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(Hört, hört! b. d. Soz.)
giernng vorstellig geworden; bisher fand er immer taube Ohren.
Meine Herren, wenn es nach Herrn Dr. Reineke ging, müßte ich dem Rheinischen Banernverein gegen⸗ über auch noch weiter taube Ohren haben. (Abg. Dr. Reinebe: In diesen drei Monaten ist es nicht mehr nötig, das Gesetz zu machen!) — Sie meinen also, daß ich mich jetzt den Wünschen des Rheinischen Bauernvereins gegenüber taub anstellen soll? Nein, Herr Dr. Reineke⸗ das halte ich mit meinen Pflichten nicht für vereinbar. Wenn alle Kreise der Landwirtschaft diese Aenderung fordern, wenn außerdem vor Jahr und Tag die Aenderungsbedürftigkeit des Gesetzes anerkannt worden ist und wenn auf allen Gebieten des öffentlichen Rechts sich die Umwälzung in einer fortschreitenden Demokratisierung bemerkbar macht, dann halte ich es für unmöglich, daß eine solche, für unser wirtschaftliches Leben so überaus wichtige Berufsvertretung noch länger in einer so rückständigen Struktur bestehen bleibt. (Sehr richtig! b. d. Soz. — Zuruf des Abg. Dr. Reineke.) — Setzen Sie sich doch mit dem Herrn Kollegen Schmidt auseinander. Sie sehen, so unabhängig wie
Sie vom Rheinischen Bauernverein sind, bin ich vom Landarbeiter⸗
verband. Ich vertrete meine Aufgaben als Minister unbekümmert darum, was die einzelnen Korporationen im Lande beschließen.
Meine Herren, es ist hier nun weiter bemängelt worden, daß man mit der Verabschiedung dieses Gesetzes doch Stückwerk machen
würde, und zwar im Hinblick darauf, daß das Reichsrahmengesetz
später eine ganz andere Gestaltung des Gesetzes erheischen könnte. Dazu möchte ich hier folgendes erklären: Ich habe mich bereits im vorigen Jahre, als der vorerwähnte Antrag dem hohen Hause zuging — auch vorher schon hat mich die Frage beschäftigt —, mit dem zuständigen Reichsminister persönlich in Ver⸗ bindung gesetzt, um zu erfahren, ob das Reich beabsichtige, ein Reichsrahmengesetz für die landwirtschaftliche Berufsver⸗ tung zu schaffen. Es ist mir damals erklärt worden: ja, man er⸗ wäge diese Frage, aber zu Entschlüssen sei man noch nicht gekommen. Später hat man mir dann erklärt: jawohl, man gehe mit der Ab⸗ sicht um, im Reichswirtschaftsministerium etwas Derartiges zu machen. Das hat mich mit veranlaßt, die Einbringung der Vorlage so weit hinanszuschieben. Ich habe darauf gewartet, daß das Reich ein entsprechendes Gesetz macht. Aber ich habe bis heute kon⸗ statieren müssen — und einer der Herren hat das auch hervorgehoben, ich glaube, es war Herr Dr. Reineke —, daß man beute zwischen den einzelnen Reichsressorts noch zu keiner Klarheit darüber gekommen sei, in welcher Weise man dieses Reichs⸗ landwirtschaftskammergesetz aufziehen, nach welchen Grundsätzen man dort verfahren solle, ob insbesondere die Arbeitnehmer einbegriffen werden sollen oder nicht. Meine Herren, nach diesen Er⸗ fahrungen habe ich die Befürchtnng, daß man über Jahr und Tag, auch nicht in zwei und drei Jahren, in den Reichsressorts zur Klar⸗ heit darüber kommen wird, was geschehen soll, und ich bin der Ueber⸗ zeugung, daß man so lange den derzeitigen Zustand nicht bestehen lassen kann (sehr richtig! b. d. Soz.), um so mehr, als Bayern und Württemberg nicht auf das Reich gewartet, sondern längst ihre Kammergesetze verabschiedet baben, und zwar Bavern derart, daß es lediglich die selbständigen Landwirte, und Württemberg derart, daß es bei 80 Mitgliedern der Kammer 12 Arbeitnehmervertreter in die Kammern mit einbezogen hat. Ich sehe nun nicht ein, weshalb Preußen warten soll, bis die Reichsressorts sich über den ganzen Aufbau der wirtschaftlichen Organisationen geeinigt haben werden, und so lange den Zustand in den Kammern weiter bestehen lassen soll. Nein, meine Damen und Herren, mir scheint es ein dringendes Gebot der Stunde zu sein, hier schnellstens auch in Preußen eine Aenderung eintreten zu lassen.
Ich nehme auch den Entwurf des Reichslandwirt schaftskammer⸗ gesetzes noch nicht gar zu ernst, wenn ich daran denke, wie er zustande gekommen ist. Es ist von Herrn Abg. Dr. Schreiber schon darauf hingewiesen worden, daß er sich in wesentlichen Grundzügen mit meinem Entwurfe deckt. Meine Damen und Herren, das ist mir nicht verwunderlich, denn ich weiß, daß erst als mein Referentenentwurf; im Reichsministerium bekannt wurde, auf welchem Wege will ich nicht näher erörtern, man schnell den Referentenentwurf des Reichs zusammengeschrieben hat, der sich ja darauf auch als sehr unzulänglich erwies und erst jetzt allmählich in eine erträgliche Form gebracht worden ist. Hätten wir unseren Entwurf nicht sertiggestellt, so hätten wir auch heute noch keinen Referentenentwurf des Reichs, davon bin ich überzengt. Dieser Reichs⸗ entwurf soll jetzt gewissermaßen als Riegel gegen meinen Entwurf vorgeschoben werden. (Zuruf.) — Ja meine Herren, ich halte es allerdings für unser Land nicht gerade für ersprießlich, daß Parteien und einzelne Parlamentarier glauben, ihre Pflicht richtig zu erfüllen, wenn sie versuchen, Reichsministerien gegen preußische Landesministerien auszuspielen. (Sehr richtig) So viel möchte ich nur hierzu sagen. (Zuruf.) Die Herren, die es angeht, werden ja wissen, wen ich damit meine. Doch genug darüber.
Meine Herren, sie werden von mir nicht erwarten, daß ich auf alle die einzelnen Punkte, die hier Gegenstand der Kritik gewesen sind, eingehe. Dies wird Sache der gründlichen Kommissionsberatung sein und ich glaube, viele Anstände, die gegen den Entwurf geltend⸗ gemacht worden sind, werden durch die Aufklärungen meiner Kommissare in dem Ausschuß behoben werden, und Sie werden sich vielleicht zu einer anderen Beurteilung dieser beanstandeten Punkte bewegen lassen.
Ich möchte nur auf den einen Vorwurf noch eingehen, daß ich bei der Ausarbeitung des Entwurfs die landwirtschaften Körperschaften nicht genügend gehört habe. Meine Herren, dem gegenüber muß ich hervorheben, daß bei den Vorberatungen und den vorbereitenden Arbeiten seit Jahr und Tag bereits mit den
landwirtschaftlichen Körperschaften, mit den Landwirtschaftskammern “ worden ist. Diese 88 haben selbst im
vorigen Jahre einen Entwurf eingereicht, und dieser ist bei der Be⸗ arbeitung der Vorlage in meinem Ministerium als Material mit verwendet worden. Es ist dann, als der Entwurf im Ministerium feststand. seine Veröffentlichung zur öffentlichen Kritik für alle land⸗ wirtschaftlichen Körperschaften und alle sonstigen interessierten Kreise erfolgt. Ich habe dann weiter die Landwirtschaftskammern zu einer Beratung in Gemeinschaft mit anderen landwirtschaftlichen Körper⸗ schaften eingeladen; die Landwirtschaftskammern haben es abgelehnt, zu dieser Beratung zu kommen (hört! hört!), sehr gegen die Pflicht, die ihnen durch das Gesetz auferlegt ist. (Zuruf rechts: sie sind nicht vorher gehirt worden!) Ich habe eben gesagt, sie sind vorher auöreichend gehört worden. Aber erft muß ich doch die Vorarbeitrn soweit zum Abschluß bringen, daß ich den Leuten sagen kann, was ich will, bevor ich sie zur Bexatung zuziehe. (Sehr richtig!) Denn
Wenn Sie
wenn ich die Herren zur Beratung zuziehe, dann würden sie doch zunächst fragen: was wünschen Sie denn, worüber sollen wir denn beraten? Also muß ich doch einen fertigen Entwurf vorlegen ⸗ Als dann der Entwurf veröffentlicht worden war und die Kammern eingeladen wurden, hat es ihnen nicht gepaßt zu erscheinen. Ich habe daher auf ihre Mitarbeit verzichten müssen und habe den Ent⸗ wurf im Ministerium auf Grund der Beratungen, die mit anderen Korporationen unter freiwilligem Ausschluß der Landwirtschaftskammern gepflogen worden sind, und auf Grund der an dem Entwurf sonst ge⸗ übten Kritik abschließen und endgültig feststellen müssen.
Meine Herren, noch ein weiterer Punkt. Hier ist die Gruppen⸗ bildung bemängelt worden. Das ist ja einer der Hauptpunkte des Entwurfs. Es ist von einer Seite verlangt worden, paritätisch die Arbeitnehmer und Arbeitgeber bei der Vertretung in der Land⸗ wirtschaftskammer zu berücksichtigen. Meine Herren, wenn man sich vergegenwärtigt, was die Landwirtschaftskammern für einen Zweck haben, so, glaube ich, ist die Forderung nach einer paritätischen Ver⸗ tretung nicht gerechtfertigt. Die Landwirtschaftskammern sollen in der Hauptsache doch fachtechnische Beiräte für das Ministerium und für die Behörden sein, und nun kann man doch nicht sagen, daß die Fachkenntnisse paritätisch in der Landwirt⸗ schaft zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern vertreten sind. sich das vergegenwärtigen, dann glaube ich, läßt sich die Forderung der Parität nicht aufrecht erhalten, um so mehr, als-za dort, wo Arbeitnehmerangelegenheiten besprochen werden, in den Ausschüssen, eine Parität im Gesetz auch vorgesehen ist.
v Es ist weiter verlangt worden, nicht drei, sondern fünf Gruppen zu machen. Wenn man allen örtlichen Verhältnissen Rechnung tragen wollte, würde man zu einer so komplizierten Gruppenbildung kommen, daß in der Tat die Ausführung des Gesetzes — da gebe ich Herrn Grafen von Kanitz recht — sehr lange hinausgeschoben werden würde. Ich glaube, mit der Gruppenbildung wie ich sie vorgeschlagen habe, das Richtige getroffen zu haben. Es wird Sache des Ausschusses sein, auch hier im einzelnen die Dinge einmal eingehend durchzu⸗ beraten; vielleicht läßt sich eine zweckmäßigere Gruppenbildung finden. Vielleicht kommt auch die Mehrheit des Hauses nach dem bayerischen Beispiel dazu, die Arbeitnehmer überhaupt auszuschalten, sie auf selbständige Arbeitnehmerkammern zu verweisen. Dann ist die Sache ganz einfach, dann kann man das allgemeine Wahlrecht anwenden, jedem selbständigen Landwirt eine Stimme geben und ihn wählen lassen. Also, es wird Sache des Ausschusses sein, hier den rechten Weg zu finden.
Das Kooptionsrecht, das von Herrn Abg. Schreiber vermißt worden ist, habe ich in den Entwurf nicht hineinnehmen können, weil das nach meiner Ueberzeugung dem demokratischen Grundsatz, der nun einmal bei der Zusammensetzung der Landwirtschaftskammern zur Geltung kommen soll, widersprechen würde. Wenn man der Kammer das Recht geben wollte, bis zu einem gewisse Grade — es müßte abgegrenzt sein — aus eigener Entschließung, durch Mehrheits⸗ beschluß voll stimmberechtigte Mitglieder einzuberufen, dann würde natürlich sehr leicht das Stimmenverhältnis verschoben werden. Das würde die ganze Struktur der Kammer verändern. (Zuruf rechts.) — Herr Abg. Graf von Kanitz meint, mit beratender Stimme sollten diese Mitglieder zugezogen werden. Ja, meine Damen und Herren, das Recht besteht heute schon und wird später in der Praxis auch ausgeübt werden. Die Landwirtschaftskammern haben heute schon das Recht und machen in weitge hendstem Maße davon Gebrauch, Sachkundige aus allen Gebieten zu Vorträgen und Erörterungen bei ihren Versammlungen und engeren Sitzungen heranzuziehen. Das werden sie auch in der Zukunft tun. Dazu branchen wir kein Kooptionsrecht. Das käme nur in Frage, wenn Mitglieder mit vollen Rechten zu den Kammern einberufen werden sollen.
Auch gegen die Kreislandwirtschaftskammern sind Einwände geltend gemacht worden. Da möchte ich nur darauf hinweisen, daß die ja nur fakultativ sfind. Dort, wo man sie entbehren zu können glaubt, wo das lokale Vereinswesen so gut ausgebildet ist, daß man glaubt, ohne die Kreiskammern auskommen zu können, da werden eben die Landwirtschaftskammern davon Abstand nehmen. Es wird ihnen ja nicht obligatorisch durch das Gesetz aufgezwungen. Ich möchte gegenüber den Ausführungen des Herrn Abg. Dr. Reineke nur darauf hinweisen, daß z. B. Herr Dr. Asmis — ich glaube, er ist Geschäftsleiter der schleswig⸗holsteinischen Landwirtschaftskammer — in einer öffentlichen Besprechung des Entwurfs eben gerade diese Bestimmung begrüßt. Also Sie sehen, daß in der Landwirtschaft das sachkundige Urteil über diese Bestimmung sehr verschieden ist. Jeden⸗ falls, wo die Notwendigkeit, Kreiskammern einzurichten, besteht, wird man sie einrichten und dort fortlassen, wo man sie entbehren kann.
Gegen die Hauptlandwirtschaftskamm er für das Land ist der Einwand erhoben, daß das zu einer Ueberomanisation führe. Meine Herren, davon, glaube ich, kann keine Rede sein. Wenn organisch diese bernfsständische Vertretung aufgebaut werden soll, dann setzt sie auch eine Hauptlandwirtschaftskammer für das ganze Land voraus⸗ Daß in die Hauptlandwirtschaftskammer nicht Personen gesandt werden sollen, die bereits im Vorstande oder in der Leitung einer Provinziallandwirtschaftskammer sitzen, meine Herren, das ergibt sich daraus, daß dieser Hauptlandwirtschaftsäammer durch das Gesetz Funktionen eingeräumt werden dahin gehend, daß sie als zweite Instanz gegen die provinziellen Landwirtschaftskammern auf den ver⸗ schiedensten Gebieten wirken muß. Ich bin auch der Ueberzeugung, daß der landwirtschaftliche Beruf doch in jeder Provinz mindestens nicht nur einen tüchtigen Mann, den er an die Spitze der Landwirt⸗ schaftskammer setzt, sondern noch einen zweiten aufbringen wird, der in die Hauptlandwirtschaftskammer entsandt werden kann. Ich halte es sogar für sehr gut, wenn nicht, wie es heute der Fall ist, die ein⸗ zelnen führenden Personen der Landwirtschaft in allen Körperschaften in Kreis, Provinz und auch im Lande sitzen und demgemäß so wenig Personen zu dieser Tätigkeit herangezogen werden. (Sehr richtig!) Ich halte es für einen großen Vorzug wenn zur Hauptlandwirt⸗ schaftskammer Männer herangezogen werden müssen, die nicht in den Leitungen der Provinziallandwirtschaftskammern sitzen und sich in der Hauptlandwirtschaftskammer eher einen weiteren Blick verschaffen können. Daß die Landwirtschaft genügend derartig befähigte Leute aufbringen wird, das glaube ich bestimmt. —
Was die Fachkammern anlangt, so können allerdings Zweifel auftauchen, ob die Lösung, die ich in dem Entwurf versucht habe, tat⸗ sächlich allen berechtigten Wünschen gerecht wird. Das eine müssen Sie sich vor Augen halten: gerade diese fachlichen Berufsgruppen⸗
die in imniger Berührung mit der Landwirtschaft stehen, habenseit 3
Jahren Gewicht darauf gelegt, auch eine mehr selbständige Ver⸗ tretung in Kammern in haben; die Fachausschüsse der Landwirt⸗
schaftskammern haben ihnen nicht genügt. Die Art, wie diese Dinge z. B. die Gärtnereisachen, die Forstsachen, dit Fischereisachen usw., in der Landwirtschaftskammer gehandhabt worden sind, genügte den berechtigten Ansprüchen der in diesen Fächern tätigen Berufs⸗ angehörigen nicht.
Nun stehen wir vor der Frage: sollen wir selbständige Kammern gleich den Landwirtschaftskammern für Forstwirtschaft, Gartenbau Fischerei machen? Das würde viel eher zu einer Uebevorganisation führen, die Herr Graf Kanitz bekämpfte, als die selbständigen Fach⸗ kammern in Anlehnung an die Landwirtschaftskammer. Das gilt insbesondere auch für die Fischerei. Fischereivereine sind allerdings bei mir vorstellig geworden und haben gewünscht, daß sie überhaupt herausgelassen werden. Gleichzeitig haben sie aber auch gewünscht, selbständige Kammern zu bekommen. Das würde ich für eine ent⸗ behrliche Ueberorganisation halten. Ich habe den Fischern in der Konferenz, die Herr Graf Kanitz erwähnte, und über die ihm offenbar eine irrige Mitteilung zugegangen ist, in bezug auf die Einbeziehung der Fischerei, nicht nur der Küstenfischerei, nach dem mir vorliegenden Protokoll zum Schluß etwa folgendes ausgeführt:
Bis zur endgültigen Verabschiedung des Gesetzes könnten die Wünsche der Fischerei noch berücksichtigt werden. Ich beharre keineswegs darauf, daß die Fischerei in das Gesetz auf jeden Fall einbezogen werden muß. Es bedarf doch aber sorgfältiger Ueber⸗ legung, ob es sich nicht empfehlen würde, die jetzt sich bietende Möglichkeit, zu einer berufsständischen Vertretung zu kommen, zu benutzen. Wird sie von den Fischern versäumt, so könnte es lange dauern, bis sie zu einer eigenen Vertretung kommen.
Das habe ich den Fischern vorgehalten, und sie sind zu der An⸗ sicht gekommen, daß es besser sei, jetzt ihre Vertretung in den Land⸗ wirtschaftskammern zu bekommen, als auf lange Zeit ohne berufs⸗ ständische Vertretung zu bleiben.
Nun noch ein Wort zu den so scharf angegriffenen Be⸗ stimmungen, die angeblich das Selbstbestimmungsrecht der Kammer dieser Selbstverwaltungskörper beeinträchtigen sollen: Wenn in den Gesetz im Gegensatz zu dem Wortlaut des bisherigen Gesetzes eine gewisse Erweiterung der Aufsichtsbefugnisse vorgesehen ist, so erhellt das daraus, daß in der Tat den Landwirtschaftskammern jetzt auch weitergehende Rechte eingeräumt werden, aber auch weiter daraus, daß das, was bisher Uebung war, weil es sich als dringendes Bedürfnis in der Praxis herausgestellt hatte, jetzt ins Gesetz hineingeschrieben wird. Die Kammern bekommen jetzt ein sehr viel weitergehendes Besteuerungsrecht, nicht nur insofern als der Kreis der Besteuerten erheblich vergrößert wird, sondern auch materiell in⸗ sofern, als sie sehr viel höhere Beiträge aus eigener Entschließung ohne an die Genehmigung der Aufsichtsbehörde gebunden zu sein, er⸗ heben können. Sie konnten früher ½ % des Grundsteuerreinertrages ohne Genehmigung der Aufsichtsbehörde erheben, in Zukunft 1 % weiter 10 ₰ pro Hektar Ackerfläche, 5 ₰ pro Hektar Forstfläche und 1 ℳ für jede beschäftigte Person. Das können sie ohne Zustimmung der Aufsichtsbehörde erheben, erst darüber hinaus müssen sie die Zustimmung der Aufsichtsbehörde haben. Diese Steuern erheben sie auf Grund ihrer öffentlich⸗rechtlichen Stellung. Ich will nur an einem Beispiel zeigen, wie das Besteuerungsrecht höher geworden ist. In Ostpreußen hat nach den früͤheren Bestimmungen die Kammer 130 000 ℳ ohne Zustimmung erheben können, nach dem neuen Gesetz würde sie 1,5 Millionen Mark erheben können, ohne an die Zustimmung der Aufsichtsbehörde gebunden zu sein.
Eine solche Erweiterung des Rechts dieser Selbstverwaltungs⸗ körper setzt voraus, daß auch die Aufsichtsbehörde, die schließlich mit ihrer Autorität hinter der Kammer stehen muß, bei der Einziehung dieser Beiträge, sich auch bei der Geschäftsführung, also bei der Ver⸗ wendung dieser Mittel, ein ausreichendes Aufsichtsrecht sichert.
Herr Dr. Reinecke hat es nun geradezu als eine Knebelung der Selbstverwaltungskörper bezeichnet, daß nach dem Gesetz die Aufsichtsbehörde besondere einheitliche Grundsätze für das Kassen⸗ und Rechnungswesen aufstellen kann. Da möchte ich doch darauf aufmerksam machen, daß sich das schon jeht als unbedingt notwendig herausgestellt hat. Wie soll denn die Aufsichtsbehörde eine wirksame Kontrolle ausführen, wenn sie nicht einheitliche Grundsätze für die Kassen⸗ und Rechnungsführung auf⸗ stellen kamn? (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten und Deutschen Demokraten.) Da kann man von einer Knebelung dieser Selbst⸗ verwaltungskörperschaften doch nicht reden. Zudem kommt hinzu, daß die Landwirtschaftskammern in großem Umfange mit Staatsmitteln arbeiten, und daß der Staat, der ihnen so große Mittel zur Ver⸗ fügung stellt, doch das Recht haben muß, wenigstens Grundsätze für die Rechnungs⸗ und Kassenführung aufzustellen; ohnedem könnte er sich ja wegen der Verwendung der Gelder gegenüber der Ober rechnungskammer nicht rechtfertigen. (Sehr wahrl! links.)
Ebensowenig kann von einer Knebelung der Selbstverwaltung bei der im Gesetzentwurf vorgesehenen Disziplinargewalt der Aufsichtsbehörde über den hauptamtlich angestellten Vorsitzenden die Rede sein. Es ist bemängelt worden, daß überhaupt der Vor⸗ sitzende als Beamter angestellt werden soll. Dem gegenüber möchte ich darauf hinweisen, daß es sich schon jetzt hier und da bei den Landwirtschaftskammern als notwendig herausgestellt hat, dem Vor⸗ sitzenden, dessen ganze Kraft für die Landwirtschaftskammer in Anspruch genommen wird, eine so hohe Aufwandsentschädigung zu zahlen, daß er gewissermaßen als besoldeter Beamter zu gelten hat, wenn er das auch formell nicht sein konnte, weil das Gesetz vorschreibt, daß der Vorsitzende ehrenamtlich tätig sein muß. Wenn mun aber in Zukunft auf Grund des neuen Gesetzes die Landwirt⸗ schaftskammern anders zusammengesetzt werden und es vielleicht den Kammermitgliedern nicht immer angebracht erscheint, einen Mann zum Vorsitzenden zu wählen, der in seinem Vermögen und seiner Wirtschaft so gestellt ist, seine ganze Kraft der Kammer widmen zu können, ohne auf Besoldung angewiesen zu sein, dann liegt es auf der Hand, daß man der Kammer auch die Möglichkeit geben muß⸗ den Vorsitzenden voll zu besolden, damit sie aus dem Kreise der Land⸗ wirtschaft den fähigsten und tüchtigsten Mann auswählen kann, ohne Rücksicht auf seine Vermögens⸗ und Wirtschaftsverhältnisse. (Zu⸗ stimmung bei den Sozialdemokraten und Deutschen Demokraten.) Wenn aber der Vorsitzende so gestellt wird, dann muß er natürlich auch der Disziplinargewalt der Aufsichtsbehörde unterliegen. 1
Das gleiche gilt für die übrigen Beamten. Aber ich will jetzt auf diese Einzelheiten nicht weiter eingehen, das würde zwwweit führen. Nur noch eins!
Eortse
in der Zweiten Beilage.)
Es ist auch daran Anstoß genommen worden, daß den Kammern die Verpflichtung auferlegt werden soll, die Regierung zu ihren Sitzungen einzuladen. Ich möchte darauf hinweisen, daß im Bauern⸗ kammergesetz in Bayern dieselbe Bestimmung enthalten ist, daß das außerdem einer bisher praktisch längst bestehenden Uebung entspricht, somit gar nichts Neues ist. Für eine sachgemäße Ausübung des Auf⸗ sichtsrechtes ist eine solche Bestimmung unbedingt erforderlich. Sie wird jetzt in das Gesetz aufgenommen, damit es nicht dem Belieben
einzelner Kammern überlassen wird, ob sie den einen oder anderen
Gegenstand vielleicht ohne Anwesenheit eines Vertreters der Auf⸗ sichtsbehörde erledigen wollen.
Zum Schluß noch das eine: Es ist auch hier wieder, wie schon bei anderen Gelegenheiten, in der Oeffentlichkeit Kritik daran geübt worden, daß für die Grenzmark nicht eine besondere Land⸗ wirtschaftskammer vorgesehen ist, sondern daß die Grenzmark den benachbarten Landwirtschaftskammern zugeteilt werden soll. Herr Graf Kanitz meinte, wir hätten alle doch schließlich die Hoffnung, daß diese Landesteile noch einmal zum Mutterlande zurückkehren, und wir sollten diese Hoffnung nicht dadurch trüben, daß wir jetzt bei diesen wirtschaftlichen Organisationen eine Teilung vornehmen. Ich möchte bitten, diesen politischen Gesichtspunkt hier ganz außer Betracht zu lassen, und möchte Ihr Augenmerk nur darauf lenken, ob Sie es für zweckmäßig und praktisch halten, für den Landfetzen, der uns leider nur bleibt und der geographisch und wirtschaftlich nicht den geringsten Zusammenhang mehr hat, eine selbständige Landwirtschaftskammer zu schaffen. Ich habe eine Karte anfertigen lassen, aus der sich mit aller Deutlichkeit ergibt, wie sich die Dinge gestalten; wenn Sie sich diese Karte einmal ansehen, so werden Sie alle zu der Erkenntnis kommen, daß es unmöglich ist, für diese Gebiete eine selbständige Kammer zu schaffen. Sondern die einzig mögliche Lösung ist die, diese einzelnen Landesteile an die benachbarten Kammern anzu⸗ gliedern. Wenn die Landesversammlung später einmal zu dem Ent⸗ schluß kommt, diese Grenzmark zu einer besonderen Provinz zu machen —, ich hoffe noch immer, daß das verhindert wird, denn wir haben jetzt nicht mehr die Mittel, uns einen solchen Luxus zu leisten, und es wäre ein Luxus, wenn wir ein so lebensunfähiges Verwaltungsgebilde schaffen wollten, — so steht dem nichts im Wege, auch für dieses Gebilde eine Kammer zu schaffen. Jetzt aber müssen wir Vorsorge treffen, daß die Reste dieser früheren Kammerbezirke an die benachbarten Kammern ange⸗ schlossen werden. Ich hoffe zum Schluß, daß es bei eingehender Beratung im Ausschuß, die meiner Auffassung nach auch beschleunigt werden kann, gelingen wird, etwas Brauchbares zu schaffen, so daß der
8 jetzige unhaltbare Zustand schnellstens beseitigt wird. Ich glaube kaum,
daß die verfassunggebende Landesversammlung auseinander gehen kann,
ohne die Verfassung dieser so wichtigen Berufsorganisation von Grund
auf zu ändern. Sollte es sich als unmöglich erweisen, das ganze Gesetz in all seinen Teilen im Ausschuß noch fertig zu machen, so wird zu erwägen sein, ob nicht schließlich durch ein kürzeres Gesetz das Wahlrecht und damit die Zusammensetzung der Kammern ge⸗ ändert und der übrige Teil des Gesetzes bis auf später hinausgeschoben werden kann. Das wird aber Sache der Ausschußberatung sein. Ich hoffe, daß durch die Aufklärungen, die im Ausschuß gegeben werden, es möglich sein wird, den laut gewordenen Widerstand gegen das Gesetz zu beheben, so daß es noch vom Hause verabschiedet werden kann. (Bravo!)
„Abg. Klaußner (U. Soz.): Auch wir müssen uns mit aller Entschiedenheit gegen die weitere Hinauszögerung einer Reform der Landwirtschaftskammern erklären. ir be⸗ grüßen die Vorlage, wenn wir auch nicht verhehlen können, daß sie noch sehr erhebliche Mängel aufweist. Insbesondere müssen wir bemängeln, daß durch die Einteilung in drei Gruppen dem Großgrundbesitz nach wie vor ein Einfluß eingeräumt wird, wie er ihm nicht zukommt. Es ist kaum zu glauben, daß dies von einem Ministerium vorgeschlagen wird, von dem man glaubt, daß ein Sozial⸗ demokrat an seiner Spitze steht. Ferner verlangen wir, daß das Wahlrecht noch viel weiter ausgebaut wird und daß die Funktions⸗
dauer, die nach dem Entwurf sechs Jahre betragen soll, wesentlich
herabgesetzt wird. Die Vorlage muß mit aller Energie durchgearbeitet und verabschiedet werden. Dadurch werden die Neuwahlen auch nicht einen länger hinausgeschoben. Das würden auch wir nicht wünschen, da wir ebenfalls danach streben, daß die Stimmung draußen im Lande auch in der Zusammensetzung dieses Hauses deutlich zum Ausdruck kommt. (Große Heiterkeit rechts. Zuruf: Wer lacht dal)
Abg. Stendel (D. V.): Wir wissen heute noch nicht einmal, ob das Reichsrahmengesetz nicht gesonderte Arbeits⸗ kammern schaffen wird. Geschieht dies, dann werden alle Beschlüsse, die wir jetzt hier fassen, vollkommen hinfällig. Darum ist es doch wahrlich unrecht, jetzt ein Gesetz zu verabschieden das man vielleicht nach ein paar Monaten wieder ändern muß. Au⸗ wir erkennen an, daß das bestehende reformbedürftig ist und auch wir wollen, daß der Einfluß der kleinen Bauern und der Landarbeiter in den Land⸗ wirtschaftskammern zur Geltung kommt. Aber wir können nicht anerkennen, daß dies so dringlich sein soll, daß wir noch jetzt dieses Gesetz machen müssen. Gegen die Einteilung in drei Gruppen habe auch ich Bedenken. Insbesondere deshalb, weil die Angestellten in der Gruppe der Arbeitnehmer ganz verschwinden würden. Der Einfluß der Aufsichtsbehörde nach dem Entwurf ist viel zu weitgehend. Unsere Bauern wollen von einem Zwang jetzt gar nichts mehr wissen und deshalb ist es unzeitgemäß, in einem neu zu erlassenden Gesetz wieder einen derart weitgehenden behördlichen Zwang vorzuschreiben. Ueber die Einzelheiten wird jedenfalls im Ausschuß noch viel zu
sprechen sein. Damit E. die Aussprache. Der Entwurf
geht an den Landwirtschaftsausschuß.⸗
Hierauf setzt das Haus die zweite Beratung des Staatshaushalts für 1920 bei der Handels⸗ und Gewerbeverwaltung fort.
Abg. Haberland (Soz.): Der von der heutigen bürgerlichen Mehrhenh im Reichskabinett durchgeführte Abbau der Zwangswirtschaft hat die Ernährung der breiten Massen schon jest aufs schwerste ge⸗ fährdet. Die Preise für eine Reihe der notwendigsten Nahrungsmittel, wie Zucker, Fleisch, Kartoffeln. sind sprunghaft in die Höhe gegangen und für viele unerschwinglich geworden. Der Zusammenbruch ist unaus⸗ bleiblich, wenn es bei diesem verhängnisvollen Wirtschaftssystem bleibt. Die Bergarbeiter, von deren Wohl und Wehe das Schicksal
Deutschlands abhängt, sind besonders schlimm davan. Gegen die 1
hohen Abfindungen, die die Standesherren für die Aufgabe ihr Fgregals erhalten sollen, müssen wir auch soebe 8. stieren. Mit der Foalisienung des Bergbaus muß endlich Ernst ch werden. Unser Fach⸗ und Fortbildungsschulwesen muß durch orglichste Förderung wieder auf die Höhe gebracht werden, die es vor Kriege innehatte. Die Berufsberatung und die Arbeitsvermitt⸗ lung sind nach dem Kriege Aufgaben von höchster Bedeutung für unser Handelsministerium und für die Kommunalverwaltungen geworden; insbesondere ist der Ausbau des Arbeitsnachweises eine dringende Notwendigkeit. Dasselbe gilt von der Förderung der Bautätigkeit und des Wohnungswesens, soweit dieses Ressort dafür zuständig ist. Von einer Feindschaft der Sozialdemokraten gegen Handwerk und Kleingewerbe ist keine Rede; wir wollen nur nicht den Kampf zwischen Groß⸗ und Kleinbetrieb auf dem Rücken der Arbeiterschaft ausfechten lassen. Die Klogen über die bureaukratische Schwerfälligkeit in den Stlaatsbetrieben und Staatsanstalten wollen nicht verstummen; bei der Porzellanmanufaktur scheint dieser Mißstand auch das materielle Ergebnis direkt ungünstig zu beein⸗ lussen. Die Vermachrung des Personals der Gewerbeinspektion durch Hilfskräfte aus den Kreisen der Arbeiterschaft erfolgt noch immer nicht in dem gebotenen Umfange. Mit dem Abbau der Löhne darf erst begonnen werden, wenn der Abbau der Preise bei den Rohstoffen und Halbfabrikaten zur Tatsache geworden ist. Den Anträgen von deutschnationaler und Zentrumsseite, die auf eine Beschränkung der Gewerbesteuerzuschläge auf eine gewisse Höhe hinauslaufen, können wir nicht zustimmen. Wir massen vielmehr an einen Steuerausgleich zugunsten der ärmeren Gemeinden denken.
Um 6 ½ Uhr wird die Weiterberatung auf Mittwoch, den 27. Oktober, 2 Uhr vertagt.
Land⸗ und Forstwirtschaft.
Die Oktobertagung der Deutschen Landwirt⸗ schaftsgesellschaft,
die den Zeitverhältnissen entsprechend außerordentlich gut besucht war, brachte den einmütigen Willen der deutschen Landwirte zum Ausdruck, trotz der steigenden Betriebsschwierigkeiten in den Grenzen der Mög⸗ lichkeit zu einer Produktionssteigerung zu gelangen, die die Ernährung der Bevölkerung sicherstellt und zu einer Festigung der Verhältnisse beiträgt. Ebenso allgemein war aber auch der Wunsch, daß die Re⸗ gierung den berechtigten Forderungen der Landwirtschaft entgegen⸗ 1 und ihr die Durchführung und Wiedereinrichtung des Betriebs erleichtere.
Besonders deutlich trat dieser Wunsch in der Versammlung der Düngerabteilung in Erscheinung, in der das Für und Wider der Preispolitik erörtert und die Notwendigkeit betont wurde, daß noch im Laufe des Winters die Frage geklärt werde, wieweit künstliche Düngemittel unter erträglichen Bedingungen zu beschaffen seien und so auf deutschem Boden den Milliardenkosten der Auslandsnahrungsmittel entgegenzuwirken sei. “
Das wachsende Interesse, das sich für die Einführung der Brache bekundet, trat in zwei Vorträgen der Betriebsabteilung hervor. Unter günstigen klimatischen Verhältnissen und auf ge⸗ eigneten Bodenklassen läßt sich die Bodengare durch Teilbrache er⸗ halten, während unter ungünstigen Verhältnissen Massenerträge nur mit Hilfe der Vollbrache zu erzielen sind.
Die Ernteverluste, die in den letzten Jahren durch die ver⸗ schiedenen Brandkrankheiten entstanden sind, lassen das Beizen des Getreides als eine unbedingt notwendige Maßregel erscheinen. Hier trat die Versammlung der Saatzuchtabteilun 9 auf den Plan und erörterte die wirksamsten Beizeinrichtungen und Beizapparate.
Die ungemein verheerenden Wirkungen der Viehseuchen, die gerade in den letzten Monaten sich in den verschiedensten Gegenden ausgebreitet haben, waren die Veranlassung dazu, in der Tier⸗ zuchtabteilung die neuen Heilverfahren zur Bekämpfung der parasitären Erkrankungen unserer Haustiere, gleichzeitig aber auch die seuchenhaften Krankheiten im Schafablammstall unter Benutzung von Lichtbildern zu besprechen.
In Verbindung damit erörterte die Futterabteilung die Aufgaben, die sich die Versuchswirtschaft Ruhlsdorf zur Verbesserung der Schweinehaltung gestellt hat. Eine Besprechung der Entbitterung der Lupinen als eines wertvollen Eiweißfutters und der Beckmannschen Strohaufschließung auf kaltem Wege ergänzte die Behandlung der wichtigen Fragen der Fütterung.
In der Geräteabteilung wurde die Lage des Marktes der landwirtschaftlichen Maschinen, eine Frage, die in den „Mit⸗ teilungen der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft“ auf Grund ein⸗ gehender Untersuchungen einleitend erörtert worden war, in ihrer Bedeutung für den deutschen Landwirtschaftsbetrieb klargelegt.
Die Ackerbauabteilung trug ihren Teil zur Klärung des Kunstdüngermarktes und der Maschigenbercvendun bei.
Die koloniale SGe bildete den Hauptgegenstand der Beratungen der Kolonialabteilung, in der auch die Verhältnisse der einzelnen Kolonien mit warmer Liebe zur kolonialen Sache ge⸗ schildert wurden. 8
Die Hauptversammlung, in der die Besprechung der Er⸗ sparnis an menschlicher Arbeitskraft durch Auswahl der Fruchtarten und eine Aussprache über die Maul⸗ und Klauenseuche auf der Tages⸗ ordnung standen, gab zu Anfang der Sitzung ein eindringliches Bild von der Tätigkeit der Deutschen Landwirtschastsgesellschaft, die in ihrem Jahresbericht mit Recht betonen konnte, daß sie troß der fort⸗ dauernden Unsicherheit der politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse ihre Wirksamkeit auf fast allen Arbeitsgebieten in verstärktem Maße wieder aufgenommen hat.
Verkehrswesen.
Gelege 8 ner Tagung des Reichsbun eutscher Tech beipaig am 22. Oktober sprach Ministerialdirektor Dr. Bredow über das Telegraphen⸗ und Fernsprechwesen. Der Redner wies auf die ernste Lage der Post⸗ und Telegraphenverwaltung hin, die durch das Defizit von 2 Milliarden im Rechnungsjahr 1920 gekennzeichnet wird. Vor dem Kriege sei ein Ueberschuß von mehr als 50 Millionen Mark erzielt worden. Die Verwaltung ist zwar bestrebt gewesen, die Betriebskosten moöglichst niedrig zu halten, aber die sich ständig steigernden Kosten für Baustoffe, Maschinen und Amtseinrichtungen sowie die Erhöhung der Gehälter und Löhne haben einen wirtschaftlichen Betrieb unmöglich gemacht. Die Löhne 8 um das 6— 8 fache höher als früher. Die Preise für Eisendraht sind Dum mehr als 3000, Kupferdraht 1200, unterirdische Kabel 2000, Kabel für Inneneinrichtungen 3— 4000 Fernsprechapparate 2 — 3000 vH estiegen. Das Telegraphen⸗ und Fernsprechwesen hat ganz be⸗ onders hart unter den heutigen Betriebs⸗ und Preisverhältnissen zu leiden. Die Telegraphen⸗ und Fernsprecheinrichtungen sind durch die nach Kriegsende 11 Verkehrssteigerung bis zur Grenze des Zusammenbruchs belastet und müssen schleunigst erweitert werden. Die neueinzurichtenden Anschlüsse, Fernsprechämter und Telegraphenämter und die Aufrechterhaltung des laufenden Be⸗ triebes, namentlich die infolge des Krieges dringend erforder⸗ liche Instandsetzung und rrneuerung aller etriebsmittel, insbesondere des neun Millionen Kilometer Drahtlänge ent⸗ haltenden Leitungsnetzes verursachen so ungeheure Kosten
Nauf weiteres 900 vH beträgt.
sie durch Gebühreneinnahmen nicht gedeckt werden könnten. Die An⸗ lagekosten eines Fernsprechanschlusses einschl. der anteiligen Verwaltungskosten betrugen 1914 in einem Netze von der Ausdehnung Berlins etwa 800 ℳ und sind jetzt auf etwa 11 000 ℳ gestiegen. Die Aufwendungen für die Unterhaltung und den Betrieb eines derartigen Anschlusses haben sich gegenüber der Vorkriegszeit etwa verzehnfacht. Demgegenüber sind die Gebühren im allgemeinen nur um das Vierfache erhöht worden. In Berlin z. B. beträgt die Pauschgebühr 800 ℳ, während die Verwaltung das Mehrfache an Unkosten aufwenden und allein in dieser Stadt etwa 100 Millionen bei den Pauschgebührenanschlüssen zusetzt. Der Redner brachte noch eine Reihe von weiteren Zahlen, die das Milliardendefizit der Verwaltung verständlich machen und wies darauf hin, daß man vor der Entscheidung steht, entweder Telegraphie und Fernsprecherei in ihrem heutigen Zustande weiterhin auf Kosten aller Steuerzahler mit Riesenverlusten zu unterhalten oder sie wieder auf ihre frühere Leistungsfähigkeit zu bringen und wirtschaftlich auf eigene Füße zu stellen. Das Interesse der Allge⸗ meinheit zwingt dazu, den letzteren Weg zu gehen. Dann müssen aber vor allen Dingen die Leistungen der Verwaltung und der Nutznießer der staatlichen Betbiebsein⸗ richtungen, die se hon seit Jahren sich in einem Mißverhältnis befinden, wieder in Einklang miteinander gebracht werden. Hierzu soll ein in Vorbereitung befindlicher Fernsprechtarif dienen, der auf wirtschaftlichen und so ialen Grundsätzen aufgebaut wird. In Aussicht genommen ist die Erhebung einer Anschlußgebühr und außer⸗ dem einer Gesprächsgebühr, die in mehreren Stufen nach der Zahl der vermittelten Gespräche gestaffelt wird. Die Vielsprecher werden mehr zu zahlen haben als die Wenigsprecher, was bei der jetzigen ütccr zum Schaden des Betriebs und der Allgemeinheit nicht der Fall ist. Die Gesamtgebühr wird also durch den Grad der Be⸗ eeeüböücbte. nd der tatsächlichen Benutzung des Fernsprechers bes immt. Bei Festsetzung der Gebühren wird auf die Presse besondere Rücksicht genommen werden. Die bisherige Pauschgebühr muß künftig ganz fortfallen, denn sie wirkt in wirtschaftlicher und betriebstechnischer Beziehung verheerend und benachteiligt die wenig sprechenden Teilnehmer zugunsten der Vielsprecher. Der einmalige Fern sprechbeitrag von 1000 ℳ für den Hauptanschluß und 200 ℳ für den Nebenanschluß ist am 1. Oktober erhoben worden. Ein großer Teil der Teilnehmer hat sich der Vermittlung der Volksversicherung oder anderer Institute bedient, die den Betrag von 1000 ℳ gegen eine Jahresgebühr von 30 — 35 ℳ vorstrecken. Der Verwaltung fließt auf diese Weise ein Betrag von 1,2 Milliarden Mark zu, den sie mit 4 % verzinfen muß. Der Redner erinnerte an die Mißstimmung, die durch die neuen Fernsprechgesetze bei den Teilnehmern ausgelöst ist. Er hält die ein⸗ eleitete Protestbewegung für durchaus unberechtigt. Der jetzige Ge⸗ ührentarif ist zwar unpraktisch und wird verschwinden, aber die Höhe der Gebühren entspricht noch nicht annähernd der Geldentwertung, aus der alle Preise sich zwangsläufig ergeben. Die Fernsprechzwangs⸗ anleihe von Giesberts ist eine Tat, die man anerkennen sollte, denn ohne sie würde das Fernsprechwesen unweigerlich zusammenbrechen. Der ein⸗ kommende Betrag reicht vielleicht gerade hin, um den Betrieb notdürftig wieder in Ordnung zu bringen; für die dringend nötigen Erweiterungen sind weitere Mittel 18 In Frankreich und England hat der Krieg ebenso verheerend auf das Fernsprechwesen eingewirkt, wie in Deutsch⸗ land, und die Verwaltungen haben für die Wiederherstellung ähnlich hohe Summen erhalten, wie sie die Reichstelegraphenverwaltung benötigt. Die seit der letzten Gebührenerhöhung erfolgten Kündi⸗ “ betragen etwa 6,7 vH aller Anschlüsse (123 000). An euanmeldungen liegen insgesamt 111 000 vor. Der Redner wies darauf hin, daß die Verwaltung mit Rücksicht auf die Finanzlage bei der zukünftigen Gebeigrentes kane e⸗ nötigt sei, bis an die äußerste Belastungsgrenze des Verkehrs zu gehen, wenn sie einen Abbau des Fehlbetrags und eine Gesundung der Finanzen erreichen will. Der Redner ist der Ueberzeugung, daß das Herauskommen aus der Defizitwirtschaft, angemessene Gebührensätze vorausgesetzt, in absehbarer Zeit möglich sein wird, wenn die innenpolitischen Verhältnisse stabil⸗ bleiben und die Beamten und Arbeiter die Verwaltung unter An⸗ spannung aller Kräfte bei ihrem Bestreben, den Betrieb zu ver⸗ bessern und zu verbilligen, unterstützen. Die Wiederher stellung des Telegraphen⸗ und Fernsprechbetriebs ist in vollem Gange, schon jetzt spürt man hier und da eine kleine Besserung. Die größeren Arbeiten, wie Herstellung neuer Linien, Aemter und dergl. gehen jedoch unter den heutigen Ver⸗ hältnissen so langsam vor sich daß es noch Jahre dauern wird, bis die deutsche Fernsprecherei wieder ihre alte Höhe erreicht. Mit der neuen Gebührenordnung werden wichtige Veränderungen der alten ECö Hand in Hand gehen, die der Entwicklung des ernsprechers freie Bahn schaffen und eine Reihe neuer Einnahme⸗ quellen ersch ließen. Die Einführung neuer Betriebsmethoden und technischer Verbesserungen werden allmählich die Leistungs⸗ fähigkeit des Betriebs heben und eine wirtschaftlichere Ausnutzung der Betriebsmittel ermöglichen. Anschließend ging der Redner auf die Telephonsünden des Publikums ein, durch die eine nicht unerhebliche Besserung des Stadtfernsprechverkehrs hintangehalten werde. Das Publikum müsse deshalb auch hier die Verkehrsdisziplin sich noch mehr zu eigen machen, ohne die ein möglichst reibungsloser Betrieb auch im Straßenbahn⸗, Hochbahn⸗ und Stadtbahnverkehr nicht durchführbar sei. Der Redner sprach schließlich im einzelnen über die eingeleiteten organisatorischen und technischen Maßnahmen und forderte zum Schluß die deutsche Technik zur Mitarbeit auf.
Handel und Gewerbe.
— Vom Reichsfinanzministerium wird dem „W. T. B mitgeteilt, daß das Goldzollaufgeld vom 10. November 1920 ab b — Der Metallwirtschaftsbund hat laut Meldung des „W. T. B.“ aus Berlin folgende Beschlüsse gefaßt: 1) Die Einfuhr von Rohmetallen, die in Deutschland hergestellt werden, wird nur dann erlaubt, wenn deutsche Firmen nicht in der Lage sind, zu gleichen Preisen, gleichen Bedingungen und gleicher Qualität zu liefern; anderenfalls wird die Einfuhr nicht zugelassen. II) Die bisherigen Beschlüsse des M. W. B. für die Ausfuhr bleiben für die Monate November und Dezember 1920 be⸗ stehen. Entsprechend den Beschlüssen vom 26. 1 wird bestimmt, daß 50 vH der am 20. Oktober 1920 bei den Firmen vorhandenen Zinkzünderlegierung, Aluminiumlegierung und Aluminium⸗ abfälle zu den am 8. Juli 1920 festgesetzten Bedingungen zur Aus⸗ fuhr freigegeben werden. Bei Hartzink wird es vager belassen wie bisher; die Firmen sind darauf hinzuweisen, daß die Zinkweißkonvention bereit ist, zu 1“ Preisen aufzunehmen. Die Genehmigung zur Ausfuhr von Kupfervitriol wird aufrecht erhalten; der M. W. B. wird ermächtigt, sofort die Pfedegrin cg . der deutschen Geeaeeeöö Etanstelgen maf ie Ausfuhr in keinem größeren Maßstabe erfolgt, als vaß die Menge, die in Deutschland benötigt wird, nämlich 8000 t, sicheasft eült ist. g 2 — In der gestrigem Sitzung des Inland⸗Arbeitaus chusses des Eisenwirtschaftsbunded wurde lau eldung des „W. T. B.“ aus Düsseldorf der bisherige Höchstpreis für Stabeisen mit Wirkung vom 1. Novem ab um 400 ℳ er⸗ mäßigt. Die übrigen Eisensorten werden im entsprechenden Ver⸗ hältnis ermäßigt. Der Aufpreis für Siemens⸗Martin⸗Handelsgüte
estzustellen und dafür zu sorgen, daß