1920 / 169 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 31 Jul 1920 18:00:01 GMT) scan diff

worden, daß sie ihre Krankenhäuser nicht mehr im Gang halten kann. Durch die Arbeit unserer Jungfrauen könnte das Krankenhauswesen wieder in die Höhe gebracht werden. Der Gegensatz zwischen Studenten und Arbeitern wird verschwinden, wem sie ohne Unterschied und ohne äußeres Abzeichen an demselben Kulturnwerk arbeiten. Selbstverständlich muß die Lebensführung einfach sein, Klubsessel darf es für die Leute nicht geben. Die Rückkehr zur Natur wird unsere Großstadtjugend see⸗ lisch bereichern und sie erkennen lassen, daß der Sonnenuntergang draußen schöner ist als jedes Kinodrama. Durch ein großes Kulturprogramm müssen wir dem Leben, wieder Anreiz und Farbe geben. Die Kultur hat nie höher gestanden, als unter dem großen Demokraten und G Paufisten Perikles. r Staat mus eine spezifisch Volkskultur schaffen, dazu kamm das allgemeine Wirtschafts⸗ dienstjahr dienen. Das Wirtschaftsjahr kann die rechte deutsche Volks⸗ hochschule werden. Dann verschwindet der Unterschied zwischen dem . gebildeten und dem übrigen Volke. Warum soll nicht auch der Bauer nach getaner Arbeit, seinen Shakespeare lesen? Möge die Prophezeiung Freiligraths in Erfüllung gehen: „Welche Wunder⸗ blume wird dereinst dieses Deutschland sein!“ (Beifall bei den Demo⸗ kraten.) Dr. Breitschei d (U. Soz.): Die Herren von der Rechten tadeln uns, daß wir ihre Empfindungen bei der Aufhebung der Wehrpflicht nicht schonen. Haben sie jemals die Empfindungen unserer Idegle geschont? Oder nicht vielmehr die ausge⸗ sprochenste Verachtung und Haß gegen uns bekundet? Wäre ihre Trauer eine schweigende gewesen, hätten wir sie respektieren können. Wenn Sie (zur Rechten) aber in dem Moment, wo Sie die Leiche ins Grab senken müssen, nochmals die Vorzüge des Toten rühmen, angesichts einer Gemeinschaft, die für diesen Toten von tiefstem Haß erfüllt ist, dann empfinden wir ihre Trauer als Provokation. Sehr wahr! links.) Warum haben Sie hier statt eines Generals nicht einen Arbeiter sprechen lassen über die allgemeine Wehrpflicht. (Große Unruhe rechts.) Ich habe als gemeiner Soldat zwei Jahre im Felde gestanden zusammen mit Arbeitern in der Armee Gallwitz. (Ruf rechts: Sie sind aber kein Arbeiter!) Sie (rechts) kennen den Millitarismus nur vom Standpunkt der Herren, aber nicht der Knechte. (Andauernder Lärm rechts.) Herr v. Kardorff kennt den Militarismus nur vom Standpunkt der Offiziere. (Abg. v. Kardorff: Ich bin Einjähriger gewesen!) Selbst dann haben Sie nicht das nötige Verständnis für das Gefühl des gemeinen Soldaten kennen⸗ gelernt. Die Militärzeit ist kein Lerninstitut für die Arbeiter und Bauernjungs gewesen. (Ruf rechts: Aber die Rote Armee!) Die Arbeiter haben als Soldaten nur eine Fesselung ihrer Persönlichkeit empfunden, während die Herren Offiziere in ihren Kasinos saßen. (Lärm und Widerspruch rechts, Ruf rechts: Der Prozentsatz der Offiziersverluste!) Dem englischen und französischen Militarismus, an dem der deutsche schuld ist, wird hoffentlich auch bald ein Ende gemacht werden. Je eher Deutschland abrüstet, um so eher können die französischen Soziaglisten auch gegen ihren Militarismus vorgehen. (Lachen rechts.) Die Entwaffnung Deutschlands kann der Beginn der Entwaffnung von ganz Europa sein. Ihre Grabreden werden im Ausland nur den Eindruck machen, als warteten Sie nur auf den Messias, der diesen toten Lazarus wieder zum Leben erwecken soll. Wenn Sie von der körperlichen Ertüchtigung auf dem Kasernen⸗ hof reden, so haben die Engländer und Amerikaner im Felde un⸗ geheure Tüchtigkeit bewiesen. Es handelt sich darum, daß die eng⸗ ischen und amerikanischen Proletarier fast durchweg besser ernährt waren als unsere Soldaten. Sie hatten sich körperlich besser er⸗ tüchtigt durch ihren Sport als wir durch die langweiligen Uebungen des Drills auf dem Kasernenhof. Wir wollen auch körperliche Er⸗ üchtigung, einen gesunden Geist in einem gesunden Körper. Die merikaner und Engländer hatten billige und gute Nahrung, weil as Getreide nicht durch einen Zoll verteuert wurde. Das wesent⸗

2 ist, welcher Geist in einem Heere liegt, welchen Einfluß die

rlitärischen Mächte eines Staates auf die Politik des Staates und den ganzen Aufbau des Staates haben. Wir sind stolz darauf, die Totengräber des Militarismus zu sein. (Lautes Schreien rechts.)

ir Geist, der in diesem Deutschland wehte, das war der Militarismus. Die Politik Wilhelms II., die Herr v. Kardorff erwähnte, war doch die, zu Beginn des südafrikanischen K deutsche Truppen nach Südafrika zur Unterstützung der Buren zu senden. Das ist doch kein Beweis für unsere Friedfertigkeit. Die Sen⸗ dung der Truppen ist doch damals deshalb unterblieben, weil immer noch eine gewisse Sorge für die Reputation in der Welt bestand, und werl ein wenig Furcht vor der Arbeiterschaft vorhanden war. Wir sind weit davon entfernt, alle Methoden, die Rußland gegenüber angewen⸗ det worden sind, anzuerkennen und auf Deutschland übertragen zu wollen. Was uns nachahmenswürdig erscheint am Bolschewismus, ist seine Idee des Sozialismus und seine Opferwilligkeit. Wir streben danach, daß das freie Volk in Deutschland zur Herrschaft gelangt. Wir wollen unseren Kindern die Freiheit gewähren, indem wir uns befreien von den Fesseln des Militarismus und des Kapitalismus. Wir erstreben als Ziel die innerliche Befreiung, das Abschütteln eines Joches, das wir jahrhundertelang getragen haben.

Abg. Schöpflin (Soz.): Den Gesetzentwurf müssen wir an⸗ nehmen, weil er uns von der Entente einfach aufgezwungen worden ist. Ich erinnere daran, wie August Bebel bei den Militärdebatten die allgemeine Wehrpflicht verlangt hat, ebenso wie auch Friedrich Engels. Nur dagegen, wie der von uns Sozialdemokraten verteidigte Gedanke der allgemeinen Wehrpflicht in Deutschland durchgeführt worden ist, haben wir seit Jahrzehnten gekämpft. Die allgemeine Wehrpflicht haben wir Soialdemokraten immer verteidigt, sie steht auch auf unserem Programm. Zu einem Teil verstehe ich den Protest der Unabhängigen und die Schärfe ihrer Reden, denn bei ihnen flammt die Erinnerung wieder auf an alles Erbärmliche, was sie unter dem früheren Zustand eiduldet haben. In der vorge⸗ schlagenen Form lehnen wir das allgemeine Dienstjahr ab. Zweifellos werden wir versuchen müssen, eine Art allgemeiner Wehrpflicht einzuführen. Dazu müssen aber unsere innerpolitischen Ver⸗ bältnisse erst einigermaßen gesichert sein. Die Entente darf nicht den Eindruck gewinnen, als ob hier wieder eine Hinlertür aufgemacht werden soll, um wieder zum Militarismus zu kommen. Das Miß⸗ trauen der Entente dürfen wir nicht noch vergrößern. Wer vier Jahre draußen im Krieg gewesen ist, der weiß, welch ein Unmaß von Schuld ein großer Teil der Offiziere auf sich geladen hat. Der Vorschlag dos Kollegen Schücking will aus dem Entwurf etwas Brauchbares machen und mit einem solchen Dienstjahr eine Art nationaler Staats⸗ bürgererziehung einführen. Wir glauben auch, daß das notwendig ist. Ich habe im letzten Kriegsiahr es wieder empfunden, was in den acht Volksschuljahren alles versäumt worden ist. Wir mußten den Katechismus auswendig lernen, die Geburtsdaten von Fürsten und dergleichen unnötigen Gedächtniskram, aber eine wahre, gute nationale Gesinnung hat man uns nicht gelehrt.

Frau Abg. Wurm (U. Soz.): Die Vorlage müssen wir in dieser Form selbstverständlich ablehnen. Wir sehen in diesem Staat nich t den Träger des Gemeinschaftslebens; mit ihm wünschen wir unsere Iunmend nicht zu verknüpfen. Denn er ist immer noch ein Staat, der die Klassenscheidung aufrecht erhält. Der Eintritt der Studentinnen in die Munitionsfabrik während des Krieges war ein völlig verkehrtes Unternehmen; sie gewannen keine Fühlung mit den Arbeiterinnen und kamen sich vereinsamt vor. Die weibliche Jugend zu freiwilligen Krankenpflegerinnen während des Dienstjahres heranzuziehen, würde nur die entsetzliche Erwerbslosigkeit in der Zeit der größten Not noch vergrößern; das würde als eine Schmutzkonkurrenz angesehen werden. Der Gemeinschaftsgeist wird nicht durch ein wirtschaftliches Dienstjahr herbeigeführt, sondern durch die Schule. Die Erziehung muß auf eine ganz andere Basis gestellt werden. Die Arbeit muß als etwas Erstrebenswertes hingestellt werden. In diesem Sinne sind die Kinder des Proletariats schon immer erzogen worden, innerhalb der Gesamtheit für die Gesamtheit zu schaffen. b

Abg. Dr. Haas (Dem.): Ich war wirklich des Glaubens alle Parteien, auch die Ungbhängigen Soziasdemokvaten, würden dieses Gesetz mit einem gewissen Gefühl der Trauer verabschieden. Die Handlung, die wir jetzt vollziehen, ist nicht freier Entschluß; nur gezwungen nehmen wir das Gesetz an, wir handeln heute als

deutsche

Krieges

V V

Augenmaß die Würde der Nation und der Armee,

auch eine gute alte sozialistische Forderung.

Ueberlegenheit der anderen

daß die kleine Reichswehr

Sklaven. (Unruhe bei den U. Soz.) Es gibt immerhin zu denken, daß sich sogar eine Art Freude über die Abschaffung der allgemeinen Wehrpflicht erkennen läßt, die man der Entente „verdankt“. Es ist eine unerträgliche Vorstellung und eine der unerträglichsten Be⸗ dingungen des Versailler Vertrages, daß unter allen den anderen in Waffen starrenden Völkern ein Volk wehrlos dastehen soll. Wir sind jetzt die Sklaven des westlichen Imperialismus und Kapitalis⸗ mus. Nicht die allgemeine Abrüstung ist eingetreten, das Gegenteil ge⸗ schieht. Ein Volk wird wehrlos gemacht alle anderen aber pflegen den Militarismus in unerhörtestem Umfange weiter. Es ist eine lächerliche und unsinnige Uebertreibung, daß in der alten deutschen Armee sich Herren und Knechte durch eine unüberbrückbare Kluft getrennt schroff gegenübergestanden hätten. Hätte eine solche Armee jahrelang einer Welt von Feinden standhalten können? Unglaubliche Leistungen hat dieses Heer zu verzeichnen gehabt. Gewiß hat nicht überall das Gemeinsamkeitsgefühl sich herausgebildet, wie es in der gemeinsamen Gefahr sich im allgemeinen herausbildete. Aber das herzliche und gute Verhältnis zwischen Offizieren und Mannschaften bildete doch die Regel, nicht die Ausnahme. Nicht von hinten ist die Front erdolcht worden; unser Unglück war, daß man oben das für das Mögliche verloren hatte. Es geht gegen je ion und d lrmee, wenn man behauptet, diese habe hochverräterisch die Waffen niedergeworfen. Tat⸗ sächlich war sie bis zum äußersten erschöpft, und dann brach sie zu⸗ sammen. Das Waffenstillstandsangebot und der Zusammenbruch unserer drei östlichen Bundesgenossen lag vor der Revolution. Man soltte doch aufhören, diese tieftraurigen Dinge parteipolitisch auszu⸗ chlachten. So kann es nicht bleiben, daß wir auf Jahrhunderte allein wehrlos bleiben. Wir wollen hoffen, daß jetzt auch die anderen die allgemeine Wehrpflicht abschaffen und daß wir ein System großer Rüstungsbesckränkungen bekommen, wobei mir immer noch eine Art Milizsystem besser als ein Söldnerheer erscheint. Die Miliz ist 1111““ E fürchr nicht allein vehrlos sein. Im übrigen heißt es arbeiten für den großen Gedanken der Menschheit und Gleichheit.

Abg. Dr. Herschel (Zentr.): Es hätte der nationalen Würde und der nationalen Trauer besser entsprochen, wenn dieses Gesetz ohne Erörterung über die Tribüne gegangen wäre, leider ist die Debatte auch von Schärfen nicht freigeblieben. Wir werden die allgemeine Weh. pflicht nicht ohne Bedauern scheiden sehen, werl sie für dic körvper“ ke Ertüchtigung des Volkes so viel geleistet hat, weil sie eine Schule für die Ordnung und die Unterordnung war und wir bedauemn müssen, daß diese Unterordnung in weitem Maße abhanden gekommen ist. (Zurn. bei den U. Soz.: Das glauben wir!) Diese Unterordnung war eine Frucht des freiwilligen Gemeinschaftsgeistes der zugleich ein demokra⸗ tischer Gedanke war. (Lachen bei den U. Soz.) Auch wir sind nic: blind gewesen gegen die Auswüchse, die sich auch beim Militär gezeigt haben, wie bei allen menschlichen Institutionen, und die Revolution ist dabei am allerwenigsten ausgenommen. Es ist aber eine Forderung der Gerechtigkeit, nicht einseitig bloß von den ungeheuren Leistungen „: ganzes Vollkes zu sprechen, es muß auch davon gesprochen werden, daß, ein unverhältnismäßig hoher Prozentsatz von Offizieren den Tod vo⸗ dem Feinde gefunden hat. Es hat uns eine Uebermacht von Menschen, Material und öffentlicher Meinung wie in koiner Pertode der Welt⸗ geschichte vorher gegenüberstanden. Unseren hundert Millionen standen zuletzt elfhundert Millionen Gegner gegenüber. Wir sind unter der Ueberlegenhe . zerbrochen. Das festgustellen ist keine Schande. Jetzt allerdings erscheint die Furcht unserer Gegner vor uns unverständlich, denn wäre selbst der militärische Geist vophanden, der uns hie und da vorgezaubert wird, es fehlte uns doch völlig an den Mitteln, ihn in die Tat umzusetzen. Der Antrag Schücking enthält einen berechtigten Kern, er läßt sich aber nicht mit diesem Gesetz ver⸗ knüpfen. Möge man ihm an anderer Stelle nachgehen. Wir wünschen V lein , sich der großen Traditionen unseres Volks⸗ heeres würdig erweisen möge. (Beifall im Zentrum.)

Abg. Leicht (Bayer. Vp.): Die blebhafte Debatte von heute wäre mehr am Platze garesen, wenn wir noch die volle Freiheit der Ent⸗ schließung hätlen. Wir handeln unter einem verhängnisvollen Zwang, wenn wir der harten Notwendigkeit gehorchen. dem Entwur⸗ zuzustimmen. Den Antrag Schücking lehnen wir ab. Gegen die Ausführung der Abg. Frau Wurm, welche die kranken⸗ pflegenden Jungfrauen als Schmutzkonkurren für die berufsmäßigen Krankenpflegerinnen bezeichnet, lege ich mit Entrüstung Verwahrung ein, besonders, wenn damit die Orden gemeint sein sollten.

Reichswehrminister Dr. Geßler: Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will zu den parteipolitischen Debatten möglichst keinen neuen Beitrag liesern, möchte aber doch ganz kurz meinen Stand⸗ punkt kharlegen.

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Der gegenwärtige Gesetzentwurf ist nicht Ausfluß des Selbst⸗ bestimmungsrechts der Völker. Er ist auch nicht ber freien Initiatibe und der inneren Ueberzeugung der Regierung entsprungen. (Zuruf bei 89 Soa - SD58 wss. r EIeee g 2 8 den U. Soz.: Das wissen wir!) Gewiß! Ich will es aber auch noch einmal ausdrücklich feststellen. Er stellt vielmehr eine Erfüllung des Friedensdiktats von Versailles dar. Wie für den größten Teil des deuts chen Volkes ist auch für die Regierung die allgemeine Wehrpflicht ein sittliches Prinzip, (sehr richtig! rechts) geboren für Deutschland in einer Zeit tiefster nationaler Not. Sie ist aber im gegenwärtigen Völkersystem für uns auch ein Palladium unserer Freiheit und unserer Unabhängigkeit, (sehr gut! bei den Regierungsparteien) ferner für ganze

8 sTloch 15 * G 9 8, g. 9 884 8 88 04 88 F. ö für Millionen eine Schule treuester Hingabe an Staat und Veolk. (Sehr richtig! rechts.) Ich danke deshalb den Mitgliedern dieses Hauses, die auch in dieser Stunde in Dankbarkeit und Treue des alten Heeres gedacht haben. (Bravo!) Wir sind der Ueberzeugung, daß das gegenwärtige Ausnahmerecht für Deutsckland nicht von Dauer sein wird. (Zustimmung rechts. Hört, hört! bei den U. Soz.) 9 5 32 4 8 . 2 8 4 f -

Ich habe gehofft, daß ich wenigstens in dieser Sache mit den Herren von der äußersten Linken einig bin. (Abg. Düwell: Sehr richtig!) △˖ . * * 2. 8 Denn Sie (zu den Unabhängigen) haben bisher jedes Aubnahmegesetz verworfen. (Zurufe von den U. Soz.) Ich bin der Auffassung: wenn es wirklich gelingt, aus diesem Völkerchaos heraus zu einer höheren Ordnung, zu einer sittlichen Ordnung der Verbindung der Völker zu kommen, so wird das von niemand mehr begrüßt werden als vom deutschen Volk. (Sehr wahr!) Ich glaube, in dieser Frage ist das ganze deutsche Volk einig. Denn wir in unserer erdrückenden Mehr⸗ S; 5 4 W 2 F. 8 8 Ss 8 488 heit haben jedenfalls unser Heer nie als ein Instrument des Angriffes, sondern immer als ein Instrument der Verteidigung aufgefaßt. Ceb⸗ hafte Zustimmung bei den Regierungsparteien. Widerspruch und Zurufe bei den U. Soz.) Die große Mehrheit des deutschen Volkes hat das Heer nie anders aufgefaßt. Ich glaube, jeder von uns, der im Volke gelebt hat, wird mir das bestätigen. (Zustimmung bei den Regierungsparteien. Widerspruch bei den U. Soz.) Dann haben Sie Gu den Unabhängigen) nicht beim Volke gelebt. (Tachen und Zurufe bei den U. Soz.) Gewiß, meine Herren, ich hätte beinahe ein bitteres Wort gesprochen; ich will es unterdrücken. (Zuruf von den U. Soz.: Lesen Sie nur Bernhardi!) Bernhardi ist nie das deutsche Volk gewesen. (Abg. Düwell: Aber er war der Exponent der mili⸗ taristischen Kaste!) Ich rede hier vom deutschen Volke, und dabei habe ich die große Masse des deutschen Volkes, in der ich selbst groß geworden und aufgewachsen bin, im Auge. (Zurufe von den U. Soz.: Die hat aber nichts zu sagen!) Daran ist sie vielfach selbst schuld gewesen. (Zurufe von den U. Soz.: Hört, hört! Das werden wir uns merken!) Gewiß, merken Sie sich das und sehen Sie zu, daß

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auch die deutsche Arbeiterschaft in der großen Frage des Aufbaues des deutschen Volkes sich durch ihren inneren Hader nicht selbst ausschaltet. (Sehr richtig! rechts.)

Meine verehrten Damen und Herren, die Durchführung des neuen Gesetzes bringt uns zweifellos in die allervarößten Schwierigkeiten Wennm wir daran denken, welche Schwierigkeiten es gemecht hat, in den letzten Monaten viele Tausende von Soldaten, von Angehörigen der Freikowos m entlassen, welche Beunruhigung in das deutsche Volk hineingetragen worden ist und wie auch heute nach meiner Ueberzeugung

diese Entlassung teilweise nur äußerlich insoferm erfolgt ist, als di

Betreffenden immer noch im Arbeitsgemeinschaften da und dort bei⸗ sommengeblieben sind (Abg.: Düwell: Mit Waffen!) und für die Phantasie und für die Wirklichkeit ein Gegenstand der Beunruhigung sind, so muß ich mit ernstester Sorge daran denken, daß wir in den nächsten fünf Monaten neuerdings 100 000 Manmn auf die Straße setzen sollen. (Allseitige Zustimmung.) Wenn ich in Spaa auf diese Schwierigkeiten aufmerksam gemacht habe, so habe ich dabei vor allem an den Arbeitsmarkt gedacht. Neben den Hunderttausenden von Arbeitslosen, die wir an sich haben, handelt es sich jetzt noch um die große Schar der Leute an der Wasserkante, die durch die Ablieferung der Schiffe brotlos geworden sind. Dazu kommt das große Heer der Kriegsbeschädigten, die sich gerade in der Zeit der Krisis mühsam einen neuen Erwerb suchen müssen. Dazu kommt

V ferner die großfe Zahl der Auslandsdeutschen, die, verjagt von der

gangen Welt, im die Heimat zurückgekommen sind und die numn auch in

der stockenden Industriekrisis, in der Krisis von Handel und Gewerbe nicht wissen, wo sie unterkommen sollen. (Sehr richtia!l) Wenn ich mun

denke, daß es neuerdings wieder 100 000 sind. so, muß ich sagen, er⸗ scheint mir der Gedanke um so ernster, als es vielfach gerade die sind,

die am längsten im Heere gedient haben, die älteren Unteroffiziere

nach Tausenden, die nunmeher auns dem Heere entlassen werden müssen, weil ja diese lange Verpflichtung für die Dienstzeit für sie gar nicht mehr begründet werden kann. Ich sehe also nach der Richtuma hin unserer Zukunft außerordentlich sorgenvoll entgegen.

Ich weiß nicht, ob die Bitte, die ich in dieser Stuunde an Sie richten darf, vielleicht nicht Gehör findet: Erleichtern Sie allen denen die unter dem Diktat der Entente entlassen werden, diesen Uebergang! Suchen Sie dort, wo Sie die Macht haben, dafür zu wirken, daß sie aufgenommen werden können, und speziell an die deutsche Arbeiterschaft möchte ich die Bitte richten, nicht durch Boykott, nicht durch Terror die Leute, die jetzt zurückkommen, und die auch glauben, ihre Pflicht dem Vaterlande gegenüber erfüllt zu haben und sie haben es getan!— aus ihren Arbeitsplätzen zu verdrängen und sie dadurch neuerdings zu jener verhängnisvollen Bandenbildung zu verführen. (Zustimmung. Abgeordneter Düwell: Der Boykott ist doch aufgehoben! Wider⸗ spruch rechts)) Herr Abgeordneter! Ich glaube, wenn Sie sich einmal mit den Kreisen in Verbindung setzen, die darunter gelitten haben, werden Sie mir das nicht bestreiten können. (Zuruf vechts: Tagtäglich wird terrorisiert! Zuruf von den U. S.) Ich bitte darum wir wollen uns hier doch keine Vorwürfe machen! Was hinter uns liegt, liegt hinter uns. Aber in dem können wir uns zusammenfinden, daß wir denjenigen, die jetzt entlassen werden, den Rückgang ins bürgerliche Leben erleichtern. (Zuruf von den U. S.) Wenn es Ihnen (zu den U. S.) ernst ist, den Militarismus zu

bekämpfen, so werden Sie ihn auf diese Weise am besten bekämpfen.

(Zuruf von den U. S.: Wir machen sie zu Sozialisten!) Ich kann niemanden zu einem Sozielisten machen. Sie können es kun; dem steht gar nichts im Wege!

Auch das neue Heer selbst stellt uns vor ungeheure Probleme. Es wird ja bei dem neuen großen Wehrgesetz Gelegenheit sein, einmal die Probleme des Berufsheeres oder, wie Sie es gelegentlich in diesem Hause nennen was ich bedaure —, des Söldnerheeres durchzu⸗ sprechen. Nur wenn Heer und Staat eines sind und eines werden, wird es auch möglich sein, die verfassungsmäßigen Zustände und die verfassungsmäßige Entwicklung unseres Volkes sicherzustellen. Dazu ist aber vor allem nötig, daß das Heer in dem Sinne erzogen wird, daß die Dienstzeit nicht von dem einzelnen unter dem Gesichtspunkt des Offiziers, des Unteroffiziers oder des Soldaten betrachtet wird, sondern daß für alle nur ein Gesichtspunkt maßgebend sein darf: das ist der Dienst für das deutsche Volk (sehr richtig!), für den deutschen Staat. Das möchte ich gerade in dieser Stunde als Grund⸗ und Baustein mit in das Wehrgesetz hineinlegen. (Lebhaftes Bvavo.)

Abg. Schücking: Der Zweck unsorer Entschließung war, zunächst nur eine Anregung zu geben. Da einige Parteien Bedenken haben, die Entschließung als solche mit dem Gegenstand dieser Vorlage zu verbinden, so ziehen wir sie für jetzt zurück.

Die Besprechung schließt. Abg. von Gallwitz (D. Nat.) teilt in einer persönlichen Bemerkung gegenüber dem Abg. Dr. Breitscheid mit, daß er den Feldzug von 1870/71 als gemeiner Kanonier mitgemacht habe und mit einem Teil seiner einfachen Kameraden von damals noch jetzt in schätz⸗ barem Briefwechsel stehe. Während des Weltkrieges habe er als Befehlshaber nur in zwei Fällen eine Disziplinarstrafe verhängt.

Die Vorlage wird in allen drei Lesungen und in der Gesamtabstimmung gegen die Deutschnationalen und einen Teil

der Deutschen Volkspartei angenommen.

Nach der Abstimmung erklärt Abg. Dr. Becke v⸗Hessen (D. Vp.): Die Fragestellung ist von uns mißverstanden worden, wir sind infolge⸗ dessen bei der Abstimmung sitzen geblieben. Es konnte aber nach der Erklärung des Herrn von Kardorff kein Zweifel sein, wie wir zu diesem Gesetz stehen; er hat erklärt, daß wir ihm unsere Zustimmung geben. Es war also nur ein Versehen, daß wir sitzen geblieben sind⸗

Es folgt die zweite Beratung des Gesetzentwurfs über die Verlängerung der Gültigkeitsdauer des Kohlensteuergesetzes vom 8. April 1917. Die Regie⸗ rungsvorlage schlug die Verlängerung bis zum 31. Juli 1921 vor, der ⸗Ausschuß für Volkswirtschaft hai jedoch die Verlängerung nur bis zum 31. März 1921 beschlossen. Der Ausschuß schläg ferner eine Entschließung vor, wonach die Regierung für eine etwaige künftige Verlängerung der Kohlen⸗ steuer eine Berücksichtigung des verschiedenen wirtschaftlichen Wertes der einzelnen Kohlesorten vorbereiten soll, und ferner Gutachten der Sozialisierungskommission, des Reichskohlen⸗ rats und des Reichswirtschaftsrats über die Sozialisierung des Kohlenbergbaus herbeiführen und danach dem Reichstag eine vontage. die Neuregelung der Kohlenwirtschaft unter⸗ breiten so

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eutschen RNeich Nr. 169.

Verlin, Sonnabend, den 31. Fuli

„Von den Unabhängigen Aderhobd und Genossen wird eine

Abänderung des Kohlensteuergesetzes dahin beantragt, daß die Steuer nicht 20 % des Wertes der Kohle, sondern 4 pro Tonme beträgt und die Hausbrandkohle steuerfrei bleibt, für den Fall der Ablehnung des festen Satzes von 4 beantragen dieselben Abgeordneten, daß die Steuer den Betrag nicht übersteigen darf, der sich nach dem Kohlen⸗ preis vom 30. Juli 1920 ergibt. Abg. Koil (Soz.): Seit Erlaß des Kohlensteuergesetzes ist die Steuer ungeheuer gewachsen. Im Jahre 1917 war der Kohlenprers 17 bis 18 Mark für die Tonne, heute ist er 170 Mark; damals machte die Steuer 3 Mark 50 Pfennige, heute 384 Mark aus. Dazu ist noch die Umsatzsteuer getreten, so daß heute der Preis ab Grube 207 Mark ausmacht. Nach Mitteilungen der Presse ist demnächst mit einer weiteren Preissteigerung von 25 Mark zu rechnen. Die Reichskasse nimmt also statt der ursprünglich veranschlagten 500 Millionen Mark an Kohlensteuer in diesem Jahre rond 4 % Milliarden ein. Wir dürfen die Kohlensteuer nicht als melkende Kuh betrachten. Diese Steuer belastet die deutsche Volkswirtschaft ungeheuer und wirkt wie eine Lawine, zumal sie bei der Abwälzung immer weiter steigt. Wir müsser aber unsere Produktion durch allgemeine Preissenkung heben und vor allem die Steigerung der Kohlenpreise verhindern. Die ungeheure Verteurung, die auch der Hausbrand durch die Kohlensteuer erfährt, darf man auch nicht vergessen. Das Reich muß von der Kohlensteuer einen Fessg Teil selbst bezahlen; allein auf die Cisen⸗ bahnen entfallen 600 llionen Mark. Hinzu tritt weiter die Rück⸗ wirkung der Verteuerung auf die Beamtengehälter. Die Teuerungs⸗ zulagen kann man infolgedessen in absehbarer Zeit nicht wieder aufheben. Deshalb muß das Reich dafür songen, den Preisabbau zu fördern. Es ist keine rationelle Steuerwirtschaft, auf der einen Seite der Reichs⸗ kasse Erträge zuzuführen und auf der anderen Seite die Ausgaben zu steigern. Zur Förderung des Wohnungsbaues werden Millionen ge⸗ währt, aber gleichzeitig werden mit der Kohlensteuer die Baustoffe ins Riesenhafte verteuert. Das ist keine vationelle Finanzwirtschaft und noch weniger eine vernunftgemäße Vollswirtschaft. Es ist auch steuer⸗ lich ungerecht, weil sie als Kopfsteuer wirkt. Leider wird unsere Besitz⸗ steuergesetzgebung in übevaus schleppender Weise durchgeführt. Von der scharfen Erfassung des großen Besitzes ist noch nichts zu spüren. Wir können die Plan⸗ und Systemlosigkeit unserer Finanz⸗ und Volls⸗ wirtschaft nicht noch ein Jahr ungehemmt weiter lassen. Darum haben wir beantragt, die Kohlensteuer nicht um ein Jahr, sondern nur um ein Vierteljahr zu verlängern, und innerhalb dieser drei Monate eine Vorlage verlangt über die Scziclisierung der Kohlengewinnung. Die Sache soll nicht auf die lange Ban⸗ choben werden. Mancherlei Vorschläge liegen vor, die der Prüfung bedürfen. Wir wollen aber, daß die Prüfung so rasch wie möglich erfolgt. Die deutsche Bergarbeiterschaft wird nur dann zur restlosen Hergabe ihrer Arbeitskraft zu bewegen sein, wemm eine Neuordnung der Kohlenwirt⸗ schaft eintritt, die die Kohlenschätze der deuischen Erde zum Vorteil der deutschen Volksgemeinschaft werden läßt. Einen Steuersatz von 34 Mark pro Tonne, der heute erreicht ist, noch einmal um erhebliche Beträge anwachsen zu lassen, ist für die deutsche Volkswirtschaft ein⸗ fach unerträglich. ist eine glauben, daß eine weitere Erhöhung der Kohlensteuer für die deutsche Wirtschaft vor⸗ teilhaft wäre. Wir müssen zu Entschlüssen übergehen, die in Wahrheit die Gesundung der deutschen Wirtschaft herbeiführen.

Abg. Eichhorn (U. Soz.): Unsere Finanzpolitik arbeitet leider mit den plumpesten Mitteln des Geldeintreibers. Die Kohle ist das Lebenselement der Industrie und des Verkehrs. Sie muß möglichst wenig besteuert werden. Als die Steuer beschlossen wurde, lebte man noch in der Aanexionsphantasie. Jetzt haben sich die Verhältnisse sehr geändert: Aus dem Saargebiet ist ein Neufrankreich geworden, und aus Oberschlesien wird möglicherweise ein Neupolen werden. Die Kohlenpreise sind seit 1917 gewaltig gestiegen. Zu der Steuer, die automatisch mit dem Preise steigt, kommt noch die Siedlungsabgabe für die Errichtung von Arbeiterwohnhäusern in den Kohlengebieten. Es ist bisher nicht üblich gewesen, daß ein Unternehmer, der Arbeiter⸗ wohnungen baut, sich die Häuser durch die Konsumenten bezahlen läßt. Herr Stinnes hat das Kohlenabkommen von Spag jetzt schoa wieder benützt, um eine weitere Erhöhung der Siedlungsabgabe zu verlangen. Durch die Kohleasteuer werden die Produtte der Industrie verteuert. Dadurch werdea wieder Löhne und Gehälter steigen, und so treibt immer ein Keil den anderen, Die Konkurrenz mit dem Auslande auf⸗ rechtzuerhalten, wird sehr schwer sein. Damit bricht die Hoffnung zu⸗ sammen, die man auf den Wiederaufbau unserer Jadustrie gesetzt hat. Den Worten müssen Taten folgen; es müssen endlich einmal die Grund⸗ lagen geschaffen werden, von denen aus eine ratiogelle Wirtschaft mög⸗ lich ist. Die Gasanstalten und Elektrizitätswerke leiden ungeheuer unter der Kohlenteuerung. Schließlich muß das Wirtschaftsleben der Gemeinden ganz aufhören. Die Gemeinden sind heute unselbständig, sie sind Kostgänger des Reichs geworden. Wir fordern die schleunige Soztalisierung des Bergbaus. Wir lehnen die Verlängerung des Kohlensteuergesetzes grundsätzlich ab. Wena Sie aber nicht so weit gehen wollen, dann nehmen Sie wenigstens unsere Eventualanträge an.

Die Vorlage wird nach den Ausschußanträgen unter Ablehnung aller anderen Anträge gegen die beiden sozialdemokratischen Parteien angenommen, ebenso die Entschließung des Ausschusses. Ohne Er⸗ örterung erfolgt die Annahme in der dritten Lesung, worauf die Verab⸗ schiedung in der Gesamtabstimmung erfolgt.

Es folgt die dritte Beratun g des vom Abg. Müller⸗ Franken (Soz.) eingebrachten Gesetzentwurfs zur Auf⸗ hebung der Militärgerichtsbarkeit. Hierzu liegen zwei Anträge aller bürgerlichen Parteien vor. Da⸗ nach wird die Militärgerichtsbarkeit, abgesehen von den Strafverfahren in Kriegszeiten und gegen die an Bord von in Dienst gestellten eingeschifften Angehörigen der Reichsmarine, aufgehoben. Der zweite Antrag bezweckt die Wiederherstellung s8 gestern obgelehnten 8 9, wonach in Militärstrafsachen die Verhaftung auch dann zulässig ist, wenn sie neben dem Vorhandensein dringender Verdachts⸗ gründe zur Aufrechterhaltung der militärischen Disziplin er⸗ forderlich ist. 1

Abg. Dr. Radbruch (Soz.) wendet sich gegen beide Anträge. Die Ausdehnung der Militäargerichtsbarkeit auf die an Bord von Kriegsschiffen befindlichen Marineangehörigen würde zu allerlei Schiebungen führen. Der Zweck der Bestimmung sei auch nur, einen kleinen Stamm der Militärgerichtsbarkeit zu erhalten, um bei späterer Gelegenheit sie wieder neu zerstehen zu lassen. Der Wind weht von der Admiralität, der gegenüber der Reichswehrminister eine merkwürdige Nachgiebigkeit bekundet.

EFortsetzung aus der Ersten Beilage.) I

det. Die Verhaftung zur Auf⸗ rechterhaltung der militärischen Disziplin ist nichts weiter als eine vorweggenommene Strafe und daher nicht decg

Aba Brüninghaus (D. V.): Die besonderen Verhältnisse an Te 68 u eherhallung der Militärgerichtsbarkeit nötig. Politische Beweggründe liegen uns fern; es handelt sich um das wohlverstandene Interesse der Mannschaften selbst. Für die

der See her weht, so sollten wir uns darüber freuen, denn er pflegt angenehm und erfrischend zu sein.

Reichswehrminister Dr. Geßler: Gegen die Anträge bestehen keinerlei verfassungsmäßige Bedenken, ich empfehle die Annahme.

Abg. Dr. Rosenfeld (U. Soz.): Wieder einmal fügt sich die bürgerliche Mehrheit dem militärischen Diktat. Entgegen den Be⸗ strebungen, die Untersuchungshaft auch im bürgerlichen Recht immer einzuschränken, soll hier sogar noch eine Ausdehnung zugestanden werden.

Abg. Dr. Radbruch (Soz.): Die jetzt vorgeschlagene Fassung des § 1 beweist nur, daß der Einfluß der Admiralität über das Reichswehrministerium hinaus sogar bis auf den Reichsjustizminister hinübergreift. Der neue § 1 ist verfassungswidrig; die Gerichte werden das Gesetz als verfassungswidrig edentuell außer Anwendung etzen. 1 Vizepräsident Dr. Bell: Gerade angesichts dieser Eventuolität richte ich an die Mitglieder die Aufforderung, während der Ab⸗ stimmungen zu diesem Gesetz den Saal nicht zu verlassen, damit festgestellt werden kann, daß wenigstens zwei Drittel der Mitglieder des Reichstags anwesend waren und wenigstens zwei Drittel der Anwesenden für die betreffende Bestimmung gestimmt haben.

Gegen die von dem Abgeordneten Schultz⸗Bromberg und Genossen beantragte Fassung des“ § 1 stimmen außer den beiden sozialdemokratischen Parteien auch drei demokratische Mitglieder. Da das Bureau zweifelhaft bleibt, erfolgt die Auszählung, welche die Annahme des § 1 mit 188 gegen 168 Stimmen ergibt.

Mit derselben Mehrheit wird § 9 nach den Ausschuß⸗ vorschlägen wieder hergestellt, d. h. die Verhaftung wegen Fluchtverdachts und wegen Gefährdung der Disziplin wieder für zulässig erklärt.

In der Gesamtabstimmung wird die Vor⸗ lage gegen die Stimmen der Deutschnationalen und der Deutschen Volkspartei endgültig genehmigt. Vize⸗ präsident Bell stellt fest, daß die Annahme auch in der Form einer Verfassungsänderung erfolgt ist.

Es folgt die dritte Lesung des Gesetzent⸗ wurfs über die vereinfachte Form der Ge⸗ setzgebung für die Zwecke der Uebergangs⸗ wirtschaft. Nach § 1 kann die Reichsregierung mit Zustimmung des Reichsrats und eines vom Reichstag gewählten Ausschusses von 28 Mitgliedern die gesetzlichen Maßnahmen anordnen, die ausschließlich die Regelung des Ueberganges von der Kriegswirtschaft in die Friedenswirtschaft betreffen und sich hierfür als notwendig und dringend erweisen. Ein von sämtlichen Parteien außer den Demokraten und Sozialdemokraten eingebrachter Antrag will die Worte „und sich hierfür als notwendig und dringend er⸗ weisen“ ersetzen durch „und beim Erlaß der Verordnung als hierfür notwendig und dringlich erachtet werden“. Nach § 2 soll das Gesetz mit dem Tage der Verkündung in Kraft treten und nach den Beschlüssen zweiter Lesung am 1. November 1920 (Vorlage: 31. März 1921) außer Kraft treten.

Ein Vertreter der Unabhängigen Sozialdemokraten er⸗ klärt sich gegen das ganze Gesetz, da es unter Umständen für die Arbeiterschaft sehr fühlbare Nachteile herbeiführen werde.

Abg. Molkenbuhr (Soz.) spricht sich für die Annahme aus, da die gleiche Ermächtigung während der Kriegsgeit im wesentlichen im Einberständnis mit der übergroßen Mehrheit der Volksvertretung gehandhabt worden ist. 1

Nachdem noch Abg. Waldstein (Dem.) darauf hinge⸗ wiesen hat, daß die Verkürzung der Geltungsdauer den Sinn

dem

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und anderen Gesell 2 ferung von Benzin und Petroleum dem Haushaltsausschusse zur Einsicht

mit tunlichster Beschleunigung chverständigen be⸗

Vorbildung. durch Minister Oeser begangenen Unrechts; Hunderte von bahnern ständen heute auf der Straße. des Achtstundentages müsse erfolgen. seien sogenannte Betriebsräte Arbeiterräte wären. triebsrätegesetzes. verwaltung werde der widerstehen; die Eisenbahner würden sich ihr Recht erkämpfen. Abg. Kotzur (Soz.) bemerkt, daß der frühere Verkehrsminister die Arbeiten des Prüfungsausschusses in keiner Weise erschwert habe. Hierauf nimmt der Reichsverkehrsminister Groener das

C beendet

hat, daß bis zum 1. November 1920 möglichst die ganze Kriegs⸗ sein soll, wird die Vorlage mit

ntrage zu § 1 im übrigen nach den Beschlüssen zweiter

vorzulegen; 2. die Regierung zu er einen aus Mitgliedern des R. Sac stehenden Ausschuß einzuberufen mit der Aufgabe, die technischen und finanziellen Verhältnisse der Reichseisenbahnen zu prüfen und Vor schläge zur Einschränkung des Fehlbetrages mit dem Ziel der Wieder⸗ herstellung eines sich selbst erhaltenden Betriebs zu G Abg. Breunig (U. Soz.) führt Beschwerde darüber, daß die Arbeiten des aus Anlaß der Kapp⸗Affäre eingesetzten Untersuchungs ausschusses von der Resiehe⸗ sabotiert wurden, weil der Verkehrs⸗ nsicht sei, daß der Untersuchungsausschuß un esundheit des Eisenbahnproletariat Sonntags⸗

minister Groener der 2 gesetzlich wäre. Auf Kosten der würden die Eisenbahner gezwungen, Ueberstunden und arbeiten zu leisten. 1 daß nach den Leistungen bezahlt werden müsse und nicht nach der Die Eisenbahner fordern die Wiedergutmachung

s und aus

schen.

Lesung gegen die Unabhängigen Sozialdemokraten im einzelnen und darauf im ganzen definitiv genehmigt. Darauf setzt das Haus die Beratung des Nothaus⸗ haltsplans fort. Bei den Ausgaben für das Reichsverkehrsministerium liegen folgende Anträge vor: 1. die Reichsregierung zu ersuchen, die mit der Standard Oil Co. chaften abgeschlossenen Verträge über die Lieferung

Der Grundsatz müsse aufrechterhalten werden,

vereinigten

gewählt,

die

Macht

Eisen⸗

Die restlose Durchführung Bei der Eisenbahnverwaltung

in Wirklichkeit bloß Die Arbeiter verlangten Anwendung des Be⸗

Die reaktionäre Kaste innerhalb der Eisenbahn⸗ der Eisenbahner

nicht

Wort, dessen Rede wegen verspäteten Einganges des Steno⸗ gramms erst am Montag im Wortlaut veröffentlicht werden

kann. Abg. Bauer (Soz.): Dadurch wird die Ruhe nicht aufrecht

erhalten, daß man auf die Untersuchung der Anschuldigungen ver⸗

zichtet. nahmen,

Die Annahme, daß die Beamten, die am Kapp⸗Putsch teil⸗ durch den 88 des Ministers Oeser gedeckt waren, würde

nicht zutreffen, denn dieser Erlaß verlangte lediglich, daß der Eisen⸗ bahnbetrieb aufrechterhalten ausdrücklich von der Reichsinstanz der Hinweis zugegangen, daß sie sich durch Unterstützung von Kapp des Hochverrats schuldig machen

würden.

wurde.

Es war den

Beamten

auch

Es ist bedauerlich, daß der Ausschuß kaltgestellt worden ist.

Der Etat des Verkehrsministeriums ist angenommen,

Das Haus vertagt sich. räsident Löbe bittet die Mitglieder, sich darauf einzurichten,

Sonnabend

Schluß 7 ½

Mehrheit anwesend seien, da

11 Uhr: Uhr.

noch

ebenso der Etat des Wiederaufbauministeriums.

daß sie noch am Montag und Dienstag in der verfassungsmäßigen eine Reihe von Gesetzen, insbe sondere der Gesetzentwurf über die Entwaffnung der Bevölkerung und der Antrag auf Erlaß eines allgemeinen Amnestiegesetzes, zur Be⸗ ratung

Entwaffnungsvorlage, Verfassungs⸗

änderung, betreffend Helgoland, Nothaushalt (Postverwaltung)

Statistik und Volkswirtschaft. Braustoffverbrauch, Bierversteuerung usw. in den Brauereien der Biersteuergemeinschaft.

Im 4. Viertel des Rechnungsjahrs 1919 sind in den Brauereien

verwendet worden

Gerstenmalz

zu unter⸗ zu ober⸗

gärigem gärigem

Biere Biere dz

Anderes als Gersten⸗ malz

dz

Malz im ganzen dz

untergärig

versteuert und steuerfrei abgelassen warden

Einfachbier

hl

obergãrig

hl

unter⸗ gärig

Vollbier

ober⸗ gärig

Starkbier

unter⸗ gärig

ober⸗ gärig

286

1543 31

651 412 326 182 285 355 961

1 090

10 668 768

3 197 1 081. 2 982 1 788 4 183 2 848 7 245

3 195

17 314 2118

8 503 5 195 5 515 4 833

preußen Westpreußen *) Brandenburg. Pommern. Schlesien. Provinz Sachsen. Schleswig⸗Holstein Hannover. Westfaben 125 074 Hessen⸗Nassau.. 8 253‧% Rheinlannd 22 797

1“¹“ .

346 2 258

360

250 427 294 183 376 176 555

23 176

284 789 25 007

83 377 32 102 48 706 44 066 98 830 60 910 96 446

62 512

241 053 38 161 143 081 121 547 51 563 99 750 251 684

106 906 365 756

3 146 10 993 10

1 417 290 21 730

5 032 5

396 502 15

19 346 231

121 11 96

235

129

35 850

150 077 3 362 12 183 8 235

6 489 364

Preuß. Direktivbezirke 91 797

155 112 12 554 12 767

8 235 7 893

Bayern —. Freistaat Sachsen. Württemberg. Baden.. Hessen. Mecklenburg Thüringen. Oldenburg. Braunschweig 8,evas.“ Bremen..

832 168 285 573

750 1 915

1161

223 135 4 396 11 26 304 130

797 409

2 085 115 86 580 197 871 155 846 76 713

8 315

54 560

1 956

14 349

29 593

8 368 6 534

1 482 013

61 273 221 141 8 698 27 253 35 641 133 343 4 878 25 919 5 012

9 813

9 604 37 145

37 673

66 496 255 537

1 127 35

2 2

13 407 76

57

2 322 161

2 214 645 307 721

188 038 6 834 40 270 34 605 9 813

Hamburg Im Biersteuergebiet 306 823 Im 1. bis 4. Viertel 19192) . . 1 070 707 *) Aus Danzig und Posen liegen nach Direktivbezirken an Stelle der neuen

von Ausfuhrbier. .

b Berlin Juli 1920.

223 653 76 037 7 133]7

730 546 326 092 14 069 27 Angaben nicht vor.

615 894

Statistisches Reichsamt.

3 523 209 14 621 629

Delbrück.

Erhe Militärgerichtsbarkeit sind 300 Bittschriften einge⸗ Cö“ für schaffung. Die gestrige Streichung des § 9 uhte lediglich auf einer Zufallsmehrheit. Wenn der Wind von

2 061 733

119608

10 678 040

275368

12 583 36 908

1 726

2 146

5 722 405

25 618 823

**) Zur Erzielung einer einheitlichen Statistik für 1919 ist die Einteilung Landesfinanzämter beibehalten worden. ¹) Darunter 6 dz amerikanisches Malz zur Herstellung