haben auf diesem Gebiete unser Möglichstes getan, und Abenn Sie die Resolutionen lesen wollen, die hier in Berlin gefaßt worden sind, die sich gegen meine Person richten ich habe wiederholt eine Rede mit dem letzten Vers von Dreizehnlinden geschlossen: Betet für den armen Sünderl! schließt der Sang von Dreizehnlinden —, wenn ich daran erinnere, welche Mei⸗ nungen ich ausgesprochen habe, und mit welch ungeheurer Wut ich nun bekämpft werde, daß es unmöglich war, bei der Reichsbesoldungs⸗ ordnung erstens die Löhne zu erhöhen, zweitens die Grundgehälter zu erhöhen, und drittens, wie verlangt worden ist, gleichzeitig in der letzten entscheidenden Stunde auch noch einen einmaligen Betrag von 15 000 und noch mehr von seiten des Reiches hinzugeben, dann glaube ich an Abwehr das getan zu haben, was man damals in jener kritischen Stunde tun konnte. (Sehr richtig! im Zentrum.) Der Herr Ab⸗ geordnete Dr. Becker hat also das Beispiel nicht gebracht, wo wir in

letzter Zeit namhaft hätten sparen können.

Aber nun möchte ich die Herren dringend bitten Sie fühlen ja mit mir die ungeheure finanzielle Not des Reiches —, ich wäre den Herren dankbar, wenn sie den Satz, den ich nun zu sagen habe, mit Aufmerksamkeit entgegennehmen wollten.

Meine Damen und Herren, die Lage des Reiches ist doch zur Stunde derart, daß unsere schrebende Schuld im Reiche pro Monat um drei bis vier Milliarden Mark in die Höhe gehen wird. (Hört, hört! und allgemeine Bewegung.) Ich frage Sie also: können wir nun an derartige Probleme hevangehen von dem Standpunkt, den der

rr Abgeordnete Dr. Becker hier vertreten hat? Wenn Sie alle Ungerechtigkeiten dieses Krieges noch mit Geld bezahlen wollen, dann, meine Damen und Herren, richben Sie morgen den Kommunismus auf. Das ist ja undenkbar, daß wir hier alles vom Standpunkte des Ungerechten aus gesetzgeberisch festlogen. Ich glaube, der Herr Bericht⸗ erstatter Kollege Dr. Dernburg hat Ihnen schon gesagt, wieviel Milliarden in Aussicht stehen, die wir noch aufbringen müssen. Ich meine, Sie haben die Zahl 60 oder 70 Milliarden genannt, die hinzu⸗ kommt zu den ungeheuren Lasten und Fehlbeträgen, die wir jetzt schon vor unseren Augen sehen. Ich habe da und dort in deutschen Landen, frei von jedem Parteistandpunkt, ganz allein, um der Wahrheit die Chre zu geben, diese Beträge und diese Zahlen genannt. Ein Schütteln des Kopfes ist in allen Versamrmlungen zu sehen. Die Leute sind sich doch in weiten Kreisen noch gar nicht klar, wie unsere finanzielle Lage im Laufe des Jahres sich gestalten wird. (Lebhafte Zustimmung rechts, im Zentrum und bei den Deutschen Demokraten. Rufe rechts: Leider!) Das gilt von den Anhängern der Partei der Linken, gilt aber in erhöhtem Maße von den Kreisen, die rechts stehen. (Rufe rechts: Und der Mitte!) Ich habe ja gar niemand ausgenommen! Trösten Sie sich doch darüber! Deshalb spreche ich ja diese Worte. Aber weil Sie mir angenehmenweise zustimmen, sage ich Ihnen: die Konsequenzen des Antrages Dr. Becker auf anderen Gebieten sind für uns, soweit ich es überschaue, kaum annehmbar.

Ich meine nun, es gibt zwei Stzandpunkte, die man vertreten kann, den rein fiskalischen und denjenigen, bei dem man auch den Ge⸗ sichtspunkt der Gerechtigkeit, des wohlwollenden Herzens berück⸗ sichtigt. Wenn ich rein fiskalisch denken wollte, dann müßte ich auch den Antrag des Herrn Dr. Dernburg, d. h. den Antrag der Kom⸗ mission, ablehnen. Ich will das nicht tun, ich will erklären, daß ich mich mit dem Antrag abfinde. Aber bei allem Wohlwollen für die geschädigten Menschen, mit denen ich durchaus ein Mitfühlen habe, geht mir der Antrag Dr. Becker, weil er zu ungenau ist, geht er mir aber auch sachlich zu weit. Ich erkläre Ihnen deshalb noch einmal:

tellen Sie sich, bitte, mit allen Parteien auf den Standpunkt der

8

Kommission, und Sie haben allem Rechnung getragen, was billiger⸗ weise verlangt werden kann.

Der Abgeordnete Dr. Becker will ja nur die gesetzliche Grund⸗ lage für diese Einzelheit festgesetzt wissen. Der Antrag der Kom⸗ mission läßt die Ausarbeitung der Prinzipien offen. Es soll die Kommission mitarbeiten, und da, kann das hineingefügt werden, was nachher mit dem Standpunkt der Gerechtigkeit und mit dem

fiskalrschen Standpunkt vereinbar ist.

I1 Meine Herren, nehmen Sie es mir nicht übel, daß ich bei der

Gelegenbeit meinen Blick noch einmal auf die allgemeine Finanzlage gelenkt habe. Es ist notwendig, daß wir bei jeder Gelegenheit und ich bitte die Herren, das auch bei den steigenden Wogen des Wahlkampfes nicht zu vergessen uns mit den Finanzen des Reiches zu befassen. (Lebhafte Zustimmung rechts und bei den Mehrheits⸗ parteien.) Es will mir scheinen, daß hinter dem Kampf um kleine Dinge diese große entscheidende Frage viel zu viel in den Hinter⸗

grund tritt. (Sehr richtig! rechts.) Das Problem der schwebenden

Schuld, das Problem, die schwebende Schuld nicht ins Ungemessen

wachsen zu bassen ich rede gar nicht einmal von der Abbürdung der schwebenden Schuld —, ist so ernst, daß nicht mehr viele Monate ins Land gehen dürfen, ehe wir uns an dieser Stelle mit dieser Frage aufs ernsthafteste beschäftigen werden. (Lebhafte Zustimmung.)

Abg Waldstein (Dem.): Es ist zu wünschen, daß die Worte des Finanzministers über die ungeheuren Schwierigkeiten unserer finanziellen Lage nicht nur bei uns im Lande gehört werden, sondern daß guch das Ausland die richtigen Folgen daraus ziehen möge.

Abg. Di. Becker⸗Hessen (D. V.): Ich bitte Sie dringend.

die veon uns vorgeschlagenen gesetzlichen Vorschriften anunehmen.

Abg. Schneider⸗Franken (Bayer. V.): Die Lasten müssen von allen Staaten nach dem Maßstabe einer ausgleichenden Gerechtig⸗ keit getragen werden. Von diesem Standpunkt aus scheint mir der Antrag Becker⸗Hessen der richtige zu sein. Es wäre eine ungle che Belastung dessen, der seinen Grundbesitz im Auslande hat, gegenüber demjenigen, der ihn im Inlande besitzt und behält. Dem ersteren wird die Besteucrung eines angeblichen Valutagewinnes zugemutet, während derjenige der seinen Grundbesitz im Inlande hat behalten können, nicht best uert wird. Wir müssen in unserer Steuergesetz⸗ gebung dazu kommen, endlich einen gerechten Wertmaßstab einzuführen; wir dürfen unsere Papiermark nicht der Goldmark gleichstellen. Diese Lüge hat uns in alle die Sckwierigkeiten bineingebracht.

Unterstaatssekretär Dr. Müller: Namens des Ministeriums ür Wiederaufbau muß ich darauf aufmerksam machen, daß, kann nach Annahme des Antrages Becker das Ausgleichsgesetz nicht in Kraft

setzt werden, in erster Linie die deutschen Auslandsgläubiger die eidkragenden sind. Sie können keine Vorschüsse erhalten. Die Be⸗ teiligten müßten mindestens bis zum Herbst warten. Ich bitte Sie, die Fassung der Kommission anzunehmen.

Reichsminister der Finanzen Dr. Wirth: Meine Damen und Herren! Der Herr Abg. Waldstein hat nochmals Aufschluß über die Vorschriften verlangt, die aufgestellt werden sollen; so habe ich ihn verstanden. Nun möchte ich aber die Herren einmal allen Ernstes folgendes fragen. Gestern ist der Antrag § im Ausschuß ange⸗ nommen worden; heute verlangen Sie bereits vom Finanz⸗ minister über die zu erlassenden Vorschriften genaue Auskunft. Das ist ja unmöglich. Es ist auch nicht möglich, etwa Richt⸗ linien oder Ideen zu diesen Vorschriften heute aus dem Aermel zu schütteln. Ich könnte Ihnen dazu zu viel oder zu wenig versprechen.

Wenn also der Herr Abg. Waldstein das gewünscht hätte, so wäre ich mit dem besten Willen nicht in der Lage, seinen Anregungen zu entsprechen. Ich glaube, es ist nicht möglich gewesen, klar her⸗ auszuarbeiten, was er eigentlich gewollt hat. Ich bitte ihn also, seine Frage noch einmal zu wiederholen. Wenn er seine Anfrage nu: zu den Vorschriften stellt, wie sie im ersten Absog zu § 7a gefordert werden, dann antworte ich: Bitte, wir werden das genau vorbereiten, der Reichsrat wird sich mit der Durcharbeitung der Vorschriften zu befassen haben und ebenso der fünfzehngliedrige Ausschuß der Nationalversammlung. Die Nationalversammlung muß doch ihrem Ausschuß das Vertrauen ent⸗ gegenbringen, daß er hernach die Vorschriften, die die Regierung vorschlägt, nicht unbeseben schlucken wird, sondern daß er sie studieren wird. Ich glaube, daß der Herr Abg. Waldstein einem Ausschuß der Nationalversammlung dieses Vertrauen nicht wird versagen können.

Abg. Schiele (D. Nat.): Sparsamkeit muß . geübt werden. Wir müssen aber insbesondere für die schwergeschädigten Auslandsgläubiger ein Fundament schaffen. Auf die Schultern des Steuerzahlers darf aber nicht alles abgewälzt werden.

Abg. Waldstein (Dem.): Die von mir angeschnittene Frage stammt nicht von gestern oder heute. Zwischen dem Antrag Becker und dem Antrag des Ausschusses liegt ein großer Unterschied. Die Regierung will nach ihren Erklärungen die he im Sinne des Ausschusses ausführen.

Der Antrag Becker wird abgelehnt.

Bei § 7 a wird die Bestimmung gestrichen, daß zu den

Maßnahmen des Reichsministers E in diesen Fragen

das Einverständnis mit dem Reichsrat und einem fünf⸗

zehngliedrigen Ausschuß des Reichstages notwendig ist. Ferner wird im § 7 a gesagt, daß außer gewerblichen und kauf⸗ männischen Unternehmen auch landwirtschaftliche berücksichtigt werden sollen. Gegen die letzbere Bestimmung stimmen die beiden sozialdemokratischen Fraktionen. (Zuruf rechts: Der preußische Landwirtschaftsminister hat dagegen gestimmt.) Der Rest des Gesetzes wird in der Fassung des Ausschusses angenommen. Es folgt sofort die dritte Lesung. 8

Abg. Waldstern (Dem.): Durch die Streichung des füc gliedrigen Reichstagsausschusses wird der Regierung in einer 1— wichtigen Steuerfrage vollkommen freie Hand gelassen. Ich bitte, d Fassung des Ausschusses wieder hermwstellen. .“

Abg. Dr. Becker⸗Hessen (D. V.): Es ist schmerzlich, daß Herr Waldstein zu seiner Koalitionskegierung weniger Ver⸗ krauen hat als wir von der Opposition. (Heiterkeit.)

Der Antrag Waldstein wird nicht genügend unterstützt. Das Gesetz wird endgültig angenommen.

Reichsminister der Finanzen Dr. Wirth: Meine Damen und Herren! Es hat sich ein ganz außerordentlicher Vorgang soeben hier abgespielt, ein Vorgang, der vom Standpunkt der raschen Abwicklung der Geschäfte natürlich zu begrüßen ist. Sie haben mit der Ablehnung des Antrags der Herren Waldstein und Genossen zweifel⸗

los die Stellung des Reichesfinanzministers bei dieser Frage ge⸗