1920 / 255 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 09 Nov 1920 18:00:01 GMT) scan diff

alfo der Völkerbundsrat der Ansickt ist, daß mit Rücksicht auf die Umstände die Abtretung der Kreise von Eupen und Malmedy an Belgien endgültig bleiben müsse, so stützt er diesen Anspruch auf eine Grundlage, die sich beim näheren Zusehen ohne weiteres als haltlos weist. (Sehr richtig!) 8 Der Völkerbundsrat knüpft an diese Begründung seines Be⸗ schlusses freilich einen recht bemerkenswerten Satz. Er sagt nämlich: Es könnte nur anders sein, wenn durch genaue schlüssige Beweise dargelegt würde, daß das Ergebnis der Volksbefragung bestimmt wwoorden wäre durch Einschüchterungs⸗ und Druckmittel, durch Miß⸗ brauch der Amtsgewalt und durch Bedrohung mit Revxressalten, die eine freie Willensäußerung der Bevölkerung verhindert hätten. Nun, meine Damen und Herren, das sind ja gerade die Punkte, die den Gegenstand unserer Beschwerde gebildet haben. Ist es etwa keine Einschüchterung, wenn ein belgischer Kreiskommissar erklärt, den ersten, der zur Abstimmung käme, werde er die Treppe hinunterwerfen (hört! hört!), und wenn ihm der Andrang zu groß werde, würde er ein paar Leute einsperren lassen? (Lebhaftes Hört! Hört!) Ist es kein Mißbrauch der Amtsgewalt, wenn die Kreis⸗ kommissare die Abstimmenden unter bämischen Bemerkungen über Deutschland zu bereden suchen, die Eintragung zu unterlassen, wenn sie so häufig abwesend oder nicht zu sprechen sind, daß nicht wenige Personen den Gang zur Liste dreimal, viermal, ja selbst acht⸗ mal vergeblich angetreten haben? (Hört! Hört!) Ist es keine Be⸗ drohung, wenn den Abstimmenden erklärt wird, sie würden kein bel⸗ gisches Geld, keine Pässe, keine Lebensmittel erhalten und würden sogar aus der Heimat ausgewiesen werden? Ist es endlich nicht Einschüchterung, Bedrückung, Bedrohung, Amtsmißbrauch, alles dies zusammen, wenn die belgischen Behörden Lockpitzel aussenden, die mit gefälschten Papieren von Berliner Behörden sich an deutsch⸗ gesinnte Personen heranmachen und sie provozieren, und wenn sie dann diese Personen ins Gefängnis schleppen und die übrige Bevpölke⸗ ru g dadurch in Furcht und Schrecken versetzen? (Lebhaftes Hört! Hört!) All dies sind Tatsachen, die nicht durch einzelne, sondern durch Dutzende von Zeugenaussagen erhärtet worden sind. Es wird mir immer unerklärlich bleiben, wie der Völkerbundsrat an diesen Tatsachen einfach hat vorübergehen können. (Sehr richtig! im Zentrum.) Der Rat nimmt zu dem von uns voraelegten Beweismaterial überhaupt nur in einer kurzen Bemerkung Stellung. Er sagt, dies Material sei nicht maßgeblich, sei ungenau. Nun, maßgeblicheres Material als das, was von der betroffenen Bevölkerung selbst stammt, kann ich mir nicht denken (iehr richtig! rechts und im Zentrum), und was die Genauigkeit betrifft, so finden sich zwar, was der Reichsregierung wohlbekannt war, in den Mitteilungen aus der Bevölkerung einige verstümmelt wiedergegebene Namen, Personen⸗ verwechselungen und ähnliches, aber all das ist so belanglos, daß es das Gesamtbild auch nicht im geringsten zu verändern vermag.

Meine Damen und Herren! Der Völkerbundsrat geht schließlich auf die bekanntgewordene Zirkularverfügung des belgischen Unter⸗ kommissars de Smet ein, durch die die Abstimmenden mit Entziehung der Pässe, des Rechts auf Geldumtausch und der Lebensmittel be⸗ droht wurden. Der Rat erklärt, es bandle sich um einen einzelnen Fall, der Beamte sei von dem belgischen Gouvernement desavoviert und seine Verfügung sei nicht angewandt worden. Nun, die Be⸗ völkerung hat von dieser Desavouierung nichts gemerkt (sehr richtig! im Zentrum), und selbst, wenn sie erfolgt ist, könnte damit die her⸗ vorge ufene Wirkung nicht beseitigt werden.

Der Fall ist auch keineswegs vereinzelt. Ich habe erst heute morgen weiteres Beweismaterial erhalten. Es liegt mir hier die Abschrift eines Erlasses des Unterkommissars von Weismes im Distrikt Malmedy vor, der folgendermaßen lautet:

Herrn Bürgermeister in Weismes. 8 Ich beehre mich, Ihnen mitzuteilen, daß die Kreisbewohner welche gegen die Zurücktretung der Gebiete an Belgien protestiert haben, nicht berechtigt sind, von dem Rechte des Geldumtausches gemäß der darüber erlassenen Verordnung Gebrauch zu machen. (Hört! Hört! im Zentrum, rechts und bei der U S.P.) Die Leute, deren übrigens sehr wenige sind, werden durch ihren Personalausweis leicht zu erkennen sein, wescher das belgische Wappen und den Namenszug des Herrn Schnorrenberg quer durch die Mitte trägt. [Hört! Hört!) Also auch dies ist ein Beweis, und es liegt. keines⸗ wegs nur ein Einzelfall vor.

Daß diese Verfügungen nicht angewandt wurden, ist schlechthin unzutreffend, haben doch z. B. von den Betroffenen einzelne so schwer darunter zu leiden gehabt, daß sie ihre Eintragung zu ücknahmen, worauf dann die Repressalien rückgängig gemacht worden sind. (Leb⸗ hafte Rufe: Hört! Hört!)

Meine Damen und Herren! Angesichts dieser Sachlage kann ich mich nur dahbin aussprechen, daß der Beschluß des Völkerbundsrats in jedem Punkte auf unrichtigen Voraussetzungen beruht. (Sehr richtig! im Zentrum.) Der Völkerbundsrat ist von Belgien offenbar durchaus unrichtig informiert worden und hat unserem Material nicht

langen konnten. (Sehr richtig!) 1 Ich will hier noch erwähnen, daß vor einigen Monaten eine Kommission aus den beiden Kreisen sich zu dem Generalsekretär des Völkerbundes begeben wollte, um ihn persönlich über die wahren Verhältnisse in den Kreisen zu unterrichten. Sie erhielt zur Ant⸗ wort, wenn die Bevölkerung etwas vor den Völkerbund zu bringen bhabe, so sollte sie es auf schriftlichem Wege tun. (Hört! Hört! bei den Deutschen Demokraten.) Auch der Wunsch der Bevölkerung, der Völkerbund eine Kommission in die Kreise enisenden möge, m sich an Ort und Stelle zu informieren, ist nicht erfüllt worden.

Hört! Hört! im Zentrum.)

Meine Damen und Herren! Die Reichsregierung hat den Be⸗ chluß des Völkerbundsrates aber auch nach einer anderen Seite hin üfen müssen. Herr Dr. Bell hat darauf hingewiesen, daß der Beschluß auch rechtlich auf schwachen Füßen steht. Nach dem Verfailler Vertrag ist die Entscheidung über Eupen⸗Malmedy in die Hände des Völkerbundes als solchen gelegt. Der Völkerbund selbst und nicht der Völkerbundsrat soll also über die Souveränitätsfragen entscheilden. Nun bat der Völkerbund zwei Hauptorgane, die Bundes⸗ versammlung und den Rat. In den allgemeinen Bestimmungen über den Völkerbund ist die Zuständigkeit der beiden Organe mit genau denselben Worten festgelegt; bei beiden beißt es, daß sie über jede Frage befinden, die in den Täa inkeitsbereich des Bundes fällt, oder die den Weltfrieden berührt. Die Frage, wann das eine und wann has andere Oagan zuständig ist, läßt sich also aus diesen allgemeinen

G 8 die gleiche Zuständigleit verleiht. eentsernt die Beachtung geschenkt, die wir unter allen Umständen ver⸗

Bestim ungen überhaupt nicht beantworte Man muß die Sonderbestimm urgen der Vertrages zu Rate ziehen. Hier zeigt sich nun, daß häufig der Völkerbundsrat ausdrücklich als zuständig erktärt wird; in anderen Fällen ist dagegen nur vom kerbund als solchen die Rede. Der leicht erkennbare Grundsatz dieses Unterschieds ist der, daß Entschꝛeidungen von großer Tragwe’te dem Bunde selbst, weniger wichtige dageaen dem Rat zusteben sollen. Als Beispiel möchte ich folgendes anführen. Der Band selbst soll die endgültige Rechtslage des Saargebiets festsetzen, der Rat aber die Koh enmenge bestimmen, die Deutschland an Frankreich lisfern sell, wenn es de Saargruben wieder erwirbt. Aus alledem geht hervor, daß der Ver⸗ trag, wenn er von dem Bunde schlechthin spricht, dessen oberstes Organ, die Bundesversammlung, im Auge hat. Dies entspricht ja auch durchaus der all emeinen Rechtsanschauung (sehr richtig! im Zentrum); denn jede Könperschaft trifft ihre Entscheidungen im Zweifel durch ihr oberstes Organ, die Mitgliederversammlung. Hierzu kommt, daß der Völkerbundsrat noch gar nicht so zusammengesetzt ist, wie der Vertrag es vorsieht. Die Vereinigten Staaten sind darin nicht ver⸗ treten, ein Umstand, der um so wesentlicher ist, als die Beschlüsse des Rates Einstimmigkeit voraussetzen.

Meine Damen und Herren, ich brauche wohl nicht zu betonen, welch weittragende Bedeutung diese Zuständigkeitsfrage besitzt. Wenn es dahin kommt, daß der Rat des Völkerbundes alle Ent⸗ scheidungen an sich zieht, die dem Bunde als solchem zustehen, dann ist der Völkerbundsgedanke selbst bedroht, dann liegt das letzte Wort nicht bei der Gemeschaft der Nationen, sondern bei der Gemein⸗ schaft der Sieger; denn mit einer eineigen Ausnahme setzt sih der Rat, vorläufig wenigstens, aus Vertretern unserer früberen Gegner zusammen. Hier liegt ein Problem, an dem alle Miglieder des Völkerbundes aufs lebhafteste interessiert sind, und bezeichnenderweise ist es gerade die Presse der ehemals neutralen Staaten gewesen, die anläßlich des Beschlusses über Eupen⸗Malmedy mit politischem Weit⸗ blick dieses Problem sofort erkannt und in eindrucksvoller Weise darauf hingewiesen bat.

Meine Damen und Herren, aus allen diesen Erwägungen heraus ist die Reichsregierung zu der Ueberzeugung gelangt, daß der Beschluß des Völkerbundsrats nicht als rechtmäßig anerkannt werden kann. (Bravo!) Dieser Beschluß stützt sich sachlich auf völlig un⸗ zutreffende Voraussetzungen und ist rechtlich von einem unzuständigen Organ ergangen. Die Reichsregierung hat dieser Ueberzeugung auch bereits Ausdruck gegeben. In einer an den Generalsekretär des Völkerbundes gerichteten Note hat sie sich mit der Rechtsfrage ein⸗ gehend befaßt und den Nachweis erbraht, daß über Eupen⸗Malmedy das letzte Wort von der Bundesversammlung gesprochen werden muß. Bei der Bedeutung der Rechtsfrage konnte eine nähere Stellungnahme zu dem Inbalt des Beschlusses des Völkerbundsrates vorläufig unterrleiben. In dieser Beziehung wird die Sammlung des auch jetzt noch eingehenden Materials über die Ve gewaltigung von Euxen und Malmedy fortgesetzt und zu gegebener Zeit dem Völkerbunde unterbreitet werden.

Meine Damen und Herren, zum lebhaften Bedauern der Reichsregi rung haben wir auf diese unsere Note an den Völker⸗ bundsrat eine durchaus unbefriedigende Antwort bekommen. (Hört, hört!) Ich kann diese Antwort, die vom 26. Oktober datiert ist, zur Kenntnis des hohen Hauses bringen. In ihren wesentlichen Punkten lautet sie folgendermaßen:

Der Rat des Völkerbundes bat mich beauftragtf, die Note vom

2. Oktober d. J. zu beantworten und die Au'merksamkeit Eurer Erzellenz auf die Tatsache zu lenken, daß nach dem Art. 4 Abs. 4 der Völkerbundsakte „die Bundesversammlung über jede Frage be⸗ fi det, die in den Tätigkeitsbereich des Bundes fällt, oder die den Weltfrieden berührt“. Die gleiche Bestimmung enthält der Art. 3 Abs. 3 in Ansehung der Zuständigkeit der Bundesversammlung. Infolgedessen ist da, wo das Gegenteil nicht besonders bestimmt ist, die gesetzliche Zuständigkeit der beiden Bundesorgane die gleiche. Die Note Eurer Erxzellenz weist auf verschiedene Bestimmungen des Vectrages von Versailles hin, wonach dem Rate des Völker⸗ bundes beso dere Verpflichtungen obliegen, während in gewissen anderen Artikeln der Völkerkund und nicht der Rat des Völker⸗ bundes erwähnt wird. Daraus solgt nicht, daß in den Fillen, wo

der Völkerbund ohne nähere Bestim ung erwähnt wird, de Zu⸗g

ständigkeit des Rates, wie sie in Att. 4 der Völkerbundsakte fest⸗ ge egt ist, eingeschränkt wäte.

Die Note erklärt, die deutsche Regierung wolle die Tatsache, daß kein Vertreter der Vereinigten Staaten von Amerika an der Ent⸗ scheidung des Rates teilge⸗nommen hat, nicht weiter erörtern. Der Rat ist der Ansicht, daß die gesetzliche Zuständiakeit des Rates in seiner gegenwärtigen Zusammensetzung nicht in Zweifel gezogen werden kann.

Ja, meine Damen und Herren, eine Widerlegung kann ich das

nicht nennen. (Le hafte Zustimmung.) Die deutsche Regierung be⸗

stre tet ja gar nicht, daß die Völkerbun'sakte selbit beiden Organen

Sie ist aber der Ansicht, daß dies 1 Ellaß⸗Lothring n Herüberg komm nen. Ebenso muß für die B amten

nur für die allgemeinen Aufgaben des Völkerbundes und nicht für diejenigen Angelegenheiten gelten kann, in denen der Friedensvertrag eine Mitwirkung des Vörkerbundes vorsieht. Dies folgt schon daraus, daß der Friedensvertrag in einer Reihe von Fällen dieser Art aus⸗ drücklich den Rat als das zuständige Organ bezeichnet. Niemand wird behaupten wollen, daß in diesen Fällen auf Grund der erwähnten Bestimmungen der Völker bundsakte auch die Bundesversammlung als zuständig angesehen werden könnte. Ist dem aber so, so ergibt sich weiter, daß überall da, wo der Friedensvertrag nicht den Rat, sondern den Völkerbund erwähnt, auch nicht die Zuständigkeit des Rates, sondern die Zuständigkeit der Bundesversammlung begründet sein soll. Denn andernfalls hätte die verschiedene Fassung der Bestimmungen des Friedensvertrags keinen Sinn.

Meine Damen und Herren! Ich muß bier noch erwähnen, in

welch geschichtswidriger Weise die belgische Presse und auch die bel⸗

gische Regierung die Annexion der beiden Kreise als einen Wieder⸗ erwerb ehemals belgischen Gebiets hinzustellen sucht. In einer mit der Unterschrift des belgischen Ministerpräsidenten Delacroix versehenen Proklamation wird diese angebliche „Wiedervereinigung“ gefeiert. Wir baben bei der belgischen Regierung und bei dem General⸗ sekretariat des Völkerbundes hiergegen feierlich Einspruch erhoben. Richts widerspricht nämlich mehr den Tatsachen. (Zustimmung.) Die beiden Kreise Euven und Malmedy sind durch die Abmachungen des Wiener Kongresses zu Preußen gekom men. Sie waren also Bestand⸗

eile der preußischen Morarchie large Jahre, bevor der belgische

Staat überhaupt begründet wonden ist. (Lebhaste Rufe: Sehr richtig!)

Vorber hat, abgeseben von einer Periode von mwei Jahrzehnten während deren die K-eise mit dem übrigen linken Rheinufer unter fran⸗ zösischer Herrschaft standen, der Kreis Eupen zu dem Lande Limburg gehört das Jahrbunderte lang Besitz des Hauses Habsburg und damit Bestandteil des alten deutscheꝛn Reiches war und dessen Gebiet gegenwärlig zwischen Deutschland, Belgien und Holland aufoeteilt ist. Es ist zu bemerken, daß bei der Grenzziehung ven 1816 nicht der ganze deutsche Teil von Limburg Preußen zugeteilt wurde, vielmehr blieben zwölf Gemeinden mit etwa 20 000 deutsch⸗ sprechenden Einwohnern außerhalb der preußischen Grenzen. Von dem Kreise Malmedy hat der kleinere Teil, der sich im allgemeinen mit dem vorwiegend wallonischen Sprachgebiet deckt, zu der früheren Doppelabtei Malmery Stavelot gehört, die als selbständige Reichs. abtei mehr als elf Jahrbunderte bestanden und sich unter dem Schutze des alten deutschen Reiches ihre Selbständigkeit zu bewahren gewußt hat. Wenn der Wiener Kongreß Stavelot an die Nieder⸗ lande, Malmedy on Preußen überwies, so trug er damit der Ver⸗ schiedenbeit der Geschichte und den ethnographischen und jurisdiktionellen Verhältnissen dieser Teilgebiete Rechnung. Der verbleibende größere, übrigens rein deutsche Teil des Kreises Malmedy bat niemals zu Staatengebilden gehört, deren Gebiet dem heutigen Belchien einder leibt worden wäre.

Diese Tatsachen beweisen, daß von einer Wiedervereinigung e beiden Kreife mit Belgien nicht die Rede sein kann. In der T haben sich Preußen und Deutschland stets im unangefochtenen Besiz der Kreise befunden, und ni⸗mals sind bisher von belgischer Seite historische Ansprüche auf diese Gebiete geltend gemacht worden. Deshalb muß ich namens der Reichsregierung auch von dieser Stelle aus feierlich Verwahrung einlegen gegen eine solche Vergewaltigung geschichtlicher Tetsachen, die der Vergewaltigung der Bevölkerung an die Seite tritt. (Bravo!)

Meine Damen und Herren! Wenn ich in der Einleitung gesagt habe, daß das Schicksal der beiden westlichen Grenzkreise im ganzen deutschen Volke wärmste Anteilnahme sindet, so kann ich dies nach allem, was ich hier zu schildern hatte, nur nochmals mit besonderer Betonung wiederholen. Ihrer einmütiagen Zustimmung glaube ich sicher zu sein. Was die Reichsregierung betrifft, so wird sie keine Gelegenheit vorübergehen lassen, um der Welt das an der Westmark geich her Unrecht vor Augen zu führen. (Bravo!) Sie gibt sich dabei de Hoffnung hin, daß der Völkerbund ihre wohlbegründeten Beschwerden endlich einer eingehenden Prüfung unterziehen und schließlich doch noch zu einer Entscheidung gelangen wird, die im Sinne eines wahren Völkerbundes liegt und der Gerechtigkeit zum Siege verhilft. Sie gibt sich aber weiter der Hoffnung hin, daß die Zeit einmal kommen wird, wo zwischen Deutschland und Belgien wieder Beziehung n be⸗ steben werden, die es der belgischen Regierung und dem belgischen Volk nicht mehr als erforderlich erscheinen lassen, aus rein materiellen, nämlich aus macht⸗ und wirtschaftspolitischen Gründen über das uralte Recht der Selbstbestimmung dieser deutschen Bevölkerung Eupens und Malmedys zur Tagesordnung überzugehen. (Lebhafter Beifall.)

Zur Begründung der zweiten Interpellation nimmt das Wort

Aba. Korell (Dem.): Der Abg. Dr. Bell hat gleichfalls schon die Rbeinlandinterpellation begründet. In diesen Fragen kann es nur enen edlen Wettstreit geben. Darum danke ich dem Herrn von de Zentrumsvartei für seine vortrefflichen Ausführungen im Inter⸗ des Rreinlandes. Hier kann es nur ein Zusammenarbeiten sämtliche: Parte en des Hauses geben. (Sehr richtig! Das Rheinland bört heute auf unsere Worte. Wie der Erfolg unserer imposanten Kundgebung sein wird, ist freilich eine andere Frage. Ehe ich mich den besonderen An elegenheiten des besetzten Gebiets zuwende, halte ich es auch für richtig, zunächst auch Elsaß⸗Lothringens zu gedenken. Meine Fraktion steht nicht auf dem Standpuntt, daß man diese Fraue außer acht jassen soll (lebhafte Zustimmung), nicht nur aus deutschem Gefühl heraus, sondern gerade wegen der Grundsätze, die der Friedensvertrag enthält. Danach muß es so lange eine elsaß⸗lothringische ffrage für Deutschland und Europa geben, als auch dieser Stamm noch nicht mittels Abstimmung über seine tatfächliche Zugehörigkeit ensschieden hat. (Sehr richtig!) Di selbe Komödie, die in Eupen und Malm dy aufgeführt worden ist, ist a vo ber auch in Elsaß⸗Lothringen ouf⸗ geführt worden. Die Beg üßungswünsche einiger elsässi chen Frauen und Mädchen besitzen für uns nie und nimmer die Anerkenn ng der Grundssätze, die auch von den Gegnern prokamiert worden sind. Ich will nicht auf Einzelheiten eingehen, aber betonen, raß es sich nicht um ÄSe von Altpreußen handelt, sondern um Mitteilungen von elsässischen und lothrinaischen Leuten. Wir kennen die Klagen über die Schematisierung und Verwilderung des früher so blühenden elsaß⸗lothring schen Schulwesens. Wir haben ge⸗ hört, wie die Bürokratie dort wirt'chaftet. Wir wissen, daß der Untergang des Foß lothringischen Weinbaues wahrscheinlich nur eine Froge weniger Jahre ist. Ferner wissen wir aus den Vor ängen von Mülhausen und Colmar, daß dort die Arbeiter erst um die Elemente ihrer sozialen Freiheit und Stellung zu kämpfen boben. 9 Hört!) Diese Dinge erfuüͤllen uns nicht mit Schaden⸗ neude, sondern sind ein Beweis dafür, abgeseben von der Frage der Selbsibestimmung, daß aguch die materelle Lage eng damit zusammenhängt, ob man sich in freier Abstimmung fir Deutschland entsche det oder nicht. Unsere Sorge ist es zundch. für die aus Elsaß⸗L thringen Vertriebenen die notwendigen Hilfsmaßnahmen in Angriff zu nehmen. Ein Gesetz über die Entschädigung ist ja in Aussicht. Wir verlangen weiter von der Re⸗ ierung die Unterstützung der Siedlu gsbestrebungen für die aus

gesorgt werden. Wir wissen, daß die Vertriebenen mit Schmern nach der verlorenen Heimat hinuüberschauen, und wir wollen tun, was in unseren Kräften steht, um ihnen eine neue Heimat zu schaffen Auch für das Saargeb et versangen wir mehr Gerechtigkeit, der Völkerbund soll doch mit Gerechtigkeit etwas zu tun haben. Die Vortämvser res Peutschtums im Saarland müssen unserer eits unterstützt werden, aber nicht mit Geld, wie ich ausdrücklich betone. In der jetzigen Not müssen wir auch Rheinhessen und *Rheinpfalz zum Rheinland rechnen, wenn

auch staatsrechtlich nicht im Zusammenhang steben. Rhein ist ja das Poblem der Auseinandersetzungen zwischen Osten und Westen siets gewesen. Man soll dieses geschichtliche Problem nicht so auf assen, als ob die Lösung ewig dieselbe sei Die jetzie Löfung des Probiems ist nicht mit dersenigen von 1811 zu vergleichen. Wir betrachten aber das rheinische Problem geschich lich, “m uns in unserer Not zu stärken und uns zu verv egen, wärtigen, daß das Rheinland seit Jahrbunderten ähnliches erlebt hat und daraus die Hoffnung zu schöpfen, daß auch die jetige Besetzung des Rheinlandes nicht länger dauern wird als die früheren. Der Febler Frankreichs ist, daß es annimmt, wir ständen heute nech auf demselben kulturellen und politischen Standpunkt wie 1806. Wir sind seit 1806 und namentlich seit 1870/71 doch etwas anderes ge⸗ worden, als das Land unter Naxroleon l. war. Wir sind auch im Staatagefühl etwas anderes geworden, als wir 1806 waren. Au⸗ in anderen deutschen Ländern sind Fehler gemait worden, aber ma bedenten diese Rekriminationen der Frage hat denn eigentlich den Stoll für die aute da drüben gemolken wird? Rheinische Tüchtigkeit und

die

gegenüber: 2 Kuh gebaut, die Intelligen

haben sich materjell und natjonal durch den innigen

mit dem großen Mutschen Reiche entwickelt. Darauf sollte Franl⸗ re ch Rüchicht nebmen. Wir sind nach Srrache und Geschichte, nach Wutschaft und nach Sitte ein deutscher Staat (. bhafler

*

6 bustrie kein

Meldung könnt ih

Blättern, reinigte

dürfen weder die schwarz-rot⸗goldenen noch

mehr zu Armee gefährdet wird. 1. weeise in empörender Weise zugerichtet worden ;, das Denkmal Ludwigs vpon Hessen wurde in den Rbein geworfen. . man will uns fremde Kultur geben. Man richtet französische Srrachkurse ein. dortbin zu schicken. Deutsche einladet. nnc bes FE nasß lanbs Let

üllen, ohne die Gesamtinteressen Deutschlands zu schädigen. (Leh⸗ bafter Beifall.)

1

Belkall), kein Bastardstamm, wie Frankreich glanbt, zwischen

Deutschiand und Frank eich, sondern ein rein deuutscher Stamm, wenn auch, Gort sei Dank, in rheinischer Ausprägung. Was haben uns doch die Franzosen alles versprochen namentlich in der Antwortnote beim Rheinlandsabkommen, man will uns Wobl⸗ wollen und Verständnis entgegenbringen, man hat uns politische Zu⸗ sicherungen gemacht, tatsächlich gehen aber alle Maßnahmen in An⸗ griffe auf unser politisches Recht hmaus. Für die deutsche Art des rbei ischen Stammes ist es das beste Zei en, daß er alle diese schweren Opfer für das gesamte Deutich⸗ land geduldig trägt. Bei uns handelt es sich um einen Kamvpf ums Recht; ob un ere Klagen hier von der Entente gehört werden, tteht dahin, wir müssen aber diesen Schrei nach dem eiementarsten

den chenrecht des rheinischen Stammes hier erschallen lassen. Nach⸗ dem das Ware loch im Westen gestopft ist. muß auch das Loch ge⸗ stopft werden, durch das die Menschenausfuhr erfolgte. Es ist unmöglich, daß ein selbstbewußtes, kulturell hochstebendes Volk 15 Jahre lang behandelt werden kann wie ein Koloni lvolk. (Sehr gut!) Em Moselaner kann nicht behandelt werden wie ein Moslem, und Köln nicht wie Bagdad. Gefühl für dieses Unrecht scheint auch in England zu erwachen; in Italien hat sich eine Stimme im Parlament gegen diese Behandlung des rhe iaischen Voltes erhoben. Wir avppellieren an das ganze Volk, an die Neutralen an die Engländer, Italiener und Amerikaner und auch an das französi che Vork und hoffen, daß sich das französische Nolk von der Pivchose des

asses frei mache. Die Kosten für die Besatzung wachsen ins Fabel⸗

8 5 dabei sollte das Rheinland nach dem Mufter einer konstitutionellen

Monarchie verwaltet werden. Vor allen Dingen müßte auch Ab⸗ rechnung über die Perwendung der Gelder abektegt —8 .. wunderschönen deutschen Jagden sind vollkommen ausgewildert, unsere Jagdgewehre, die wir abliesern mußten, zum großen Teil ver⸗ schwunden Die Beiatzung sollte vur 70 000 Mann betragen, tat⸗ sächl ich sind es aber über 140 000. Die Friedensbelegung sollte nur legerement“ üterschritten werden, uns kommt es vor, als ob die SEprache etwas sehr legerement behande t worden wäre, so daß es schließlich zur doppelten Zahl gekommen ist. Will man unsere 100000 Mann Reichswehr niederhalten oder soll diese Besatzungs⸗ truppe zum Kampf gegen Sowjetrußland oder für das Ruhrgediet verwendet werden? Das würde den Bestimmungen des Frierens⸗ vertraags pollkommen widersprechen. Nun sollen wir Kasernen bauen, die ungezählte Millionen kosten, eine Feldbäckerei soll errichtet werden. Entgegen dem Wortlaut des Friedensvert fordert man von uns für nean Flugplätze 800 Hektar besten deutschen Ackerbodens. Daraus erklären dann die fabelbaften Summen, die das deutsche Volk bezahlen soll, und debei heißt es in der Antwortnote, daß die Kosten der so wenig drückend wie möglich sein sollen. (Zuruf rechts: reine Hohn!) Zu diesem gewaltigen Zustrom von Offizieren und Soldaten gesellt sich ein großer Troß von Schau⸗ spielern und Schauspielerinnen, auch von Provagandisten, angefangen vom Professor an der Sorbonne bis herunter zu dem m tilgsten Schmierer vom „Echo du Rhin“. Sehr oft ist uns ganz schleierhaft, 88 52 ev. Süeee, wa⸗ N Sheg mes zu verstehen ist, aber

ir müssen ihn einfach hinnehmen. Wir haden nicht allein für die no im Heeresdienst Befindlichen Wohnungen zu stellen, sondern auch bdnene9 Personen halten sich sehr gern bei uns auf, weil sie so schön und so dillig wie am Rhein nirgends leben können. Dusseldorf, Köln und Mainz sind jetzt die teuersten Städte in ganz Deutichland, und das kann ja auch gar nicht anders „sein, da die Menge der hochgelohnten Offuiere und Soldaten für alle Bedarsfsartikel Preise anlegen kann, bei denen auch ein deutscher Kommerzienrat zuletzt nicht mehr mitkommt. Kuchen und Konfekt sind einfach durch die Besatzungsbebörden von einer Bürgermeisterei erpreßt worden

mit der Ertlärung, man würde sonst eimige bundert Mann Besatzung in

den Ort legen. Kann die Reichsregierung und der Reichskommissar in Koblem nicht Vorkebrungen treffen daßs die Not der rheinländischen Bevölkerung durch eine Finschrönkung des freien Ankaufgrechte der Besatzung irgendwie gemildert wird? Entsprechend der Lebensmittel⸗ teuerung sind die Löhne und Gehälter in dem bofetzten Rheinland böber als anderswo und infol en die Lage ber rheinischen In⸗ eswegs rofig. Wir haben br von Luxuswaren un was wir und Getreide und eöäe

gen rung Leben der unser

Weinen

2

wird heilch anl Kreise

vertrauten durchgekämpft. Wenn it bätten über unser Schi uüͤber die Dau ch mache auch auf das v Spidelfbsem im

und leider auch deutscher Spitzel umgeben, so daß niemand want, Wort zu seer Von den wegen angeblicher Kriegs⸗

vergehen Verschleppten sind 90 Prozent Denunziationen zum Opfer gefallen und davon 30 Prozent von ihren eigenen Landsleuten perraten. (Lebhafte Pfuirufe.) Wegen der Aeußerung: kann das französische Parlieren nicht mehr hören“ ist jemand zu 6 Monaten Gefängnis verurteilt worden. Die deutsche Gerichtsbarkeit wird ausgeschaltet, so daß es zum Beispiel in Köln unmöglich wurde, einen Hochverräter der deutschen Gerichtsbarfeit zu überliefern. Eine Hauvptstütze des Deutschtums sind die B amten, und ich füble mich verpflichtet, allen denen, die für das Deutschtum gelitten haben und ausgewiesen sind, den Dank des Deutschen Reichstags zu über⸗ mitteln. (Beifall.) Nach den neuen Verordnungen der Oberkom⸗ mission in Koblent maßt sich die fremde Behörde die Entschei⸗ dung über die Anstellung von Beamten der Zolbeberden, des Lehr⸗ personals und der Vorsitzenden der Kaufmanns, und Gewerbe⸗ trichte an. Ich möchte allen Beamten die Mahnung zurufen: aßt uns nur fest bleiben, damit wir einst frei werden. Et wäre ungerecht von einem demokratischen Redner, wenn er nicht als wichtigste Stütze des Deutschtums neben die Beamten die Arbeiter ellen wollte. Ohne die Arbeiter hätten wir im Juni 1919 ie rbeinische Republik bekommen. Die Presse soll frei sein. In⸗ dessen, wer sich mal auf die Redaktion einer rheinischen Zeitung bemüht, findet, daß nicht bloß Meldungen, die die Sicherbeit Armee betreffen, sondern alle Nachrichten der inneren

und äußeren Politik natürlich nicht der Zensur, sondern einer Vorprüfung unterliegen. Sie läuft darauf hinaus: diese 1 r bringen, aber auf eigene Verantwortung und Gefahr. Geällt sie irgend einem militärischen Befehlshaber oder der Oberkommission in Koblenz nicht, so ist die Folge davon ein Verbot. Das ist keine Preßfreiheit im demokratischen Sinn, sondern ein Versuch, die Presse abhängig zu machen von dem Woblwollen der Behörden. Das Neueste ist die Jubiläumsinstruktion Nr. 50 der Oberkommission in Koblenz, wonach jede Zeitung verpflichtet ist,

die ihr zugehenden Mitteilungen an jeder Stelle, wo es ge⸗ wünscht

wird, ohne jede Aenderung aufzunehmen. Die Be⸗ hauptung der „Vossischen Zeitung“, die rheinische Presse im besetzten Gebiet wirke verhetzend gegen die Franzosen, muß ich als eine Schädigung nicht nur unserer Presse, sondern auch des Deutsch⸗ tums (Sehr richtig!) Die „Frankfurter Zeitung“ nimmt kein Blatt vor den Mund bei ihren wahrhaften Mitteilungen über das besetzte Gebiet und unterscheidet sich dadurch von anderen die sich zwar natsonal. nennen, aber eine besoöͤnders ge⸗ Ausgabe für das Rheinland veranstalten. Wir dürfen nicht mehr singen, wenn sich dadurch jemand provoziert fühlt. Wir die schwarz⸗weiß⸗roten Fahnen heraushängen. (Hört! hört!) Wir dürfen nicht einmal Vieren marschieren, vielleicht weil dadurch die alliierte (Heiterkeit.) Unsere Denkmäler sind teil⸗

(Hört! hört !) Aber

Deutsche Eltern werden auf efordert, ihre Kinder Man arrangiert französische Feste, zu denen man Wir müssen uns genau überlegen, wie wir die

reiheit und Selbstbestimmung

1

1 ““

Reichsminister des Innern Koch: Meine Damen und Herten! Als ich im vorigen Jahre eine Interpellation über die besetzten Ge⸗ biete beantwortete, habe ich den Wunsch und der Hoffuung Ausdruck gegeben, daß diese Fragen sowohl im besetzten Gebiet als auch hier in diesem Hause nicht als Angelegenheiten der Partei, sondern als An⸗ gelegenheiten der Nation behandelt werden möchten. (Sehr richtig! bei den D. D.) Und wenn sich in dem trüben Bild, das sich uns entrollt, wenn wir das Schicksal des besetzten Gebietes betrachten, ein Lichtblick bietet, so ist es der, daß in der Tat im letzten Jahre im besetzten Gebiet die nationale Einheitsfront nicht gewankt hat und weiter der Lichtblick, daß auch hier im Hause während dieses Jahres und, wie ich hoffe, auch in diesen Stunden, alles einmüttig zusammenstehen wird in der Teilnahme für das besetzte Gebiet und in der Abwehr von Unrecht von dem besetzten Gebiet. Die beiden Herren Vorredner, die sich mit den Angelegenheiten des besetzten Gebietes befaßt haben, haben sich zu meiner Freude von Uebertreibungen fern gehalten, haben aber auf der anderen Seite eine Fülle erdrückenden Materials vor⸗ bringen können, dessen Richtigkeit ich durchweg bestätigen kann. (Hört! Hört!) Uebertreibungen vorzubringen ist schädlich und unnütz. (Sehr richtig!)

Lassen Sie mich zu Beginn meiner Ausführungen das Bedauern zum Ausdruck bringen, daß es Leute gibt, die in Deutschland wisen und Vorträge halten, in denen sie die Schicksale des besetzten Gebietes in unzutreffender und übertriebener Weise darstellen. Noch neulich hat ein bekannter Vortragender aus Norddeutschland in München über die Verhältnisse des besetzten Gebietes eine Reihe von falschen Angaben gemacht, die zu widerlegen den Gegnern leicht sein muß. Er hat sich dabei darüber beklagt, daß er mit seiner Bitte um Abhilfe bei der Reichsregierung kein Gebör gefunden habe, obwohl er sich niemals die Mühe gegeben hat, irgend jemand von der Reichsregierung diese Tat⸗ sachen vorzutragen. (Hört! Hört! bei den D. D.) Meine Damen und Herren! Damit wird nichts erreicht. (Sehr richtig! bei den D. D.) Damit wird der gegnerischen Presse nur ein willkommener Vorwand gegeben, diese übertriebenen oder falschen Tatsachen zu widerlegen und den Eindruck zu erwecken, als wenn die Bevölkerung des besetzten Ge⸗ bietes unter angenehmen und erträglichen Verhältnissen lebe. Nein, meine Damen und Herren, die Tatsache, die wir vorzubringen haben, sind so schwerwiegend und so weittragend, daß es irgendwelcher Uebertreihung nicht bedarf.

Ich kann zu dem, was die beiden Herren Vorredner heute vor⸗ gebracht haben, noch vieles an Tatsachen hinzufügen. Ich darf die Zeit des Hauses nicht mit allen diesen Einzelheiten aufhalten, will aber zunächst bestätigen, daß die Kosten der Besatzungstruppen als ungeheuerlich zu bezeichnen sind. Der Herr Reichsschatzmister, der mir die Vertretung dieser Frage, die zu seinem Ressort gehört, über⸗ lassen hat, hat sich seinerseits bereits im Hauptausschuß eingehend mit einer Reihe der hier in Frage kommenden Belastungen beschäftigt. Ich wiederhole daraus nur, daß das Besatzungsheer, das nach dem Rheinlandabkommen 70 000 Mann leicht überschreiten durfte, auf mehr als 130 000 Mann angewachsen ist. (Hört! Hört!) Ich wiederhole, daß die Einrichtungen, die im besetzten Gebiet getroffen worden sind, weit über das Bedürfnis eines Heeres von 130 000 Mann hinausgehen (hört! hört!), daß z. B,, obschon im besetzten Gebiet 12 deutsche Flugplätze vorhanden waren, 18 uene Flugplätze eingerichtet worden sind, davon 13 allein für das franzoͤsische Heer (hört! böct !), daß 800 ha besten und fruchtbaren Ackerlandes für die Herrtähtung dieser Flugplätze haben dienen müssen. Ich weise darauf hin, daß in Trier Gelände für eine Feldbäckerei angefordert ist, die so groß sein wird, daß sie geeignet ist, den Tagesbedarf eines Heeres von 400 000 Mann zu decken. (Lebhafte Rufe: Hört! Hört!) Im ganzen sind seitens des Reicheschatzministeriums an Entschädigungen bezahlt oder bereits festgestellt für deutsche Einwohner wegen Re⸗ quisitionen, die an sie ergangen sind, 6,2 Milliarden. (Hört! Hört!) Es sind von der Besatzung bisher 2,3 Milliarden vorschußweise für ihre Bedürfnisse angefordert. Wenn aber die Ziffer richtig ist, die der Herr Abg. Loucheur in der französischen Kammer über die Kosten der Besatzungsarmee, und zwar anscheinend nur der französischen Be⸗ satzungsarmee, mitgeteilt hat, so ist mit einer jährlichen Belastung von 27 ½ Milliarden zu rechnen. (Lebhafte Rufe: Hört! Hört!) Es bedarf keiner Erörterung darüber, daß diese Lasten für ein zusammen⸗ gebrochenes, verarmtes Deutschland unerträglich sind (sehr richtig!), und daß sie Deutschland in die Unmöglichkeit versetzen, an seiner eigenen Wiederherstellung, aber auch an der Wiedergutmachung irgend⸗ wie nennenswert zu arbeiten. (Lebhafte Zustimmung.) Die Be⸗ lastungen beschränken sich nicht allein auf Geldopfer, sondern sie sind vielfachster Art. Die Herren Vorredner haben bereits darauf hin⸗ ewiesen, in welchem Umfange Wohnungen für das Besatzungsheer⸗ sar seine Offiziere, für verheiratete Angehörige und für den großen Troß des Heeres in Beschlag genommen werden. Welche Unzuträglich⸗ keiten sich daraus ergeben müssen, wenn deutsche Familien in wenige Zimmer zusammengedrängt mit französischen Familien zusammen⸗ wohnen, die, wie ich betone, wenn sie beleidigt werden, jederzeit An⸗ gehörige der deutschen Familien vor französische Kriegsgerichte schleppen und dort die härtesten Strafen durchsetzen (sehr richtig!), welche Unzuträglichkeiten sich daraus ergeben, welche Unterwürfigkeit das seitens der deutschen Mitbewohner voraussetzt, darüber sind wir, glaube ich, in diesem Hause einig. Daß daneben andere Familien innerhalb weniger Tage zu einer Räumung ihrer Wohnungen ange⸗ halten werden, daß sie verpflichtet werden, von dem gesamten Hausrat höchstens Denkwürdigkeiten von geringem Werte mitzunehmen, und daß Gefängnisstrafen zu mehreren Monaten verhängt worden sind,

wenn solche Personen den Begriff der „Denkwürdigkeiten von geringem

Wert“ etwas weit genommen haben und ihr eigenes Eigentum zu einem kleinen Teil aus der Wohnung herausgeschleppt haben, sind Tatsachen, die überall im besetzten Gebiet wiederkehren.

Oeffentliche Gebäude sind in einem Maße beschlagnahmt, daß die Tätigkeit der Behörden kaum noch durchzuführen ist. Schulen befinden sich in großem Umfange in der Umwandlung zu Kasernen und, was ich besonders hervorhebe und was besonders auffallend ist, Turnhallen sind merkwürdigerweise überall unter allen Umständen für die Bedürfnisse der Besatzungsarmer notwendig und werden fast durch⸗ weg der Benutzung durch die deutsche Jugend entzogen unter der Be⸗ gründung, daß sie für die Besatzung nicht entbehrlich seien. (Rufe: Unerhört! Unglaublich!) Aus der Bestimmung des Friedensvertrages, wonach Grundstücke für Spiel und Sport und Erholungsplätze ge⸗ stellt werden müssen, ist die Berechtigung hergeleitet worden, deutsche Jagden in erheblichem Umfange zu beschlagnahmen, und die Jagd wird in manchen Gebieten in einer Weise betrieben, die eine Verödung

unseres deutschen Waldes und unserer deutschen Feldflur bereits er⸗ warten läßt. (Hört! Hört!) ““

Es ist richtig, wenn der Herr Abgeordnete Korell

führt hat, daß die Lebensmittelregnisitionen einen erheblichen Umfang einnehmen, und daß es langer Verhandlungen bedunft hat, um wenigstens zu erreichen, daß die französische, die evolische und die belgische Verwaltung sich bereit erklärt haben, die Kantoffeln sich von der Reichsvermögensverwaltung liefern zu lassen. Bei anderen Lebens⸗ mitteln ist der gleiche Erfolg bisber nicht erreicht.

Daß ein Heer von einer solchen Größe Ausschreitungen in erheb⸗ lichem Umfange begehen wird, muß klar sein, namentlich, wenn man bedenkt, daß weite Teile dieses Heeres noch von dem Gefühl des Hasses, der Rache und der Mißachtung gegen deutsches Wesen erfüllt sind. Sie ersparen es mir wohl, hier alle diese Ansschreitungen aufzuführen. Was der Herr Abgeordnete Korell angegeben hat, ist in allen Fällen z bestätigen.

Der Fall in Oberingelheim, den er erwähnt hat, in dem Franzosen unter Führung eines Korporals in eine Tanzbelnstigung, eine geschlossene Gesellschaft, eingedrungen sind, dort in keiner Weise gekränkt worden sind, aber trotzdem anläßlich einer kleinen Auseinandersetzung es für nötig gefunden haben, Schüsse im Saale abzugeben, und als die Ge⸗ sellschaft den Saal schleunigst verließ, draußen scharfe Schüffe auf die Gesellschaft zu richten, so daß das blühende Deben einer 2 jährigen Frankfurterin diesem Schießen zum Opfer gefallen ist, ist nur einen der vielen Fälle, die im besetzten Gebiet vorgekommen sind. (Bewegung.) Es bedarf keiner Erörterung, daß dieser Fall zum Gegenstand einer Note der deutschen Reichsregierung gemacht werden muß, und daß in dieser Note nicht nur Sühne, sondern auch Entschädigung zu verlangen ist, wie wir solche Entschäbigung auch unsererseits in umgekehrten Fällen geleistet haben. (Sehr richtig!)

Fälle von Notzucht, die immer wieder vorkommen, sollen hier nicht im einzelnen aufgeführt werden. Ich beschrunke mich darauf, hier einen Fall mitzuteilen, in dem vor wenigen Wochen in Mainz 7 französische Soldaten eine 42 jährige Frau hintereinander auf das scheußlichste vergewaltigt haben. Strafen sind in diesem Falle von der französischen Berwaltung verhängt worden. Eine Entschädigung ist bisher nicht gewährt worden. (Lebhafte Ruse: Hört! Höct! Unerhört!) Weitere Fälle anzuführen, mag sich erübrigen. Das eine muß aber festgestellt werden, daß die französische Gerichtsbarkeit lang⸗

sam arbeitet, daß sie mit Inhaftierungen langsam vorgeht, wie denn

von den 7 Mördern des Mädchens in Oberingelheim bisher erst einer inhaftiert ist, und daß sie Entschädigungsforderungen bisher in keinem Falle bewilligt hat. (Hört! hört! bei den D. D.)

Ich trage diese Fälle nicht vor, um daraus abzuleiten, daß eine besondere Roheit in dem Besatzungsheer herrscht. Nach meiner An⸗ sicht ist es selbstverständlich, daß bei einer fo ungeheuerlich dichten Besatzung Roheitsdelikte vorkommen. Aber daß diese Fälle nicht Ver⸗

anlassung dazu geben, sich klarzumachen, daß eine derartig dichte Be⸗

satzung in einem hochkultivierten Lande von selbst iu einer Häufung von Delikten führen muß, nnd daß deswegen Ruhe und Ordnung im Rheinlande niemals cinziehen wird, wenn hier nicht Abhilfe geschießt, das darf festgestellt werden. (Sehr richtig bei den D. D.)

Bei meinen Verhandlungen in Koblen; ist mir feitens der französischen Bevollmächtigten der Rheinlandkommission vorgehalten worden, daß wir ung immer in erster Linie mit unseren Angriffen gegen die franzö⸗ sischen Besatzungstruppen wendeten, und das eine ist zuzugeben: in der Rücksichtslosigkeit des Vorgehens unterscheiden sich die französischen Behorden nicht von den Behoͤrden der anderen Besatzungstruppen Auch Gewalttätigkeiten kommen in allen Gebieten dor. Wenn wi uns in Deutschland so häufig in erster Linie gegen die französische Besatzung richten, und wenn namentlich auch aus dem Rheinlan über die französische Besatzung besonders geklagt wird, so sind daff doch drei Gründe anzuführen, Gründe, die ich ganz objektiv anführe; denn ich habe nicht die Absicht, aus dieser Angelegenheit eine politische Aktion in machen, die sich etwa gegen eine der Besatzungsmächt richtet. Ich bin vielmehr der Meinung, daß ich diese Angelegenhei meinerseits nüchtern und unter Beschränkung auf das Tatsächlich vorzutragen habe.

Die Gründe liegen zunächst darin, daß die Zahl der französischen Truppen weit über die Zahl der übrigen Truppen hinausgeht, sind doch von den 135 000 Mann, die im besetzten Gebiet vorhanden sind amtliche Quellen darüber gibt es nicht, aber diese Feststellung is im großen und ganzen richtig fast 90 000 Mann Franzosen, als etwa zwei Drittel. Daher richtet sich von selbst der Blick auf diese größere Masse. Die Gründe liegen weiter darin, daß infolgedessen die französische Armee außerordentlich eng gedrängt untergebracht ist daß kleine Städte wie z. B. Kreuznach mit 20 000 Einwohnern eine Besatzungstruppe von 2000 Mann, Oberstein, ein Ort von 8000 Ein wohnern, eine Besatzungstruppe von 1200 Mann haben, Orte, ir denen fast gar keine Möglichkeit ist, öffentliche Gebäude größere Umfanges zu Kasernen und Verwaltungsgebäuden herzugeben, Orte in denen es an Wohnungen für die verheirateten Offiziere naturgemäß fehlen muß. Daß in solchen Orten die Besatzung ganz besonders drückend empfunden wird, daß sie geradezu unerträglich ist und Handel, Wandel und Verkehr lähmt, steht fest.

Es muß weiter angefuͤhrt werden, daß im französisch besetzten Gebiet die Klagen deswegen besonders laut sind, weil noch immer trotz aller Proteste die Hälfte aller Truppen im besetzten Gebiet aus Farbigen besteht. (Hört! Hört!) Meine Damen und Herren! Man kann mir von der Gleichberechtigung der Rassen reden, soviel men will, niemand wird es einem deutschen Mann oder einem deutschen Mädchen verdenken, wenn es eine ihm zugefügte Gewalttat doppelt empfindet, wenn sie von dem Angehörigen eines kulturell tiefstehenden, eines weit unter uns stehenden Volkes begangen worden ist. (Lebhafte Zustimmung rechts und bei den D. D.) Niemand wird es verstehen, myem man uns einreden will, daß hierin nicht eine Schmach für ein höchkultiviertes Volk liege, die größer ist als alles andere. (Lebhafte Zustimmung rechts und bei den D. D.)

Und zum letzten ist deswegen die französische Besatzung besonders drückend, weil mit dieser Besatzung ganz anders als in den Teilen, die von anderen Mächten besetzt sind, Nebenabsichten verbunden sind (lebhafte Zustimmung bei der D. V. und bei den D. Nat.), weil die Bevölkerung nicht das Vertrauen hat, daß wenigstens versucht wird, sich bei den Maßnahmen auf die Notwendigkeiten zu beschränken,

die eine solche Besatzung mit sich bringt (sehr richtig! rechts und beie

den D. D.), weil im Gegenteil aus Worten und Handlungen von

Mitgliedern dieser Besatzungstruppen immer wieder die Absicht her⸗

vorleuchtet, diese Besatzung als Mittel zur Durchdringung deutschen Gebiets zu benutzen. (Zustimmung bei den D. D. und rechts.) 1

Der Herr Abg. Korell hat mit Recht von dem Nachrichtendienst gesprochen, der in so weitem und drückendem Umfang in dem von den

„Franzosen besetzten Gebiet unterhalten wird. Der Abg. Korell hat. 8