1920 / 156 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 16 Jul 1920 18:00:01 GMT) scan diff

Statistik und Volkswirtschaft.

Arbeitsstreitigkeiten. Wie das Reichsarbeitsministerium zu dem Streik in a-⸗Zschornewitz mitteilt, wurde über die Beilegung der Arbeitsstreitigkeiten in der Grube Golpa und im Elektrizitätswerk Ischornewitz gestern vor dem tariflichen Schlichtungsausschuß in Bitterfeld unter Beteiligung eines Vertreters der örtlichen Re⸗ gierungsbehörde verhandelt. Außerdem fanden gestern im Reichs⸗ arbeitsministerium Verhandlungen über die Lohnfrage im Mitteldeutschen Braunkohlenbergbau statt, die einer der Gründe für die Arbeitseinstellungen auf der Gol bagrube ge⸗ wesen ist. Das Reichsarbeitsministerium behält die Angelegenheit danernd im Auge und ist nachdrücklich bemüht, die der Berliner Be⸗ rölkerung aus der ungenügenden Stromversorgung drohenden Nach⸗ teile zu beseitigen.

Die Streiklage in Pommern ist nach der „Deutschen Allg. Zeitung“ unverändert. Es wird in den Kreisen Köslin, Schivelbein und einem Teile von Belgard noch gestreikt. Gestern fand eine Versammlung des Landarbeiterverbandes in Köslin statt, die beschließen sollte, ob der Streik in Köslin beendet werden kann oder nicht. In den anderen Kreisen verhandeln einzelne Güter mit ihren Arbeitern über Wiederaufnahme der Arbeit.

Der Transportarbeiterstreik in Württemberg ist im Erlöschen. Die Verhandlungen haben überall z u günstigen Ergebnissen geführt. Von einer Beteiligung der Eisenbahner an dem Streik war niemals die Rede.

Wie der „Berlingske Tidende“ aus Stockholm telegraphiert wird, haben die Landarbeiter in Westman land gestern den Ausstand begonnen. Dreitausend Arbeiter sind am Streik beteiligt. Es besteht keine Gesahr, daß sich der Streik weiter aus⸗ dehnen wird. Vergleichsverhandlungen sind im Gange.

Wie der „Secolo“ aus Neapel berichtet, kam es in Anari, wo die Tertilarbeiter streiken, zu ernsten Zusammenstößen. Die Streikenden verhinderten die aus Süditalien angekommenen Arbeitswilligen, die Baumwollfabrik zu betreten. Hierbei gab es mehrere Verletzte. In Mailand streiken seit gestern die Straßenbahner, um den ausständigen Angestellten der Neben⸗ bahnen ihre Sympakhie auszudrücken.

Dem Reuterschen Büro zufolge sind zehntausend Arbeiter in den Petroleumfeldern von Mexiko in den Streik ge⸗ treten. Sie verlangen eine Lohnerhöhung von 75 Prozent. 8

8 Wohlfahrtspflege.

1 Das dänische Komitee für den Ferienaufenthalt deutscher Kinder in Dänemark blickt dieser Tage auf eine ein⸗ jährige Tätigkeit zurück. Am 4. September 1919 kam der erste Trans⸗ port reichsdeutscher Kinder nach Dänemark. Seitdem haben über 000 deutsche Kinder Pflege und Erholung in Dänemark er⸗ halten; davon war die eine Hälfte Arbeiterkinder, die andore Hälfte Mittelstands⸗ und Beamtenkinder. Diese wurden hier nuch eingekleidet und jedes Kind bekam durchschnittlich nach mehr⸗ monatlichem Aufenthalt noch 15 kg Lebensmittel mit nach Hause. Die meisten Kinder wurden in Privatquartieren untergebracht, un⸗ efähr 500 wurden den sechs errichteten Kinderheimen zugeteilt. Die gleiche Anzahl Kinder wunde auch in Kinderheimen in Deutsch⸗ land verpflegt. Bisher wurden von dem dänischen Komitee ür die Unterbringung der Kinder in Dänemark rund 90 000 Kronen usgegeben, für Anschaffung von Kleidern für die Kinder un⸗ eführ 45 000 Kronen. Für 100 000 Kronen Kleider und Lebens⸗ mittel wurden nach Deutschland verschickt. Für Pakete an die Kinder und Kinderheime wurden vom Komitee bisher 10 000 Kronen aus⸗ gegeben. Nach Deutschöesterreich wurden sür 180 000 Kronen ebensmittel verschickt und außerdem wurden von dort 600 deutsche inder in Dänemark untergebracht. Im ganzen hat das Komitee für seine Hilsstätigkeit für deutsche Kinder bisher 425 000 Kronen aus⸗ gecrben⸗ die ansschließlich durch Sammlungen in Dänemark aufge⸗ racht sind.

Gesendheitswesen, Tierkrankheiten und Absperrungs⸗ maßregeln.

Preisausschreiben. Zur Desinfektion des Aus⸗ wurfs von Tuberkulösen sind zahlreiche FGe versucht worden, von denen fich besonders die Desinfektion durch Hitze für den Betrieb in Krankenhäusern und Heilstätten im allgemeinen bewährt hat. Auch für die lausende Desinfektion in der Wohnung des Kranken jind einfache Versahren zur Hitzesterilisierung angegeben worden; diese haben sich jedoch trotz mancher Vorzüge bisher ebensowenig allgemein eingebürgert, wie die zahlreichen zur Desinfektion des Aus⸗ wurss vorgeschlagenen chemischen Mittel. Teils waren die Verfahren nicht sicher wirksam, teils wurden sie für den täglichen Gebrauch als zu umständlich oder als unappetitlich empfunden. Es wird für Angabe eines neuen Verfahrens zur Desinfektion des Aus⸗ wurss von Tuberkulösen ein Preis von 3000 ausgesetzt. Das Verfahren soll wirksam, leicht durchführbar und billig sein und sc vor allem für die dauerude Anwendung in der Wohnung des Kranken besser als die bisher bekannten Verfahren eignen. Die Arbeiten sind mit einem Kennwort und der Bezeichnung „Preisbewerb betr. Aus⸗ wurfdesinsektion“ versehen bis zum 31. März 1921 an die Geschäfts⸗ stelle des Deutschen Zentralkomitees zur Bekämpfung der Tuberkulose, Berlin W. 9, Königin⸗Augusta Straße 7, einzusenden.

Literatur.

Kommentar zum Gesetz über eine Kriegsabgabe vom Vermögenszuwachs und zum Gesetz übereine außererdentliche Kriegsabgabe für das Rechnungs⸗ jahr 1919 vom 10. Setanber 1919 nebst den Ausführungs⸗ und Vollzugsbestünmungen zu beiden Gesetzen, bearbeitet von Dr. jur. Georg Strutz, Senatspräsidenten des Neichsfinanzhofs. (Die deutschen Finanz⸗ und Steuergesetze in Einzelkommentaren, heraus⸗ gegeben unter Leitung von E. Schiffer, Reichsfinanzminister a. D., Band 1.) XXIII und 548 Seiten. Berlin, Verlag von Otto Lieb⸗ mann. Geh. 55 ℳ, geb. 65 ℳ, für Subfkribenten auf das ganze Sammelwerk 45 bezw. 55 ℳ. Der gewaltige Finanz⸗ bedarf des Reichs hat auf dem Gebiete des gesamten Steuer⸗ und Finanzwesens so tief einschneidende Uiggestaltungen erforderlich gemacht, daß die Steuergesetzgebung auf Jahrzehnte hinaus im Vordergrunde des Interesses stehen wird. Die Steuer⸗ und Verwaltungsbehörden, die Juristen und vor allem die Steuerzahler bedürsen gründlicher Führer durch das Labyrinth der neuen Steucr⸗ geset⸗ebung. Schnell fertiggestellte Handausgaben der wichtigsten neuen Reichssteuergesetze mit Erläuterungen, von denen auch im „Reichs⸗ und Staatsanzeiger“ bereits eine größere Anzahl besprochen worden ist, suchten dem ersten Bedürfnis der Orientierung zu dienen. Jetzt erscheint ein groß angelegtes Sammelwerk, von den sach⸗ kundigsten Praktikern des Steuer⸗ und Finanzrechts unter der Leitung“ des Reichsfinanzministers a. D. E. Schiffer, auf dem Plan, in dem das Panze Gebiet der direkten und inelreften Steuern, der Verbrauchssteuern und der Zollgesetze in selbständigen, tiefgehenden Kommentaren aus der Praxss für die Pmxis bearbeitet, jedes Gesetz dogmatisch, kritisch, kasnistisch und ge⸗ chicztlich in erschöpfender Weise durchdrungen, die bisherige Recht⸗ speechung voll verwertet wird, die Beweggründe und der Standpunkt des Gesetzgebers, insbesondere auch vom wirtschaftlichen Gesichtspunkt aus, bei jeder Bestimmung betont werden. Im vorliegenden ersten Bande sind von einem der hervorragendsten deutschen Steuertheoretiker und ⸗praktiker die Gesetze über eine Kriegsabgabe vom Vermögens⸗ zuwachs und über eine außerordentliche

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iegsabgabe für das

8 ““ 8 11.“ beide vom 10. September 1919, völlig erschöpfend unter Berücksichtizung der Aussührungsbestim⸗ mungen und der Reichsabgabenordnung erläutert.” Strutz, der für das Schiffersche Sammelwerk auch das Reichseinkommensteuer⸗ gesetz, das Körperschaftssteuergesetz bearbeitet und eine Erläute⸗ rung des neuen Besitzsteuergesetzes nach dessen Erlaß zu liefern gedenkt, hatte früher schon einen Kommentar zum Kriegssteuer esetz vom 21. Juni 1916 veröffentlicht und darin die zu einem 2. estandteil dieses Gesetzes gemachten Bestimmungen des Besitzsteuergesetzes vom 3. Juli 1913 miterläutert. Da das Gesetz über die Vermögens⸗ zuwachsabgabe von 1919 auf dem Kriegssteuergesetz von 1916, soweit es die Einzelpersonen betrifft, und auf dem von 1913 und das Kriegsabgabegesetz für 1919 hinsicht 8

1“ 8 Rechnungsjahr 12

ich der Gesellschaften gleichfalls auf dem Kriegssteuergesetz von 1916 fußt, hat er bei der Erläuterung der beiden neuen Gesetze seinen Kommentar zum Kriegs⸗ und Seebenpergeses in weitem Umfange benutzen können, um so mehr, als die Rechtsprechung in allen Fragen von Bedeutung, zu denen sie Stellung zu nehmen Gelegenheit hatte, sich seinen Ausführungen angeschlossen hat. Dank seiner jetzigen amtlichen Stellung, in der ihm alle wichtigeren Steucrentscheidungen sinntlicher einzeltaatlichen obersten Verwaltungs⸗ gerichtshöse fortlaufend zur Kenntnis kommen, war Strutz wie kein anderer auch in der Lage, die seit dem Erscheinen seines Kriegssteuer⸗ kommentars erflossene sehr umfangreiche Rechtsprechung mit größter Bollständigkeit zur Auslegung der neuen Gesetze heranzuziehen. Es sind Urtelle besonders des Neichsfinanzhofs noch aus Zeit berückfichtigt, was namentlich wegen der gerade in den letzten Monaten vom Reichssinanzhof aufgestellten neuen übrigens von Strutz schon immer in seinen Schriften vertretenen Grundsätze über Ab⸗ schreibungen u. a. von Wichtigkeit ist. Die Erläuterungen zum Kriegsabgabengesetze für 1919 enthalten gleichzeitig mittelbar solche zu demjenigen für 1918, dem das neue für 1919 hinsichtlich der Abgabe vom Mehreinkommen der Einzelpersonen und vom Mehrgewinne der Gesellschaften mit verhältnismäßig wenigen Abweichungen entspricht; bezieht sich ja die benutzte Rechtsprechung aus den Jahren 1917 bis 1920 zum ganz überwiegenden Teil auf das Kriegsabgabegesetz für 1918, das Kriesssteuergesetz von 1916 und das Besitzsteuergesetz von 1913. Da die Veranlagung zur Vermögens⸗ zuwachsabgabe und zur Kriegsabgabe für 1919 überhaupt noch nicht, in einzelnen Bezirken sogar diejenige zur Kriegsabgabe für 1918 noch nicht stattgefunden hat und jedenfalls das Rechtsmittelverfahren nicht nur gegen letztere, sondern auch gegen die Kriegs⸗ und ie Besitzsteuerveranlagung noch lange nicht abgeschlossen ist, die meisten Zweifelsfragen aber erst im Rechtsmitlelberfahren auf⸗ tauchen, ist der vorliegende, über die neueste Rechtsprechung unter⸗ richtende Kommentar auch für den Gebrauch bei diesem Verfahren noch rechtzeitig erschienen. Andererseits bietet er hinsichtlich sehr vieler Fragen des künftigen Besitzsteuergesetzes eine vorläufige Orien⸗ tierung. Uebersichtliche Anordnung der umfangreichen Erläuterungen, Hervorhebung von ihren Inhalt andeutenden Stichwörtern durch fetten Druck auf jeder Seite, ein ausführliches Inhalts⸗ verzeichnis und ein erschöpfendes alphabetisches Sachregister erleichtern die Benutzung des bedeutsamen, über die Tragweite aller Be⸗ stimmungen der behandelten Gesetze Klarheit schaffenden Kom⸗ mentars. Vorausgeschickt sind ihm ein zusammenhängender Ab⸗ druck des Wortlauts der beiden Gesetze vom 10. September 1919, eine gemeinsame Einleitung über die Geschichte und das Wesen beider Abgabcarten und die amtliche Begründung des Gesetz⸗ entwurss über die Vermögenszuwachsabgabe, während die Aus⸗ führungs⸗ und Vollzugsbestimmmmgen zu beiden Gesctzen vollständig in einen Anhang anfgenommen sind.

Kommentar zum Gesetz über eine Kriegsabgabe vom Vermögenszuwachse vom 10. September 1919 nebst Aus⸗ führungsbestimmungen vom 25. November 1919 von Professor Dr. jur. Fritz Stier⸗Somlo. XIV und 274 Sciten. Berlin, Verlag von Franz Vahlen. Geb. 16,50 ℳ. Diefer weniger um⸗ sangreiche Kommentar zum Gesetz über die Vermögenszuwachsabgabe wird dem mit deren Vcranlagung betrauten Steuerbcamten wie dem im Erwerboleben stehenden Laien (Bankier, Indu⸗ striellen, Landwirt u. a.) ebenfalls gute Dienste keisten. Die Literatur und die Rechtsprechung zu den bisherigen Kriegsfteuer⸗ gesetzen sind reichlich benutzt, die einschlägigen Bestimmungen des Besitzsteuergesetzes an den gebotenen Stellen des Kommentars ein⸗ gefügt und miterläutert und ebenso die unterm 25. November 1919 ergangenen Ausführungsbestimmungen des Ncichsfinanzministers bei der Auslegung der Cähst wessgihithen sämtlich mitberücksichtigt. Eingehender ist die ja überaus wichtige Frage der Bewerkung des Grund⸗ und Betriebsvermögens erörtert und die Stellungnahme der Literatur und Rechtsprechung hierzu klargelegt; das gleiche gilt von der Bewertung des Kapitalvermögens und der steuerrechtlichen Stellung der Eheleute.

Das Reichseinkommensteuergesetz vom 29. März 1920, für die Praxis gemeinverständlich dargestellt mit Einführung, Text, Erläuterungen, Beispielen sowie den ergänzenden Vorschriften der Reichsabgabenordnung und des Landesstenergesetzes von Dr. jur. Friedrich Erler, Finanzrat im Reichsfinanzministerinm, und Rechtsanwalt Dr. Fritz Koppe, Schriftleiter der „Deutschen Steuerzeitung“ in Berlin. 320 Seiten. Indnstrieverlag Spaeth u. Linde, Berlin. Geb. 14 + Teuerungszuschlag. Die neue Reichseinkommensteuer bildet das Kernstück der großen Finanzresorm. Sie tritt an die Stelle der bisherigen staatlichen Einkommensteuern und gemeindlichen Zuschläge und Umlagen und bedeutet eine An⸗ spannung aller steuerlichen Kräfte bis zur Grenze des Erträglichen. Die „Quellentheorie“ ist aufgegeben. Auch einmalige und außer⸗ ordentliche Einnahmen werden erfaßt. An die Stelle der Vor⸗ besteuerung ist die Nachbestenerung getreten. Die für Kaufleute in einzelnen Ländern bisher zugelassene Berechnung des dreijährigen Durchschnitts des Einkommens wurde beseitigt. Das Kinderprivileg ist ausgebaut. Die zugelassenen Abzüge sind genan umgrenzt. Neue Vorschriften über die Detlarationspflicht, Veranlagung und Ent⸗ richtung der Steuer müssen beachtet werden. Neu ist z. B. das Einkleben von „Steuermarken“ in eine „Steuerkarte“ des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber. Die durch ihre Kom⸗ mentare zu früher ergangenen Steuergesetzen und viele Bei⸗ träge in Fachzeitschriften bekamten Verfasser der hier angezeigten Erläuterung des neuen Reichseinkommensteuergesetzes haben auch mit dieser Arbeit der senafe ein die Anwendung des Gesetzes wesentlich erleichterndes Hilfsmittel an die Hand gegeben. Klar und übersichtlich in der Form, bieten die Anmerkungen zu den Gesetzesvorschriften unter Verwertung der Gesetzesmaterialien eine allgemein verständliche Auslegung, die von vollkommener Beherr⸗ schung des Stoffes zeugt. Aus der Fülle der behandelten Fragen seien hervorgehoben: Besteuerung einmaliger, außerordeutlicher Einnahmen, Geschäftsgewinne und Durchschuittsberechnung, Wert der eigenen Wohnung, Versicherungen, Abzüge, Behandlung des Ein⸗ kommens der Ehecfrau und anderer Haushaltungsangehörigen, Kinder⸗ privileg, Einbehaltung des Lohnes (Steuermarken), Steuer⸗ erklärung, Rechtsmittel, Steuerermäßigung, Hörtepamgraph Gencralpardon. Viele praktische Beispiele klären bestehende Zweifel. Die am 6. Juli vom Reichstag beschlossene Ergänzung von § 45 des Reichseinkommenstenergesetzes, der von dem Steuerabzug bei der Lohn⸗ zahlung handelt, durch Einfügung von drei neuen Paragraphen (45 a —- c) hat in dem Buche natürlich noch nicht berücksichtigt werden önnen.

Der Lohnabzug beim Reichseinkommensteuer⸗ gesetz, die Steuerkarte, Verordnungen vom 21. Mai 1920, für die Praxis dargestellt mit den gesetzlichen Bestimmungen, Er⸗ läuterungen, Mustern, Lohnliste, Beispielen und Tarifen von Rechts⸗ anwalt Dr. Fritz Koppe, Hauptschriftleiter der „Deutschen Steuer⸗ zeitung“. 52 Seiten. Industrieverlag Spaeth n. Linde, Berlin. Preis 4,20 + Teuerungszuschlag. Diese Schrift behandelt in erschöpfender, übersichtlicher Darstellung die Vorschriften über den Einkommensteuerabzug vom Arbeitslohn, die Erhebung an der Quelle, die Frage, ob das Marken⸗ oder Listensystem gewählt werden soll, die Pflichten des Arbeitnehmers und die des Arbeitgebers, die Frage, was unter abzugs⸗

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pflichtiges Arbeitseinkommen und was

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nicht darunter fällt, die

Steuerentrichtung, die Anrechnung bei der Steuerzahlung, die Haftung, die Frage der Alwälzung und die Strafvorschriften. Die Bestim⸗ mungen des Reichseinkommensteuergesetzes über den Lohnabzug (§§ 45 bis 52) ohne die erst am 6. Juli vom Reichstag beschlossene Er⸗ gänzung von § 45 und die Ausführungsvorschriften über die vorläufige Erhebung der Einkommensteuer durch Abzug vom Arbeitslohn für das Rechnungsjahr 1920 vom 21. Mai d. J. sind auch im Wortlaut wiedergegeben und Beispiele und Mufter, z. B. für die praktische Ein⸗ richtung der Lohnlisten, beigefügt. Die Anfertigung der Stenererklärung zum Reichsnotopfer. Eine ausführliche Anleitung zu ihrer Auf⸗ stellung von Dr. Max Lion, Rechtsanwalt in Berlin. 44 Seiten. Verlag von Franz Vahlen, Berlin. Preis 4,50 + Aufschlag. Die Steuererklärung zu dem Reichsnotopfer, der größten Ver⸗ mögensabgabe aller Zeiten, muß bis zum 28. August 1920 abgegeben sein. Ihre sorgfältige Aufstellung ist von ganz besonderer Wichtigteit; die Steuer erfaßt viel weitere Kreise als die dis⸗ herigen Vermögensabgaben, nämlich alle natürlichen und juristischen Personen mit mehr als 5000 Vermögen, und sie belastet die Steuerpflichtigen auf 30 Jahre mit alljährlichen hohen Zahlungen. Mit der vorliegenden Schrift, die in der bekannten Sammlung von Beiträgen zur Förderung des praktischen Steuerrechts, die Rechts⸗ anwalt Dr. Mar Lion unter dem Titel „Zeitgemäße Steuerfragen“ herausgibt, als 15. Heft erschienen ist, wird den Steuerpflichtigen ein trefflicher Leitfaden für die Aufstellung der Steuererklärung geboten. Das ganze Formular ist eingehend erlaͤutert, und auch über schwierige Fragen, wie z. B. die Behandlung des Vermögens der Ehefrauen und Kinder, des Grundstücks⸗ und Betriebsvermögens, die Bewertung aller Gegenstände, die zulässigen Abzüge, die Bilanzfragen usw., findet

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der Leser zuverlässigen Aufschluß.

Manunigfaltiges.

In der gestrigen Sitzung. der Stadtveror Groß Berlin wurde der Stadtv. Dr. Weyl (U. S. Vorsteher gewählt.

Um den Fernsprechteilnehmern die Beschaffung des einmaligen Beitrags von 1000 für jeden Haupt⸗ anschluß und von 200 für jeden Nebenanschluß zu erleichtern, ist, wie „Wolffs Telegraphenbüro“ mitteilt, zwischen der Reichs⸗ postverwaltung und der Deutschen Volksversiche⸗ rung A.⸗G. in Berlin⸗Schöneberg ein Abkommen ge⸗ troffen worden. Danach zahlt die Deutsche Volksversicherung auf 2 n⸗ trag des Teilnehmers an dessen Stelle den Beitrag und erhebt dafür von ihm eine einmalige Enschreibgebüͤhr von 2 vH des Beitrags und eine laufende Vergütung, die sich nach dem jeweiligen Lombardzinssuß der Reichsbank richtet; sie beträgt z. Zt. 3 ½ vH. Der Teilnehmer hätte also, wenn er von dem Augebot Gebrauch macht, für 1000 einmalig 20 und laufend jährlich 35 aufzubringen. Andere Unkosten, von etwaigen Stempelkosten abgesehen, entstehen für ihn nicht. Anträge sind, wenn die Aufforderung ⸗zur Zahlung des Beitrags ergeht, an die Vermittlungsanstalten zu richten, die das Weitere ver⸗ anlassen und die Vergütungen einziehen.

Kopenhagen, 16. Juli. (W. T. B.) Wie die „Berlingske Tidende“ aus Stockholm meldet, wird über Japan telegmphiert, daß der Dampfer „Kap Lopatka“, der die wissenschaft⸗ liche Erpedition für Kamtschatka an Bord „hatte, untergegangen ist. Die Mitglieder der Expedition wurden gerettet, ihre Ausrüstung ist. aber verloren. Die vier schwedischen Gelehrten, von denen zwei von ihren Frauen begleitet sind, befinden sich in Petropawlowsk.

Paris, 15. Juli. (W. T. B.) Nach einer Havasmeldung aus Buenos Aires herrschte dort gestern ein Schneesturm, der eine Unterbrechung des elektrischen Dienstes zur Folge hatte. Die Stadt lag vollkommen im Dunkeln, der Verkehr im Hafen war unterbrochen. In Mar del Plata sind infolge des Sturmes 24 Fischer barken gesunken. 20 Personen sind ertrunken. 8 8

Nr. 39 des „Zentralblatts für das DeutscheReich“, herausgegeben im Reichsministerium des Innern am 9. Iönli 1920, hat folgenden Inhalt: 1. Konsnlatwesen: Exequaturerteilungen. Bestellung eines Konsularagenten. 2. Allgemeine Verwaltungs⸗ sachen: Bekanntmachung, betreffend Aenderung des § 10 der Ge⸗ schäftsordnung und der Anlage zu § 31 der Geschäftsordnung des Reichsrats. Berichtigung zu den Richtlinien für die Gewährung von Beihilfen und Unterstützungen für Schäden, die deutschen Reichs⸗ angehörigen insolge der durch den Krieg bewirkten Abtretung breußischer Gebietsteile entstanden sind. 3. Handels⸗ und Gewerbe⸗ wesen: Bekanntmachung der Bestimmungen über die Vermälzung der Gerste, die den Bierbranereien vom Kontingentfahre 1920/21 ab auf das Kuntingent geliefert wird. 4. Militärwesen: Aufhebung der Ungültigkeitserklärung eines in Verlust geratenen Zivilversorgungs⸗ scheins. Ungültigkeitserklärung in Verlust geratener Zivilversorgungs⸗ 5. Marine und Schiffahrt: Erscheinen des Nautischen

scheine.

Jahrbuchs für das Jahr 1921. 6. Post⸗ und Telegraphenwesen:

Vexordnung, betreffend Aenderung der Postordnung vom 28. Juli 1917. 7. Steuer⸗ und Zollwesen: Verordnung über die Kapital⸗ ertragssteuer bei Unternehmungen, die der Anschaffung und Dar⸗ leihung von Geld dieneu. Rückvergütung für ausgeführte Brannt⸗ weinerzeugnisse. 8. Medizinal⸗ und Veterinärwesen: Erscheinen

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einer Sechst Ausgabe der Deutschen Arzneitare 1920. 9

Familiennachrichten.

Frl. Meta von Doetinchem de Rande mit Hrn. Haupt⸗ mann a. D. Heinrich Frhru. Senfft von Pilsach (Ruhnow, Pommern zurzeit Winningen bei Ruhnow, Pommern).

Verehelicht: Hr. Oberst a. D. Dr. Gerhard Gysae mit Frau Eleonore von Oppel, geb. Edle von der Planitz (Dresden.) Hr. Oberleutnant und Adiutant Siegfried von Stülpnagel mit Frl. Elisabeth Kracker von Schwartzenfeldt (Berliu⸗Lichterfelde). Gestorben: Hr. Landrat Hugo von Batocki (Bledau, Ostpr.). Hr. Oberstabsarzt a. D. Dr. med. Konrad Koch (Berlin⸗Pankow).

Verlobt: Fr

Verantwortlicher Schriftleiter: Direktor Dr. Tyrol, Charlottenburg. Verantwortlich für den Anzeigenteil; Der Vorsteher der Geschäftsstelle J. V.: Re hnungsrat Meyer in Berlin. 8 Verlag der Geschäftsstelle (J. V.: Meyer) in Berlin. Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlagsanstalt, Berlin, Wilhelmstraße 32. Fünf Beilagen (einschließlich Börsenbeilage und Warenzeichenbeilage Nr. 57) und Erste und Dritte Zentral⸗Handelsregister⸗Beilage.

Ratifikationsurkunden

abkommens.

zum Deutschen Reichsa

Nr. 156.

Erste Beilage

1Xu““ 1

nzeiger und Preußischen Staatsanzeiger

Berlin, Freitag, den 16. Juli

r1920

Nichtamtliches.

(Fortsetzung aus dem Hauptblatt.)

8 Oesterreich. Gestern ist hie Wiener Garnison vereidigt worden. Nach der Eidesleistung hielt der räsident der Repußlik eine Ansprache, in der er sagte: „Soldaten! kriege zu führen, habt die Verfa die Or

9 al Nicht um Eroberungs⸗ ot Ihr Waffen behalten. Eure Pflicht ist, ung zu schützen gegen Angriffe von innen und außen, m Innern und die Grenzen nach außen zu

3 Volk am Pfluge, am Amboß, auf dem

el Fabrik in regem Fleiße produktive Arbeit eshtt wird Eure Pflicht sein, diese Arbeit zu schützen.“ Darauf erfolgte die Defilierung der Truppen vor dem Präsidenten.

Großbritannien und Irland.

Im Unterhaus verlas Bonar Law vorgestern ein mit Wissen und Zustimmung der Alliierten abgesandtes Telegramm der Regierung an die Sowfet⸗ regigrung das, dem „Reuterschen Büͤro“ zufolge, besagt, die englische Regierung habe Kenninis davon genommen, daß die Sowsjetregierung die im englischen Memorandum vom 1. Juli niedergelegten Grundsätze als Grundlage für ein Abkommen, be⸗ treffend die Wiederaufnahme der Handelsbeziehungen und die beiderseitige Einstellung der Feindseligkeiten, an⸗ enommen habe. Die englische Regierung habe daher beschlossen, ie Verhandlungen über ein Handelsabkommen fortzusetzen, sobald die russischen Delegierten zurückgekehrt seien. Das Telegramm nimmt Bezug auf die wiederholten Erklärungen der Sowfet⸗ regierung, daß sie mit ihren Nachbarn in Frieden zu 8— wünsche, und auf den bei der englischen Regierung gleichfalls vorhandenen dringenden Wunsch, in ganz Europa den Frieden wieder herzustellen. Die englische Regierung schlägt daher sofortigen Wasfenstillstand zwischen Polen und Sowjetrußland vor. Die Bedingungen des Waffenstillstands sehen vor, daß das polnische Heer sofort auf die von der Friedenskonferenz im letzten Jahre als provisorische

grenze Polens festgesetzten Linien zurückgehen soll. Dann soll eine Konferenz unter den Auspizien der Friedens⸗ konferenz in London zusammentreten, um über den end⸗ gültigen Frieden zwischen Rußland und seinen Nachbarn zu beraten. Der Konferenz würden Vertreter Rußlands, soolens⸗ Lettlands, Litauens und Finnlands beiwohnen, während Vertreter von Ostgalizien eingeladen werden sollen, um ihre Fälle vorzutragen. Die Waffenstillstands⸗ vorschläge besagen ferner, daß das russische Heer auf eine Linie 50 km. der vorkäötgfigen Löansgen Grenze stehen bleiben soll. Ein; Fefecsefgend mit Wrangel wird ebenfalls vorgeschlagen. Während die englische Regierung nicht verpflichtet hat, Polen für feindliches Auftreten gegen Rußland Unterspützung zu bieten, ist es durch die Völherbunds⸗ satzung verpflichtet, die Integrität Polens innerhalb seiner eigenen Grenzen zu verteidigen. Das Telegramm fügt hinzu, sollte fich Sowjetrußland trotz seiner wiederholten Erklärungen nicht mit dem Rückzug der polnischen Armeen vom russischen Boden auf Grund eines ee“ begnäͤgen, sondern beabsichtigen, innerhabb des polnischen Gebietes feind⸗ selige Handlungen zu unternehmen, so werde die englische Regierung und die Alliierien sich für verpflichtet halten, der polnischen Nation bei der Vertei igung ihres Bestehens mit allen zu ihrer Verfügung stehenden Mitteln zu helfen.

Ein gleichzeitig mit der Erklärung Bonar Laws aus⸗ segebenes Memorandum führt die Bedingungen für die 11“ der Handelsbeziehungen mit Sow⸗ jetrußland auf, die in der Hauptsache umfassen: beiderseitigen Verzicht auf Propaganda und hesonders Verzicht der Sowjet⸗ regierung auf englandfeindliche Propaganda in Asien, sofortige Freilassung der Gefangenen in beiden Ländern und gegen⸗ eitige Anerkennung des Grundsatzes der Entschäbigung an

rivatpersonen, die dem anderen Lande Güter gekefert haben.

In der gestrigen Sitzung des Unterhauses sagte in Er⸗ widerung auf eine Anfrage, betreffend die Lage in China, der Untsrstaatssekretär im Auswärtigen Amt Harmsworth, das diplomatische Korps habe eine Note an den Präsidenten Fere in der die H ng ausgesprochen wird, daß es möglich sein werde, einen Kampf in Peking selbst zu vermeiden. Weiter wird der Ewartung Ausdruck gegeben, daß der Präsident in einem Erlaß zum Schutze des Lebens und Eigentums der Ausländer auffordern wird.

Die von der Sowjetregierung durch Krassin über⸗ mittelten Vorschläge umfassen, der „Times“ zufolge, auch das Angebot von sangsfe nen für die Ausbeutung der Holzbestände und Bergwerke Rußlands durch ausländische Kapitalisten. Den Konzefsionsinhabern soll der Export der Erzeugnisse ihrer Unter⸗ nehmungen zugestanden werden. Der im Lande verbleibende Ureberschuß ss durch die Organisationen der russischen Reglerung zu verteilen. Der Konzessionsinhaber muß die russische Arbeiter⸗ gesetzgebung und die gesetzlichen Schutzbestimmungen für die Erhaltung der Fisch⸗, Mineral⸗ und Forstbestände und der anderen Hilfsquelten des Landes innehallen.

Einer Reutermeldung zufolge drangen gestern 50 be⸗ waffnete Männer in die große Halle des Hauptpost⸗ amtes in Dublin ein, bemächtigten sich aller für Dublin babe und die Residenz des Vizekönigs bestimmten Postsachen und führten sie auf mehreren Postwagen davon.

Frankreich.

. Die Botschafterkonferenz trat gestern unter dem Vorsitz Cambons zu einer Sitzung zusammen. Heute findet im Uhrensaal am Quai der feierliche Austausch der

des Vertrages von St. Ger⸗ main statt. Ueberdies müssen zwei Protokolle unterzeichnet werden, eins, das den Alliierten die Möglichkeit gibt, später zu unterzeichnen, wenn einer von ihnen an der Teilnahme der verhindert sein sollte, und ein zweites, das Vor⸗ ehalte enthält, betreffend die Nichtausführung gewisser Be⸗ dingungen, des mit Oesterreich getroffenen Waffenstillstands⸗

sta ich

„— Der Kriegsminister Lefspre wird in der nächsten eit der Kammer einen Entwurf vorlegen, betreffend die 88EE111 zweijährigen et Das Aufgebot soll am 1. April desjenigen Jahres erfolgen, in dem die jungen Leute 21 Jahre alt werden. Die Dauer der Dienst⸗ seit soll sich auf 30 Jahre ausdehnen, und zwar 2 Jahre aktiv, 8 Jahre in der Reserve und 10 Jahre beim Landsturm. Der Jahrgang 1919 wird noch drei Jahre dienen, aber für die E“ Jahre soll die zweijährige Dienstzeit durchgeführt werden. 8 4

Die Sowjetregierung hat, der „Times“ zufolge, die Bedingungen Lloyd Georges, betreffend einen stillstand, mit einer Ausnahme angenommen; sie schlägt nämlich vor, daß die angeregte Kon erenz nicht in London, sondern in Brest⸗Litowsk abgehalten wird.

Der General Wrangel erklärt, obiger Quelle zufolge, auf die Nachricht von der englischen Waffenstillstands⸗ anerkennung, er weigere sich bestimmt, die Krim zu räumen und die Bevölkerung der Herrschaft der Bolschewisten auszuliefern.

Belgien.

Die Alliierten haben nach einer Meldung des „Wolff⸗ schen Teletraphenbüros“ vorgestern abend ein Abkommen über die militärische Besetzung des Ruhrgebiets unterzeichnet. Der Einmarsch soll nach Ablauf eines an die deutsche Regierung gestellten Ultimatums vor sich gehen, zu dessen Festsetzung der Oberste Rat gestern vormittag zusammen⸗ getreten ist.

Die Deutsche Regierung hat dem Obersten Rat ihre endgültige Entscheidung in der Kohlenfrage schriftlich übermittelt. Das Schriftstück war von einem Privatschreiben des Reichsministers Dr. Simons an den englischen Premier⸗ minister begleitet. Die Vorschläge der deutschen Dele⸗ gation wegen Regelung der Kohlenfrage sind folgende:

1. Die deutsche Regierung verpflichtet sich vom 1. August 1920 an auf vorläufig 6 Monate den alliierten Regierungen monatlich zwei Millionen Tonnen Kohle zur Ver⸗ fügung zu stellen.

2. Die alliierten Regierungen leisten den Gegenwert der Kohle bis zur Höhe des deutschen Inlandpreises dur ch Anrechnung auf das Roparationskonto, die Differenz zum Weltmarkt⸗ preis in bar, soweit nicht die Art der Zahlung Sirs das allgemeine Abkommen über die Finanzfrage anders bestimmt wird.

3. Wäͤhrend der Dauer der vorbezeichneten Kohlenlieferung bleiben die Bestimmungen der Entscheidung in der Kohlenfrage, die der deutschen Delegation am 9. Juli mitgeteilt und am 11. Juli ab⸗ geändert worden sind, außer Anwendung. Eine Erhöhung der monatlich Tonnage durch den Wiedergutmachungs⸗ ausschuß findet solange nicht statt.

4. Es wird alsbald ein Abkommen über die Lage in Oberschlesien getroffen, durch das entweder die deutsche Re⸗ gierung die Verteilung der oberschlesischen Kohle zurückerhält oder ihr doch der monatliche Bezug von mindestens 1,5 Millionen Tonnen gewährleistet wird.

. Es wird alsbald eine gemischte Kommission in Essen eingerichtet, deren; wec es ist, die Mittel zu untersuchen, mit denen man die Lebenshaltung der Bergarbeitern in Rahrung, Kleidung und Wohnung und damit die Erzeugung der Kohlenminen des Ruhrgebies verbessern kann.

6. Die Alliierten erklären sich bereit, Deutschland zur Ein⸗ führung von ausländischen Lebensmitteln für seine Bevölkerung sowie von Rohstoffen für die deutsche Industrie und bansgascat einen angemessenen Vorschuß zu ge⸗ währen. Die Beratungen über den Vorschuß werden im Zusammen⸗ hang mit den allgemeinen Beratungen über die Finanzfrage alsbald unter Zuziehung der beiderseitigen Sachverständigen aufgenommen.

Die Sachverständigen der Alliierten traten gestern nachmittag zur Prüfung der deutschen Vorschläge zusammen. Danach versammelte sich der Hohe Rat in La Freineuse, um das Gutachten der alliierten Sachverständigen über die deut⸗ schen Kohlenvorschläge entgegenzunehmen und die endgültige. Entscheidung zu treffen.

Die Antwort der Entente hat, wie „Wolffs Tele⸗ graphenbüro“ meldet, folgenden Wortlaut:

1. Die deutsche Regierung verpflichtet sich, vom 1. August 1920 an auf sechs Monate den Alliierten monatlich zwei Millionen Tonnen Kohle, welche Menge von der b1u“] genehmigt worden ist, zur Verfügung zu en.

2. Der Gegenwert dieser auf dem Schienen⸗ oder Wasser⸗ wege beförderten Kohle wird von den alliierten Regierungen auf das Reparationskonto angerechnet, und zwar zum deutfchen Inlandspreise gemäß § 6 Lit. a, Anlage V Teil 8 des Vertrages von Versailles. Außerdem wird als Gegenleistung für die den Alliierten zuerkannte Befugnis, sich nach Klassen und Qualitäten eingeteilte Kohlen liefern zu lassen, eine Prämie von 5 Gold⸗ mark, die von dem Empfänger in bar zu zahlen ist, zum Erwerb von Nahrungsmitteln für die deutschen Bergarbester verwendet.

3. Während der Dauer der obigen Kohlenlief ggen werden die in den §§ 2, 3 und 4 des Protokolls vom 11. Fuls vorgesehenen Kontrollmaßregeln in der gemäß dem Wortlaut der bei⸗ liegenden Anlage abgeänderten Form sofort in Kraft gesetzt.

4. Es wird alsbald zwischen den Alliierten ein Abkommen über die Verteilung der de. drigt ane Heerne säs dhes eine Kommission getroffen, in welcher Deutschland vertreten sein wird. 11“ unterliegt der Genehmigung der Reparations⸗ kommission.

5. Es tritt alsbald in Essen eine Kommission zusammen, in welcher die Deutschen vertreten sein werden. Aufpabe diefer Kommisfion wird es sein, Mittel und Mepe zu finden, um die Lebensbedingungen der Bergarbeiter bezüglich der Ernährung und der Kleidung und im Hinblick auf eine bessere Aus⸗ beutung der Bergwerke zu heben.

6. Die alliierten Regierungen erklären sich bereit, Deutschland während des oben erwähnten sechsmonatigen Zeitraums einen Vorschuß zu gewähren in Höhe des ÜUnterschieds zwischen dem Lemäß 2 gezahlten eise und dem Ans uhrpreis der

hle fob deutsche Häfen bezw. den englischen Ausfuhrpreis sob englische Häfen, und zwar den jeweils geringeren dieser Preise nach Maßgabe des § 6 Lt. b Anlage V Teil 8 des Vertrags von Versailles. Die Vorschüsse werden gewährt gemäß Artikel 235 und 251 des Vertrags von Versailles; die genannten Vorschüsse erhalten den unbedingten Borrang vor allen anderen Forderungen der Alliierten gegen Deutschland. Die Vorschüsse werden am Schluß eines jeren Monats je nach d

der gesieferten Tonnen und dem

mittleren b Peee der Kohle während dieses Zeitraumes segeben. Bereits am Ende des ersten Monats werden von den Alliterten Vorschüsse zur späteren Verrechnung gegeben, ohne daß die genauen Zahlen abgewartet werden.

7. Falls am 15. November 1920 festgestellt werfen sollte, daß die Gesamtlieferung für August, September und Oktober 1920 die 6 Millionen Tonnen nicht erreicht hat, würden die Alliierten zur Besetzung eines neuen Teiles deutschen Gebietes, des Ruhrgebietes oder irgend eines anderen, schreiten.

Anlage. 1. Es wird in Berlin eine ständige Dele⸗ gation der Wiedergutmachungskommission einge⸗ richtet; ihre Aufgabe besteht darin, sich durch folgende Mittel zu ver⸗ gewissern, daß die in dem Abkommen vom 16. Juni 1920 vorgesehenen Kohlenlieferungen ausgeführt werden: Die Pläne über die allge⸗ meine Vertrilung der Förderung unter Angabe der Einzelheiten über die Herkunft und die Qualitäten einerseits und die zur Sicherung der Lieferungen an die allüerten Mächte bestimmten Anordnungen anderer⸗ seits sind von den deutschen Behoͤrden festzustellen und von ihnen der Genehmigung der genannten Delegation innerhalb angemessener Frist, bevor sie den Ausführungsorganen übermittelt werden, zu unterbreiten.

2. Keine Abänderung des genannten Planes, durch welche eine Verminderung der Lieferungen an die Alliierten herbeigeführt werden könnte, darf in Kraft treten ohne vorherige Genehmigung der Dele⸗ gation der Wiedergutmachungskommission in Berlin.

3. Die Wiedergutmachungskommission, welcher die deutsche Re⸗ gierung in regelmäßigen Zwischenräumen von der Ausführung der für die Lieferung an die Alliierten gegebenen Anordnungen durch die zu⸗ ständigen Behörden Rechnung zu legen hat, hat den beteiligten Mächten jede Verletzung der oben angenommenen Grundsätze mit⸗ zuteilen.

Der deutsche Reichskanzler Fehrenbach hat dem französischen Ministerpräsidenten Millerand schriftlich sein Bedauern über den Zwischenfall in Berlin ausgesprochen.

Polen.

Die Nachricht von dem Friedensvorschlag Lloyd Georges ist in Polen mit großer Genugtuung und Erleich⸗ terung begrüßt worden, doch ist man unzufrieden damit, daß Wilna an die Litauer abgetreten werden soll. 8

Nach einem Telegramm aus Warschau besagt der polnische Heeresbericht:

An der Nordfront fanden hartnäckige Kämpfe auf der Linie Swienciany— Krzywiecze Plissa statt. Auf der übrigen Front hat sich kein größerer Kampf ereignet. Die polnischen Heere ziehen sich planmäßig zurück. Die Begeisterung hat sich jetzt über das ganze Land verbreitet. Geistliche, Politiker und Arbeiter melden sich zum Frontdienst; eine großartige Opferwilligkeit habe im ganzen Land Platz gegriffen. Eine Reihe von Banken haben dem Staat über 60 Millionen zum Geschenk gemacht. 1

Nach einer Meldung des litauischen Vertreters in Spaa ist dort die Frage der Anerkennung des litauischen Staates de jure besprochen und im positiven Sinne gelöst worden. Die Proklamation der Unabhängigkeit des litauischen Staates de jure wird auf der Londoner Konferenz stattfinden.

Der „Litauischen Telegraphen⸗Agentur“ zufolge ist vor gestern ein Zug mit litauischen Soldaten bei Landwarowo von polnischen Franktireurs ange⸗ Es entspann sich ein dreistündiger Kampf, der mit

em Rückzuge der polnischen Franktireurs in der Richtung auf Wilna endigte. Südlich von Meischagola stießen litauische Truppen auf ihrem Vormarsch auf eine vknistie Brigade, die sich auch auf dem Rückzuge von der Front befand, und ent⸗ waffneten sie. Große Beute an Kriegsmaterial ist den Litauern in die Hände gefallen. Die litauischen Truppen stehen vor den Toren Wilnas. Man meldet, daß die Bolschewisten östlich von Wilna sich nahe an die Stadt herangeschoben haben. Wilna selbst ist von den Polen vollständig geräumt. 1.“

G Türkei. 8

Der „Times“ wird aus Konstantinopel berichtet, Must afa Kemal Pascha habe in der Nationalversammlung in Angora am 6. Juli erklärt, die türkischen nationalistischen Streitkräfte

hätten sich in uneimehmbare Stellungen zurückgezogen.

18 Bulgarien. „Der Chef der griechischen Militärmission in Sosia hat Athener Blättermeldungen zufolge an den Chef der Inter⸗ allizerten Kontrollkommission in Bulgarien einen Protest gegen die Truppenbewegungen Bulgariens gerichtet, die die Uuterstützung Jafar Tayars bezwecken sollten. Die griechische Mission fragt, ob Griechenland sich auf Grund dieser militärischen Maßnahme als im Kriegszustand mit Bul⸗ garien befindlich zu betrachten habe. Die bulgarische Re⸗ gierung erklärte in ihrer Antwort auf die Beschwerde, es handele sich bei den Truppenbewegungen um S utzmaßnahmen gegen die Möglichkeit eines Einbruchs griechischer Banden in Bulgarien. Amerika.

Nach einer ööe Meldung teilt der Sekretär des Schatzamts mit, daß drei Vertreter der Vereinigten Staaten in nichtoffizieller Eigenschaft der Brüsseler K 8ieee. beiwohnen werden. Diese drei Vertreter sind nicht berechtigt, an irgend einer Erörterung über die Schulden der Alliierten an Amerika teilzunehmen oder Verpflichtungen für die Vereinigten Staaten in irgendwelcher Hinsicht auf sich zu nehmen.

Der Senator Lafollette (Wisconsin), der als Kriegs⸗ gegner bekannt geworden ist, hat die ihm von der Arbeiter⸗

rtei angetragene Kandidatur für die Präsident⸗ chaft angenommen.

Die in Chicago öS neue Bauern⸗ und Arbeiterpartei, hat den okaten 18s. Christensen (Salt Lake City) als Präsidentschaftskandidaten aufgestellt. Außer ““ waren u. a. Henry Ford und Eugene Debs als Kandidaten vorgeschlagen worden.

In Bolivien ist die liberale Regierung Blätter⸗ meldungen zufolge gestürzt und durch eine provisorische republikanische ersetzt worden. Der bisherige Präsident und die Mitglieder der Regierung haben in der amertkanischen Ge⸗ sandtschaft Föflächt esucht. Der Führer der Aufständischen Savreda at die oberste Gewalt in änden.

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