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nahmen auf ständigen
Podium.
Hems ilmachungskommissar und si s i dungen der Sachverständigen bedienen. Die Mansfelder Kupfer⸗ schiefer bauende Gesellschaft habe mit Betriebsstillegung gedroht, um die Kupferpreise hochzuhalten. Seinerzeit, beim Kampf gegen das
Betriebsrätegesetz, habe ein Ausschuß des Reichsverbandes der In⸗ 3 — sogar die Stillegung der gesamten Industrie in Erwägung gezogen. 8 Geheimer Kommerzienrat von Borsig sttellte fest, daß dieser Ausschuß nur zur Bekämpfung des Betriebsrätegesetzes gebildet woorden sei, sich aber gerade gegen die Aussperrung in der ganzen Inndustrie ausgesprochen habe. Der Mansfelder Gesellschaft könne
man keinen Vorwurf machen, wenn sie wegen der Produktions⸗ mit ihren Betriebsräten die Frage der Stillegung geprüft habe. 8 1 Herr Georg Bernhard erwiderte auf einige formale Ein⸗ wendungen des Herrn Keinath, daß das Prinzip des Reichswirtschafts⸗ rats gerade die Sachverständigkeit sei, während der Reichstag nach anderen Gesichtspunkten gewählt sei. Der Weg der Verordnung statt eines Gesetzes empfehle sich besonders deshalb, weil eine Verordnung leichter abgeändert werden könne als ein Gesetz, wenn sich Mißstände ergeben sollten. 1 —
„Herr Schweitzer meinte, daß in Mansfeld auf die Betriebs⸗ räte mit der Drohung der Stillegung ein unzulässiger Druck aus⸗ geübt worden sei. Dergleichen werde durch die Verordnung verhindert.
Herr von Siemens erwiderte hierauf, daß in die Verordnung ein ganz neues Moment gebracht werde, wenn der Unternehmer ver⸗ hindert werden solle, Veränderungen im Interesse der Produktion in seinem Betriebe vorzunehmen. Unter Umständen müsse der Betriebs⸗ leiter energisch durchgreifen können.
Ingenieur Hartung erblickte in der Verordnung eine Hemmung jedes Fortschritts. Herr Czieslik, Gewerksvereinssekretär, glaubte, daß die In⸗ dustrie durch die Verordnung nicht unnötig behelligt werden würde und daß der Widerstand der Industrie ebenso schwinden werde, wie beim Betriebsrätegesetz.
Staatssekretär des Reichswirtschaftsministeriums Hirsch führte aus, daß die Unternehmer sich sowieso mit ihren Arbeitern über Stillegungen verständigen müßten, und daß die Verordnung dies nur unter den Gesichtspunkt des allgemeinen Interesses stelle. Der Demobilmachungskommissar sei die geeignete Instanz. Man möge zunächst einmal den Weg der Verordnung gehen; wenn es erwünscht sein sollte, sei die Reichsregierung auch bereit, noch die Gesetzgebung in Anspruch zu nehmen.
MNiach einer Geschäftsordnungsaussprache und einer Unterbrechung der Sitzung kam eine Einigung zustande. X, Herr von Siemens erklärte im Namen der Arbeitgeber, daß sie bereit seien, der Verordnung zuzustimmen, wenn folgende Aenderungen vorgenommen würden: Dem § 5, wonach die Verordnung keine Anwendung findet, wenn die Maß⸗ Anordnung oder mit Zustimmung einer zu⸗ Behörde erfolgen, soll zugefügt werden: nachweislich Mangel an Kohle, Betriebs⸗
oder wenn
stoffen und Rohstoffen trotz rechtzeitiger Vorsorge des Betriebes vor⸗
liegt“. Ferner soll zugefügt werden: „Wirtschaftliche Maßnahmen in Kämpfen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern gelten nicht als Maßnahmen im Sinne dieser Verordnung“.
Herr Schweitzer stimmte im Namen der Arbeitnehmer diesen
1 Vorschlägen zu.
„Darauf wurde die Verordnung mit diesen Aenderungen en bloc einstimmig angenommen.
Die nächste Sitzung wurde für Montag, 12 Uhr, angesetzt.
. Kluust und Wissenschaft. Die Deutsche Hochschule für Politik wurde am
Connta vormittag in Gegenwart des Herrn Reichspräsidenten im
großen Hörsaal der Bauakademie feierlich eröffnet. Die Beteiligung war so stark, daß der Raum die Erschienenen kaum zu fassen ver⸗ mochte. Mit den Reichs⸗ und preußischen Ministern und sonstigen Vertretern der deutschen Länder waren zahlreiche Vertreter der öffent⸗ e freien Körperschaften, Anstalten und Einrichtungen an⸗ wesend.
Der Staatsminister a. D. Dr. Drews vom Vorstand der Hoch⸗ schule hielt die Eröffnungsansprache, in der er laut „W. T. B.“ u. a. folgendes ausführte:
Deutsche Geisteskraft und deutschen Geist durch Förderung aller seiner Bildungsstätten zu pflegen, müsse eine unserer vornehmsten Aufgaben sein. Eine deutsche Hochschule solle die neue Schöpfung sein, aber nicht im chauvinistischen Sinne, vielmehr werde sie alles, was das Ausland an geistigen Werten zu bieten habe, im Geiste ernster Wissenschaft würdigen. Die Politik solle ihr vor⸗ nehmster Lehrgegenstand sein. Zwar liege der Einwand nahe, daß Politik sich uͤberhaupt nicht lehren oder lernen lasse; aber die intellektuelle Grundlage der Politik, die Einsicht in die Verkettung materieller und geistiger Wirkungen des politischen Geschehens könne wie jede andere Erkenntnis erworben und geübt, gelehrt und gelernt werden. Daß Deutschland die politische Mitarbeit weitester Kreise bitter notwendig sei, brauche nicht weiter er⸗ wiesen zu werden. Leider aber ständen noch heute viele geistig hochstehende Volksgenossen der Politik fern; der einzige Weg, sie zu gewinnen, sei der, ihnen die politischen Probleme in einer von wissenschaftlichem Geiste getragenen Form nahezubringen. Die Aufgabe der Hochschule für Politik sei die Fip scireng. in die in gärendem Werden begriffenen politischen Tagesfragen. Ein Befähigungs⸗ nachweis für ihren Besuch werde nicht gefordert; Angehörige aller Berufe und Lebensstellungen würden als Hörer willkommen sein. Sie werde nicht eine Lehrstätte einseitiger parteipolitischer Anschauungen sein, sondern Vertreter aller politischer Parteirichtungen seien berufen, an ihr zu lehren und zu lernen. Möchte die neue Schöpfung ein dauernder Gewinn für Volk und Vaterland werden!
Dann hielt der Reichsminister Dr. Simons eine Rede, in welcher er betonte, daß gerade das Auswärtige Amt das größte Interesse an dieser neuen Hochschule nehme, da vielfach die geringe politische Schulung den führenden Politikern ihre Aufgabe sehr erschwert habe. Besonders in den letzten Jahrzehnten habe 5 im Volke ein immer mehr wachsendes Gefühl der Unsicherheit verbreitet weil uns die richtigen Führer fehlten, und diese Unsicherheit habe auch nicht zum wenigsten zum Umsturz beigetragen. es darauf an, die neue Richtung stetig beizubehalten und einem festen Ziel entgegen zu steuern. Dazu bedürften wir der Ausbildung fester und zielsicherer Führer, und diese solle die Hoch⸗ schule uns schaffen. Die politische Ausbildung sei bisher lediglich den Aemtern und Parteien überlassen gewesen, die noch einige Unter⸗ stützung in den Gewerkschaften und in der Presse, fast gar keine in den Universitäten gefunden hätten. Die Hochschule müsse die Schleier wegreißen, die sich gebildet und uns den Blick für die “ ge⸗ trübt hätten. Mit dem Wunsche, daß es der Hochschule gelingen möge, Politiker heranzubilden, die Deutschland gläcklicheren Zeiten entgegenführten, schloß Dr. Simons seine beifällig aufgenommenen Ausführungen.
Als dritter Redner betrat der Reichsminister Dr. Koch das Er wies darauf hin, daß unser gut gegründetes und aus⸗ Ferisen Bildungswesen weniger der Ergänzung durch neue Schulen edürfe, die auf theoretische Ausbildung allein Wert legten, als viel⸗ mehr solcher Anstalten, die zur Praxis zurückkehrten. Es komme zu⸗ nächst darauf an, daß diejenigen, die sich früh einem praktijchen Berufe zugewendet hätten, ihre Kenntnisse theoretisch vertieften.
olitische Halbbildung sei nach Voltaire die Grundlage zum anatismus. Wenn es der Hochschule e. Theorie und Praxis auszugleichen, dann habe sie ÜUnendliches geleistet. „Männer mit hohem Gemeinsinn, Verantwortlichkeitsgefühl und politischer Er⸗ kenntnis — sie soll uns die Hochschule erziehen. Dann hat sie einen der ersten und besten Bausteine zur Wiederaufrichtung Deutschlands, unseres armen Vatertandes, geschaffen.“
Jetzt komme
eichsminister Dr. Schol 2 erinnerte in seinen Ausführungen daran, daß er bereits in der Vorkriegszeit als Dozent der staats⸗ bürgerlichen Fortbildungskurse in diesem Saal gestanden habe. Er mahnte, auch das wirtschaftspolitische Gebiet nicht zu vergessen, weil unsere Pole der nächsten Zukunft vor allem eine eminent wirt⸗ schaftliche sein müsse. Die Fäden, die Deutschland vor dem Kriege über die ganze Welt gesponnen habe, seien zerrissen und müßten neu geknüpft werden. dann wieder werde sich das gegenseitige Verständnis der Völker einstellen. U den Weg der Wirtschaft gehe der Weg zur Völkervereinigung. Gelde in unserem Vaterlande, wo zahlreiche politische Parteien sich unversöhnlich gegenüberständen und immer neue Spaltungen er chienen, sei der praktisch und theoretisch durchgebildete Politiker, der nur das Wohl des Vaterlandes im Auge habe, von höchster Bedeutung. Die Feeh habe damit nicht nur eine kulturelle, sondern auch eine ohe politische Mission erfüllt. „Ein Vivat, floreat, crescat der neuen alma mater Berolinensis!’“ 8 . In Vertretung des erkrankten Ministers für Volksbildung Haenisch überbrachte der Ministerialrat Richter namens der preußischen Unterrichtsverwaltung dio wärmsten Wünsche für die neue Hochschule. Wie lebhaften Anteil das Unterrichtsministerium an dieser nenen Einrichtung genommen habe, gehe daraus hervor, daß es der Hoch⸗ schule in der Bauakademie das Gastrecht gewähre, das bald zu einer innigen Freundschaft führen möge. Die große Aufgabe der Hoch⸗ schule sei die Vertiefung des staatlichen und nationalen Bewußtseins und die Erziehung von politischen Führern, denen sich die breiten Volksmassen rückhaltlos anvertrauen könnten. Die Unterrichtsver⸗ waltung werde diese Arbeit mit allen Mittehn zu fördern suchen. rofessor Dr. Ernst Jäckh, der ebenfalls dem Vorstand der Hochschule angehört, sprach in einem Schlußwort allen Förderern der neuen Anstalt den wärmsten Dank aus und ebenso den Ministern, die soeben hier gesprochen hatten. Charakteristisch sei, daß diese Herren auch als Dozenten in der Hochschule sprechen würden. In seineu weiteren Ausführungen wies der Redner darauf hin, daß schon vor dem Kriege Staatsmänner, Politiker und Wissenschaftler an eine solche Hochschule dachten, und daß schließlich Friedrich Naumann die Staats⸗ bürgerschule ins Leben rief. Daß diese Hochschule nicht hoch genug eingeschätzt werden könne, zeige uns Frankreich, das seiner Ecole libre des sciences politiqgues den Sieg im Weltkriege verdanke; denn aus ihr allein seien all die politischen Führer und Staatsmänner hervorgegangen, die während des Weltkrieges an der
Spitze des französischen Volkes gestanden haben. „Wenn wir stets
an das Leitwort des großen Nationalökonomen Friedrich List „Im Hintergrund aller meiner Pläne liegt Deutschland“ denken, werden wir unser höchstes Ziel, die nationale Geschlossenheit statt nationaler Zerrissenheit, erreichen. Einigkeit und Recht und Freiheit — danach laßt uns alle streben Früderlich mit Herz und Hand. 3
Die Vorlesungen in der Deutschen Hochschule für Politik beginnen am 1. November. Bisher haben sich etwa 150 Hörer aus allen Kreisen der Bevölkerung einschreiben lassen.
Die Reihe öffentlicher Vorträge, die Mitglieder der Berliner Akademie der Wissenschaften für diesen Winter angekündigt haben und deren Ertrag wissenschaftlichen Zwecken zugute kommt, wurde am Sonnabend mit einem Vortrag des Herrn W. Schulze über
a
„Sprache und Herkunft der euner“ begonnen. Es war das ein Thema, das wohl außerhalb des Interessenkreises der Mehrzahl der zahlreich erschienenen Zuhörer lag, das aber gerade deshalb, weil es den meisten Neues bot, fesselte; um so mehr, als der Stoff⸗ und Gedankenkreis von einem ausgezeichneten Fachmann in klarer und anregender Form entwickelt und vorgetragen wurde. Es kann an dieser Stelle nur versucht werden, die leitenden Haupt⸗ gedanken des Vortrages kurz wiederzugeben. 1 Zur Zeit der großen Konstanzer Kirchenversammlung tauchten die ersten Zigeuner als kundschaftender Vortrupp der später in größerenr Zahl das Land durchziehenden Horden in Deutschland auf. Sie kamen aus dem Südosten, wußten sich das Ansehen großer Herren zu eben und konnten Schutzbriefe des Kaisers Sigismund aufweisen. Als alteste deutsche Urkunde erwähnt sie eine Lübische Chronik aus dem Jahre 1417; bald darauf wird ihr Auftreten in Mittel⸗ und Süddeutschland, in der Schweiz und in Frankreich bezeugt; 1420 sind sie in den Niederlanden, 1422 in Italien, wo sie vorgaben, auf einer Bußfahrt zum Papste begriffen zu sein. Schon 1420 werden sie in Dänemark bezeugt, 1430 in England, 1447 vin Spanien, 1492 in Schottland. Von Europa verbreiteten sie sich dann bis nach Amerika. Im allgemeinen wurden die fremdartigen Wanderer zunächst freund⸗ lich aufgenommen, bis ihr Hang zu Gaukelei, zum Müßig⸗ gang und zu Betrügereien aller Art sie den Wirtsvölkern lästig machte, und Polizei und Gerichte einen meist erfolglosen Kampf mit den aufnehmen mußten. Wo kamen die unstäten, dunkelhäutigen Gesellen her? Sie selbst gaben Kleinägypten als ihre Heimat an, und einige ihrer Wirtsvölker bezeichneten sie nach diesem nicht näher zu bestimmenden Lande als „Aegypter“ oder als „Pharaos Volk“. In alten deutschen Chroniken werden sie in latinisierten Formen mit Aceniani — Cingari — Zingari bezeichnet, woraus das Wort Zigeuner entstand. Sie selbst nannten sich rom (Schwarm, Stamm) oder kale (der Schwarze). Da die Geschichte dieses ausgesprochen parasitischen, nomadenhaften Volkes keinen Aufschluß über seine Herkunft bot, mußte die Sprache zur Lösung dieser Frage helfen. Aufzeichnungen über die Zigeunersprache liegen seit der Mitte des 16. Jahrhunderts vor. Scaliger erwähnt sie in seiner Schrift über die Sprache der Goten. r hielt die Zigeuner für Aegypter. Aus dem 17. Jahrhundert besitzen wir eine Reihe von Sammlungen, in denen zahlreiche Wörter und ganze Sätze aus der Zigeunersprache aufgezeichnet sind. Am wertvollsten für die moderne Sprachforschung erwiesen sich unter dieser Aufzeichnung jene, in denen, ohne daß der Versuch einer Wortdeutung gemacht war, lediglich nach dem Gehör die Laute niedergeschrieben waren. Obwohl auf diese Art willkürliche Satzgebilde zustande gekommen waren, gelang es den späteren Sprachforschern, die den Wortstamm aufzufinden wußten und die Lautgesetze kannten, aus jenen dilettantischen Aufzeichnungen das Dunkel auch der Zigeunersprache zu erhellen. Es war ein eigen⸗ artiges Zusammentreffen, daß zur selben Zeit, als Kaiser Joseph II. sich um die Seßhaftmachung und kulturelle Hebung der Zigeuner in seinen Staaten bemühte, in Indien das Sanskrit wieder entdeckt wurde, dessen Kenntnis dann die Sprgchegenscheft auf neue Grundlagen stellte und auch zu dem Nachweis führte, daß die Fenner hage dem uralten indo⸗arischen Sprachstamm angehört, daß also die Urheimat dieses unsteten Volkes in Indien zu suchen sei. Leider haben die Engländer für die Erforschung der Sprache in Indien bisher nichts Nennenswertes getan, so daß eine genauere Festle ung der Heimat der Zigeuner im ausgedehnten indischen Sprachbereiche bisher nicht möglich war. Die wissenschaftliche Arbeit auf diesem Gebiet haben deutsche Forscher geleistet; in der Vorarbeit Rüdiger und Grellmann, in der Ausgestaltung Pott und Miklosisch. Wir sind heute imstande, den alten, bei allen Wanderungen festgehaltenen Kern der Zigeunersprache festzustellen und die freinden Spracht eile nach⸗ zuweisen, die das Zigeunervolk auf seiner Weltwanderung von den einzelnen Wirtsvölkern übernahm. Diese Kenntnis läßt auch den Reiseweg verfolgen, den das Volk von Westasien durch ganz Europa zurückgelegt hat. Natur emäß hat sich dabei eine beträͤcht⸗ liche Zahl von Mundarten entwickelt, in denen noch vieles zu erforschen bleibt, wie die Sprachforschung auch sonst noch vor mancher rätsel⸗ haften Erscheinung in der eeener prace steht. Zum Beispiel vor der bisher unerklärten Tatsache, daß die Zigeuner in England aus der Zahlenreihe für einige Zahlen die alten eigensprachlichen Bezeich⸗ nungen beibehalten, für andere die des Wirtsvolkes übernommen haben. Die Zigeuner sind jetzt 500 Jahre in Europa und haben inzwischen ihre E tammeseigenschaften trotz aller Assimilierungsversuche in so hohem Grade beis falten gewußt, daß der Vortragende aus dieser für Polizei und ustiz wenig erfreulichen Tatsache für die Wissenschaft die er; herleitete, ihr werde in den Zigennern noch 521 ein lebendiges Material für die Sprachforschung erhalten
—-
rofessor an der
Dem „Leipz Tageblatt“ r Faraday⸗
nn „ zufolge ist der Leipziger Universität Dr. W. xrs
Ostwald von
h d von der Physical Society in London auf⸗ 8 an 2* öffentlichen Diskussion über Kolloidchemie und ihre industriellen Anwendungen teilzunehmen.
8 Verkehrswesen.
lt sich, die Weihnachtspakete nach den über⸗
seeiscen ’ sich, denen ein Paketverkehr zurzeit möglich ist, namentlich nach den Vereinigten Staaten von Amerika, schon Anfang November bei der Post einzuliefern, damit die recht⸗ zeitige Aushändigung dieser Sendungen an die Empfänger gesichert ist. den Vereinigten Staaten von Amerika
Pznen 88 jetzt an Postfra b8 stch cke 8 “
i f olche mi ,
bis eee 88 88. Hamburg durch Vermittlung
ur Beförderung über Breme b 1 ben Spediteuren angenommen werden. Nähere Auskunft erteilen
die Postanstalten.
Theater und Musik.
Lessingtheater. B
ans Müller, den man vor einigen Jahren mit seinen „Königen“ auf der Staatsbühne als verheißungsvollen Dramatiker kennen lernte, errang am Sonnabend im Lessingtheater mit seinem Schauspiel „Flamme“ einen starken Erfolg, der zum Teil durch die Eigenschaften des Stücks, zum Teil aber auch durch die Güte der Aufführung begründet war. Müller schildert hier ein Dirnenschicksal, das mehr durch die unbestreitbare Naturtreue der Beobachtung als durch menschlich Ergreifendes packt. Schauplatz der Ereignisse ist das neu⸗ zeitliche Wien, das sich vor allem in der Sprache der handelnden Per⸗ sonen, unter denen die tschechischen und ungarischen Elemente nicht fehlen, widerspiegelt. Die Wiener Mundart hat etwas Liebenswertes, Versöhn⸗ liches auch im Ausdruck der Verworfenheit, und das hilft über das Ab⸗ stoßende mancher durch den Stoff bedingter Einzelheiten hinweg. Ferdinand, ein junger Musiker, hat ein Mädchen kennen und lieben gelernt, von dem er nicht weiß, daß es einem schimpflichen Gewerbe nachgeht. Als er es erfährt, wendet er sich dennoch nicht schaudernd ab, sondern will der Mahadöh sein, der dieses verlorene Kind mit feurigen Armen in den Himmel der Reinheit und Ehrbarkeit empor⸗ hebt. Abgeschieden von der Welt, der sie bisher angehörte, soll Anna das Vergangene vergessen und nur ihm angehören. Aber die Welt⸗ abgeschiedenheit wird, da Ferdinand sonst ganz seiner Kunst lebt, die ihn viel aus dem Hause führt, zur fürchterlichen Einsamkeit, fast zur Gefangenschaft, und eines Tages hält sie es daheim nicht mehr aus, sondern besucht, den Verlockungen einer Freundin aus früherer 85 folgend, leichtfertig ein Nachtlokal, wo sie im Rausch einem Verführer zum Opfer fällt. Ferdinand bringt nun nicht die Seelen⸗ kraft auf, ihr abermals zu verzeihen; sie schleicht sich in der Nacht aus dem Haufe, in der Absicht, ihrem Leben in der Donau ein Ende zu machen. Die Folgerichtigkeit dessen, was in dem Müllerschen Stück vorgeht, ist nicht immer zwingend; vielmehr erscheint vieles nur erdacht, um den Gang der Handlung in gewisse gewollte Bahnen zu lenken, und der Zuschauer hat die Empfindung, daß es ebenso gut auch hätte anders kommen können. Hier liegt ein Fehler vor, der in dem Mangel an seelischer Motivierung begründet ist. Der Ver⸗ fasser hat es sich zu leicht gemacht; manche Frage bleibt da un⸗ eklärt, mancher Weg, der in Seelentiefen führen müßte, unbetreten. Alber auf die augenblickliche Bühnenwirkung versteht er sich, und den Schauspielern stellt er lohnende Aufgaben, die, wie schon oben gesagt, am Sonnabend im Lessingtheater vortrefflich gelöst wurden. An erster Stelle ist Käte Dorsch, die Darstellerin der Anna, zu nennen. Diese junge Künstlerin, die vor einem Jahr noch eine Fae Operetten⸗ sängerin war, ist jetzt mit einem Male in die Reihe unserer ersten auspielerinnen aufgerückt. Sie gab der Gestalt der Anna bei aller seessche Verkommenheit jenen gewinnenden Zug, der trotz allem an einen seelischen Aufstieg glauben lassen konnte. Den Ferdinand spielte Ernst Pröckl mit einer ungekünstelten Natürlichkeit des Wesens, welche auch der impulsiven Art der Künstlernatur überzeugenden Aus⸗ druck gab. In den wichtigeren Nebenrollen sind Ilka Grüning als liebe⸗ volle Mutter Ferdinands, Kurt Götz als dessen lebenserfahrener, etwas zynischer Freund, Grete Felsing als ungarisches Freudenmädchen und Martha Hartmann als unordentliche, geldgierige tschechische Zimmervermieterin mit besonderer Anerkennung zu nennen. Als Spielleiter führte sich Julius E. Herrmann ebenfalls vorteilhaft ein.
—
Im O Damen Heckmann⸗Bettendorf, Hansa, Marherr⸗Wagner, von Scheele⸗ Müller, Freyer als Gast, und den Herren Ziegler, Schützendorf, Bachmann, Sommer, Philipp und Krasa besetzt, gegeben. Musikalischer Leiter ist Dr. Fritz Stiedry. Anfang 7 ½ Uhr.
Im Schauspielhause wird morgen „Peer Gynt“ mit Gustav May in der Titelrolle und Margarete Schön als Solveig
aufgeführt. Anfang 6 ½ Uhr.
8 4 Theater. 1
Opernhaus. (Unter den Linden.) Dienstag: reservesatz 46. Figaros Hochzeit. Anfang 7 ½ Uhr.
Mittwoch: Mittags 12 Uhr: Symphoniemittagskonzert. (Programm wie am Abend.) — Abends 7 ½ Uhr: II. Symphonie⸗ konzert der Kapelle der Staats⸗Oper.
Schauspielhaus. (Am Gendarmenmarkt.) Dienstag:
reservesatz 108. Peer Gynt. Anfang 6 ½ Uhr. Mittwoch: Die Journalisten. Anfang 7 Uhr.
Karten⸗
Familiennachrichten.
Gestorben: Hr. Generalleutnant z. D. Axel von Wocedtke (Göttingen). — Hr. Vizelandmarschall Helmuth von Oertzen (Leppin). — Hr. Oberstleutnant a. D. Richard Wolffhügel.
1— Hr. Rechtsanwalt und Notar, Justizrat Ludwig Brieger (Breslau). — r. Vorsitzender des Feilenbundes Gott⸗ ellerhaus (Nemscheid). — Hr. Architekt Anton Birgels (Crefeld). — Hr. Geheimer Baurat Wilhelm Rothmann (Bonn).
Verantwortlicher Schriftleiter: Direktor Dr. Tyrol. Charlottenbur
Verantwortlich für den Anzeigenteil: Der Vorsteher der Geschäftsstell J. V.: Rechnungsrat Meyer m Berlin. Verlag der Geschäftsstelle (J. V.: Meyer) in Berlin. Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlaasanstalt, Berlin, Wilhelmstraße 232.
Vier Beilagen leinf bließlich Börsenbeilage)
Erste, Zweite Dritte, Vierte und Fünfte Zentral⸗Handelsregister⸗Beilage.
e’n ha use wird morgen „Figaros Hochzeit“ mit den
zum Deuts
8
Nr. 242.
Erste Beilage
nzeiger und Preußischen Staatsanzeiger
Berlin, Montag, den 25. Dktober
Nichtamtliches.
(Fortsetzung aus dem Hauptblaft.) Statistir und Volkswirtschaft.
Entwicklung der Erwerbslosigkeit im Deutschen Reiche feit Anfang 1920, s8
Stand derselben in den einzelnen deutschen Ländern, Groß⸗ und Industriestädten um Mitte September 1920.
Einen Ueberblick über Umfang und Entwicklung der Erwerbs⸗ losigkeit im Deutschen Reiche seit Beginn des Jahres 1920 bieten nachstehende, vom Reichsamt für Arbeitsvermittlung auf Grund halbmonatlicher Meldungen der Demobilmachungskommissare ermittelte und im neuesten Heft des „Reichsarbeitsblatts“ zusammengestellte Zahlen der Erwerbslosen, die aus öffentlichen Mitteln auf Grund des nachgewiesenen gesetzlichen Anspruches nxtesessn er⸗ halten haben, und der an sie und Familienangehörige gezahlten Unterstützungssummen:
Gesamtbetrag der an Hauptunterstützungs⸗ und Zuschlags⸗ empfänaen gezahlten Unterstützungen für die Zeit vom vorhergehenden tichtag ab ℳ
Hauptunter⸗
empfänger empfänger (Erwerbs⸗ (Familien⸗ lose) angehörige)
Stichtag
379 071 24 577 398
392 321
9 381 332 503
306 475 293 008 273 496 257 657 256 950 276 608 293 607 330 695 369 228 375 765
454 775 430 766 403 514 370 296 347 032 329 505 309 588 292 307 273 027 271 698 295 658 322 452 359 707 403 815 411 615 414 716 386 935 403 381 373 999 *)
Die Zahh der unterstützten Erwerbslosen, die im Januar 1919 ihren Höchststand mit 1,1 Million erreicht hatte, ist bis zum 1. Juni 1920 regelmäßi sefallen. Die damals einsetzende Wirtschaftskrise brachte ein erhe lic — .
tember seinen Höhepunkt erreichte und seitdem einem kleinen Rück⸗ gang Platz gemacht hat. Dieser dürfte auf die leichte Wiederbelebung vereinzelter Ausfuhrindustrien und wohl auch auf die umfassenden
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. 8
Maßnahmen der produktiven Erwerbslosenfürsorge zurückzuführen sein.
befürchten steht, daß diese rückläufige Bewegung nicht von Dauer leibt, sobald die kalte Witterung zu einem Erliegen der Saison⸗ ewerbe führt und der unvermeidliche Kohlenmangel in noch stärkerem aße als im Vorjahre zu weiteren Betriebseinstellungen und ⸗ein⸗ schränkungen zwingt. 1 Den Stand der Erwerbslosigkeit in den einzelnen deutschen Ländern am 15. September d. J. zeigen die folgenden, ebenfalls dem „Reichsarbeitsblatt“ entnommenen Zahlen:
Auf 1000 der Bewohner enfallen Erwerbslose
354 514 9,68 75 322 10,60 212 892 45,86 9 019 3.59 11 417 5,22 29 336 19,53 10,87
Haupt⸗ V Zuschlags⸗
unter⸗ empfänger stützungs⸗ (Familien⸗ Zusammen
empfänger angehörige)
171 999 39 579 99 941
4 372 13 610 15 726 Hessen. 7 323 6 572 Mecklenburg⸗Schwerin. 1 058 953]9 Mecklenburg⸗Strelitz. 76 50 Oldenburg.. 779 789 Braunschweig 1. 791 611 Anhalt 8 76 68 Waldeck . . „. 12 10 ““ .. 8 58 ippe — amburg (Freistaat) 29 634 30 415 Fene 8 1 724 5 845 Lübeck 2 1 926 1 845 1 937 14,54 373 999
Deutsches Reich ... 403 381 777 380% y13,02.
Unter den Ländern mit starker Erwerbslosigkeit fällt ein⸗ mal der überwiegend industrielle Staat Sachsen, sodann die
ansastadt Ha 887 rg auf, deren wirtschaftliche Grundlage durch Fensac des Ueberseehandels tief erschüttert ist.
Die Erwerbslosigkeit ist vornehmlich ein Problem der Groß⸗ und Industriestädte. Vor allem in den Industrieorten er⸗ reichen die Zahlen eine gewaltige Höhe. So entfallen nach dem Stande vom 15. September auf je 1000 Einwohner in Flauen (Spitzenindustrie) nicht weniger als 120 Erwerbslose. Rlanfede ist die Zahl am höchsten in Fürth, dem Sitze bedeutender Glasindustrie, mit 62 aufs Tausend. Dann folgen Pirmasens [Schuhindustrie) mit einer Erwerbslosenziffer von 41 aufs Tausend, Meißen (keramische Industrie) mit 37, Sonneberg (Spielwaren⸗, Zündholzindustrie) mit 33, Hamburg mit 29, Altona mit 28, Leipzig mit 25, Groß Berlin mit 23, Dresden mit 22, Brandenburg a. H. und Offenbach mit 20, vom Tausend. Die finanzielle Belastung ist am weitaus größten in Hamburg, wo der auf je 1000 Einwohner kommende Betrag von der Gesamt⸗ unterstützungssumme, die in der dem Stichtag vorausgegangenen Woche in Erwerbslofe und Familienangehörige gezahlt worden ist, die außerordentliche Höhe von 7650 ℳ erreichte. An zweiter Stelle steht Plauen mit 5661 ℳ, an dritter Fürth mit 4528 ℳ. Dann olgen Leipzig mit 3639 ℳ, Dresden mit 3091 ℳ, Sonneberg mit 613 ℳ, Pirmasens mit 2454 ℳ8, Altona mit 2326 ℳ, Groß VBerlin mit 2002 ℳ, Meißen mit 1580 ℳ, Stuttgart mit 1530 ℳ, Wies⸗ haden mit 1205 ℳ, Offenbach mit 1184 ℳ, Chemnitz mit 1024 ℳ und Elberfeld mit 1001 ℳ. Erwerbslosenunterstützung aufs Tausend
er Einwohnerzahl. Erwerbslosenzahlen und Be lastungsziffern sind m niedrigsten in den Städten des rheinisch⸗westfälischen Industrie⸗
bezirks. — — 1
*) Für Wärttemberg liegen Angaben über Zuschlagsempfänger und Unterstützungsbeträge nicht vor. 1“
Arbeitsstreitigkeiten.
Vom Reichsarbeitsministerium wird durch „W. T. B.“ mitgeteilt: Zur Beilegung des Tarifstreites über
182 515 35 743 112 951 9 019
Württemberg 7 045
Baäaden. Thüringen..
56,31
3 569 11,54
1
die Reunrsssn der Gehaltsbezüge im Ver⸗ sicherungsgewerbe fand am 21. Oktober im Reichsarbeits⸗ ministerium unter Leitung der Unparteiischen, Regierungsrat Dr. M. Weigert vom Reichsarbeitsministerium, Regierungsrat Dr. Heintze vom Reichsaufsichtsamt für Privatversicherung und Münzdirektor Dr. Pickert, eine Sitzung des Schlichtungsausschusses statt, in der mangels einer Einigung der rteien nach mehr als zwölfstündigen Verhandlungen in später Nachtstunde ein Schiedsspruch gefällt wurde. Dieser sieht vom 1. Oktober 1920
ab für sämtliche Angestellte eine feste, auf die bisher gezahlten
monatlichen Gehaltsbezüge zu gewährende Teuerungszulage vor. Sie beträgt für Lehrlinge und jugendliche Angestellte in drei Abstufungen 75 — 150 ℳ, für die übrigen Angestellten bis zum 25. Lebensjahre 200 ℳ, über 25 Jahre 275 ℳ. Ueber Annahme oder Ablehnung des Schiedsspruchs haben sich die Parteien bis zum 1. November d. J.
zu entscheiden.
Wächter der Berliner Wach⸗ und S
es Ansteigen der Erwerbslosigkeit, das am 1. Sep⸗
Seit Freitag besinden sich hiesigen Söhher. vmnolge vr.
ießgesell⸗ s 9 aft, Inspektion Potsdam, der Brandenburger Wach⸗ und Schließ⸗ gesellschaft, der Nachtwachgesellschaft für Charlottenburg und die Vor⸗ orte Berlins und der Schöneberger Wach⸗ und Schließgesellschaft wegen Lohnforderungen im Ausstand. Die Forderungen der im Transportarbeiterverband organisierten Wächter stützen sich auf einen vor geraumer Zeit gefällten Schiedsspruch, den die Gesellschaften jedoch nicht anerkennen mit der Begründung, diese den Wächtern zugebilligten Sätze nicht zahlen zu können.
In einer gestern in Bochum abgehaltenen Rev ierver⸗ sammlung des Alten Bergarbeiterverbandes führte, wie „W. T. B.“ berichtet, der Verbandsvorsitzende Husemann aus, daß, wenn von den englischen Bergarbeitern ein Sym⸗ pathiestreik der deutschen Bergarbeiter verlangt würde, noch zu überlegen sein würde, ob nicht andere Mittel und Wege zur Wesaee ständen. Die deutschen Bergleute würden aber mit allen Mitteln verhindern, daß deutsche Ruhrkohle, die an die Entente abgeliefert werden müsse, nach England komme. Aber auch in diesem Falle würden sie sich zunächst an die Transportarbeiter wenden. Die Versammlung erhob ferner schärfsten Einspruch gegen die wahnwitzige Forderung der Vernichtung der Dieselmotoren, die auch im Bergbau Verwendung finden. Die deutsche Arbeiterschaft werde sich mit aller Kraft dagegen wehren. In einer Entschließung wurde die Annahme des Schiedsspruchs, soweit er die Lohn⸗ erhöbung betrifft, ausgesprochen. Den übrigen Teil des Schiedsspruchs, der sich insbesondere über eine anderweitige Regelung des Ueberschichten⸗ abkommens ansläßt, lehnte die Versammlung ab. Falls die Re⸗ gierung wider Erwarten der Erhöhung der Kohlenpreise mstimme, würden die dadurch hervorgerufenen Preissteigerungen die Bergleute zu neuen Lohnforderungen zwingen. Ferner wurde ein Antrag an⸗ genommen, der die Vollsozialisierung des Bergbaues nach dem Vorschlage Lederers verlangt.
Ein am Sonnabend auf der Werft von Blohm u. Voß in Hamburg ausgebrochener Ausstand der Nieter hat, wie „W. T. B.“ erfährt, im Laufe des Tages weiter um sich gegriffen. Auch auf der Reiherstiegwerft und auf dem „Vulkan“ sind sämtliche Nieter ausständig. Die Ursache des Ausstands soll in
der Ablehnung der Forderung einer Erhöhung des Akkordlohnes um
30 vH bestehen.
1920
Gesundheitswesen, Tierkrankheiten und Absperrungs⸗ maßregeln.
Förderung der Behämpfung und Erforschung der Tuberkulose.
Die mannigfachen Einwirkungen des Krieges, vor allem aber die jahrelange Unterernährung infolge der Hungerblockade haben im deutschen Volk die Tuberkulose, die vor dem Kriege so erfolgreich be⸗ kämpft worden war, wieder in bedrohlicher Weise anschwellen lassen. Die Sterblichkeit an dieser Krankheit hat an manchen Orten, be⸗ fonders in den Großstädten, die doppelte Höhe wie im Jahre 1913 erreicht. Während damals im Deutschen Reiche rund 95000 Menschen in einem Jahre an Tuberkulose starben, müssen wir jetzt mit einer Zahl von wenigstens 160 000 bis 170 000 rechnen. Die Entstehungs⸗ weise und der Verlauf der Tuberkulose machen es aber in hohem Grade wahrscheinlich, daß der volle Umfang der Verschlimmerung si erst nach einer Reihe von Jahren deutlich zeigen wird. Deshalb sind seitens des Reiches in dem Haushaltsplan für 1920 nach einem Bericht des „Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungs verleger“ zuͤr energischen Bekämpfung der Tuberkulose folgende Beträge angefordert: 1egfar ihilfen zum Bau von Heilstätten und Walderholungsstätten 2 . 2. für “ des Netzes der Fürsorgestellen ür Lungenkranke 3. 8 die Entsendung von Tuberkulosebedrohten und tuberkulösen Kindern in Erholungsstätten bezw. Heilstätten.. 4. für die Behandlung von Tuberkulose 5. für die Bekämpfung des Lupus 6. für die Unterstützung von Erholungs⸗ und Heil⸗ stätten für Tuberkulosebedrohte und Tuberkulöse, soweit diese Anstalten von gemeinnützigen Ver⸗ einen unterhalten werden, im Falle besonderer wirtschaftlicher Notlage 8 7. für die Tuberkulosebekämpfung im Mittelstande 8. für die Aufklärungstätigkeit 100 000 9. für die Geschäftsführung des Deutschen Zentral⸗ komitees zur E Tuberkulose 100 000 10. für die wissenschaftliche Erforschung der Tuber⸗ kulose. 100 000 „
zusammen. 2 500 000. 1
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Das Reichs⸗Gesundbeitsamt meldet das Erlöschen der Maul⸗ und Klauenseuche vom Schlachtviehhofe in Leipzig am 22. Oktober 1920.
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150 000 50 000
500 000 150 000
London, 24. Oktober. (W. T. B.) Hier herrscht eine starke Scharlach⸗ und Diphtherieepidemie. Gestern wurden 4771 Scharlachkranke und 2021 Diphtheriekranke in die Spitäler aufgenommen. 8
Land⸗ und Forstwirtschaft. 1.“
Die Reichsarbeitsgemeinschaft land⸗ und forst⸗ wirtschaftlicher Arbeitgeber⸗ und Arbeitnehmer⸗ vereinigungen
Zum Ausstand der englischen Bergarbeiter teilt „W. T. B.“ mit, daß die Boklg gaug schf fe des Berg⸗ arbeiterbundes und des Eisenbahnerverbandes am Sonnabend eine Beratung abhielten. Der Vollzugsansschuß des Bergarbeiterbundes teilte mit, daß Lloyd George den Vollzugs⸗ ausschuß zu einer neuen Besprechung eingeladen habe. Diese Einladung wurde angenommen. Der Vollzugsausschuß der Bergarbeiter ersuchte daher die Eisenbahner, ihren Aus⸗ stand zu verschieben, um die neuen nicht zu beeinträchtigen. einen Beschluß in diesem Sinne gefaßt. — Vier Führer der Bergleute haben nun gestern vormittag in Downingstreet zwei Stunden mit der Regierung verhandelt; sie er⸗ klärten, daß die Verhandlungen fortgesetzt werden. „Evenigg News“ melden über die bisherige Wirkung des Ausstands, die Verluste an Steinkobhlen für das Land betrügen 2 500 000 t. Die Zabl der Arbeitslosen belaufe sich auf ins⸗ gesamt 1 650 000, der Gesamtverlust an Löhnen auf 3 255 000 Pfund F — „Petit Parisien“ meldet aus London, daß in Brad⸗ ford 13 000 Transportarbeiter in den Ausstand ge⸗
treten sind.
Der Nationalrat der französischen Berg⸗ arbeiter hat, wie dem „W. T. B.“ aus Paris gemeldet wird, dem Arbeitsminister und dem Minister für öffentliche Arbeiten seine en unterbreitet. Er verlangt einen Tageslohn, der ünfmal böher ist als der vor dem Kriege, und ferner Zulagen für die Arbeiter unter Tage. Der Nationalrat verlangt eine Antwort bis zum 30. Oktober, um gegebenenfalls die Verhandlungen über die neue Gehaltsskala mit den Grubenbesitzern am 2. November beginnen zu köͤnnen. Am 14. November müßten die Verhandlungen zu Ende geführt sein. Die neue Lohnskala soll am 1. November in Kraft treten.
Aus Le Hayre wird dem „W. T. B.“ telegrapbiert, daß der 24stündige Ausstand der französischen Hafen⸗ arbeiter gestern abend zu Ende ging. Die Schiffe, die infolge se ihre Arbeit verzögerten, konnten noch am Abend aus⸗ aufen.
Der Einspruchsausstand der Bergarbeiter im Becken von Charleroi gegen die Einkommensteuer ge⸗
winnt, wie „W. T. B.“ aus Brüssel erfährt, an Umfang, und man be⸗
fürchtet, daß auch die größeren Bergwerke, die bis jetzt noch außerhalb der Bewegung stehen, sich dem Ausstand anschließen werden. Die sozia⸗ listische Partei ermahnt zur Rube. Die Forderung, einen Ausstand zu entfesseln, wenn nicht Lohnerhöhung bewilligt werde, ist nunmehr von den Bergarbeitern des Beckens Charleroi an die anderen Ver⸗ einigungen der Bergarbeiter in Belgien, namentlich an die von Lüttich und Namur, weitergegeben worden. Bei den Metall⸗ arbeitern und Eisenbahnern sollen Schritte unternommen werden, damit sie sich nötigenfalls der Bewegung anschließen.
Nach einer von „W. T. B.“ übermittelten Meldung des „Algemeen Handelsblad“ hat die Leitung des Internationalen Transportarbeiterverbandes in ihrer diese Woche in Amsterdam abgehaltenen Versammlung beschlossen, unter Mit⸗ wirkung der Transportarbeiterorganisationen von England, Frankreich, Deutschland, Belagien und Holland die für eine eventuelle internationale Unterstützung der ausständigen britischen Berg⸗ arbeiter notwendigen Maßnahmen zu treffen.
Die amerikanische Gewerkschaftsunion schlägt nach einem Telegramm des „W. T. B.“ aus New York vor, zur Unterstützung der ö der englischen Kohlenarbeiter die Ausfuhr amerikanischer Kobhle zu verbindern. Die Gewerkschaft der Lader hat ihre Mitglieder aufgefordert, das Verladen von Ausfuhrkohle zu ver⸗ hindern. 8 8
Verhandlungen Die Vertreter der Eisenbahner baben 8d
hat ihre 1. Vollversammlung abgehalten. Auf Arbeitgeber⸗ und auf Arbeitnehmerseite waren nach einem Bericht des „W. T. B.“ vom 24. d. M. je 26 Vertreter aus allen Gauen Deutschlands er⸗ schienen, von denen die ersteren von dem Reichsverband der deutschen land⸗ und forstwirtschaftlichen Arbeitgebervereinigungen, die letzteren von dem Deutschen Landarbeiterverband, dem Zentralverband der Landarbeiter, dem Reichsverband der land⸗ und forstwirtschaftlichen Foch. und Körpers Haftsbeamten, dem Verband land⸗ und forstwirt⸗ chaftlicher Angestellten und dem Allgemeinen Stallschweizerbund (Leipzig) entsandt waren. Die Versammlung erbrachte den Beweis daß die de der Reichsarbeitsgemeinschaft eine Notwendigk ist, was besonders bei einer Besprechung des Ausbaues de rbeitsgemeinschaften in den Ländern und Provinzen zum Ausdruck kam, in der alle Redner ausdrücklich erklärten, an dem Gedanken der Arbeitsgemeinschaft festhalten zu wollen. Die Reichsarbeitsgeme chaft empfahl den ihr angeschlossenen Organisationen, weitere rbeitsgemeinschaften in den Ländern und Provinzen zu gründen und sicch hierbei unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse nach n schon bestehenden Arbeitsgemeinschaften zu richten. Des weiteren wurden bei der Reichsarbeitsgemeinschaft selbst verschiedene Fach⸗ ausschüsse, und zwar für die Forstwirtschaft, für Angestelltenfragen, ür die lechnis n Nebenbetriebe, für Landarbeiterinnenfragen und r das Wohnungswesen eingerichtet, um in diesen die bee achfragen zu erledigen.
Zu dem Entwurf eines Arbeitsnachweisgesetzes nahm die Reichsarbeitsgemeinschaft Stellung unter besonderer Be⸗ rücksichtizung der Vermittlung ausländischer Arbeitskräfte. Die Reichsarbeitsgemeinschaft forderte weitestgehende Selbstverwaltung bei allen Arbeitsnachweiseinrichtungen durch die Arbeitgeber⸗ und Arbeitnehmerverbände und lehnte jeden gesetzlichen Zwang zur Be⸗ nutzung der Arbeitsnachweise und zur Anmeldung offener Stellen ab. 8 ließlich wurde die Deputatfrage einer eingehenden Er⸗ örterung unterzogen. Die Frage, ob es möglich sei, Richtlinien für eine einheitliche Bewertung, d. h. Grundsätze, nach denen bei der Be⸗ wertung der Deputate überall zu verfahren sei, zu finden, wurde einer besonderen Kommission überwiesen. Auch nahm die Reichs⸗ arbeitsgemeinschaft mit dauern davon Kenntnis, daß in weiten Kreisen der Bevölkerung durch eine Verlautbarung der Reichsgetreide⸗ r der Glaube erweckt worden ist, es würden den Landarbeitern o große Mengen an Deputatgetreide gegeben, daß hierdurch die Volks⸗ ernährung gefährdet werde. Die Reichsarbeitsgemeinschaft glaubte, diese irrige Auffassung, die sicher nicht dazu angetan ist, den Frieden zwischen Land und Stadt zu fördern, richtigstellen zu müssen, sagte im übrigen aber zu, alle berechtigten Wünsche der Verbraucherkreise und der für die Volksernährung verantwortlichen Stellen zu erfüllen. Eine Entschließung, die die Reichsgrbeitsgemeinschaft in diesem Sinne einstimmig faßte, hat folgenden Wortlaut:
„Die Reichsarbeitsgemeinschaft der land⸗ und forstwirtschaft⸗ lichen Arbeitgeber⸗ und Arbeitnehmervereinigungen hat davon Kennt⸗ nis genommen, daß seitens der maßgebenden Stellen die Menge an Brotgetreide (Weizen und Roggen), die den Landarbeitern über die Selbstversorgerration an Depukaten gegeben werde, auf 500 000
Tonnen veranschlagt wird. Die Reichsarbeitsgemeinschaft bezweifel⸗ die Richtigkeit dieser Zahl und legt Verwahrung gegen die Unter⸗ stellung ein, daß von den landwirtschaftlichen Arbeitgebern und Ar⸗ beitnehmern in leichtfertiger Weise auf gb.⸗ der Allgemeinheit mit Brotgetreide (Weizen und Roggen) Verschwendung getrieben werde. Die Zahl von 500 000 Tonnen mag dadurch zustande gekommen sein, daß überall, wo bei Schleichhändlern Brotgetreide oder Mehl ge⸗ funden wird, diese sich darauf berufen, sie hätten es von Landarbeitern, denen das Deputatgetreide freigegeben sei, erhalten. Auch die An⸗ nahme ist nicht von der Hand zu weisen, daß Kommunalverbände irgendwelche Fehlbeträge an ihrem Ablieferungssoll dadurch zu er⸗ klären suchen, daß den Landarbeitern das fehlende Brotgetreide in Form von Deputaten gegeben worden sei. In Wirklichkeit werden nur in ganz wenigen Landesteilen überhaupt erhebliche Mengen von Brotgetreide (Weizen und Roggen) als Deputat verabfolgt. Aber
ch hier überschreitet diese Menge die den Landarbeitern zu⸗