1920 / 255 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 09 Nov 1920 18:00:01 GMT) scan diff

über Ort und Zeit derartiger Postüberwachungen

Kunst und

Am 6. und 7. November trat die „Historische Kommission für das Reichsaxchiv“ auf Einladung des Reichsministers des Innern zum ersten Male zusammen. Sie kam übereinstimmend zu

der Ansicht, daß die erste und wichtigste Aufgabe des Reichsarchivs

die Sanm lung Sichtung und Sicherung des ungeheueren Akten⸗ materials des Reichs aus der Zeit von 1867 bis zur enwart sein müsse. Daneben billigte sie die vom Präsidenten des Neichs⸗ archivs vorgetragenen Pläne für die wissenschaftlichen Aus⸗ arbeitungen, die im wesentlichen darin gipfelten, alsbald ein ge⸗ drängtes Uebersichtswerk über den gesamten Weltkrieg auf Grund des vorhandenen amtlichen Materials zu geben; es wurde jedoch aus⸗ drücklich betont, daß auch die kulturellen, sozialen und wirtschaftlichen Momente in dieser Bearbeitung ihre besondere Berücksichtigung finden müßten. Die Kommission sprach sich ferner dafür aus, daß die Ver⸗ öͤffentlichungen des Reichsarchivs in zwei Folgen, einer amtlichen Quellenveröffentlichung und einer Folge von „For⸗ schungen und Darstellungen aus dem Reichs⸗ archiv“, unter Verantwortung des Bearbeiters erscheinen sollen. Den größeren Teil der Verhandlungen nahm die Begutachtung der Anwärter für die jetzt zu besetzenden Stellen in Anspruch. Es wurde über die anzustellenden Personen völlige Uebereinstimmung erzielt. Zum Vorsitzenden der Kommission wurde der Staatssekretär Dr. Lewald ewählt. Zu Mitgliedern des Vorstands wurden die Herren Petbrag⸗ Kehr, Meinicke, Schreiber und Schu⸗ macher bestimmt. Mit der Aufstellung einer Geschäftsordnung

wurde Geheimrat Prof. Dr. Goe tz beauftragt.

Eine Anzahl wichtiger neuer Antikenfunde wurden in der Novembersitzung der Berliner Archäologischen Gesellschaft besprochen, mit der die Vereinigung zum ersten Male nach den Sommerferien wieder zusammentrat. Der Vor⸗ sitzende, Herr Dragendorff, machte Mitteilung von einer Neu⸗ rwerbung des römischen Nationalmuseums. Es handelt sich um eine majestätische weibliche Gewandfigur im Stile des Phidias mit dem Kopftvpus der Hera Farnese, so daß wir nunmehr für diesen berühmten Keyf den zugehörigen Körper kennen und damit eines der bedeutensten Werke der Blütezeit der attischen Kunst wieder gewonnen haben. Herr Wiegand legte das erste Heft der Veröffentlichungen des türkischen Denkmalschutz⸗ kommandos vor. Es behandelt die Forschungen Wiegands und seiner Mitarbeiter im Sinaigebiet. Zu einer gewissen Kulturblüte hat es danach dies Wüstenland nur in frühchristlicher Zeit gebracht. Herr Neugebauer sprach über eine Neuerwerbung des Antiguariums, die von Frau Lessing geschenkte Broncestatuette eines nackten Gottes. Auf Grund eingehender Stilkritik verwies er das Werk in die Schule von Argos⸗Sikvon und die erste Hälfte des vierten Jahrhunderts v. Chr. Zum Schluß sprach Herr Vollbach, ausgehend von der Betrachtung einer Bleischale im christlich⸗archäologischen Institut der Berliner Universität, über den zum großen Teil nach New York gekommenen Silberfund von Antiochia und wies für die ersten nachchristlichen Jahrhunderte den maßgebenden Einfluß der Goldschmiedekunst Antiochiens nach.

Verkehrswesen.

Nach dem Inkrafttreten des Vertrags von Versailles vom 2. Juni 1919 ist in den besetzten rheinischen Gebieten die bis dahin von den Besatzungsbehörden ständig ausgeübte allgemeine Ueberwachung des Postverkehrs zwar weggefallen; die Interalliierte Rheinland⸗Kommission in Koblenz hat sich aber im Artikel 11 ihrer auf Grund des Abkommens über die militärische Besetzung der Rheinlande erlassenen Verordnung Nr. 3 vom 10. Januar 1920 das Necht zugesprochen, jederzeit die von Briefen und Postsendungen von den deutschen Behörden fordern können. Die Interalliierte Kommission kann sonach Postüberwachung jederzeit und an jedem beliebigen Ort des besetzten rheinischen Gebiets ohne weiteres ausüben lassen. Nach den bisherigen Wahrnehmungen verfährt sie auch dementsprechend und läßt auf bestimmte oder auf unbestimmte Zeit bald in diesem, bald in jenem Orte des besetzten Gebiets eine Ueberwachung des Postverkehrs in mehr oder weniger großem Umfang eintreten. Da die Anordnungen hänzlich von dem jeweiligen Belieben der obersten Besatzungsbehörde ab⸗ hängen, lassen sich nähere Angaben darüber nicht machen. Es ist aber dringend erwünscht, daß die Absender von Briefen usw. nach Orten in den besetzten rheinischen Gebieten sich dieser Sachlage immer bewußt bleiben und in ihren Mitteilungen alles vermeiden, was im Falle einer Durchsicht ihrer Sendungen ihnen selbst und insbesondere auch den Empfängern zum Nach⸗ teil gereichen könnte. Technik.

Den Sommer 1921 hindurch wird in Düsseldorf in den Räumen des Kunstpalastes und der anstoßenden neuen Halle eine große Ausstellung von modernen deutschen Werk⸗ zeugmaschinen stattfinden. Der Vorsitz der Ausstellung ist dem Fabrikbesitzer Ferdinand Jagenberg übertragen worden. Die Be⸗ zeiligung hervorragender Firmen ist gesichert.

Theater und Musik.

Die Direklion des Deutschen Theaters teilt mit, daß

die Meldungen mehrerer Blätter, es würde infolge des Streiks im Dentschen Theater, in den Kammerspielen und dem Großen Schauspi ekhause nicht gespielt, auf Irrtum beruht. Die drei Bühnen sind durch ihre Anlagen imstande, ihren Betrieb durchweg aufrecht zu erhalten. 8 16

„Mannigfaltiges.

Im Kaiserin Auguste Viktoria⸗Haus, Char⸗ Lottenburg, Frankestraße,« beginnt am 25. November 1920 ein Lehr⸗ gang für Mütter und Mädchen, in dem all das theoretisch und praktisch gelehrt wird, was eine Frau von der Pflege und Ernährung des Säuglings wissen muß. Der Lehrgang umfaßt 4 Stunden, jeweilig Donnerstags von 6 Uhr. Es wird großer Wert auf Mrakkische Uebungen am lebenden Kinde gelegt. Die Einschreibegebüöhr für den Gesamtunterricht kostet 15 An⸗ meldungen sind im Büro der Anstalt zu bewirken.

Amsterdam, 9. November. (W. T. B.) Der „Telegraaf“ meldet aus London: Der Minister für Bergbau erklärte, der letzte Ausstand der englischen Bergarbeiter habe einen Kohlenverlust von 13—14 Millionen Tonnen und für die Bergarbeiter einen Lohnverlust von 14—15 Millionen Pfund Sterling bedeutet.

Kpopenbhagen, 8. Nodember. (W. T. B.) Die deutsche Tialk „Sophie“ ans Hamburg, Kapitän Bitze, mit Braunkvhle von Veile nach Kopenhagen unterwegs, ist heute früh bei der Orbjerg Hage in der Nähe von Raageleje unmittelbar in der Nähe des Landes auf Grund geraten. .

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deaaschtaabac

Handel und Gewerbe.

Die nach Blättermeldungen von Interessentenkreisen be⸗ absichtigte Gründung einer Spitzenorganisation, der die Form einer Treuhandgesellschaft zur Vermittlung

des dertschen Handeles mit Ruhland gegeben werden soll, ist laut Meldung des „W. T. B.“ ein rein privales Unter⸗ nehmen. Das Auswärtige Amt ist an der Gründung nicht beteiligt. Das Geschaftsjahr der Gasmotoren⸗Fabrik Deutz, Köln⸗Deutz für 1919/20 brachte einen Betriebsüberschuß von 19 319 150,11 gegenüber 8 566 103,77 im Vorjahr. Na zug der Unkosten verbleibt ein Reingewinn von 3 663 046,57 (2 829 886,07 ℳ). Der für den 10. Dezember 1920 einberufenen Generalversammlung soll vorgeschlagen werden, eine Dividende von 6 vH auf die Vorzugsaktien und von 10 vH (im Vorjahr 7 vH) auf die Stammaktien verteilen, ferner an die Unterstützungskasse 150 000,— zu überweisen sowie der Verwaltung als Rücklage für Pensionszwecke 300 000,— zur Verfügung zu stellen und 313 314,7 auf neue Rechnung vorzutragen. Ferner foll der Generalversammlung der Antrag auf Erhöhung des Grund⸗ kapitals durch Ausgabe von 14 004 000,— neuen für das Geschäftsjahr 1920/21 dividendenberechtigten Stammaktien zur Be⸗ schlußfassung vorgelegt werden. Die jungen Aktien sollen von einem unter Führung des A. Schaaffhausen'schen Bankvereins A. G., Köln, stehenden Konsortium mit der Verpflichtung übernommen werden, den entsprechenden Betrag den bisberigen Stammaktionären im Ver⸗ hältnis von 2:1 zum Kurse von 150 zum Bezuge anzubieten.

Nach dem Geschäftsbericht der Düsseldorfer Eisen⸗

und Draht⸗Industrie Aktien⸗Gesellschaft über das Berichtsjahr 1919/1920 setzte sich die Steigerung der Selbstkosten während des abgelaufenen Geschäftsjabres fort. Andererseits bewirkten eine zum Teil stürmische Nachfrage nach allen Erzeugnissen der Gesellschaft Preiserhöhungen, die seit Ende 1919 für Halbzeug und Walzfabrikate durch den Eisenwirtschaftsbund geregelt wurden, und denen sich die Preise für die übrigen Er⸗ zeugnisse der Gesellschaft anschlossen. Gegen Ende des TJahres trat dann 8 Folge der Besserung der Valuta ein Rückschlag ein. Die Beschäftigung war gaut, während der Sommermonate vorüber⸗ gehend schwächer. Beschäftigt wurden im Durchschnitt 1716 Arbeiter, gegen 1298 Arbeiter im Vorjahre. Nach Verrechnung mit dem Loth⸗ ringer Hütten⸗ und Bergwerks⸗Verein auf Grund des Interessen⸗ gemeinschaftsvertrags steht ein Reingewinn von 441 259 zur Ver⸗ fügung, für den folgende Verteilung vorgeschlagen wird: 8 ½¼ vH 408 000 ℳ, Gewinnanteil des Aufsichtsrats 30 000 ℳ, Vortrag auf neue Rechnung 3259 ℳ. Im Interesse des Schutzes der deutschen Glü hlampen⸗ industrie gegen Ueberfremdungsgefahr, die sich bereits im Lausitzer Glasindustriegebiet geltend gemacht hat, haben laut Mel⸗ dung des „W. T. B.“ die beiden führenden Gesellschaften, die All⸗ gemeine Elektrizitäts⸗Gesellschaft und die Siemens u. Halske Aktien⸗Gesellschaft sich ent⸗ schlossen, den Vereinigten Lausitzer Glaswerken, die ein wichtiges Zwischenyrrdukt für die Glühlampen⸗ fabrikation, nämlich die Glaskolben, herstellen, ein Angebot auf Verschmelzuna der Gesellschaft mit den Unternebmungen dieser vorgenannten Gesellschaften zu machen. Es ist in Aussicht genommen, die Betriebe der V. L. G., soweit sie für die Glühlampenfabrikation von Bedeutung sind, der Osram⸗Kommanditgesellschaft anzu⸗ 15 an der die beiden vorgenannten Gesellschaften maßgehlich eteiligt sind, und die bereits den größten Teil der Produktion der V. L. G. an Glühlampenkolben in ihren Werken verwendet hat. Der Rest des Vermögens der V. L. G. soll in das gemeinschaftliche Eigentum der A. E. G. und der S. u. H. übergehen. Die Durch⸗ führung soll in der Form erfolgen, daß die A. E. G. das gesamte Vermögen der V. L. G. gegen Gewährung von se einer A. E. G.⸗ und einer Siemens. u. Halske⸗Aktie je mit Dividendenschein für 1920/21 auf eine V. L. G.⸗Aktie mit laufendem Dividendenschein erwirbt und darüber binaus eine Barzahlung von 750 je V. L. G.⸗Aktie leistet. Der Schaffung neuer A. E.⸗G.⸗ und Siemens⸗ und Halske⸗Aktien für den Zweck der Transaktion bedarf es nicht. Die erforderlichen Beträge werden von befreundeten Gruppen den beiden Gesellschaften zur Verfügung gestellt.

Frankfurt a. M., 8. November. (W. T. B.) Der Börsen⸗ vorstand beschloß, während des Monats November versuchsweise Mittwochs die Börse ausfallen zu lassen. Devisennotierungen finden statt.

Koks und Briketts

Heoemburg, 8. November. (. T. B.) Börsenschlußzfurse. Deutsch⸗Austrolische Dampfschiff⸗Gesellschaft 225,00 bis 237,50 bez., Hapag 189,75 190,75 bez., Hamburg⸗Süramerika 280,50 304,00 bez., Norddeutscher Llond 186,75 bis 189,25 bez., Vereinigte Elbeschiffahrt 321,00 bis 331,50 bez. Schantungbahn 620,00 G., 630,00 B., Brasilianische Bank 677,00 G., 687,00 B., Commerz⸗ und Privat⸗ Bank 191,50 G., 193,50 B., Vereinsbank 216,00 G., 218,00 B., Schuckert ult. 291,00 294,50 bez., Alsen⸗Portland⸗Zement 424,00 bis 432,00 bez., Anglo⸗Continental 412,00 424,00 bez., Asbeft Calmon 299,50 305,50 bes., Dvnamit Nobel 400,50 416,00 B., Gerbsloff Renner 504,50 515,50 bez., Norddeutsche Jutesvinnerei 294,00 G., 298,00 B., Harburg⸗Wiener Gummi 410,00 G., 420,00 B., Slomann Salpeter 320,00 bez., Neuguinea 790,00 G., 810,00 B., Otavi⸗ Minen⸗Aktien 865,00 G., 875,00 B., do. Genußsch. 725,00 bez. Tendenz: Fest.

Wien, 8. November. (W. T. B.) Der tiefe Stand des Kronenkurses hat eine weitere sprunghafte Aufwärtsbewegung der fremden Wechselkurse an der Börse heworgerufen. Diese war aber ausnahmsweise nicht von der üblichen gleichzeitigen Steigerung der Wertpavpiervreise begleitet, da offenbar die fortschreitende Entwertung des heimischen Geldes eine begreifliche Mißstimmung zur Folge hatte, die sich in der Hauptsache in geschäftlicher Unlust, begleitet von einem teilweisen Nachgeben der Kurse, äußerte. Nur Alpineaktien hatten lebhafteren Verkehr. Das Schwergewicht des Verkehrs ruhte im Schranken, wo Valutapaviere begehrt waren. Am Anlagemarkt stiegen Notenrenten im Kurse.

Wien, 8. November. (W. T. B.) Türkische Lose 2950,00, Staats⸗ bahn 4910,00, Südbahn 1802,00, Oesterreichische Kredit 1103,00, Ungarische Kredit 1800,00, Anglobank 1080,00, Unionbank 1016,00, Bankverein 1088,00, Länderbank 1755,00, Oesterreichisch⸗Ungarische Bank 5490,00, Alpine Montan 5340,00, Prager Eisen 10805,00, Rima Muranver 4060,00, Skodawerke 3070,00. Salgokoblen 7660,00, Brürer Koblen 8950,00, Galizia 31000,00, Waffen 4100,00, Llovd⸗Aktien 29100,00, Poldibütte 3798,00, Daimler 1400,00, Oester⸗ reichische Goldrente —,—, Oesterreichische Kronenrente 99,00, Februar⸗ rente 99,75, Mairente 99,00, Ungarische Goldrente —,—, Ungarische Kronenrente 108,00, Veitscher —,—, Siemens⸗Schuckert 1798,00.

Wien, 8. November. (W. T. B.) Notierungen der Devisen⸗ zentrale: Berlin 662,50 G., Amsterdam 12700,00 G., Zürich 7000,00 G. Kopenhagen 6000,00 G., Stockbolm 8250,00 G., Christiania 5950,00 G. Marknoten 657,50 G., London 1500,00 G.

Prag. 8. November. (W. T. B.) Notierungen der Devisen⸗ zentrale: Berlin 115,75 G., Marknoten 115,75 G., Wien 17,50 G.

Paris, 8. November. (W. T. B.) 5 % Französische Anleibe 85,20, 4 % Französische Anleihe 69,60, 3 % Französische Rente 54,80, 4 % Spanische äußere Anleihe —, , 5 % Russen von 1906 39,00, 3 % Russen von 18965 —,—, 4 % Türken unifiz. 71,75, Suezkanal 6500, Rio Tinto 1615.

Amsterdam, 8. November. (W. T. B.) Wechsel auf London 11,31 ½, Wechsel auf Berlin 3,87 ½, Wechsel auf Paris 19,60, Wechsel auf Schweiz 51,50, Wechsel auf Wien 0,95, Wechsel auf Kopenhagen 44 40, Wechsel auf Stockholm 63,10, Wechsel auf Christignia 44,40, Wechsel auf New York 337,00, Wechsel auf Brüssel 20.80, Wechsel auf Madrid 45,30, Wechsel auf Italien 11,90. 5 % Niederländische Staatsanleibe von 1915 8215⁄1. 3 % Niederländ. Staatsanleibe 52, Königlich Niederländ. Petroleum 717,50, Holland⸗Amerika⸗Linie 394 00, Atchison, Toveka u. Santa Fé6 118,00, Rock Jaland —,—, Sontbem Pacific 150 00, Southern Railway 38,50, Union Pacific 167,50

Anocondo, 135,50. United States Sieel Corp. 115,00. Fes

Schluß abgeschwächt.

8 Aeronantisches Observatorium. 8 Lindenberg, Kr. Beeskow. G“ November 1920. Drachenaufstieg von 6 a bis 7 n. ———-——————xxxxxy

Relative Wind

Feuchtig⸗ Geschwind keit Richtung Sekund.⸗ % Meter

Luftdruck Temperatur

Wagengestellung für Kohle,

Ruhrrevier Oberschlesisches Revier Anzahl der Wagen

am 6. November 1920.

Gestellt. Nicht gestellt. Beladen zurück⸗

gestellt.. 20 245

Gestellt

Nicht gestellt.

Beladen zurück⸗ gestelltl.

Berichte von auswärtigen Wertpapiermärkten.

Süaesen a. M., 8. November. (W. T. B.) (Abend⸗ börse.) Eine stärkere Bewegung vollzog sich in Baltimore zu ge⸗ steigerten Kursen, 730, ferner wurden Missonri Zertifikate bei lebhaften Umsätzen bis 620 gehandelt. Deutsche Petroleum notierten 1800 bis 1780. Mexikaner setzten nach der heutigen Aufwärts⸗ bewegung ruhiger ein. Goldmexikaner gaben etwas nach auf 1020, auch 5 % ige Tamaulipas, 500, verloren 20 vH. Dagegen sind 4 % ige Goldmexikaner stark gesucht und stiegen auf 810. 4 ½ % ige Irrigationsanseihe notierten 639, 3 % ige Mexikaner 455, 5 %ige Silbermexikaner 705, r Tehuanteper 645, Deutsch⸗ebersee⸗Zertifikate stellten sich auf 1270, Schantungbahn 623, Oesterr. Kreditanstalt lagen schwächer, 79, dagegen Diskontogesellschaft besser, 246 ½4. Metallbank 324,75. Schiffahrtsaktien waren befestigt. Norddeutscher Aoyd notierte 189, Hapag 190. In Bergwerksaktien war die Haltung unregelmäßig bei ruhigem Geschäft. Buderus lagen schwach. 582. „Bochumer 502, Harpener 437, Caro 332, Deutsch⸗ Luxemburger 395 ½. Von Elektrizitätswerken stiegen Felten und Guilleaume 20 % auf 480. Hanfwerke Füssen waren höher und notierten 349 ½, Zement Heidelberg 270, Zement Loth⸗ ringen 600. Lebhaft gebandelt wurden Maschinensabrik Krauß mit 425. Hirsch Kupfer 431, Daimler 244 ½, Cbemische Gries⸗ heim 380, Gold⸗ und Silberschesdeanstalt 720, Holzverkohlungs. industrie 460, Rüttgerswerke 418, Anglo Guano 432. Gegen Schluß machte sich in exikanern eine schwächere Tendenz bemerkbar. 4 ½ % ige Rock Island Arkansas 1400 wurden um 40 vH gesteigert. Im Nachmittagsverkehr gestalteten sich die Umsätze in Devisen ruhiger bei festerer Tendenz. Es notierten: Brüssel 535, Holland 2590, London 291, Paris „Schweiz 1325, Italien 295, New York 87 ½.

Köln, 8. November. (W. T. B.) Englische Noten 289,00 bis 291,50, Französische Noten 500,00 —505,00, Belgische Noten 531,00 bis 535,00, Holländische Noten 2565,00 2595,00. Rumänische Noten 123,50 124,90. Amerikanische Noten 85,25 86,75, Schwehz. Noten 1312,00 1317,50, Italienische Novten —,—, Stockholmer Noten —. Amerikanische Kabelauszahlung 87,00 87,50.

Leipzig, 8. November. (W. T. B.) Sächsische Rente 56,40. Bank für Grundbesitz 139,50, Chemnitzer Bankverein 189,00, Ludwig Hupfeld 444,00, Piano Zimmermann 462,00, Sächs. Emagillier⸗ u. Stanzwerke vorm. br. Gnüchtel 400,00, Stöhr u. Co. 569,00, Sächs. Wollgf. vorm. Tittel u. 375,00, Chemnitzer Zimmermann ,00, Peniger Maschinenfabrik 182,00, Leipziger Werkzeug u. Co. 438,00, Leipziger Kammgarn⸗ Fee 488, H9e Schacber 8. rhac Hensmehge vorm. Kri 80,00, Halle ,00, Fritz Schuls jun. , Riebeck u. Co. 245,00. 8

8. November 1920. Ballonaufstieg von 5 ¾ a bis 6 8.

B. Wind

Feuchtig⸗ Ge⸗

keit 1 . V 1,8 95 S;S 1

3,5 WzS

Nebel.

mm

762,2 685

ö“ orssetzung des Nichtamtlichen in de

Tentezt. aus. (Unter den Linden.) Mittwoch: 200. D.

bezugsvorstellung. Der Troubadour. Anfang 7 Uhr.

Donnerstag: Zum ersten Male: Amoretten. Tanzszenen. Bajazzi. Anfang 6 ½ Uhr.

2

jelhaus. (Am Gendarmenmarkt.) Mittwoch: 202. Dauer⸗ 2-e. wxn (Schillers Geburtstag.) Maria Stnart. Anfang

Donnerstag: Die Journalisten. Anfang 7 Uhr.

Familiennachrichten.

Gestorben: Hr. Generalleutnant z. D. Florian Fulda (Groß⸗ Lichterfelde). Hr. Generalleutnant 3. D. Georg Brodrück Kenüo⸗geg. Pr.). Hr. Stadtrat a. D. Josef Baer (Frank⸗

rt a. M.).

Verantwortlicher Schriftleiter: Direktor Dr. Tyrol. Charlottenburg.

Rechnungsrat Mengering in Berlin. Verlag der Geschäftsstelle (Mengering) in Berlin.

Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlaasanstalt Berlin. Wälbelmstraße 32.

(qFinschlieflich Börsenbeilone)

Verantwortlich für den Anzeigenteil: Der Vorsteher der Geschäftsstelle

Besatzeng von mehr als bunderttausend Mann hat.

zum Deutschen Reichs Nr. 255.

Nichtamtliches.

kortsetzung aus dem Hauptblatt.)

Deutscher Reichstag. 8 28. Sitzung vom 6. November, Vormittags 10 Uhr. (Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitunasverleger.)“)

Auf der Tagesordnung stehen folgende Interpellationen die gemeinsam besprochen werden:

1. die von dem Abg. Schiffer (Dem.) und Mitgliedern aller übrigen Parteien eingebrachte Interpellation über Eupen und

Malmedy.

Der Rat des Völkerbundes hat am 20 September in Paris beschlessen, Belgien endgültig die Souveränität über die Kreise Eupen und Malmedy zuzusprechen. Hat die Reichsregierung von dies’m Beschluß amtlich Kenntnis erhalten? In ihr bekannt auf weiche tatsächlichen Grundlagen er sich stützt? Welche Stellung nimmt die Reichsregierung dazu ein, und was hat sie getan oder gdentt sie zu tun, um den Nachweis zu erbringen, daß dieser Heschluß dem Wortlaut und dem Sian des Art. 4 des Versa ler Vertrages und dem Selbstbestimmungstecht der Völker widerspricht?

2. die Interpellation der Abg. Korell (Dem.) und Genossen: Ist die Reichs egierung in der Lage und bereit, Auskunft zu geben 1. über die Höbe der durch die Besetzung der Rheinlande er⸗ wachsenen Kosten, 2. über die B hardlung der Bevörkerung durch die Besatzung und die der Tätigkeit des Reichs omm ssars bereiteien Hemmungen, 3. über Maßnahmen zur Herbeiführung der Rückkehr der wegen Abwehr separatistischer Bestrebungen Ausgewierenen? Was gedenkt die Reichsregierung gegen die von französischen Staals⸗ männern geäußerte und betätigte Absicht auf Lostrennung der be⸗ setzten Gebiete vom Deutschen Reiche zu tun? Zur Begründung erhält zunächst das Wort Abg. Dr. Bell (Ztr.): Wir haben Klage zu erbeben wegen flagranter Rechtesverletzungen, Vertragebrüche und Eeeeeeren. Diese drei Ank agepunkte besinden sich in einem so inneren Zusammen⸗ hange ung ergänzen sich wechselseitig derart, daß sie eine durchdringende Ertenntnis der wahren Grundan chauungen und Tendenzen unserer Gegner ermölichen. Sie bilden die Glieder in der Kette eines Spstems, unter Vorspiegelung von Moral, Recht und Gerechtigkeit Deutschland immer mebhr zu demütigen und allmählich zum Absterben zu bringen. Zum erstenmal trat ich in der Nanionalversammlung als Antlaͤger auf gegen den gewaltsamen Raub unserer Kolonien, den man mit der Bebauptung rechtfertigte, Deutschland habe durch seine Kolonial⸗ neuel und die Mißhandlung der Eingeborenen jeden Anspruch auf olonisatorische und zivilisatorische Mitarbeit für alle Zeiten verwirkt. Ich erbot mich, demgegenüber persönlich Rede und Antwort zu stehen unter Vorlegung des Materials. Ich habe aber keine Antwort erhalten, und ebenso schwieg die Entente, als ich zum zweiten Male in der Preußischen Landesve samm⸗ lung als Ankläger wegen der Rechtsbrüche im Saargebiet aur⸗ trat. Ich habe mich damals beflissen, mit außerster Rube und serenger Sachlichkeit das erwiesene Tatsachenmaterial vor⸗ zutragen und daraus mit zwingender Notwendigleit den Vorwurf be⸗ wußter Rechtsverletzung herzuleiten. Zum drittenmal trete ich nun beute auf der Reichstagstribüne als ankläger auf, um eine Ant⸗ wort zu erlangen auf die hier öffentlich erhobene Beschuldzgung, dan durch die Behandlung der besetzten Gebiete und von Euren und Malmedy Recht und Vertrag verletzt und gebrochen worten sind. Sollte ich auch auf die dritte Anklage keine Antwort be⸗ lommen, dann darf ich mit Fug und Recht vor der ganzen zivil’sierten Welt erklären: Keine Antwort ist auch eine Antwort. Dann bin ich zur Festrstellung vor der Geschichte berechtigt zu sagen, daß das An⸗ ilagemater al so wuchtig und erdrückend und der Rechtssta dpunkt so unwiderleglich ist, daß sich jeder Versuch einer Widerlegung von selbst verbietet. Wenn ich heute gegen meine G pflogenbeiten scharfe Töne anschlagen muß so muß ich die ganze Veraniwortung dafür denen zu⸗ schi ben. die uns den Schrei der Ennüstung aus der Kehle heraus⸗ gepreßt haben. Wenn ich heute vor Ibnen stehe als Deutscher und zugleich als heimatfroher und beimattreuer Rheinländer, dann werden Sie mir nachfühlen können, daß ich angesichts dieser dorpelten Eigenschaft nicht anders kann, als die Dinge mal so zu schildern, wie sie sind. Es givt eben Dinge, die man nicht mehr eriragen kann. Heute stellt sich im internctionalen Verkehr immer merr eine Moral mit d. ppeltem Boden heraus. Der Friedensvertrog wird so ausgelegt, als ob er nur für die Entente Rechte bringt, uns aber nur flichten und unerirägliche Lasten aufbürdet. Es gent hier wie mit der Z'geunerliebe, die nicht nach Gesetz und nicht nach Recht fragt. An⸗ gesichts der Tatsache, daß jür die Besatzung 15 ¾ Milliarden Konen erjorderlich sind, fragt mon sich vergeblich, welchen Zweck denn eine Womit wird denn diese Besatzung beschäftigt? Wir werden schließlich noch eine Arbeitslotenversicherung fur diese Truppen einführen müssen. Anders ist es, wenn sich dahinter Machtgelüste und Annexions⸗ absichten verbergen, worauf nicht nur gelegentliche Aeurxe⸗ rungen hoher französischer Beamten und Ojfiziere schl eßen lessen son ern das ganze Geschäftggebaren der Rkeinlands⸗ kommission und der Besatzungstruppen. Neuertings wird immei mebr Gelände in Anspruch genommen für militärische Zwecke; es werden

große Flurschäden angerichtet, die den Wohlsand der Bevpölkerung

vernichten. Die Beamten werden widerrechtlich behandelt. Wir haben die volle Zuversicht zur Regierung, daß sie nichts versäumen wird um unter Berücksich igung der für uns sehr schwierigen Lage Deutschland zum Recht zu verbelsen. Besonders beklagensmerte Zu⸗ stände herrschen in dem von Amerrkanern besetzten Geriet; das viele Geld, mit dem die Amerikaner um sich wersen, jührt zu eier sutlchen Verwahrlosung in dem besetzten Gebiet. Eine senst gut religiöse Bevölkerung gerät auf Abwege. Wir haben die feste Ueber⸗ zeugung, daß die amerikanische Regierung diese Zustände nicht kennt, und richten deshalb an das Auswärtige Amt die dringende Bitte, das Material der amerikanischen Regierung zu unterbreutn, und ich habe die seste Ueberzeugung daß dann von Wasbington aus bald eingegriffen wird. Diese Zustände schreien geradezu nach Ab⸗ hicse. Auch gegen die anderen Besatzungstruͤppen werden tagtäglich schwere Anklagen, Vorwürfe und Be chwerden erhoben, vor allem gegen die Kulurschante, daß noch beute sarbige Troppen als Be⸗ saß ng verwendet werden. Eine Eingabe res Deuischen Frauenbundes enkhält ein gerxadezu erdrück ndes und niederschmetternd s Material übe die zabhllosen Fälle von Notzucht und Silttlichkeitsverbrechen. Die Zustände sind derart geworden, daß teine anständige Dame mehr auf den Straßen sich sehen lassen kann, ohne den schwersten Be⸗ lästigungen ausgeleht zu werden. Wir appellieren an die ganze Welt, ob es noch länger geculdei werden soll, daß olche üftände bestehen bleiben! Natürlich ist der Boche rechtlos; man kebrt den Spieß um und erhebt die gleichen Vorwürfe gegen uns. Ebenso häusen sich tie Klagen wegen der ungehenerlichen Schmach, die uns an etan wird, indem die alliierten Milirärgerichte wegen der keinsten Vergeben die schwersten Strasen verbängen. Unseren Bemühungen, das Loch im Westen zuzudecken und den Schmuggel zu beseiligen,

*) Mit Ausnahme der Reden der Herren te wiedergegeben werden.

Erste Beitl

8

anzeiger und Preußischen Staatsanzeiger

Berlin, Dienstag, den

9. November

wirkt man entgegen, indem man uns verwehrt, die genügende Zahl von Zollbeamten einzustellen. Entgegen dem Friedensvertrage

richtet namentlich die französische Re ierung jortgesetzt ihr Bestreben darauf, die besetzten Gebiete wirtschaftlich und fulturell zu durchsetzen.

Dazu ist die Besatzung nicht bestimmt, die Rheinlande allmählich zu französieren und für die Einverleibung freizumachen. Sostematisch wird der Gebrauch der französischen Sprache durchgeführt svstematisch fuhrt man f anzösische Tveater und Konzerie ein, selbe charitative Bestrebungen wie Sappen küchen und dergleichen werden ausgenutzꝛ für die franzõ ische Kultur⸗ propaganda. Man kann den Eindruck nicht los werden, daß ein großer Teil dieser Rechtsverletzungen, Drangsalierungen und Vertrags⸗ beugungen auf den Gedanken zurückzuführen ist, daß unsere Gegner glauben, man sei in Deutschland am Werke, einen Revanchelrieg gegen Frankreich zu inszenieren. Diese Idee bestebt nur in der überhitzten Phantasie unserer Gegner. Ich warne die Entente und davor, die Versklavung Deutschlands abwechselnd mit

üiche und Zuckerbrot durchzuführen; diese Versuche prallen werkungslos an der kerndeuischen Gesinnung des Rheinlandes ab. Beifall rechts.) Am 20 September hat der Obeiste

at des Volkerbundes die Kreise Eupen und Malmedy enegüllig Belgien zugesprochen. Der Wortlaut des Art. 34 des Friedensvertrages besagt, daß Eupen und Malmedvy zwar Bel ien zugeiprochen werden sollen, aber

souen, in von den belgischen Behörden in Eupen und Malmedy auf⸗ gelegten Listen schriftlich den Wunsch auszudrücken, d 8 diete ganz oder teilweise unter deutscher Souveränität verbleiben; das Eige nis dung unterbreitet werden.

Das war nicht nur die Auffassung sondern diese Auffassung ist auch Wie man in Wirklichkeit damit

beei flußt geltend macht. der deutschen Reichsregierung, vom Auslande sanktioniert worden.

vorge angen ist, hat die Verband ung der betreffenden Interpellation Es ist eine

am 20. April d. J. in der Nalionalrersammung bewiesen. wahre Karikarur des Selbstbestimmungsrechts der Bevölterung gewesen. Der Kreis Eupen ist rem deutsch, der Kreis Malmedy zu 75 %. Einer Deputatton, welche dem Völkeround eine ausführliche Bitt⸗ schrift übergeben und mündlich erläutern wollte, hat man die

Einreiseerlaubnis verweigert. Die Eingabe ist

terial. das auf unbedingt zuverlässige Quellen gestützt ist. Von 33 000 Stimmberechtig en haben sich 261 in die Listen eintragen lassen! Durchaus einwandtreie, unbedingt zuverlässige Zeugen aus den Kreisen selbst, aber auch ebe so zuverlä'sige Zeugr isse holländischer und schwedischer Gemwährsmä ner bekunden, daß die Besölterung in ungeheuerlicher Weise vergewalligt worden, daß sie geradezu direkt ver⸗ bindert worden ist, ihren Willen kundzugeben. Eme Zeitungsnimme aus unserm Nachbarsta t Tuol b zeic net die 2600 als Helden, die alles auf sich genommen haben um ein rückhalt oses Bekenntnis zum Deutsch⸗ tum abzulegen. Dank dafür unseren Tiroler Freunden! Mit ihnen rusen wir den Deutschen in Malmedy zu: Treue um Treue! (Beitall.) Der Völkerbunderat hat definitiw entschieden. Er setzte sich aus 8 Mitnwliedern, davon 7 Mitgliedern des ebemaligen Feindbundes und einem einzigen Neutralen zusammen. Wir appellieren an die Voll⸗ versammtung des Völterbundes und fordern gründliche Nachprüfung der Abstimmung. Wir dürfen uns aber nicht einer erneuten Seibst⸗ täuchung hingeben. Die Valuta des Völkerbundes sinkt von Tag zu Tag. Wir appeblieren an einen unparteiischen Völkerbund. Wir wissen uns frei von Haß und Vor⸗ eingenommenbeit gegen Belgien, wir wissen, wie schwer Be ien durch den Krieg gelilten hat, wir betlagen seine Le den, wegen deren es die Sympathie der ganzen Welt genießt. Aber Belgien soll nicht diee Sympathie dadurch aufs Spiel setzen, daß es Unrecht mit Unzecht vergilt. Wir sind ebrlich und ernstlich bestrebi, mit der belgischen Bevörkerung, mit der uns früher engste wirtschaftliche und kurtur lle Beziehungen verbanden, wieder freundschafflich zu verlehren. Wll man diese Be⸗ ziehungen uns unmöglich machen, indem man uns so vergewaltigt? Wir Hegen machtlos am Boden, neben uns aber as ebenfalls niecer⸗ geworsene Recht. Und so sicher, wie das Recht wieder emporkommen muß, werden auch dereirst kommende Generationen unseres deutschen Vaterlandes Wiederaufrichtung erleben. Wir wollen nicht ver⸗ zweifeln. (Beifall.)

Reichsminister der Auswärtigen Angelegenheiten Dr. Simons: Meine Damen und Herren! Der Herr Präsident hat schon darauf hingewiesen, daß ich von den beiden Interpellationen, die dieses hohe Haus miteinander verbunden hat, nur die erste, nämlich die Inter⸗ pellation über Eupen und Malmedv, beantworten will. Allerdings ist das Auswärtige Amt auch bei der zweiten Interp llation stark beteiligt; aber ich kabe mich mit dem Herrn Reichsm nister des Innern dahin verständigt, daß diese zweite Interpellation in ihrem ganzen Um fang von ihm beantwortet werden soll.

Meine Tamen und Herren! Das schwere Los, das die Kreise Eupen und Malmedv betroffen hat, hat im ganzen deutschen Volke das lebh fteune Mitgefühl gefunden. (Sehr richtig)) Auch im Aus⸗ lande haben sich zahlreiche Stimmen erhoben der Herr Abg. Dr. Bell hat auf solche Stimmen hingewiesen —, die das dort be⸗ gangene Unrecht kennzeichneten. In diesem hohen Haufe haben wieder⸗ holt Kundgebungen für die beiden Kreise an der Westmark statt⸗ gefunden, und mein Herr Amtsvorgänger hat dabei Gelegenheit ge⸗ nommen, die Stellungnahme der Reichsregierung darzulegen. Eine Uebersicht über die Schritte, die bisher von der Reichsregierung unter⸗ nommen worden sind, ist dem Hause vor kurzem in Beantwortung einer Anfrage des Herin Abg. Dr. Quaatz zugegangen. Angesichts dieser Umstände glaube ich, mich im allgemeinen lurz fassen zu können.

Meine Damen und Herren! Bei der Begründung der Inter⸗ pellation ist ja schon darauf hingewiesen worden, daß der Vertrag von Versailles für die Kreise Expen und Malmervy ein ganz selt⸗ sames Sostem der Volksbefragung vorsieht. Sechs Monate lang sollten Listen ausliegen, in denen die Bevölkerung schriftlich den Wunsch ausdrücken durfte, unter deutscher Souveränität zu bleiben; de endgültige Entscheidung wurde aber dem Völkerbunde vorbehalten. Die Listen haben bis zum 23. Juli ausgelegen und sind dann von der belgischen Regierung dem Völkerbund unterbreitet worden. Nach⸗ dem dies zur Kenntnis der Reichsregierung gelangt war, hat sie An⸗ fang September dem Vöͤlkerbund ein Weißbuch zugehen lassen, in dem ein reichtaltiges urkundliches Material zum Beweise der rechts⸗ und vertragewidrgen Handhabung der Voltsbefragung durch die belgischen Behörden zusammengestellt war. Die deutsche Regterung hat in einer Begleitnote beantragt, diese Volkebefragung für ungültig zu erklären und Vorkehrungen zu treffen, um eine fre e unbeeinfle ßte Willensäußerung zu ermöglichen. Der Rat des Völlerbundes hat sich nun auf seiner Tagung in Paris mit Eupen und Malmedy be⸗ faßt und am 20. September beschlossen, die Souveränität über die beiden Kreise endgültig Belgien zuzusprechen. Der Beschluß ist der

Was hat die Reichsregierung dagegen getian? 1 ist. (Hört! Hört!) 1 8 1 wid lten seiner Organe zu rechtfertigen sucht. ir wissen auch, daß binnen 6 Monaten die Bewohner das Recht Haben widrige Verhalten s gane zu rech g daß die Ge⸗ er seinen Beschluß faßte. r hatten den Wunsch ausgedrückt, zu dem von Belgien vorgelegten voll von Belgien dem Volkerbund zur & MBo 2 2 2 . 8 voraus. daß die ö 8 sichrigt geblieben; wir haden das belgische Material nicht belommen.

1920

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Reichsregierung inzwischen durch das Generalsekretariat des Völker⸗

bundes mitgeteilt worden. Meine Damen und Herren! Die Reichsregierung hat diesen ihr

durch das Generalsekretariat überkommenen Beschluß nach verschiedenen Richtungen hin geprüft. Zunächst hat sie den Inhalt einer genauen

Nachprüfung unterzogen, und da möchte ich nun zunächst bemerken

daß in den Beschlüssen eine Bezugnahme auf unser Weißbuch und

unsere Begleitnote fehlt. Wir baben auf unsere zahlreichen auf klares Tatsachenmaterial gestützten Beschwerden niemals eine erschöpfende Antwort bekommen (lebhafte Rufe: hört! bört!), häufig sogar

überhaupt keine Antwort. (Erneute Rufe: Hört! Hört!) Die Friedenskonferenz hat sich zwar zweimal zu unseren dringlichen Vorstellungen geäußert, aber nur unvollständig und mit Aus⸗ führungen, von denen jeder Punkt mit Leichtigkeit widerlegt werden kann. (Hört! Hört!) Auch jetzt vermisse ich jedes Eingeben auf das von uns dargehotene Material. (Rufe: Unerhört!) Wir wissen nicht, wie weit dieses Material überhaupt geprüft worden ir wissen nicht, wie Belgten das vertrags⸗

nicht, welche Ermittlungen der Völkerbundsrat angestellt hat, bevor (Zvruf im Zentrum: Empörend!) Wit

Material Stellung nehmen zu können. Dieser Wunsch ist unberück⸗

(Wiederholte Rufe: Hört! Hört!) Ich kann zwar deswegen nicht behaupten, daß die belgische Regierung dem Völkerbund gegenüber nichts zu ihren Gunsten hat anführen können; ich kann auch nicht etwa behaupten, daß die Mißgriffe und Vergewaltigungen, deren sich untere Behörden in dem Gouvernemenl der Kreise Eupen und Mal⸗- medy schuldig gemacht haben, von der belgischen Regierung etwa an⸗ b

geordnet waren oder von ihr gedeckt werden. Aber das darf ich doch

inzwischen als wohl aussprechen, daß eine politische und rechtliche Situation nicht

Druckschrift erschienen und enthält ebensalls ein erdrückendes Ma⸗-

stark sein kann, die dazu führt, daß man sein Material dem Gegner überhaupt nicht zur Kenntnis bringt. (Lebhafte Zustimmung.) 8

Meine Damen und Herren! Darüber, daß die sogenannte Volksbefragung in Eupen und Malmedy alles andere war als eine Feststellung des wahren Willens der Bevölkerung, ist sich wohl niemand im unklaren. (Sehr richtig)) Der Grund dafür liegt freilich in erster Linie in dem System der Protestlisten, das der Versailler Vertrag angewendet hat. Ich will dieses System ebenso⸗ wenig wie der Herr Abgeordnete Dr. Bell einer eigenen Kritik unterziehen, sondern will mich darauf beschränken, die Aeußerungen einiger ausländischer Zeitungen hier anzuführen. So hat es eine englische Zeitung als eine „Ungeheuerlichkeit“ bezeichnet, daß man ein derartiges System zu einer Volksbefragung verwandte. In der Schweiz hat man von einer „Komödie“ und „Karikatur“ eines Voltsentscheids, in Holland von einem „kindlichen Scherz“ und einer „Abfurdität“ gesprochen, und in Belgien selbst hat ein Sozialis⸗ darin die „Verhöhnung von Recht und Freiheit“ erblickt. (Hört Hört!)

Aber, meine Damen und Herren, mit gutem Willen hätte sich wohl auch bei viesem sehr mangelhaften System eine geordnete, r hige und unbeeinflußte Volksbefragung ermöglichen lassen, und dies haben uns auch unsere Gegner ursprünglich als ihre Absicht ausdrücklich ausgesprochen. Sie haben uns wiederholt versichert, daß die Bevöl kerung in vollster Freiheit ihrem Willen werde Ausdruck geben können. Aber wie ist dies nun in Wirklichkeit gewesen? Gerade das Gegenteil ist eingetreten. Dafür nur wenige Beispiele!

Nur in den beiden Städten Eupen und Malmedv ist je eine Stimm liste ausgelegt worden, wodurch namentlich der Landbevölkerung die Eintragung außerordentlich erschwert, wenn nicht geradezu unmöglich gemacht worden ist. Die Bevölkerung ist über die erforderlichen Ausweispapiere im Unklaren gehalten worden. Zur Entgegennahme 1 der Eintragungen ist häufig überhaupt niemand zugegen gewesen. Die Abstimmenden sind manchmal einem regelrechten Verhör über die Gründe ihrer Abstimmung unterzogen worden, sie sind bedroht und beeinfluß worden. Dies hat alles mit dem System der Protestlisten nichts zu run Darin liegt vielmehr eine klare Verletzung nicht nur des gesunden Men schenverstandes, sondern auch des Versailler Friedensvertrages Es liegt darin ein Bruch gegebener Versprechungen (sehr richtig! in Zentrum), und das ist der Punkt, auf den wir immer und immer wieder hingewiesen haben, ohne jemals Gehör zu finden. Diese Tat⸗ sachen sind nicht nur durch eine Fülle von Zeugnissen beteiligter Personen, sondern auch durch gewiß unverdächtige Augenzeugen wie englische, holländlsche und schweizerische Berichterstatter festgestellt. Der Beschluß des Völkerbundes trägt ihnen trotzdem keine Rechnung.

Daraus, daß von einer Bevölkerung von 63 000 Seelen sich nur 271 in die Stimmlisten eingetragen haben und ich schließe mich dem Dank des Herrn Abgeordneten Dr. Bell an diese 271 ausdrück⸗ lich an —, will der Völkerbund schließen, daß in den Kreisen keine Stimmung gegen die Uebertretung bestehe, die genügend stark wäre, um über alle die anderen Erwägungen, auf denen der Versailler Ver⸗ trag beruht, hinwegsehen zu lassen. Meine Damen und Herren! Ich möchte gerade in diesen Zahlen den besten Beweis für das Gegentell sehen. (Lebhafte Zustimmung.) Die zwei Kreise waren im ganzen Laufe der Geschichte nie belgisch; der eine hat eine rein deutsche, der andere eine überwiegend deutsche Bevölkerung; niemals haben in ihnen Absplitterungsbestrebungen bestanden; Belgien hat auch auf sie bis mum Waffenstillstand niemals Anspruch erhoben; diese Gebiete sind in geschichtlicher, völkischer, wirtschaftlicher, kirchlicher, kultureller und sozialer Beziehung aufs engste mit Deutschland verbunden (lebhafte Zustimmung im Zentrum) und durch starke Gegensätze von Belgien getrennt. Wenn in solchen Gebieten weniger als 1 Prozent der Stimmberechtigten sich überhaupt an der Abstimmung beteiligt, dann kann das nicht anders gedeutet werden als damit, daß es bei der Volks⸗ abstimmung nicht mit rechten Dingen zugegangen ist. (Lebhafte Zu⸗

stimmung.) Mas die belgische Presse dies noch so sehr in Abrede—

stellen, mag der von Belgien ernannte Bürgermeister von Malmedy Ergebenheitstelegramme an den Minister schicken, so viel er will, Tatsachen sind und bleiben Tatsachen und werden sich, wie wir alle

hoffen, doch noch einmal durchsetzen. (Bravo! im Zenttum.) Wenn