1920 / 245 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 28 Oct 1920 18:00:01 GMT) scan diff

Daß die Einnahmen so bedeutend höher angesetzt werden konnten gegenüber den Ansätzen im Frühjahr, liegt einmal darin, daß natur⸗ gemäß auch unter den Einnahmen des Reichs jetzt die Steuersummen verbucht sind, welche an die Länder und Gemeinden übertragen werden müssen. Es liegt aber auch eine höhere Schätzung ver⸗

schiedener Steuerquellen vor, vor allem bei der Einkommensteuer. Die Entwicklung des Nominaleinkommens der Bevölkerung war im Frühjahr noch nicht so stark ausgeprägt, wie das später der Fall war. Deshalb wurde wohl mit guten Gründen das Aufkommen aus der Einkommensteuer auf 12 Milliarden Mark veranschlagt. Wenn man bedenkt, welche gewaltig hohen Sätze bei den höheren Einkommen gefordert werden, so darf wohl, an den heutigen wirtschaftlichen Ver⸗ hältnissen gemessen an den heutigen, will ich noch einmal unterstreichen mit einem derartigen Ertrag aus der Einkommen⸗ steuer gerechnet werden.

Vgpon Einnahmen aus einmaligen Steuern sind 4,5 Milliarden statt der 3 Milliarden des Frühjahrs eingesetzt worden. Es ist das ein Betrag, der aus den Eingängen der Vermögenszuwachssteuer ge⸗ wonnen werden soll, die mit 10 Milliarden geschätzt worden ist. Die

Eiinnahmeschätzung ist verschiedenfach durchgeprüft worden, sie dürfte

aber den heutigen Einkommensätzen, Preis⸗ und Gehaltsverhältnissen entsprechend nicht zu hoch veranschlagt sein. In dem Augenblick allerdings, wo sich ein Wandel in den heutigen wirtschaftlichen Ver⸗ ältnissen dauernd herausbildet, werden solche Summen nicht aus den bestehenden Steuern zu gewinnen sein. Darum sind die veranschlagten Summen der Stenereinnahmen unsicher, wie die ganze Gestaltung unseres Wirtschaftslebens unsicher ist. Die Entpicklung der Ein⸗ ahmen im nächsten halben Jahr muß zeigen, ob die Schätzungen ich bewahrheiten oder nicht. Davon hängt dann auch die Frage der rschließung neuer Steuern wesentlich ab.

Stellt nun schon der eigentliche Reichsbedarf im engeren Sinne außerordentliche Anforderungen an uns, so wird die Finanzlage des Reichs erst recht erschwert durch den Etat des Friedens⸗ vertrags von Versailles. Ich glaube, meine Damen und Herren, daß in Zukunft der Friedensetat von Versailles, wie er Ihnen heute zum ersten Male in dieser geschlossenen Form vorliegt, uns viele,

iele Jahre hindurch hier an dieser Stelle beschäftigen wird. Unheil⸗ rohend türmt sich dieser außerordentliche Etat vor uns auf. Dabei aben wir nicht die Hoffnung, daß diese Ausgaben in kurzer Zeit verschwinden werden, sondern wir müssen hoffentlich nicht in hnlicher Höhe, denn das wäre unerträglich auf lange Jahre inaus mit einem großen Etat auf diesem Gebiete rechnen. Die Koften, welche aus der Ausführung des Friedensvertrages in jesem Jahre erwachsen, habe ich, wie schon öfters betont, besonders usammenstellen lassen, damit ein klarer und deutlicher Ueberblick möglich ist. Wir müssen meines Erachtens hier einen besonderen Etat aufstellen, weil die Verpflichtungen und Leistungen so ungeheurer Natur sind, daß sie in ihrer Gesamtheit in diesem Jahre den ordent⸗ ichen Nettobedarf des Reiches um ein volles Drittel überschreiten. Ich wiederhole: der ordentliche Bedarf des Reiches ohne die Ueber⸗ weisungen an die Länder ist 30 Milliarden; der Bedarf aus Anlaß des Friedensvertrages und aus Anlaß der Okkupation ist 41 Milliarden. (Lebhafte Rufe: Hört! hört!) Alle die

eistungen aus dem Friedensvertrag mit seinen Vorverträgen,

also die Leistungen und Lieferungen von Kohlen, Vieh, Farben, Ammoniak, Schiffen, Eisenbahnfahrzeugen, Wiederaufbau der zer⸗ stoörten Gebiete und wie alle die Leistungen und Lasten sonst heißen mögen, die schier in unübersehbarer Fülle von uns verlangt werden, sie finden ihren Ausdruck in diesem Haushalt mit 25 Milliarden

Der zweite Posten im Etat des Friedensvertrages in

im Rheinland und die für die Besatzung zu beschaffenden Grundstücke sowie deren Unterhaltung. Die übrigen Ausgaben werden infolge von Auflagen aus dem Friedensvertrag bei verschiedenen Ministerien benötigt. 3

Es ergibt sich also die ungeheuerliche Tatsache, daß für die Zwecke des Friedensvertrags größere Summen notwendig werden, als für den gesamten ordentlichen Reichsbedarf. Alle Steuern im Reich, in den Ländern und Gemeinden würden kaum ausreichen, um die Forderungen aus dem Friedensvertrag, wie sie hier in dem Etat zu⸗ sammengestellt sind, zu erfüllen. Hier in diesem Etat liegen unsere größten Sorgen, und gerade diese Ausgaben sind es, welche auch die laufenden Ausgaben des Reichs weiter in die Höhe treiben, weil durch die Ausgaben des außerordentlichen Haushalts die Inflatiog, das heißt die Schaffung von künstlichem Geld und papiernem Kapital, gewaltig gesteigert werden muß.

Es muß mit aller Entschiedenheit gesagt werden: solche Be⸗ lastungen kann kein Staat ertragen. Es gibt keinen Finanzminister in der Welt, der sich anheischig machen möchte, diese großen Summen neben dem Inlandsbedarf durch Steuern aufzubringen. Es handelt sich hier um eine glatte Unmsöglichkeit.

Demgegenüber muß darauf hingewiesen werden, daß in dem Friedensvertrage bestimmt ist, es solle die Leistungsfähigkeit Deutsch⸗ lands nach seinen wirtschaftlichen Fähigkeiten bemessen werden. Ist es aber der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit eines Landes ent⸗ sprechend, wenn für die Besatzungsarmee eines Landes ein Aufwand erfordert wird, der weit höher ist als der Zinsendienst unserer ge⸗ samten Reichsschuld (hört! hört!), ja höher als der Zinsendienst

fämtlicher Reichs⸗, Länder⸗ und Gemeindeschulden in Deutschland zu⸗

sammen? (Hört! hört!) Und dabei weiß man noch nicht einmal⸗ ob diese Summe von 15 Milliarden Mark, die jetzt in den Etat eingestellt wird, auch wirklich ausreicht. Wenn die Ausführungen fremder Minister richtig sind, so wird der Betrag von 15 Milliarden für die Okkupation allein um viele, viele Milliarden noch über⸗ schritten werden. (Bewegung und lebhafte Rufe: Hört! hört!) Hier liegt die Wunde, welche eine wirtschaftliche und finanzielle Erholung Deutschlands so außerordentlich schwer, wenn nicht unmöglich macht. Ich meine, es ist notwendig, daß nicht nur in diesem Hause die Auf⸗ merksamkeit auf diese Ziffern gelenkt wird, sondern daß ganz Deutschland mehr von diesen Ausgaben spricht, in deren Erfüllung wir bereits eingetreten sind. (Lebhafte Zustimmung.) Es ist nicht notwendig, daß man ein derartig hartes Los nur stumm trägt. (Sehr gut!) Darum werden wir alles daran setzen müssen, uns gegen dieses er⸗ barmungslose Schicksal zu wehren und es zu meistern versuchen. Es ist unbedingt nötig, daß wir möglichst bald eine henaue Festsetzung unserer Leistungspflicht erfahren und daß willkürliche Anforderungen ausgeschaltet werden. Es ist doch ungeheuerlich, wenn von heute auf morgen irgendeine Behörde Ausgaben von Hunderten von Millionen einem armen ausgesogenen Volk auflegen kann. Der Weg zur Ge⸗

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fundung der Reichsfivanzen kann bloß über die Auseinandersetzung be⸗ züglich der Wiedergutmachung führen.

Nun kommt der dritte Haushalt, der aber in den Schmerzen nicht weniger groß ist als der vorangegangene, das ist der Haushalt der Betriebsverwaltungen. Auch dieser wird besonders vorgelegt. Ich nehme an, daß er in wenigen Tagen in Ihren Händen ist und daß Sie eingehenden Einblick bekommen in das große Werk der Reichs⸗ eisenbahn⸗ und Reichspostverwaltung. Es ist das schon notwendig, weil der Haushalt der Betriebsverwaltungen des Reichs infolge der Uebernahme der Eisenbahnen auf das Reich eine außerordentliche Ausweitung erfahren wird. Die Fertigstellung dieses Etats hat sich immer wieder hinausgezögert, was zusammenhängt mit der Uebernahme der verschiedenen Einzeletats auf das Reich. So⸗ weit aber die Reichsfinanzen durch die Betriebsverwaltungen direkt berührt werden, sind die Ziffern bereits bekannt. Die Post rechnet mit einem Fehlbetrag von 2 Milliarden, die Eisenbahn mit einem solchen von 16 Milliarden (Hört, hört!), zusammen also 18 Milliarden. Diese außerordentlich hohen Fehlbeträge der Be⸗ triebsverwaltungen sind natur gemäß eine Quelle der größten Sorge für einen Finanzminister. Es geht nicht an, daß solche Fehlbeträge noch länger geduldet werden können. Der Reichsminister der Finanzen muß mit aller Entschiedenheit die Forderung aufstellen, daß die Betriebsverwaltungen sich selbst erhalten und in absehbarer Zeit auch wieder Ueberschüsse bringen. Man muß nur bedenken, daß vor dem Kriege das gesamte statistische Anlagekapital der Eisenbahnen des gesamten damaligen Deutschlands auf ungefähr 21 Milliarden angegeben ist, um die finanzielle Bedeutung eines solchen Fehlbetrags zu würdigen.

Einem Irrtum muß ich allerdings hier entgegentreten, der sich unter dem Eindruck dieser Ziffern im Volke zu verbreiten droht und zu einem politisch sehr bedenklichen Schlagwort werden könnte. In vollkommen unkritischer Weise hat man aus diesen Ziffern den Schluß gezogen, daß überhaupt der Staat unfähig sei zur Wirt⸗ schaftsführung größerer Betriebe. Das ist aus diesen Ziffern noch nicht zu lesen. Woran liegt es denn, daß unsere Verkehrsverwaltungen heute mit einem solchen Desizit vor uns stehen? Ich habe schon bei einer früheren Gelegenheit kurz darauf hingewiesen. Es ist einmal die außerordentlich starke Inanspruchnahme der Betriebsverwaltungen während des Krieges, die gewissermaßen eien unsichtbare Kriegsanleihe dargestellt hat. Alle unterlassenen Verbesserungen und Erneuerungen im Betriebs⸗ und Anlagekapital müssen heute zu einem Vielfachen der damaligen Wertsumme nachgeholt werden. Hier liegt der eine Grund für die außerordentlichen Fehlbeträge in unseren Betriebs⸗ verwaltungen. Der andere Hauptgrund aber liegt darin, daß die Be⸗ triebsverwaltungen in ihrer Preispolitik nicht gleichen Schritt gehalten haben mit der Geldentwertung. (Sehr richtig! bei den Deutschen Demokraten.) Heute kostet ein Brief 40 Pfennig, das sind vielleicht 4 Pfennig der Vorkriegszeit. Die Verkehrsverwaltungen arbeiten heute, gemessen am Friedenswert des Geldes, ungeheuer viel billiger als in der Vorkriegszeit. (Sehr richtig)) Wenn Post und Eisenbahn ihre Preise genau so erhöht hätten oder hätten erhöhen können wie die

Industrie und besonders so erhöht hätten wie die Schwerindustrie

(sehr richtig!), wenn auch in diesen Staatsbetrieben das 20⸗fache oder vielleicht noch mehr, wie die Zahlen uns lehren, die heute bei der Eisenbahn bezahlt werden müssen an die Industrie, wenn das 25.—30⸗fache des Friedenspreises gefordert würde, dann wäre nicht nur kein Defizit vorhanden, sondern die Betriebsverwaltungen würden im Gelde schwimmen können. (Sehr richtig! und Heiterkeit.) Das wäre die beste Stütze für unsere Reichsfinanzen. Mit Rücksicht auf die Volkswirtschaft und auf das Betriebsergebnis selbst ist eine derartige Angleichung nicht erfolgt. Man hat sich gesagt, daß unter Umständen der Verkehr sehr stark eingeschränkt werden würde und daß damit die Generalunkosten stiegen. Ob das der Fall ist, wird die weitere Prüfung ergeben. Die Privatindustrie macht es in solchen Fällen so, daß sie die überflüssigen Arbeitskräfte abstößt und dadurch ihre Rentabiliät sichert. Daß auch hier naturgemäß Grenzen für die Verkehrsverwaltungen gesetzt sind, ist klar.

Der Herr Reichsverkehrsminister wird Gelegenheit nehmen, Ihnen eingehende Mitteilungen darüber zu machen, wie das Verhältnis zwischen Kostenaufwand einerseits und gesteigerten Tarifen andererseits sich gestaltet. Ich wünsche nur, daß die Zahlen dann in Deutschland überall Beachtung finden mögen. Nur ein Beispiel noch. Beim Personenverkehr ist für die vierte Klasse nur eine Steigerung auf das 3,5 fache, bei der dritten Klasse auf das 3,8 fache eingetreten. Auch die Gütertarife sind nur soweit erhöht, daß sie unter dem fünffachen der Friedenspreise bleiben. Wo finden Sie in der Privatindustrie ein ähnliches? (Sehr richtig rechts und im Zentrum.) Dort sind die Preise auf das zehn⸗, fünf⸗ zehn⸗, zwanzigfache und noch höher gegenüber der Friedenszeit ge⸗ steigert worden. Dagegen mußten natürlich die Kosten der Eisenbahn außerordentlich in die Höhe gehen, weil es einerseits notwendig wurde, die Gehälter und Löhne den gestiegenen Lebenskostenpreisen einigermaßen anzupassen, andererseits aber vor allem die Material⸗ kosten der Eisenbahnen unerhört und ungeheuerlich gestiegen sind. Gerade in der Vermehrung der Sachausgaben der Eisenbahnen liegt das Hauptmoment für die außerordentlich starke Unterbilanz. (Sehr richtig! rechts, im Zentrum und bei den Deutschen Demokraten.) So sind beispielsweise die Preise für die Tonne Kohlen einund⸗ zwanzigmal so hoch wie in Friedenszeiten, die Preise für Schienen pro Tonne siebenundzwanzigeinhalbmal so hoch (hört! hört), für Eisenschwellen neunundzwanzigeinhalbmal usw.

In zweiter Linie kommen dann die großen Mehraufwendungen für das Personal. Es ist selbstverständlich, daß bei solchen Zu⸗ ständen keine Gleichung zwischen Ausgaben und Einnahmen gefunden werden kann.

Eine Gesundung auf diesem Gebiete kann nur erzielt werden, wenn einmal versucht wird, die Tarife der Entwertung des Geldes soweit als möglich anzupassen, und wenn anderersekts eine allgemeine Preisdeckung in der Volkswirtschaft erfolgt. (Zuruf bei den Deutschen Demokraten: Und mehr gearbeitet wird.) Sie kennen den frommen Wunsch. .

Darüber hinaus wirkt belastend bei den Betriebsverwaltungen die Tatsache, daß sie vielfach Aufgaben erfüllen müssen, die auf das sozialpolitische Gebiet zu verweisen sind. Man denke nur daran, welch große Ausgaben den Betriebsverwaltungen entstehen müssen infolge der Forderung, daß dieselben zur Verminderung der Arbeitslosenzahl eine „Reihe von Kräften werden durch⸗ halten müssen, die für den Betrieb nicht notwendig sind. Eine solche Politik scheint mir aber verkehrt zu sein. (Sehr wahr!) Es ist unter allen Umständen notwendig, daß die Betriebsverwaltungen

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von solchen Aufgaben entbunden werden. Dazu sind sie nicht da. (Sehr richtig! rechts.) Auch die psychologische Wirkung einer solchen Anordnung ist ungleich viel schädlicher, als wenn die nötigen Auf⸗ wendungen für Erwerbslosenfürsorge von Reichs wegen gemacht würden. (Sehr wahr! rechts.) Schließlich leiden die Betriebs⸗ verwaltungen außerordentlich unter der schematischen Durchführung des Prinzips des Achtuhrstundentages. (Sehr richtig! rechts und im Zentrum.) Mit diesem Grundsatz einer nur schematischen Durch⸗ führung sind keine Betriebe aufrechtzuerhalten. Es muß mindestens gefordert werden, daß wirkliche achtstündige Arbeit geleistet wird (sehr wahr!), nicht acht Stunden Anwesenheit oder Arbeitsbereit⸗ schaft. (Sehr gut! rechts und im Zentrum.) Das ist eine um so gerechtere Forderung, als von den Schwerstarbeitern im Bergbau nicht etwa eine Bereitschaft, sondern eine achtstündige Arbeitsarbeit gefordert wird.

Meine Herren! Diese meine Forderung gilt allgemein. Sie gilt für den Arbeiter wie für den Beamten.

Ich habe erst in den letzten Tagen gehört durch Nachweis, daß eine Dienststelle irgendwo vorhanden ist, wo durchschnittlich nicht mehr als sechs Stunden gearbeitet wird. (Hört! hört! rechts.)

Die Zahl der bei der Eisenbahn beschäftigten Arbeiter, Ange⸗ stellten und Beamten ist, wie Sie wissen, gegen die Friedenszeit stark gewachsen. Hier liegen die Aufgaben einer Rationalisierung, die möglichst sofort einsetzen muß. Hier kann auch viel gespart werden.

Bei der Post liegen die Dinge ähnlich. Auch sie krankt an der Belastung durch einen zu starken Personalbestand. Bei der Post kommt weiter hinzu, daß man von ihr Leistungen verlangt, die unter Umständen das Zehn⸗ und Mehrfache dessen ausmachen, was der einzelne dafür zu entrichten hat. Man denke nur an die Anlage von Anschlüssen, die so außerordentlich teuer geworden sind, aber von der Post zu billigstem Preise vorgenommen werden müssen, Hier muß Wandel geschaffen werden. Die Betriebsverwaltungen müssen dafür sorgen, daß sie mit dem denkbar geringsten Arbeitsaufwand zurecht⸗ kommen. Sie müssen weiter dafür sorgen, daß das wirtschaftlich notwendigste Verkehrsbedürfnis befriedigt wird, daß aber überall da, wo Postanstalten nicht absolut notwendig sind, eine Einschränkung erfolgt. Bei der heutigen Lage der Reichsfinanzen ist es ganz unmöglich, daß man für Annehmlichkeiten des Publikums große Summen auswirft. Da wir so arm geworden sind, muß eben die ganze Volkswirtschaft sich einschränken, muß auch auf manche Leistungen, die in der reichen Friedenszeit geboten werden konnten, verzichten. Wenn die Rück⸗ bildung des ganzen Verkehrsapparates auf das wirtschaftlich not⸗ wendigste Maß durchgeführt ist, wenn, mit anderen Worten, ein möglichst rationeller Betrieb eingesetzt hat, dann kann sich auch das Publikum nicht darüber beschweren, falls die Tarife den geänderten Verhältnissen angepaßt werden.

Diese Reformarbeit muß im Interesse der Finanzen so batd als möglich in Angriff genommen und durchgeführt werden, damit noch in diesem Jahre der zu erwartende Fehlbetrag sich einigermaßen er⸗ niedrigt und wenigstens vom nächsten Jahre ab wieder geordnete Verhältnisse gegeben sind. Der Reichstag hat hier eine große Pflicht, mit allen Mitteln an den Aufgaben mitzuwirken, die sich hier bieten. Ich wecß, daß meine verehrten Ministerkollegen bei der Post und bei der Eisenbahn sich diesen Aufgaben mit aller Energie unterziehen. Mit einseitigen Schlagworten gegen den Staatsbetrieb überhaupt ist aber nicht geholfen.

Meine Damen und Herren! Wenn man von einem privat⸗ wirtschaftlichen Betriebe eine solche Preispolitik verlangen wollte, wie man das von den Verkehrsverwaltungen in der Presse immer tut, dann würde in wenigen Wochen der ganze Privatbetrieb stillstehen. Die Reform der Betriebsverwaltungen in dem angedeuteten Sinne ist das eine Mittel, mit welchen wir den riesengroßen Schwierigkeiten unserer Finanzlage begegnen müssen.

Meine Damen und Herren! Nun gibt es aber auch Sorgen für den Haushalt im engeren Sinne; denn wenn auch im Voranschlag der ordentliche Haushalt in Ausgaben und Einnahmen balanziert, und wenn beim außerordentlichen Etat, soweit er nicht auf Betriebs⸗ verwaltungen und Friedensvertragsleistungen entfällt, im nächsten Jahre der größte Teil der Ausgaben in Fortfall kommt, so sind wir doch auf diesem Gebiete noch lange nicht über den Berg. Zunächst muß mit allem Nachdruck darauf hingewiesen werden, daß im ordentlichen Haushalt eine Summe von 4,5 Milliarden Mark eingestellt ist an einmaligen Einnahmen, die aus der Vermögenszuwachssteuer fließen sollen. Ebenso ist die Summe aus dem Reichsnotopfer ziemlich hoch eingesetzt worden. Wenn im nächsten Jahre die Ausgaben des ordentlichen Etats in gleicher Höhe erscheinen würden, so würde sich schon aus diesem Grunde ein Vakuum ergeben, das uns viele Sorge verursachen muß. Darum kann die Steuergesetzgebung auch heute noch nicht als abgeschlossen gelten.

Meine Damen und Herren, ich darf noch einmal den wichtigen Satz in eine kurze Prägung zusammenfassen. Sie müssen rechnen, daß teilweise schon mit Wirkung in diesem Haushalt mit Mehrbelastungen zu rechnen ist, und zwar zunächst einmal, soweit ich es übersehen kann, mit einem Mehr von 2 Milliarden und mit einem Ausfall an Steuern im nächsten Budget von 2,5 Milliarden, so daß ein Mehr⸗ bedarf heute schon von 4,5 Milliarden für das nächste Jahr im ordentlichen Budget zu übersehen ist. Dazu tritt für Post und Eisenbahn noch einmal 1 Milliarde, so daß Sie sehen, daß die Sorg nicht kleiner, sondern daß sie größer wird. 8

Die wichtigste Aufgabe, meine Damen und Herren, die ich abe zurzeit in meinem Amt zu leisten habe, ist nicht, Ihnen heute schon

eine neue große Flut von Steuergesetzen auf den Tisch zu legen,

sondern in einer energischen Durchführung der geschaffenen Steuer gesetze (lebhafte Zustimmung im Zentrum, bei den Sozialdemokraten und Deutschen Demokraten), in einer bis an die Grenze des Möglichen

getriebenen Sparsamkeitspolitik voranzugehen. Daß die neuen

Steuern mit allen Mitteln zur Durchführung gebracht, aus ihnen

hohe Beträge, wie nur irgend möglich, herausgeholt werden

müssen, ist klar. Sonst stehen die Einnahmeziffern auf dem Papier. Bei dieser Gelegenheit möchte gesamte Reichskabinett einstimmig auf dem Standpunkt steht, und daß also für die Befürchtungen oder Hoffnungen, das Reichsnotopfer

würde wieder abgeschafft werden, wenn die oder jene Partei in die Regierung eintritt oder eingetreten ist, kein Raum vorhanden ist.

(Hört! Hört! bei den Deutschen Demokraten.)

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der Nachweis scheint leider zu

moöglich ist. dringen, diese Leitung in den Händen zu haben. Ich hoffe, daß durch

diese Maßnahmen der Weg frei gemacht wird, der zu einer einheit⸗

ich darauf hinweisen, daß das

zum Deutschen Reichs Itr. 24383

Seit dem Antritt meines Amtes bin ich bestrebt, die Durch⸗ führung der Stetergesetze möglichst zu beschleurigen. Die einzelnen Landesfinanzämter werden besucht, über den Stand der Veranlagung an Ort und Stelle vergewissert man sich und versucht sie zu fördern. Aber, meine Damen und Herren, die Aufgabe ist riesengroß. Wenn schon in der Vorkriegszeit es außerordentlich schwer war, das Rad des hürokratischen Betriebs in rascheres Schwingen zu bringen, so ist es doppelt schwer in einer Zeit, wo alles aus den Fugen gegangen ist und ein vollkommener Neuaufbau der Gesetzgebung wie der Ver⸗ waltung durchgeführt werden muß. Nun, meine Damen und Herren, ich habe eine Denkschrift ausarbeiten lassen, und

darf alle Vertreter der Landesteile bitten, sich diese heiden Denkschrifen genan anzusehen. Erstens eine Denk⸗ schrift, aus der Sie Aufschluß bekommen über den Aufbau der Finanz⸗ verwaltung, über die Schwierigkeiten ihrer Errichtung und den gegen⸗ wärtigen Stand der Veranlagungen der Besitzsteuer. Ich darf Sie bitten, die Herren von rechts bis zur äußersten Linken, in der von mir dem Reichstag bereits zugegangenen Denkschrift nicht nur den Blick auf das Ganze richten zu wollen, sondern in den Tabellen ist genau auseinandergesetzt, wie die Veranlagung der Steuern in jedem Landesfinanzamt fortgeschritten ist. Sie lesen da die Berichte von Karlsruhe, von Königsberg, von Berlin und Breslau. Die Herren haben Gelegenheit, in den nächsten Tagen über ganz Deutschland Licht und Schatten gerecht zu verteilen. Das ist ja verlangt worden. Der Reichsfinanzminister soll die Steuern rasch einheben, und er soll Rechenschaft darüber ablegen. Das geschieht, der Bericht liegt Ihnen vor. .

Als die Denkschrift bei mir der letzten Korrektur unterzogen worden ist das darf ich Ihnen aufrichtig sagen —, habe ich Be⸗ denken bekommen, ob es möglich ist, diese Denkschrift dem Reichstag jetzt zugehen zu lassen. Sie werden sagen: Da ist nicht genügend geschehen, dort muß kräftig nachgeholfen werden. Ich habe die Bedenken vorausgesehen und erwarte von mancher Seite eine harte Kritik⸗ Ich ertrage die Kritik, ja ich wünsche sie sogar, und Sie sollen sehen, daß wir durch die Vorlage der Denkschrift nichts verheimlichen wollen. Nichts wäre törichter, als wenn wir irgend etwas über den Stand unserer Finanzen verheimlichen wollten. Prüfen Sie diese -beiden Denkschriften, die organisatorische Denkschrift und die politisch be⸗ deutsame Denkschrift über die Steuererhebung und ⸗veranlagung gewissenhaft, und Sie werden wohl zu der Ueberzeugung kommen, daß ein großes Maß von Arbeit bereits geleistet worden ist.

Ich hoffe, daß sie noch in der Beratung dieser Woche eine nicht kleine Rolle spielen werden.

Wir wollen bei allen Dingen nicht vergessen, daß es auch in der Vorkriegszeit verhältnismäßig lange gedauert hat, bis eine neue direkte Steuer durchgeführt war. Ich erinnere nur an das Wehr⸗ beitragsgesetz, das nur einen bescheidenen Prozentsatz der Bevölkerung erfaßte. Es wurde 1913 beschlossen, und die Steuer kam nach einem Jahre zur Veranlagung und Erhebung. Damals waren geordnete Verhältnisse. Das darf bei einer berechtigten Kritik nicht übersehen werden: die Steuererhebung hat nicht nur eine technische, sondern auch eine psychologische Seite, und hier liegen vielleicht noch größere Hemmnisse vor als auf technischer Seite. (Sehr richtig! bei den Deutschen

okraten.) In einer Zeit, wo die staatsbürgerliche Moral tief gesunken, das Pflichtbewußtsein gegenüber dem Staat herabgedrückt ist, wo die

gatliche Autorität so schwer geschädigt ist wie in der Gegenwart, 8 wird es doppelt schwer, eine tief einschneidende Steuergesetzgebung zur Durchführung zu bringen. Die Hebung der Moral, die ebung des Staatsbürgersinns und die Stärkung der Autorität ist die nabweisbare Voraussetzung für ein gutes Funktionieren des gesamten Steuerapparats. (Sehr richtig!) Es wird draußen so häufig zu uns gesagt: Haltet die Schieber, haltet die Wucherer! Sind Sie sich allerdings darüber klar, daß der Kapitalismus, wenn man ihn richtig versteht, nie größere Triumphe feiert, als wenn die staatliche Autorität eschwächt ist! (Sehr richtig!) Die Reichsabgabenordnung gibt nach ieser Richtung Mittel an die Hand, wie wir sie im früheren teuerrecht nicht gekannt. Sie restlos zur Anwendung zu bringen, muß die Aufgabe und der Stolz eines jeden Beamten der Finanz⸗

verwaltung sein. Es ist aber auch selbstverständlich für die übrigen

Behörden, soweit ihre Mithilfe 1 daran zu setzen, um der Steuergerechtigkeit zur Durchführung zu ver⸗

in Frage kommt, alle Kräfte

helfen. Meine Damen und Herren, es ist mir mitgeteilt worden und gelingen —, daß allein an

11 Organisationen polizeilicher Natur tätig seien. (Hört! hört!) Darum habe ich in meinen Richtlinien die Zusammen⸗ legung aller Organisationen verlangt, welche gleichen Zwecken dienen; nur dann können wir dem Schmugglerwesen an der Grenze endlich Herr werden, wenn eine einheitliche Leitung des Grenzwachdienstes Hier muß die Finanzverwaltung unbedingt darauf

lichen Durchführung der Steuergesetze führen soll. Ich brauche nicht eigens zu betonen, daß ich mit aller Kraft daran arbeite, der so arg ins Kraut geschossenen Steuerhinterziehung und „umgehung entgegen⸗

zuarbeiten und stets auf neue Mittel zu sinnen, um dieses Ziel zu

erreichen. Ich bin überzeugt, daß der Reichstag mich in diesen Be⸗ strebungen unterstützen wird. Die Kleinarbeit bei der Durchführung

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der Finanzgesetze tritt nach außen hin wenig zutage; sie ist schwer

und aufreibend, aber sie muß geleistet werden. Meine Damen und Herren! Nun wird Ihnen ein interessantes

Bild aus Deutschland zeigen, daß es nicht nur eine Phrase ist, wenn man von Steuersabotage spricht; sie ist auch vorhanden. (Sehr

ichtig! bei den Deutschen Demokraten.) Mein Nachfolger in Baden,

der badische Finanzminister Köhler, hat dieser Tage einen Runderlaß, der auch in die Oeffentlichkeit gekommen ist, in die Presse gegeben.

Es heißt darin: Den Steuerzuwiderhandlungen muß in Stadt und Land mit

eller Schärfe und Entschiedenhett

ohne Ansehen der Person und

Zweite Beilage

Berlin, Donnerstag, den 28. Ntober

des Standes, entgegengetreten werden. Alle Mittel müssen ange⸗ wendet werden, die die Reichsabgabenordnung in die Hand gibt denn Steuerzuwiderhandlungen insbesondere werden in sehr großem Umfange ins Ausland geschoben um den im Inlande versteckten Vermögen auf die Spur zu kommen. Wir sind es dem ehrlichen Steuerzahler schuldig

(Zuruf rechts: Erzberger!) Haben Sie nur Geduld. Es ist nicht

ritterlich, diesen Zuruf zu machen. (Sehr richtig! und Zurufe bei den Sozialdemokraten.) Die Beamten und nun komme ich auf den springenden Punkt werden mit ihrem Pflichtgefühl einschreiten gegen steuer⸗ liche Zuwiderhandlungen und bei den vorgesetzten Dienststellen volle Deckung und jeden Schutz finden.

Ich wiederhole dieses Wort, das dankenswerter Weise im Süden gesprochen worden ist, für die gesamte Beamtenschaft des Reiches. Auf den Zwischenruf, den Sie gemacht haben, bin ich aber bereit, Ihnen auch eine Antwort zu geben. Das Amt, das ich zu führen zurzeit die Ehre habe es ist ein dornenvolles Amt, es ist nicht geeignet, einen populär zu machen wird geführt ohne Ansehen der Partei (Bravo! rechts), ohne Ansehen der Person. Sie können in meinem Amt, wo Sie wollen, alle Räume durchmustern, alle Zettel nachsehen, ich würde den Tag als einen Tag der Schande ansehen, wo mir irgendjemand irgendwie nachweisen würde, daß ich aus partei⸗ politischen Gründen in meinem Amt einen Schritt getan hätte, den ich etwa nicht hätte tun dürfen oder den ich etwa tun würde, um nach außen mich beliebt bei Personen oder bei Parteien zu machen. (Zuruf rechts: Das hat der Zwischenruf nicht be⸗ sagen sollen.) Ich sage Ihnen nur noch einmal, wenn Sie mit Ihrem Zwischenruf überhaupt einen Sinn verbunden haben, daß auch vor der genannten Person keinerlei Untersuchung einen Halt machen wird. Warten Sie aber ab, meine Damen und Herren. Lassen wir doch endlich den persönlichen Kampf. Sehen Sie denn nicht, daß es unendliche Arbeit kosten wird, bis diese Steuergesetze durchgeführt werden? Lenken Sie doch die Aufmerksamkeit nicht immer auf eine Person, sondern lenken Sie die Aufmerksamkeit draußen hin auf die Kämpfe, die unsere Beamten durchführen müssen, wo es sich darum handelt, ganze Klassen und Schichten unserer Bevölkerung an ihre Pflicht zu erinnern. (Sehr richtig! im Zentrum.)

Wird die Steuergesetzgebung richtig durchgeführt, so werden da⸗ durch dem Reiche wohl größere Summen gerettet werden, als durch die Einführung der einen oder anderen Steuer. Wir führen jetzt einmal die beschlossenen Steuern aus, und wir werden dann im Laufe des Winters sehen, was neues kommen soll.

Die zweite große Aufgabe ist die energische Durchführung des Grundsatzes sparsamster Haushaltung, und damit berühre ich einen sehr empfindlichen Punkt. Wie ein richtig geleiteter Privatbetrieb in dem Augenblick, in welchem die Unkosten sehr stark in die Höhe gehen, bestrebt sein muß, durch rationellere Betriebsorganisation, durch sparsamste Wirtschaft und Ausnutzung aller Kräfte und Möglichkeiten die Unkosten herabzudrücken, mit anderen Worten den Betrieb zu rationalisieren, so muß auch das Reich verfahren. Ich wäre den Herren persönlich dankbar, wenn Sie mich durch Aufmerksamkeit noch etwas unterstützen würden. Die Forderung nach Sparsamkeit ist oft genug erhoben worden, aber gerade in der Gegenwart leben

wir in einer Zeit der Ueberorganisation, der unbedingt ein Riegel

vorgeschoben werden muß. Vereinfachung der Verwaltung auf allen Gebieten in Reich, Staat und Gemeinde ist eine unerläßliche Not⸗ wendigkeit. Die Ausgaben müssen mit aller Strenge auf das absolut notwendige Maß zurückgeführt werden, wenn ein Finanzminister im⸗ stande sein soll, den ordentlichen Etat zu balancieren. Dazu aber ist unbedingt notwendig, daß die Stellung des Finanzministers erheblich gestärkt wird. Wie soll denn ein Finanzminister sparen können, wenn er etwa mit seiner ablehnenden Stimme im Kabinett überstimmt wird oder gar allein steht? Ich habe Richtlinien aufestellt; das Kabinett hat ihnen in dankenswerter Weise zugestimmt. „Meine Damen und Herren! Ich glaube, Sie sind nicht etwa der Auffassung, daß diese Richtlinien an eine Person gebunden sind. Den Schritt, den ich getan habe, habe ich aus Pflichtgefühl heraus getan. Die Richtlinien sind veröffentlicht worden; sie sind auch, wie ich erfreulicherweise fest⸗ stellen darf, in weitesten Kreisen unseres Volkes beachtet worden. Die Durchführung kann aber nicht nur Sache des Finanzministers sein, der sich dadnrch sehr unbeliebt macht (sehr richtig! im Zentrum), es ist auch nicht Aufgabe eines Finanzministers, sich populär machen zu wollen. Die Aufgabe meines Amtes ist eine so harte, daß ich glaube keine Fehlbitte tun zu können, wenn ich Sie ersuche, dringend und herzlich ersuche, gerade in den nächsten Wochen an der Seite des Finanzministers zu stehen, nicht der Person, sondern der Sache wegen. Auf keinerlei partei⸗ politische Gründe das spreche ich in Ihrer Mitte offen aus kann bei Führung meines Amtes Rücksicht genommen werdc. Ich kann mit großer Genugtuung feststellen, daß auch in Preußen, und zwar im Hauptausschuß der preußischen Landesversammluug, zum Haushalt des Finanzministeriums ein Antrag eingebracht wurde, der sich in etwa mit den Richtlinien des Reiches in Einklang befindet. Der Antrag lautet:

„Die Staatsregierung zu ersuchen, dem Finanzminister in er⸗ höhtem Maße das Recht und die Möglichkeit zu geben, die von anderen Ministerien angemeldeten Geldforderungen, soweit diese nicht auf Beschlüssen der Landesversammlung oder auf rechtlichen

Verpflichtungen beruhen, mit Erfolg zurückzuweisen, wie dies ent⸗ sprechend für den Reichsfinanzminister durch die vom Reichskabinett am 9. Oktober 1920 beschlossenen Grundsätze geregelt ist.“

Ich freue mich, daß man auch in anderen Landtagen dem⸗

entsprechend vorgehen will. Von diesen Richtlinien und der darin niedergelegten Finanz⸗ und Sparpolitik wird niemand verschont werden, auch die Minister nicht. (Sehr gut!)

Ich habe es begrüßt, daß die Auseinandersetzung über diese

Dinge, die kritisch in den letzten Tagen gewürdigt worden sind, im

Hauptausschuß in aller Schärfe und aller Gerechtigkeit erfolgen soll.

Nach meiner Erfahrung ist das Reich nur noch in der Lage, Leben

und Brot des deutschen Volkes zu sichern, das Leben durch innere

besondere

anzeiger und Preußischen

Ordnung und staatliche Sicherheit, das Brot durch Hebung der Produktion und dann durch Schaffung der nötigen Zahlungsmittel, um aus dem Auslande das Brot zu beschaffen. Meine Damen und Herren! Mit der Notenpresse schaffen Sie vom Auslande für das deutsche Volk kein Brot. (Sehr richtig!) Wir müssen unsere Blicke endlich von den Milliardenzahlen ablenken. Lenken Sie Ihre Blicke aͤuf die Handelsbilanz! Prüfen Sie unsere kranke Wirtschaft und heilen Sie die Wirtschaft. Dann wird die Sanierung der Finanzen bei einer klugen und weitausschauenden Finanzpolitik mög⸗ lich sein. Wenn wir voran kommen wollen, muß der ordentliche Bedarf des Reiches in seinem Haushalt nach allen Richtungen hin nach sachlichen Gesichtspunkten geprüft werden. Wir müssen ich kann Ihnen dieses Wort nicht ersparen zu einem systemati⸗ schen Abbau des ordentlichen Haushalts kommen (sehr richtig!), schon aus dem Grunde, weil wir im nächsten Jahre die von mir genannten Milliarden der einmaligen Einnahmen nicht mehr zur Verfügung haben. Ohne einen Abbau der jetzigen Ans⸗ gaben kommen wir nicht voran. Unser Haushalt unterliegt im Reichstage der öffentlichen Kontrolle. Diese Kontrolle ist eines der vornehmsten Rechte der Volksvertretung. Das deutsche Volk das bitte ich Sie insbesondere zu würdigen unterliegt aber noch einer zweiten Nachprüfung seiner Wirt⸗ schaft, nämlich durch die alliierten und assoziierten Mächte. Wir können uns dieser Nachprüfung nicht entziehen, und wir wollen auch alle unsere Gegner in unsern Haushaltsplan, der ja gedruckt vorliegt, der für die Oeffentlichkeit bestimmt ist, hineinschauen lassen. Der Haus⸗ haltsplan das möchte ich doppelt unterstreichen wird nach meiner festen b Ueberzeugung in kurzer Zeit so aussehen, daß er nur noch die Lebens⸗ notwendigkeiten des deutschen Volkes enthält, und daß jeglicher Luxus, jegliche Forderung, die nicht unumgänglich notwendig ist, schon in diesem Winter daraus verschwinden wird. (Sehr gut!) Mit einem solchen Haushalt, der nach allen Seiten hin stahlhart geprüft ist werden wir vor die Alliierten treten und ihnen sagen: dieses ist unse nacktes Leben; richtet bitte ihr, die ihr über die Welt richten wollt danach eure Forderungen ein. Unser Bestreben ist, der Wahrheit durchaus Rechnung zu tragen, die Wirklichkeit zu schildern, wie sie ist, fern von jeder parteipolitischen Erwägung. Ausland und Inland sollen die Zahlen ohne jede Beschönigung sehen. Die Zahlen sollen reden. Ihre Sprache ist so deutlich, daß jedermann, der willens ist, zu hören, sie verstehen und daraus seine Folgerungen ziehen muß.

Ich habe in den letzten Wochen und Monaten Gelegenheit ge⸗ habt, da und dort einmal einen Vertreter des Auslands sprechen zu hören und mich mit ihm über unsere Sorgen zu unterhalten. Dabei wird in den Kreisen der Alliierten häufig die Auffassung gefunden, daß die Zahlen des deutschen Haushalts frisiert und aufgebläht sind, und zwar mit Absicht, um eine geringere Leistungsfähigkeit Deutsch⸗ lands dazutun. (Zuruf: Lächerlich!) Ich glaube, daß jeder, der die Denkschriften, die wir der Oeffentlichkeit unterbreitet haben, unbe⸗ fangen durchgeht, an der Aufrichtigkeit unserer Darlegungen und an ihrer Liebe und ihrem Willen zur Wahrheit nicht zweifeln kann. Wir gehen auch den mmangenehmen Dingen in unseren Zahlenangaben nicht aus dem Wege. Die Denkschriften, die Ihnen zugegangen sind, sind auch ein beachtenswertes Mittel, um die Welt über unsere wahre Lage aufzuklären.

Ueber die Richtlinien ist genug gesprochen. Ich darf nur noch auf zwei Punkte kurz hinweisen. Neue Stellen sollen grundsätzlich nicht mehr bewilligt werden. (Sehr gut!) Ebenso⸗ wenig sollen neue Organisationen nicht mehr geschaffen werden. Das Reich soll keine neuen Aufgaben übernehmen, auch nicht solche, welche bisher den Ländern und Gemeinden obliegen. Die Zuständigkeit zwischen Reich und Ländern hinsichtlich der Erfüllung von öffent⸗ lichen Aufgaben und Leistungen ist scharf abzugrenzen. Soweit das Reich hier Verpflichtungen hat, müssen wir sie ziffernmäßig begrenzen und festlegen, nicht in prozentualen Anteilen dürfen sie niedergelegt sein, damit nicht am Schlusse des Jahres wieder, wie es leider ge⸗ schehen ist, Etatüberschreitungen vorkommen. Bei allen Anträgen auf Bewilligung von Reichsmitteln sind nur rein sachliche Gesichtspunkte zugrunde zu legen. Alle Ansätze auf dem Gebiete der persönlichen und der sachlichen Ausgaben sind auf jede nur mögliche Kürzung nachzuprüfen. Das gilt besonders vom Personalbedarf. Frei werdende Beamtenstellen in der Zentralstelle dürfen nur mit Zustimmung des Reichsfinanzministers wieder besetzt werden. Nicht die Person, sondern die Stelle spielt eine Rolle. (Sehr gut!)

Ein sehr wichtiges Kapitel bei der Durchführung der Sparsam⸗ keit bilden die im Kriege geschaffenen Organisationen und die Ab⸗ wicklungsstellen. Die noch bestehenden Kriegsorganisationen, ins⸗ die Kriegsgesellschaften und Heeresstellen, müssen unter Wirkung und Kontrolle des Reichsfinanzministers nach den von diesem aufgestellten Grundsätzen in beschleunigtem Tempo abgebaut werden. (Sehr gut!) Nur eins, meine Damen und Herren, bitte ich Sie zu beachten: Zu all den Dingen gehören Menschen mit starken Nerven und mit einer guten Gesundheit. (Zuruf: Die haben Sie doch!) Dann muß man aber mit größerer Aufmerksamkeit dem Finanz⸗ minister zuhören und Privatgespräche etwas einstellen. (Heiterkeit.) Auch über die auf diesem Gebiete geleistete Arbeit geht Ihnen diese Woche noch die Denkschrift zu, die ich Sie bitten möchte, sorgfältig durchgehen zu wollen. Jede Stelle, die, wie nachgewiesen wird, noch nicht abgewickelt ist, muß meiner Meinung nach im Haushalts⸗ ausschuß von den Vertretern, die dazu berufen find, als sachlich notwendig nachgewiesen werden. (Zustimmung.) Ich habe die Hoffnung, durch eine Aussprache in der Kommission die sachliche Notwendigkeit bis zum letzten Rest nachprüfen zu lassen und dann gerade, von Ihrem Vertrauen getragen, unnötigen Ein⸗ richtungen endlich das Lebenslicht auszublasen. (Bravo!) Die Ab⸗ wicklung ist vorwärts geschritten. Sämtliche Abwicklungsstellen und örtliche Dienststellen sind seit dem 1. Oktober 1920 aufgelöst. Es bestehen nur noch 56 Dienststellen des alten Heeres, Provinzial⸗ und Zentralstellen, und 19 Dienststellen der Marine. Ich bin Gott froh, daß diese Arbeit so weit gelungen ist, und ich danke insbesondere den Beamten des Abwicklungsamtes und seinem Unterstaatssekretär Kreszinsyy und General Muther, daß