1920 / 265 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 22 Nov 1920 18:00:01 GMT) scan diff

„Es ist mir als zuständigem Reichsminister eine freu ge Pflicht⸗ erfüllung, der Technischen Nothilfe für die aufopfernde H

8 .

streiks wieder selbstlos in den Dienst der Gesamtheit gestellt hat. Die stattliche Zahl von Männern und Frauen, die in unserer von schweren wirtschaftlichen Kämpfen erfüllten Zeit ihre eigene Person zurückstellen

Stillegung lebenswichtiger Betriebe zu bewahren. bereitschaft mildern die Nothelfer die Art der Austragung solcher

nommenen Pflicht aufzurufen.

wird

Gelegenheit für die uns erwiesene Hilfe gehuldigt werden.

95 wiesen.

schienen in der Wohnung von Theophil Kupke, dem

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einen in Kopf und Brust, die seinen Tod auf der Stelle her⸗

von langer Hand geplant war.

preußische öffnungsansprache. Vom Auslande, ind Vertreter vom Inter⸗

der christlichen Gewerkschaften ist, acht Jahre nach dem neunten, heute hier zusammengetreten; die Verhandlungen sollen vier

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persönliche erhob. Einen Höhepunkt erreichte diese Entwicklung in den großen Philosophen Platon und⸗Aristoteles, ihre Weiterbildung bei den Storkern und Neuplatonikern. Mit der alten Volksreligion hatte diese religiöse Philosophie keine inneren Berührungspunkte mehr, wenn diese auch nur die Auswüchse der alten Kulte angriff. Obwohl der Gottesbegriff von ihr pantheistisch gefaßt wurde, gewann sie doch ein persönliches Verhältnis zur Gottheit, deren sittliche Macht auf Erden auch in der Einheit und Ordnung ihren Ausdruck findet. Als die antike Welt dann müde und zukunftslos sich ihrem Tode näherte, wurde ihr der Imperator als Träger der Einheit und Ordnung nicht nur zum irdischen Stellvertreter der Gottheit, sondern selbst zu einer solchen. Aus dieser Erniederung erlöste das Christentum den ster⸗ benden Gottesgedanken und schuf einen Kultus, der ein Träger der Religion des Herzens war. So starben die alten Götter, denn auch Götter sterben. Wenn aber der Menschen Gemüter unter dem Schreckensruf: „Der alte Pan ist tot!“ erbeben, ist die Gottbeit schon in neuer Gestalt wiedererstanden, denn „Dionysos stirbt nur, um zu leben“. Literatur.

Gustav Frenssen: Jacob Alberts. Ein deutscher Maler. Berlin, G. Grotesche Verlagsbuchhandlung, 1920 (52 S., 4 Farbentafeln, 31 farbige Abbildungen). Der Maser der blühenden Halligen und friesischen Bauernstuben hätte keinen besseren Interpreten finden können, als den Dichter von der deutschen Nordseeküste, den Landsmann der engeren Heimat. Ein ferner stehender Kunst⸗ historiker würde nur Interesse für Alberts haben als ge⸗ schmackvollen Darsteller seiner beimischen Gegend, als einen, der dies Thema für den Impressionismus entdeckt hat. Aber bahnbrechend war er weder für die Freilichtmalerei, noch für eine der jüngeren Richtungen. Frenssen hingegen vertieft sich mit liebe⸗ voller Eindringlichkeit in das Stoffgebiet, das den Maler trotz seiner Studien in München, Berlin und Paris am meisten fesseln mußte, weil er durch eine glückliche Kindheit auf dem väterlichen Weidehof mit der heimischen Scholle fest verwachsen war, vom Vater boden⸗ ständige Kraft und bäuerliche Bedächtigkeit, von der prachtvollen, halb holländischen Mutter künstlerischen Sinn geerbt hatte. Wie eine Novelle liest sich die Schilderung vom langsamen Wachsen und Werden dieses deutschen Malers und von den Menschen, die seinen Weg kreuzten und auf irgendeine Weise be⸗ deutungsvoll für ihn wurden. Auch das Besondere der Landschaft, ihre Stimmung und ihre Bewohner kommen zu ihrem Recht, und es ist gut in dieser trotz offiziellen Friedens friedelosen, gärenden Zeit an die gesunde, bodenständige Kraft norddeutschen Volkstums erinnert zu werden. Ausstattung, Druck und Abbildungen, auch die farbigen, sind mustergültig.

Im Verlage von Dietrich Reimer (Ernst Vohsen) A. G. in Berlin ist soeben eine neue Ausgabe des ersten Teils von Goethes Faust erschienen, die mit Reproduktionen nach Zeich⸗ nungen des Peter Cornelius aus den Jahren 1808/15 geschmückt ist. Diese Zeichnungen haben Goethe persönlich vorgelegen, der die Wid⸗ mung des Künstlers annahm. (Preis 60, numerierte Vorzugs⸗ ausgabe 300). G““

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Gesundheitswesen, Tier rankhei en und Absperrungs⸗ maßregeln. Dem Reichsgesundheitsamt ist das Erlöschen der Maul⸗ und Klauenseuche vom Schlachtviehhof in Dresden am 15. November 1920 gemeldet.

Theater und Musik.

Im Opernhause werden morgen, Dienstag, „Die Meister⸗ singer von Nürnberg“, mit den Damen Schwarz, von Scheele⸗Müller und den Herren Kirchner, Rode als Gast, Helgers, Habich, Stock, Henke, Philipp, Krasa, Bachmann und Lücke besetzt, aufgeführt. Musikalischer Leiter ist Dr. Fritz Stiedry. Anfang 5 Uhr.

Im Schauspielhause wird morgen „Peer Gynt“ mit Carl de Vogt in der Titelrolle und Margarethe Schön als Solveig ge⸗ geben. Anfang 6 ½ Uhr.

Oscar von Chelius' neue Over „Magda⸗Maria“ wird am 28. d. M. zum ersten Male in Dessau unter der Leitung des Generalmusikdirektors Knappertsbusch aufgeführt werden.

6 Mannigfaltiges.

Der Reichsminister des Innern Koch hat der Technischen Nothilfe folgende Mitteilung zugehen lassen:

ingabe zu

danken, mit der sie sich letzthiß während des Berliner Elektrizitäts⸗

und keine Mühe und Gefahren scheuen, erstreben keine Parteinahme zugunsten widerstreitender Kräfte und Interessen. Ihr Ziel ist, in iesem Kampfe, die Gesamtheit vor schwersten Erschütterungen infolge Durch ihre Hilfs⸗

Kämpfe. Je mehr unsere Verhältnisse gesunden, um so seltener wird es erforderlich sein, die Technische Nothilfe zu ihrer freiwillig über⸗ b Aber immer wird sie das Bewußtsein haben dürfen, in schwerer Zeit dem Staat und der Wirtschaft wert⸗ volle Dienste geleistet zu haben.“ (W. T. B.) Ein Deutsch⸗Schwedischer Gesellschaftsabend von der Deutsch⸗Schwedischen Vereinigung Donnerstag, den 2. Dezember d. J, im Marmorsaal des Zoologischen Gartens veranstaltet. Im künstlerischen Teile wirken u. a. mit: Maria Ekeblad, Anneliese Impekoven (Tänze in Nationaltracht), Ferdinand Gregori sowie die Kapelle Zimmer. Dem schwedischen Volke soll bei dieser zel. ei Alle hiesigen Schweden und alle Freunde Schwedens sind herzlich ein⸗ laden. Der Reinertrag wird dem Roten Kreuz über⸗ en. (Kein Weinzwang. Gesellschaftsanzug in beliebiger Form, Beginn 7 Uhr.) Karten zu 10, 30 sind bei der Geschäftsstelle der Deutsch⸗Schwedischen Vereinigung, Berlin W. 50, Regensburger Straße 14 a (durch Zahlkarten, vftscheckkonto Berlin Nr. 87 770), bei Bote u. Bock, A. Wertheim und in den Buchhandlungen, die 1g, Plakate kenntlich sind, zu haben. Sammelbestellungen werden erbeten.

Beuͤthen, 20. November. (W. T. B.) Heute nachmittag er⸗

Herausgeber der „Wola Ludu“ („Der Wille des Volkes“), der bis vor einiger Zeit Mitarbeiter Korfantys im Hotel Lomnitz war, drei maskierte Personen, die nach Beschäftigung fragten. Kupke, der an der Wohnungstür zunächst die Namen verzeichnen wollte, erhielt sofort vier Schüsse, darunter je

beiführten. Der Mord ist offenbar politischer Natur. Bereits seit Tagen wurde Kupke von den verschiedenen Seiten durch allerlei Nach⸗ fragen nachgeforscht, sodaß festzustehen scheint, daß seine Beseitigung

Essen, 20. November. (W. T. B.) Der 10. Kongreß

Tage dauern. Die zuständigen Behörden

2 a. sind vertreten. Der Wohlfahrtsminister

Stegerwald hielt die Er⸗

nationalen Arbeitsamt in Genf und dem Internationalen Ge⸗ werkschaftsbunde, von der römisch⸗ katholischen Fachorganisation, und den christlich⸗nationalen Fachverbänden Hollands, den christlichen Gewerkschaften in Oesterreich⸗Ungarn und andere anwesend. Der Kongreß wählte zu Vorsitzenden den Minister Stegerwald und die Herren Behrens, Bieber und Imbusch. Nach dem Berichte des Aus⸗ schusses des Gesamtvorstands ist die Mitgliederzahl des Ge⸗ samtverbands der christlichen Gewerkschaften von 350 900 Ende 1912 auf 1 950 000 gestiegen. Der Gesamtverband hat sich mit anderen Verbänden zum Deutschen Gewerkschafts⸗ bund zusammengeschlossen, der als Gegengewicht gegen den Radikalismus in der Gewerkschaftsbewegung positive Wiederaufbauarbeit leisten will. Dann wurden die Satzungen des Gesamtverbandes der christlichen Gewerkschaften angenommen. Der Gesamtverband umfaßt danach alle deutschen christlichen Gewerk⸗ schaften. lichen Gewerkschaften gemeinsamen der sich aus der Tätigkeit der einzelnen Gewerkschaften er⸗ gebenden Aufgaben von allgemeiner Bedeutung und Herbei⸗ führung umfassender Unterstützung der Bestrebungen der Gewerk⸗ schaften durch die Gesamtheit. Den Verhandlungen des zweiten Tages unter Leitung des Reichstagsabgeordneten Imbusch wohnten unter anderen der Arbeitsminister Dr. Brauns, der Reichspostminister Giesberts, Skaatssekretär Becker sowie der Präsident des Bavyerischen Landtages Bauer bei. Der Staatsminister Stegerwald sprach über „die christlich⸗nationale Arbeiterschaft und die Lebensfragen des deutschen Volkes“, behandelte die Probleme der äußeren und inneren Politik in wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht und forderte eine Aenderung des Versailler Friedens⸗ vertrages, der ein unübersteigliches Hindernis für die Pro⸗ duktion der ganzen Welt sei. „Wo bleibt“, fragte der Redner, unter stürmischem Beifall der Versammlung, „der flammende Protest der Oberhäupter aller christlichen Kirchen gegen diese bewußte Ver⸗ neinung des Christentums?“ Bei den innerpolitischen Fragen sprach er entschieden gegen die Zerschlagung Preußens, welche die Reichs⸗ einheit gefährde. In der Wirtschafts⸗ und Finanzpolitik forderte der Redner strengste Sparsamkeit. In der Landwirtschaft müsse darauf hingewirkt werden, die Produktion zu heben und möglichst viel Menschen auf dem Lande festzuhalten. In sozialpolitischer Hinsicht müsse die seelische Bewertung des Arbeitnehmers eine andere werden. Zum Wiederaufbau des Vaterlandes müßten im Sinne einer beharrlichen äußeren und inneren Politik die vaterländisch, christlich, volkstümlich und wahrhaft sozial denkenden Kreise aus allen Volksschichten zu⸗ sammengefaßt werden, auch parlamentarisch. Angesichts der Not⸗ wendigkeit, das ganze öffentliche Leben mit wahrhaft christlichem Geiste zu durchdringen, sei für die christliche Arbeiterbewegung das gegenwärtige vorrevolutionäre Parteisystem unerträglich. Der Sozialdemokratie fehlten die Vorbedingungen für die über⸗ ragende Führung. Nötig sei eine einheitliche und politisch geschlossene Ideengemeinschaft zwischen der gemäßigten Arbeiter⸗ bewegung Deutschlands und allen übrigen Volksgenossen, die in gleichem Sinne am Wiederaufbau und an der Erneuerung Deutsch⸗ lands arbeiten wollten: deutsch, christlich demokratisch, sozial! Träger dieses Programms müßten die im deutschen Gewerkschaftsbund ver⸗ einigten christlich⸗nationalen Arbeiter, Angestellten und Beamten werden. Eine starke christlich⸗nationale Volkspartei, die Zusammenfassung der politischen Kräfte im katholischen und evangelischen Lager sei das Ge⸗ bot der Stunde. Einstimmig angenommen wurden vier von dem Minister befürwortete Entschließungen: erstens auf grundlegende Re⸗ vision des Versailler Friedensvertrages, zweitens gegen die weitere Besetzung großer Teile Deutsch⸗ lands, drittens gegen die Forderung auf Ablieferung von 810 000 Milchkühen, viertens auf Schaffung eines parla⸗ mentarischen Komitees, einer eigenen Tageszeitung der christlich⸗nationalen Bewegung und einer Volksbank, welche die wirtschaftlichen Kräfte der christlich⸗nationalen Arbeiter, An⸗ gestellten und Beamten und der ihnen nabhestehenden Kreise bei dem Wiederaufbau Deutschlands einheitlich zur Geltung bringen soll.

Interessen; die Vertretung

Zu den deutschfeindlichen Kundgebungen undden Ausschreitungen gegen Deutsche in Prag und Deutschböhmen liegen heute folgende Meldungen des „W. T. B.“ vor:

Zittau, 21. November. Wie aus Reichenberg gemeldet wird, haben der akademische Senat und die Vertreter der Studenten⸗ schaft der Universität Prag gegen die Stimme eines Senators infolge der leizten Vorgänge in Prag die Verlegung der Prager deutschen Hochschule nach Deutschböhmen beschlossen und Reichenberg dafür in Aussicht genommen. Dort haben sich bereits viele vertriebene Prager Studenten eingefunden, die heute vor⸗ mittag eine öffentliche Versammlung abhielten.

Wien, 21. November. Im Laufe der gestrigen Einspruchs⸗ versammlungen gegen die Gewalttaten der Tschechen in Prag und Deutschböhmen gaben fast sämtliche Redner der Hoffnung auf einen baldigen Anschluß an das Deutsche Reich Ausdruck. Der Abgeordnete Kallina (Karlsbad) erklärte, die Deutschen würden in der Tschecho⸗Slowaker in ihrer Abwehr vor keinem Opfer zurückschrecken, denn das Hauptziel der Deutschen in der Tschechoslowakei sei die Freiheit und die Vereinigung mit dem großdeutschen Volksstamme. Der Abgeordnete Dr. Prunar führte u. a. aus: „Ueber der Treue zum Staat steht die Treue zum angestammten Volkstum. Wir wollen ein gesichertes Volkstum. Die Tschechen machen es den Deutschen im tschechischen Staate unmöglich, am Staate mitzuarbeiten.“ In einer unter leb⸗ haftem Beifall einstimmig angenommenen Entschließung heißt es: „Wir vertrauen fester denn je auf die Vereinigung des ganzen deutschen Volkes. Es wird seine losgerissenen Brüder und Schwestern nicht preisgeben.“ Einer Abordnung der Kundgebungon erklärte der Polizeipräsident, er werde in Zukunft tschechische Veranstaltungen solange in Wien verbieten, als die Mißhandlungen der Deutschen in der Tschecho⸗ slowakei andauern.

Salzburg, 21. November. Die Großdeutsche und die Mehr⸗ heits sozialistische Partei veranstalteten heute im Verein mit dem Hilfsausschuß der Sudetendeutschen eine von der deutschen Bevölke⸗ rung ohne Unterschied der Partei besuchte Massenversamm⸗ lung, die sich zu einer eindrucksvollen Kundgebung der Sympathie und Sokdarität mit den Deutschböhmen, für das Selbst⸗ bestimmungsrecht der Deutschen Oesterreichs und für den Anschluß gestaltete.

Brünn, 20. November. (W. T. B.) Das Deutsche Haus in Brünn, das während der letzten Kundgebungen von Studenten und Legionären beschlagnahmt worden war, wurde der Verwaltung des Deutschen Hauses wieder Furück⸗ gegeben. Ein Verzeichnis der angerichteten Schäden ist aufgestellt. Prag, 21. November. Das „Prager Tagblatt“ und die,„ Bohemia“ sind gestern wieder erschienen. Der Deutsche Parlamentarische Verband und die sozialdemokratischen Ab⸗ geordneten und Senatoren haben vom Ministerpräsidenten die Zusicherung erhalten, daß Vorkehrungen für das Wieder⸗ erscheinen der deutschen Blätter, für die Sicherung des Neuen Deutschen Theaters und die Räumung des Deutschen Hauses und der übrigen widerrechtlich be⸗ schlagnahmten Baulichkeiten getroffen worden seien. Ein Aufruf des Deutschen Parlamentarischen Ver⸗ bandes stellt fest, daß unter den jetzigen Verhältnissen eine geord⸗ nete Tagung der Volksvertretung undenkbar ist, und verlangt daher die Vertagung beider Häuser bis zur Wiederherstellung der Sicherheit und Ordnung, Schadloshaltung der Betroffenen und Beseitigung der gesetzwidrigen Zustände. Ein Aufruf des sozialdemokra⸗ tischen Parteivorstands wendet sich gegen den Chauvi⸗ nismus auf beiden Seiten, warnt vor wirtschaftlicher und politischer Reaktion und stellt fest, daß die Massen des tscchechischen Proletariats der nationalen Hetze in Prag fernstehen. Der Ausschuß der deutschen Studenten in Prag ver⸗

öffentlicht eine Kundgebung, in der mitgeteilt wird, daß üfokae

Sein Zweck und Ziel ist Wahrnehmung der den christ⸗

der deutschen Studenten

der Ereignisse der letzten Woche ein Teil schen 1 aber entschlossen seien,

brag verlassen mußte, die übrigen 1. 8 1 bis e letzten Augenblick in Prag zu halten. Immerhin sei an ein längeres Verbleiben der deutschen Hochschule in Prag nicht zu denken. Nach einer Meldung der „Bohemia“ aus Asch hat die Stadtvertretung für die tschechischen Legionären zum Opfer gefallenen Deutsch⸗ böhmen eine viertägige Trauer angeordnet.

Prag, 22. November. Der Ausschuß der Mitglieder⸗ schaft des Tschechischen Nationaltheaters in Prag faßte gemeinsam mit Vertretern der tschechischen Mitglieder des Neuen Deutschen Theaters in Prag sowie Vertretern der Legionäre den Beschluß, die tschechische Oeffentlichkeit auf⸗ zufordern, die Aufführungen im Neu D Theater nicht zu hindern.

Innsbruck, 21. November. (W. T. B.) 1 Hauptfesttag des Landesschießens der Tiroler Heimatwehren öogen die Schützengilden unter klingendem Spiel zur Wiltener Pfarrkirche, wo der Abt die feierliche Einsegnung der Standarten der Heimatwehren vornahm. Zur Feier waren aus allen Teiken des Landes Vertreter erschienen.

11“

Paris, 21. November. (W. T. B.) Am heutigen Toten⸗ sonntag legte der deutsche Botschafter Dr. Mayer am Denk⸗ mal für die auf dem Friedhofe Bagneur in der Pariser Vorstadt Montrouge E1 deutschen Soldaten einen Kranz nieder. Dr. Mavyer hielt dabei an die ver⸗ sammelten Mitglieder der deutschen Botschaft, der deutschen Friedens⸗ delegation und der übrigen deutschen Missionen folgende An⸗ sprache: „Ueber eine Million deutsche Soldaten liegen auf französischem Boden begraben. Unermeßlich ist die Zahl der Mütter und Witwen, der Kinder und Geschwister der Ge⸗ fallenen, die heute in der Heimat in ihren Gedanken und Gebeten an den Gräbern ihrer Lieben weilen. Mit ihnen gedenkt das ganze deutsche Volk in Trauer und Ehrfurcht seiner für das Vaterland ge⸗ fallenen Söhne. Zur Ehrung des Andenkens an alle die Treuen, die an der Front, in Hospitälern oder in Gefangenschaft ihr Leben für ihr Vaterland dahingegeben und nun in französischer Erde ihr Heldengrab gefunden haben, lege ich namens der Reichs⸗ regierung und der deutschen Heimat diesen Kranz nieder. Das deutsche Volk wird auch in Unglück und Not seine Helden und ihre Taten nie vergessen; es neigt sich in unaussprech⸗ licher Dankbarkeit und Bewunderung vor ihrem Andenken, das ihm ein heiliges Vermächtnis bleiben wird immerdar“. Für die deutschen Mütter und Frauen legte die Gemahlin des Botschafters einen Kranz nieder, für die deutsche Friedensdelegation der Gesandte von Mutius.

Se 21. November. (W. T. B.) Aus einem Teile des Departements werden Erderschütterungen gemeldet.

Aeronautisches Observatorinm. Lindenberg, Kr. Beeskow. 1 20. November 1920. Drachenaufstieg von 5 a bis 6 ¾

Relative Wind Temperatur Co Feuchtig⸗

unten 0%

Seehöhe m

122 1000 1500 3500

oben

SO SOzS SOzS 8 O

¼ bedeckt. Reif. Sichtweite 10 km.

21. November 1920. Drachenaufstieg von 8 a bis 9 a.

Relative Wind

83 ja⸗

Feuchtig⸗ Cgscwhnd. ekund.⸗

8 % Meter

4,8 96 3 90

24 24 24 25 27 32

Seehöhe Luftdruck Temperatur C0

oben m mm

122 766.4

520 730

740 711 1600 637 1750 625 2410 575 2530 567 495

II

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Theater.

8

Opernhaus. bezugsvorstellung. 5 Uhr.

Mittwoch: Boheème.

Anfang 7 Uhr.

Schauspielhaus. (Am Gendarmenmarkt.) Dienstag: Karten⸗

reservesatz 120. Peer Gynt. Anfang 6 ½ Uhr. Mittwoch: König Richard der Dritte. Anfang 7 Uhr.

Familiennachrichten.

Gestorben: Hr. Kammergerichtsrat, Geheimer Justizrat Dr. Georg Richard (Berlin). Hr. Generalmajor z. D. Otto Hedicke (Nordhausen). Hr. Kommerzienrat Hermann Putsch (Hagen i. W.). Hr. 85 Carl von Merck (Hamburg). Hr. Rittmeister a. D. Bodo Hans Friedrich Thito Frhr. von Maltzahn (Kemnitz bei Neubrandenburg). Frau Marie Gans Edle Herrin zu Putlitz, geb. von Flotow (Berlin).

Verantwortlicher Schriftleiter: Direktor Dr. Tyrol, Charlottenburg. ö“ den Anzeigenteil: Der Vorsteher der Geschäftsstelle Rechnungsrat engering in Berlin.

Verlag der Geschäftsstelle (Mengering) in Berlin.

Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlagsanstalt, 1 9 Berlin, Wilhelmstr. 32.

Vier Beilagen ““ e(eiinschließlich Börsenbeilage.) 8 2 und Erste, Zweite, Dritte und Vierte Zentral⸗Handelsregister⸗Beilage.

(Unter den Linden.) Dienstag: 208. Dauer⸗ Die Meistersinger von Nürnberg Anfang

zum Deutschen Reichsanzeiger und Preußischen Staatsanzeiger

Berlin, Montag, den 22. November

1920

——

r.

265.

1 Nachtrag.

Die Rede, die bei der ersten Lesung des Entwurfs eines Gesetzes über den Staatsgerichtshof der Reichsminister des Innern Koch gehalten hat, hatte folgenden Wortlaut:

Reichsminister des Innern Koch: Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Kahl hat mit dem Tone einer leisen Rüge gesagt, daß sich der Entwurf in seiner Begründung mit der Vorgeschichte dieses Gesetzentwurfs zu wenig beschäftige. Ich glaube, daß der Herr Ab⸗ geordnete Kahl das in aller Gründlichkeit und Ruhe nachgeholt hat,

und daß Herr Abgeordneter Kahl ebenso wie die übrigen Herren, die an dieser ganzen Vorgeschichte viel mehr Anteil gehabt haben als ich

denn ich war während der wesentlichen Vorgänge noch nicht Minister —, ein viel besseres Bild davon geben können als ich, zumal die vielfachen Verhandlungen, die über diese Frage hin⸗ und her⸗ gelaufen sind, selten einen aktenmäßigen Niederschlag gefunden haben. Wenn der Herr Abgeordnete Kahl aber geglaubt hat, ich hätte am 3. Oktober 1919 es war der zweite Tag, nachdem ich Reichsminister geworden war mir erlaubt, eine gewisse Ungnade über ihn aus⸗ zuschütten, so ist Herr Abgeordneter Kahl in dieser Richtung durchaus im Irrtum. Der Herr Abgeordnete Kahl erinnert sich vielleicht nicht mehr,edaß ich gerade damals betont habe, daß die Art dieses Vorgehens, nämlich ohne einen eigentlichen Regierungsentwurf zu verhandeln, an sich ein parlamentarisch unerwünschter Vorgang sei, und daß ich ledig⸗ lich mit Rücksicht auf die Versprechungen, die nach dieser Richtung hin von meinem Vorgänger abgegeben worden seien, daran festhielte.

Im übrigen aber glaube ich, daß es der ruhigen, kaltblütigen und sach⸗

gemäßen Verhandlung dieser Frage durchaus keinen Abbruch getan hat, wenn die Regierung erst heute anstatt vor einem Jahre mit einem Entwurf hervorgetreten ist. Ich glaube deswegen, daß das Verfahren, das ich geübt habe, einer Kritik standhalten kann.

Im übrigen kann ich den Ausführungen des Herrn Abgeordneten Kahl in wesentlichen Punkten zustimmen. Ich kann namentlich auch seitens der Regierung eine Prüfung zusagen, ob es sich etwa empfiehlt, den Entwurf näher an das Reichsverwaltungsgericht anstatt an das Reichsgericht anzugliedern. Die Gründe, aus denen wir hier das Reichsgevicht in den Vordergrund gestellt haben, liegen ja wesentlich darin, daß das Reichsverwaltungsgericht heute noch nicht in Kraft

Verfassungsabteilung meines Ministeriums erleidet, nicht mit Sicher⸗ heit vorauszusagen ist, wann ich diesen Entwurf Ihnen vorlegen kann. Meine Damen und Herren! Das ist ein eigenartiges Kapitel. Es wird über die zu vielen Gesetze geklagt, die von der Regierung vorgelegt werden; aber wir sehen bei jeder Verhandlung, daß, wenn die Regierung zu irgendeiner Zeit nicht alsbald dazu kommt, einen erwarteten Gesetzentwurf vorzulegen, dann eine Lücke zu entstehen pflegt und aus dem Parlamente der Ruf nach beschleunigter Vor⸗ legung eines solchen Gesetzes hervortritt. Ich werde versuchen, das Gesetz sobald wie möglich vorzulegen und damit den Wünschen des Herrn Kahl und wohl eines großen Teiles des Hauses zu entsprechen.

Dagegen geben mir die Ausführungen des Herrn Abgeordneten Graef in ihrer Gesamtheit keinerlei Veranlassung, darauf irgendwie einzugehen. Eine Stellungnahme zum Gesetze, die in irgendeiner Weise tiefer geschürft hätte, habe ich in diesen Ausführungen nicht gefunden, und wenn der Herr Abgeordnete Graef es für erforderlich gehalten hat, bei dieser Gelegenheit über die Minister des neuen Regimes ganz allgemein abfällige Aeußerungen zu machen, so halte ich es unter meiner Würde, darauf mit einem Worte einzugehen. Nur das eine will ich sagen. Wenn gesagt wird, früher sei ein solcher Gesetzentwurf nicht nötig gewesen, so darf man darauf erwidern, daß in früherer Zeit selbst von den radikalsten Parteien in einer solchen alle Autorität erschütternden Weise hier von der Tribüne des Hauses zu Ministern nicht gesprochen worden ist, wie es zum Beispiel Herr Abgeordneter Graef heute für zweckdienlich gehalten hat. (Sehr gut! bei den Deutschen Demokraten.)

Der Herr Abgeordnete Radbruch hat an meinem Entwurf vor allen Dingen bemängelt, daß er die Frage der Kriegsschuldigen außer acht läßt. Meine Herren, ich glaube in der Tat, daß, wie die Dinge gelaufen sind, es im Interesse der Regierung, des Parlaments und des Volkes liegt, daß wir nicht noch einmal zu strafgerichtlichen Ver⸗ handlungen über die Kriegsschuld kommen. Ich bin der Ansicht, daß der Untersuchungsausschuß seinerzeit gebildet worden ist, um diese Verhältnisse zu prüfen, und daß der Untersuchungsausschuß, der ja eine Einrichtung des Parlaments ist, seinerseits auf diesem Gebiete so arbeiten muß, wie er es für richtig hält. Daß aber hinter die Verhandlungen des Untersuchungsausschusses nun etwa noch ein staatsgerichtliches Verfahren gesetzt werden sollte, hat um so weniger Zweck, als Herr Radbruch selbst darauf hingewiesen hat, daß ein solches Verfahren mit irgendeiner Bestrafung oder auch nur mit einer Aberkennung der Fähigkeit zur Bekleidung eines Amtes oder zur Ausübung eines Berufs und dergleichen nicht enden könnte. Ich frage mich also, was ein solches Verfahren hinter etwaigen Ver⸗ handlungen des Untersuchungsausschusses noch für einen Zweck haben kann, wenn eine wirkliche Bestrafung damit nicht verbunden ist. Ich bin der Ansicht, daß unser Volk der Verhandlungen über die Frage der Kriegsschuld, namentlich wenn sie in einer strafrechtlich zugespitzten Weise vor sich gehen, müde ist, und daß keine Ver⸗ anlassung vorliegt, durch ein besonderes gerichtliches Verfahren diese Verhandlungen in der Form strafrechtlicher Verhandlungen wieder aufzunehmen.

Wenn der Herr Abgeordnete Radbruch aber weiter geglaubt hat, auch in Zukunft sei es Pflicht und Schuldigkeit, jeden, der sich im Staate irgendwie verginge, der irgendwie seinen Pflichten nicht nach⸗ käme, vor den Staatsgerichtshof zu ziehen, so bin ich als überzeugter Anhänger des parlamentarischen Systems genau der entgegengesetzten

getreten ist, und daß es bei der ungeheuerlichen Ueberlastung, die die seinen Hauptwert.

Ansicht. Nach meiner Ansicht übernimmt die Verantwortung für ein derartiges Vergehen für jeden Beamten, für jede untergeordnete Stelle der Minister, und es ist Aufgabe des Parlaments, den Minister zur Verantwortung zu ziehen, wie es dieser Entwurf vorsieht, nicht aber jeden einzelnen Beamten, gegen den die Regierung ihrerseits vorzu⸗ gehen verpflichtet ist, sei es disziplinarisch, sei es kriminell oder wie sonst. Wir würden zu einer vollkommenen Verwirrung unserer par⸗ lamentarischen Verantwortlichkeit kommen, wenn wir etwa anstatt des Ministers einen Staatssekretär, einen Oberpräsidenten oder wen irgendwie sonst zur Verantwortung vor den Staatsgerichtshof ziehen würden. Ich habe mich deshalb in dem Entwurf absichtlich und grundsätzlich darauf beschränkt, die Ministerverantwortlichkeit ebenso wie natürlich die des Reichspräsidenten festzustellen.

Daß in dem Entwurf der Richter, und zwar der Berufsrichter, als wesentliche Stütze und Säule des Verfahrens vorgesehen ist, wird, wie ich glaube, der Ueberzeugung der überwiegenden Mehrheit unseres Volkes entsprechen, die nicht wünscht, daß solche Verhand⸗ lungen der nötigen Rechtsgarantien und der nötigen richterlichen Objektivität entbehren. Wenn hier gesagt worden ist, daß nicht jeder Richter fleischgewordene Gerechtigkeit ist, so ist das eine Selbst⸗ verständlichkeit in einer unvollkommenen Welt. Der Ersatz des Richters aber durch irgendeine andere Persönlichkeit würde, wie mir scheint, keine Verbesserung, sondern eine Verschlechterung mit sich bringen.

Der Entwurf, meine Damen und Herren, ist deswegen heute dringend, weil die Notwendigkeit, einen Staatsgerichtshof für An⸗ gelegenheiten unseres öffentlichen Lebens zu besitzen, auf manchen Ge⸗ bieten hervorgetreten ist. Ich denke dabei nicht an die Minister⸗ verantwortlichkeit, bezüglich welcher der Entwurf im Augenblick wohl nicht brennend erscheint. Ich denke aber an Verfassungsstreitigkeiten, wie sie auf Grund des Art. 19 in verschiedenen Ländern vor⸗ gekommen sind und einer Entscheidung des Staatsgerichtshofs drin⸗ gend bedürfen. Ich denke an die Ausführung des Art. 18 wegen Neugliederung des Reichs, namentlich auch mit Rücksicht auf den Ihnen vor wenigen Tagen zugegangenen Gesetzentwurf für Ober⸗ schlesien, wo ausdrücklich eine Auseinandersetzung durch den Staats⸗ gerichtsvof in vermögensrechtlicher Beziehung vorgesehen ist, und

schließlich drängt mich auch der Herr Verkehrsminister zur Errichtung

des Staatsgerichtshofs mit Rücksicht auf die Uebernahme der Wasser⸗

straßen auf das Reich, die, vielleicht, im Wege der Verhandlungen zwischen Reich und Ländern nicht glatt zustande kommen werde.

Sie sehen, es ist eine Reihe solcher mehr wirtschaftlicher Fragen

oder solcher Fragen der sachlichen politischen Auseinandersetzung, die

zur Errichtung dieses Staatsgerichtshofs drängen, und darin sehe ich Nachdem die Verhältnisse in Deutschland, wie ich hoffe, eine gewisse Beruhigung erfahren haben, soll ein Staats⸗ gerichtshof errichtet werden, der nicht ein Werkzeug der politischen Leidenschaft ist, sondern einen Baustein für den vernunftmäßigen und gesicherten Aufbau unserer Republik bildet. (Bravo bei den Deutschen Demokraten.)

31. Sitzung vom 20. November, Vormittags 10 Uhr (Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger“*).)

Auf der Tagesordnung steht zunächst die erste Beratung des Gesetzentwurfes zur beschleunigten Er⸗ hebung des Reichsnotopfers und der Kriegs⸗ abgabe vom Vermögenszuwachs. Auf Antrag Dr. Rießer (D. Vp.) wird der Gesetzentwurf ohne Erörterung dem Steuerausschuß überwiesen.

Es 8 die Interpellation der Abgg. Müller (Franken) und Gen. (Soz.):

„Ist die Reichsregierung bereit, zu erklären, wann sie den schon wiederholt und besonders eindringlich nach dem Abkommen von Spaa zugesagten Gesetzentwurf über die Sozialisierung des Kohlenbergbaues vorlegen wird, und zwar einen Entwurf, der sich nicht etwa auf eine Gewinn⸗, Kapitals⸗ oder Ertragsbeteiligung der Arbeiter beschränken, vielmehr die Voll⸗ sozialisierung der Kohlenförderung und der Kohlenverteilung durchführen wird?“

Zur Begründung der Interpellation nimmt das Wort

Abg. Löffler (Soz.): Der Arbeitsminister Dr. Brauns erklärte am 5. August von dieser Stelle, daß die Reichs⸗ regierung von heute der Frage der Sozialisierung nicht aus dem Wege gehe. Dann bemerkte er: „Ich bin ermächtigt, zu erklären, daß die Reichsregierung auf dem Beschluß de Reichswirtschaftsrats vom 24. Juli steht. Sie hat den Reichs⸗ wirtschaftsminister beauftragt, unverzüglich die Weiterverfolgung der Angelegenheit zu betreiben, sobald der Bericht der Sozialisierungs⸗ kommission vorliegt. Dann hat das Reichskabinett am 22. Sep⸗ tember einen eschluß gefaßt, der amtlich dahin bekannt⸗ gegeben wurde, daß das Kabinett einstimmig beschlossen hat, den Reichs⸗ wirtschaftsminister zu beauftragen, auf der Grundlage des nun vor⸗ liegenden Berichtes der Sozialisierungskommission umgehend einen Gesetzentwurf über Sozialisierung des Bergbaues vorzulegen. Schließ⸗ lich hat der Reichsschatzminister v. Raumer im Reichswirt⸗ schaftsrat am 18. Oktober erklärt, daß das Kabinett auch heute noch

eschlossen auf dem Boden der Erklärung vom 5. August und des Beschluses vom 22. September stehe. Daraus ist ersichtlich, daß die Regierung eine klare und bündige Erklärung abgegeben hat, wenn sie sich auch nicht auf eine der vorliegenden Gutachten der Soziali⸗ sierungskommission festgelegt hat. Aber die Vorlegung eines Sozialisierungsgesetzes ist bestimmt und unzweideutig in Aussicht gestellt worden. Seitdem ist in allen Regierungswipfeln Ruh. er deshalb fragen, auf welchem Standpunkt steht das Kabinett? Hat sie die Regierung etwa bei der Abgabe ihrer Erklärungen die Echternachsche Springprozession zum Vorbild genommen, einen Schritt vor⸗ wärts, zwei Schritte zurück? Die Gegner sozialistischer Wirt⸗ chaftsformen haben sich inzwischen mächtig gerührt. Will die Regierung vor ihnen zurückweichen? Auf diese Frage muß klipp und klar eine Antwort erfolgen. Um was handelt es sich? Es handelt sich darum, ob der Bergbau lediglich privatkapitalistischen Interessen oder dem Volksganzen dienen soll. Es handelt sich darum, ob mit der Verleihung zur Ausbeutung auch das Eigentumsrecht verliehen worden sei. Dieser Auffassung muß mit aller Schärfe entgegengetreten werden. (Sehr richtig; bei den Soz.) Bis zum ahre 1860 bestand in Preußen, dessen Berggesetzgebung anderen Ländern zum Vorbild diente, das Direktionsprinzip. Die

Herren Minister, die i

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2 Mit Ausnahme der Reden der Wortlaute wiedergegeben werden.

anze Leitung des S war Sache der Staatsorgane. Die Väter und Großväter heutigen Grubenbesitzer haben hiergegen natürlich im Interesse der Ausbeutungsfreiheit heftig protestiert. Der westfälische Industrielle Harkort schrieb einmal, daß man sich in einer Zeit befände, wo im Sturm die alten Formen zusammenbrechen und eine großartige Anstrengung der Nation zur Erhaltung des Ganzen einzusetzen hat. In solchen Zeiten befinden wir uns auch jetzt. (Sehr richtig! bei den Soz.). Damals sollten die Interessen der Landes⸗ herren vor den Interessen der Bergwerksbesitzer zurückstehen, heute sollen die Sonderinteressen der kapitalistischen Gewinnstreber aus⸗ scheiden. Ein schlesischer Arzt hat seinerzeit gegen das Direktions⸗ prinzip eingewendet, daß mit dessen Aufhebung das goldene Zeitalter da wäre. Er meinte aber nur das goldene Zeitalter der Gruben⸗ besitzer und nicht der gesamten Menschheit. In den Märztagen 1848 befanden sich unter den Vorkämpfern einer radikalen Umgestaltung der Dinge sehr viele Grubengewerke. Der konstituierende preußische Landtag hatte sich bereits im August 1848 mit einem Antrag Harkort zu befassen, der verlangte, daß vor allem die Besteuerung der Aus⸗ eute bis auf 5 % des Reinertrages freigegeben werde. Der Antrag war durchaus nicht 3 Insgesamt kamen damals 688 000 Taler ein, eine für 1847 recht große bei der damaligen Pro⸗ duktion. Aus dieser hohen Summe, die der Staat erhielt, ist klar zu entnehmen, daß der Staat das Eigentumsrecht über die Schätze der Erde in der Gewalt hatte. Damals wurde dem Verlangen zwar nicht entsprochen, aber die Regierung gab die Erklärung ab, daß sie demnächst einen Gesetzentwurf vorzulegen gedenke, der bezüglich der Bergbaufreiheit entgegenkomme. Der Kampf um die staatliche Gebundenheit wurde durch die Annahme eines Gesetzentwurfs vom 12. Mai 1851 beendet, wodurch die Verwaltungs⸗ rechte den Privaten übertragen wurden. Immer mehr rang sich dann in der Zeit des, Manchestertums die Auffassung durch, daß das freie Walten der Kräfte das Allheilmittel für die sozialen Nöte sei. 1861 wurde dann das SoEE“ aufgehoben, und damit begann die Zeit, wo aus dem einst hochgeachteten und mit besonderen Vor⸗ rechten ausgestatteten Bergknappen ein schwerarbeitender Proletarier

wurde, der bittere Kämpfe um den sozialen Aufstieg und die organi⸗

satorische Anerkennung zu führen hatte. Mit ihrem Verlangen der

vollen Ausbeutungsfreiheit hatten die Grubenbesitzer 1865 endlich Erfolg. Das damals geschaffene Berggesetz gilt in seinen Grund⸗ zügen noch heute. Aber daran ist festzuhalten, daß es ein Eigen⸗ tumsrecht an den Bergschätzen nicht zugestand, was von den Werks⸗ juristen nachzuweisen versucht wurde. Dieser Gesichtspunkt muß im Vordergrund des Sozialisierungsgesetzes stehen: Ein privates Eigen⸗ tumsrecht an den erschlossenen oder unerschlossenen Adern der Erd⸗ schätze besteht nicht. Sie gehören zum Besitz des Staates, der politischen und wirtschaftlichen Zusammenfassung des ge⸗ samten Volkes. Nachdem die Grubenindustriellen die Bergbaufreiheit erlangt hatten, erschien ihnen die dadurch eingetretene Produktions⸗ steigerung alsbald gefährlich, und sie schritten dazu, diese Freiheit einzuschränken, um den Wirkungen der Ueberproduktion, die sie im kapitalistischen Interesse als üble empfanden, baldigst ein Ende zu machen. Es kam 1893 zur Bildung des Kohlensyndikats, der Ver⸗ kaufsvereinigung der Bergindustriellen von Rheinland und Westfalen

und damit wurde im politischen Staate ein Wirtschaftsmonopo

Privater geschaffen. Der Handelsminister Möller hat selbst zu⸗ gegeben, daß wendge Gruppen von Großkapitalisten sich des Kohlenbesitzes bemächtigt hätten, den der Staat für die Allgemein⸗ heit zu vergeben habe. Auch der konservative Nationalökonom Pro⸗ fessor Adolf Wagner vertrat die Auffassung, daß ein solches Privat⸗ monopol gemeinschädlich und durch ein Staatsmonopol zu ersetzen sei. Ganz ähnlich äußerte sich 1900, als die Kohlenpreise scharf angezogen hatten, die „Deutsche Tageszeitung“, die ebenfalls die Verstaat⸗ lichung aller Kohlenbergwerke forderte. Der Versuch, den der Reichs⸗ kohlenrat und der Neichswirtschaftsrat gemacht haben, in einer ge⸗ meinsamen Kommission zu einem Vorschlag zu gelangen, auf den sich alle Teile vereinigen könnten, ist gescheitert. Die Konzentration der Wirtschaftszweige in vertikaler Richtung, wie sie vorgeschlagen worden ist, ist ein vom privatkapitalistischen Standpunkte aus wahrhaft groß⸗ artiger Gedanke, er würde aber in der Praris zur Begründung eines Wirtschaftsstaates im politischen Staate führen, der für die Einheit Deutschlands zu einer Gefahr werden müßte. Der Gedanke muß nicht nur von der Arbeiterschaft, sondern auch von den Kohlen ver⸗ brauchenden Industrien abgelehnt werden. Noch schlimmer ist die Form, unter der man dem Sozialisierungsgedanken entgegenkommen will; es wird vorgeschlagen, die Arbeiter und Beamten 8 Kohlen⸗ bergbaues durch die Ausgabe von Kleinaktien an der Kapital⸗ aufbringung und am Gewinne zu beteiligen, und die Beteiligung der Allgemeinheit soll auf dem Wege der Besteuerung realisiert werden. Das ist bloß eine Sctsesan a stern g. die zur Bildung eines Berufs⸗ kapitalismus führen würde, der nicht nur über Leichen, sondern über das gesamte Volkswohl himvegschreiten könnte. Es ist nicht der Zweck der Sozialisierung, größere Teile des Volkes mit privatkapitalisti⸗ schen Ideen zu infizieren. Vielleicht mögen 5 Prozent der rheinisch⸗ westfälischen Bergleute, frühere Gelbe, jetzt Kommunisten, dafür zu haben sein, 95 Prozent der Bergleute verzichten darauf, sie verlangen die Ueberführung der Erdschätze in den Besitz der Volksgesamtheit, das ist es, was sie unter Sozialisierung verstehen. Würden die Bexg⸗ arbeiter in ihren Erwartungen getäuscht, so sind die Folgen gar nicht abzusehen. (Zuruf des Abg. Wimnefeld.) Herr Winnefeld, Sie sind nicht autorisiert, über den Gedanken der Sozialisierung gu sprechen. Sie sitzen in der Deutschen Volkspartei; der christliche Gewerkverein hat Ihnen jede Autorität abgesprochen und Sie sind ein Eingänger genannt worden. Die Sozialisierung kann nur im organischen Aufbau erfolgen, sie darf nicht einhergehen mit einer Einschränkung der Produktivität. Die Regierung muß munmehr aus ihrem Versteck hervortreten und Farbe bekennen, ein längeres Fewern wäre unerträglich. Hic rhodus, hic salta! (Beifall bei den

ialdemokraten.)

Reichswirtschaftsminister Dr. Scholz: Meine Damen und Herren! Auf die, wie ich anerkennen will, außerordentlich maßvolle und sachliche Begründung der Interpellation habe ich namens der Reichsregierung folgendes zu erklären.

Die Reichsregierung wird gemäß den Erklärungen des Herrn Reichskanzlers vom 27. Oktober d. J. einen Gesetzentwurf über die gemeinwirtschaftliche Regelung des Kohlenbergbaues mit größtmöglicher Beschleunigung den gesetzgebenden Körperschaften vorlegen. Im gegen⸗ wärtigen Augenblick sind die Beratungen der berufenen Sach⸗ verständigen des vorläufigen Reichswirtschaftsrats und des Reichs⸗ kohlenrats über die Grundlagen dieses Entwurfs noch nicht abge⸗ schlossen. Vielmehr ist, wie bekannt, in den letzten Tagen die ursprüng⸗ lich nur aus Vertretern des Kohlenbergbaues bestehende Ver⸗ ständigungskommission durch weitere Sachverständige der anderen großen Berufsgruppen ergänzt worden, um endgültig eine gemeinsame Grundlage für diese entscheidende Frage der Neuordnung unseres Wirt⸗ schaftslebens zu finden. Die Kommission beabsichtigt, ihre Verhand⸗ lungen am 1. Dezember dieses Jahres aufzunehmen. Solange die berufenen Sachverständigenvertretungen noch in aussichtsreichen Ver⸗ handlungen über einheitliche, aus gemeinsamer Verständigung hervor⸗ gegangene Richtlinien beraten, denen angesichts der Bedeutung der zu lösenden Aufgabe die größte Wichtigkeit beigemessen werden muß, wäre

es eine nicht genügende Beachtung des Gedankens fachmännischer Mit⸗