unternehmen des Reiches, die Eisenbahn und die Post, die höchsten Milliardendefizite auf. Sie gehen bis zu 13 bzw. heute 16 Mil⸗ liarden Mark. Der Bedarf des Reiches setzt sich, nach den großen Gruppen ge⸗ ordnet, aus folgenden Ausgaben zusammen: 1. für die Reichsschuld . . . . . .12,4 Milliarden Mark 2. für Besoldungs⸗, Ruhegehalts⸗ und 3 . für Pensionen, Militärrenten, Hinter⸗ bliebenenversorgung . . . . .. 3,9 für Behandlung von Kriegsbeschä⸗ digten (Pos. Reichsarbeitsministerium) 8 8 87 b v. 1,84 23,8 Milliarden Mark
.für Heer und Marine . . .. 6. für sonstige fortdauernde Ausgaben
Hierzu tritt der Steuerbedarf der Länder und Gemeinden, der für das Jahr 1919 auf rund 6 ¼ Milliarden Mark berechnet wurde. Um diese Milliardenziffern aufzubringen, erwies es sich als unum⸗ gänglich notwendig, daß Deutschland alle Steuerquellen bis zur höchsten Leistungsfähigkeit ausschöpfte. Die wirtschaftlichen Gesichts⸗ punkte, die in jeder Steuerreform ausschlaggebend sein müssen, wurden nur so weit berücksichtigt, als es das entscheidende fiskalische Inter⸗ esse gestattete. Von diesen Grundlagen aus ist die Steuerbelastung in Deutschland zu bewerten. Die Berechnung der Steuerlast auf den Kopf der Bevölkerung gibt über den tatsächlichen Steuerdruck keinen Aufschluß; denn ein reiches Land wird eine bestimmte Steuerlast pro Kopf leichter tragen können als ein armes Land. Hierzu kommt, daß Deutschland weit stärker als irgendein anderes Land in seiner Wigt⸗ schaft geschwächt ist. Der Aufbau der Vermögens⸗ und Einkommens⸗ pyrgmide in Deutschland ist wesentlich anders gestaltet als beispiels⸗ weise in England und den Vereinigten Staaten von Amrexika. In Deutschland ist das Kräfteverhältnis in der Vermögensverteilung mehr zugunsten des Mittelstandes und der breiten Volks massen ver⸗ schoben. Das hat die Folge, daß das Einkommen in den untersten Schichten in Deutschland nicht so hoch ist wie in jenen Ländern, in denen der Grundbesitz besonders stark vertreten ist. Auch die Ver⸗ schiedenartigkeit im Aufbau der Bevölkerung gestattet es nicht, die Pro⸗Kopf⸗Ziffer als Gradmesser für die Steuerbelastung hinzustellen. Denn die Belastung in einem kinderreichen Lande ist ziffernmäßig weit niedriger als im Lande. Tatsächlich aber hat bei der größeren Anzahl der Kinder die Volkswirtschaft größere Kosten auf⸗ zubringen für die Heranziehung dieser noch nicht erwerbsfähigen Menschen. Es sind also weder das reale Kapital noch das reale Ein⸗ kommen und die mit beiden in Verbindung stehenden wirtschaftlichen und sozialen Grundlagen klar zu erfassen, um hieraus die Steuer⸗ belastung der einzelnen Länder zu vergleichen. Immerhin ergibt die Berechnung über die Belastung auf den Kopf der deutschen Bevölke⸗ rung eine Steuerlast von mindestens 533 ℳ.
Die Denkschrift führt dann die Steuern der Reichsfinanzreforr von 1919/20 an, mämlich die außerordentliche Kriegsabgabe fü 8 Nechnungsjahr 1919, die Kriegsabgabe vom Vermögenszuwachs, Reichsnotopfer, Uebernahme der Einkommensteuer von den Einzel⸗ staaten auf das Reich und vollkommene Neugestaltung dieser Steuer, das Körperschaftssteuergesetz, Kapitalertragssteuergesetz, Erbschafts⸗ steuergesetz, Umsatzsteuergesetz, Tabakssteuergesetz, Spielkartensteuer⸗ gesetz, Zündwarensteuergesetz, Grunderwerbssteuergesez. In der Anlage gibt die Denkschrift eine Uebersicht über sämtliche Steuern, direkte und indirekte Reichssteuern nach dem Stande der neuesten Gesetzgebung. Die einzelnen Steuern sind nach ihrem materiellen Auf⸗ Hau und nach ihrem Tarif dargelegt. Daneben werden auch Urteile über die möglichen Erhöhungen der einzelnen Steuern ausgesprochen. Im Anhang werden umfassende Tabellen über die Steuererträgnisse und die Belastung durch die einzelnen St sowie über die Reichs⸗ schuld und ihre Entwicklung gegeben.
—ö. 3 8 8
Der Deutsche Schutzbund teili mit, daß die Polen die Weisung der Ententekommission, vertragswidrige Er⸗ schwernisse der Reisen der Stimmberechtigten zu unterlassen, aquch am 2. Juli nicht befolgt haben. Es wurden 1950 Stimmberechtigte widerrechtlich von der Weiterfahrt ausge⸗ schlossen, sodaß sie durch den Deutschen Schutzbund nach Stolp⸗ münde und Swinemünde umgeleitet werden mußten. Die Dampfer mußten hierbei bis an die äußerste Grenze ihrer Leistungsfähigkeit in Anspruch genommen werden. Aus Pillau kommt die Nachricht, daß der durch die polnische Wilfkür er⸗ zwungene gesteigerte Transportverkehr dort bisher reibungs los hat be vältigt werden können. 6
*
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8
Oesterreich.
Das neue Kabinett wird sich solgendermaßen zusammensetzen:
Als Vertreter der Christlich⸗Sozialen: Handel: Heinl, Landwirtschaft: Haueis, Inneres: Breisty, Kultue: Unter⸗ staatssekretär Miklas, Verfassung: Dr. Mayr, voraussicht⸗ lich zugleich als Leiter der Staatskanzlei, ferner sozigle Ver⸗ waltung: Unterstaatssekretär Resch. Als Vertreter der Groß⸗ deutschen: Justiz: Präsident des Obersten Gerichtshofs Dr. Roller. Als Vertreter der Sozialdemokraten: Staats⸗ sekretär für soziale Verwaltung: Hanusch, Aeußeres: Dr. Nenner, Heer: Dr. Deutsch, Unterricht: Unterstaatssekretär Gloeckel, Sozialisierung: Staatssekretär Ellenbo gen, Ge⸗ sundheitsamt: Unterstaatssekretär Tancler, Finanzen: Dr. Reisch, Volksernährung: Loewenfeld⸗Rus.
Die “ soll mit dem 31. Oktober ihr gesetzliches Ende finden. Die Neuwahlen sind auf Sonn⸗ tag, den 17. Oktober, festgesetzt.
Nußland.
Der Volkskommissar für auswärtige Angelegenheiten, chitscherin, hat nach einer Tempsmeldung gegen die Regelung der Aalandsfrage ohne Zutum Rußlands Einspruch erhoben, da kein Vertrag bestehe, der den Verzicht der russischen Republik auf diese Inseln ausgesprochen habe. 8 .““
nach Blättermeldungen
Ts
Belgien.
In der letzten Sitzung der Konferenz von Brüssel am Sonnabend nahmen die Bevollmächtigten zunächst Kenntnis von dem Bericht der Sachverständigen, der unter Leitung des Marschalls Foch über die Nichtausführung der militärischen, maritimen und aeronautischen Vertragsbestimmungen erstattet worden war. Laut Meldung der „Agence Havas“ wurde be⸗ schlossen, nur diejenigen Fälle in Betracht zu ziel en, bei denen offen⸗ sichtlich böser Wille Deutschlands vorliege. Lloyd George wird diesen Bericht heute in der ersten Sitzung im Namen der Alliierten der deutschen Delegation zur Kenntnis bringen. Die Deutschen sollen dabei ferner eingeladen werden, ihre Antwort auf die drei Noten bekanntzugeben, die in Boulogne von den Allierten beschlossen wurden und die die Herabsetzung der deuischen Armee auf 100 000 Mann fordern. Der Oberste Rat setzte hierauf die Tagesordnung für die Konferenz in Spaa fest. Danach sollen folgende Gegenstände zur Verhandlung kommen: Entwaffnung, Wiedergutmachung, Kohle. In einer Vorsitzung der Alliterten endlich soll neuerdings die Frage der Schuld be⸗
lt werden. Hinsichtlich des Verfahrens wurde beschlossen,
daß die Alliierten den deutschen Vertretern keine gesonderten Vor⸗ schtäge machen, sondern erst nach vorhergehender Verständigung unter sich durch einen einzigen Nedner ihren gemeinsamen Standpunkt vorbringen lassen. Die Art und Weise der Be⸗ gründung des Standpunktes der Deutschen bleibe diesen über⸗ lassen. Vor und nach jeder Sitzung werden sich die Alliierten unter sich versammeln zur Festsetzung einheitlicher Richtlinien. Vor ihrem Auseinandergehen prüfte die Brüsseler Konferenz eine Note der Wiedergutmachungskommission, betreffend die nicht ausgeführten Kohlenlieferungen. In dieser Hinsicht wurde ein wesentlicher Punkt geregelt, nämlich, daß Fr creich sein Vorrecht auf die Kohlenlieferungen als Entschäbigung behält. 8
Die deutsche Delegation ist gestern nachmittag in Brüssel eingetroffen. Die Delegation wurde im Zuge von dem Generalsekretär der Konferenz Jacquenin und vom Grafen Duchatel im Namen der belgischen Regierung begrüßt und begab sich in Staatsautomobilen in ihre Absteigequartiere.
— Der Ministerat versammelte sich vorgestern, um die Lage zu prüfen. Nach Beendigung der Besprechung begaben sich der Minister Delacroir und Yaspar sowie der belgische Vertreter im Wiedergutmachungsausschuß Oberst T heunis in das Palace⸗Hotel, um mit den alliierten Ministerpräsidenten zu beraten.
— Das Geschworenengericht in Brüssel hat eine Anzahl Urteilssprüche in contumaciam gegen Genter Aktivisten ge⸗ fällt. Vier Angeklagte wurden zum Tode, einer zu lebens⸗ länglicher und drei zu 12—20 Jahren Zwangarbeit verurteilt.
Niederlande. b Der Generalsekretär des Völkerbundes hat dem Korre⸗ spondenzbüro zufolge die in Frage kommenden Regierungen ielegraphisch verständigt, daß die Internationale Finanzkonferenz vom Völkerbundsrat auf den 23. Juli einberufen werden wird. Ferner wird in dem TPele⸗ gramm mitgeteilt, daß die ersten Sitzungen der Kon⸗ serenz der Vorlegung von Denkschriften dienen werden. Jeder Staat ist eingeladen, eine derartige Denkschrift zur Verfügung der Konferenz zu stellen. In diesen Dokumenten soll eine möglichst vollständige Darlegung der wirtschaftlichen Lage des Landes enthalten sein, und zwar eine Aufstellung 88 ouswärtigen Schulden, der Finanzlage (Besteuerung, Geldwesen und innere Schulden), des auswärtigen Handels (statt der Wechselkurse Kontrakte mit dem Auslande, Beschränkung der Einfuhr, staatliche Aufsicht über den Handel) und eine Dar⸗ legung der gegenwärtigen Politik der betreffenden Regierung gegenüber diesen verschiedenen Fragen.
— Wie das Sekretariat des Internationalen Gewerk⸗ schaftsbundes mitteilt, wird in der Sitzung des Internatio⸗ nalen Büros, das anläßlich des Kongresses des Belgischen Gewerkschaftsbundes vom 3. bis 7. Juli in Brüssel zusammen⸗ tritt, die weitere Haltung des Internationalen Gewerkschafts⸗ bundes in der Frage des Boykotts gegen Ungarn näher festgestellt werden. Inzwischen wird der Bovykott ungeschwächt fortgesetzt, und die heteiligten Organisationen werden aufgefor⸗ dert, Maßregeln für eine eventuelle Verschärfung des Boykotts zu treffen.
Polen. Timeenmeldumg zufolge verkünden die Bolsche⸗ Die Rote Armee stehe 5 Kilometer vor Kowno. Die „Dayli Mail“ er⸗ fährt, daß nach den letzten Nachrichten aus Polen die Stadt Lemberg in die Hände der Roten Armee gefallen sei.
Einer - wisten neue große Erfolge über die Polen.
Litauen.
Nach einer Meldung der „Litauischen Telegraphenagentur“
machen die Friedensverhandlungen mit Rußland Fort⸗
schritte. Die Grenzfrage ist beinahe völlig zugunsten Litauens
gelöst. Man ist fast in allen Praa zu einem Ausgleich ge⸗
langt. Die noch vorhandenen Meinungsverschiedenheiten glaubt man in kurzer Zeit beseitigen zu können. 8
Finnland. G “
Nach den Blättermeldungen gedenkt die finnische Regierung die Note des russischen Volkskommissars für auswärtige Ange⸗ legenheiten nicht zu beantworten, worin dieser mitteilt, daß Rußland seine Mitwirkung bei der Lösung der Aalands⸗ frage für notwendig hält, da bisher sein Vertrag bestehe, der die russische Souvweränität über die sinseln aufhebe.
— Wie die ‚Berlingske Tiden „Helsingfors meldet, hat der Staatsanwalt beim Hofgerl veantragt, gegen die beiden aaländischen Führer Björrman und Sundblom Anklage wegen Vorbereitung zum Hochverrat zu erheben. Die
8
Verhandlung werde am 12. Juli vor dem Hofgericht stattfindan.
Tschecho⸗Slowakei.
Die Internationale Elbekommission in Prag hat ihre Arbeiten am 30. Juni beendet. Nach dem „Tschecho⸗Slowakischen Preßbüro“ beschäftigte sie sich mit der Frage des Unterschiedes zwischen der Elbe Atte und dem Friedensvertrage sowie mit der von Deutschland im Jahre 1917 eingeführten Verkehrssteuer. Es wurde die Ansicht vertreten, daß diese Verkehrssteuer der Elbe⸗Akte und dem Friedens⸗ vertrage nicht entspreche. Mit dieser Angelegenheit, insbesondere auch mit der Frage der Anwendung des bisherigen Verkehrs⸗ steuererlasses, wird sich die nächste Sitzung der Internationalen Elbe⸗Kommission, die für den 15. November nach Dresden ein⸗ berufen ist, befassen. Dort werden auch Anträge bezüglich einer neuen Elbeakte zur Beratung gelangen.
Türkei.
Nach einer Havasmeldung lassen die wenigen aus Anatolien eintreffenden Nachrichten erkennen, daß es mit den nationalistischen Streitkräften nicht gut steht. Sie haben die Gebiete von Zunguldak und Ismid verlassen und sich vor den griechischen Truppen in der Gegend von Smyrna zurückgezogen.
1“
Man glaubt, Kemal Pascha werde sein Haupt⸗ quartier von Angora nach Sivas verlegen. Aus dem östlichen Thrazien wird gemeldet, die Ruhe sei dort wiederhergestellt, es seien aber Anzeichen dafür vorhanden, daß gegen der griechischen Vormarsch ein Widerstand organisiert werde.
Griechenland.
Ein Bericht des griechischen Großen Haupt⸗ quartiers meldet die Einnahme von Panderma am Marmara⸗ meer. Die Streitkräfte Mustapha Kemals, die an den Linien von Smyrna, Philadelphia und Panderma Widerstand leisteten, seien vollständig vernichtet worden.
8 .
1 8
Asien.
Die „Times“ meldet aus Peking, die jüngste Bewegung unter den Militärgouverneuren habe zu dem Ergebnis geführt, daß die reaktionäre und japanfreundliche militaristische Parie⸗ aus ihrer Machtstellung verdrängt worden sei.
— Die neue Session des japanischen Parlaments ist am 1. Juli eröffnet worden. Sowohl die Opposition als auch die Regierungspartei haben Gesetzentwürfe für das all⸗ gemeine Wahlrecht eingebracht. In der Hauptsache ent⸗ halten beide Entwürfe die Bestimmung, daß alle Männer über 25 Jahre das Wahlrecht erhalten sollen.
Kunst und Wissenschaft. Die Preußische Akademie der Wissenschaften
hielt am 24. Juni unser dem Vorsitz des Sekretars Herrn Roethe eine Gesamtsitzung ab, in der Herr de Groot über die aller⸗ ältesten geographischen Namen Zentralasiens, die inchinesischen Schriften erwähnt werden und noch immer existieren, las. Das Kun-lun Gebirge, das Volk der Sik-ki (Skythen) oder Sak-ke (Sacae) und das Reich Kn⸗S (Turfan) werden schon im heiligen Buche Jü-kung (23. Jahr⸗ hundert v. Chr.) erwähnt im Zusammenhang mit der großen Handels⸗ straße, welche, Persien über Turkistan mit Kan-sùà verband und auf der „gewebte Pelze“, d. h. Wollentuch, nach China gelangten. Auch das Flußgebiet des DZok und des Hik, die Heimat der Goat-si oder Gorsi, welche im 2. Jahrhundert v. Chr. von den Hunnen vertrieben wurden und Tochara eroberten, wird schon im Jü-kung erwähnt. Daß die Goat-st in Tochara die jetzige Stadt Ischkamisch zum Regierungssitz hatten, läßt sich in chinesischen Geschichtsquellen des 2. Jahrhunderts v. Chr. nachweisen. Auch der Talas wird ebenda erwähnt als der Fluß, wo der Tan⸗hu des westlichen Hunnenreichs sich eine Hauptstadt baute, von wo er im Verein mit Sogdiana, Fargana und Norsoi, Angriffe auf Persien, Tochara und Alexandria plante. Auch das Reich Bor, dem der See Bor⸗kul seinen Namen’ verdankt, wird in Schriften des 2. Jahrhunderts v. Chr. erwähnt. — Herr Nernst legte sodann eine Arbeit des Herrn Dr. P. Günther über „Innere Reibung des Wasserstoffs bei sehr tiefen Temperaturen“ vor, und Herr von Wilamowitz⸗Moellendor ff überreichte die 2. Auflage seines Werkes über „Platon“ (2 Bände). Vorgelegt wurde ferner das Werk des korrespondierenden Mitgliedes der philo⸗ sophisch⸗historischen Klasse, Herrn Perey Gardner in Orxford: „K history of ancient coinage 700 — 300 B. C.“.
Begründung eines Geologie in Berlin. Landesanstalt ist ein Museum
Museums für praktische Bei der Preußischen Geologischen
für praktische Geologie im Entstehen begriffen. Hier sollen die wesentlichsten mineralischen Rohstoffe Deutschlands nach Beschaffenheit, Verbreitung, Gewinnungsart und Verwendungsart so dargestellt werden, daß der Beschauer eine Vor⸗ stellung von Natur und Bedeutung dieser heimischen Rohstoffe im Rahmen der Weltwirtschaft erhält. Den Geologischen Landes⸗ anstalten erwachsen jetzt überhaupt, wie Professor Dr. Beyschlag in der „Lagerstätten⸗Chronik“ betont, die wichtigsten Aufgaben haupt⸗ sächlich darin, daß Ersatz für die durch den Krieg verlorenen Rolh⸗ stoffquellen, namentlich an Eisenerzen, Kalisalzen, Erdöl und Stein⸗ kohle, beschafft wird und daß heimische Ersatzstoffe aller Art aufge⸗ sucht werden, um die Einfuhr mineralischer Rohstoffe aus dem Aus⸗ land möglichst zu beschränken. Zu dem Zweck ist eine bis ins einzelne gehende Inventur der Bodenschätze aufzunehmen und ein Ueberblick über die Bedürfnisse von Industrie nnd Gewerbe an Mineralien aller Art und über ihre Bezugsquellen zu geben. Daran vüse sich Bemühungen knüpfen, gegenwärtig still⸗ liegende Rohstoffquellen wieder zu beleben und die im Betrieb befind⸗ lichen möglichst auszunutzen und zu verbessern. In allen diesen Fällen haben die Geologischen Landesanstalten die Aufgabe, mit ihren Hilfsmitteln die natürlichen Verhältnisse der nicht in Ausbeutung befindlichen Lagerstätten aufzuklären. Ihre Tätigkeit darf sich nicht an⸗ Beantwortung von Anfragen beschränken, sondern soll durch Vorträge und gedruckte Mitteilungen aller Art in den Kreisen der Industriellen aufklärend und anregend wirken.
Aeronautisches Observatorium. Lindenberg, Kr. Beeskow.
3. Juli 1920. — Ballonoufstieg von 5 ½ a bis 6 a.
: Wind Seehöhe Luftorukz Temperatur Co Feuchtig⸗ keit Richtung Dehwind. m mm oben 59 Meter
122 750,0
300 734
500 717 1000 675 12,5 1500 635 10,3 2000 599 8,0 2500 564 7,5 2540 558 75
Heiter. Dunst. Sicht 10 km. —
Relativpe
19,3 16,5
Zw überall 7,50.
(Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten, Zweiten und Dritten Beilage.
88
Familiennachrichten. 8
Verlobt: Frl. Gertrud Strupp mit Hrn. Hauptmann Gotthard Heinrici d.eE Pr.) — Frl. Eleonore Hessel mit Hrn. Leutnant z. See a. D. Theodor von Knoop (Wiesbaden).
Verehelicht: Hr. Hauptmann a. D. Siegfried Nickisch von
„Rosenegk mit Frl. Marie Luise von Puttkamer (Glowitz).
Gestorben: Herr Justizrat Dr. jur. Richard Jaffé (Berlin).
Verantwortlicher Schriftleiter: J. V.: Weber in Berlin. Verantwortlich für den Anzeigenteil: Der Vorsteher der Geschäftsstelle J. V.: Rechnungsrat Meyer in Berlin. 5 Verlag der Geschäftsstelle (J. V.: Meyer) in Berlin. Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlagsanstalt u.““ Berlin, Wilhelmstrats 35. Sechs Beilagen seinschließlich Börsenbeilage) und Erste, Zweite und Dritte Zentral⸗Handelsregister⸗Beilage.
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schwerung, b
86
Erste B
utschen Reichsanzeiger und Preußischen Staatsanze e
Nr. 146. Nichtamtliches.
(Fortsetzung aus dem Hauptblatt.) Dentscher Reichstag. 8 6. Sitzung vom 2. Juli, Nachmittags 1 Uhr. (Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger.)*) Zunächst gelangen Anfragen zur Verlesung.
Abg, Warmuth (D. Nat.) fragt nach der Auftragerteilung zur Lieserung von 700 000 1— Militärstoff für die Sicher heitspolizei an eine englische Firma un Werte von etwa
150 Millionen Mark. Die deutsche Tuchindustrie habe sofort verwend⸗ baren Stoff gu 170 ℳ für das Meter offeriert, die englische Firma er⸗ vHalte 105 ℳ mehr zugebilligt, der englische Stoff müsse überdies unter weiteren Umkoften von 18 ℳ für das Meter gefärbt werden. Insgesamt bedeute dies einen Unterschied von 186 Millionen. Diese Maßnahme erscheine um so befremdlicher, als die deutsche Tuchfabrikation schwer unter der Arbeitslosigkeit leide.
Mimisterialdirektor Dr. Reichardt: Der Auftrag ist von der zuständigen Stelle auf Befürwortung der Selbstverwaltungsstellen der Pigeeeen. als dringlich bezeichnet worden. Es handelte sich darum, den
8 en dringenden Bedarf sicherzustellen, da sonst die Dienstfähig⸗ keit der Sicherheitspolizei auf das schlimmste gefähndet worden wäre. Nachdem das Reichsministerium Innem sein Einverständmis er⸗ Flärt und die Reichswirtschaftsstelle für Wolle ihr Gutachten dahin ab⸗ gegeben hatte, daß eine sosortige Beschaffung der benötigten Stoffe im Inlande auf Schwierigkeiten sürde, hat die Außenhandelsstelle die Einfuhrbewilfigung erteilt. Das Rei schaftsministerium hat nach Bekanntwerden der Sache die Einfuhrbewilligung zunächst gesperrt zund sie erst dann wieder freigegeben, alss nachgewiesen war, daß die Stoffe bereits restllos bezahltt, bereits im Anvollen seien und tatsachlich ganzg dringlich benötigt würden. Im Hinblick davauf aber, daß bei recht⸗ heitiger und groeckentsppechender Auftragsvergebung die Bedürfnisse der Sicherheitspoligei im Inlande befriedigt werden können, ist Vorsonge getroffen worden, daß derartige Auslandggeschäfte künftig nicht ohne vorherige Zustimmung des ichswirtschaftsmmisteriums angebahnt vnd durchgeführt werden.
Jarmuth (D. Nat.) beschwevt sich über schikanöse Be⸗ ja Behinderung der Abstimmu ngsberechtigten
eider Fahrtnach Ostpreußen durch die polnische Eisenbahn⸗ diürektion.
Regierungsrat Dr. Sommer: Verhandlungen mit Polen hin⸗ sichtlich des Durchgangsverkehrs durch den Korridor mußten als aus⸗ sichtslos abgebrochen werden. Die deutsche Regierung hat sich an den Beerstan Rat in Paris beschwerdeführend gewendet. haben die Polen durch eine einseitige Verordnung vom 1. April 1920 den Durchgangsverkehr nach eußen auf eine einzige Eisenbahnlinie beschränkt, und zwar auf die völlig unzureichende, teilweise 1 Nebenbahnlinie Konitz —Schwentau— Marienwerder. Polen Fhas t damit den Bedingungen des Friedensvertrags entsprochen zu haben. Die 8“ Linien bringt die größten Unannehmlichkeiten mit sich, alle Reisenden mit direkten Fahrkarten nach Ostpreußen werden wie Reisende ohne Fahrkarte behandelt, haben große Zoll⸗ und Paßschwierigkeiten. Das gesamte Verhalten Polens ist eine offen⸗ sichtliche Verletzung der durch den Friedensvertrag Polen auferlegten Verpflichtungen. Dies wird Gegenstand der Verhandlungen in Paris sein. Wegen etwaiger Repressalien nehme ich Bezug auf die von dem Minister des Aeußern persönlich beabsichtigte Beantwortung der letzten Anfrage.
Abg. Dr. Philipp (D. Nat.) beklagt sich über die Verhaftung des Verlagsbuchhändbers Apigt in Wiesbaden, des ersten Vor⸗ sitzenden des Rheinischen Mieterschutzverbandes durch die französische Besatzungsbehörde. Apigt wird beschuldigt, einen Brief politischen N. alts an den “ Ministerpräsidenten geschickt zu haben.
ieser Brief ist durch ein Amtsvergehen bei einer Re⸗ gierungsstelle den Franzosen bekannt geworden.
Ein Vertreter der Regierung erklärt, daß demnächst EEEö“ dieses Vorfalles in der Oeffentlichkeit möglich sein werde.
Abg. D. Mumm (D. Nat.) fragt nach dem zehnprozen⸗ tegen Steuerabzug in Form der Zinsscheimwsteuer von Kriegsanleihen. Werden diese Kriegsanleihen beim Reichs⸗ notopfer als Zahlung angenommen, indet eine doppelte Be⸗ lastung statt. Der Fragesteller wünscht, daß der Steuerzahler nicht die vollen 5 Prozent Zinsen, sondern nur 4,5 bezahlen soll.
Ministerialdirektor von Laer: Diese Maßnahme wäͤre eine ungerechte Bevorzugung allen denen gegenüber, die das Reichsnot⸗ opfer in bar erlegen. Die gewünschte Ausführungsanweisung kann nicht erfolgen.
(Ruf rechts: Unerhört!)
Hierauf wird die Besprechung der Erklärung des Rei chs kanzlers fortgesetzt.
Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft Dr. Hermes: Meine Damen und Herren! Unsere bereits seit langem außer⸗ ordentlich schwierige Ernährungslage ist in den letzten Monaten in ein äuxßerst kritisches Stadium getreten und zwar vor allem unter dem Einfluß der zunehmend schwieriger gewordenen wirt⸗ schaftlichen Lage. Die in einem großen Teil der Industrie stark ge⸗ stiegene Beschäftigungslosigkeit, die Schwierigkeit der Fortführung der Erwerbslosenfürsorge und anderes haben im Verein mit den großen, seit einem Jahre in besonders starkem Maße eingetretenen Preis⸗ steigerungen die Massen der Verbraucher in eine schwere Notlage ge⸗ bracht. Die Zurückhaltung der Käufer auf dem gerrerblichen Waren⸗ markt und die in verschiedenen Städten vorgekommenen Lebensmittel⸗ unruhen sind ein Beweis, daß die Anspannung der Kauf⸗ kraft der Bevölkerung eine Grenze ereicht hat, deren Ueber⸗ schreitung die emnstesten Folgen haben kann.
Da Entbehrungen in der Ernährung weit schwerer zu ertragen sind als auf anderen Gebieten und die Gesundheit und Arbeitskraft des Volkes durch sie in verhängnisvoller Weise beeinträchtigt werden, so lastet auf der Reichsregierung eine große Verantwortung, die ihr die unbedingte Pflicht auferlegt, alle verfügbaren Mittel für eine Besserung der Ernährungsverhältnisse einzusetzen und bei jeder Maß⸗ nahme peinlichst zu prüfen, welchen Einfluͤß sie auf die wirtschaftliche Lage der verbrauchenden Bevölkerung ausüben wird.
In dem Bewußtsein dieser Verantwortung hat die Reichsregierung bereits vor längerer Zeit eine Aendevung in der Lebensmittelbewirt⸗ schaftung eingeleitet, von der im Laufe der Zeit eine Besserung der Lebensmittelversorgung enrartet werden darf. Aber die schwierigen Verhältnisse, welche die Wirtschoftslage gegenwärtig entscheidend
*) Mit Ausnahme der Reden
8 en der Herren Minister, die im Wortlaute wirdergegeben werden. 1 “
Berlin, Montag, den 5. Fuli
1920
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beeinflussen, können nur allmählich überwunden werden, und zwar nur unter verständnisvoller Mitwirkung des ganzen Volkes, das in allen seinen Teilen und Berufen den Bedingungen Verständnis entgegen⸗ bringen muß, von denen unsere Ernährungswirtschaft abhängt.
Auch die Preispolitik muß dem obersten Ziele der Er⸗ nährungspolitik untergeordnet werden, das darin besteht, eine Ver⸗ mehrung und auf diesem Wege auch eine Verbilligung der Lebensmittel herbeizuführen. Sie darf nicht einer Partei dienen, sondern nur dem Wohle des Volkes. Eine einseitige Preispolitik zugunsten der Land⸗ wirte zu betreiben, lehne ich entschieden ab.
Wenn ich für die wirtschaftlichen Erzeugnisse der nächsten Ernte höhere Preise vorschlage so bestimmt mich hierzu — so widerspruchs⸗ voll dies auf den ersten Blick auch erscheinen mag — gerade die Rück⸗ sicht auf die Verbraucher, denn eine verständige Verbraucher⸗ politik kann nur in einer zielbewußten Förderung der landwirtschaftlichen Produktion bestehen, durch die allein auf die Dauer eine reichlichere und billigere Ernährung er⸗ möglicht werden kann. Hierzu ist aber erforderlich, den Landwirten Preise zu gewähren, die ihre Produktionskosten decken. Wenn den Landwirten nicht Preise bewilligt werden, die ihren gestiegenen Pro⸗ duktionskosten entsprechen, so muß dies die bereits in die Erscheinung getretene Gefahr einer Extensivierungder Landwirtschaft in bedenklicher Weise steigern und schließlich umweigerlich zum Zu⸗ sammenbruch unserer öffentlichen Bewirtschaftung führen. Das Fest⸗ halten an dem Irrtum, durch Zwangsmaßregeln gegenüber den Er⸗ zeugern allein eine Besserung der Ernéhrungsverhältnisse herbeiführen zu können, ist eine wirtschaftliche Selbstmordpolitik. (Sehr richtig! rechts.) Kein Mensch und kein Machtmittel sind imstande, die Millionen von landwirtschaftlichen Betrieben zu zwingen, etwas zu tun, was man, rein sachlich beurteilt, ihnen nicht zumuten kann. (Sehr wahr! rechts.) Ich möchte dies mit albem Nachdruck betonen, weil ich es bei dem großen Ernst der Lage für meine Pflicht hakte, daß völlige Klarheit geschaffen wird über die Notwendigkeiten und Möglichkeiten der öffentlichen Bewirtschaftung in der Zukunft. Ich würde es nicht verantworten können, Ihnen eine Politik vorzuschlagen, die eine solche unfruchtbare Illusion wäre und letzten Endes sich als die verhängnis⸗ vollste Schädigung gerade der Verbraucherinteressen erweisen würde. Nur durch intensivste Ausnutzung der heimischen Scholle können wir die unzureichenden Rationen unseres Volkes erhöhen, wenn wir ab⸗ kommen wollen von der steigenden Zufuhr von teuerem Auslandsgetreide, das in erster Linie die Belastung unserer Verbraucherschaft herbeigeführt hat. Ungenügende Preise speisen den Schleichhandel; gerechte Preise sind die erste Vorbedingung für die völlige Erfassung der Vorräte; sie sind das wirksamste Mittel, den Schleichhandel einzudämmen.
Der Krieg und die Verhältnisse, die sich in seiner Folge entwickelt haben, haben wie auf anderen Gebieten so auch bei den landwirt⸗ schaftlichen Produktionsmitteln eine gewaltige Preissteigerung bewirkt, und diese Preissteigernng hat die größte Unsicherheit und Beunruhigung in die landwirtschaftlichen Kreise getragen. Als Beispiel für die Steigerung der landwirtschaft⸗ lichen Produktionskosten besonders im letzten Weettschaftsjahr möchte ich nur die Düngemittelpreise erwähnen. Im Vergleich zur Zeit vor dem Kriege ist der Preis für Stickstoff um mehr als das Achtfache, für Thomas⸗Phosphatmehl um das Neunzehnfache und für Kali um mehr als das Fünf⸗ fache gestiegen. Wie hoch die Aufwendungen sind, welche der Landwirt gegenwärtig im Vergleich zu Anfang 1919 für Düngemittel machen muß, ergibt sich aus folgenden Zahlen. Es betrug der Preis pro Waggon für schwefelsaures Ammoniak vor dem 16. März 1919 8000 ℳ, nach dem 1. März 1920 37⸗ bis 38 000 ℳ (hört! hört! rechts), für Thomas⸗Phosphatmehl vor dem 1. Inli 1919 1300 ℳ, nach dem 1. Februar 1920 11 500 ℳ, für 40 prozentiges Kalisalz vor dem 1. April 1919 2200 ℳ, nach dem 1. Dezember 5400 ℳ. Trotz der erhöhten Einnahmen verfügt besonders der große landwirtschaft⸗ liche Besitz häufig nicht über das genügende Betriebskapital, um erheb⸗ liche Mengen von Düngemitteln zu solchen Preisen anzukaufen. (Sehr richtig! rechts.) Wenn dazu noch der Zweifel tritt, ob der erhöhte Aufwand später durch entsprechende Preise für die landwirtschaftlichen Erzeugnisse gedeckt wird, so führt dies zu einer Einschränkung des Düngemittelverbrauchs, die die verhängnisvollsten Folgen für unsere Ernährung haben muß. Bereits gegenwärtig macht sich die besorgniserregende Erscheinung bemerkbar, daß die Landwirte im Ankauf künstlicher Düngemittel stark zurückhalten. Es ist natür⸗ lich auf die Dauer ein pöllig unerträglicher Zustand, daß unsere durch den Krieg verarmten Aecker nach Dünger schreien und in den Dünge⸗ mittelfabriken sich die Lager von Düngemitteln weiter aufftapeln. (Sehr richtig! rechts.)
Bei dieser Gelegenheit muß ich auf die Irrigkeit der Auffassung hinweisen, daß die Höhe der Erzeugerpreise allein für die Notlage der minderbemittelten Bevölkerung verantwortlich sei. Demgegenüber ist zu berücksichtigen, daß die Preissteigerung der Nahrungsmittel zu einem wesentlichen Teil auch auf die hohen Preise der ausländi⸗ schen Lebensmittel zurückzuführen ist. Bei dem starken Rück⸗ gang der heimischen Landwirtschaft ist Deutschland gegenwärtig bei weitem nicht imstande, sich durch seine eigene landwirtschaftliche Er⸗ zeugung zu ernähren. Um auch nur eine dürftige Mindestmenge an Nahrungsmitteln für die Bevölkerung sicherzustellen, bedarf es einer erheblichen Einfuhr, die bei dem niedrigen Stande des Markkurses nur zu Preisen möglich ist, die weit über den Inlandspreisen stehen. Zur Verbilligung dieser Nahrungsmittel hat das Reich bis jetzt über 10 Milliarden Mark zur Verfügung gestellt. (Hört, hört!) Trotz dieser großen Aufwendungen des Reiches war es unmöglich, bei dem Sinken der deutschen Valuta die ausländischen Lebensmittel zu Preisen abzugeben, die sich der geminderten Kaufkraft der Bevölkerung voll angepaßt hätten. Auch im kommenden Wirtschaftsjahr werden wir die Zufuhr aus dem Auslande nicht entbehren können, denn wir müssen danach streben, nicht nur unsere Bevölkerung in der gleichen Weise wie bisher zu ernähren, sondern eine wesentliche Besserung der Volks⸗
ernährung herbeizufüöhren. Während des Krieges mußten die knappen Rationen ertragen werden, weil uns die Zufuhrmöglich⸗ keit aus dem Auslande abgeschnitten war. Jetzt, im Frieden, würde die dauernde Beibehaltung einer solchen ungenügenden Ernährung den Zusammenbruch unseres durch die Entbehrungen des Krieges ge⸗ schwächten Volkes herbeiführen.
Im Innern müssen jedoch alle Anstrengungen darauf gerichtet sein, die hentige starke Abhängigkeit unserer Ernährung von der Einfuhr so bald als möglich einzuschränken (sehr richtig!), indem wir für die heimische Landwirtschaft die Voraussetzungen für die Steigerung der heimischen Ernte schaffen. Gegenüber den Ausstellungen, welche die Preisfestsetzung für die landwirtschaftlichen Er⸗ zeugnisse erfahren hat, möchte ich Ihnen eine kurze Darstellung diefer Grundlagen geben.
Durch Verordnung vom 13. März dieses Jahres sind für die wichtigsten landwirtschaftlichen Erzeugnisse Mind estpreise fest⸗ gesetzt worden, um dem Landwirt eine gewisse Sicherheit für den Ersatz seiner durch die Frühjahrsbestellung verursachten Aufwendungen zu geben. Die Berechnung der Mindestpreise erfolgte auf Grund der Produktionskosten zu Anfang dieses Jahres. Bei der Bemessung des Kartoffelpreises wurde über die Produktionskosten hinaus bewußt noch ein Zuschlag als Anbananreiz gewährt, um durch vermehrten Kartoffel⸗ anbau einen Ausgleich für die durch die Frostperiode im vergangenen Herbst stark beeinträchtigte Wintergetreidebestellung zu schaffen. Ferner wurde bestimmt, daß die endgültige Festsetzung der Preise bis zum Beginn der Ernte unter Berücksichtigung der bis dahin entstandenen Produktionskostensteigerungen erfolgen follte.
Die Mindestpreise haben besonders bei Kartoffeln ihren Zweck voll erfüllt. Es hat eine erhebliche Vergrößerung der Anbaufläche stattgefunden, so daß bei einer günstigen Ernte im nächsten Winter die Kartoffelversorgung und damit unsere gesamten Ernährungsverhält⸗ nisse eine erhebliche Verbesserung erfahren dürften. Die Wirkung des Kartoffelmindestpreises kann nicht hoch genng gewürdigt werden ssehr richtigt rechts und im Zentrum), und es wäre verfehlt, nach⸗ träglich die Höhe dieses Preises mit dem Hinweis auf die gerade dadurch bewirkte reichere Ernte zu tadeln; denn ohne diese Maßregel wäre die erhebliche Vermehrung der Anbaufläche nicht eingetreten, und würden wir mit einer geringeren Ernte zu rechnen haben. (Sehr richtig! rechts und im Zentrum.)
Für die endgültige Festsetzung der Preise für die kommende Ernte ist der Weg der Ermittlung von Indexzahlen beschritten worden. (Zurufe vorn den Unabhängigen Sozialdemokraten: Sehr wenig einwandfrei!) Das Reichsministerium für Ernähhrung und Land⸗ wirtschaft hat eine aus Sachverständigen und Vertretern der Ver⸗ braucher gebildete Indexkommission einberufen, welche in drei Sitzungen die Art der Produktionskostenberechnung festgestellt und die auf Grund zuverlässiger Unterlagen vorgenommenen Berechnungen geprüft und gebilligt hat. Aus diesen Berechmungen ergibt sich, daß die Produktionskosten am 1. Juni um etwa 70 Prozent höher waren als am Anfang des Jahres. Die Hauptsteigerung hat im Februar und Maäͤrz, also während der Vorbereitungen für die Frühjahrs⸗ bestellung eingesetzt. Sie ist vor allem heworgerufen durch die stocke Erhöhung der Preise für künstlichen Dünger und durch die gesteigerten Arbeitslöhne. Mit Rücksicht darauf, daß die Zunahme der Pro⸗ duktionskosten allmählich erfolgt ist, hat das Reichsministerium für Ernährung und Landwirlschaft den Durchschnitt der Preissteigerung in den ersten fünf Monaten dieses Jahres in der Höhe von etwa 55 Prozent als Grundlage für die von ihm vorgeschlagene Preisfest⸗ setzung gewählt. Nach dieser Grundlage ergeben sich folgende Grund⸗ preise: für die Tonne Gerste und Hafer 1500 ℳ (hört, hört! bei den Unabchängigen Sozialdemokraten), für die Tonne Roggen 1550 ℳ (hört, hört! bei den Unabhängigen Sozialdemokraten) und für die Tonne Weizen 1705 ℳ (hört, hört! bei den Unabhängigen Sozialdemokraten), für die Tonne Kartoffeln 500 ℳ. Der Mindestpreis für Kartoffeln hat also eine Verärderung nicht erfahren.
Das Ministerium steht auf dem Standpunkte, daß diese Preise für das ganze Wirtschaftsjahr gelten müssen, und daß die Gewährung von Preiszuschlägen im weiteren Verlaufe des Wirtschaftsjahres unter allen Umständen vermieden werden soll. (Sehr richtig! bei den Deutschen Demokraten. Zurufe von den Unabhängigen Sozialdemo⸗ kraten: Frühdrusch!t) — Ich komme noch auf den Frühdrusch! — Die endgültige Preisfestsetzung liegt bei den gesetzgebenden Körper⸗ schaften, denen die Vorschläge des Ministeriwms unterbreitet sind. Ich möchte darauf himweisen, daß es sich bei dem in der Interpellation Henke und Genossen erwähnten Beschluß vom 18. Juni nicht um einen Beschluß der Indexkommission handelt, sondern um einen Be⸗ schluß der auf Grund des Beschlusses der Nationalversammlung vom 11. März d. J. gebildeten paritätischen Kommission von je fünf Landwirten, landwirtschaftlichen Arbeitern und Verbrauchern, und diese Kommission hat den erwähnten Steigerungss atz von 55 % für angemessen erklärt. Die Verbraucherverteter sind hierbei von der Voraussetzung ausgegangen, daß der Brotpreis mit der Erhöhung der Getreidepreise heine weitere Steigerung erfahren werde. Diese Voraussetzung muß und kann nach meiner Auffassung erfüllt werden. Der derzeitige Brotpreis reicht aus, um die vorgeschlagenen höheren Getreidepreise zu decken. Die höheren Kosten des ausländischen Ge⸗ treides, die bisher gleichfalls in dem jetzigen Brotpreis eine teilweise Deckung fanden, müssen auf einem Wege aufgebracht werden, auf dem eine Abwälzung auf die Verbraucherschaft auch für die Zukunft nach Möglichkeit vermieden wird. In dieser Hinsicht ist den kommenden Verhandlungen in Spaa eine besondere Bedeutung beizumessen.
Im übrigen ist es angesichts der schweren Lage der verbrauchten Bevölkevung die ernste Sorge der Regierung, auf ein Hintanhalten der stark steigenden landwirtschaftlichen Produktionskosten hin⸗ zuwirken. Ich darf in diesem Zusammenhang nur auf unsere Be⸗ strebungen zur Stabilisierung der Düngemittel; preise nweisen, von denen ich mir eine Besserung der Lage wenigstens teilweise verspreche. 1“